Zeitschrift Klima vor Ort - 2 Ausgabe November 2012
Zeitschrift Klima vor Ort - 2 Ausgabe November 2012
Zeitschrift Klima vor Ort - 2 Ausgabe November 2012
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Bauen • Sanieren • Energiesparen im Ostalbkreis<br />
Strom auf Lager<br />
Wie erneuerbare Energien<br />
gespeichert werden können<br />
Rathaus mit Vorbildfunktion<br />
Der Verwaltungssitz in Oberkochen<br />
wurde nach einem ökonomisch und<br />
ökologisch sinnvollen Konzept saniert.<br />
Wärme aus dem Wald<br />
Wie man sein Zuhause mit Holz<br />
umweltfreundlich heizt<br />
<strong>Klima</strong>schutz<br />
Wie isst man heute?<br />
Eine Spurensuche mit Überraschungseffekten.<br />
<strong>Ausgabe</strong> 2<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
2,90 €<br />
Spartipps für die Küche<br />
Seite 50<br />
Wie man beim Backen und Kochen den Stromverbrauch<br />
senken kann – nicht nur in der Adventszeit.
Das moderne Energiemanagement von becker steht für eine außergewöhnlich<br />
hohe Energieeffi zienz. Eine Anlage, die auf Ihre individuelle Wohnsituation<br />
zugeschnitten ist, spart eben mehr Energie als Standardlösungen.<br />
beckerplus. Warum sollten Sie sich mit weniger zufrieden geben?<br />
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Auf der Ostalb zum<br />
<strong>Klima</strong>schutz beitragen<br />
Drei Fragen zum <strong>Klima</strong>schutz <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> 3<br />
Bundesumweltminister Peter Altmaier wirbt leidenschaftlich für die<br />
Energiewende: „Wenn wir zeigen können, dass die viertgrößte Energienation<br />
der Welt sich umstellen kann, wird das unsere Stellung<br />
nicht schwächen, sondern stärken. Wir sind Vorbild. Andere werden<br />
folgen“, so Altmaier. Doch in welchen Bereichen kann auf der<br />
Ostalb aktiv zum <strong>Klima</strong>schutz beigetragen werden? Dazu drei<br />
Fragen an Landrat Klaus Pavel.<br />
Herr Pavel, auch Sie waren<br />
Mitte Oktober Zeuge dieses<br />
Appells bei der Ordensverleihung<br />
im Gmünder Prediger.<br />
In welchen Bereichen<br />
kann der Landkreis zum <strong>Klima</strong>schutz<br />
beitragen?<br />
Pavel: Direkt und sehr<br />
wirkungsvoll sparen kann<br />
der Kreis im Bereich der<br />
Wärmeversorgung. Investitionen<br />
in den Kliniken,<br />
die an 365 Tagen im Jahr 24<br />
Stunden beheizt werden<br />
müssen, oder in den Berufsschulenzentren<br />
rechnen sich spürbar. CO2-neutrale Heizungen<br />
– Hackschnitzel oder Pellets – wie<br />
wir sie inzwischen überall eingebaut haben,<br />
wirken sich positiv auf<br />
die Umwelt aus.<br />
Obendrein eignen sich die<br />
riesigen Dachflächen her<strong>vor</strong>ragend<br />
für die Photovoltaik.<br />
Kreiseigene Fahrzeuge, man denke<br />
nur an die Straßenmeistereien, können zur<br />
Verminderung des CO2-Ausstoßes beitragen.<br />
Und wo sind die Bürger gefordert?<br />
Die Bürger auf der Ostalb können die<br />
Wärmedämmung ihrer Häuser verbessern<br />
und in die energetische Sanierung investieren.<br />
Sie können Bus- und Bahn nutzen.<br />
Und <strong>vor</strong> allem können sie regionale<br />
Produkte kaufen, Waren, die nicht <strong>vor</strong>her<br />
durch die halbe Welt transportiert wurden.<br />
Welchen Einfluss kann der Kreis dazu auf<br />
seine Bürger nehmen?<br />
Er kann sie <strong>vor</strong> allem beraten.<br />
Deshalb haben wird<br />
gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft,<br />
den Architekten<br />
und Gemeinden<br />
das EnergiekompetenzZentrum<br />
Ostalb gegründet. Dort<br />
gibt es kostenlose Informationen<br />
für alle. Wir können<br />
als Kreis die Bürger außerdem<br />
motivieren und Anreize<br />
schaffen in Richtung Energiewende.<br />
Etwa durch günstige<br />
Tarife beim ÖPNV. Das<br />
Firmen- und Semesterticket sind dafür Beispiele.<br />
Letzteres kommt bei den Studenten<br />
übrigens super an.<br />
Bis zum Jahr 2025 hat sich der Ostalbkreis<br />
das Ziel gesetzt, in den<br />
Städten und Gemeinden 50<br />
Prozent des gesamten Bedarfs<br />
über regenerative Energien<br />
zu decken. Lässt sich<br />
dieses Ziel erreichen?<br />
Wir arbeiten seit diesem Beschluss konsequent<br />
an einem <strong>Klima</strong>schutzkonzept. Erst<br />
in der jüngsten Sitzung wurden die Ergebnisse<br />
aus Potentialanalyse und Workshops<br />
<strong>vor</strong>gestellt. Das Papier zeigt deutlich, dass<br />
wir unser Ziel bei der Stromversorgung erreichen<br />
können. Allerdings müssten dafür<br />
rund 100 Windkraftanlagen in der Region<br />
gebaut werden. Beim Wärmebedarf wird es<br />
eher schwierig. Aber auch da können wir<br />
besser werden. 50 Prozent wären erst zwischen<br />
2035 und 2040 möglich, da <strong>vor</strong> allem<br />
die Industrie viel Wärme braucht.<br />
Die Fragen stellte: Anke Schwörer-Haag<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT
4<br />
8 TITELTHEMA<br />
INHALT<br />
Titelbilder:<br />
ideeone - istockphoto.de<br />
jörn buchheim - Fotolia.com<br />
Kimaschutz à la Carte<br />
Herstellung, Transport und Verarbeitung von<br />
Lebensmitteln haben einen erheblichen Anteil<br />
an der weltweiten Produktion klimaschädlicher<br />
Gase. Wie man sich ernährt, trägt also maßgeblich<br />
zum individuellen CO 2 -Fußabdruck bei,<br />
den jeder von uns hinterlässt.<br />
27<br />
Vertrauenssache<br />
Da die schrägen Dachfenster durch Gauben ersetzt<br />
wurden, blieb vom <strong>vor</strong>handenen Dach nicht mehr viel<br />
übrig. So haben sich die Häuslebesitzer im gleichen<br />
Zug zu einer kompletten Sanierung entschlossen.<br />
regional<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Auf diesen Seiten<br />
finden Sie Beiträge aus<br />
dem Landkreis.<br />
6Möbel<br />
aus Pappe<br />
Vom Zeitungsständer bis Doppelbett:<br />
trendige Möbelkollektionen aus recyclebarem<br />
Werkstoff.<br />
Inhalt<br />
Markttrends<br />
7 Trocknen mit Pumpe<br />
Neue Technik reduziert Energieverbrauch beim<br />
Wäschetrocknen.<br />
TITELTHEMA<br />
<strong>Klima</strong>freundlich essen – ein Widerspruch?<br />
8 <strong>Klima</strong>schutz à la Carte<br />
Können wir mit unseren Essgewohnheiten den Treibhauseffekt<br />
beeinflussen?<br />
16 Energiesparen macht Schule<br />
An der Justus-von-Liebig-Schule in Aalen lernen zukünftige<br />
Generationen von Köchen und Hotelfachpersonal den verantwortungsvollen<br />
Umgang mit Energie und Ressourcen.<br />
18 Tonnenweise in die Tonne<br />
Lebensmittelverschwendung ist auch schädlich fürs <strong>Klima</strong>.<br />
Energiespeicher<br />
20 Kapazitäten gesucht<br />
Wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht<br />
gebraucht wird?<br />
22 Strom auf Pump<br />
Pumpspeicherkraftwerke – eine bewährte Technik und<br />
ihre Perspektiven im Alb<strong>vor</strong>land.<br />
Bauen und Sanieren<br />
27 Dachsanierung ist Vertrauenssache<br />
Die energetische Sanierung hat nicht nur für niedrigere Heizkosten,<br />
sondern dank des Einbaus einer Dachgaube auch für<br />
mehr Licht und mehr Wohnraum gesorgt.<br />
32 Rathaus mit Vorbildfunktion<br />
Der Verwaltungssitz in Oberkochen wurde erst völlig entkernt<br />
und anschließend nach einem ökonomisch wie ökologisch<br />
sinnvollen energetischen Sanierungskonzept wiederaufgebaut.<br />
36 Historische Bauten ökologisch saniert<br />
Ein Ellwanger Architekt verwandelt unter Denkmalschutz<br />
stehende Objekte in „Minimal-Energie-Häuser“.<br />
Regionale Wirtschaft innovativ<br />
40 Strom aus der Region<br />
Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />
machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus<br />
der Region stark.<br />
43 <strong>Klima</strong>neutral umziehen<br />
Die Kunden des Stuttgarter Logistik-Unternehmens<br />
Christ können klimaneutral umziehen.<br />
Expertenrat<br />
46 Wärme aus dem Wald<br />
Tipps für den umweltfreundlichen Einsatz von Holz<br />
als Wärmelieferant.<br />
50 Spartipps für die Weihnachtsküche<br />
Wie der Stromzähler bei Anisplätzchen und<br />
Weihnachtsgans im Zaum gehalten wird.<br />
58 <strong>Klima</strong>freundlich über den Tod hinaus<br />
Bestattungsinstitute beschäftigen sich mit der<br />
<strong>Klima</strong>- und Ökobilanz von Bestattungen.<br />
Neue Berufe<br />
54 Flugzeuge sollen leichter werden<br />
Die German Aerospace Academy in Böblingen bildet<br />
Luft- und Raumfahrt-Ingenieure zum Thema Leichtbau<br />
aus und weiter.<br />
Service<br />
62 Veranstaltungen<br />
Kurz <strong>vor</strong> Schluss<br />
64 Längere Akkulaufzeit<br />
Stromspartipps fürs mobile Telefonieren.<br />
66 Strom in Fülle aus Betonhülle<br />
Glosse zur Pumpspeichertechnik: Ganz neue<br />
Perspektiven für die gesamte Region.<br />
66 Impressum, Ausblick<br />
INHALT<br />
43 <strong>Klima</strong>tisches Gleichgewicht<br />
Ein Stuttgarter Speditionsunternehmen<br />
fördert mit Unterstützung seiner Kunden<br />
<strong>Klima</strong>schutzprojekte in aller Welt.<br />
36<br />
Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang Helmle<br />
ist sein eigenes Wohnhaus, das im Erdgeschoss auch<br />
das Büro seiner Firma beherbergt.<br />
42<br />
Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst<br />
erzeugt 180.000 kWh pro Jahr. Das reicht für circa 50<br />
Haushalte.<br />
58<br />
Biosarg zum Anfassen<br />
Neue Ideen und Methoden sollen Bestattungen<br />
klimafreundlicher machen.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
5
6 MARKTTRENDS<br />
MARKTTRENDS 7<br />
Möbel aus Pappe<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
Neu ist die Idee nicht: Sitzhocker<br />
aus Pappe kennt man<br />
seit geraumer Zeit, auch Warenregale<br />
aus Karton zur Präsentation<br />
von Schokoladentafeln und anderen<br />
Süßigkeiten im Supermarkt sind längst<br />
keine Besonderheit mehr. Sogar echte<br />
Möbelklassiker wie der „Wiggle Side<br />
Chair“ von Frank Gehry aus dem Jahr<br />
1972, der heute noch von der Schweizer<br />
Firma Vitra vertrieben wird, sind<br />
aus diesem Material entstanden. Doch<br />
neuerdings interessieren sich vermehrt<br />
junge Designer für den Werkstoff Pappe.<br />
Trendige Möbelkollektionen entstehen<br />
und erweitern die Einsatzmöglichkeiten.<br />
Vom Zeitungsständer bis<br />
zum raumgreifenden Sitzmöbel oder<br />
Doppelbett – kaum ein Einrichtungsgegenstand<br />
ließe sich nicht auch aus<br />
Karton herstellen. Die richtige Materialwahl<br />
und raffinierte Falt- oder Stecktechniken<br />
verleihen allemal die nötige<br />
Stabilität.<br />
Was die Möbel aus Pappe neben ihrem<br />
auffälligen Design auszeichnet,<br />
sind die flexiblen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
So lässt sich<br />
das Sofa aus der Serie „Flexible Love“<br />
mit wenigen Handgriffen in viele verschiedene<br />
Formen bringen. Wer Pappmöbeln<br />
eine persönliche Note verpassen<br />
möchte, kann mit praktisch jeder<br />
Farbe oder beliebigen Materialien die<br />
Oberflächen individuell umgestalten.<br />
Noch einen Schritt weiter gehen die<br />
polnischen Designer Agata Kulik-Pomorska<br />
und Paweł Pomorski. Mit ihrem<br />
Label „Malafor“ haben sie gerade<br />
den Red-Dot-Designpreis für ein Sofa<br />
erhalten, das aus einem schlichten<br />
Stahlrohrgestell und zwei aufblasbaren<br />
Papiersäcken als Sitzfläche und<br />
Rückenlehne besteht.<br />
Weitgehend aus Recyclingmaterial<br />
hergestellte Pappmöbel sind auch ökologisch<br />
eine gute Wahl. Der Einsatz von<br />
Kunststoffen oder Lacken zur Oberflächenbehandlung<br />
entfällt gänzlich.<br />
Und muss das Möbelstück eines Tages<br />
entsorgt werden, kann es einfach zur<br />
Altpapiersammlung <strong>vor</strong> die Tür gestellt<br />
werden. Allerdings sind die Designer-<br />
Pappmöbel nicht ganz billig. Doch auch<br />
für die schmale Geldbörse gibt es Abhilfe.<br />
Mehrere Do-it-yourself-Ratgeber<br />
beschreiben, wie man Schritt für Schritt<br />
aus Kartons Möbel bauen kann. Und<br />
auch im Internet gibt es inzwischen auf<br />
den einschlägigen Videoportalen jede<br />
Menge Anleitungs-Filmchen für Kartonmöbel<br />
der Marke Eigenbau.<br />
INFO<br />
Design-Möbel aus Pappe kann man<br />
sich unter anderem bei www.fashionforhome.de,<br />
www.interiorpark.com, www.<br />
avandeo.de, www.pregia.it und www.<br />
stange-design.de ansehen.<br />
Ein und dasselbe Möbelstück: Das Sofa Flexible Love lässt sich ganz unterschiedlich formen.<br />
Was die Möbel<br />
aus Pappe neben<br />
des auffälligen<br />
Designs auszeichnet,<br />
sind<br />
die flexiblen Nutzungs-<br />
und Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Bild: InteriorPark.com<br />
Bilder: flexiblelove.de<br />
Trocknen mit Pumpe<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
Erneuerbare Energie<br />
kann kaum direkter<br />
genutzt werden,<br />
als wenn man frisch gewaschene<br />
Wäsche auf der Leine<br />
im Garten flattern und<br />
sie dabei langsam trocknen<br />
lässt. Doch nicht jeder hat<br />
die Möglichkeit, Wind und<br />
Sonne so kostenlos für sich<br />
arbeiten zu lassen. Kein Garten,<br />
kein Balkon und auch<br />
kein geeigneter Raum im Keller,<br />
um die Wäsche zu trocknen<br />
– in manchen Fällen gibt<br />
es kaum eine Alternative zur<br />
Anschaffung eines elektrisch<br />
betriebenen Trockenautomaten.<br />
In knapp 40 Prozent aller<br />
deutschen Haushalte<br />
steht ein solches Gerät.<br />
Bisher stellte sich bei der<br />
Anschaffung lediglich die<br />
Frage: Ablufttrockner oder<br />
Kondensationstrockner? Energieschleudern<br />
sind beide<br />
Gerätearten, mit rund 90<br />
Cent schlägt ein Trocknungs<strong>vor</strong>gang<br />
zu Buche. Das macht<br />
Wäschetrockner zu Großverbrauchern<br />
im Privathaushalt.<br />
Inzwischen kommen immer<br />
mehr Trockner mit Wärmepumpe<br />
auf den Markt. Sie<br />
nutzen die einmal produzierte<br />
Wärme für den Trocknungsprozess<br />
mehrfach aus.<br />
In einem geschlossenen<br />
Kreislauf wird die feuchte<br />
Luft über einen Wärmetau-<br />
scher heruntergekühlt und<br />
entfeuchtet, be<strong>vor</strong> sie mit<br />
der zu<strong>vor</strong> entzogenen Energie<br />
mithilfe einer Wärmepumpe<br />
wieder erhitzt wird.<br />
Die Stiftung Warentest hat<br />
jüngst die verschiedenen<br />
Trocknertypen einem Vergleichstest<br />
unterzogen. Ob<br />
mit oder ohne Wärmepumpe,<br />
alle Geräte trockneten<br />
die Wäsche gleichermaßen<br />
gut. Groß sind die Unterschiede<br />
allerdings im Energieverbrauch:<br />
Nur noch 40<br />
Cent fallen als Stromkosten<br />
für eine Trocknerladung an,<br />
wenn das Gerät über eine<br />
Wärmepumpe verfügt. In der<br />
Anschaffung kosten solche<br />
Wäschetrockner zwar noch<br />
etwas mehr, doch wenn man<br />
eine Lebensdauer von zehn<br />
Jahren annimmt, hat die<br />
Stiftung Warentest dank der<br />
eingesparten Energie sogar<br />
einen finanziellen Vorteil für<br />
die neue Technik errechnet.<br />
Für die wirtschaftliche wie<br />
ökologische Gesamtbilanz<br />
sind noch weitere Faktoren<br />
von Bedeutung: Allen <strong>vor</strong>an<br />
die Restfeuchtigkeit, mit der<br />
die Wäsche aus der Waschmaschine<br />
kommt. Diese<br />
ist umso geringer, je höher<br />
zu<strong>vor</strong> die Drehzahl beim<br />
Schleudern war. Ob mit 1000<br />
oder 1400 Touren geschleudert<br />
wird, macht anschließend<br />
beim Stromverbrauch<br />
des Trockners einen Unterschied<br />
von 0,5 bis 1,5 Kilowattstunden<br />
aus.<br />
Eine noch bessere Energiebilanz<br />
als Wärmepumpen-<br />
Trockner hätten gasbeheizte<br />
Wäschetrockner, wie sie in<br />
Skandinavien und den USA<br />
verbreitet sind. In Deutschland<br />
allerdings sind diese<br />
kaum erhältlich.<br />
Und wie sieht es aus mit<br />
den Waschtrocknern, jenen<br />
Waschmaschinen mit integrierter<br />
Trocknerfunktion?<br />
Diese etwas teureren Geräte<br />
sind nur dort eine Alternative,<br />
wo es wegen räumlicher<br />
Enge gar nicht anders geht.<br />
Zwar gibt es auch erste Kom-<br />
Kondensatbehälter<br />
bi-Geräte mit Wärmepumpe,<br />
doch bei einem Defekt<br />
fallen häufig beide Funktionen<br />
aus. Und wenn sich bei<br />
einem Geräteteil eine Reparatur<br />
nicht mehr lohnt, muss<br />
auch das andere – eigentlich<br />
noch intakte – Teil durch ein<br />
neues Gerät mit ersetzt werden.<br />
Wichtiger Tipp: Auch bei<br />
Trocknern mit Wärmepumpe<br />
entweicht ein Teil der<br />
Feuchtigkeit in die Umgebung.<br />
Deshalb muss der<br />
Raum, in dem der Trockner<br />
arbeitet, unbedingt gut belüftet<br />
werden, um Schimmel<br />
an den Wänden zu vermeiden.<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: © Adrian Hillman - Fotolia.com<br />
Kondensat<br />
Prozessluft<br />
Wärmepumpe<br />
Kältemittelkreislauf<br />
Quelle: Stiftung Warentest, Grafik: Köber
8 TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
Grafik: Köber<br />
<strong>Klima</strong>schutz<br />
à la Carte<br />
Können wir den Treibhauseffekt einfach abbestellen?<br />
Herstellung, Transport<br />
und Verarbeitung von<br />
Lebensmitteln haben einen<br />
erheblichen Anteil an<br />
der weltweiten Produktion<br />
klimaschädlicher Gase.<br />
Wie man sich ernährt,<br />
trägt also maßgeblich<br />
zum individuellen CO 2 -<br />
Fußabruck bei, den jeder<br />
von uns hinterlässt. Aber<br />
welche Nahrungsmittel<br />
haben eine günstige,<br />
welche eine schlechte<br />
<strong>Klima</strong>bilanz? Eine Spurensuche<br />
mit Überraschungseffekten.<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
9
10 TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
Herr Sorglos hat es sich an<br />
diesem Abend wieder einmal<br />
einfach gemacht. Auf<br />
der Heimfahrt von der Arbeit<br />
hat er beim Discounter<br />
auf der grünen Wiese einen Zwischenstopp<br />
eingelegt und packt seine Einkäufe aufs<br />
Laufband der Kasse: vier Tiefkühl-Pizzen<br />
fürs Abendessen der Familie, dazu ein paar<br />
Tomaten und einen Kopfsalat aus Holland<br />
und für den gemütlichen Leseabend noch<br />
eine Flasche vom chilenischen Rotwein. Für<br />
Frau Nachhalt käme so ein Einkauf nicht<br />
in Frage. Sie kauft stets frisch beim kleinen<br />
Hofladen zwei Dörfer weiter ein. Ein Landwirt<br />
bietet dort seine eigenen Produkte und<br />
etliche von Kollegen aus der Region zugekaufte<br />
Lebensmittel an. Milch, Käse, Mehl,<br />
Eier und ein frisch geschlachtetes Huhn holt<br />
sich Frau Nachhalt heute.<br />
Ungefähr 20 Prozent aller Treibhausgase,<br />
die statistisch jeder Einwohner Deutschlands<br />
verursacht, hängen mit Speis’ und<br />
Trank zusammen. Die Produktion der Lebensmittel,<br />
ihr Transport, ihre Lagerung<br />
und schließlich ihre Zubereitung sorgen damit<br />
für ebenso viel Emissionen wie alle Verkehrsströme<br />
im Land zusammen. Es lohnt<br />
also, sich beim Blick auf den <strong>Klima</strong>schutz<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Ungefähr 20<br />
Prozent aller<br />
Treibhausgase,<br />
die statistisch<br />
jeder Einwohner<br />
Deutschlands<br />
verursacht, hängen<br />
mit Speis’<br />
und Trank zusammen.<br />
auch mit der Ernährung zu beschäftigen.<br />
An Ratgebern und Rezepten ist kein Mangel,<br />
bei näherer Betrachtung produzieren einige<br />
davon allerdings ziemlich ungenießbare<br />
<strong>Klima</strong>-Menüs. Denn in Zeiten einer weitgehend<br />
industrialisierten und globalisierten<br />
Nahrungsmittelproduktion sind die Auswirkungen<br />
auf Umwelt, <strong>Klima</strong> und Nachhaltigkeit<br />
äußerst komplex. Unter bestimmten<br />
Voraussetzungen kann der Einkauf im Hofladen<br />
eher zum <strong>Klima</strong>killer werden als die<br />
Tiefkühlpizza. Produkte aus regionaler und<br />
ökologischer Produktion sind nicht automatisch<br />
klimaschonend. Und dass ausgerechnet<br />
Butter die schlechteste CO 2 -Bilanz<br />
aller Lebensmittel hat, ahnen wohl nur wenige<br />
Kunden am Kühlregal.<br />
Wiederkäuer schlecht fürs <strong>Klima</strong><br />
Gut zu wissen, dass es immerhin einige<br />
Faustregeln gibt, denen alle Experten zustimmen.<br />
Eine davon ist: Obst, Gemüse,<br />
pflanzliche Öle und Getreideerzeugnisse<br />
verursachen prinzipiell sehr viel weniger<br />
<strong>Klima</strong>probleme als Lebensmittel, die tierischen<br />
Ursprungs sind (siehe Grafik auf<br />
Seite 15). Anstelle täglichen Fleischkonsums<br />
„müssen wir zurück zum Sonntagsbraten“,<br />
fordert deshalb nicht nur Thilo Bode vom<br />
Bild: uschi dreiucker /pixelio.de<br />
Verein „Foodwatch“. Auch die Deutsche<br />
Gesellschaft für Ernährung (DGE) fasst ihre<br />
Empfehlungen – übrigens auch unter gesundheitlichen<br />
Aspekten – ähnlich zusammen:<br />
„Ein- bis zweimal in der Woche Fisch.<br />
Fleisch, Wurstwaren und Eier in Maßen.“<br />
Eine überwiegend vegetarische Ernährung<br />
ist aber für sich genommen noch keine<br />
<strong>Klima</strong>schutzversicherung. Gerade Milch<br />
