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Zeitschrift Klima vor Ort - 2 Ausgabe November 2012

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Bauen • Sanieren • Energiesparen im Ostalbkreis<br />

Strom auf Lager<br />

Wie erneuerbare Energien<br />

gespeichert werden können<br />

Rathaus mit Vorbildfunktion<br />

Der Verwaltungssitz in Oberkochen<br />

wurde nach einem ökonomisch und<br />

ökologisch sinnvollen Konzept saniert.<br />

Wärme aus dem Wald<br />

Wie man sein Zuhause mit Holz<br />

umweltfreundlich heizt<br />

<strong>Klima</strong>schutz<br />

Wie isst man heute?<br />

Eine Spurensuche mit Überraschungseffekten.<br />

<strong>Ausgabe</strong> 2<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

2,90 €<br />

Spartipps für die Küche<br />

Seite 50<br />

Wie man beim Backen und Kochen den Stromverbrauch<br />

senken kann – nicht nur in der Adventszeit.


Das moderne Energiemanagement von becker steht für eine außergewöhnlich<br />

hohe Energieeffi zienz. Eine Anlage, die auf Ihre individuelle Wohnsituation<br />

zugeschnitten ist, spart eben mehr Energie als Standardlösungen.<br />

beckerplus. Warum sollten Sie sich mit weniger zufrieden geben?<br />

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Auf der Ostalb zum<br />

<strong>Klima</strong>schutz beitragen<br />

Drei Fragen zum <strong>Klima</strong>schutz <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> 3<br />

Bundesumweltminister Peter Altmaier wirbt leidenschaftlich für die<br />

Energiewende: „Wenn wir zeigen können, dass die viertgrößte Energienation<br />

der Welt sich umstellen kann, wird das unsere Stellung<br />

nicht schwächen, sondern stärken. Wir sind Vorbild. Andere werden<br />

folgen“, so Altmaier. Doch in welchen Bereichen kann auf der<br />

Ostalb aktiv zum <strong>Klima</strong>schutz beigetragen werden? Dazu drei<br />

Fragen an Landrat Klaus Pavel.<br />

Herr Pavel, auch Sie waren<br />

Mitte Oktober Zeuge dieses<br />

Appells bei der Ordensverleihung<br />

im Gmünder Prediger.<br />

In welchen Bereichen<br />

kann der Landkreis zum <strong>Klima</strong>schutz<br />

beitragen?<br />

Pavel: Direkt und sehr<br />

wirkungsvoll sparen kann<br />

der Kreis im Bereich der<br />

Wärmeversorgung. Investitionen<br />

in den Kliniken,<br />

die an 365 Tagen im Jahr 24<br />

Stunden beheizt werden<br />

müssen, oder in den Berufsschulenzentren<br />

rechnen sich spürbar. CO2-neutrale Heizungen<br />

– Hackschnitzel oder Pellets – wie<br />

wir sie inzwischen überall eingebaut haben,<br />

wirken sich positiv auf<br />

die Umwelt aus.<br />

Obendrein eignen sich die<br />

riesigen Dachflächen her<strong>vor</strong>ragend<br />

für die Photovoltaik.<br />

Kreiseigene Fahrzeuge, man denke<br />

nur an die Straßenmeistereien, können zur<br />

Verminderung des CO2-Ausstoßes beitragen.<br />

Und wo sind die Bürger gefordert?<br />

Die Bürger auf der Ostalb können die<br />

Wärmedämmung ihrer Häuser verbessern<br />

und in die energetische Sanierung investieren.<br />

Sie können Bus- und Bahn nutzen.<br />

Und <strong>vor</strong> allem können sie regionale<br />

Produkte kaufen, Waren, die nicht <strong>vor</strong>her<br />

durch die halbe Welt transportiert wurden.<br />

Welchen Einfluss kann der Kreis dazu auf<br />

seine Bürger nehmen?<br />

Er kann sie <strong>vor</strong> allem beraten.<br />

Deshalb haben wird<br />

gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft,<br />

den Architekten<br />

und Gemeinden<br />

das EnergiekompetenzZentrum<br />

Ostalb gegründet. Dort<br />

gibt es kostenlose Informationen<br />

für alle. Wir können<br />

als Kreis die Bürger außerdem<br />

motivieren und Anreize<br />

schaffen in Richtung Energiewende.<br />

Etwa durch günstige<br />

Tarife beim ÖPNV. Das<br />

Firmen- und Semesterticket sind dafür Beispiele.<br />

Letzteres kommt bei den Studenten<br />

übrigens super an.<br />

Bis zum Jahr 2025 hat sich der Ostalbkreis<br />

das Ziel gesetzt, in den<br />

Städten und Gemeinden 50<br />

Prozent des gesamten Bedarfs<br />

über regenerative Energien<br />

zu decken. Lässt sich<br />

dieses Ziel erreichen?<br />

Wir arbeiten seit diesem Beschluss konsequent<br />

an einem <strong>Klima</strong>schutzkonzept. Erst<br />

in der jüngsten Sitzung wurden die Ergebnisse<br />

aus Potentialanalyse und Workshops<br />

<strong>vor</strong>gestellt. Das Papier zeigt deutlich, dass<br />

wir unser Ziel bei der Stromversorgung erreichen<br />

können. Allerdings müssten dafür<br />

rund 100 Windkraftanlagen in der Region<br />

gebaut werden. Beim Wärmebedarf wird es<br />

eher schwierig. Aber auch da können wir<br />

besser werden. 50 Prozent wären erst zwischen<br />

2035 und 2040 möglich, da <strong>vor</strong> allem<br />

die Industrie viel Wärme braucht.<br />

Die Fragen stellte: Anke Schwörer-Haag<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT


4<br />

8 TITELTHEMA<br />

INHALT<br />

Titelbilder:<br />

ideeone - istockphoto.de<br />

jörn buchheim - Fotolia.com<br />

Kimaschutz à la Carte<br />

Herstellung, Transport und Verarbeitung von<br />

Lebensmitteln haben einen erheblichen Anteil<br />

an der weltweiten Produktion klimaschädlicher<br />

Gase. Wie man sich ernährt, trägt also maßgeblich<br />

zum individuellen CO 2 -Fußabdruck bei,<br />

den jeder von uns hinterlässt.<br />

27<br />

Vertrauenssache<br />

Da die schrägen Dachfenster durch Gauben ersetzt<br />

wurden, blieb vom <strong>vor</strong>handenen Dach nicht mehr viel<br />

übrig. So haben sich die Häuslebesitzer im gleichen<br />

Zug zu einer kompletten Sanierung entschlossen.<br />

regional<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Auf diesen Seiten<br />

