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Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

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PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien<br />

<strong>Vorlesung</strong> „<strong>Öffentliche</strong> <strong>und</strong> <strong>private</strong> Sphäre in der Musik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts“, SoSe 2011<br />

In solchen Gruppen ist eine Delegation möglich, eine Gruppe kann also von einer<br />

oder mehreren Personen repräsentiert werden. Damit muß es natürlich Regeln<br />

geben die <strong>zur</strong> Auswahl der Repräsentanten führen <strong>und</strong> da sich Gruppen schützen<br />

wollen gegen negative Einflüsse, die das Gefüge stören könnten, auch für die<br />

Aufnahme neuer Mitglieder. Das Alles führt zum Personenkult, wo sich<br />

Gruppenmitglieder mit einer Führungsperson identifizieren.<br />

Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert findet man also ein aufstrebendes Bürgertum, das Geld hat<br />

<strong>und</strong> dem Adel nacheifert. Der wiederum grenzt sich ab (siehe soziales Kapital <strong>und</strong><br />

Gruppenbildung). Das Bürgertum sucht Vorbilder, aber nicht im Adel, der durch<br />

sein Abgrenzen zu einer Art „Feindbild“ wird. Komponisten <strong>und</strong> Virtuosen<br />

kommen meist aus den eigenen Reihen <strong>und</strong> werden auf Gr<strong>und</strong> ihrer Fähigkeiten<br />

(siehe kulturelles Kapital) vom Adel akzeptiert <strong>und</strong> sind somit prädestiniert <strong>zur</strong><br />

Vorbildrolle. Besitzt <strong>und</strong> spielt man ein Instrument, kann man sich der Gruppe der<br />

Musizierenden anschließen <strong>und</strong> eventuell Kontakte zu Intellektuellen (zB<br />

Universitätsprofessoren) <strong>und</strong>/ oder Adeligen knüpfen, wodurch das eigene soziale<br />

Kapital steigt.<br />

Ein Klavier ist ein extrem teures Instrument <strong>und</strong> wird vom Adel gekauft, so auch<br />

vom Bürgertum, das so zeigt, was es sich leisten kann <strong>und</strong> wie gebildet es ist.<br />

Das allein würde aber noch nicht begründen, warum ausgerechnet das Klavier so<br />

wichtig wurde. Eine These geht zu den Ursprüngen des Klaviers <strong>zur</strong>ück: Das<br />

Cembalo <strong>und</strong> das Clavichord sind die Vorläufer des Klaviers <strong>und</strong> haben beide das<br />

Problem, daß sie nur wenig Dynamik besitzen. Ein Ansatz, das zu korrigieren, ist,<br />

Hämmer statt Plektren zu verwenden.<br />

Das Clavichord war im häuslichen Bereich im deutschsprachigen Raum sehr<br />

verbreitet, offenbar war Hausmusik wichtig. Die These ist, daß dies aufgr<strong>und</strong> des<br />

Klimas so ist, da man oft nicht fortgehen konnte <strong>und</strong> sich Zuhause unterhalten<br />

mußte. Dies würde erhärtet durch die Tatsache, daß Cristofori 1698 ein Cembalo<br />

mit einer Hammermechanik baute <strong>und</strong> so das Klavier erfand, jedoch es in Italien<br />

keine weitere Entwicklung für sein Instrument gab – möglicherweise, da die Oper<br />

sehr beliebt war. Anders als in Deutschland, wo es sehr bald weiter entwickelt<br />

wurde <strong>und</strong> das Clavichord ersetzte.<br />

Cristofori veröffentlichte 1711 eine Beschreibung seiner Konstruktion in<br />

Venedig, die 1725 ins Deutsche übersetzt wurde. Silbermann in Freiburg adaptierte<br />

das Konzept erfolgreich <strong>und</strong> fing an Klaviere zu bauen. Einige seiner Schüler<br />

übertrugen die Mechanik auf das Clavichord <strong>und</strong> so wurde das Tafelklavier<br />

geboren. Dasselbe kam mit Zumpe nach England, als dieser (vermutlich wegen des<br />

siebenjährigen Krieges) auswanderte. Er spezialisierte sich auf Tafelklaviere <strong>und</strong><br />

sein Name stand eine Zeit lang symbolisch für das Instrument. Bereits um 1800<br />

wurden Eisenteile im Klavierbau eingeführt um die Haltbarkeit zu erhöhen.<br />

Nanette Stein verlegte ihr Unternehmen 1794 nach dem Tod ihres Vaters nach<br />

Wien. Er hatte eine eigene Mechanik entwickelt, die Stein’sche Mechanik, bei<br />

welcher der Hammer auf der Taste sitzt <strong>und</strong> sich an einer Prellzunge abstößt, wenn<br />

die Taste durchgedrückt wird. Von den Wiener Klavierbauern weiterentwickelt,<br />

wurde aus dieser Konstruktion die „Wiener Mechanik“.<br />

© 2011 by Wolfgang Fuhrmann 21

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