und manche Milchprodukte, allen <strong>vor</strong>an<br />
Butter, stehen in der Liste der Verursacher<br />
klimaschädlicher Gase weit oben. „Milch<br />
und Fleisch machen wirklich einen Unterschied“,<br />
sagt Alexander Popp vom Potsdamer<br />
Institut für <strong>Klima</strong>folgenforschung.<br />
Wiederkäuer wie Rinder, aber auch Schafe<br />
und Ziegen erzeugen bei der Verdauung<br />
Methan. Weil für die Produktion von<br />
Fleisch und Milch viel Futtermittel eingesetzt<br />
wird, wird auch viel Dünger benötigt,<br />
der wiederum Lachgas freisetzt. Beide Gase<br />
fördern den Treibhauseffekt noch viel stärker<br />
als Kohlendioxid (siehe Stichwort: CO 2 -<br />
Äquivalent). Deshalb belastet zum Beispiel<br />
Rindfleisch das <strong>Klima</strong> dreimal so stark wie<br />
Schweine- oder Geflügelfleisch.<br />
Damit ist ein Teil des Rätsels gelöst, weshalb<br />
der Einkauf von Herrn Sorglos im<br />
obigen Beispiel unter <strong>Klima</strong>schutzaspekten<br />
Eine überwiegendvegetarischeErnährung<br />
ist aber für<br />
sich genommen<br />
noch keine <strong>Klima</strong>schutzversicherung.<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
womöglich dem von Frau Nachhalt <strong>vor</strong>zuziehen<br />
wäre. Falls die von ihm gekauften<br />
Pizzen keine Fleischanteile enthalten, fallen<br />
für deren Herstellung deutlich weniger<br />
Emissionen an als für die tierischen und aus<br />
Milch hergestellten Produkte im Beispiel-<br />
Warenkorb des Hofladens. Sollten also alle<br />
Menschen Veganer werden und auf sämtliche<br />
Produkte tierischer Herkunft gänzlich<br />
verzichten, um das <strong>Klima</strong> zu retten? So weitgehende<br />
Forderungen stellt kein <strong>Klima</strong>forscher<br />
auf. Aber es gibt noch einige Überraschungen.<br />
Regional nicht automatisch besser<br />
Dazu gehört, dass regionale Lebensmittel<br />
nicht generell ökologisch besser sind, weil<br />
sie regional angebaut werden. So lautet das<br />
Ergebnis einer Untersuchung des Instituts<br />
für Energie- und Umweltforschung (IFEU)<br />
in Heidelberg. In den Wintermonaten habe<br />
zum Beispiel ein Kopfsalat aus Spanien<br />
eine bessere <strong>Klima</strong>gas- und Energiebilanz<br />
als ein regional im beheizten Gewächshaus<br />
produzierter Salatkopf, hat das IFEU festgestellt.<br />
Elmar Schlich, Inhaber einer Professur<br />
für Prozesstechnik in Lebensmittel- und<br />
Dienstleistungsbetrieben an der Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen, hat den Begriff der<br />
Bild: Jerzy Sawluk / pixelio.de, Effekte: Rolf Köber<br />
11
12<br />
Bild: © Gina Sanders - Fotolia.com<br />
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
„Ecology of Scale“ geprägt, also einer Ökologie<br />
des Maßstabs. Er kommt aufgrund<br />
mehrerer Studien zu dem Ergebnis, dass<br />
„Lebensmittel aus der Region nur dann<br />
umweltfreundlich sind, wenn die dahinter<br />
stehende Größe der Produktions- und<br />
Transportbetriebe ausreichend bemessen“<br />
sei. Diese Aussage berücksichtige alle Aufwendungen<br />
für kontinentale oder globale<br />
Transporte, die in aller Regel per Containerschiff,<br />
Bahn und Lkw durchgeführt würden.<br />
„Die häufig vermuteten Vorteile der kurzen<br />
Transportwege innerhalb einer Region können<br />
bei zu geringen Betriebsgrößen durch<br />
Mängel in der Logistik und durch zu kleine<br />
Transportmittel mit geringer Auslastung<br />
sehr schnell zunichte gemacht werden“,<br />
sagt Professor Schlich.<br />
Kleine landwirtschaftliche Betriebe und<br />
Direktvermarkter müssen aber trotzdem<br />
nicht aufs <strong>Klima</strong>sünder-Bänkchen: „In allen<br />
untersuchten Fallbeispielen haben wir<br />
einheimische landwirtschaftliche Betriebe<br />
gefunden, welche die klimarelevanten Mindestbetriebsgrößen<br />
überschreiten. Und<br />
für einzelne Betriebe, bei denen das nicht<br />
der Fall ist, empfehlen wir die Bildung von<br />
Genossenschaften und Vertriebskooperationen.<br />
Auch dafür gibt es her<strong>vor</strong>ragende<br />
Beispiele in deutschen Landen.“<br />
Rindfleisch belastet<br />
das <strong>Klima</strong><br />
dreimal so stark<br />
wie Schweine-<br />
oder Geflügelfleisch.<br />
Flugware vermeiden<br />
Deshalb ist für den Wissenschaftler der<br />
Einkauf im Supermarkt tendenziell die<br />
richtige Entscheidung. „Nach unseren<br />
Feststellungen sind die <strong>vor</strong>gelagerten Prozessketten<br />
beim gut sortierten Lebensmittel-Einzelhändler<br />
immer von solcher Größe,<br />
dass gute Logistik und hohe Effizienz dahinter<br />
stehen“, begründet er. Ausnahmen<br />
stellen allerdings verderbliche Frischwaren<br />
wie Fisch aus Südostasien oder Flugtee aus<br />
Nepal dar, die per Flugzeug zu uns kommen<br />
und eine erheblich schlechtere <strong>Klima</strong>bilanz<br />
aufweisen. „Ich würde mir wünschen, dass<br />
‚Flug-Lebensmittel’ als solche ausgezeichnet<br />
werden“, meint Schlich.<br />
Um zu verdeutlichen, wie groß die Auswirkungen<br />
der individuellen Ernährungsweise<br />
auf den Ausstoß an Treibhausgasen sind,<br />
hat Foodwatch einen Vergleich mit Autokilometern<br />
errechnet. Danach entspricht<br />
die Ernährung eines Menschen, der kein<br />
Fleisch und keine Milchprodukte zu sich<br />
nimmt und seine Lebensmittel aus bio-logischem<br />
Anbau bezieht, im Jahr einer Autofahrt<br />
von 281 Kilometern. Der „Allesfresser“,<br />
dessen Nahrungsmittel komplett aus<br />
konventioneller Landwirtschaft stammen,<br />
verursacht hingegen so viele Treibhausgase<br />
wie 4758 Auto-Kilometer. Zugespitzt fassen<br />
»Lebensmittel aus<br />
der Region sind nur<br />
dann umweltfreundlich,<br />
wenn die dahinter<br />
stehende Größe der<br />
Produktions- und Transportbetriebeausreichend<br />
bemessen ist.«<br />
Elmar Schlich,<br />
Professor für Prozesstechnik in Lebensmittel-<br />
und Dienstleistungsbetrieben an der<br />
Universität Gießen<br />
die Foodwatch-Autoren das Ergebnis so zusammen:<br />
„Veganer dürfen Porsche fahren.“<br />
Die letzten Kilometer zählen<br />
Doch nicht nur das Produkt, auch der<br />
Endverbraucher entscheidet mit seinem<br />
Verhalten über die Größe des CO 2 -Fußabdrucks,<br />
der mit dem Konsum einhergeht.<br />
Die letzten Kilometer der Transportkette<br />
bis in den heimischen Kühlschrank oder<br />
in die Speisekammer spielen eine große<br />
Rolle. „Laut Statistik nutzen 83 Prozent aller<br />
Endverbraucher den privaten Pkw für<br />
den Einkauf und legen dabei im Schnitt<br />
2.600 Kilometer pro Jahr zurück“, zitiert<br />
Professor Schlich eine ganz aktuelle Studie.<br />
Aus Sicht des <strong>Klima</strong>schutzes sei ein<br />
Einkauf im Hofladen, auf dem Wochenmarkt<br />
oder beim Landwirt direkt nur dann<br />
akzeptabel, wenn Fahrrad oder öffentliche<br />
Verkehrsmittel zum Einsatz kommen oder<br />
„die zurückgelegte Entfernung mit dem<br />
Pkw weniger als fünf Kilometer, besser<br />
noch weniger als zwei Kilometer“ betrage.<br />
„Vorratseinkäufe in Kombination mit anderen<br />
Wegen wie die Fahrt zur Arbeit sind<br />
grundsätzlich von Vorteil“, so der Forscher<br />
aus Gießen.<br />
Das bestätigt auch das IFEU-Institut.<br />
CO 2 - Äquivalent<br />
Für den <strong>Klima</strong>wandel sind<br />
<strong>vor</strong> allem die Treibhausgase<br />
Kohlendioxid (CO 2 ),<br />
Methan (CH 4 ) und Lachgas<br />
(N 2 O) verantwortlich.<br />
Dabei ist der Treibhaus-Effekt<br />
von Lachgas etwa 300<br />
mal und der von Methan<br />
rund 20 mal größer als der<br />
von Kohlendioxid. Lachgas<br />
und Methan entstehen<br />
insbesondere bei intensiver<br />
Viehhaltung. Ihre Wirkung<br />
wird für Stoffstrom- und<br />
Ökobilanzen nach ihrer <strong>Klima</strong>wirkung<br />
gewichtet, um<br />
vergleichbare Ergebnisse<br />
bei der Entstehung unterschiedlicher<br />
Gase während<br />
eines Produktionsprozesses<br />
zu erhalten. Umgerechnet<br />
entspricht dann zum<br />
Beispiel ein Kilogramm<br />
Lachgas 300 Kilogramm<br />
Kohlendioxid-Äquivalent.<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
Das Gewicht des „ökologischen Rucksacks“<br />
eines Lebensmittels entscheidet sich für die<br />
Wissenschaftler aus Heidelberg sogar überwiegend<br />
auf der letzten Etappe. „Fährt der<br />
Verbraucher ausschließlich zum Kauf des<br />
Lebensmittels mit dem Auto zum Handel,<br />
spielt die eigentliche Produktion des Lebensmittels<br />
nur noch eine untergeordnete<br />
Rolle. Damit macht er letztlich alle Vorteile<br />
einer ökologisch sinnvollen Erzeugung wieder<br />
zunichte“, lautet ihre Erkenntnis.<br />
So betrachtet hat Herr Sorglos in unserem<br />
Beispiel vieles richtig gemacht. Frau Nachhalt<br />
hingegen muss erkennen, dass auch<br />
beim <strong>Klima</strong>schutz gilt: Gut gemeint ist<br />
nicht unbedingt gut gemacht. Allerdings<br />
ist <strong>Klima</strong>schutz nur ein Aspekt, wenn es<br />
um Nachhaltigkeit geht – wenn auch ein<br />
wichtiger. Wer beim Landwirt <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> kauft,<br />
spart womöglich dadurch kaum CO 2 ein,<br />
unterstützt dafür aber den Erhalt der Kulturlandschaft<br />
und die regionale Wertschöpfung.<br />
Wer zu Bio-Lebensmitteln greift, tut<br />
dies häufig auch, weil ihm an einer artgerechten<br />
Haltung von Tieren und an der<br />
Vermeidung von Umweltgiften gelegen ist.<br />
Diese Ziele gehören ebenso zu einem umfassenden<br />
Konzept der Nachhaltigkeit wie<br />
der <strong>Klima</strong>schutz.<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: Wolfgang Dirscherl / pixelio.de<br />
13
14<br />
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
Kein<br />
Frostschaden<br />
fürs <strong>Klima</strong><br />
Im September hat das<br />
Öko-Institut e.V. das<br />
Ergebnis einer <strong>Klima</strong>bilanz-Studie<br />
zum Thema<br />
Tiefkühlkost veröffentlicht.<br />
Bereichsleiter Carl-Otto Gensch<br />
fasst das Resultat so<br />
zusammen: „Tiefkühlprodukte<br />
gelten häufig als klimaschädlich.<br />
Die Ergebnisse der von<br />
uns durchgeführten Studie<br />
zeigen jedoch, dass die <strong>Klima</strong>bilanzen<br />
von Tiefkühlkost und<br />
ihren Vergleichsprodukten auf<br />
einem Niveau sind.“ Exemplarisch<br />
untersucht hat das Öko-<br />
Institut fünf Produkte, die sich<br />
gut mit gekühlten, ungekühlten<br />
und selbst zubereiteten<br />
Varianten vergleichen lassen:<br />
Weizenbrötchen, Hühnerfrikassee,<br />
Erbsen, Salamipizza<br />
und Kartoffelpuffer. Bei allen<br />
Waren zeigte die <strong>Klima</strong>bilanz,<br />
dass die Rezeptur und die Zubereitung<br />
beim Endverbraucher<br />
den weitaus größten<br />
Einfluss auf die CO2-Bilanz<br />
haben. Transport und Lagerung<br />
haben einen sehr viel<br />
geringeren Anteil. Bei Hühnerfrikassee<br />
und Pizza liegt<br />
er zum Beispiel bei lediglich<br />
zwei beziehungsweise sechs<br />
Prozent an der Gesamtbilanz.<br />
<strong>Klima</strong>bilanz von Tiefkühlprodukten<br />
Produktkategorie Komplett-Fertiggerichte: Frikassee<br />
Einflussfaktoren entlang<br />
des Produktionsweges<br />
(in Gramm Kohlendioxid-Äquivalente pro 100 Gramm Ware, g CO 2 -e<br />
Rohwarenbereitstellung<br />
= 139g CO 2 -e<br />
Tiefkühlfrikasse im Vergleich mit<br />
anderen Angebotsformen<br />
224g 219g<br />
bis<br />
242g<br />
62% 31%<br />
237g<br />
tiefgekühlt ungekühlt selbst<br />
zubereitet<br />
Distribution<br />
= 5g CO 2 -e<br />
2%<br />
4%<br />
1% P<br />
Produktion<br />
= 3g CO 2 -e<br />
Verbraucher:<br />
Einkaufsfahrt, Zubereitung<br />
Spülen = 69g CO 2 -e<br />
Herstellung der<br />
Verpackungsmaterialien<br />
= 8g CO 2 -e<br />
Quelle: Öko-Institut, Grafik: Köber<br />
Bio oder konventionell?<br />
Ökologisch erzeugte Lebensmittel<br />
sind gut für<br />
die Umwelt und damit<br />
auch fürs <strong>Klima</strong>. Das denken<br />
wohl die meisten Verbraucher,<br />
wenn sie zu Bio-Nahrungsmitteln<br />
greifen. Das stimmt<br />
zwar meistens, aber nicht in<br />
allen Fällen. Gerade wenn es<br />
um <strong>Klima</strong>schutz-Fragen geht,<br />
streiten sich die Experten über<br />
diesen Punkt. Das Bundesumweltministerium<br />
präsentiert<br />
eine Gegenüberstellung von<br />
konventionell und ökologisch<br />
erzeugten Produkten, bei denen<br />
die Bio-Variante in Sachen<br />
Treibhausgase überall besser<br />
abschneidet – wenn auch in<br />
den meisten Kategorien nur<br />
knapp (siehe Grafik). Der Verein<br />
Foodwatch hingegen zieht aus<br />
einem Gutachten des Instituts für ökologische<br />
Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin eine ganz<br />
andere Schlussfolgerung. „Größter <strong>Klima</strong>sünder:<br />
der Bio-Rindfleisch-Esser“ lautet die Foodwatch-<br />
Schlagzeile. Im Vergleich zur konventionellen<br />
Landwirtschaft um mehr als 50 Prozent höher<br />
sind nach dieser Studie die klimarelevanten Emissionen<br />
aus Bio-Betrieben bei der Rindfleischerzeugung.<br />
Die unterschiedliche Beurteilung macht ein Methodenproblem<br />
von <strong>Klima</strong>bilanzen sichtbar. Auf<br />
vielen Öko-Bauernhöfen ist die Fleischerzeugung<br />
ein Nebenprodukt der Milchviehhaltung. Damit<br />
eine Milchkuh die gewünschte Milchmenge<br />
liefert, bringt sie jährlich ein Kalb zur Welt. Die<br />
männlichen Kälber und überzählige weibliche<br />
Tiere werden gemästet und später geschlachtet.<br />
Forscher, die eine Studie zur <strong>Klima</strong>bilanz machen,<br />
müssen nun den Gesamtausstoß an klimaschädlichen<br />
Gasen auf die Milch- und die Fleischerzeugung<br />
verteilen. Zustande kommt der beispielsweise<br />
aus der extensiven Bewirtschaftung von<br />
Grünflächen, dem Einsatz von Gülle zur Düngung<br />
und die längere Mastdauer in der Biolandwirtschaft.<br />
Die Zuordnung kann allerdings anhand unterschiedlicher<br />
Kriterien <strong>vor</strong>genommen werden<br />
– womit sich auch das Ergebnis ändert.<br />
Entscheidend ist auch, welche Überlegungen<br />
überhaupt in die Rechnung einbezogen werden.<br />
Das betont die Tierärztin Anita Idel, Mitgründerin<br />
der Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung<br />
und Autorin des im vergangenen Jahr erschienen<br />
Buches „Warum Kühe keine <strong>Klima</strong>killer sind“.<br />
Dauerbegrüntes Land, wie es für die ökologische<br />
Landwirtschaft benötigt werde, speichere große<br />
Mengen Kohlenstoff in den Graspflanzen, <strong>vor</strong><br />
allem aber im Boden, argumentiert sie. Nachhaltige<br />
Beweidung fördere zudem die Humusbildung,<br />
und jede Tonne zusätzlicher Humus im<br />
Boden entlaste die Atmosphäre um mehr als 1,8<br />
Tonnen CO 2 . „Bei näherem Hinsehen erweisen<br />
sich manche Kuh und mancher Bauernhof mit<br />
nachhaltiger Grünland-Nutzung plötzlich als lupenreine<br />
<strong>Klima</strong>schützer“, ist sie überzeugt.<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Butter<br />
Rindfleisch<br />
Käse<br />
Sahne<br />
Pommes frites<br />
tiefgekühlt<br />
Geflügelfleisch<br />
Schweinefleisch<br />
Quark,<br />
Frischkäse<br />
Eier<br />
Joghurt<br />
Milch<br />
Teigwaren<br />
Brot<br />
Tomaten frisch<br />
Kartoffeln frisch<br />
Gemüse frisch<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
23.794<br />
22.089<br />
13.311<br />
11.374<br />
8.512<br />
7.951<br />
7.631<br />
7.106<br />
5.728<br />
5.568<br />
3.508<br />
3.039<br />
3.252<br />
3.039<br />
1.929<br />
1.804<br />
1.931<br />
CO -Äquivalente in g je kg Produkt<br />
2<br />
nach Anbauweise<br />
1.542<br />
Konventioneller Anbau<br />
1.231<br />
1.159<br />
940<br />
883<br />
919<br />
770<br />
768<br />
653<br />
339<br />
228<br />
199<br />
138<br />
153<br />
Ökologischer Anbau<br />
130 5 000 10 000 15 000 20 000 25 000<br />
Quelle: Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, Grafik: Köber 15
egional<br />
16<br />
Bild: Oliver Giers<br />
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Energiesparen macht Schule<br />
Die Energiepreise steigen und steigen – die Bereitschaft junger<br />
Menschen, sorgfältig mit Ressourcen umzugehen, aber auch. An<br />
der Justus-von-Liebig-Schule (Haus- und Landwirtschaftliche Schule)<br />
in Aalen wird die zukünftige Generation von Köchen und Hotelfachpersonal<br />
für dieses Thema sensibilisiert und lernt dort den<br />
verantwortungsvollen Umgang mit Energie in Theorie und Praxis.<br />
Text: Kathrin Stuba<br />
Beim Betreten der großzügigen<br />
Schulküche schlägt<br />
einem eine Wolke verführerischer<br />
Düfte entgegen. Die<br />
Schüler der zweijährigen Berufsfachschule<br />
für Ernährung und Gastronomie<br />
sind gerade dabei, für ihr Projekt<br />
„Provence“ ein mehrgängiges Menü<br />
zu zaubern. Semmelknödel mit Champignonragout<br />
und Gemüsefrikassee<br />
stehen heute auf dem Speiseplan, als<br />
Nachtisch gibt es Zitronen-Joghurtcreme<br />
mit Apfelsalat. Und inmitten<br />
ihrer Schüler steht Carmen Fehr, Technische<br />
Oberlehrerin und Herrin der<br />
Küche. Die gelernte Köchin behält<br />
auch in brenzligen Situationen den<br />
Überblick und ist sichtlich stolz auf ihr<br />
gepflegtes Reich.<br />
„Die Ausstattung unserer Schulküche<br />
hat sich seit dem Neubau im Jahr<br />
2006 gravierend verbessert“, erzählt<br />
sie, während sie einen ihrer Schüler<br />
anweist, den Deckel auf den Topf mit<br />
dem Knödelwasser zu setzen. „Wir haben<br />
nun viel bessere Voraussetzungen,<br />
um Energie einzusparen. Die alten<br />
Elektrogeräte wurden nach und nach<br />
durch neue ersetzt und haben einen<br />
deutlich geringeren Stromverbrauch.<br />
Ich achte beim Kauf auf Qualität, die<br />
Energieeffizienzklasse A++ ist dabei<br />
ein Muss.“<br />
Dieses umsichtige Denken wurde<br />
überall in der Küche umgesetzt. Neben<br />
der gewerblichen Spülmaschine,<br />
die durch ihre sehr kurze Laufzeit der<br />
Freund jedes Stromzählers ist, befindet<br />
sich ein neuer Umluftgefrierschrank,<br />
dessen Energieverlust bei<br />
häufigem Öffnen deutlich gegenüber<br />
den herkömmlichen Geräten reduziert<br />
ist. Auch ein moderner Umluftofen<br />
wurde angeschafft, bei dem kein Vorheizen<br />
mehr nötig ist und in dem bis<br />
zu zehn Backbleche gleichzeitig ihren<br />
Platz finden.<br />
„Unsere neueste Anschaffung ist<br />
eine Großwaschmaschine. Mit diesem<br />
Gerät reicht ein einziger Waschgang<br />
am Tag aus, um die gesamte Wäsche<br />
der Schule zu waschen“, erklärt Carmen<br />
Fehr, während sie den Inhalt der<br />
Töpfe kontrolliert. Die Knödel ziehen<br />
inzwischen im Wasser und die Hauswirtschaftslehrerin<br />
erinnert ihre Schüler<br />
daran, sich langsam um das Beilagengemüse<br />
zu kümmern. Das wird<br />
von ihren Schülern grundsätzlich „ a<br />
Qualitativ hochwertige<br />
und saisonale<br />
Lebensmittel aus<br />
der Region zeichnen<br />
sich letztendlich<br />
nicht nur durch ihren<br />
Geschmack aus,<br />
sondern sparen auch<br />
Energie.<br />
la minute“ gegart. Dadurch wird der<br />
Geschmack erhalten und Strom wird<br />
durch unnötiges Warmhalten auch<br />
nicht verschwendet.<br />
Schon in der ersten Unterrichtseinheit<br />
am Anfang der Ausbildung beginnt<br />
Carmen Fehr das Energiebewusstsein<br />
der Schüler mit einem Test zu schulen.<br />
„Wir vergleichen die Zeitspanne, die<br />
eine bestimmte Wassermenge bis zu<br />
ihrem Siedepunkt benötigt und zwar<br />
auf dem Elektro-, dem Gas-und dem<br />
Induktionsherd. Eindeutiger Sieger ist<br />
dabei die Induktion.“<br />
In der Zwischenzeit haben die Schüler<br />
damit begonnen, den Nachtisch<br />
anzurichten. Die Äpfel für den Salat<br />
stammen aus dem eigenen Garten<br />
und wurden in einer Schüleraktion<br />
gesammelt und fachgerecht gelagert.<br />
Die Zitronenmelisse für die Dekoration<br />
des Nachtischs wächst im Kräu-<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
terhochbeet nebenan. Was nicht aus<br />
dem schuleigenen Garten stammt,<br />
wird ausschließlich bei Erzeugern aus<br />
der Region gekauft. „Wir legen großen<br />
Wert auf regionale und saisonale Produkte“,<br />
stellt die engagierte Lehrerin<br />
klar. „Die Schüler müssen lernen, dass<br />
nicht nur ökonomische, sondern auch<br />
ökologische Kriterien bei der Speisezubereitung<br />
für unsere Zukunft eine<br />
große Rolle spielen.“<br />
Diese Themen finden an der Hauswirtschaftlichen<br />
Schule nicht nur<br />
in der Praxis ihre Anwendung, sondern<br />
sind auch ein wesentlicher Teil<br />
des Lehrplans und am Ende sogar<br />
prüfungsrelevant. „Wer bei der Abschlussprüfung<br />
Maßnahmen zum<br />
Energiesparen außer Acht lässt und<br />
verschwenderisch mit Rohstoffen umgeht,<br />
wird dies deutlich in seiner Benotung<br />
zu spüren bekommen.“<br />
Nachdem auch der Hauptgang mit<br />
den Knödeln und dem Gemüse seinen<br />
Weg auf die Teller gefunden hat, zieht<br />
die erfahrene Hauswirtschaftlerin Fehr<br />
ihr Resümee. „Qualitativ hochwertige<br />