finden Sie Beiträge aus<br />

dem Landkreis.<br />

6Möbel<br />

aus Pappe<br />

Vom Zeitungsständer bis Doppelbett:<br />

trendige Möbelkollektionen aus recyclebarem<br />

Werkstoff.<br />

Inhalt<br />

Markttrends<br />

7 Trocknen mit Pumpe<br />

Neue Technik reduziert Energieverbrauch beim<br />

Wäschetrocknen.<br />

TITELTHEMA<br />

<strong>Klima</strong>freundlich essen – ein Widerspruch?<br />

8 <strong>Klima</strong>schutz à la Carte<br />

Können wir mit unseren Essgewohnheiten den Treibhauseffekt<br />

beeinflussen?<br />

16 Energiesparen macht Schule<br />

An der Justus-von-Liebig-Schule in Aalen lernen zukünftige<br />

Generationen von Köchen und Hotelfachpersonal den verantwortungsvollen<br />

Umgang mit Energie und Ressourcen.<br />

18 Tonnenweise in die Tonne<br />

Lebensmittelverschwendung ist auch schädlich fürs <strong>Klima</strong>.<br />

Energiespeicher<br />

20 Kapazitäten gesucht<br />

Wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht<br />

gebraucht wird?<br />

22 Strom auf Pump<br />

Pumpspeicherkraftwerke – eine bewährte Technik und<br />

ihre Perspektiven im Alb<strong>vor</strong>land.<br />

Bauen und Sanieren<br />

27 Dachsanierung ist Vertrauenssache<br />

Die energetische Sanierung hat nicht nur für niedrigere Heizkosten,<br />

sondern dank des Einbaus einer Dachgaube auch für<br />

mehr Licht und mehr Wohnraum gesorgt.<br />

32 Rathaus mit Vorbildfunktion<br />

Der Verwaltungssitz in Oberkochen wurde erst völlig entkernt<br />

und anschließend nach einem ökonomisch wie ökologisch<br />

sinnvollen energetischen Sanierungskonzept wiederaufgebaut.<br />

36 Historische Bauten ökologisch saniert<br />

Ein Ellwanger Architekt verwandelt unter Denkmalschutz<br />

stehende Objekte in „Minimal-Energie-Häuser“.<br />

Regionale Wirtschaft innovativ<br />

40 Strom aus der Region<br />

Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />

machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus<br />

der Region stark.<br />

43 <strong>Klima</strong>neutral umziehen<br />

Die Kunden des Stuttgarter Logistik-Unternehmens<br />

Christ können klimaneutral umziehen.<br />

Expertenrat<br />

46 Wärme aus dem Wald<br />

Tipps für den umweltfreundlichen Einsatz von Holz<br />

als Wärmelieferant.<br />

50 Spartipps für die Weihnachtsküche<br />

Wie der Stromzähler bei Anisplätzchen und<br />

Weihnachtsgans im Zaum gehalten wird.<br />

58 <strong>Klima</strong>freundlich über den Tod hinaus<br />

Bestattungsinstitute beschäftigen sich mit der<br />

<strong>Klima</strong>- und Ökobilanz von Bestattungen.<br />

Neue Berufe<br />

54 Flugzeuge sollen leichter werden<br />

Die German Aerospace Academy in Böblingen bildet<br />

Luft- und Raumfahrt-Ingenieure zum Thema Leichtbau<br />

aus und weiter.<br />

Service<br />

62 Veranstaltungen<br />

Kurz <strong>vor</strong> Schluss<br />

64 Längere Akkulaufzeit<br />

Stromspartipps fürs mobile Telefonieren.<br />

66 Strom in Fülle aus Betonhülle<br />

Glosse zur Pumpspeichertechnik: Ganz neue<br />

Perspektiven für die gesamte Region.<br />

66 Impressum, Ausblick<br />

INHALT<br />

43 <strong>Klima</strong>tisches Gleichgewicht<br />

Ein Stuttgarter Speditionsunternehmen<br />

fördert mit Unterstützung seiner Kunden<br />

<strong>Klima</strong>schutzprojekte in aller Welt.<br />

36<br />

Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang Helmle<br />

ist sein eigenes Wohnhaus, das im Erdgeschoss auch<br />

das Büro seiner Firma beherbergt.<br />

42<br />

Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst<br />

erzeugt 180.000 kWh pro Jahr. Das reicht für circa 50<br />

Haushalte.<br />

58<br />

Biosarg zum Anfassen<br />

Neue Ideen und Methoden sollen Bestattungen<br />

klimafreundlicher machen.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

5


6 MARKTTRENDS<br />

MARKTTRENDS 7<br />

Möbel aus Pappe<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

Neu ist die Idee nicht: Sitzhocker<br />

aus Pappe kennt man<br />

seit geraumer Zeit, auch Warenregale<br />

aus Karton zur Präsentation<br />

von Schokoladentafeln und anderen<br />

Süßigkeiten im Supermarkt sind längst<br />

keine Besonderheit mehr. Sogar echte<br />

Möbelklassiker wie der „Wiggle Side<br />

Chair“ von Frank Gehry aus dem Jahr<br />

1972, der heute noch von der Schweizer<br />

Firma Vitra vertrieben wird, sind<br />

aus diesem Material entstanden. Doch<br />

neuerdings interessieren sich vermehrt<br />

junge Designer für den Werkstoff Pappe.<br />

Trendige Möbelkollektionen entstehen<br />

und erweitern die Einsatzmöglichkeiten.<br />

Vom Zeitungsständer bis<br />

zum raumgreifenden Sitzmöbel oder<br />

Doppelbett – kaum ein Einrichtungsgegenstand<br />

ließe sich nicht auch aus<br />

Karton herstellen. Die richtige Materialwahl<br />

und raffinierte Falt- oder Stecktechniken<br />

verleihen allemal die nötige<br />

Stabilität.<br />

Was die Möbel aus Pappe neben ihrem<br />

auffälligen Design auszeichnet,<br />

sind die flexiblen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

So lässt sich<br />

das Sofa aus der Serie „Flexible Love“<br />

mit wenigen Handgriffen in viele verschiedene<br />

Formen bringen. Wer Pappmöbeln<br />

eine persönliche Note verpassen<br />

möchte, kann mit praktisch jeder<br />

Farbe oder beliebigen Materialien die<br />

Oberflächen individuell umgestalten.<br />

Noch einen Schritt weiter gehen die<br />

polnischen Designer Agata Kulik-Pomorska<br />

und Paweł Pomorski. Mit ihrem<br />

Label „Malafor“ haben sie gerade<br />

den Red-Dot-Designpreis für ein Sofa<br />

erhalten, das aus einem schlichten<br />

Stahlrohrgestell und zwei aufblasbaren<br />

Papiersäcken als Sitzfläche und<br />

Rückenlehne besteht.<br />

Weitgehend aus Recyclingmaterial<br />

hergestellte Pappmöbel sind auch ökologisch<br />

eine gute Wahl. Der Einsatz von<br />

Kunststoffen oder Lacken zur Oberflächenbehandlung<br />

entfällt gänzlich.<br />

Und muss das Möbelstück eines Tages<br />

entsorgt werden, kann es einfach zur<br />

Altpapiersammlung <strong>vor</strong> die Tür gestellt<br />

werden. Allerdings sind die Designer-<br />

Pappmöbel nicht ganz billig. Doch auch<br />

für die schmale Geldbörse gibt es Abhilfe.<br />

Mehrere Do-it-yourself-Ratgeber<br />

beschreiben, wie man Schritt für Schritt<br />

aus Kartons Möbel bauen kann. Und<br />

auch im Internet gibt es inzwischen auf<br />

den einschlägigen Videoportalen jede<br />

Menge Anleitungs-Filmchen für Kartonmöbel<br />

der Marke Eigenbau.<br />

INFO<br />

Design-Möbel aus Pappe kann man<br />

sich unter anderem bei www.fashionforhome.de,<br />

www.interiorpark.com, www.<br />

avandeo.de, www.pregia.it und www.<br />

stange-design.de ansehen.<br />

Ein und dasselbe Möbelstück: Das Sofa Flexible Love lässt sich ganz unterschiedlich formen.<br />

Was die Möbel<br />

aus Pappe neben<br />

des auffälligen<br />

Designs auszeichnet,<br />

sind<br />

die flexiblen Nutzungs-<br />

und Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Bild: InteriorPark.com<br />

Bilder: flexiblelove.de<br />

Trocknen mit Pumpe<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

Erneuerbare Energie<br />

kann kaum direkter<br />

genutzt werden,<br />

als wenn man frisch gewaschene<br />

Wäsche auf der Leine<br />

im Garten flattern und<br />

sie dabei langsam trocknen<br />

lässt. Doch nicht jeder hat<br />

die Möglichkeit, Wind und<br />

Sonne so kostenlos für sich<br />

arbeiten zu lassen. Kein Garten,<br />

kein Balkon und auch<br />

kein geeigneter Raum im Keller,<br />

um die Wäsche zu trocknen<br />

– in manchen Fällen gibt<br />

es kaum eine Alternative zur<br />

Anschaffung eines elektrisch<br />

betriebenen Trockenautomaten.<br />

In knapp 40 Prozent aller<br />

deutschen Haushalte<br />

steht ein solches Gerät.<br />

Bisher stellte sich bei der<br />

Anschaffung lediglich die<br />

Frage: Ablufttrockner oder<br />

Kondensationstrockner? Energieschleudern<br />

sind beide<br />

Gerätearten, mit rund 90<br />

Cent schlägt ein Trocknungs<strong>vor</strong>gang<br />

zu Buche. Das macht<br />

Wäschetrockner zu Großverbrauchern<br />

im Privathaushalt.<br />

Inzwischen kommen immer<br />

mehr Trockner mit Wärmepumpe<br />

auf den Markt. Sie<br />

nutzen die einmal produzierte<br />

Wärme für den Trocknungsprozess<br />

mehrfach aus.<br />

In einem geschlossenen<br />

Kreislauf wird die feuchte<br />

Luft über einen Wärmetau-<br />

scher heruntergekühlt und<br />

entfeuchtet, be<strong>vor</strong> sie mit<br />

der zu<strong>vor</strong> entzogenen Energie<br />

mithilfe einer Wärmepumpe<br />

wieder erhitzt wird.<br />

Die Stiftung Warentest hat<br />

jüngst die verschiedenen<br />

Trocknertypen einem Vergleichstest<br />

unterzogen. Ob<br />

mit oder ohne Wärmepumpe,<br />

alle Geräte trockneten<br />

die Wäsche gleichermaßen<br />

gut. Groß sind die Unterschiede<br />

allerdings im Energieverbrauch:<br />

Nur noch 40<br />

Cent fallen als Stromkosten<br />

für eine Trocknerladung an,<br />

wenn das Gerät über eine<br />

Wärmepumpe verfügt. In der<br />

Anschaffung kosten solche<br />

Wäschetrockner zwar noch<br />

etwas mehr, doch wenn man<br />

eine Lebensdauer von zehn<br />

Jahren annimmt, hat die<br />

Stiftung Warentest dank der<br />

eingesparten Energie sogar<br />

einen finanziellen Vorteil für<br />

die neue Technik errechnet.<br />

Für die wirtschaftliche wie<br />

ökologische Gesamtbilanz<br />

sind noch weitere Faktoren<br />

von Bedeutung: Allen <strong>vor</strong>an<br />

die Restfeuchtigkeit, mit der<br />

die Wäsche aus der Waschmaschine<br />

kommt. Diese<br />

ist umso geringer, je höher<br />

zu<strong>vor</strong> die Drehzahl beim<br />

Schleudern war. Ob mit 1000<br />

oder 1400 Touren geschleudert<br />

wird, macht anschließend<br />

beim Stromverbrauch<br />

des Trockners einen Unterschied<br />

von 0,5 bis 1,5 Kilowattstunden<br />

aus.<br />

Eine noch bessere Energiebilanz<br />

als Wärmepumpen-<br />

Trockner hätten gasbeheizte<br />

Wäschetrockner, wie sie in<br />

Skandinavien und den USA<br />

verbreitet sind. In Deutschland<br />

allerdings sind diese<br />

kaum erhältlich.<br />

Und wie sieht es aus mit<br />

den Waschtrocknern, jenen<br />

Waschmaschinen mit integrierter<br />

Trocknerfunktion?<br />

Diese etwas teureren Geräte<br />

sind nur dort eine Alternative,<br />

wo es wegen räumlicher<br />

Enge gar nicht anders geht.<br />

Zwar gibt es auch erste Kom-<br />

Kondensatbehälter<br />

bi-Geräte mit Wärmepumpe,<br />

doch bei einem Defekt<br />

fallen häufig beide Funktionen<br />

aus. Und wenn sich bei<br />

einem Geräteteil eine Reparatur<br />

nicht mehr lohnt, muss<br />

auch das andere – eigentlich<br />

noch intakte – Teil durch ein<br />

neues Gerät mit ersetzt werden.<br />

Wichtiger Tipp: Auch bei<br />

Trocknern mit Wärmepumpe<br />

entweicht ein Teil der<br />

Feuchtigkeit in die Umgebung.<br />

Deshalb muss der<br />

Raum, in dem der Trockner<br />

arbeitet, unbedingt gut belüftet<br />

werden, um Schimmel<br />

an den Wänden zu vermeiden.<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: © Adrian Hillman - Fotolia.com<br />

