Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

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PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien Vorlesung „Öffentliche und private Sphäre in der Musik des 19. Jahrhunderts“, SoSe 2011 Dank der industriellen Fertigung waren deutsche Klaviere halb so teuer wie englische oder französische. Die Firmen Bechstein und Blüthner sind repräsentativ für die Entwicklung des deutschen Klavierbaus in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, da beide spät gegründet wurden – nämlich 1853 – und von Beginn an modern produzierten. Firmen wie Isermann bildeten sich, die nur Mechaniken baute auf hohem Niveau und diese billiger herstellen konnte als alteingesessene große Firmen. Dank Krediten konnte ein Klavierbauer praktisch alle Teile ankaufen. Das war in groben Zügen die Entwicklung des Klavieres in verschiedenen Ländern. Man kann deutlich beobachten, wie traditionelle Firmen in althergebrachten Mustern feststecken und die Zentren sich verlagern zu neuen aufsteigenden Mächten, die neue Methoden anwenden und so überlegen sind, sowohl in Preis, wie auch in Technik. Betrachtet man die technische Entwicklung, merkt man, wie ein leises Instrument immer lauter und strapazierfähiger wird. Das mag an den Pianisten gelegen haben die sich in den Klavierbau einbrachten. Henri Herz gründete seine eigene Firma und verbesserte die Erard- Mechanik mit der, nach ihm benannten, Herz-Feder, die für höhere Präzision sorgt. Kalkbrenner war Teilhaber bei Pleyel, wobei Ignaz Pleyel selbst Komponist und Verleger war. Das Verlagswesen wurde von Klavierbaufirmen weidlich genutzt um ihre Produkte „an den Mann“ zu bringen, also den Markt mit Klaviermusik zu versorgen. Pleyel hatte 1796 einen Musikverlag gegründet, der 1834 aufgelassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Katalog mit mehreren tausend Titeln angelegt. Erard gründete ebenso einen Musikverlag. Die Forderung nach billigen Klavieren begegnet einem auch immer wieder, ebenso wie das Verlangen der Komponisten und Pianisten, Klaviere mögen doch lauter werden. Das Klavier in seiner heutigen Form ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, denn im 20. Jahrhundert hat es sich kaum verändert. Wohin es gehen wird, darüber werden zukünftige Geschichtsforscher berichten. Literatur Hubert Henkel, Art. „Klavier“, in Ludwig Finscher (Hrsg.), MGG 2 , Bärenreiter Kassel (1996), Sach. 5, Sp. 283 – 312. Christoph Kammertöns, Art. „Pleyel“, in Ludwig Finscher (Hrsg.), MGG 2 , Bärenreiter Kassel (2005), Pers. 13, Sp. 689 – 690. Christoph Kammertöns, Art. „Pleyel & Co.“, in Ludwig Finscher (Hrsg.), MGG 2 , Bärenreiter Kassel (2005), Pers. 13, Sp. 694 – 696. Hans Nautsch, Art. „Kalkbrenner“, in Ludwig Finscher (Hrsg.), MGG 2 , Bärenreiter Kassel (2003), Pers. 9, Sp 1397 – 1403. Philip R. Belt/ Maribel Meisel/ Gert Hecher, Art. „Pianoforte, I, 5: History of the Instrument: The Viennese Piano from 1800“,in Stanley Sadie (Hrsg.), Grove, Macmillan Publishers 2001, Bd. 19, S. 666 – 668. Hubert Henkel, „Einflüsse auf den Wiener Klavierbau aus Deutschland“, in Beatrix Darmstädter/ Alfons Huber/ Rudolf Hopfner (Hhrsg.), Das Wiener Klavier bis 1850, Hans Schneider Tutzing 2007, S. 115 – 119. © 2011 by Wolfgang Fuhrmann 24
PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien Vorlesung „Öffentliche und private Sphäre in der Musik des 19. Jahrhunderts“, SoSe 2011 Eva Szoradova, „Klavierbau und Klavierhandel in den Ungarischen Kronländern vor 1850“, in Beatrix Darmstädter/ Alfons Huber/ Rudolf Hopfner (hrsg.), Das Wiener Klavier bis 1850, Hans Schneider Tutzing 2007, S.135 – 146. Gert Hecher, „Designentwicklung und bautechnische Datierungsmöglichkeiten“, in Beatrix Darmstädter/ Alfons Huber/ Rudolf Hopfner (Hhrsg.), Das Wiener Klavier bis 1850, Hans Schneider Tutzing 2007, S. 179 – 194. Eszter Fontana, „Privilegien und Patente Wiener Klavierbauer zwischen 1820 und 1850“, in Beatrix Darmstädter/ Alfons Huber/ Rudolf Hopfner (Hhrsg.), Das Wiener Klavier bis 1850, Hans Schneider Tutzing 2007, S. 201 – 214. Cyril Ehrlich, The Piano A History, New York 1976/ 1990. Joseph Fischhof, Versuch einer Geschichte des Clavierbaus – Mit besonderem Hinblicke auf die Londoner Große Industrie-Ausstellung im Jahre 1851, nebst statistischen darauf bezüglichen Andeutungen, Wien 1853. Pierre Bourdieu, „Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital“, in Reinhard Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten, Otto Schwarz & Co. 1983 (Soziale Welt Sonderband 2), S. 183 – 198. Andreas Beurmann, Das Buch vom Klavier, Georg Olms 2007. Abkürzungen: MGG 2 = Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Auflage Sach = Sachteil Pers = Personenteil Grove = The New Grove Dictionary of Music and Musicians 8. Musik des „Volks“, der Unterschichten, der Straßenmusikanten Den Unterschichten, die sich ein Instrument und einen Lehrer nicht leisten können, bleibt meistens nur der Gesang. Seit Johann Gottfried Herder wird dieser Gesang „Volkslied“ genannt und dem „produktiven Volksgeist“ zugeschrieben. Von dieser These ist die Forschung in den letzten Jahrzehnten weit abgerückt. Wir sprechen statt dessen vom populären Lied und lassen es offen, ob dieses von unten („aus dem Volk“) oder von oben („von den Herrschenden/den Oberschichten“) kommt. Möglich war beides. Parallel zu Herder vertraten aufklärerische Pädagogen die genau entgegengesetzte Ansicht, dass nämlich dem Volk die „richtigen“ Lieder erst beigebracht werden müssten, und zwar eben von oben. Volkslieder „von oben“ und politische Lieder „Aber freilich müßt Ihr was Hübsches und Vernünftiges singen; denn sonst würde Euch das mehr schaden, als nützen. Wenn Ihr das bisher nicht konntet: so war’s gewiß nicht Eure Schuld. Ihr konntet wenig oder nichts gescheides singen, weil Ihr nichts hattet. Ihr sangt also Eure uralten, oft abgeschmackten und sinnlosen, oft auch niedrigen und schmutzigen Lieder fort, und das brachte Euch gewiß großen © 2011 by Wolfgang Fuhrmann 25
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