und saisonale Lebensmittel aus der Region<br />
zeichnen sich letztendlich nicht<br />
nur durch ihren Geschmack aus, sondern<br />
sparen auch Energie in der Produktion<br />
und durch kurze Lieferwege.<br />
Und wer dann bei ihrer Zubereitung<br />
noch einfache Regeln wie das Schließen<br />
von Kochgefäßen, das Vermeiden<br />
von überflüssigem Warmhalten der<br />
Speisen oder den unnötigen Betrieb<br />
der Elektrogeräte vermeidet, wird dies<br />
positiv bei der nächsten Stromrechnung<br />
zu spüren bekommen.“ Nach<br />
dem gemeinsamen Essen liegt <strong>vor</strong> den<br />
Schülern nun nur noch der Abwasch:<br />
mit der sparsamen Spülmaschine, deren<br />
Warmwasser von den Solarzellen<br />
auf dem Dach aufbereitet wird.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
regional<br />
17
18<br />
Bild: © Patryssia - Fotolia.com<br />
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />
Tonnenweise in die Tonne<br />
Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel werden weggeworfen.<br />
Allein in Deutschland landen jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel<br />
im Müll. Das ist nicht nur unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten ein Skandal,<br />
sondern auch schädlich fürs <strong>Klima</strong>.<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
Würden nur halb so viele<br />
Lebensmittel weggeworfen<br />
wie derzeit,<br />
dann ließen sich dadurch<br />
ebenso viele <strong>Klima</strong>gase vermeiden<br />
wie dadurch, dass man weltweit<br />
jedes zweite Auto stilllegt. Das<br />
behauptet zumindest Valentin Thurn<br />
in seinem Kinofilm „Taste the Waste“,<br />
der in diesem Jahr viel Aufsehen erregt<br />
hat. Nahezu zeitgleich stellte Bundesverbraucherministerin<br />
Ilse Aigner eine<br />
aktuelle Studie über Lebensmittelabfälle<br />
in Deutschland <strong>vor</strong>, die von der<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Universität Stuttgart erstellt worden<br />
war. Danach wandern hierzulande jedes<br />
Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel<br />
pro Person im Wert von 235 Euro in<br />
Mülltonnen oder Komposter.<br />
Das Ministerium für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
startete mit der Präsentation<br />
dieser Studie eine Kampagne unter<br />
dem Titel „Zu gut für die Tonne!“.<br />
Umfangreiches Informationsmaterial<br />
gibt es unter www.zugutfuerdietonne.<br />
de. Dass Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
abgelaufen ist,<br />
nicht automatisch weggeworfen werden<br />
müssen, ist dort ebenso nachzulesen<br />
wie Tipps zum sinnvollen Einkauf<br />
oder zur richtigen Lagerung von<br />
Lebensmitteln. Die Kampagne rückt<br />
Privathaushalte in den Fokus. Laut<br />
Studie entstehen dort 61 Prozent der<br />
vermeidbaren Lebensmittelabfälle,<br />
während Industrie und Großverbraucher<br />
für jeweils 17 Prozent und die<br />
Einzelhändler für fünf Prozent verantwortlich<br />
sind. Zu dieser Sichtweise gibt<br />
es allerdings auch kritische Stimmen.<br />
Greenpeace weist zum Beispiel darauf<br />
hin, dass die bereits beim Erzeuger<br />
aussortierten Lebensmittel, die bestimmten<br />
Normen oder Vorgaben des<br />
Handels nicht entsprechen, in der Studie<br />
nicht berücksichtigt wurden.<br />
Regisseur Valentin Thurn hat es<br />
nicht bei seiner cineastischen Mahnung<br />
belassen. „Innerhalb von nur<br />
zwei Generationen haben wir uns zu<br />
einem Volk von Verschwendern entwickelt“,<br />
klagt er und hat gemeinsam<br />
mit Sebastian Engbrocks die Website<br />
www.foodsharing.de ins Leben gerufen.<br />
Derzeit läuft die Seite noch im<br />
Testbetrieb mit einem geschlossenen<br />
Benutzerkreis. In Kürze kann hier jeder<br />
seine Lebensmittel, die zum Beispiel<br />
<strong>vor</strong> einer Urlaubsreise im Kühlschrank<br />
übrig sind, per Computer<br />
oder Smartphone möglichen Interessenten<br />
kostenlos anbieten. Zunächst<br />
richtet sich das Angebot an Privatpersonen,<br />
später sollen aber auch Landwirte<br />
und Supermärkte mitmachen.<br />
Ein Bewertungssystem soll seriöse<br />
und weniger seriöse Teilnehmer des<br />
Projekts erkennbar machen.<br />
Damit eine wirklich rege Kultur<br />
des Teilens über das Portal<br />
entsteht, strebt Thurn eine<br />
große Zahl von Nutzern an:<br />
„Wir wollen mindestens eine<br />
Million Foodsharer in Deutschland,<br />
denn wir brauchen eine lebendige<br />
Community, die ausstrahlt. Das<br />
Projekt wird entweder ganz groß<br />
– oder es funktioniert nicht“,<br />
sagte er im Interview mit der<br />
<strong>Zeitschrift</strong> Geo. Interesse<br />
scheint jedenfalls <strong>vor</strong>handen:<br />
Finanziert<br />
wurde die 10.000<br />
Euro teure Programmierung<br />
der<br />
Seite über Kleinspenden, die ü b e r<br />
das Crowdfunding-Portal „Startnext“<br />
zusammenkamen.<br />
Wer wirft wie viel weg?<br />
Verteilung der Lebensmittelabfälle nach Bereichen der Nahrungsmittelkette<br />
Quelle: Studie der Universität Stuttgart (<strong>2012</strong>), gefördert durch das<br />
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)<br />
Was werfen wir weg?<br />
KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />
Verteilung der vermeidbaren und teilweise<br />
vermeidbaren Lebensmittelabfälle aus Haushalten<br />
nach Produktgruppen<br />
Quelle: Studie der Universität Stuttgart (<strong>2012</strong>), gefördert durch das Bundesministerium<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
19
20<br />
ENERGIESPEICHER<br />
Bild: © SusaZoom - Fotolia.com<br />
Kapazitäten gesucht<br />
Sie werden immer mehr, und sie werden nicht<br />
wieder verschwinden: Anlagen, die Energie aus<br />
erneuerbaren Quellen gewinnen, liefern bereits<br />
mehr als zwölf Prozent der Energie, die in Deutschland<br />
verbraucht wird – Tendenz kräftig steigend.<br />
Doch wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht<br />
gebraucht wird?<br />
Text: Gerhard Schindler<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Sowohl Geothermie als<br />
auch Biogas können<br />
kontinuierlich produziert<br />
werden und zur so genannten<br />
Grundlast beitragen.<br />
Doch Strom aus Wind und<br />
Sonne ist starken Schwankungen<br />
unterworfen. Und ob<br />
das höchste Angebot in die<br />
Zeit des größten Verbrauchs<br />
fällt, ist eher Zufall. Deshalb<br />
wird die Rolle von Techniken<br />
fürs Energiespeichern immer<br />
wichtiger. Eine Auswahl.<br />
Pumpspeicher<br />
Die bislang einzige Technik,<br />
um Energie in größerem<br />
Stil zu speichern, ist die der<br />
Pumpspeicherkraftwerke (siehe<br />
Beitrag Seite 22). Sie ist seit<br />
fast hundert Jahren erprobt<br />
und funktioniert zuverlässig,<br />
erfordert jedoch das Anlegen<br />
größerer Seen, zwischen<br />
denen ein nennenswerter<br />
Höhenunterschied bestehen<br />
muss. Topografisch sinnvoll<br />
ist dies in Süddeutschland<br />
sowie in den Alpentälern Österreichs<br />
und der Schweiz.<br />
Genau dort wird derzeit in die-<br />
se Methode investiert – und<br />
es soll noch mehr werden: Im<br />
Mai starteten die Wirtschaftsminister<br />
der drei Länder eine<br />
gemeinsame Initiative zum<br />
Ausbau der Pumpspeicherkraft.<br />
Inzwischen wird jedoch<br />
auch in anderen Gegenden<br />
mit den Vorzügen dieser<br />
Technik geliebäugelt. Ließen<br />
sich nicht auch ausrangierte<br />
Bergwerke, etwa im Ruhrgebiet,<br />
auf diese Weise neu<br />
nutzen? Erste Projektstudien<br />
entstehen.<br />
Wärmespeicher<br />
Große Wärmespeicher<br />
dienen den Betreibern von<br />
Fernwärmenetzen als Puffer.<br />
Solange die Wärme nicht für<br />
Heizung und Brauchwasser<br />
abgerufen wird, kann<br />
sie im Fernwärmespeicher<br />
zwischengelagert werden –<br />
meist nachts, damit sie zur<br />
Morgenspitze zur Verfügung<br />
steht. Der größte und modernste<br />
Fernwärmespeicher<br />
Europas steht auf dem Gelände<br />
des Erdgas-Kraftwerks<br />
Theiß in Niederösterreich,<br />
er fasst 50.000 Kubikmeter<br />
Wasser. Der Versorger hat<br />
daran gut 5.000 Haushalte<br />
angeschlossen. Mit einem<br />
Pumpspeicherkraftwerk<br />
kann seine Kapazität dennoch<br />
nicht mithalten.<br />
In kleiner Form hat manch<br />
ein Bewohner einer älteren<br />
Immobilie eine ähnliche<br />
Technik noch in den Zimmern<br />
stehen: als Nachtspeicheröfen.<br />
In Zeiten, als es<br />
noch flächendeckend günstige<br />
Nachtstromtarife gab,<br />
um überschüssigen Grundlaststrom<br />
aus Kohle- und<br />
Kernkraftwerken loszuwer-<br />
Ob das höchste<br />
Angebot in die<br />
Zeit des größten<br />
Verbrauchs fällt,<br />
ist eher Zufall.<br />
den, schienen sie eine sinnvolle<br />
Idee. Nachts mit billigem<br />
Strom die Speicher aufheizen,<br />
tagsüber Wärme haben –<br />
dieses Prinzip gilt derzeit als<br />
überholt.<br />
Strom zu Gas<br />
Das Problem, einen Überschuss<br />
an erzeugtem Strom<br />
kurzfristig abspeichern zu<br />
können, beschäftigt auch<br />
jene Energieversorger, die<br />
fernab jeglicher Pumpspeichermöglichkeiten<br />
zuhause<br />
sind. Windräder drehen sich<br />
auch bei ihnen, Fotovoltaik<br />
liefert Sonnenstrom – und<br />
beides muss laut Gesetz <strong>vor</strong>rangig<br />
ins Netz eingespeist<br />
werden. Ein Dilemma. Eine<br />
neuartige Methode nennt<br />
sich „Power to Gas“. Dabei<br />
wird zunächst Wasser per<br />
Elektrolyse mit Öko-Strom<br />
in Wasserstoff und Sauerstoff<br />
zerlegt. In einem zweiten<br />
Schritt kann der so gewonnene<br />
Wasserstoff durch Reaktion<br />
mit Kohlendioxid in<br />
Methan umgewandelt werden.<br />
Beides kann dann in<br />
ein bestehendes Erdgasnetz<br />
eingespeist werden: Methan<br />
ist nichts anderes als die<br />
chemische Bezeichnung für<br />
den Hauptbestandteil von<br />
Erdgas; Wasserstoff kann in<br />
einem Gasnetz bis zu einem<br />
Anteil von fünf Prozent zugesetzt<br />
werden.<br />
Gigantische Speicherkapazitäten<br />
tun sich hier auf: Bereits<br />
jetzt ist das Erdgasnetz<br />
in Deutschland 450.000 Kilometer<br />
lang, 47 Gasspeicher<br />
eingeschlossen. Die weltgrößte<br />
Pilotanlage, um Ökostrom<br />
in Methangas zu verwandeln,<br />
ging gerade erst<br />
in Stuttgart-Vaihingen am<br />
Zentrum für Sonnenenergie-<br />
und Wasserstoffforschung<br />
in Betrieb. In Frankfurt am<br />
Main soll kommendes Jahr<br />
eine Anlage zur Wasserstoffproduktion<br />
entstehen, die<br />
dann erstmals tatsächlich<br />
ins Erdgasnetz einspeist und<br />
nicht nur zu Testzwecken<br />
läuft.<br />
Wiederaufladbare<br />
Batterien<br />
Ob für mobile Elektronikgeräte,<br />
abgasfreie Pkws und<br />
Stadtverkehrsbusse oder als<br />
Zwischenspeicher im Stromnetz:<br />
Batterien haben schon<br />
jetzt ein breites Einsatzgebiet.<br />
Und sollen immer besser,<br />
kleiner, leichter, sauberer<br />
und leistungsfähiger werden:<br />
Nicht nur Wirtschaftsunternehmen<br />
investieren große<br />
Summen in Neuentwicklungen<br />
und effizientere Fertigung,<br />
auch in der Grundlagenforschung<br />
werden neue<br />
Wege beschritten.<br />
An der Universität Ulm fiel<br />
gerade erst der Startschuss<br />
ENERGIESPEICHER<br />
für den Neubau eines kompletten<br />
Forschungszentrums:<br />
das Helmholtz-Institut für<br />
elektrochemische Grundlagen<br />
der Energiespeicherung.<br />
Die Entwicklung der nächsten<br />
und übernächsten Generation<br />
der Lithium-Ionen-<br />
Batterie hat man sich hier auf<br />
die Fahnen geschrieben.<br />
Unterdessen erprobt der<br />
Darmstädter Energieversorger<br />
HSE den Einsatz von<br />
Batterien als Zwischenspeicher<br />
im Stromnetz. In einem<br />
Hallenbad und einem Veranstaltungszentrum<br />
wurden<br />
jeweils größere Batterien<br />
installiert, die aus Fotovoltaik<br />
auf dem Dach und einem<br />
Blockheizkraftwerk gespeist<br />
werden. Voraussetzung für<br />
den Praxistest: ein intelligentes<br />
Stromnetz („Smart<br />
Grid“), in dem Erzeuger,<br />
Speicher und Verbraucher<br />
flexibel gesteuert werden<br />
können.<br />
Energiestein<br />
Und dann gibt es da noch<br />
den Energiestein. Den hat<br />
Eduard Heindl erdacht. Der<br />
Physiker lehrt an der Universität<br />
Furtwangen und ist immer<br />
für ungewöhnliche Ideen gut.<br />
Etwa diese: Wie viel Energie<br />
könnte man wohl speichern,<br />
wenn man aus Granitgestein<br />
einen Zylinder mit 1000 Metern<br />
Durchmesser und 500<br />
Metern Tiefe heraussägte und<br />
darunter eine wassergefüllte<br />
Kaverne errichtete, die mit<br />
Druck den Energiestein anhebt?<br />
Als Antwort hat Heindl<br />
errechnet: 1.600 Gigawattstunden<br />
– so viel, wie in<br />
Deutschland täglich an<br />
Strom produziert wird und<br />
40 Mal so viel, wie in allen<br />
Pumpspeicherkraftwerken<br />
des Landes zusammen. Inzwischen<br />
wirbt der Professor<br />
Forschungsgelder ein, um die<br />
Machbarkeit eines solchen<br />
hydraulischen Lagespeichers<br />
nachzuweisen.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
21
22<br />
PUMPSPEICHERKRAFTWERKE PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />
Strom<br />
auf Pump<br />
Um Energie in großem Stil zu speichern, eignen sich Pumpspeicherkraftwerke<br />
nach wie <strong>vor</strong> am besten. Die Technik mit den zwei Wasserbecken<br />
funktioniert seit fast 100 Jahren. In Zeiten der Energiewende wird sie immer<br />
gefragter: Um Windenergie und Solarstrom aufnehmen zu können, werden neue<br />
Pumpspeicher nötig. Doch nicht jeder will sie haben.<br />
Text: Gerhard Schindler<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Bild: Bildarchiv Fieselmann<br />
Oberbecken mit Aussicht:<br />
Das Pumpspeicherkraftwerk<br />
Glems zwischen Metzingen<br />
und Reutlingen ist bislang<br />
das einzige am Albtrauf. Das<br />
könnte sich bald ändern.<br />
Um ihren Albtrauf werden<br />
die Schwaben von Flachlandbewohnern<br />
nicht nur<br />
wegen der Aussicht beneidet:<br />
Die Kante des Schwäbischen Jura<br />
bietet auch so manche Stelle, die sich<br />
her<strong>vor</strong>ragend für ein Pumpspeicherkraftwerk<br />
eignet. 300 bis 400 Meter<br />
Höhenunterschied – das sind ideale<br />
Voraussetzungen für neue Energiespeicher,<br />
wie sie für die Energiewende<br />
dringend benötigt werden.<br />
Pionierarbeit leistet hier der Regionalverband<br />
Neckar-Alb mit Sitz in<br />
Mössingen. Als Planungsinstanz der<br />
Landkreise Reutlingen, Tübingen und<br />
Zollernalb hat er aktiv die Diskussion<br />
um neue Pumpspeicherkraftwerke angestoßen.<br />
„Die Topografie ist bei uns<br />
zwar nicht ganz so günstig wie in der<br />
Schweiz oder in Österreich“, erklärt<br />
Joachim Zacher, Sachgebietsleiter für<br />
Energie und Verkehr. „Aber wir wollen<br />
auch bei uns die Grundlagen schaffen,<br />
um die Schwankungen im Energienetz<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
23
24<br />
PUMPSPEICHERKRAFTWERKE PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />
Neue Pumpspeicher<br />
am Alb-Rand:<br />
Vier Vorschläge, die<br />
bereits den Segen der<br />
jeweiligen Gemeinderäte<br />
haben<br />
1 Glems II:<br />
Oberbecken (OB): drei<br />
Varianten auf Gemarkung<br />
Eningen u.A., St. Johann<br />
und Metzingen<br />
Unterbecken (UB): Vergrößerung<br />
des bestehenden<br />
UB bei Metzingen-<br />
Glems oder Neubau<br />
daneben<br />
2 Gielsberg:<br />
OB: am Ende der Stuhlsteige<br />
bei Sonnenbühl-<br />
Genkingen<br />
UB: drei Varianten im<br />
Pfullinger Breitenbachtal<br />
3 Reichenbach:<br />
OB: Himberg auf Gemarkung<br />
Burladingen und<br />
Albstadt<br />
UB: Reichenbachtal bei<br />
Hechingen-Boll<br />
4 Albstadt/Meßstetten:<br />
OB: vier Varianten bei<br />
Hossingen und Tieringen<br />
UB: im Zerrenstalltal bei<br />
Laufen<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
auszugleichen.“ Ein Gebot, das aus der<br />
steigenden Stromgewinnung durch<br />
Wind und Sonne erwächst: „Wenn<br />
man es nicht macht, müssen wir unser<br />
Stromnetz ganz anders ändern.“<br />
Fünf mögliche Standorte hatte der<br />
Regionalverband identifiziert, drei davon<br />
sind nach den ersten Diskussionsrunden<br />
übriggeblieben, ein weiterer<br />
neu hinzugekommen. Nicht überall<br />
stoßen die großtechnischen Anlagen<br />
auf Gegenliebe. Im <strong>Ort</strong>schaftsrat<br />
von Salmendingen etwa brach<br />
ein Sturm der Entrüstung los, als ein<br />
mögliches Oberbecken <strong>vor</strong> der Haustür<br />
zur Debatte stand. Ganz anders<br />
in Pfullingen und Sonnenbühl: positive,<br />
teils begeisterte Zustimmung,<br />
die Pläne weiterzuverfolgen. In Glems<br />
wurde ein weiteres Werk neben dem<br />
bestehenden kontrovers diskutiert, die<br />
Gemeinderäte von Albstadt und Meßstetten<br />
brachten dagegen selbst einen<br />
weiteren Vorschlag ein. Wenn die Verbandsversammlung<br />
Ende <strong>November</strong><br />
beschließt, an welchen Stellen im Regionalplan<br />
Pumpspeicherkraftwerken<br />
ein Vorrang eingeräumt werden soll,<br />
stehen nun vier Standorte auf der Liste<br />
(siehe Kasten).<br />
Ob jedoch am Alb-Rand tatsächlich<br />
jemals neue Speicherbecken gebaut<br />
werden, steht völlig in den Sternen.<br />
Denn Wünsche und Pläne allein reichen<br />
nicht. Es braucht auch Investoren<br />
und Betreiber. Die EnBW etwa,<br />
die in Glems bei Metzingen bereits<br />
seit fast 50 Jahren das bisher einzige<br />
Pumpspeicherkraftwerk am Albtrauf<br />
betreibt, hat dem Regionalverband<br />
bereits eine Absage erteilt. Der Energieversorger<br />
investiert zwar in diese<br />
Speichertechnik, aber anderswo: im<br />
Schwarzwald und in den Vorarlberger<br />
Alpen.<br />
Dort sind ganz andere Dimensionen<br />
möglich. Im Hotzenwald bei<br />
Herrischried etwa entsteht in den<br />
nächsten Jahren das größte Pumpspeicherkraftwerk<br />
Deutschlands. Bekannt<br />
geworden ist der Standort unter<br />
dem Namen des Weilers Atdorf. Sein<br />
Oberbecken soll neun Millionen Kubikmeter<br />
Wasser fassen – zehn Mal so<br />
viel wie das Oberbecken von Glems<br />
neben der Eninger Weide. Mit 600<br />
Metern wäre die Fallhöhe doppelt so<br />
hoch wie am Metzinger Albtrauf. Und<br />
statt einer Leistung von 90 Megawatt,<br />
wie sie die Glemser Turbinen aus den<br />
1960er-Jahren erbringen, soll sie in Atdorf<br />
bei 1.400 Megawatt liegen. So viel<br />
erzeugt auch ein großes Kernkraftwerk<br />
– mit dem Unterschied, dass die im<br />
Schwarzwaldwasser gespeicherte Energie<br />
innerhalb von Sekunden bereitgestellt<br />
werden kann.<br />
Neben Atdorf investiert die EnBW<br />
auch im Nordschwarzwald in die<br />
Pumpspeichertechnik. In Forbach<br />
im Murgtal soll ein bestehendes Werk<br />
ausgebaut werden. Eine neue Oberstufe<br />
mit 1,8 Millionen Kubikmetern<br />
könnte die Leistung um 200 Megawatt<br />
steigern. Und beim EnBW-Partner Illwerke<br />
in Vorarlberg steht mit dem Projekt<br />
Obervermunt II eine Erweiterung<br />
um 360 Megawatt an.<br />
„Mit diesen drei großen Projekten<br />
sind wir für die nächsten Jahre auch<br />
finanziell ausgelastet“, sagt Maria<br />
Dehmer, Sprecherin der EnBW Kraftwerke<br />
AG. Doch nicht allein deshalb<br />
erhielt die Alb eine Absage: Aus Sicht<br />
des Energieversorgers wäre ein neuer<br />
Speicher hier auch zu teuer. Zwar hat<br />
die EnBW in einer Studie insgesamt<br />
201 mögliche Standorte in Baden-<br />
Württemberg identifiziert, die technisch<br />
machbar wären. Zusammen<br />
weisen sei ein Potenzial von 116 Gigawatt<br />
auf und kämen mit bestehenden<br />
Schutzgebieten wenig in Konflikt – als<br />
wirtschaftlich rentabel werden jedoch<br />
nur 13 Standorte eingestuft. Nur einer<br />
davon liegt an der Alb: im Bereich des<br />
bestehenden Pumpspeicherkraftwerks<br />
Glems, jedoch an anderer Stelle, als<br />
vom Regionalverband geplant.<br />
Die EnBW-Ingenieurin Claudia<br />
Berger hat als Autorin der Studie auch<br />
den Vorschlag Gielsberg untersucht.<br />
Ihr Fazit: Auch zwischen Genkingen<br />
und Pfullingen lohnt sich ein Pumpspeicherkraftwerk<br />
für die EnBW nicht<br />
wirklich. Geprüft wurde dabei jedoch<br />
eine Variante mit einem kleineren<br />
Oberbecken. Neuere Pläne sehen<br />
dort drei Millionen statt einer Million<br />
Kubikmeter Wasser <strong>vor</strong> – und schon<br />
könnte sich das Blatt der Realisierungschancen<br />
wieder wenden.<br />
So hat sich etwa der Reutlinger Energieversorger<br />
FairEnergie bisher nicht<br />
dazu geäußert, ob er ein solches Projekt<br />
umsetzen könnte. Dabei hat die<br />
Stadtwerke-Tochter mit Pumpspeicherkraft<br />
Erfahrung: Ihr gehört eines<br />
der kleinsten und ältesten Kraftwerke<br />
dieser Art: am Neckartalhang zwischen<br />
Kirchentellinsfurt und dem Einsiedel,<br />
Baujahr 1926, Leistung 1,3 Megawatt,<br />
Fallhöhe 120 Meter.<br />
Auch die Stadtwerke Ulm backen<br />
kleinere Brötchen, die sich trotzdem<br />