Kondensat<br />

Prozessluft<br />

Wärmepumpe<br />

Kältemittelkreislauf<br />

Quelle: Stiftung Warentest, Grafik: Köber


8 TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

Grafik: Köber<br />

<strong>Klima</strong>schutz<br />

à la Carte<br />

Können wir den Treibhauseffekt einfach abbestellen?<br />

Herstellung, Transport<br />

und Verarbeitung von<br />

Lebensmitteln haben einen<br />

erheblichen Anteil an<br />

der weltweiten Produktion<br />

klimaschädlicher Gase.<br />

Wie man sich ernährt,<br />

trägt also maßgeblich<br />

zum individuellen CO 2 -<br />

Fußabruck bei, den jeder<br />

von uns hinterlässt. Aber<br />

welche Nahrungsmittel<br />

haben eine günstige,<br />

welche eine schlechte<br />

<strong>Klima</strong>bilanz? Eine Spurensuche<br />

mit Überraschungseffekten.<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

9


10 TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

Herr Sorglos hat es sich an<br />

diesem Abend wieder einmal<br />

einfach gemacht. Auf<br />

der Heimfahrt von der Arbeit<br />

hat er beim Discounter<br />

auf der grünen Wiese einen Zwischenstopp<br />

eingelegt und packt seine Einkäufe aufs<br />

Laufband der Kasse: vier Tiefkühl-Pizzen<br />

fürs Abendessen der Familie, dazu ein paar<br />

Tomaten und einen Kopfsalat aus Holland<br />

und für den gemütlichen Leseabend noch<br />

eine Flasche vom chilenischen Rotwein. Für<br />

Frau Nachhalt käme so ein Einkauf nicht<br />

in Frage. Sie kauft stets frisch beim kleinen<br />

Hofladen zwei Dörfer weiter ein. Ein Landwirt<br />

bietet dort seine eigenen Produkte und<br />

etliche von Kollegen aus der Region zugekaufte<br />

Lebensmittel an. Milch, Käse, Mehl,<br />

Eier und ein frisch geschlachtetes Huhn holt<br />

sich Frau Nachhalt heute.<br />

Ungefähr 20 Prozent aller Treibhausgase,<br />

die statistisch jeder Einwohner Deutschlands<br />

verursacht, hängen mit Speis’ und<br />

Trank zusammen. Die Produktion der Lebensmittel,<br />

ihr Transport, ihre Lagerung<br />

und schließlich ihre Zubereitung sorgen damit<br />

für ebenso viel Emissionen wie alle Verkehrsströme<br />

im Land zusammen. Es lohnt<br />

also, sich beim Blick auf den <strong>Klima</strong>schutz<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Ungefähr 20<br />

Prozent aller<br />

Treibhausgase,<br />

die statistisch<br />

jeder Einwohner<br />

Deutschlands<br />

verursacht, hängen<br />

mit Speis’<br />

und Trank zusammen.<br />

auch mit der Ernährung zu beschäftigen.<br />

An Ratgebern und Rezepten ist kein Mangel,<br />

bei näherer Betrachtung produzieren einige<br />

davon allerdings ziemlich ungenießbare<br />

<strong>Klima</strong>-Menüs. Denn in Zeiten einer weitgehend<br />

industrialisierten und globalisierten<br />

Nahrungsmittelproduktion sind die Auswirkungen<br />

auf Umwelt, <strong>Klima</strong> und Nachhaltigkeit<br />

äußerst komplex. Unter bestimmten<br />

Voraussetzungen kann der Einkauf im Hofladen<br />

eher zum <strong>Klima</strong>killer werden als die<br />

Tiefkühlpizza. Produkte aus regionaler und<br />

ökologischer Produktion sind nicht automatisch<br />

klimaschonend. Und dass ausgerechnet<br />

Butter die schlechteste CO 2 -Bilanz<br />

aller Lebensmittel hat, ahnen wohl nur wenige<br />

Kunden am Kühlregal.<br />

Wiederkäuer schlecht fürs <strong>Klima</strong><br />

Gut zu wissen, dass es immerhin einige<br />

Faustregeln gibt, denen alle Experten zustimmen.<br />

Eine davon ist: Obst, Gemüse,<br />

pflanzliche Öle und Getreideerzeugnisse<br />

verursachen prinzipiell sehr viel weniger<br />

<strong>Klima</strong>probleme als Lebensmittel, die tierischen<br />

Ursprungs sind (siehe Grafik auf<br />

Seite 15). Anstelle täglichen Fleischkonsums<br />

„müssen wir zurück zum Sonntagsbraten“,<br />

fordert deshalb nicht nur Thilo Bode vom<br />

Bild: uschi dreiucker /pixelio.de<br />

Verein „Foodwatch“. Auch die Deutsche<br />

Gesellschaft für Ernährung (DGE) fasst ihre<br />

Empfehlungen – übrigens auch unter gesundheitlichen<br />

Aspekten – ähnlich zusammen:<br />

„Ein- bis zweimal in der Woche Fisch.<br />

Fleisch, Wurstwaren und Eier in Maßen.“<br />

Eine überwiegend vegetarische Ernährung<br />

ist aber für sich genommen noch keine<br />

<strong>Klima</strong>schutzversicherung. Gerade Milch<br />

und manche Milchprodukte, allen <strong>vor</strong>an<br />

Butter, stehen in der Liste der Verursacher<br />

klimaschädlicher Gase weit oben. „Milch<br />

und Fleisch machen wirklich einen Unterschied“,<br />

sagt Alexander Popp vom Potsdamer<br />

Institut für <strong>Klima</strong>folgenforschung.<br />

Wiederkäuer wie Rinder, aber auch Schafe<br />

und Ziegen erzeugen bei der Verdauung<br />

Methan. Weil für die Produktion von<br />

Fleisch und Milch viel Futtermittel eingesetzt<br />

wird, wird auch viel Dünger benötigt,<br />

der wiederum Lachgas freisetzt. Beide Gase<br />

fördern den Treibhauseffekt noch viel stärker<br />

als Kohlendioxid (siehe Stichwort: CO 2 -<br />

Äquivalent). Deshalb belastet zum Beispiel<br />

Rindfleisch das <strong>Klima</strong> dreimal so stark wie<br />

Schweine- oder Geflügelfleisch.<br />

Damit ist ein Teil des Rätsels gelöst, weshalb<br />

der Einkauf von Herrn Sorglos im<br />

obigen Beispiel unter <strong>Klima</strong>schutzaspekten<br />

Eine überwiegendvegetarischeErnährung<br />

ist aber für<br />

sich genommen<br />

noch keine <strong>Klima</strong>schutzversicherung.<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

womöglich dem von Frau Nachhalt <strong>vor</strong>zuziehen<br />

wäre. Falls die von ihm gekauften<br />

Pizzen keine Fleischanteile enthalten, fallen<br />

für deren Herstellung deutlich weniger<br />

Emissionen an als für die tierischen und aus<br />

Milch hergestellten Produkte im Beispiel-<br />

Warenkorb des Hofladens. Sollten also alle<br />

Menschen Veganer werden und auf sämtliche<br />

Produkte tierischer Herkunft gänzlich<br />

verzichten, um das <strong>Klima</strong> zu retten? So weitgehende<br />

Forderungen stellt kein <strong>Klima</strong>forscher<br />

auf. Aber es gibt noch einige Überraschungen.<br />

Regional nicht automatisch besser<br />

Dazu gehört, dass regionale Lebensmittel<br />

nicht generell ökologisch besser sind, weil<br />

sie regional angebaut werden. So lautet das<br />

Ergebnis einer Untersuchung des Instituts<br />

für Energie- und Umweltforschung (IFEU)<br />

in Heidelberg. In den Wintermonaten habe<br />

zum Beispiel ein Kopfsalat aus Spanien<br />

eine bessere <strong>Klima</strong>gas- und Energiebilanz<br />

als ein regional im beheizten Gewächshaus<br />

produzierter Salatkopf, hat das IFEU festgestellt.<br />

Elmar Schlich, Inhaber einer Professur<br />

für Prozesstechnik in Lebensmittel- und<br />

Dienstleistungsbetrieben an der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen, hat den Begriff der<br />

