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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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Buchbesprechungen<br />

Friedrich Gilly 1772-1800 und <strong>die</strong> Privatgesellschaft junger Architekten, Katalog einer Ausstellung im<br />

Rahmen der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987 - Berichtsjahr 1984. Vom 21. September bis<br />

4. November 1984 vom Senator <strong>für</strong> Bau- und Wohnungswesen im Berlin-Museum veranstaltet. Konzept<br />

der Ausstellung und <strong>des</strong> Kataloges: Hella Reelfs und Rolf Bothe, Verlag Willmuth Arenhövel, Berlin.<br />

Dieser Katalog ist auch über <strong>die</strong> Ausstellung hinaus, <strong>die</strong> der Verein <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>Berlins</strong> am<br />

25. Oktober 1984 unter der sachkundigen Führung von Frau Reelfs besucht hat, von bleibender Bedeutung.<br />

Da<strong>für</strong> bürgen schon <strong>die</strong> geistreichen einführenden Aufsätze „Friedrich Gillys kurzes Leben, sein<br />

,Friedrichs-Denkmar und <strong>die</strong> Philosophie der Architektur" von Werner Oechslin und „Eine neue Welt<br />

entschleiert sich - Von Friedrich Gilly zu Mies van der Rohe" von Fritz Neumeyer.<br />

Oechslin und Neumeyer be<strong>die</strong>nen sich leider einer etwas zu schwärmerischen Ausdrucksweise. Eine solche<br />

ist zwar bei manchen Kunsthistorikern üblich, sollte aber vermieden werden, um nicht beim Leser Zweifel<br />

an der Wissenschaftlichkeit der Ausführungen aufkommen zu lassen. Beide Autoren sollten sich den<br />

sachlichen Stil <strong>des</strong> Kunsthistorikers Rolf Bothe zum Vorbild nehmen, von dem ein lesenswerter einleitender<br />

Aufsatz über <strong>die</strong> Bewertung Friedrich Gillys in der kunst- und bauhistorischen Forschung abgedruckt<br />

ist.<br />

Dem hohen Gedankenflug, mit dem Neumeyer eine Verbindung zwischen Friedrich Gilly und Mies van<br />

der Rohe herzustellen versucht, vermag ich leider nicht zu folgen. Das liegt möglicherweise daran, daß ich<br />

nur ein interessierter Laie bin. Meine Phantasie reicht lediglich aus, um eine gewisse Verwandtschaft<br />

zwischen den Bauten <strong>des</strong> Dritten Reiches und den durchaus monumental wirkenden Architekturphantasien<br />

Friedrich Gillys feststellen zu können. Diese Verwandtschaft hat Neumeyer auch gesehen, was ihn<br />

veranlaßt, seiner Empörung über <strong>die</strong> nationalsozialistischen „Scharlatane <strong>des</strong> Klassizismus" beredten<br />

Ausdruck zu verleihen. Er sollte nicht alles in einen Topf werden und nicht vergessen, daß der in der<br />

NS-Zeit praktizierte neoklassizistische Stil in den dreißiger Jahren der Stil der Repräsentationsarchitektur<br />

überall in der Welt war, insbesondere auch in den USA und in der UdSSR. Allerdings darf man dabei nicht<br />

an <strong>die</strong> Parteitagsbauten in Nürnberg und an <strong>die</strong> <strong>die</strong> antiken und klassizistischen Vorbilder maßlos<br />

vergröbernden Entwürfe <strong>für</strong> <strong>die</strong> an der „Großen Straße" in Berlin zu errichtenden Bauwerke denken (vgl.<br />

<strong>die</strong> seinerzeit im Lan<strong>des</strong>archiv gezeigte Ausstellung „Von Berlin bis Germania"), <strong>die</strong> in ihrer Maßstabslosigkeit<br />

und Stadtfremdheit nur noch von den sechziggeschossigen Wolkenkratzern übertroffen worden<br />

wären, <strong>die</strong> Le Corbusier nach seinem Beitrag zum Wettbewerb von 1959 in <strong>die</strong> Berliner Stadtlandschaft<br />

stellen wollte.<br />

Der eigentliche Katalogtext stammt von der Berliner Kunsthistorikerin Hella Reelfs, der wohl auch <strong>die</strong><br />

Zusammenstellung der Ausstellung zu verdanken ist. Frau Reelfs stand dabei vor schwierigen Problemen,<br />

denn Gilly, der „Lehrer Schinkels", hat selbst kaum gebaut und das, was er gebaut hat, ist zerstört worden.<br />

Verlorengegangen ist auch der größte Teil der nachgelassenen Zeichnungen. Man mußte daher, um eine<br />

passable Ausstellung zustande zu bringen, auf zeitgenössische Kopien von dritter Hand und auf Photos<br />

zurückgreifen sowie Material von Mitgliedern der von Friedrich Gilly 1799 gegründeten „Privatgesellschaft<br />

junger Architekten" heranziehen.<br />

Manche Zuschreibungen an F. Gilly sind zweifelhaft und auch von der Autorin <strong>des</strong> Katalogteiles mit<br />

einem Fragezeichen versehen worden. Die Aufnahme derartiger Arbeiten ist ver<strong>die</strong>nstvoll, da dadurch<br />

weitere Forschungen angeregt werden können. Die Steinhöfeier Aquatintas dürfen nicht zu der Annahme<br />

verleiten, daß <strong>die</strong> abgebildeten Bauten von Friedrich Gilly stammen. Sie sind seinem Vater David<br />

zuzuschreiben. Das Gegenteil ist nicht bewiesen. In einer Ausstellung <strong>des</strong> Berlin-Museums vermißt man<br />

als Berliner Friedrich Gillys einziges in Berlin ausgeführtes Architekturprojekt, nämlich <strong>die</strong> Fassade <strong>des</strong><br />

Hauses <strong>des</strong> Grafen Lottum in der Behrenstraße 68 (später Palais der Grafen von Solms-Baruth), und den<br />

Entwurf Gillys zum Berliner Münzfries, <strong>des</strong>sen meisterhafte Ausführung durch Schadow sogar hier in<br />

West-Berlin bewundert werden kann. Der Münzfries (vgl. <strong>die</strong> Arbeiten <strong>des</strong> Rezensenten über ihn im Bär<br />

von Berlin, 1978 und 1979) wird im gesamten Katalog noch nicht einmal erwähnt. Frau Reelfs kennt ihn<br />

natürlich, denn sie hat u.a. über ihn am 20. Februar 1981 vor der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft in<br />

Berlin referiert. Wollte man dem Veranstalter und Geldgeber der Ausstellung, dem Senator <strong>für</strong> Bau- und<br />

Wohnungswesen, einen Gefallen tun und öffentlich nicht daran erinnern, daß <strong>die</strong>ses Meisterwerk klassizistischer<br />

Bildhauerkunst in völliger Verkennung seines Ranges von der genannten Senatsverwaltung an<br />

eine Wohnungsgesellschaft „verliehen" und von <strong>die</strong>ser in <strong>die</strong> Fassade eines Altenwohnheimes am Charlottenburger<br />

Spandauer Damm eingelassen worden ist, wo es noch immer sein Dasein fristet, obwohl nur<br />

eine bereits vor fünfzig Jahren vorgesehene museale Verwahrung angemessen ist? Es wäre zu bedauern,<br />

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