rechnen sollen: Am Blautal zwischen<br />
Blaubeuren und Blaustein planen sie<br />
ein 60-Megawatt-Speicherkraftwerk,<br />
dessen Unterbecken einen Steinbruch<br />
ausfüllen soll. Das Oberbecken soll 1,2<br />
Millionen Kubikmeter fassen, der Höhenunterschied<br />
162 Meter betragen.<br />
Erste Untersuchungen laufen bereits:<br />
Bohrungen und Pumpversuche ermitteln<br />
derzeit Auswirkungen auf das<br />
Grundwasser im Blautal und geben<br />
Aufschlüsse über die Bodenbeschaffenheit.<br />
An der Sinnhaftigkeit ihres Vorhabens<br />
hegen die Projektpartner jedenfalls<br />
keinen Zweifel: Auch in kleineren<br />
Dimensionen gelten Pumpspeicherkraftwerke<br />
als sinnvolle Anlagen, um<br />
eingespeisten Öko-Strom so effizient<br />
wie möglich zu nutzen. Einer ihrer<br />
wenigen Nachteile ist, dass beim Bau<br />
Bilder: EnBW<br />
Sechs Stunden lang kann<br />
das Speicherkraftwerk<br />
Glems den Strombedarf von<br />
Metzingen decken – rein<br />
rechnerisch. Weil die im<br />
Oberbecken gespeicherte<br />
Energie aber nur zu Spitzenzeiten<br />
abgerufen wird,<br />
erzielt der Strom Höchstpreise.<br />
Die Turbinen, Generatoren<br />
und Pumpen aus den<br />
1960er-Jahren wurde erst<br />
2008 generalüberholt.<br />
eventuell Schutzgebiete betroffen sind<br />
und Biotope zerstört werden. Ihre Vorteile<br />
dagegen vereinen – neben den<br />
energietechnischen – vielerlei Aspekte:<br />
Sie stinken nicht und machen keinen<br />
Krach, erzeugen keine Schadstoffe,<br />
verursachen keine schnellen Bewegungen<br />
und sehen häufig natürlichen<br />
Seen sehr ähnlich. Manchmal bieten<br />
sie dann sogar einen gewissen Naherholungswert<br />
und werden Ausflugsziel.<br />
Das Stauseehotel von Glems etwa gilt<br />
seit Langem als eine der idyllischsten<br />
Adressen am Albrand.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
25
26<br />
PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />
Das Prinzip Pumpspeicher<br />
Das Zauberwort heißt Lageenergie: Bei einem Pumpspeicherkraftwerk<br />
wird Wasser aus einem unteren in ein oberes<br />
Becken hinaufgepumpt. Dadurch wird elektrische Energie in<br />
mechanische umgewandelt. Das Wasser im Oberbecken speichert<br />
also den größten Teil der aufgewandten Energie durch<br />
seine Lage in der Höhe. Um diese wieder abzurufen, lässt<br />
man das Wasser zurück ins Tal fließen. Über Fallrohre treibt<br />
es eine oder mehrere Turbinen an – die mechanische Energie<br />
wird in elektrische zurückgewandelt.<br />
Eingesetzt werden Pumpspeicherkraftwerke, um die Energie<br />
im Stromnetz zu regeln und um kurzfristig Strom bereitzustellen.<br />
Wenn mehr Strom produziert wird als verbraucht,<br />
wird mithilfe des überschüssigen Stroms Wasser nach oben<br />
gepumpt und damit Energie gespeichert. In Zeiten, in denen<br />
mehr Strom im Netz angefordert wird als eingespeist, kann<br />
die gespeicherte Energie wieder abgerufen werden, indem<br />
Grafik: Köber<br />
Oberbecken<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Motor / Generator<br />
Turbine<br />
Pumpe<br />
das Wasser beim Rückfluss ins Unterbecken Strom erzeugt.<br />
Damit sind Pumpspeicherkraftwerke äußert flexibel: Sie können<br />
innerhalb von Sekunden elektrische Energie bereitstellen<br />
oder aufnehmen. Genau diese Fähigkeit macht sie ebenso<br />
notwendig wie wertvoll. Mit ihnen können Netzbetreiber<br />
nicht nur in Spitzen der Stromerzeugung Energie abspeichern<br />
– sie liefern <strong>vor</strong> allem Regelenergie, um innerhalb von Sekunden<br />
Lastspitzen abzudecken, und können auch Energie für<br />
den sogenannten Spotmarkt bereitstellen, die an der Strombörse<br />
tagesaktuell gehandelt wird. In beiden Fällen erzielt<br />
der Strom ein Vielfaches des Preises als etwa bei Grundlastkraftwerken,<br />
die kontinuierlich laufen – ein wirtschaftlicher<br />
Vorteil, der finanziell bei Weitem wettmacht, dass ein Viertel<br />
bis ein Fünftel der Energie beim Pumpspeicherkraftwerk verloren<br />
geht. Positiv ausgedrückt heißt das: Der Wirkungsgrad<br />
einer solchen Anlage liegt in der Regel zwischen 75 und 80<br />
Prozent.<br />
Wie viel Leistung ein Pumpspeicherkraftwerk erbringen<br />
kann, liegt zum einen am Höhenunterschied, zum anderen<br />
an der bewegten Wassermenge. Eine Studie des Energiekonzerns<br />
EnBW aus dem Jahr <strong>2012</strong> nennt eine Mindestfallhöhe<br />
von 200 Metern als eine von mehreren Voraussetzungen, um<br />
ein neues Pumpspeicherkraftwerk überhaupt wirtschaftlich<br />
betreiben zu können. In Deutschland gibt es derzeit rund 30<br />
Speicherkraftwerke mit einer installierten Leistung von sieben<br />
Gigawatt. ges<br />
Transformator<br />
Unterbecken<br />
Dachsanierung<br />
ist Vertrauenssache<br />
Schritt für Schritt zum energetisch gedämmten Dach.<br />
Text: Hanna Meid<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
regional<br />
27
egional<br />
28 BAUEN UND SANIEREN<br />
Das Dach <strong>vor</strong> Baubeginn<br />
– nur wenig Licht fällt von<br />
außen in das Zimmer<br />
Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist nicht nur sprichwörtlich<br />
verstanden eines der Grundbedürfnisse des<br />
Menschen, sondern auch eine Frage des Geschmacks, der<br />
Energieeffizienz und der Nutzbarkeit bewohnbarer Flächen.<br />
Alle diese Aspekte berücksichtigt der Energieberater<br />
und Zimmermeister Michael Kessler aus Schwäbisch<br />
Gmünd, wenn er zu einem Beratungsgespräch gebeten<br />
wird. „Dachsanierung ist Vertrauenssache“, sagt er, „denn<br />
viele Faktoren spielen bei den diversen Entscheidungen<br />
mit und kein Angebot ist mit dem anderen direkt vergleichbar“.<br />
Wir haben ihn bei einer Dachsanierung in<br />
Schwäbisch-Gmünd-Straßdorf begleitet.<br />
Was wollen wir mit den<br />
zwei kleinen Zimmerchen<br />
hier unter dem<br />
Dach anfangen, wir<br />
brauchen mehr Licht und mehr Raum“,<br />
klagte die Hausbesitzerin. So geht es<br />
vielen: Ist das Häuschen erst einmal<br />
in die Jahre gekommen, passt der Zuschnitt<br />
nicht mehr, Renovierungen<br />
sind fällig oder Käufer haben andere<br />
Nutzungs<strong>vor</strong>stellungen. 15 Quadratmeter<br />
mehr Nutzfläche, das könne er<br />
rausholen, versichert Michael Kessler.<br />
Dazu müsse er aber die schrägen Dachfenster<br />
durch Gauben ersetzen und die<br />
Dachneigung der Dachgauben flach<br />
halten, um eine möglichst große Standhöhe<br />
bis zum Fenster zu erreichen.<br />
Zunächst machte der Fachmann eine<br />
Planung über die Wohnraumerweiterung,<br />
schrieb das Baugesuch und stellte<br />
den Antrag zur Baugenehmigung. „Das<br />
macht normalerweise ein Architekt<br />
oder eben ein Meister im Bauhauptgewerbe“,<br />
erklärt er.<br />
Die Kundin hatte er bereits darauf<br />
hingewiesen, dass sich in diesem Fall<br />
eine komplette Dachsanierung anbieten<br />
würde, da durch den Bau der Gauben<br />
von dem <strong>vor</strong>handenen Dach nicht<br />
mehr viel übrig bliebe. Ein Problem<br />
bereiteten auch meist die Anschlüsse<br />
der neuen Gauben an das <strong>vor</strong>handene<br />
Dach aus den 80er Jahren. Die Kundin<br />
folgte dem Rat des Fachmanns und<br />
stellte sich auf runde zwei Monate Umbauzeit<br />
ein.<br />
In diesem Fall hatte Holzbau Kessler<br />
die Gesamtleitung und koordinierte die<br />
Arbeiten mit dem Flaschner. Man kann<br />
auch die Gewerke einzeln an erfahrene<br />
Handwerker vergeben, wichtig ist jedoch,<br />
dass die Bauleitung geklärt ist.<br />
„Ich wollte vertrauenswürdige Handwerker<br />
aus der Nähe haben. Sie kamen<br />
immer zur Abstimmung der Gewerke<br />
auf die Baustelle und das war für den<br />
reibungslosen Ablauf sehr wichtig“, bestätigte<br />
die Kundin. Handwerker übers<br />
Internet zu beauftragen, war für sie keine<br />
Alternative.<br />
Im ersten Schritt schlug Kessler wegen<br />
der flachen Dachneigung durch die<br />
hohen Gauben ein Titanzinkblech mit<br />
doppelter hinterlüfteter Schalung <strong>vor</strong>:<br />
„Zum einen dient es dem Lärmschutz,<br />
wenn Regen auf das Dach prasselt, und<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
Die neue Dachgaube über<br />
der alten Dachfläche<br />
Oben: Dachgaube mit<br />
Unterspannbahn<br />
Links: Dachgaube neu mit<br />
Innenausbau<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
29<br />
regional
egional<br />
30 BAUEN UND SANIEREN<br />
Nicht nur 15 Quadratmeter mehr Nutzfläche bringt die neue Dachgaube, sondern auch mehr Licht.<br />
zum anderen hat die doppelte Hinterlüftung<br />
das Ziel, die große Dichte des<br />
Blechs außen der Dichte innen anzupassen“,<br />
machte er der Kundin deutlich.<br />
Als zweiter Schritt folgte die Dachdeckung.<br />
Farbe und Oberflächenbeschaffenheit<br />
der Ziegel sind wichtige<br />
Faktoren, denn im innerstädtischen Bereich<br />
gibt es oft Vorschriften über Form<br />
und Farbe. Auch ist es nicht jedem Bauherren<br />
egal, ob er einen rauen Ziegel<br />
hat, der schnell verschmutzt oder einen<br />
mit unempfindlicher glatter Oberfläche<br />
oder den glasierten, von dem Dreck<br />
und Schnee abrutschen. Die Kundin<br />
entschied sich für die Variante 'glatt'.<br />
Im dritten Schritt wurden Dach und<br />
Gauben mehrschichtig aufgebaut.<br />
Das bedeutet Ausdämmung der Sparrenzwischenräume<br />
mit Mineralwolledämmung,<br />
die eine sehr gute Wärmeleitergruppe<br />
besitzt. Über den Sparren<br />
werden vollflächig Holzweichfaserplatten<br />
verlegt, um einen besonders gu-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
»Die bessere<br />
Wärmedämmung<br />
ist deutlich<br />
zu spüren und die<br />
Wärme des Schwedenofens<br />
bleibt im<br />
Dachgeschoss. Ein<br />
viel angenehmeres<br />
Wohnklima und<br />
geringere Energiekosten,<br />
das ist wirklich<br />
gelungen!«<br />
ten Schall- und Sommerwärmeschutz<br />
zu erreichen. Unterhalb der Sparren<br />
kommt zuerst eine Dampfbremsfolie,<br />
welche die Luftdichte der Konstruktion<br />
nach der Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) 2009 gewährleistet. „Dabei stoßen<br />
wir oft auf technische Herausforderungen,<br />
um die neue Konstruktion<br />
luftdicht mit der <strong>vor</strong>handenen zu verbinden“,<br />
erklärt Kessler der erstaunten<br />
Kundin. „Wenn das nämlich nicht richtig<br />
ausgeführt ist, kann es bestenfalls<br />
zu Schimmel und im schlimmsten Fall<br />
zum Einsturz der Konstruktion kommen.“<br />
Der vierte Schritt wird einmal nach<br />
außen und einmal nach innen vollzogen.<br />
Zunächst kommt auf die Holzweichfaserplatte<br />
eine diffusionsoffene<br />
Unterspannbahn, ähnlich einer Goretex-Membran,<br />
zum Schutz von eindringendem<br />
Regen oder Schnee. Darauf<br />
kommen die Lattenkonstruktion für<br />
die Ziegel und die Ziegel selbst. Nach<br />
innen folgt auf die Dampfsperre die<br />
Unterkonstruktion, welche den Gipskarton<br />
trägt, den man beliebig tapezieren<br />
oder verputzen kann. Fertig ist das<br />
energetisch sanierte Dach. Das Fazit der<br />
Kundin: „Die bessere Wärmedämmung<br />
ist deutlich zu spüren und die Wärme<br />
des Schwedenofens bleibt im Dachgeschoss.<br />
Ein viel angenehmeres Wohnklima<br />
und geringere Energiekosten, das ist<br />
wirklich gelungen!“<br />
Die Kosten, sagt Kessler, seien sehr<br />
individuell. „Je nach Wünschen und<br />
Anforderungen der Kunden hängen<br />
sie von der Stärke der Dämmung und<br />
des Dämmmaterials ab, von der Form<br />
und der Qualität der Ziegel und auch,<br />
ob ein Dach sehr verwinkelt ist oder<br />
eine glatte, gerade Fläche hat, die natürlich<br />
einfacher zu decken ist.“ Bei<br />
einem Haus mit etwa 120 Quadratmetern<br />
Dachfläche geht er von mindestens<br />
30.000 Euro aus. „Es ist schwierig,<br />
die Angebote zu vergleichen, weil jeder<br />
Handwerker seine eigene Art hat, sie zu<br />
erstellen und der Kunde sich selten mit<br />
den Fachbegriffen auskennt. Daher ist<br />
es wichtig, sich Handwerker empfehlen<br />
zu lassen oder auf sein Bauchgefühl<br />
zu vertrauen. Leichtfertig sollte man<br />
dieses Thema jedenfalls nicht behandeln“,<br />
rät der Energieberater. Übrigens<br />
sind die Energieberater Handwerk im<br />
Energiekompetenzzentrum Ostalb gelistet<br />
und bei der Handwerkskammer<br />
zu erfragen.<br />
Die Energieberater Handwerk beraten<br />
auch über staatliche Fördermittel<br />
über die KfW-Bank und über die damit<br />
verbundenen Auflagen und beantragen<br />
sie. Sie achten darauf, dass die Vorschriften<br />
nach der EnEV 2009 eingehalten<br />
werden, auch wenn beispielsweise<br />
ein Hausbesitzer nur zehn Prozent an<br />
der Fassade oder am Dach seines Bestandsgebäudes<br />
verändern will. Außerdem<br />
gibt es eine Sanierungspflicht für<br />
ungedämmte Geschossdecken.<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
31<br />
regional
egional<br />
32 BAUEN UND SANIEREN<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Das alte Rathaus aus den sechziger Jahren.<br />
Vom alten Rathaus blieb nur<br />
das Betonskelett übrig<br />
Fassade und Energieeffizienz standen beim Neubau des<br />
Oberkochener Verwaltungssitzes im Fokus.<br />
Text: : Lothar Schell<br />
Das neue Rathaus passt zur<br />
feinen Stadt Oberkochen.<br />
Wir haben heute ein absolut<br />
modernes, funktionales und ansprechend<br />
gestaltetes Rathaus, das auch<br />
mit seinem energetischen Konzept<br />
Vorbildfunktion aufweist“, sagt Bürgermeister<br />
Peter Traub. Das Aalener<br />
Architekturbüro Kayser hatte den im<br />
Jahre 2007 ausgeschriebenen Wettbewerb<br />
zur Konzeptentwicklung für<br />
die Rathaussanierung gewonnen und<br />
führte dann die Planung und Ausführung<br />
des Projekts durch. Das Oberkochener<br />
Rathaus war in den Jahren<br />
1963 und 1964 von Architekt Professor<br />
Ludwig Schweizer errichtet worden.<br />
Das Gebäude gliederte sich architektonisch<br />
in den zweigeschossigen Sockelbau<br />
mit weißer Putzfassade und den<br />
darüber schwebenden fünfgeschossigen<br />
Turm, der sich aus horizontalen<br />
Betonbrüstungsbändern und umlaufenden<br />
Fensterelementen zusammensetzte.<br />
Wesentlicher Grundgedanke<br />
für das Entwurfskonzept war im Zusammenhang<br />
mit der Neugestaltung<br />
des Eugen-Bolz-Platzes die Verlegung<br />
des Gebäudeeingangs auf die Ebene<br />
der Jenaer Straße. Hierdurch entstand<br />
über einen großzügigen Windfang ein<br />
zentraler behindertengerechter Zu-<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
gang und die beiden Foyer-Ebenen<br />
wurden über eine großzügige Wendeltreppe<br />
im Luftraum verbunden. Ein<br />
neuer Glasaufzug wurde im Foyer platziert,<br />
der alle Ebenen verbindet und<br />
während der Fahrt den Ausblick auf<br />
den Platz ermöglicht.<br />
Im <strong>November</strong> 2009 wurde mit dem<br />
Bau begonnen, nach eineinhalbjähriger<br />
Bauzeit hatte Oberkochen seinen<br />
neuen Verwaltungssitz. 7,5 Millionen<br />
Euro hat das neue Rathaus gekostet.<br />
Von Bund und Land erhielt man aus<br />
dem Zukunftsinvestitionsprogamm<br />
des Konjunkturpakets II rund 2,4 Millionen<br />
Euro sowie rund 920.000 Euro<br />
regional<br />
33
egional<br />
34 BAUEN UND SANIEREN<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
Der neue Aufzugschacht.<br />
aus dem Sanierungsprogramm des<br />
Landes. Zentral im Eingangsbereich<br />
wurde das neue Bürgerbüro angeordnet.<br />
Eine Glaswand trennt die Räumlichkeiten<br />
vom Foyer. Das bestehende<br />
Treppenhaus wurde ebenfalls bis in<br />
die Eingangsebene fortgeführt und<br />
dient nun als geschlossener Rettungsweg.<br />
„Nach der völligen Entkernung<br />
lag das Augenmerk auf der Fassade<br />
und der Energieeffizienz“, betont Projektleiter<br />
Johannes Thalheimer, der in<br />
seiner Eigenschaft als Stadtbaumeister<br />
eng mit Bauleiter Bernd Rentel vom<br />
Architekturbüro Kayser + Kayser kooperierte.<br />
Während die Sockelgeschosse<br />
mit einem Wärmedämmverbundsystem<br />
und neuen Aluminiumfenstern<br />
in den bestehenden Öffnungen saniert<br />
wurden, erhielt der Turm eine <strong>vor</strong>gehängte<br />
Aluminium-Pfosten-Riegel-<br />
Fassade mit Alulisenen, die nun die<br />
Geschosse verbinden. Die Betonbrüstungen<br />
des Bestands wurden auf der<br />
Außenseite gedämmt.<br />
Vorgeblendete Glasbrüstungspanee-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
»Mit der Fassade<br />
wurde ein optimaler<br />
winterlicher<br />
Wärmeschutz<br />
und eine Reduzierung<br />
des Sonnenenergieeintrags<br />
im<br />
Sommer erreicht.«<br />
Johannes Thalheimer, Projektleiter<br />
len mit integrierten Sonnenschutzlamellen<br />
bilden nun zusammen mit der<br />
Verglasung der Aluminiumfenster die<br />
wartungsfreie Außenhaut. Der Sonnenschutz<br />
wird mit Tageslichtlenkelementen<br />
abhängig vom Sonnenstand<br />
gesteuert. „Mit der Fassade wurde ein<br />
optimaler winterlicher Wärmeschutz<br />
und eine Reduzierung des Sonnenenergieeintrags<br />
im Sommer erreicht“,<br />
betont Projektleiter Johannes Thalheimer.<br />
Dosierte natürliche Belüftung<br />
wird nun über schmale Lüftungsflügel<br />
im Wechsel mit fest verglasten Elementen<br />
ermöglicht. Schließlich bot das<br />
Fassadenraster optimale Anschlussmöglichkeiten<br />
für flexible Trennwände<br />
und variable Raumgrößen. Eingriffe in<br />
die Fassadenöffnungen erfolgten nur<br />
im Sitzungssaal, der nun durch große<br />
Fensterausschnitte vom introvertierten<br />
Raum mit Oberlicht zum bürgeroffenen,<br />
lichtdurchfluteten Raum<br />
mit Ausblick umgewandelt wurde.<br />
Für den neuen Verwaltungstempel<br />
wurde ein ganzheitliches ökonomisch<br />
Bild oben:<br />
Viele Meter Kabel sind in<br />
der Decke verlegt.<br />
Bild unten:<br />
Im Sitzungssaal wurde<br />
die Lichtkuppel<br />
geschlossen.<br />
und ökologisch sinnvolles energetisches<br />
Sanierungskonzept entwickelt.<br />
Die Fassade des Altgebäudes hatte ihre<br />
Lebensdauer längst erreicht. Durch die<br />
undichte Fassade und den schlechten<br />
winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz<br />
wies das Gebäude <strong>vor</strong> der<br />
Sanierung einen Gebäudeheizenergiebedarf<br />
von 256 Kilowattstunden pro<br />
Quadratmeter und Jahr auf. Bei der<br />
Sanierung wurde die Fassade komplett<br />
erneuert und durch eine moderne Fassade<br />
mit gutem winterlichen und sommerlichen<br />
Wärmeschutz ersetzt. Die<br />
Verglasung besteht nun aus Zweischeibenwärmeschutzverglasung<br />
mit<br />
einem U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient)<br />
von 1,1. Die Flügel der Fassade<br />
können geöffnet werden, so dass effektiv<br />
natürlich belüftet werden kann.<br />
„Wir konnten durch die neue Fassade<br />
den Gebäudeheizenergiebedarf auf<br />
110 Kilowattstunden pro Quadratmeter<br />
und Jahr, also um 57 Prozent, reduzieren“,<br />
stellt der Projektleiter fest.<br />
Neben der Fassade wurde auch die Gebäudetechnik<br />
energetisch optimiert.<br />
Die alte Gasheizkesselanlage, die<br />
auch das Hotel am Rathaus mit Wärme<br />
versorgte, wurde komplett erneuert<br />
und durch zwei Gasbrennwertkessel<br />
kombiniert mit zwei Blockheizkraftwerken<br />
mit jeweils 12,5 Kilowatt thermisch<br />
ersetzt. Durch die optimalen<br />
Betriebsbedingungen und dank der<br />
Kraft-Wärme-Kopplung konnte damit<br />
der Primärenergiebedarf nochmals um<br />
weitere 23 Prozent reduziert werden.<br />
Damit liegt das neue Rathaus vierzig<br />
Prozent unter den Anforderungen<br />
der Energieeinsparverordnung EnEV<br />
2007 für modernisierten Altbau. Das<br />
Rathausgebäude musste auch brandschutztechnisch<br />
komplett saniert werden.<br />
So wurden die Rettungswege neu<br />
festgelegt, Brandschutzwände eingezogen<br />
und eine Brandmeldeanlage mit<br />
Sicherheitsbeleuchtungen und Sicherheitsstrom<br />
installiert.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
regional<br />
35
egional<br />
36<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang<br />
Helmle ist sein eigenes Wohnhaus in Ellwangen,<br />
das im Erdgeschoss auch das Büro seiner Firma<br />
beherbergt.<br />
Seine Ideen<br />
bringen alten<br />
Bauten neue<br />
Effizienz<br />
Seit 1991 ist Wolfgang<br />
Helmle mit seinem Architekturbüro<br />
in Ellwangen aktiv. Als Energie- und<br />
<strong>Klima</strong>berater legt er großen Wert<br />
auf Energieeffizienz. Im reizvollen<br />
Rahmen der historischen Ellwanger<br />
Bauten sucht er Funktionalität,<br />
Ökologie und Ästhetik zu einen.<br />
Dabei setzt sein Büro auf kreative<br />
Lösungen und neue Technik.<br />
Text: Benjamin Leidenberger<br />
Ästhetik und Funktionalität verbinden und dabei<br />
„verantwortungsvoll bauen“:<br />
Sein ausgeprägtes Ökologiebewusstsein<br />
prägt Architekt Wolfgang Helmle. Als Berufener fühlt<br />
er sich, wenn es darum geht, mit Rücksicht auf Natur<br />
und Umwelt Neues zu gestalten. Mit seinem Büro will<br />