Bild: Jerzy Sawluk / pixelio.de, Effekte: Rolf Köber<br />

11


12<br />

Bild: © Gina Sanders - Fotolia.com<br />

TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

„Ecology of Scale“ geprägt, also einer Ökologie<br />

des Maßstabs. Er kommt aufgrund<br />

mehrerer Studien zu dem Ergebnis, dass<br />

„Lebensmittel aus der Region nur dann<br />

umweltfreundlich sind, wenn die dahinter<br />

stehende Größe der Produktions- und<br />

Transportbetriebe ausreichend bemessen“<br />

sei. Diese Aussage berücksichtige alle Aufwendungen<br />

für kontinentale oder globale<br />

Transporte, die in aller Regel per Containerschiff,<br />

Bahn und Lkw durchgeführt würden.<br />

„Die häufig vermuteten Vorteile der kurzen<br />

Transportwege innerhalb einer Region können<br />

bei zu geringen Betriebsgrößen durch<br />

Mängel in der Logistik und durch zu kleine<br />

Transportmittel mit geringer Auslastung<br />

sehr schnell zunichte gemacht werden“,<br />

sagt Professor Schlich.<br />

Kleine landwirtschaftliche Betriebe und<br />

Direktvermarkter müssen aber trotzdem<br />

nicht aufs <strong>Klima</strong>sünder-Bänkchen: „In allen<br />

untersuchten Fallbeispielen haben wir<br />

einheimische landwirtschaftliche Betriebe<br />

gefunden, welche die klimarelevanten Mindestbetriebsgrößen<br />

überschreiten. Und<br />

für einzelne Betriebe, bei denen das nicht<br />

der Fall ist, empfehlen wir die Bildung von<br />

Genossenschaften und Vertriebskooperationen.<br />

Auch dafür gibt es her<strong>vor</strong>ragende<br />

Beispiele in deutschen Landen.“<br />

Rindfleisch belastet<br />

das <strong>Klima</strong><br />

dreimal so stark<br />

wie Schweine-<br />

oder Geflügelfleisch.<br />

Flugware vermeiden<br />

Deshalb ist für den Wissenschaftler der<br />

Einkauf im Supermarkt tendenziell die<br />

richtige Entscheidung. „Nach unseren<br />

Feststellungen sind die <strong>vor</strong>gelagerten Prozessketten<br />

beim gut sortierten Lebensmittel-Einzelhändler<br />

immer von solcher Größe,<br />

dass gute Logistik und hohe Effizienz dahinter<br />

stehen“, begründet er. Ausnahmen<br />

stellen allerdings verderbliche Frischwaren<br />

wie Fisch aus Südostasien oder Flugtee aus<br />

Nepal dar, die per Flugzeug zu uns kommen<br />

und eine erheblich schlechtere <strong>Klima</strong>bilanz<br />

aufweisen. „Ich würde mir wünschen, dass<br />

‚Flug-Lebensmittel’ als solche ausgezeichnet<br />

werden“, meint Schlich.<br />

Um zu verdeutlichen, wie groß die Auswirkungen<br />

der individuellen Ernährungsweise<br />

auf den Ausstoß an Treibhausgasen sind,<br />

hat Foodwatch einen Vergleich mit Autokilometern<br />

errechnet. Danach entspricht<br />

die Ernährung eines Menschen, der kein<br />

Fleisch und keine Milchprodukte zu sich<br />

nimmt und seine Lebensmittel aus bio-logischem<br />

Anbau bezieht, im Jahr einer Autofahrt<br />

von 281 Kilometern. Der „Allesfresser“,<br />

dessen Nahrungsmittel komplett aus<br />

konventioneller Landwirtschaft stammen,<br />

verursacht hingegen so viele Treibhausgase<br />

wie 4758 Auto-Kilometer. Zugespitzt fassen<br />

»Lebensmittel aus<br />

der Region sind nur<br />

dann umweltfreundlich,<br />

wenn die dahinter<br />

stehende Größe der<br />

Produktions- und Transportbetriebeausreichend<br />

bemessen ist.«<br />

Elmar Schlich,<br />

Professor für Prozesstechnik in Lebensmittel-<br />

und Dienstleistungsbetrieben an der<br />

Universität Gießen<br />

die Foodwatch-Autoren das Ergebnis so zusammen:<br />

„Veganer dürfen Porsche fahren.“<br />

Die letzten Kilometer zählen<br />

Doch nicht nur das Produkt, auch der<br />

Endverbraucher entscheidet mit seinem<br />

Verhalten über die Größe des CO 2 -Fußabdrucks,<br />

der mit dem Konsum einhergeht.<br />

Die letzten Kilometer der Transportkette<br />

bis in den heimischen Kühlschrank oder<br />

in die Speisekammer spielen eine große<br />

Rolle. „Laut Statistik nutzen 83 Prozent aller<br />

Endverbraucher den privaten Pkw für<br />

den Einkauf und legen dabei im Schnitt<br />

2.600 Kilometer pro Jahr zurück“, zitiert<br />

Professor Schlich eine ganz aktuelle Studie.<br />

Aus Sicht des <strong>Klima</strong>schutzes sei ein<br />

Einkauf im Hofladen, auf dem Wochenmarkt<br />

oder beim Landwirt direkt nur dann<br />

akzeptabel, wenn Fahrrad oder öffentliche<br />

Verkehrsmittel zum Einsatz kommen oder<br />

„die zurückgelegte Entfernung mit dem<br />

Pkw weniger als fünf Kilometer, besser<br />

noch weniger als zwei Kilometer“ betrage.<br />

„Vorratseinkäufe in Kombination mit anderen<br />

Wegen wie die Fahrt zur Arbeit sind<br />

grundsätzlich von Vorteil“, so der Forscher<br />

aus Gießen.<br />

Das bestätigt auch das IFEU-Institut.<br />

CO 2 - Äquivalent<br />

Für den <strong>Klima</strong>wandel sind<br />

<strong>vor</strong> allem die Treibhausgase<br />

Kohlendioxid (CO 2 ),<br />

Methan (CH 4 ) und Lachgas<br />

(N 2 O) verantwortlich.<br />

Dabei ist der Treibhaus-Effekt<br />

von Lachgas etwa 300<br />

mal und der von Methan<br />

rund 20 mal größer als der<br />

von Kohlendioxid. Lachgas<br />

und Methan entstehen<br />

insbesondere bei intensiver<br />

Viehhaltung. Ihre Wirkung<br />

wird für Stoffstrom- und<br />

Ökobilanzen nach ihrer <strong>Klima</strong>wirkung<br />

gewichtet, um<br />

vergleichbare Ergebnisse<br />

bei der Entstehung unterschiedlicher<br />

Gase während<br />

eines Produktionsprozesses<br />

zu erhalten. Umgerechnet<br />

entspricht dann zum<br />

Beispiel ein Kilogramm<br />

Lachgas 300 Kilogramm<br />

Kohlendioxid-Äquivalent.<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

Das Gewicht des „ökologischen Rucksacks“<br />

eines Lebensmittels entscheidet sich für die<br />

Wissenschaftler aus Heidelberg sogar überwiegend<br />

auf der letzten Etappe. „Fährt der<br />

Verbraucher ausschließlich zum Kauf des<br />

Lebensmittels mit dem Auto zum Handel,<br />

spielt die eigentliche Produktion des Lebensmittels<br />

nur noch eine untergeordnete<br />

Rolle. Damit macht er letztlich alle Vorteile<br />

einer ökologisch sinnvollen Erzeugung wieder<br />

zunichte“, lautet ihre Erkenntnis.<br />

So betrachtet hat Herr Sorglos in unserem<br />

Beispiel vieles richtig gemacht. Frau Nachhalt<br />

hingegen muss erkennen, dass auch<br />

beim <strong>Klima</strong>schutz gilt: Gut gemeint ist<br />

nicht unbedingt gut gemacht. Allerdings<br />

ist <strong>Klima</strong>schutz nur ein Aspekt, wenn es<br />

um Nachhaltigkeit geht – wenn auch ein<br />

wichtiger. Wer beim Landwirt <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> kauft,<br />

spart womöglich dadurch kaum CO 2 ein,<br />

unterstützt dafür aber den Erhalt der Kulturlandschaft<br />

und die regionale Wertschöpfung.<br />

Wer zu Bio-Lebensmitteln greift, tut<br />

dies häufig auch, weil ihm an einer artgerechten<br />

Haltung von Tieren und an der<br />

Vermeidung von Umweltgiften gelegen ist.<br />

Diese Ziele gehören ebenso zu einem umfassenden<br />

Konzept der Nachhaltigkeit wie<br />

der <strong>Klima</strong>schutz.<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: Wolfgang Dirscherl / pixelio.de<br />