er Ideen entwickeln. Helmle will Pionier sein, wenn<br />
es um ökologisches, energieeffizientes Bauen geht:<br />
„Mittlerweile sind alle soweit zu sagen, dass wir Energie<br />
sparen müssen. Ich sage, wir müssen Häuser bauen,<br />
die Energie produzieren und speichern.“<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
regional<br />
37
egional<br />
38<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
Vom Balkon des Hauses hat man einen schönen Blick auf das Schloss auf dem<br />
Schönenberg.<br />
Wer solche Ansprüche formuliert,<br />
braucht Authentizität. Weshalb<br />
Helmles Vorzeigeobjekt sein eigenes<br />
Wohnhaus ist, das im Erdgeschoss auch<br />
das Büro seiner Firma beherbergt. 2007<br />
hat er den 1753 von Johann Gottfried<br />
Prahl in der Ellwanger Schloss<strong>vor</strong>stadt<br />
errichteten Bau energetisch saniert. In<br />
nur neun Wochen Bauzeit hat er das<br />
unter Denkmalschutz stehende Objekt<br />
in ein „Minimal-Energie-Haus“<br />
verwandelt. Passivhauskomponenten<br />
wurden verbaut. Weil die Straßenfassade<br />
nicht verändert werden durfte,<br />
hat Helmle sich für eine Innendämmung<br />
mit Wandheizung entschieden.<br />
Dreifach verglaste Fenster wurden eingesetzt,<br />
eine 14 Quadratmeter große<br />
Solarthermieanlage sorgt für warmes<br />
Wasser. Eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage<br />
mit Wärmerückgewinnung<br />
rundete das Sanierungspaket ab.<br />
80 Prozent Energie- und CO²-Emission<br />
wurden insgesamt eingespart. Das<br />
Haus weißt einen Energiebedarf von<br />
39 Kilowattstunden pro Quadratmeter<br />
und Jahr aus. Dafür gab es einige<br />
Preise, darunter den ersten Preis des<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
»Wir sind ständig<br />
am Schauen,<br />
nach neuen Materialien,besserer<br />
Technik.«<br />
Wolfgang Helmle,<br />
Diplom-Architekt<br />
Das Haus bekommt eine neue Innendämmung<br />
mit Wandheizung.<br />
Wettbewerbs „Deutschlands schönste<br />
Effizienzhäuser“.<br />
Bei der Innengestaltung hat Helmle<br />
viel Holz verbaut, um mit dem natürlichen<br />
Baustoff Akzente zu setzen.<br />
Beispielsweise bei einem optischen<br />
Dreiklang in den Büroräumen, wo eine<br />
Holzakustik-Schiebewand von 2007<br />
auf Ziegelmauerwerk eines Anbaus<br />
von 1904 und das vom Putz befreite<br />
Original-Sandsteinmauerwerk von<br />
1753 stößt. Helmle verweist hier spielerisch<br />
auf die reichhaltige Geschichte<br />
des Objektes. Moderne hält Einzug ins<br />
historische Gemäuer.<br />
„In so einem Haus fühlt man sich<br />
wohl“, sagt Helmle über Energiesparhäuser.<br />
Die Differenz der Wohntemperatur<br />
von 19 Grad gegenüber sonst<br />
gängigen 21 Grad spüre man nicht, es<br />
herrsche immer ein gutes Luftklima.<br />
„Und man hat dabei noch ein gutes<br />
Gefühl der Umwelt gegenüber.“ Durch<br />
das Vorleben könne er die beste Überzeugungsarbeit<br />
leisten, neue Wege zu<br />
beschreiten. Dies brauche es auch,<br />
wenn aus dem gewachsenen ökologischen<br />
Bewusstsein unserer Gesell-<br />
Durch die Panorama-Fenster hat man einen herrlichen Blick auf den Schönenberg.<br />
schaft ein echter Verhaltenswandel<br />
resultieren soll. „Es sind immer nur<br />
ein paar, die etwas anstoßen“, sagt<br />
Helmle, „viele, die mitkommen und<br />
ein paar, die immer dagegen sind.“<br />
Helmle sucht weitere Herausforderungen<br />
für sein Architekturbüro.<br />
„Wir machen gerade unsere Hausaufgaben<br />
und sind dabei, im Hinterkopf<br />
neue Ideen zu entwickeln.“ Wir, das<br />
heißt Wolfgang Helmle, der 52-jährige<br />
Diplom-Architekt und zertifizierter<br />
Energie- und <strong>Klima</strong>berater, und seine<br />
vier Mitarbeiterinnen. „Wir sind<br />
ständig am Schauen, nach neuen<br />
Materialien, besserer Technik.“ Mehr<br />
Entwicklung hat sich Helmle bei der<br />
Technik im Heizungs-, Lüftungs- und<br />
Sanitärbau erwartet. Aber solange<br />
sich die Anlagen der heutigen Generation<br />
noch gut verkauften, fehle es<br />
an Investitionen in Verbesserungen.<br />
Brennstoffzellen seien beispielsweise<br />
eine vielversprechende Technologie,<br />
die noch wenig eingesetzt werde. So<br />
wird das Ausreizen der Möglichkeiten<br />
teuer. Für Plus-Energiehäuser und<br />
andere innovative Effizienzkonzepte<br />
bräuchte es solvente Partner. „Bauherren<br />
mit einem Faible dafür“, sagt<br />
Helmle.<br />
Bei „seinem“ eigenen Projekt wäre<br />
Helmle gerne noch weiter gegangen.<br />
Am liebsten hätte er ein Miniblockheizkraftwerk<br />
eingebaut und damit<br />
sein eigenes Haus und die als Reihenhäuser<br />
angebauten Nachbarhäuser<br />
gleich mit Wärme mitversorgt.<br />
Technisch wäre das möglich gewesen,<br />
aber der Aufwand, die Nachbarhäuser<br />
umzurüsten, war zu groß. Eine andere<br />
Idee konnte er gegen die Denkmalschutzbehörde<br />
nicht durchsetzen. „Ich<br />
wollte unbedingt eine PV-Anlage“, erzählt<br />
Helmle. Auf dem Dach des denkmalgeschützten<br />
Hauses sei das nicht<br />
genehmigungsfähig gewesen. Helmle<br />
bewies Erfindergeist: Auf den Fensterläden<br />
hätte er gerne Photovoltaik-<br />
Zellen angebracht. Damit die auch bei<br />
geschlossenen Läden Strom hätten<br />
liefern können, hätte er die Module<br />
um 180 Grad schwenkbar befestigt.<br />
Eine patente Idee – die keine Genehmigung<br />
fand. „Es wäre nur ein Kilowatt<br />
Leistung gewesen“, relativiert Helm-<br />
BAUEN UND SANIEREN<br />
le selbst den Effekt. Die Kreativität<br />
spricht dennoch für sich. Dass nicht<br />
jede gute Idee umgesetzt werden könne,<br />
damit müsse man leben.<br />
Der Reiz des Neuen, des Entdeckers,<br />
der Pioniergeist sorgt dafür, dass<br />
Helmle auch nach über 20 Jahren im<br />
Beruf noch Grenzgänger bleibt beim<br />
Thema ökologisches Bauen. Die unverputzte<br />
Backsteinwand seines Arbeitszimmers<br />
ziert eine Bordüre mit<br />
einem Zitat von Karljosef Schattner,<br />
der einst als Diözesanbauamtsleiter<br />
in der Barockstadt Eichstätt moderne<br />
Bauten errichtete: „Die Gegenwart<br />
leugnen hieße die Geschichte<br />
zu leugnen. Neues Bauen in alter<br />
Umgebung ist etwas Selbstverständliches.“<br />
Dieses Credo hat sich Helmle<br />
zu eigen gemacht. Im „reizvollen Rahmen“<br />
Ellwangens will er seine architektonischen<br />
Ideen umsetzen. Neu zu<br />
bauen mache zwar Spaß, die große<br />
Aufgabe sieht Helmle aber darin, den<br />
Bestand energetisch zu ertüchtigen.<br />
Dabei sei wieder Kreativität gefragt:<br />
„Es gibt noch viele Sachen, die man<br />
versuchen muss.“<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
regional<br />
39
egional<br />
40<br />
INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Kürzere Wege auch für<br />
den Strom<br />
Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />
machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus der<br />
Region stark.<br />
Text: Sabine Freimuth<br />
Die Photovoltaikanlage auf<br />
dem Dach des Feuerwehrgebäudes<br />
hat eine Gesamtfläche<br />
von circa 270 Quadratmetern<br />
und eine geschätzte Leistung<br />
von 42 kWP.<br />
Genossen sind im Allgemeinen<br />
Menschen, die Interesse haben,<br />
am gemeinschaftlichen<br />
Handeln, zu ihrem Wohl und dem der<br />
Allgemeinheit. Energiegenossen, eine<br />
Gruppe Ellwanger Bürger, die am 21.<br />
Januar 2011 einen Zusammenschluss<br />
gründeten, haben ein hohes Interesse<br />
am Ausbau erneuerbarer Energien<br />
und dies möglichst regional. Des weiteren,<br />
so haben es sie in ihrer Satzung<br />
festgelegt, soll Energieeffizienz sowie<br />
Energieeinsparung und <strong>Klima</strong>schutz<br />
eines ihrer Ziele sein. 87 Bürger zeichneten<br />
bei der Gründungsversammlung<br />
294 Geschäftsanteile mit einem<br />
Volumen von 147.000 Euro. Die Anzahl<br />
der Mitglieder ist seit der Gründungsversammlung<br />
konstant angestiegen.<br />
Ende August <strong>2012</strong> hat die Genossenschaft<br />
bereits 204 Mitglieder mit 1036<br />
Geschäftsanteilen. Ein Anteil beträgt<br />
500 Euro. Es können maximal 40 Anteile<br />
erworben werden.<br />
Den Vorstand der Energiegenossenschaft<br />
Virngrund eG bilden Willi<br />
Gresser (technischer Bereich) und<br />
INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />
Friedrich Schluck (kaufmännischer<br />
Bereich). Aufsichtsrats<strong>vor</strong>sitzender ist<br />
Bürgermeister Volker Grab. Mit fast der<br />
gesamten Familie gehören die Ellwanger<br />
Friedrich und Karin Böhme vom<br />
ersten Tag der Genossenschaft an. Vater<br />
Paul Wolf dürfte mit 83 Jahren das<br />
älteste Mitglied sein. Das jüngste ist<br />
sicher Enkelin Rahel, die zur Taufe einen<br />
Anteil geschenkt bekam. Bei der<br />
Begründung, warum sie der Genossenschaft<br />
beigetreten seien, war das<br />
Ehepaar Böhme einer Meinung: „Wir<br />
wollten sehen, was mit unserem Geld<br />
Sinnvolles passiert. Energie sollte <strong>vor</strong><br />
<strong>Ort</strong> erzeugt werden. Wir wollten keine<br />
Windräder an der Ostsee kaufen und<br />
damit noch Stromautobahnen längs<br />
durch Deutschland unterstützen. Von<br />
unseren Aktivitäten profitiert auch die<br />
heimische Wirtschaft.“<br />
Nur logisch ist es für die beiden, dass<br />
sie nicht nur ihr Geld arbeiten lassen,<br />
sondern sich auch selber einbringen.<br />
Karin Böhme ist im neunköpfigen<br />
Aufsichtsrat. Zwischenzeitlich wurden<br />
etliche Projekte realisiert. Mit dem Ka-<br />
regional<br />
41
egional<br />
42<br />
INNOVATIVE UNTERNEHMEN INNOVATIVE UNTERNEHMEN 43<br />
Willi Gresser beim Ablesen des Zählerstands der Photovoltaikanlage auf dem Dach<br />
der Stadtwerke. Die Anlage gehört der Energiegenossenschaft Virngrund.<br />
Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst erzeugt 180.000 kWh pro<br />
Jahr. Das reicht für circa 50 Haushalte.<br />
pital wurden bisher mehrere, auf städtischen<br />
Gebäuden montierte, Photovoltaikanlagen<br />
finanziert.<br />
Eine der Photovoltaikanlagen wurde<br />
auf dem Dach des Feuerwehrgerätehauses<br />
montiert. Mit einer Spitzenleistung<br />
von bis zu 42 kWp und einem<br />
Investitionsvolumen von 95.000 Euro.<br />
Sie ging im Mai ans Netz. Im Juni wurde<br />
auf den Dächern der Stadtwerke eine<br />
Anlage mit 38 kWp Leistung in Betrieb<br />
genommen. In dieses Projekt flossen<br />
88.000 Euro. Eine dritte, 60.000 Euro<br />
teure Anlage wurde auf dem Schuldach<br />
in Rindelbach platziert. Inbetriebnahme<br />
war im Dezember 2011, die Anlage<br />
hat eine Leistung von bis zu 30 kWp.<br />
Die Anlage auf dem Dach der Kläranlage<br />
in Haisterhofen hat eine Leistung<br />
von knapp 26 kWp und läuft seit März<br />
2011. Die jüngste Anlage auf dem Dach<br />
des Baubetriebshofes Ellwangen ist<br />
circa 40 kWp stark und wurde im März<br />
<strong>2012</strong> in Betrieb genommen.<br />
Zudem beteiligte sich die Genossenschaft<br />
bei der Finanzierung der<br />
Wasserkraftanlage Steingrubmühle an<br />
der Jagst. Hier gewährte die Energiegenossenschaft<br />
ein Darlehen in Höhe<br />
von 80.000 Euro. Die Wasserschnecke<br />
hat eine Leistung von 33 Kilowatt und<br />
wurde im Oktober 2011 in Betrieb genommen.<br />
Alle Anlagen zusammengenommen<br />
erzeugen Strom für ungefähr<br />
100 Haushalte. Weitere geplante Projekte<br />
sind eine Photovoltaik-Anlage in<br />
Neuler mit circa 300 kWp und eine in<br />
Ellwangen mit 350 kWp. Langfristig will<br />
die Energiegenossenschaft auch in die<br />
Windkraft investieren. Ein Bürgerwindrad<br />
sei ein „gesetztes Ziel“, sagt Gresser.<br />
„Wir versuchen das eingezahlte Geld<br />
möglichst schnell anzulegen, damit<br />
es auch Ertrag bringt“, erklärt Gresser.<br />
„Ein Ansparen für das Windrad wäre<br />
nicht sinnvoll.“ Über die Verwendung<br />
des Kapitals entscheidet der Aufsichtsrat,<br />
der zweimal im Jahr tagt. Wie dieses<br />
Jahr, so werden die Genossen auch<br />
beim kommenden Kalten Markt wieder<br />
kräftig Werbung für ihre Sache machen.<br />
INFO<br />
Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />
Bahnhofstrasse 28, 73479 Ellwangen<br />
Telefon: 07961-84610<br />
Fax: 07961-84640<br />
Email:<br />
energiegenossenschaft@ellwangen.de<br />
<strong>Klima</strong>neutral umziehen<br />
Das mittelständische Stuttgarter Logistik-Unternehmen<br />
Christ bot als erstes in der Branche klimaneutrale Umzüge an.<br />
Hier entscheiden die Kunden, ob sie einen zusätzlichen<br />
Beitrag für den <strong>Klima</strong>schutz leisten wollen.<br />
Text: Frank Rumpel<br />
2184 Kilogramm Kohlendioxid<br />
werden frei gesetzt, wenn<br />
ein 16-Tonner 60 mit Hausrat<br />
gefüllte Umzugskartons von<br />
Stuttgart ins 650 Kilometer entfernte<br />
Hamburg fährt. Genau diese Menge an<br />
CO 2 können umweltbewusste Kunden<br />
auf andere Art kompensieren, indem<br />
sie beispielsweise in ein Wiederaufforstungsprogramm<br />
in Zentralindien,<br />
den Bau eines Wasserkraftwerkes in<br />
Guatemala oder in ein Biomasseprojekt<br />
in Brasilien investieren. Sie zahlen<br />
also etwas mehr für ihren Umzug<br />
und die Firma Christ leitet diese Summe<br />
dann über die <strong>Klima</strong>schutzberatung<br />
Climate Partner solchen nach<br />
Umweltverträglichkeitsstandards zertifizierten<br />
Projekten zu.<br />
Möglich gemacht hat diesen internationalen<br />
Austausch das 1997<br />
auf dem Weltklimagipfel in Japan<br />
beschlossene und 2005 in Kraft getretene<br />
Kyoto-Protokoll, nach dem<br />
Unternehmen entstandene Treibhausgasemission<br />
durch entsprechende<br />
Investitionen an anderer Stelle auf der<br />
Welt wieder einsparen können. Dadurch<br />
soll der negative Effekt auf das<br />
klimatische Gleichgewicht neutralisiert<br />
werden.<br />
Die Firma Christ mit ihren rund<br />
250 Mitarbeitern bietet diese klimaneutrale<br />
Dienstleistung seit 2008<br />
an. „Nach dem heißen Sommer 2003<br />
ist mir bewusst geworden, dass man<br />
dringend was tun muss“, sagt Maximilian<br />
Baur, Bereichsleiter Logistik,<br />
der das Thema auf den Weg brachte.<br />
Das Unternehmen wurde 1914 als<br />
Möbelspedition gegründet und hat<br />
heute Niederlassungen in Stuttgart,<br />
Bei dem <strong>Klima</strong>schutzprojekt Poza<br />
Verde handelt es sich um ein kleines<br />
Laufwasserkraftwerk in der Gemeinde<br />
von Pueblo Nuevo Viñas, im Department<br />
Santa Rosa in Guatemala.<br />
Heilbronn, Wiesbaden und Bern.<br />
Die Dienstleistungspalette umfasst<br />
Umzüge, Logistik und Messekonzepte.<br />
Christ gilt als Pionier in der<br />
Umzugsbranche und gehörte mit zu<br />
den ersten Unternehmen, die auch<br />
klimaneutrale Logistik und Messekonzepte<br />
im Programm hatten. „Aber<br />
damit“, resümiert Baur, „waren wir eigentlich<br />
etwas zu früh dran.“<br />
Denn vieles von dem, was heute für<br />
einen solchen Prozess standardisiert<br />
zu bekommen ist, musste er noch<br />
selbst entwickeln. Dazu gehörte etwa<br />
die Festlegung der Kohlendioxidemissionen<br />
für die unterschiedlichen<br />
Sparten des Unternehmens, das Programmieren<br />
eines CO 2 -Rechners oder<br />
das entsprechende Marketing. „Das<br />
war schon aufwändig“, sagt Baur.<br />
Errechnet werden die CO 2 -Emissi-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH
44<br />
INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />
onen bei Christ aus fixen und variablen<br />
Werten. Fix sind beispielsweise<br />
Strom- oder Heizenergie für Lager<br />
und Verwaltungsgebäude sowie die<br />
An- und Abfahrt der Mitarbeiter. Beim<br />
oben genannten Umzug von Stuttgart<br />
nach Hamburg fallen so Emissionen<br />
von 152 Kilogramm an. Der Rest, gut<br />
2000 Kilogramm, sind variable, also<br />
bei der eigentlichen Dienstleistung<br />
frei gesetzte Treibhausgase. Dabei<br />
spielt die Entfernung ebenso eine Rolle<br />
wie Art und Anzahl der Kartonagen<br />
und der Transportmittel.<br />
Um dies auszugleichen, müssen die<br />
Kunden in der Regel etwa ein Prozent<br />
der Auftragssumme berappen. Dafür<br />
bekommen sie eine Urkunde, auf<br />
der die Menge des neutral gesetzten<br />
Treibhausgases ebenso notiert ist wie<br />
das Projekt, in welches das Geld fließt.<br />
Daneben bezieht das Unternehmen<br />
seit 2008 an allen Standorten Ökostrom,<br />
hat in Photovoltaikanlagen<br />
auf eigenen und angemieteten Dächern<br />
investiert, die zusammen etwa<br />
1,5 Millionen Kilowattstunden Strom<br />
erzeugen, setzt im Betrieb energiesparende<br />
Leuchtmittel und Geräte<br />
ein, wartet seinen Fuhrpark regelmä-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
»Die Kosten<br />
amortisieren sich<br />
so, dass ein<br />
Mittelständler<br />
damit leben<br />
kann.«<br />
Maximilian Baur,<br />
Bereichsleiter Logistik<br />
ßig und schult die Fahrer. Am neuen<br />
Standort in Stuttgart-Feuerbach – an<br />
dem nun drei in und um die Landeshauptstadt<br />
angesiedelte Niederlassungen<br />
zusammengezogen werden –<br />
hat Christ in einem Industriebau aus<br />
den 50er Jahren unter anderem in ein<br />
neues Dach und eine neue Heizanlage<br />
investiert. Geheizt wird hier mit zwei<br />
Holzpelletkesseln und einem Biogas-<br />
Bilder: Christ<br />
blockheizkraftwerk. Die Investitionen<br />
in ein Energiesparprogramm sind<br />
dabei zu verkraften, sagt Baur. „Die<br />
Kosten amortisieren sich so, dass ein<br />
Mittelständler damit leben kann.“<br />
Das alles macht aus Christ freilich<br />
noch kein klimaneutrales Unternehmen.<br />
„Aber das“, sagt Baur, „war und<br />
ist auch gar nicht das Ziel. Im Speditionsbereich<br />
lässt sich nunmal nicht alles<br />
reduzieren.“ Zwar will das Unternehmen<br />
durch Energieeinsparungen einen<br />
Beitrag zum Umweltschutz leisten, mit<br />
den klimaneutralen Dienstleistungen<br />
aber auch bei den Kunden ein Bewusstsein<br />
für das Thema schaffen.<br />
Das hat zunächst gut funktioniert,<br />
wurde gleichermaßen von Privat-,<br />
wie Geschäftskunden gut angenommen.<br />
Allerdings brach die Nachfrage<br />
im Krisenjahr 2009 deutlich ein. Mittlerweile<br />
erledigt Christ wieder rund<br />
ein Viertel der Aufträge klimaneutral.<br />
Vor allem im Messebereich zieht<br />
die Nachfrage an, lässt sich dort das<br />
<strong>Klima</strong>-Engagement doch unmittelbar<br />
nach außen kommunizieren. „Wir<br />
hoffen“, sagt Baur, „dass das künftig<br />
auch in den anderen Bereichen wieder<br />
anzieht.“<br />
Unterstützte Projekte<br />
Biomasse Rio de Janeiro, Brasilien<br />
Das Projekt umfasst die drei kleinen Keramikfabriken Arrozal,<br />
GGP Ceramics und Sul América Ceramics im Bundesstaat<br />
Rio de Janeiro. Bis 2006 wurde bei allen der fossile<br />
Brennstoff Öl zur Produktion eingesetzt, dann erfolgte die<br />
Umstellung auf Biomasse zur Beheizung der Keramiköfen.<br />
Nun werden nachhaltig aufgeforstetes Holz, Holzreste wie<br />
Holzspäne und Sägemehl plus Industrieabfälle (Paletten,<br />
Holzverpackungen) verwendet. Nur in Ausnahmefällen wird<br />
der Biomassebedarf über kultivierte Pflanzen wie Elefanten-<br />
Aufforstung Pendravan, Indien<br />
Prakash Industries Ltd. betreibt ein Wiederaufforstungsprojekt<br />
im Bundesstaat Chhattisgarh in Zentralindien. Ziel<br />
des Projektes ist die Wiederaufforstung von 282 Hektar degradierter<br />
Böden an fünf Standorten mit insgesamt 210.233<br />
Bäumen. Dies führt zur Bildung von CO 2 -Senken, da die heranwachsenden<br />
Bäume durch den biochemischen Prozess<br />
der Photosynthese Kohlenstoff binden.<br />
Die nachhaltige Bewirtschaftung des Landes liefert zudem-<br />
Brennmaterial wie Äste und Blätter, sodass in der Umgebung<br />
weniger Wälder gerodet werden müssen. Über die Projektlaufzeit<br />
von 20 Jahren werden durch das Projekt pro Jahr etwa<br />
10.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente eingespart.<br />
gras gedeckt. Es werden mehr als sechs Millionen Liter Heizöl<br />
pro Jahr eingespart. Die jährliche CO 2 -Reduktion beträgt<br />
27.771 Tonnen CO 2 -Äquivalente.<br />
Die Asche aus den Keramiköfen wird dem eigenen Kompostzugeführt.<br />
Die GGP Ceramics nutzt die Abwärme des<br />
Ofens auch zum Trocken von Keramikeinheiten. Das Projekt<br />
verfolgt bewusst auch soziale und weitere ökologische Zielsetzung,<br />
deren Fortschritt durch den Social Carbon Standard<br />
kontinuierlich überwacht und bewertet werden.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH<br />
45
46 EXPERTENRAT<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Bild: © SyB - Fotolia.com<br />
mit Holz<br />
Holz als Wärmelieferant erlebt eine Renaissance.<br />
Es ist ein klimaneutraler und vergleichsweise preiswerter<br />
Brennstoff. Holzöfen sorgen an kalten Herbst- und Wintertagen<br />
zudem für eine behagliche Atmosphäre. Wer ein paar<br />
Tipps beim Heizen mit Holz berücksichtigt, tut Gutes für Umwelt<br />
und Nachbarschaft.<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
Jeder fünfte Haushalt in Deutschland<br />
heizt mittlerweile wenigstens teilweise<br />
mit Holz. Steigende Preise für Öl<br />
und Gas haben dazu geführt, dass Holz als<br />
Wärmequelle wieder attraktiver geworden<br />
ist. Aber auch aus ökologischen Gründen<br />
haben viele den Urbrennstoff der Menschheit<br />
neuerlich für sich entdeckt. Wenn Holz<br />
verbrennt, setzt es so viel Kohlendioxid<br />
frei, wie der Baum bei seinem Wachstum<br />
aus der Atmosphäre aufgenommen hat<br />
– und auch bei seiner natürlichen Verrottung<br />
wieder abgegeben hätte. Deshalb gilt<br />
Holz als klimaneutraler Brennstoff. Diese<br />
Rechnung geht aber unter ökologischen<br />
Gesichtspunkten nur auf, wenn die Verbrennung<br />
möglichst optimal verläuft. Andernfalls<br />
drohen Feinstaub, Kohlenmono-<br />
xid und Methan sowie giftige oder sogar<br />
Krebs erregende organische Verbindungen<br />
die Ökobilanz zu beeinträchtigen.<br />
Dies lässt sich vermeiden, wenn einige<br />
wichtige Regeln beachtet werden:<br />
1 Den richtigen Brennstoff verwenden<br />
Die Bundesimmissionsschutzverordnung<br />
regelt klipp und klar, was in Privathaushalten<br />
zu Heizzwecken verbrannt werden<br />
darf: naturbelassenes Scheitholz, Holzbriketts<br />
und -pellets sowie Holz-, Braun- und<br />
Steinkohle. Alle anderen Brennstoffe sind<br />
ausdrücklich verboten, also auch alle Arten<br />
von beschichtetem, lackiertem und lasiertem<br />
Holz, Sperrholz, Span- und Faserplatten.<br />
Obwohl Baumärkte entsprechende<br />
EXPERTENRAT<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
47
48<br />
EXPERTENRAT<br />
O Tannenbaum…<br />
Ein Leben als Christbaum ist kurz. Damit er<br />
möglichst frisch aussieht und nicht direkt<br />
nach dem Fest der Liebe seine Nadeln verliert,<br />
kommt der Tannenbaum oft erst in den Tagen<br />
<strong>vor</strong> Weihnachten in die gute Stube. Die Mission<br />
der meisten Weihnachtsbäume endet bereits am 6. Januar,<br />
wenn Kerzenschmuck und Lametta wieder in Schachteln<br />
und auf Dachböden verstaut werden. Und dann?<br />
Rund 29 Millionen Weihnachtsbäume wurden<br />
vergangenes Jahr in Deutschland aufgestellt –<br />
Tendenz steigend. Ob Nordmanntanne, Blau-<br />
oder Rotfichte: In Berlin und einigen anderen<br />
Großstädten sind ausrangierte<br />
Weihnachtsbäume eine gefragte Ware, die<br />
von den zuständigen Entsorgungsbetrieben kostenlos<br />
abgeholt wird. Zu Holzhackschnitzeln<br />
verarbeitet landet sie dann in Heizanlagen<br />
öffentlicher Gebäude. Wer daheim<br />
über einen Kachel- oder Kaminofen<br />
verfügt, kann das Holz<br />
des ausgedienten Weihnachtsbaums<br />
auch selbst in Wärme verwandeln. Das<br />
behagliche Knistern des brennenden<br />
Weihnachtsbaums als nachweihnachtliche<br />
Hintergrundmusik<br />
sollte allerdings nicht<br />
vom gerade erst abdekorierten<br />
Bäumchen stammen.<br />
Denn das Holz ist noch zu feucht,<br />
um es im selben Winter zu verfeuern.<br />
Zersägt und mindestens ein Jahr<br />
gelagert hingegen spricht<br />
nichts gegen die thermischeZweitnutzung.<br />
Wer über einen eigenen<br />
Kompost und einen<br />
Häcksler verfügt, kann die Reste sei- nes Weihnachtsbaums<br />
auch auf diesem Weg wieder dem natürlichen<br />
Kreislauf zurückgeben. Einerlei, ob aus dem Nadelbaum<br />
Brennholz oder Kompost wird: Reste vom Christbaumschmuck<br />
sollten zu<strong>vor</strong> penibel entfernt werden. Lametta<br />
zum Beispiel kann giftige Metallanteile enthalten oder aus<br />
metallisiertem Kunststoff bestehen. Auch Engelshaar und<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Deko-Schaum sollten weder verbrannt noch kompostiert<br />
werden. Ein erst <strong>vor</strong> wenigen Jahren in Mode gekommenes<br />
Ritual, das mancherorts aber schon als „Brauchtum“ gilt, bereitet<br />
in einigen Amtsstuben Kopfzerbrechen. Örtliche Vereine<br />
oder Feuerwehren laden die Bürger zum gemeinsamen<br />
öffentlichen „Weihnachtsbaumverbrennen“ mit Glühwein,<br />
Punsch oder Gulaschsuppe ein. Eigentlich gelten für Feuer<br />
unter freiem Himmel die Regeln der jeweils gültigen<br />
lokalen Abfallverordnung. Und diese verbietet häufig,<br />
Pflanzenreste überhaupt zu verbrennen, oder sie<br />
beschränkt die Erlaubnis auf bestimmte Zeiten<br />
im Jahr und raucharme Feuer. Die noch relativ<br />
frischen Weihnachtsbäume verbrennen<br />
aber ganz und gar nicht raucharm. Zudem<br />
herrschen in den Wintermonaten oft Inversionswetterlagen<br />
mit sowieso schon hoher Feinstaubbelastung.<br />
Ausnahmegenehmigungen<br />
für das kollektive Christbaumfeuer<br />
sind daher vielerorts notwendig.<br />
Sie können zwar erteilt werden,<br />
wenn es sich um eine Veranstaltung<br />
zur Traditionspflege handelt – doch Umweltschützer<br />
könnten auf dieses neue<br />
„Brauchtum“ gut verzichten.<br />
Wer sich über die Entsorgung<br />
seines Weihnachtsbaumes<br />
überhaupt keine<br />
Gedanken machen will, greift<br />
am besten auf ein künstliches Exemplar<br />
zurück. Naturnah gestaltete<br />
oder designorientierte, lediglich<br />
noch die klassische Silhouette<br />
nachahmende<br />
Modelle gibt es<br />
aus den verschiedensten<br />
Materialien.<br />
Sie können immer wieder<br />
aufgestellt werden und trotzdem von Jahr zu Jahr durch<br />
neue Deko-Ideen anders aussehen. Von einer anderen,<br />
scheinbar ökologischen Alternative raten Umweltschützer<br />
hingegen eher ab: In Pflanzkübeln angebotene Tannenbäume,<br />
die nach dem Fest im Garten einen Platz finden sollen,<br />
überleben den weihnachtlichen Wärmeschock im Wohnzimmer<br />
nur zu einem sehr kleinen Teil. gor<br />
Pressen für den Heimgebrauch verkaufen,<br />
ist das Verfeuern von Briketts<br />
aus Altpapier ebenso untersagt wie<br />
die Verbrennung von Haushaltsmüll<br />
jeglicher Art. Selbst Obstkisten aus<br />
Holz oder auch Nussschalen gehören<br />
nicht ins heimische Feuer. Nadelholz<br />
sollte nur in geschlossenen Öfen verfeuert<br />
werden, nicht in offenen Kaminen:<br />
Es hat einen höheren Harzgehalt,<br />
weswegen Funkenflug droht.<br />
2 Nur trockenes Holz verfeuern<br />
Frisch geschlagenes Holz hat je<br />
nach Art des Baumes und Jahreszeit<br />
einen Wasseranteil von 45 bis 60 Prozent.<br />
Optimal für die Verbrennung ist<br />
ein Wassergehalt von unter 22 Prozent.<br />
Dieser wird durch die richtige<br />
Lagerung erreicht: Eine Holzbeige<br />
im Freien, möglichst überdacht und<br />
von allen Seiten durchlüftet, sorgt<br />
im optimalen Fall dafür, dass dieser<br />
Wassergehalt schon nach einem Jahr<br />
Lagerung erreicht ist. Ohne Überdachung<br />
oder gegen eine Hauswand<br />
gestapelt sollte Holz <strong>vor</strong> dem Verbrennen<br />
zwei Jahre gelagert werden.<br />
Zu feuchtes Holz führt zu schwarzen<br />
Ablagerungen im Brennraum und<br />
an den Innenwänden des Kamins.<br />
Dadurch kann ein Kaminbrand ausgelöst<br />
werden, der unter Umständen<br />
schwerwiegende Folgen hat.<br />
Auch Feinstaub und unerwünschte<br />
Gase treten vermehrt auf, wenn zu<br />
feuchtes Holz verfeuert wird. Außerdem<br />
wird der Wirkungsgrad der<br />
Holzheizung beeinträchtigt. Im Handel<br />
erhältliche gepresste Holzbriketts<br />
sind trocken genug und müssen nicht<br />
mehr gelagert werden, sind aber um<br />
einiges teurer als Scheitholz.<br />
3 Luftzufuhr sicherstellen<br />
Wenn das Feuer zu wenig Verbrennungsluft<br />
erhält, sind die Folgen<br />
ähnlich wie bei der Verbrennung von<br />
zu feuchtem Holz. Ist die Luftzufuhr<br />
regelbar, dann sollte sie so eingestellt<br />
EXPERTENRAT<br />
49<br />
werden, dass ein gleichmäßiges Feuer<br />
brennt und das Holz nicht nur glostet.<br />
Kleinere Holzscheite verbrennen<br />
besser als große; die Luftzufuhr funktioniert<br />
außerdem besser, wenn der<br />
Brennraum nicht zu voll gepackt wird.<br />
Also lieber öfter etwas Holz nachlegen.<br />
4 Regelmäßig überprüfen<br />
Jede Feuerstelle im Haus sollte einmal<br />
im Jahr, möglichst <strong>vor</strong> Beginn der<br />
Heizsaison, von einem Fachbetrieb<br />
inspiziert und bei Bedarf gewartet<br />
werden. Der finanzielle Aufwand wird<br />
zumindest teilweise wieder ausgeglichen,<br />
weil man so die Lebensdauer<br />
erhöht und außerdem Kosten spart,<br />
die anfallen würden, falls der Schornsteinfeger<br />
Mängel findet und Nachkontrollen<br />
ansetzt. Während der Heizperiode<br />
sollte der Besitzer auch selbst<br />
immer wieder einen Blick ins Innere<br />
des Ofens werfen. Dunkle Ablagerungen<br />
anstelle hellgrauer Flächen<br />
sind meistens ein Hinweis, dass die<br />
Verbrennung nicht optimal abläuft.<br />
Auch ein Blick von draußen auf den<br />
Rauch, der aus dem Kamin steigt, ist<br />
von Zeit zu Zeit sinnvoll. Die Rauchfahne<br />
sollte möglichst hell sein – grauschwarzer<br />
Rauch deutet ebenfalls auf<br />
Probleme hin.<br />
Übrigens: Wer sich an diese Tipps<br />
hält, tut nicht nur Gutes für sich, seine<br />
Nachbarn und die Umwelt. Auch<br />
mit der Verwendung der feinen weißen<br />
Aschereste gibt es dann keine<br />
Probleme. Sie können entweder dem<br />
Kompost beigegeben oder als Dünger<br />
in die Gartenerde eingearbeitet werden.<br />
Bei schlechter Verbrennung hingegen<br />
sind in der Asche dunkle Rußpartikel<br />
zu erkennen. Das bedeutet:<br />
In der Asche können auch Krebs erzeugende<br />
polyzyklische aromatische<br />
Kohlenwasserstoffe enthalten sein. In<br />
diesem Fall muss sie über den Hausmüll<br />
entsorgt werden.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT
50<br />
EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche<br />
Ob es weiße Weihnachten gibt, ist jedes jahr von Neuem fraglich. Zum Glück kann man diie Weihnachtsstimmung auch selbst<br />
herbeiführen - beispielsweise beim gemeinsamen Plätzchenbacken mit der Familie.<br />
Gewusst wie:<br />
Spartipps für die Weihnachtsküche<br />
Anisplätzchen, Bratäpfel, Weihnachtsgans, Zimtsterne: Die<br />
Weihnachtszeit ist traditionell auch Schlemmerzeit. Und das kriegt nicht<br />
nur der Hosenbund mit, sondern auch der Stromzähler. Grund genug, ein<br />
paar Überlegungen anzustellen, wie man den Stromverbrauch in der<br />
Küche senken kann – in der Adventszeit und auch während der übrigen<br />
48 Wochen des Jahres.<br />
Text: Veronika Renkenberger<br />
Weihnachtsgebäck gehört<br />
in vielen Familien einfach<br />
dazu – ebenso wie<br />
die langen Nachmittage<br />
und Abende, an denen die Ausstecherle<br />
großzügig mit allem beworfen werden,<br />
was der Küchenschrank hergibt. Und an<br />
denen Butter-S geformt und getrocknet<br />
und Nussmakronen aufgehäufelt wer-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
den. Sofern die Backorgie nicht gerade<br />
in den auch schon traditionellen Familienstreit<br />
mündet, endet sie vielleicht<br />
ganz klischeehaft-wundervoll mit Adventstee<br />
im Kerzenschein und ersten<br />
Versucherle vom Selbstgebackenen,<br />
während die Wolke leckerer Backgerüche<br />
noch für Stunden in den Räumen<br />
hängt. Wer mag da schon an den Strom-<br />
zähler denken? Der hat, während der<br />
Backofen sein Werk vollendet, allerdings<br />
munter <strong>vor</strong> sich hin rotiert. Eine weitere<br />
Sternstunde hat der Stromzähler an den<br />
Feiertagen, wenn die Gans stundenlang<br />
im Ofen <strong>vor</strong> sich hin brutzelt. Ist doch<br />
der Backofen einer seiner gierigsten<br />
Kunden. Und so gilt der Dezember, die<br />
Energieversorger wissen das längst, als<br />
Bild: © lunaundmo - Fotolia.com<br />
der Monat mit dem höchsten Stromverbrauch.<br />
Was tun? Ganz ohne Zimtsterne geht<br />
es ja wohl nicht. Einige Dinge kann<br />
man allerdings schon beachten, um den<br />
Verbrauch ein bisschen nach unten zu<br />
drücken. Zum Beispiel beim Plätzchenbacken:<br />
Möglichst selten aufheizen.<br />
Das bedeutet: Man sollte nicht jede<br />
Sorte an einem anderen Tag backen,<br />
wenn man zwischendurch mal ein<br />
Stündchen frei hat. Sonst muss der Ofen<br />
viele Male aufgeheizt werden, und ebenso<br />
oft verpufft nach wenigen fertigen<br />
Plätzchen-Blechen die Restwärme. Lieber<br />
an einem oder zwei Terminen ein<br />
bisschen mehr Zeit einplanen, <strong>vor</strong>ab<br />
mit einer großen Checkliste alle Zutaten<br />
besorgen, schon im Vorfeld die Teige<br />
<strong>vor</strong>bereiten – und dann möglichst viele<br />
Sorten in rascher Abfolge nacheinander<br />
weg backen.<br />
Intelligent steuern.<br />
Wer in Serie backt, kann noch weiter<br />
sparen: indem die Reihenfolge des<br />
Backens an der Backtemperatur festgemacht<br />
wird. Die Plätzchen-Sorte, die<br />
den heißesten Ofen braucht, kommt in<br />
der Mitte dran. So wird der Ofen einmal<br />
langsam erhitzt und kann ab dann wieder<br />
langsam abkühlen.<br />
Nicht <strong>vor</strong>heizen.<br />
Im Vorfeld schon den Ofen anzuwerfen,<br />
ist heute aus der Mode gekommen.<br />
Vor allem moderne Öfen heizen so<br />
schnell, dass das keine Rolle mehr spielt.<br />
Wer seine Backwaren in den kalten oder<br />
erst auf 100 Grad erhitzten Ofen schiebt,<br />
muss die Backzeit aber vielleicht um<br />
einige Minuten verlängern. Da hilft es,<br />
wenn man ein bisschen Erfahrung hat<br />
und weiß, wie die Plätzchen aussehen,<br />
wenn sie fertig sind.<br />
Restwärme nutzen.<br />
Da der Backofen nicht binnen Sekunden<br />
auskühlt, kann man ihn schon<br />
einige Minuten <strong>vor</strong> dem Ende der letzten<br />
Backzeit abschalten. Eine exakte<br />
Regel gibt es für Plätzchen nicht. Bei<br />
allen Backzeiten über 45 Minuten kann<br />
man den Ofen bereits zehn Minuten<br />
<strong>vor</strong> Schluss gefahrlos ausschalten. Doch<br />
eine so lange Backzeit haben die aller-<br />
Eine weitere Sternstunde<br />
hat der<br />
Stromzähler an<br />
den Feiertagen,<br />
wenn die Gans<br />
stundenlang im<br />
Ofen <strong>vor</strong> sich hin<br />
brutzelt.<br />
Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT<br />
wenigsten Weihnachtsplätzchen. Aber<br />
auch hier kann man Pi mal Daumen einige<br />
Minuten <strong>vor</strong>her den Saft für Wärme<br />
und Licht abdrehen.<br />
Umluftherd auslasten.<br />
Bis zu vier Bleche mit Plätzchen kann<br />
man gleichzeitig in einen Umluft-Backofen<br />
schieben, ohne dass daraus irgendwelche<br />
Qualitätsverluste entstehen.<br />
Da sehr viele Plätzchensorten ähnliche<br />
Backtemperaturen haben, meist zwischen<br />
180 und 200 Grad, finden sich<br />
sicher sinnvolle Kombinationen. Hauptsache,<br />
man sorgt im Vorfeld dafür, dass<br />
genügend Bleche zur Verfügung stehen.<br />
Genau genommen müssten es mindestens<br />
acht Stück sein, damit man nach<br />
den ersten vier Blechen nahtlos die<br />
nächsten vier einschieben kann – denn<br />
sonst sorgt die Wartezeit auf die Bleche<br />
ja für neue Energieverschwendung. Das<br />
51
52 EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT 53<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Was die Großmutter noch wusste:<br />
Reis kochen im Bett<br />
Die guten alten Zeiten waren ja bekanntlich<br />
längst nicht immer nur<br />
gut. Im Krieg und auch danach war<br />
Energie knapp und der Strom oft abgestellt.<br />
Damals wussten die Hausfrauen, wie man<br />
mit geringsten Mengen an Hitze eine warme<br />
Mahlzeit hinbekommt. Ein Beispiel: Reis<br />
kann man auch im Bett kochen, zumindest<br />
fertigkochen. Dasselbe gilt für Hülsenfrüchte<br />
und auch Kartoffeln. Dafür wird der Topf mit<br />
seinem kochenden Inhalt gut eingewickelt<br />
in Handtücher, Decken oder Zeitungspapier<br />
und ins Bett gesteckt.<br />
Wer sich heute im Internet auf die Suche<br />
nach dieser Methode begibt, findet vieles.<br />
Koch-Foren, in denen sich Menschen zusammentun,<br />
die Milchreis nur im Bett und nicht<br />
anders zubereiten, weil er auf diesem Weg<br />
niemals anbrennt – <strong>vor</strong>ausgesetzt, man hat<br />
zwei Stunden Zeit, aufs Essen zu<br />
warten. Aber auch Sprüche darüber,<br />
wie das Bett aussieht, wenn<br />
jemand unwissend hineinhüpft<br />
und so ein Bettdecken-Garprojekt<br />
ausläuft. Es gibt Verweise auf<br />
Militär-Kochbücher, in denen<br />
ähnlich energiesparende Gar-<br />
Prinzipien zum Einsatz kommen.<br />
Wer nicht aufpasst und<br />
diese einfach nachkocht, hat<br />
schnell mal 100 Portionen auf<br />
dem Tisch.<br />
Vor allem aber findet man<br />
Hinweise auf die Kochkiste<br />
und deren abgewandelte Form,<br />
den Kochsack: Das ist eine gut<br />
isolierte Kiste (oder eben ein<br />
Sack), in den ein Topf hineingepackt<br />
werden kann, damit<br />
die Speisen fertig garen oder<br />
warm bleiben.<br />
Die Tradition ist Jahrhunderte<br />
alt, früher wurde mit<br />
Stroh isoliert, heutige Heimwerker<br />
greifen meist zum<br />
Styropor. Einige wenige Hersteller<br />
bieten auch Töpfe<br />
mit millimetergenau angepasstenStyropor-Übertöpfen<br />
an. ver<br />
dürfte allerdings in den wenigsten Haushalten<br />
praktikabel sein.<br />
Umluft-Temperatur senken.<br />
Es gilt die Faustregel: Ein Umluftherd<br />
erzielt mit einer um 20 bis 30 Grad niedrigeren<br />
Temperatur dieselben Ergebnisse<br />
wie ein Ofen mit Ober- und Unterhitze.<br />
Manche Rezepte berücksichtigen<br />
dies. Wenn nicht: Temperatur senken<br />
und die Plätzchen im Blick behalten.<br />
Backofentür geschlossen halten.<br />
Auch wenn die kleinen und großen<br />
Bäcker neugierig sind und hinter der<br />
Glastür betörende Dämpfe aufsteigen:<br />
Die Backofentür sollte während des Backens<br />
möglichst geschlossen bleiben.<br />
Wird der Ofen zwischendurch geöffnet,<br />
kann der Energieverbrauch um bis zu 20<br />
Prozent steigen, weil der Ofen einströmende<br />
Kaltluft erst wieder aufheizen<br />
muss. Deswegen gilt auch: Beim Be-<br />
und Entladen des Ofens sollte man sich<br />
ebenfalls beeilen.<br />
Kühlschranktüre schlau bedienen.<br />
Beim Backen geht die Kühlschranktür<br />
ständig auf und zu. Zutaten rausholen,<br />
fertigen Teig reinstellen, den von warmen<br />
Kinderfingern durchgekneteten<br />
Rest-Teig wieder in eine brauchbare<br />
Verfassung bringen – auch das braucht<br />
Strom. Diesen Verbrauch kann man mit<br />
etwas Nachdenken auch senken: Wenn<br />
der Kühlschrank im Vorfeld bereits<br />
durchdacht eingeräumt wurde, findet<br />
man drinnen alles mit einem Griff, die<br />
Tür ist schneller wieder zu. Wenn genügend<br />
Platz frei gehalten wurde für die<br />
Teig-Portionen, dauert das Verstauen<br />
nicht so lang. Manches muss vielleicht<br />
auch gar nicht in den Kühlschrank: Wer<br />
morgens Butter kauft und nachmittags<br />
backt, kann die Butterstücke gleich draußen<br />
lassen, dann haben sie eine Temperatur,<br />
mit der sie für die meisten Rezepte<br />
sowieso besser zu verarbeiten sind. Ach<br />
ja: Die Adventszeit ist ja auch nur selten<br />
von tropischem <strong>Klima</strong> geprägt. Möglicherweise<br />
findet sich ein kostenloser,<br />
großer Kühlschrank ja auch direkt hinter<br />
der Balkon- oder Terrassentür.<br />
Weitere Verbraucher ausschalten.<br />
Banal, aber wahr: Wenn gerade alle in<br />
der Küche stehen, sieht sowieso keiner<br />
die Lichterkette im Wohnzimmer. Und<br />
während die Rührmaschine läuft, hört<br />
Erst wenn der<br />
Topf auf dem Herd<br />
steht, wird eingeschaltet,<br />
alles<br />
andere wäre Verschwendung.<br />
auch niemand die Weihnachtslieder, die<br />
das Wohnzimmer beschallen. Einfach<br />
mal ein paar Stecker ziehen und Schalter<br />
drücken, auch das beruhigt den Stromzähler.<br />
So, die Plätzchen wären geschafft. Aber<br />
wenn man gerade schon so schön am<br />
Stromsparen ist und den Blick durch die<br />
Küche schweifen lässt: Welche Einspar-<br />
Potenziale bieten sich hier eigentlich<br />
sonst noch an, wenn man nicht gleich einen<br />
neuen Kühlschrank kaufen will?<br />
Backofen möglichst aus lassen.<br />
Der Backofen ist ein großer Gierschlund,<br />
was den Energieverbrauch<br />
angeht. Wer nur ein paar Brötchen aufbacken<br />
will, kann ebenso gut auf den<br />
sparsameren Toaster ausweichen. Wer<br />
Fleisch zubereitet, kann vielleicht die<br />
Zubereitungsarten variieren: Es heißt,<br />
der Ofen lohnt sich nur bei Fleischstücken<br />
ab einem Kilo Gewicht.<br />
Töpfe sinnvoll einsetzen.<br />
Ein Topf sollte so klein wie möglich<br />
gewählt werden und zudem einen gut<br />
passenden Deckel haben, sonst verpufft<br />
bis zum Vierfachen der eigentlich<br />
benötigten Energie wirkungslos.<br />
Außerdem sollte der Topfboden eben<br />
aufliegen, kippelnde alte Töpfe verschwenden<br />
Energie, am besten gleich<br />
wegwerfen. Jeder Topf gehört auf eine<br />
im Durchmesser möglichst identische<br />
Herdplatte.<br />
Weniger ist mehr.<br />
Wer möglichst wenig Flüssigkeit zum<br />
Kochen benutzt, der verkürzt die Garzeit.<br />
Timing für die Herdplatten.<br />
Erst wenn der Topf auf dem Herd steht,<br />