13


14<br />

TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

Kein<br />

Frostschaden<br />

fürs <strong>Klima</strong><br />

Im September hat das<br />

Öko-Institut e.V. das<br />

Ergebnis einer <strong>Klima</strong>bilanz-Studie<br />

zum Thema<br />

Tiefkühlkost veröffentlicht.<br />

Bereichsleiter Carl-Otto Gensch<br />

fasst das Resultat so<br />

zusammen: „Tiefkühlprodukte<br />

gelten häufig als klimaschädlich.<br />

Die Ergebnisse der von<br />

uns durchgeführten Studie<br />

zeigen jedoch, dass die <strong>Klima</strong>bilanzen<br />

von Tiefkühlkost und<br />

ihren Vergleichsprodukten auf<br />

einem Niveau sind.“ Exemplarisch<br />

untersucht hat das Öko-<br />

Institut fünf Produkte, die sich<br />

gut mit gekühlten, ungekühlten<br />

und selbst zubereiteten<br />

Varianten vergleichen lassen:<br />

Weizenbrötchen, Hühnerfrikassee,<br />

Erbsen, Salamipizza<br />

und Kartoffelpuffer. Bei allen<br />

Waren zeigte die <strong>Klima</strong>bilanz,<br />

dass die Rezeptur und die Zubereitung<br />

beim Endverbraucher<br />

den weitaus größten<br />

Einfluss auf die CO2-Bilanz<br />

haben. Transport und Lagerung<br />

haben einen sehr viel<br />

geringeren Anteil. Bei Hühnerfrikassee<br />

und Pizza liegt<br />

er zum Beispiel bei lediglich<br />

zwei beziehungsweise sechs<br />

Prozent an der Gesamtbilanz.<br />

<strong>Klima</strong>bilanz von Tiefkühlprodukten<br />

Produktkategorie Komplett-Fertiggerichte: Frikassee<br />

Einflussfaktoren entlang<br />

des Produktionsweges<br />

(in Gramm Kohlendioxid-Äquivalente pro 100 Gramm Ware, g CO 2 -e<br />

Rohwarenbereitstellung<br />

= 139g CO 2 -e<br />

Tiefkühlfrikasse im Vergleich mit<br />

anderen Angebotsformen<br />

224g 219g<br />

bis<br />

242g<br />

62% 31%<br />

237g<br />

tiefgekühlt ungekühlt selbst<br />

zubereitet<br />

Distribution<br />

= 5g CO 2 -e<br />

2%<br />

4%<br />

1% P<br />

Produktion<br />

= 3g CO 2 -e<br />

Verbraucher:<br />

Einkaufsfahrt, Zubereitung<br />

Spülen = 69g CO 2 -e<br />

Herstellung der<br />

Verpackungsmaterialien<br />

= 8g CO 2 -e<br />

Quelle: Öko-Institut, Grafik: Köber<br />

Bio oder konventionell?<br />

Ökologisch erzeugte Lebensmittel<br />

sind gut für<br />

die Umwelt und damit<br />

auch fürs <strong>Klima</strong>. Das denken<br />

wohl die meisten Verbraucher,<br />

wenn sie zu Bio-Nahrungsmitteln<br />

greifen. Das stimmt<br />

zwar meistens, aber nicht in<br />

allen Fällen. Gerade wenn es<br />

um <strong>Klima</strong>schutz-Fragen geht,<br />

streiten sich die Experten über<br />

diesen Punkt. Das Bundesumweltministerium<br />

präsentiert<br />

eine Gegenüberstellung von<br />

konventionell und ökologisch<br />

erzeugten Produkten, bei denen<br />

die Bio-Variante in Sachen<br />

Treibhausgase überall besser<br />

abschneidet – wenn auch in<br />

den meisten Kategorien nur<br />

knapp (siehe Grafik). Der Verein<br />

Foodwatch hingegen zieht aus<br />

einem Gutachten des Instituts für ökologische<br />

Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin eine ganz<br />

andere Schlussfolgerung. „Größter <strong>Klima</strong>sünder:<br />

der Bio-Rindfleisch-Esser“ lautet die Foodwatch-<br />

Schlagzeile. Im Vergleich zur konventionellen<br />

Landwirtschaft um mehr als 50 Prozent höher<br />

sind nach dieser Studie die klimarelevanten Emissionen<br />

aus Bio-Betrieben bei der Rindfleischerzeugung.<br />

Die unterschiedliche Beurteilung macht ein Methodenproblem<br />

von <strong>Klima</strong>bilanzen sichtbar. Auf<br />

vielen Öko-Bauernhöfen ist die Fleischerzeugung<br />

ein Nebenprodukt der Milchviehhaltung. Damit<br />

eine Milchkuh die gewünschte Milchmenge<br />

liefert, bringt sie jährlich ein Kalb zur Welt. Die<br />

männlichen Kälber und überzählige weibliche<br />

Tiere werden gemästet und später geschlachtet.<br />

Forscher, die eine Studie zur <strong>Klima</strong>bilanz machen,<br />

müssen nun den Gesamtausstoß an klimaschädlichen<br />

Gasen auf die Milch- und die Fleischerzeugung<br />

verteilen. Zustande kommt der beispielsweise<br />

aus der extensiven Bewirtschaftung von<br />

Grünflächen, dem Einsatz von Gülle zur Düngung<br />

und die längere Mastdauer in der Biolandwirtschaft.<br />

Die Zuordnung kann allerdings anhand unterschiedlicher<br />

Kriterien <strong>vor</strong>genommen werden<br />

– womit sich auch das Ergebnis ändert.<br />

Entscheidend ist auch, welche Überlegungen<br />

überhaupt in die Rechnung einbezogen werden.<br />

Das betont die Tierärztin Anita Idel, Mitgründerin<br />

der Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung<br />

und Autorin des im vergangenen Jahr erschienen<br />

Buches „Warum Kühe keine <strong>Klima</strong>killer sind“.<br />

Dauerbegrüntes Land, wie es für die ökologische<br />

Landwirtschaft benötigt werde, speichere große<br />

Mengen Kohlenstoff in den Graspflanzen, <strong>vor</strong><br />

allem aber im Boden, argumentiert sie. Nachhaltige<br />

Beweidung fördere zudem die Humusbildung,<br />

und jede Tonne zusätzlicher Humus im<br />

Boden entlaste die Atmosphäre um mehr als 1,8<br />

Tonnen CO 2 . „Bei näherem Hinsehen erweisen<br />

sich manche Kuh und mancher Bauernhof mit<br />

nachhaltiger Grünland-Nutzung plötzlich als lupenreine<br />

<strong>Klima</strong>schützer“, ist sie überzeugt.<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Butter<br />

Rindfleisch<br />

Käse<br />

Sahne<br />

Pommes frites<br />

tiefgekühlt<br />

Geflügelfleisch<br />

Schweinefleisch<br />

Quark,<br />

Frischkäse<br />

Eier<br />

Joghurt<br />

Milch<br />

Teigwaren<br />

Brot<br />

Tomaten frisch<br />

Kartoffeln frisch<br />

Gemüse frisch<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

23.794<br />

22.089<br />

13.311<br />

11.374<br />

8.512<br />

7.951<br />

7.631<br />

7.106<br />

5.728<br />

5.568<br />

3.508<br />

3.039<br />

3.252<br />

3.039<br />

1.929<br />

1.804<br />

1.931<br />

CO -Äquivalente in g je kg Produkt<br />

2<br />

nach Anbauweise<br />

1.542<br />

Konventioneller Anbau<br />

1.231<br />

1.159<br />

940<br />

883<br />

919<br />

770<br />

768<br />

653<br />

339<br />

228<br />

199<br />

138<br />

153<br />

Ökologischer Anbau<br />

130 5 000 10 000 15 000 20 000 25 000<br />

Quelle: Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, Grafik: Köber 15


egional<br />

16<br />

Bild: Oliver Giers<br />

TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Energiesparen macht Schule<br />