wird eingeschaltet, alles andere wäre<br />
Verschwendung. Wer nicht mit Gas oder<br />
Induktion kocht, sollte die Nachwärme<br />
nutzen und frühzeitig ausschalten – bis<br />
zu zehn Minuten <strong>vor</strong>her, je nach Herd<br />
und Gericht.<br />
Schnellkochtöpfe benutzen.<br />
In vielen Haushalten gibt es Schnellkochtöpfe,<br />
aber die Dinger sind groß<br />
und unhandlich. Nicht selten steht der<br />
Topf samt Ventil und Einsätzen irgendwo<br />
weit hinten im Schrank. Nicht gut<br />
– denn da holt man ihn auch nur selten<br />
raus. Dabei spart ein Schnellkochtopf<br />
nicht nur bis zu 50 Prozent der Zubereitungszeit<br />
ein, sondern auch bis zu<br />
40 Prozent Energie. Und dass mehr<br />
Vitamine erhalten bleiben, ist ja auch<br />
nicht zu verachten.<br />
Für Wasser gibt es Wasserkocher.<br />
Pasta muss „al dente“ sein, und zum<br />
Kochen soll sie genügend Wasser haben,<br />
hört man in allen Kochsendungen.<br />
Leider dauert es oft ewig, bis der große<br />
Kessel voll Wasser zum Kochen gebracht<br />
wurde. Das Mindeste ist, dabei den Deckel<br />
auf den Topf zu setzen. Energetisch<br />
noch deutlich sinnvoller wird es, wenn<br />
man anfangs nur eine kleine Menge<br />
Wasser in den Topf gibt, die restliche<br />
Menge mit dem Wasserkocher erhitzt<br />
und nachschüttet.<br />
Tasse oder Kännchen?<br />
Wer nur eine Tasse Tee trinken will,<br />
sollte den Wasserkocher auch nur mit<br />
einer entsprechend geringen Menge<br />
befüllt anwerfen. Wer immer einen halb<br />
oder ganz vollen Wasserkocher anheizt,<br />
vergeudet viel Energie.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT
54 NEUE BERUFE<br />
NEUE BERUFE<br />
Flugzeuge<br />
sollen leichter<br />
werden<br />
Die 2010 gegründete<br />
German Aerospace Academy<br />
in Böblingen schult Luft- und<br />
Raumfahrt-Ingenieure<br />
praxisnah zum Thema Leichtbau.<br />
Text: Frank Rumpel<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Bild: © WimL - Fotolia.com<br />
Endlich Urlaub, mag sich<br />
mancher denken, der da<br />
in seinem Flieger nach<br />
Mallorca, Los Angeles oder<br />
Bali sitzt. Das Gefühl, diese<br />
Reise verdient zu haben, will man sich<br />
dabei nicht von schnöden Zahlen zerstören<br />
lassen. Dabei trug der weltweite<br />
Flugverkehr 2005 laut dem Deutschen<br />
Zentrum für Luft- und Raumfahrt 2,2<br />
Prozent zu den durch Menschen verursachten<br />
CO 2 -Emissionen bei. Zudem<br />
setzt ein Flugzeug unter anderem Stickoxide<br />
frei, die zur Bildung von Ozon<br />
und dadurch zur Verstärkung des Treibhauseffektes<br />
beitragen. Das gilt auch<br />
für Kondensstreifen, aus denen künst-<br />
liche Schleierwolken mit ähnlicher <strong>Klima</strong>wirkung<br />
entstehen können.<br />
Ganz konkret werden bei einem Flug<br />
von Stuttgart nach Mallorca und zurück<br />
pro Passagier etwa 640 Kilogramm<br />
CO 2 freigesetzt. Nach Los Angeles sind<br />
es 6.660 Kilogramm und nach Bali<br />
10.020 Kilogramm. Zum Vergleich:<br />
Fährt man mit seinem Mittelklassewagen<br />
12.000 Kilometer im Jahr, erzeugt<br />
das etwa 2.000 Kilogramm CO 2 . Diese<br />
Werte stammen von einem Rechner<br />
der Organisation „atmosfair“, die klimabewussten<br />
Reisenden Kompensationszahlungen<br />
für die beim Fliegen<br />
angefallenen Emissionen anbietet,<br />
indem sie das Geld in zertifizierte Pro-<br />
jekte für erneuerbare Energie meist<br />
in Ländern der so genannten Dritten<br />
Welt investiert. Zwar gibt der Emissionsrechner<br />
nur den Ausstoß von<br />
Kohlendioxid an, doch sind in dem<br />
Ergebnis auch andere Emissionen und<br />
Faktoren, wie etwa die Flughöhe und<br />
der Flugzeugtyp, berücksichtigt.<br />
Während nun jeder persönlich darüber<br />
entscheiden kann, ob er oder sie<br />
eine solche Kompensationszahlung<br />
leisten mag, sind die Ingenieure längst<br />
dabei, das Problem auch von anderer<br />
Seite anzugehen. So will die Branche<br />
die Flugzeuge bis 2020 um 50 Prozent<br />
sparsamer, 50 Prozent leiser und 80<br />
Prozent sauberer machen. Erreicht<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: © Christian Nitz - Fotolia.com<br />
55
56<br />
Bild: © Nevermind - Fotolia.com<br />
NEUE BERUFE<br />
Das beim Verbrennen von Kerosin freigesetzte Kohlendioxid hat Auswirkungen auf das <strong>Klima</strong>. Deshalb arbeiten die Ingenieure<br />
ständig daran, die Effektivität von Triebwerken zu verbessern und deren Gewicht durch neue Materialien zu verringern.<br />
"Jede neue Triebwerksgeneration", sagt Prof. Monika Auweter-Kurtz, "ist ein Quantensprung."<br />
werden sollen diese Ziele unter anderem<br />
durch leichtere Werkstoffe, durch<br />
effektivere Turbinen und neue Arten<br />
von Treibstoff.<br />
Bei den Werkstoffen will die 2010 in<br />
Böblingen gegründete und an die pri-<br />
»Ich darf beim<br />
Flugzeug wegen<br />
der Gewichtsreduzierung<br />
keine Risiken<br />
einbauen.«<br />
Prof. Monika Auweter-Kurtz,<br />
Leiterin der German Aerospace Academy<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
vate, aber staatlich anerkannte Steinbeis<br />
Hochschule Berlin angeschlossene<br />
German Aerospace Academy<br />
(ASA) mit Aus- und Weiterbildungen<br />
von Ingenieuren aus der Luft- und<br />
Raumfahrt ihren Teil beitragen. Neben<br />
Bild: ASA<br />
speziellen Kursen und Zertifikatslehrgängen<br />
starten dort im Mai kommenden<br />
Jahres zwei internationale Master-<br />
Studiengänge, die sich speziell mit<br />
Leichtbautechnologien beschäftigen.<br />
„Leichtbau“, sagt Professorin Monika<br />
Auweter-Kurtz, Leiterin der Akademie,<br />
„ist für die Luftfahrt essentiell.“ Dabei<br />
geht es nicht nur darum, möglichst<br />
viel Gewicht zu sparen. Das Material<br />
ist extremen Belastungen ausgesetzt.<br />
Zuverlässigkeit, sagt die 62-Jährige,<br />
müsse deshalb an erster Stelle stehen.<br />
„Wenn ein Auto stehen bleibt, ist das<br />
ärgerlich. Es kann auch mal schrecklich<br />
sein, aber wenn beim Flugzeug ein<br />
zentrales System versagt, ist es sofort<br />
eine Katastrophe.“<br />
Schon heute besteht ein Flugzeug<br />
längst nicht mehr nur aus Leichtmetall<br />
wie Aluminium. Viele auch tragende<br />
Teile, wie der Rumpf oder die Flügel,<br />
sind teilweise aus Faserverbundstoffen<br />
hergestellt. Daneben kommen metallische,<br />
also aus verschiedenen Legie-<br />
rungen bestehende Stoffe zum Einsatz,<br />
beispielsweise zur Aufhängung von<br />
Triebwerken oder auch in den Triebwerken<br />
selbst. Denn die dort verwendeten<br />
Materialien müssen sehr hohen<br />
Temperaturen standhalten. Gasturbinen,<br />
erklärt Auweter-Kurtz, „sind<br />
umso effizienter, je höher die Temperatur<br />
ist“. Deshalb wird in diesem Bereich<br />
momentan auch mit Werkstoffen<br />
auf keramischer Basis geforscht.<br />
Die Faserverbundmaterialien bestehen<br />
im Wesentlichen aus Kohlen- und<br />
Kunststofffasern. Die große Herausforderung:<br />
„Die müssen die gleiche Festigkeit<br />
und die gleiche Lebensdauer haben<br />
wie Leichtmetall“, sagt Auweter-Kurtz,<br />
die als studierte Physikerin in Luft- und<br />
Raumfahrt promovierte, sich habilitierte<br />
und lange an der Uni Stuttgart<br />
lehrte. Diese neuartigen Stoffe müssen<br />
so robust und so flexibel sein, dass sie<br />
auch unter starker Belastung nicht ermüden.<br />
„Ich darf beim Flugzeug wegen<br />
der Gewichtsreduzierung keine Risiken<br />
einbauen“, sagt Auweter-Kurtz. Bei diesen<br />
Verbundstoffen entscheidet längst<br />
nicht nur die Zusammensetzung über<br />
die späteren Eigenschaften. Es kommt<br />
auch darauf an, wie die Fasern miteinander<br />
verbunden sind, ob sie geflochten,<br />
gewoben oder gestrickt werden.<br />
„Da steckt pro Flugzeugteil sehr viel<br />
Entwicklung dahinter“, sagt die Professorin.<br />
Das Besondere an den Aus- und Weiterbildungen<br />
in Böblingen ist einmal<br />
der Praxisbezug (die ASA arbeitet viel<br />
mit kleinen und mittelständischen<br />
Betrieben aus der Region zusammen),<br />
aber auch die Konzentration auf<br />
Leichtbau und virtuelles Engineering,<br />
also die Entwicklung komplexer Systeme<br />
am Computer. Im Mittelpunkt,<br />
sagt Auweter-Kurtz, stehe immer die<br />
Kompetenzerweiterung. Für die beiden<br />
Studiengänge heißt das: Die Studierenden<br />
müssen bei einem Unternehmen<br />
beschäftigt sein und bearbeiten während<br />
ihrer Studienzeit mit Hilfe zweier<br />
Mentoren (einer vom Betrieb, einer von<br />
der Hochschule) ein konkretes Projekt.<br />
Das kann beispielsweise die Entwicklung<br />
eines neuen Materials und neuen<br />
Designs für Flugzeugsitze sein. „Das<br />
hört sich banal an“, sagt Auweter-Kurtz.<br />
Aber im Flugzeug gebe es nunmal viele<br />
Dutzend dieser Sitze. „Da lässt sich<br />
schon einiges an Gewicht einsparen.“<br />
Die Studierenden<br />
müssen bei einem<br />
Unternehmen beschäftigt<br />
sein und<br />
bearbeiten während<br />
ihrer Studienzeit mit<br />
Hilfe zweier Mentoren<br />
(einer vom Betrieb,<br />
einer von der Hochschule)<br />
ein konkretes<br />
Projekt.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
NEUE BERUFE<br />
Durch solche Projekte wird das Gelernte<br />
direkt in die Praxis umgesetzt.<br />
Das wiederum macht den Studiengang<br />
für Unternehmen interessant, die<br />
schließlich für die Gebühren der Akademie<br />
aufkommen. Wie begehrt die<br />
Plätze sind, mag sich auch darin spiegeln,<br />
dass einige Unternehmen bereits<br />
jetzt, noch <strong>vor</strong> dem Start des Studiengangs,<br />
mit konkreten Entwicklungsaufträgen<br />
an die ASA herantreten.<br />
Dabei ist Leichtbau nicht nur für die<br />
Luft- und Raumfahrt, sondern auch für<br />
die Automobilindustrie ein wichtiges<br />
Thema. „Die Branchen befruchten sich<br />
da gegenseitig“, sagt Auweter-Kurtz.<br />
Zwar tragen neuartige Werkstoffe<br />
und Technologien beim Flugzeug wie<br />
beim Auto wesentlich zur Reduzierung<br />
von Gewicht und damit dem Ausstoß<br />
von Schadstoffen bei. Aber damit allein,<br />
sagt Auweter-Kurtz, seien die gesteckten<br />
Einsparziele wohl kaum zu<br />
erreichen. „Das geht nur, wenn jeder<br />
einzelne mehr Energie spart und sich<br />
bei jedem Prozess fragt, ob das wirklich<br />
nötig ist.“<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
57
58<br />
EXPERTENRAT<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
<strong>Klima</strong>freundlich über<br />
den Tod hinaus<br />
Wer gerade einen Angehörigen verloren hat und sich neben<br />
aller Trauer auch noch um die Formalitäten der Bestattung kümmern<br />
muss, dem mag so manches durch den Kopf gehen. Eines vermutlich<br />
nicht: die <strong>Klima</strong>- oder Ökobilanz der be<strong>vor</strong>stehenden Bestattung.<br />
In Fachkreisen allerdings ist das durchaus ein Thema.<br />
Text: Veronika Renkenberger<br />
Bild: © line-of-sight - Fotolia.com<br />
Den Bio-Sarg mögen die Kunden,<br />
weil sich das gewachste Nadelholz<br />
gut anfühlt, wenn man mit<br />
der hand darüber streicht. Das weiß<br />
Markus Höhn vom Tübinger Bestattungshaus<br />
Rilling und Partner.<br />
Bio-Sarg“ steht auf dem Schild<br />
im Schauraum des Tübinger<br />
Bestattungshauses Rilling<br />
und Partner. Was genau hier<br />
mit „Bio“ gemeint ist, erklärt Geschäftsführer<br />
Markus Höhn: „Das ist Kiefer<br />
massiv, nur mit Wachs behandelt, und<br />
auch die Griffe sind aus Holz. Dieses Holz<br />
kommt aus Süddeutschland, hergestellt<br />
wird der Sarg auf der Schwäbischen Alb.<br />
Kissen, Decke und Polsterung hinterlassen<br />
keine Schadstoffe.“ Gekauft werde<br />
so ein Sarg von Menschen, die es mögen,<br />
mit der Hand über Holz zu streichen<br />
und die Maserung noch zu spüren. Aktiv<br />
angesprochen werden Umweltbelange<br />
bei Rilling und Partner allerdings nicht,<br />
denn Trauernde haben andere Sorgen.<br />
„Ökologie ist bei uns Unternehmensphilosophie,<br />
das findet im Kundengespräch<br />
nicht statt.“<br />
Im Internet finden sich unter den<br />
entsprechenden Stichworten allerhand<br />
Angebote für Urnen aus Kartoffelstärke,<br />
Bestattungswäsche aus Naturfasern<br />
oder auch Papp-Särge. Doch das dürfte<br />
Vielen zu exotisch sein. Welche der hierzulande<br />
üblichen Bestattungsmethoden<br />
ist eigentlich die klimafreundlichere,<br />
eine Erd- oder eine Feuerbestattung?<br />
Diese Frage kann keiner auf die Schnelle<br />
klären – zu viele Faktoren spielen eine<br />
Rolle. Beispiel Erdbestattung: Ist der Sarg<br />
aus regionalem oder aus Tropenholz?<br />
Wie weit muss der Verstorbene transportiert<br />
werden, in was für einem Fahrzeug?<br />
Mit welchen Hilfsmitteln wird das Grab<br />
ausgehoben? Wie ist die Bodenbeschaffenheit<br />
auf dem Friedhof, und wie wird<br />
er bewirtschaftet?<br />
Die Stadt Tübingen wäre vielleicht ein<br />
guter Ansprechpartner. Schließlich hat<br />
die Stadtverwaltung das bundesweit<br />
erste ökozertifizierte Friedhofswesen<br />
– entsprechend der europäischen Umweltrichtlinie<br />
EMAS (Eco-Management<br />
and Audit Scheme) sollen die Tübinger<br />
Friedhöfe zum Lebensraum für mehr<br />
Pflanzen und Tiere werden. Doch all<br />
das spielt sich überirdisch ab. Über Versickerung<br />
von eventuellen Giftstoffen,<br />
Medikamenten-Rückständen oder<br />
auch Schwermetallen beispielsweise<br />
aus Herzschrittmachern oder Implantaten<br />
ist hingegen nicht viel zu erfahren:<br />
Das sei kein Thema, denn es gebe<br />
auch generell keinerlei Regelungen und<br />
Vorschriften, die sich mit dem Grundwasserschutz<br />
auf Friedhöfen befassen.<br />
Eine Erdbestattung sei insgesamt wohl<br />
umweltfreundlicher als eine Feuerbestattung,<br />
heißt es, sie komme ja ohne<br />
Brennstoffe aus und gebe auch keine<br />
Schadstoffe in die Atmosphäre ab.<br />
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU) hat die Umwelt-Aspekte<br />
von Erdbestattungen <strong>vor</strong> acht Jahren<br />
untersucht und zahlreiche Daten zusammengetragen<br />
– Fazit auch dort: Es<br />
gebe „Schwierigkeiten hinsichtlich der<br />
Auswertbarkeit und Vergleichbarkeit des<br />
<strong>vor</strong>handenen Datenmaterials“, so dass<br />
nun zwei Meinungen <strong>vor</strong>herrschen: „Die<br />
eine, dass von Friedhöfen keine ausgehende<br />
Gefahr zu erwarten ist, und die<br />
andere, dass gerade von diesen Flächen<br />
Kontaminationen ausgehen können.“<br />
Betreiber von Krematorien sehen<br />
Erdbestattungen kritisch. Sie verweisen<br />
darauf, dass bei einer modernen Verbrennungstechnik<br />
solche Schadstoffe<br />
wie Quecksilber aus Zahnfüllungen gar<br />
nicht erst in die Natur gelangen, son-<br />
EXPERTENRAT<br />
dern herausgefiltert und gezielt entsorgt<br />
werden können (siehe hierzu „Asche zu<br />
Asche“, Seite 60). Auch hier gibt es Unterschiede,<br />
je nach Baujahr des Krematoriums<br />
und seiner Filtertechnik. Tatsächlich<br />
wurde erst im Jahr 1997 durch<br />
das Bundesimmisionsschutzgesetz eine<br />
Regelung für die Rauchgase von Einäscherungsanlagen<br />
getroffen. So darf<br />
der Stundenmittelwert pro Kubikmeter<br />
etliche Grenzwerte nicht übersteigen,<br />
eine ständige Überwachung muss dies<br />
auch belegen. Für Kohlenmonoxid gilt<br />
beispielsweise ein Wert von 50 Milligramm<br />
– zum Vergleich: Laut Euro-5-<br />
Abgasnorm darf ein Dieselfahrzeug pro<br />
Kilometer bis zu 500 Milligramm, ein<br />
Benziner sogar 1.000 Milligramm Kohlenmonoxid<br />
ausstoßen.<br />
Hierauf sind heute alle Anlagen in<br />
Deutschland justiert. Wobei sie mit Problemen<br />
zu kämpfen haben, die aus einer<br />
ganz anderen Richtung kommen. Das<br />
Magazin Spiegel titelte im Frühjahr <strong>2012</strong><br />
„Feuerwehr am Sarg“ und schilderte<br />
etliche Beispiele dafür: Adipöse Körper<br />
brennen wegen der großen Mengen an<br />
Fett so heiß, dass sie viele Anlagen überlasten.<br />
Mittlerweile sind 15 Prozent der<br />
Deutschen zumindest übergewichtig,<br />
Tendenz steigend. Was dann im Krematorium<br />
passieren kann: Brennendes<br />
Fett läuft aus dem Ofen aus und verteilt<br />
sich im Vorraum, Schornsteinanlagen<br />
oder andere Bauteile schmelzen einfach<br />
durch. Immer wieder kommt es auch<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: Renkenberger<br />
59
60<br />
EXPERTENRAT<br />
Ins Krematorium Rutesheim bei Leonberg<br />
bringen sowohl das Tübinger<br />
Bestattungshaus Rilling und Partner<br />
wie auch das Stuttgarter Bestattungshaus<br />
Haller viele Verstorbene. Betriebsleiter<br />
Franz Hanelt erklärt die Prozesse:<br />
In Rutesheim gibt es zwei Öfen, die mit<br />
Gas betrieben werden. Normalerweise<br />
werden die Abgase aufwändig gefiltert<br />
und gereinigt. Ausnahmen davon seien<br />
äußerst selten: Abgase werden nur dann<br />
ungereinigt per Bypass abgeleitet, wenn<br />
ein Stromausfall die gesamte elektrische<br />
Regelungstechnik lahmlegt – und um das<br />
zu vermeiden, ist das Gebäude eigens<br />
zweifach ans Stromnetz angebunden.<br />
Was mit den Abgasen genau geschieht,<br />
erklärt Franz Hanelt für Laien so: Im Normalfall<br />
sorgt ein mehrstufiges Filtersy-<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Kühler<br />
zu Schadstoff-Spitzen im Abgas, weil<br />
sich bei Notfällen je nach Ofen die sogenannten<br />
Bypass-Klappen öffnen und<br />
die Abgase ungefiltert direkt in die Außenluft<br />
abgegeben werden.<br />
Franz Hanelt ist Betriebsleiter eines<br />
2003 errichteten Krematoriums in<br />
Rutesheim bei Leonberg, dem ersten<br />
privat betriebenen Krematorium in<br />
Württemberg. Dort werden jährlich<br />
Hauptbrennkammer Nachbrennkammer<br />
Zyklon<br />
Asche<br />
zu<br />
Asche<br />
Staubfilter<br />
Bild: Privat<br />
stem dafür, dass aus dem Schornstein<br />
reiner Wasserdampf steigt. Die Rauchgase<br />
der Verbrennung werden in eine<br />
Nachbrennkammer geleitet. Hier werden<br />
bei rund 850 Grad Celsius nahezu alle<br />
Schadstoffe verbrannt. Über den Kühlturm<br />
gelangen die abgekühlten Rauchgase<br />
in einen Zyklon, dort werden grobe<br />
Partikel abgeschieden. Weiter geht es<br />
in einen Feinstaubfilter mit 90 Filterstrümpfen,<br />
die noch feiner sind als Damenstrumpfhosen.<br />
Im anschließenden<br />
Katalysator folgt eine Reinigung mit<br />
Aktivkohle, die gegen sämtliche noch<br />
verbliebenen Schadstoffe wirkt, gegen<br />
Dioxine, Furane, Schwefel und Quecksilber.<br />
Die komplette Filtertechnik eines<br />
solchen Ofens ist etwa so groß wie ein<br />
Einfamilienhaus. ver<br />
Sicherheitsklappe<br />
Katalysator<br />
etwa 6000 Verstorbene kremiert, etwa<br />
einmal pro Monat ist derzeit jemand zu<br />
schwer und wird deswegen in ein kooperierendes<br />
Krematorium gebracht.<br />
„Bei uns im Haus haben wir ein Limit<br />
gesetzt, der Verstorbene darf mit Sarg<br />
maximal 210 Kilo wiegen.“ Um mit<br />
schweren Verstorbenen besser klarzukommen,<br />
kann Franz Hanelt die Prozesse<br />
variieren: Eine solche Einäsche-<br />
Emissonsmessung<br />
Schornstein<br />
Grafik: Köber<br />
rung plant er gezielt am Tagesbeginn<br />
ein, wenn der Ofen noch nicht voll auf<br />
Betriebstemperatur ist.<br />
Gibt es denn Alternativen? Andrea<br />
Maria Haller ist studierte Theologin und<br />
leitet gemeinsam mit ihrem Bruder und<br />
ihrer Mutter das Bestattungshaus Haller<br />
in Stuttgart. Sie befasst sich seit Jahren<br />
auch mit dem Totenkult anderer Länder<br />
und Kulturen und berichtet aus Tibet:<br />
Dort gibt man einen Verstorbenen auf<br />
eine sehr direkte Art und Weise zurück<br />
in den natürlichen Kreislauf. Sein Körper<br />
wird in Stücke zerlegt, die man in<br />
der Natur auslegt, oft an bestimmten<br />
Bestattungsbergen. Dort dienen sie als<br />
Nahrung für Vögel und Wildtiere. „Das<br />
ist ökologisch vielleicht extrem positiv“,<br />
sagt Andrea Maria Haller, „aber für unsere<br />
Kulturkreise doch etwas schwierig<br />
anzunehmen.“<br />
Komplett neue Lösungen werden andernorts<br />
bereits diskutiert und erprobt.<br />
Szenenwechsel nach Südengland. An<br />
der britischen University of Bath kann<br />
man Bestattungswesen sogar studieren,<br />
in Deutschland ist Bestatter dagegen ein<br />
Ausbildungsberuf. „Unit Death and Dying“<br />
heißt der Fachbereich in Bath und<br />
gehört zur Fakultät für Soziologie. Wer<br />
sich auf der dortigen Homepage umschaut,<br />
findet beim Studiengang „Funeral<br />
Services“, also Bestattungsdienste,<br />
eine Liste mit neun Themenblöcken, von<br />
denen einer „Green Issues“ heißt, locker<br />
übersetzt Öko-Fragen. „Britische Bestatter<br />
arbeiten akademisch fundierter“, hat<br />
Andrea Maria Haller beobachtet, die<br />
in Bath bereits Seminare besucht hat.<br />
Neue, ökologische Bestattungsvarianten<br />
werden dort analysiert und diskutiert.<br />
Kaltes Pulver<br />
In Skandinavien hat das Unternehmen<br />
Promessa ein Verfahren entwickelt,<br />
das entfernt an eine Feuerbestattung<br />
erinnert. Äußerst entfernt – denn der<br />
Leichnam wird zwar ebenfalls zu etwas<br />
Pulverartigem, aber nicht mithilfe von<br />
Feuer, sondern durch Kälte. Das Unternehmen<br />
selbst spricht auf seiner Internetpräsenz<br />
von einer „umweltangepassten<br />
Beerdigungsform“.<br />
Minus 18 Grad Celsius hat die Kühlkammer,<br />
in welcher der Verstorbene eingefroren<br />
wird. Nach eineinhalb Wochen<br />
taucht man den gefrorenen Körper in<br />
flüssigen Stickstoff mit minus 196 Grad.<br />
Das macht den Leichnam zerbrechlich.<br />
Dann sorgen leichte Vibrationen dafür,<br />
dass er in ein organisches Pulver zerfällt,<br />
dem man anschließend in einer Vakuum-Kammer<br />
die Flüssigkeit vollends<br />
entzieht. Übrig bleibt ein Pulver, aus<br />
dem man alle metallischen Bestandteile<br />
entfernen kann – Quecksilber, Zahngold,<br />
Titanschrauben und anderes.<br />
Die sterblichen Überreste übergibt<br />
Promessa in einem Gefäß aus Maisstär-<br />
Bild: Deniz Saylan<br />
Andrea Maria Haller vom gleichnamigen<br />
Stuttgarter Bestattungshaus befasst<br />
sich mit Bestattungstraditionen anderer<br />
Kulturen.<br />
ke an die Hinterbliebenen. Nach der<br />
Beerdigung werden Gefäß und Inhalt<br />
bereits binnen sechs bis zwölf Monaten<br />
zu Kompost. Wer mag, kann an dieser<br />
Stelle einen Apfelbaum oder Fliederbusch<br />
pflanzen, der von diesem Kompost<br />
genährt wird – ein Gedenkort an<br />
den Verstorbenen, der zugleich auch die<br />
irdischen Zyklen widerspiegelt.<br />
Promessa kritisiert auf seiner Homepage<br />
den energetischen Aufwand von<br />
Krematorien, macht aber keine Angaben<br />
über den Energieaufwand für das<br />
eigene Verfahren.<br />
Schnell durch Lauge<br />
Ein anderes Verfahren, auch als alkalische<br />
Hydrolyse bekannt, verflüssigt<br />
den Leichnam. Dafür wird nur etwa ein<br />
Sechstel der Energie verbraucht, die für<br />
eine Verbrennung im Krematorium nötig<br />
ist. Somit fällt der CO 2 -Fußabdruck<br />
entsprechend kleiner aus. Die Firma<br />
Resomation in Schottland hat sich<br />
hierauf spezialisiert und für das laut<br />
Homepage „würde- und respektvolle“<br />
Verfahren eine Maschine namens „Resomator“<br />
entwickelt. Die Zeremonie für<br />
die Angehörigen gleiche der Feuerbestattung,<br />
verkündet die Homepage, nur<br />
dass der Sarg anstatt in den Ofen in den<br />
Resomator gleitet. Ähnlich wie in einem<br />
Krematorium dauert der Vorgang dann<br />
zwei bis drei Stunden.<br />
EXPERTENRAT<br />
Im Resomator wird der Leichnam in<br />
eine Druckkammer gelegt, Wasser und<br />
Kaliumhydroxid kommen hinzu, eine<br />
stark alkalische Lösung entsteht. Nach<br />
rund drei Stunden bei 330 Grad bleiben<br />
gebleichte Knochen übrig, die zu<br />
etwas Ascheähnlichem zermahlen werden<br />
können, sowie eine Flüssigkeit, die<br />
man angeblich in die Kanalisation leiten<br />
kann.<br />
Das Unternehmen Resomation sagt,<br />
durch den Prozess würden etwa 35 Prozent<br />
weniger klimaschädliche Abgase<br />
erzeugt als bei einer Kremation, der Energiebedarf<br />
betrage sogar nur ein Siebtel.<br />
Weitere ökologische Vorteile seien:<br />
Mit der Resomation vermeide man zuverlässig,<br />
dass Quecksilber in die Natur<br />
gelangt. Künstliche Hüftgelenke bleiben<br />
nach dem Prozess offenbar spiegelglatt<br />
gereinigt zurück, man könnte sie theoretisch<br />
sogar recyceln.<br />
Riffkugeln<br />
In den Vereinigten Staaten können<br />
Tote auch Teil eines künstlichen Korallenriffs<br />
werden. Hierzu wird ihre Asche<br />
bei der Herstellung von Betonformen<br />
mit ins Material eingearbeitet, die anschließend<br />
auf dem Meeresboden verankert<br />
werden, um dort als Lebensraum<br />
für die Meeresbewohner zu dienen. Auf<br />
dem Schiff ist dann eine Bestattungszeremonie<br />
mit Familie und Freunden<br />
möglich. Die Methode der „Riff Balls“<br />
wird beispielsweise in den US-Bundesstaaten<br />
Florida und Texas angeboten.<br />
Bloß nicht einbalsamieren!<br />
Seit Jahrtausenden werden tote<br />
Menschen in vielen Kulturen einbalsamiert,<br />
um ihre Körper haltbar zu machen.<br />
Was in Deutschland heute verboten<br />
ist, gehört in den USA noch zum<br />
guten Ton. Auch, weil dort oft größere<br />
Zeitspannen verstreichen zwischen<br />
Tod und Bestattungsfeier – oder weil<br />
die Verstorbenen über große Distanzen<br />
transportiert werden. Unter Umweltschützern<br />
haben die modernen Methoden<br />
des Einbalsamierens zu Recht<br />
einen schlechten Ruf: Hierfür werden<br />
Substanzen verwendet, die Formaldehyd<br />
enthalten und krebserregend sind<br />
– gefährlich ebenso für Bestatter wie<br />
für die Umwelt. Hier lautet der Umwelt-Tipp<br />
also: Sofern keine internationalen<br />
Bestimmungen es erforderlich<br />
machen, keinesfalls einbalsamieren.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
61
egional<br />
62 SERVICE<br />
SERVICE<br />
Veranstaltungen <strong>2012</strong>/2013<br />
Energiekompetenzzentrum Ostalb (EKO)<br />
NOVEMBER<br />
28. <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
20 Uhr<br />
In Zusammenarbeit mit dem<br />
Programmkino Aalen lädt der<br />
Energietisch der Lokalen Agenda<br />
21 zum Film "Bauen mit der<br />
Kraft der Natur" ein.<br />
Der Film zeigt den Weg natürlicher<br />
Rohstoffe bis zum fertigen<br />
Haus. Im Anschluss stehen<br />
Experten des Energietisches<br />
für Fragen und Diskussion zur<br />
Verfügung.<br />
<strong>Ort</strong>: Kino am Kocher<br />
DEZEMBER<br />
3. Dezember <strong>2012</strong><br />
19 Uhr<br />
EKO-Infoabend<br />
Thema „Thermografie“<br />
Referent: Michael Kessler,<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Firma Holzbau Kessler<br />
<strong>Ort</strong>:<br />
EKO - Energieberatungszentrum<br />
Böbingen<br />
JANUAR<br />
6. Januar bis 9. Januar 2013<br />
EKO- Infostand auf dem Kalten<br />
Markt in Ellwangen<br />
15. Januar<br />
19.30 Uhr<br />
Vortrag „Energieeffizientes<br />
Bauen und Renovieren“<br />
Willi Kruppa,<br />
freier Architekt, Aalen<br />
<strong>Ort</strong>: Rathaus Lauchheim, Sitzungssaal<br />
26. Januar bis 27. Januar 2013<br />
Infotage Energie<br />
Ausstellung und Vorträge rund<br />
um Themen wie Energiespa-<br />
ren mit neuen Heizanlagen,<br />
Wärmedämmung mit modernen<br />
Systemen und Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
<strong>Ort</strong>: Foyer Rathaus Aalen<br />
Veranstalter:<br />
Energietisch-Projektgruppen<br />
der Lokalen Agenda 21 und das<br />
Grünflächen- und Umweltamt<br />
der Stadt Aalen<br />
FEBRUAR<br />
7. bis 9. Februar 2013<br />
CEB Stuttgart,<br />
Messestand der regionalen<br />
Energieagenturen Metropolregion<br />
Stuttgart<br />
<strong>Ort</strong>: Messe Stuttgart<br />
23. bis 24. Februar 2013<br />
Handwerksmesse<br />
Schwäbisch Gmünd<br />
EKO-Infostand<br />
MÄRZ<br />
2. bis 3. März 2013<br />
Gewerbeausstellung<br />
Unterschneidheim<br />
Mit EKO-Infostand<br />
APRIL<br />
13. bis 14. April 2013<br />
Gewerbeausstellung in der<br />
Gemeinde Jagstzell<br />
Mit EKO- Infostand<br />
MAI<br />
5. Mai 2013<br />
Gewerbeschau<br />
„Rems Total“ in der Gemeinde<br />
Böbingen<br />
Mit EKO- Infostand<br />
Bild: REECO GmbH<br />
Saft fürs Telefonieren sparen<br />
Ein rotes Batteriesymbol leuchtet auf, die Nachricht „Batterie<br />
schwach“ erscheint auf dem Display – der Akku des Handys ist beinahe<br />
leer. Wenige Minuten später ist der Saft vielleicht ganz weg. Doch<br />
das kann Ihnen nicht nur passieren, wenn in Ihrem Mobiltelefon ein<br />
alter Akku steckt. Wie im Haushalt gibt es auch beim Handy unnötige<br />
„Stromfresser“, welche die Batterie schnell in die Knie zwingen.<br />
Text: Alexander Hauber<br />
Durch Stromsparen lässt sich<br />
die Akkulaufzeit deutlich verlängern.<br />
Wenn Sie folgende<br />
einfache Tipps beachten, dann haben<br />
Sie länger Freude an einer Ladung und<br />
müssen ihr Mobiltelefon nicht so schnell<br />
wieder zum „Tanken“ ans Netz stecken:<br />
l Schalten Sie die Tastaturbeleuchtung<br />
Ihres Handys tagsüber aus. Die Tasten<br />
lassen sich auch ohne Licht gut<br />
erkennen.<br />
l Das Display muss nicht grell beleuchtet<br />
sein. Die Helligkeitsstufe können<br />
Sie ruhig um einige Grade reduzieren.<br />
Das gilt besonders für Handys<br />
mit Touchdisplay. Hier macht sich<br />
das „Dimmen“ der Beleuchtung sehr<br />
deutlich bemerkbar, da große Displays<br />
wahre Stromfresser sind.<br />
l Außerdem können Sie die Hintergrundbeleuchtung<br />
des Displays zum<br />
Beispiel so einstellen, dass sie sich<br />
nach 30 Sekunden oder einer Minute<br />
automatisch ausschaltet, wenn Sie<br />
keine Taste mehr gedrückt haben.<br />
l Auf animierte Bildschirmschoner<br />
sollten Sie ganz verzichten. Denn wenn<br />
das Handy in der Hand- oder Hosentasche<br />
steckt, haben Sie sowieso nichts<br />
von den bunten Flimmerfilmchen.<br />
l Ein Stromspartipp hält sich noch<br />
hartnäckig unter Handybenutzern,<br />
obwohl er eigentlich das genaue<br />
Gegenteil bewirkt. Angeblich soll<br />
man das Handy beim Nichtbenutzen<br />
ausschalten, um Strom zu sparen.<br />
Das Gegenteil passiert jedoch:<br />
Beim Einschalten des Handys wird<br />
jede Menge Strom verbraucht, um<br />
es „hochzufahren“. Und gerade bei<br />
Smartphones, die ja so etwas wie Mini-Computer<br />
im Taschenformat sind,<br />
laufen jede Menge Prozesse und kleine<br />
Programme im Hintergrund ab,<br />
um das Handy startbereit zu machen.<br />
Schalten Sie ihr Handy also besser<br />
„offline“ oder in den „Flugzeugmodus“.<br />
Dann ist das Gerät nicht mehr<br />
im Mobilfunknetz eingebucht, bleibt<br />
aber hochgefahren und startbereit.<br />
l Alle Smartphone-Besitzer sollten<br />
Programme, die sie nicht mehr<br />
brauchen, ausschalten. Warum den<br />
Browser oder den Musikplayer ungenutzt<br />
im Hintergrund laufen lassen?<br />
Das kostet nur Strom. Und wenn das<br />
Handy viele Programme gleichzeitig<br />
in Gang hat, benötigt es dafür auf<br />
Dauer richtig viel Saft.<br />
l Wer es schafft, sich von seinem geliebten<br />
Vibrationsalarm losreißen zu<br />
können, schenkt seinem Akku wieder<br />
etwas mehr Laufzeit. Denn der<br />
kleine Motor, der die Vibration verursacht,<br />
frisst viel Saft aus dem Akku.<br />
l Auch durch die Art und Weise, wie Sie<br />
das Handy beim Telefonieren halten,<br />
können Sie Strom sparen: Umschließen<br />
Sie das Handy nicht mit Ihrer<br />
ganzen Hand, sondern fassen Sie es<br />
am unteren Drittel an. Der Grund:<br />
Die Antenne ist meist im oberen Teil<br />
des Gehäuses verbaut. Verdecken Sie<br />
die Antenne beim Telefonieren mit<br />
Ihren Fingern, dann muss das Handy<br />
die Sendeleistung erhöhen und das –<br />
Sie haben es bestimmt schon erraten<br />
– kostet auch wieder mehr Strom.<br />
l Zudem sollten Sie nur Original- beziehungsweise<br />
Marken-Akkus in Ihrem<br />
Handy verwenden. Die sind zwar<br />
teurer, aber Sie würden sich sicher<br />
grün und blau ärgern, wenn das teure<br />
Smartphone einen Totalschaden erleidet,<br />
weil der Billig-Akku aus Fernost<br />
darin ausgelaufen ist. Also lieber<br />
ein paar Euro mehr investieren. Außerdem<br />
behalten die Originalakkus<br />
auch länger eine hohe Ladekapazität<br />
und gehen meist nicht so schnell kaputt<br />
wie die billigen Exemplare.<br />
l Um Ihren Akku zu schonen, sollten<br />
Sie ihn niemals ganz leer werden lassen<br />
und erst dann wieder aufladen.<br />
Diese so genannte Tiefentladung<br />
schadet dem Akku. Auf der anderen<br />
Seite sollten Sie ihn auch nur aufladen,<br />
wenn es sich wirklich lohnt<br />
– also zum Beispiel nicht, wenn ihr<br />
Handy nur einen halben Tag ungenutzt<br />
herumlag. Denn Akkus vertragen<br />
nur eine bestimmten Anzahl an<br />
Lade<strong>vor</strong>gängen, be<strong>vor</strong> sie das Zeitliche<br />
segnen.<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: Alexandra H. / pixelio.de<br />
regional<br />
63
64 KURZ VOR SCHLUSS<br />
SERVICE 65<br />
Ganztägig 25 Grad Raumtemperatur,<br />
gekippte Fenster,<br />
verdeckte Heizkörper – diese<br />
Zustände sind in deutschen<br />
Haushalten keine Seltenheit.<br />
Unnötig hohe Heizkostenrechnungen<br />
sind die Folge<br />
und auch die <strong>Klima</strong>belastung<br />
steigt. Verbraucher sollten<br />
deshalb einige Regeln beachten,<br />
rät Claudia Rist vom<br />
Landesprogramm Zukunft<br />
Bundesumweltminister Peter Altmaier<br />
forderte beim runden Tisch am 10. Oktober<br />
kostenlose Energieberatungen für<br />
jedermann. Hintergrund ist die Debatte<br />
über die Belastung der Bürger durch<br />
höhere Energiekosten, denen mit Energiesparen<br />
ein Schnippchen geschlagen<br />
werden kann. Vertreter der Bundesregierung,<br />
von Sozialverbänden, der Kirchen<br />
sowie Verbraucherschützer berieten darüber,<br />
wie Bewusstsein für sorgfältigen<br />
Umgang mit Energie und mit Strom zu<br />
schaffen ist.<br />
Erst denken, dann heizen<br />
Altbau. Im Wohnbereich liege<br />
die Temperatur tagsüber<br />
vernünftigerweise bei rund<br />
20 Grad Celsius, in wenig frequentierten<br />
Zimmern bei 16<br />
bis 18 Grad. Ein Thermostat<br />
könne die Regelung überneh-<br />
Kostenlose Energieberatung?<br />
Gibt es bereits!<br />
men. Sinnvoll sei auch, nachts<br />
die Temperatur um etwa fünf<br />
Grad abzusenken. Das Lüften<br />
mit gekippten Fenstern<br />
verschwende zu viel Energie,<br />
täglich mehrfach wenige Minuten<br />
Querlüften durch of-<br />
Hinsichtlich der kostenlosen Energieberatung<br />
muss der Bundesumweltminister<br />
nicht lange suchen. Die regionalen<br />
Energieagenturen in Baden-Württemberg<br />
bieten bereits jetzt das, was der<br />
Minister gerne hätte: Kostenlose Energieberatungen<br />
für jedermann – und<br />
natürlich auch für jede Frau. Einzige Voraussetzung<br />
ist, dass der Bürger aus dem<br />
jeweiligen Landkreis kommt. Beraten<br />
wird zu allen Fragen der Energieeinsparung<br />
und auch zum Einsatz erneuerbarer<br />
Energien im Haus. Die Energieberater<br />
fene Fenster mit Durchzug sei<br />
effizienter. Die Türen sollten<br />
geschlossen sein und gegebenenfalls<br />
abgedichtet werden.<br />
Effizientes Heizen und Lüften<br />
kann in einem Haushalt mit<br />
90 Quadratmeter Wohnfläche<br />
bis zu 250 Euro Heizkostenersparnis<br />
pro Jahr bringen, so<br />
Claudia Rist. Wohlig warm sei<br />
es dann in den vier Wänden<br />
immer noch. bpf<br />
aus dem Energieberaternetzwerk gehen<br />
dabei speziell auf die Fragen der Bürgerinnen<br />
und Bürger ein: Ob es nun um<br />
Stromeinsparung geht, den richtigen<br />
Umgang beim Heizen und Lüften oder<br />
um die Umstellung einer alten Ölheizung<br />
auf moderne Heizsysteme. Interessierte<br />
Bürger können sich bei den <strong>Klima</strong>schutz-<br />
Agenturen ihres Landkreises zur Beratung<br />
anmelden. Die Agenturen sorgen<br />
dafür, dass die kostenlosen Beratungen<br />
neutral geführt werden und niemand zu<br />
etwas gedrängt wird. bpf<br />
Bild: Zukunft Altbau<br />
Was war noch mal…<br />
… der Rebound-Effekt?<br />
Text: Stephan Gokeler<br />
Wie viel Stromverbrauch eine LED-Leuchte<br />
gegenüber einer herkömmlichen Glühbirne<br />
einspart, lässt sich exakt ausrechnen.<br />
Genauso die Einsparung beim Einsatz eines<br />
neuen Kühlschranks im Vergleich zum alten Modell.<br />
Kennt man dann auch noch die durchschnittliche<br />
Lebensdauer eines bestimmtenStromverbrauchers<br />
und hat Daten über<br />
das Verhalten der Konsumenten,<br />
wenn sie Ersatzgeräte<br />
kaufen, dann steht<br />
einer ziemlich genauen Prognose<br />
über den sinkenden<br />
Strombedarf in der Zukunft<br />
eigentlich nichts mehr im<br />
Wege – sollte man meinen.<br />
Doch trotz umfangreicher<br />
Datenbasis stimmen solche<br />
Vorhersagen häufig<br />
nicht. Einer der Gründe ist<br />
der sogenannte Rebound-<br />
Effekt. Er beschreibt das<br />
Phänomen, wonach ein Teil<br />
der Einsparungen, die durch effizientere Technik<br />
erreicht wurden, durch zusätzlichen Konsum wieder<br />
verloren gehen. Das hat eine von der EU-Kommission<br />
in Auftrag gegebene Studie kürzlich mehr<br />
als bestätigt: Sie ergab, dass auf diesem Weg 10 bis<br />
80 Prozent der eigentlich möglichen Einsparungen<br />
wieder aufgefressen werden. In den vergangenen 25<br />
Jahren wurden mit Strom betriebene Geräte in Privathaushalten<br />
um 37 Prozent sparsamer. Der Stromverbrauch<br />
im privaten Bereich wuchs im selben<br />
Zeitraum dennoch um 22 Prozent an – weil immer<br />
mehr und größere Geräte Einzug hielten. Das gilt<br />
nicht nur für den Stromverbrauch:<br />
Wer sich über<br />
gesunkene Heizkosten<br />
seiner frisch gedämmten<br />
Wohnung freut, gönnt sich<br />
vielleicht eine um zwei<br />
Grad höhere Raumtemperatur.<br />
Weil viele Faktoren dabei<br />
eine Rolle spielen, lässt<br />
sich der Rebound-Effekt<br />
nicht berechnen. Er macht<br />
bei großen Projekten wie<br />
der angekündigten Energiewende<br />
die Planung der<br />
benötigten Kapazitäten<br />
schwierig, vermiest aber<br />
auch manchem Hausbesitzer<br />
oder Mieter die Laune, der sich nach einer Investition<br />
auf sinkende Nebenkosten eingestellt hatte.<br />
Wenn diese nicht im erhofften und berechneten Umfang<br />
eintreten, war nicht immer ein Fehler in Planung<br />
oder Ausführung schuld. Häufig ist ein Blick auf das<br />
eigene Konsumverhalten eine gute Idee.<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />
Bild: © rubysoho - Fotolia.com
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Quelle: diezartwork / Grafik: Köber SERVICE<br />
Strom in Fülle<br />
aus Betonhülle<br />
Text: Traugott Kümmerle<br />
Wir leben in einer wirklich grünen<br />
Landschaft, was einem<br />
komischerweise immer erst<br />
dann bewusst wird, wenn man aus<br />
dem Sommerurlaub irgendwo im Süden<br />
heimkommt ins Ländle. Das Grün<br />
erschlägt einen fast, wenn man an die<br />
traurig verdorrten Landschaften in den<br />
Urlaubsgebieten zurückdenkt. Überall<br />
gluckern Bäche, und Wasser gibt es genug.<br />
Warum es also nicht nutzen?<br />
In Glems am Albtrauf wird das Wasser<br />
seit fast 50 Jahren dafür eingesetzt,<br />
den Strom-Spitzenbedarf der Industrieregion<br />
Stuttgart abzusichern, und<br />
das funktioniert. Das Wasser erzeugt<br />
genau dann Strom, wenn er dringend<br />
benötigt wird. Nachts, wenn mehr<br />
Strom da ist als verbraucht wird, wird<br />
das Wasser einfach wieder von unten<br />
nach oben gepumpt. Ein ewiger Kreislauf.<br />
Auch die Staumauern aus Stahlbeton<br />
passen sich nach dieser langen<br />
Zeit wunderbar in die Landschaft ein<br />
und fallen praktisch nicht mehr auf.<br />
KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Schafft also nicht eines, sondern<br />
zehn, nein hunderte Staubecken!<br />
Sie können ja dann im Sommer als<br />
Badeseen dienen, und ebenso der regionalen<br />
und umweltfreundlichen<br />
Fischzucht. Seen auf der Alb und<br />
im Alb<strong>vor</strong>land allüberall, welch ein<br />
Traum! Welch touristisch nutzbare<br />
Ziele! Überall obere und untere Becken,<br />
überall Seen, warum nicht die<br />
doppelte Württembergische Seenplatte<br />
verwirklichen, oben wie unten.<br />
Langweilige Landschaft wird ersetzt<br />
durch glitzernde Wasseroberflächen,<br />
mit dem Tretboot umweltfreundlich<br />
befahrbar. Das ergibt völlig neue touristische<br />
Dimensionen. Neue Hotels,<br />
Strandbäder und Fachschulen für<br />
Animateure. Mehr noch: Auch der<br />
Straßenverlauf muss den neuen Seen<br />
angepasst werden, die Navis der Autos<br />
müssen ständig aktualisiert und<br />
sämtliche Wanderkarten neu aufgelegt<br />
werden. Ein Wirtschaftswunder<br />
winkt.<br />
Impressum<br />
KLIMA VOR ORT, Jahrgang 1<br />
www.klima<strong>vor</strong>ort.de<br />
Herausgeber:<br />
SDZ Druck und Medien<br />
GmbH & Co. KG<br />
Bahnhofstrasse 65<br />
73431 Aalen<br />
Redaktion<br />
Stephan Gokeler<br />
Birgit Pflock-Rutten<br />
Veronika Renkenberger<br />
Gerhard Schindlert<br />
Anke Schwörer-Haag<br />
Kathrin Stuba<br />
Hanna Meid<br />
Lothar Schell<br />
Benjamin Leidenberger<br />
Sabine Freimuth<br />
Andrea Kombartzky<br />
Alexander Hauber<br />
Traugott Kümmerle<br />
Frank Rumpel<br />
Titel, Gestaltung und Produktion<br />
Rolf Köber<br />
Anzeigen und Beilagen<br />
Falko Pütz (verantwortlich)<br />
Idee und Produktion:<br />
Verlag Schwäbisches Tagblatt, Tübingen<br />
Druck<br />
Bechtle Druck & Service GmbH & Co. KG<br />
Zeppelinstraße 116<br />
73730 Esslingen<br />
Mediadaten<br />
www.klima<strong>vor</strong>ort.de<br />
anzeigen@klima<strong>vor</strong>ort.de<br />
Nächste <strong>Ausgabe</strong><br />
Mai 2013<br />
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Telefon 07361/ 594 223<br />
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