Die Energiepreise steigen und steigen – die Bereitschaft junger<br />

Menschen, sorgfältig mit Ressourcen umzugehen, aber auch. An<br />

der Justus-von-Liebig-Schule (Haus- und Landwirtschaftliche Schule)<br />

in Aalen wird die zukünftige Generation von Köchen und Hotelfachpersonal<br />

für dieses Thema sensibilisiert und lernt dort den<br />

verantwortungsvollen Umgang mit Energie in Theorie und Praxis.<br />

Text: Kathrin Stuba<br />

Beim Betreten der großzügigen<br />

Schulküche schlägt<br />

einem eine Wolke verführerischer<br />

Düfte entgegen. Die<br />

Schüler der zweijährigen Berufsfachschule<br />

für Ernährung und Gastronomie<br />

sind gerade dabei, für ihr Projekt<br />

„Provence“ ein mehrgängiges Menü<br />

zu zaubern. Semmelknödel mit Champignonragout<br />

und Gemüsefrikassee<br />

stehen heute auf dem Speiseplan, als<br />

Nachtisch gibt es Zitronen-Joghurtcreme<br />

mit Apfelsalat. Und inmitten<br />

ihrer Schüler steht Carmen Fehr, Technische<br />

Oberlehrerin und Herrin der<br />

Küche. Die gelernte Köchin behält<br />

auch in brenzligen Situationen den<br />

Überblick und ist sichtlich stolz auf ihr<br />

gepflegtes Reich.<br />

„Die Ausstattung unserer Schulküche<br />

hat sich seit dem Neubau im Jahr<br />

2006 gravierend verbessert“, erzählt<br />

sie, während sie einen ihrer Schüler<br />

anweist, den Deckel auf den Topf mit<br />

dem Knödelwasser zu setzen. „Wir haben<br />

nun viel bessere Voraussetzungen,<br />

um Energie einzusparen. Die alten<br />

Elektrogeräte wurden nach und nach<br />

durch neue ersetzt und haben einen<br />

deutlich geringeren Stromverbrauch.<br />

Ich achte beim Kauf auf Qualität, die<br />

Energieeffizienzklasse A++ ist dabei<br />

ein Muss.“<br />

Dieses umsichtige Denken wurde<br />

überall in der Küche umgesetzt. Neben<br />

der gewerblichen Spülmaschine,<br />

die durch ihre sehr kurze Laufzeit der<br />

Freund jedes Stromzählers ist, befindet<br />

sich ein neuer Umluftgefrierschrank,<br />

dessen Energieverlust bei<br />

häufigem Öffnen deutlich gegenüber<br />

den herkömmlichen Geräten reduziert<br />

ist. Auch ein moderner Umluftofen<br />

wurde angeschafft, bei dem kein Vorheizen<br />

mehr nötig ist und in dem bis<br />

zu zehn Backbleche gleichzeitig ihren<br />

Platz finden.<br />

„Unsere neueste Anschaffung ist<br />

eine Großwaschmaschine. Mit diesem<br />

Gerät reicht ein einziger Waschgang<br />

am Tag aus, um die gesamte Wäsche<br />

der Schule zu waschen“, erklärt Carmen<br />

Fehr, während sie den Inhalt der<br />

Töpfe kontrolliert. Die Knödel ziehen<br />

inzwischen im Wasser und die Hauswirtschaftslehrerin<br />

erinnert ihre Schüler<br />

daran, sich langsam um das Beilagengemüse<br />

zu kümmern. Das wird<br />

von ihren Schülern grundsätzlich „ a<br />

Qualitativ hochwertige<br />

und saisonale<br />

Lebensmittel aus<br />

der Region zeichnen<br />

sich letztendlich<br />

nicht nur durch ihren<br />

Geschmack aus,<br />

sondern sparen auch<br />

Energie.<br />

la minute“ gegart. Dadurch wird der<br />

Geschmack erhalten und Strom wird<br />

durch unnötiges Warmhalten auch<br />

nicht verschwendet.<br />

Schon in der ersten Unterrichtseinheit<br />

am Anfang der Ausbildung beginnt<br />

Carmen Fehr das Energiebewusstsein<br />

der Schüler mit einem Test zu schulen.<br />

„Wir vergleichen die Zeitspanne, die<br />

eine bestimmte Wassermenge bis zu<br />

ihrem Siedepunkt benötigt und zwar<br />

auf dem Elektro-, dem Gas-und dem<br />

Induktionsherd. Eindeutiger Sieger ist<br />

dabei die Induktion.“<br />

In der Zwischenzeit haben die Schüler<br />

damit begonnen, den Nachtisch<br />

anzurichten. Die Äpfel für den Salat<br />

stammen aus dem eigenen Garten<br />

und wurden in einer Schüleraktion<br />

gesammelt und fachgerecht gelagert.<br />

Die Zitronenmelisse für die Dekoration<br />

des Nachtischs wächst im Kräu-<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

terhochbeet nebenan. Was nicht aus<br />

dem schuleigenen Garten stammt,<br />

wird ausschließlich bei Erzeugern aus<br />

der Region gekauft. „Wir legen großen<br />

Wert auf regionale und saisonale Produkte“,<br />

stellt die engagierte Lehrerin<br />

klar. „Die Schüler müssen lernen, dass<br />

nicht nur ökonomische, sondern auch<br />

ökologische Kriterien bei der Speisezubereitung<br />

für unsere Zukunft eine<br />

große Rolle spielen.“<br />

Diese Themen finden an der Hauswirtschaftlichen<br />

Schule nicht nur<br />

in der Praxis ihre Anwendung, sondern<br />

sind auch ein wesentlicher Teil<br />

des Lehrplans und am Ende sogar<br />

prüfungsrelevant. „Wer bei der Abschlussprüfung<br />

Maßnahmen zum<br />

Energiesparen außer Acht lässt und<br />

verschwenderisch mit Rohstoffen umgeht,<br />

wird dies deutlich in seiner Benotung<br />

zu spüren bekommen.“<br />

Nachdem auch der Hauptgang mit<br />

den Knödeln und dem Gemüse seinen<br />

Weg auf die Teller gefunden hat, zieht<br />

die erfahrene Hauswirtschaftlerin Fehr<br />

ihr Resümee. „Qualitativ hochwertige<br />

und saisonale Lebensmittel aus der Region<br />

zeichnen sich letztendlich nicht<br />

nur durch ihren Geschmack aus, sondern<br />

sparen auch Energie in der Produktion<br />

und durch kurze Lieferwege.<br />

Und wer dann bei ihrer Zubereitung<br />

noch einfache Regeln wie das Schließen<br />

von Kochgefäßen, das Vermeiden<br />

von überflüssigem Warmhalten der<br />

Speisen oder den unnötigen Betrieb<br />

der Elektrogeräte vermeidet, wird dies<br />

positiv bei der nächsten Stromrechnung<br />

zu spüren bekommen.“ Nach<br />

dem gemeinsamen Essen liegt <strong>vor</strong> den<br />

Schülern nun nur noch der Abwasch:<br />

mit der sparsamen Spülmaschine, deren<br />

Warmwasser von den Solarzellen<br />

auf dem Dach aufbereitet wird.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

regional<br />

17


18<br />

Bild: © Patryssia - Fotolia.com<br />

TITELTHEMA KLIMASCHUTZ à la Carte<br />

Tonnenweise in die Tonne<br />

Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel werden weggeworfen.<br />

Allein in Deutschland landen jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel<br />

im Müll. Das ist nicht nur unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten ein Skandal,<br />

sondern auch schädlich fürs <strong>Klima</strong>.<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

Würden nur halb so viele<br />

Lebensmittel weggeworfen<br />

wie derzeit,<br />

dann ließen sich dadurch<br />

ebenso viele <strong>Klima</strong>gase vermeiden<br />

wie dadurch, dass man weltweit<br />

jedes zweite Auto stilllegt. Das<br />

behauptet zumindest Valentin Thurn<br />

in seinem Kinofilm „Taste the Waste“,<br />

der in diesem Jahr viel Aufsehen erregt<br />

hat. Nahezu zeitgleich stellte Bundesverbraucherministerin<br />

Ilse Aigner eine<br />

aktuelle Studie über Lebensmittelabfälle<br />

in Deutschland <strong>vor</strong>, die von der<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Universität Stuttgart erstellt worden<br />

war. Danach wandern hierzulande jedes<br />

Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel<br />

pro Person im Wert von 235 Euro in<br />

Mülltonnen oder Komposter.<br />

Das Ministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

startete mit der Präsentation<br />

dieser Studie eine Kampagne unter<br />

dem Titel „Zu gut für die Tonne!“.<br />

Umfangreiches Informationsmaterial<br />

gibt es unter www.zugutfuerdietonne.<br />

de. Dass Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

abgelaufen ist,<br />

nicht automatisch weggeworfen werden<br />

müssen, ist dort ebenso nachzulesen<br />

wie Tipps zum sinnvollen Einkauf<br />

oder zur richtigen Lagerung von<br />

Lebensmitteln. Die Kampagne rückt<br />

Privathaushalte in den Fokus. Laut<br />

Studie entstehen dort 61 Prozent der<br />

vermeidbaren Lebensmittelabfälle,<br />

während Industrie und Großverbraucher<br />

für jeweils 17 Prozent und die<br />

Einzelhändler für fünf Prozent verantwortlich<br />

sind. Zu dieser Sichtweise gibt<br />

es allerdings auch kritische Stimmen.<br />

Greenpeace weist zum Beispiel darauf<br />

hin, dass die bereits beim Erzeuger<br />

aussortierten Lebensmittel, die bestimmten<br />

Normen oder Vorgaben des<br />

Handels nicht entsprechen, in der Studie<br />

nicht berücksichtigt wurden.<br />

Regisseur Valentin Thurn hat es<br />

nicht bei seiner cineastischen Mahnung<br />

belassen. „Innerhalb von nur<br />

zwei Generationen haben wir uns zu<br />

einem Volk von Verschwendern entwickelt“,<br />

klagt er und hat gemeinsam<br />

mit Sebastian Engbrocks die Website<br />

www.foodsharing.de ins Leben gerufen.<br />

Derzeit läuft die Seite noch im<br />

Testbetrieb mit einem geschlossenen<br />

Benutzerkreis. In Kürze kann hier jeder<br />

seine Lebensmittel, die zum Beispiel<br />

<strong>vor</strong> einer Urlaubsreise im Kühlschrank<br />

übrig sind, per Computer<br />

oder Smartphone möglichen Interessenten<br />

kostenlos anbieten. Zunächst<br />

richtet sich das Angebot an Privatpersonen,<br />

später sollen aber auch Landwirte<br />

und Supermärkte mitmachen.<br />

Ein Bewertungssystem soll seriöse<br />

und weniger seriöse Teilnehmer des<br />

Projekts erkennbar machen.<br />

Damit eine wirklich rege Kultur<br />

des Teilens über das Portal<br />

entsteht, strebt Thurn eine<br />

große Zahl von Nutzern an:<br />

„Wir wollen mindestens eine<br />

Million Foodsharer in Deutschland,<br />

denn wir brauchen eine lebendige<br />

Community, die ausstrahlt. Das<br />

Projekt wird entweder ganz groß<br />

– oder es funktioniert nicht“,<br />

sagte er im Interview mit der<br />

<strong>Zeitschrift</strong> Geo. Interesse<br />

scheint jedenfalls <strong>vor</strong>handen:<br />

Finanziert<br />

wurde die 10.000<br />

Euro teure Programmierung<br />

der<br />

Seite über Kleinspenden, die ü b e r<br />

das Crowdfunding-Portal „Startnext“<br />

zusammenkamen.<br />

Wer wirft wie viel weg?<br />

Verteilung der Lebensmittelabfälle nach Bereichen der Nahrungsmittelkette<br />

Quelle: Studie der Universität Stuttgart (<strong>2012</strong>), gefördert durch das<br />

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)<br />

Was werfen wir weg?<br />

KLIMASCHUTZ à la Carte TITELTHEMA<br />

Verteilung der vermeidbaren und teilweise<br />

vermeidbaren Lebensmittelabfälle aus Haushalten<br />

nach Produktgruppen<br />

Quelle: Studie der Universität Stuttgart (<strong>2012</strong>), gefördert durch das Bundesministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

19


20<br />

ENERGIESPEICHER<br />

Bild: © SusaZoom - Fotolia.com<br />

Kapazitäten gesucht<br />

Sie werden immer mehr, und sie werden nicht<br />

wieder verschwinden: Anlagen, die Energie aus<br />

erneuerbaren Quellen gewinnen, liefern bereits<br />

mehr als zwölf Prozent der Energie, die in Deutschland<br />

verbraucht wird – Tendenz kräftig steigend.<br />

Doch wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht<br />

gebraucht wird?<br />

Text: Gerhard Schindler<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Sowohl Geothermie als<br />

auch Biogas können<br />

kontinuierlich produziert<br />

werden und zur so genannten<br />

Grundlast beitragen.<br />

Doch Strom aus Wind und<br />

Sonne ist starken Schwankungen<br />

unterworfen. Und ob<br />

das höchste Angebot in die<br />

Zeit des größten Verbrauchs<br />

fällt, ist eher Zufall. Deshalb<br />

wird die Rolle von Techniken<br />

fürs Energiespeichern immer<br />

wichtiger. Eine Auswahl.<br />

Pumpspeicher<br />

Die bislang einzige Technik,<br />

um Energie in größerem<br />

Stil zu speichern, ist die der<br />

Pumpspeicherkraftwerke (siehe<br />

Beitrag Seite 22). Sie ist seit<br />

fast hundert Jahren erprobt<br />

und funktioniert zuverlässig,<br />

erfordert jedoch das Anlegen<br />

größerer Seen, zwischen<br />

denen ein nennenswerter<br />

Höhenunterschied bestehen<br />

muss. Topografisch sinnvoll<br />

ist dies in Süddeutschland<br />

sowie in den Alpentälern Österreichs<br />

und der Schweiz.<br />

Genau dort wird derzeit in die-<br />

se Methode investiert – und<br />

es soll noch mehr werden: Im<br />

Mai starteten die Wirtschaftsminister<br />

der drei Länder eine<br />

gemeinsame Initiative zum<br />

Ausbau der Pumpspeicherkraft.<br />

Inzwischen wird jedoch<br />

auch in anderen Gegenden<br />

mit den Vorzügen dieser<br />

Technik geliebäugelt. Ließen<br />

sich nicht auch ausrangierte<br />

Bergwerke, etwa im Ruhrgebiet,<br />

auf diese Weise neu<br />

nutzen? Erste Projektstudien<br />

entstehen.<br />

Wärmespeicher<br />

Große Wärmespeicher<br />

dienen den Betreibern von<br />

Fernwärmenetzen als Puffer.<br />

Solange die Wärme nicht für<br />

Heizung und Brauchwasser<br />

abgerufen wird, kann<br />

sie im Fernwärmespeicher<br />

zwischengelagert werden –<br />

meist nachts, damit sie zur<br />

Morgenspitze zur Verfügung<br />

steht. Der größte und modernste<br />

Fernwärmespeicher<br />

Europas steht auf dem Gelände<br />

des Erdgas-Kraftwerks<br />

Theiß in Niederösterreich,<br />

er fasst 50.000 Kubikmeter<br />

Wasser. Der Versorger hat<br />

daran gut 5.000 Haushalte<br />

angeschlossen. Mit einem<br />

Pumpspeicherkraftwerk<br />

kann seine Kapazität dennoch<br />

nicht mithalten.<br />

In kleiner Form hat manch<br />

ein Bewohner einer älteren<br />

Immobilie eine ähnliche<br />

Technik noch in den Zimmern<br />

stehen: als Nachtspeicheröfen.<br />

In Zeiten, als es<br />

noch flächendeckend günstige<br />

Nachtstromtarife gab,<br />

um überschüssigen Grundlaststrom<br />

aus Kohle- und<br />

Kernkraftwerken loszuwer-<br />

Ob das höchste<br />

Angebot in die<br />

Zeit des größten<br />

Verbrauchs fällt,<br />

ist eher Zufall.<br />

den, schienen sie eine sinnvolle<br />

Idee. Nachts mit billigem<br />

Strom die Speicher aufheizen,<br />

tagsüber Wärme haben –<br />

dieses Prinzip gilt derzeit als<br />

überholt.<br />

Strom zu Gas<br />

Das Problem, einen Überschuss<br />

an erzeugtem Strom<br />

kurzfristig abspeichern zu<br />

können, beschäftigt auch<br />

jene Energieversorger, die<br />

fernab jeglicher Pumpspeichermöglichkeiten<br />

zuhause<br />

sind. Windräder drehen sich<br />

auch bei ihnen, Fotovoltaik<br />

liefert Sonnenstrom – und<br />

beides muss laut Gesetz <strong>vor</strong>rangig<br />

ins Netz eingespeist<br />

werden. Ein Dilemma. Eine<br />

neuartige Methode nennt<br />

sich „Power to Gas“. Dabei<br />

wird zunächst Wasser per<br />

Elektrolyse mit Öko-Strom<br />

in Wasserstoff und Sauerstoff<br />

zerlegt. In einem zweiten<br />

Schritt kann der so gewonnene<br />

Wasserstoff durch Reaktion<br />

mit Kohlendioxid in<br />

Methan umgewandelt werden.<br />

Beides kann dann in<br />

ein bestehendes Erdgasnetz<br />

eingespeist werden: Methan<br />

ist nichts anderes als die<br />

chemische Bezeichnung für<br />

den Hauptbestandteil von<br />

Erdgas; Wasserstoff kann in<br />

einem Gasnetz bis zu einem<br />

Anteil von fünf Prozent zugesetzt<br />

werden.<br />

Gigantische Speicherkapazitäten<br />

tun sich hier auf: Bereits<br />

jetzt ist das Erdgasnetz<br />

in Deutschland 450.000 Kilometer<br />

lang, 47 Gasspeicher<br />

eingeschlossen. Die weltgrößte<br />

Pilotanlage, um Ökostrom<br />

in Methangas zu verwandeln,<br />

ging gerade erst<br />

in Stuttgart-Vaihingen am<br />

Zentrum für Sonnenenergie-<br />

und Wasserstoffforschung<br />

in Betrieb. In Frankfurt am<br />

Main soll kommendes Jahr<br />

eine Anlage zur Wasserstoffproduktion<br />

entstehen, die<br />

dann erstmals tatsächlich<br />

ins Erdgasnetz einspeist und<br />

nicht nur zu Testzwecken<br />

läuft.<br />

Wiederaufladbare<br />

Batterien<br />

Ob für mobile Elektronikgeräte,<br />

abgasfreie Pkws und<br />

Stadtverkehrsbusse oder als<br />

Zwischenspeicher im Stromnetz:<br />

Batterien haben schon<br />

jetzt ein breites Einsatzgebiet.<br />

Und sollen immer besser,<br />

kleiner, leichter, sauberer<br />

und leistungsfähiger werden:<br />

Nicht nur Wirtschaftsunternehmen<br />

investieren große<br />

Summen in Neuentwicklungen<br />

und effizientere Fertigung,<br />

auch in der Grundlagenforschung<br />

werden neue<br />

Wege beschritten.<br />

An der Universität Ulm fiel<br />

gerade erst der Startschuss<br />

ENERGIESPEICHER<br />

für den Neubau eines kompletten<br />

Forschungszentrums:<br />

das Helmholtz-Institut für<br />

elektrochemische Grundlagen<br />

der Energiespeicherung.<br />

Die Entwicklung der nächsten<br />

und übernächsten Generation<br />

der Lithium-Ionen-<br />

Batterie hat man sich hier auf<br />

die Fahnen geschrieben.<br />

Unterdessen erprobt der<br />

Darmstädter Energieversorger<br />

HSE den Einsatz von<br />

Batterien als Zwischenspeicher<br />

im Stromnetz. In einem<br />

Hallenbad und einem Veranstaltungszentrum<br />

wurden<br />

jeweils größere Batterien<br />

installiert, die aus Fotovoltaik<br />

auf dem Dach und einem<br />

Blockheizkraftwerk gespeist<br />

werden. Voraussetzung für<br />

den Praxistest: ein intelligentes<br />

Stromnetz („Smart<br />

Grid“), in dem Erzeuger,<br />

Speicher und Verbraucher<br />

flexibel gesteuert werden<br />

können.<br />

Energiestein<br />

Und dann gibt es da noch<br />

den Energiestein. Den hat<br />

Eduard Heindl erdacht. Der<br />

Physiker lehrt an der Universität<br />

Furtwangen und ist immer<br />

für ungewöhnliche Ideen gut.<br />

Etwa diese: Wie viel Energie<br />

könnte man wohl speichern,<br />

wenn man aus Granitgestein<br />

einen Zylinder mit 1000 Metern<br />

Durchmesser und 500<br />

Metern Tiefe heraussägte und<br />

darunter eine wassergefüllte<br />

Kaverne errichtete, die mit<br />

Druck den Energiestein anhebt?<br />

Als Antwort hat Heindl<br />

errechnet: 1.600 Gigawattstunden<br />

– so viel, wie in<br />

Deutschland täglich an<br />

Strom produziert wird und<br />

40 Mal so viel, wie in allen<br />

Pumpspeicherkraftwerken<br />

des Landes zusammen. Inzwischen<br />

wirbt der Professor<br />

Forschungsgelder ein, um die<br />

Machbarkeit eines solchen<br />

hydraulischen Lagespeichers<br />

nachzuweisen.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

21


22<br />

PUMPSPEICHERKRAFTWERKE PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />

Strom<br />

auf Pump<br />

Um Energie in großem Stil zu speichern, eignen sich Pumpspeicherkraftwerke<br />

nach wie <strong>vor</strong> am besten. Die Technik mit den zwei Wasserbecken<br />

funktioniert seit fast 100 Jahren. In Zeiten der Energiewende wird sie immer<br />

gefragter: Um Windenergie und Solarstrom aufnehmen zu können, werden neue<br />

Pumpspeicher nötig. Doch nicht jeder will sie haben.<br />

Text: Gerhard Schindler<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Bild: Bildarchiv Fieselmann<br />

Oberbecken mit Aussicht:<br />

Das Pumpspeicherkraftwerk<br />

Glems zwischen Metzingen<br />

und Reutlingen ist bislang<br />

das einzige am Albtrauf. Das<br />

könnte sich bald ändern.<br />

Um ihren Albtrauf werden<br />

die Schwaben von Flachlandbewohnern<br />

nicht nur<br />

wegen der Aussicht beneidet:<br />

Die Kante des Schwäbischen Jura<br />

bietet auch so manche Stelle, die sich<br />

her<strong>vor</strong>ragend für ein Pumpspeicherkraftwerk<br />

eignet. 300 bis 400 Meter<br />

Höhenunterschied – das sind ideale<br />

Voraussetzungen für neue Energiespeicher,<br />

wie sie für die Energiewende<br />

dringend benötigt werden.<br />

Pionierarbeit leistet hier der Regionalverband<br />

Neckar-Alb mit Sitz in<br />

Mössingen. Als Planungsinstanz der<br />

Landkreise Reutlingen, Tübingen und<br />

Zollernalb hat er aktiv die Diskussion<br />

um neue Pumpspeicherkraftwerke angestoßen.<br />

„Die Topografie ist bei uns<br />

zwar nicht ganz so günstig wie in der<br />

Schweiz oder in Österreich“, erklärt<br />

Joachim Zacher, Sachgebietsleiter für<br />

Energie und Verkehr. „Aber wir wollen<br />

auch bei uns die Grundlagen schaffen,<br />

um die Schwankungen im Energienetz<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

23


24<br />

PUMPSPEICHERKRAFTWERKE PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />

Neue Pumpspeicher<br />

am Alb-Rand:<br />

Vier Vorschläge, die<br />

bereits den Segen der<br />

jeweiligen Gemeinderäte<br />

haben<br />

1 Glems II:<br />

Oberbecken (OB): drei<br />

Varianten auf Gemarkung<br />

Eningen u.A., St. Johann<br />

und Metzingen<br />

Unterbecken (UB): Vergrößerung<br />

des bestehenden<br />

UB bei Metzingen-<br />

Glems oder Neubau<br />

daneben<br />

2 Gielsberg:<br />

OB: am Ende der Stuhlsteige<br />

bei Sonnenbühl-<br />

Genkingen<br />

UB: drei Varianten im<br />

Pfullinger Breitenbachtal<br />

3 Reichenbach:<br />

OB: Himberg auf Gemarkung<br />

Burladingen und<br />

Albstadt<br />

UB: Reichenbachtal bei<br />

Hechingen-Boll<br />

4 Albstadt/Meßstetten:<br />

OB: vier Varianten bei<br />

Hossingen und Tieringen<br />

UB: im Zerrenstalltal bei<br />

Laufen<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

auszugleichen.“ Ein Gebot, das aus der<br />

steigenden Stromgewinnung durch<br />

Wind und Sonne erwächst: „Wenn<br />

man es nicht macht, müssen wir unser<br />

Stromnetz ganz anders ändern.“<br />

Fünf mögliche Standorte hatte der<br />

Regionalverband identifiziert, drei davon<br />

sind nach den ersten Diskussionsrunden<br />

übriggeblieben, ein weiterer<br />

neu hinzugekommen. Nicht überall<br />

stoßen die großtechnischen Anlagen<br />

auf Gegenliebe. Im <strong>Ort</strong>schaftsrat<br />

von Salmendingen etwa brach<br />

ein Sturm der Entrüstung los, als ein<br />

mögliches Oberbecken <strong>vor</strong> der Haustür<br />

zur Debatte stand. Ganz anders<br />

in Pfullingen und Sonnenbühl: positive,<br />

teils begeisterte Zustimmung,<br />

die Pläne weiterzuverfolgen. In Glems<br />

wurde ein weiteres Werk neben dem<br />

bestehenden kontrovers diskutiert, die<br />

Gemeinderäte von Albstadt und Meßstetten<br />

brachten dagegen selbst einen<br />

weiteren Vorschlag ein. Wenn die Verbandsversammlung<br />

Ende <strong>November</strong><br />

beschließt, an welchen Stellen im Regionalplan<br />

Pumpspeicherkraftwerken<br />

ein Vorrang eingeräumt werden soll,<br />

stehen nun vier Standorte auf der Liste<br />

(siehe Kasten).<br />

Ob jedoch am Alb-Rand tatsächlich<br />

jemals neue Speicherbecken gebaut<br />

werden, steht völlig in den Sternen.<br />

Denn Wünsche und Pläne allein reichen<br />

nicht. Es braucht auch Investoren<br />

und Betreiber. Die EnBW etwa,<br />

die in Glems bei Metzingen bereits<br />

seit fast 50 Jahren das bisher einzige<br />

Pumpspeicherkraftwerk am Albtrauf<br />

betreibt, hat dem Regionalverband<br />

bereits eine Absage erteilt. Der Energieversorger<br />

investiert zwar in diese<br />

Speichertechnik, aber anderswo: im<br />

Schwarzwald und in den Vorarlberger<br />

Alpen.<br />

Dort sind ganz andere Dimensionen<br />

möglich. Im Hotzenwald bei<br />

Herrischried etwa entsteht in den<br />

nächsten Jahren das größte Pumpspeicherkraftwerk<br />

Deutschlands. Bekannt<br />

geworden ist der Standort unter<br />

dem Namen des Weilers Atdorf. Sein<br />

Oberbecken soll neun Millionen Kubikmeter<br />

Wasser fassen – zehn Mal so<br />

viel wie das Oberbecken von Glems<br />

neben der Eninger Weide. Mit 600<br />

Metern wäre die Fallhöhe doppelt so<br />

hoch wie am Metzinger Albtrauf. Und<br />

statt einer Leistung von 90 Megawatt,<br />

wie sie die Glemser Turbinen aus den<br />

1960er-Jahren erbringen, soll sie in Atdorf<br />

bei 1.400 Megawatt liegen. So viel<br />

erzeugt auch ein großes Kernkraftwerk<br />

– mit dem Unterschied, dass die im<br />

Schwarzwaldwasser gespeicherte Energie<br />

innerhalb von Sekunden bereitgestellt<br />

werden kann.<br />

Neben Atdorf investiert die EnBW<br />

auch im Nordschwarzwald in die<br />

Pumpspeichertechnik. In Forbach<br />

im Murgtal soll ein bestehendes Werk<br />

ausgebaut werden. Eine neue Oberstufe<br />

mit 1,8 Millionen Kubikmetern<br />

könnte die Leistung um 200 Megawatt<br />

steigern. Und beim EnBW-Partner Illwerke<br />

in Vorarlberg steht mit dem Projekt<br />

Obervermunt II eine Erweiterung<br />

um 360 Megawatt an.<br />

„Mit diesen drei großen Projekten<br />

sind wir für die nächsten Jahre auch<br />

finanziell ausgelastet“, sagt Maria<br />

Dehmer, Sprecherin der EnBW Kraftwerke<br />

AG. Doch nicht allein deshalb<br />

erhielt die Alb eine Absage: Aus Sicht<br />

des Energieversorgers wäre ein neuer<br />

Speicher hier auch zu teuer. Zwar hat<br />

die EnBW in einer Studie insgesamt<br />

201 mögliche Standorte in Baden-<br />

Württemberg identifiziert, die technisch<br />

machbar wären. Zusammen<br />

weisen sei ein Potenzial von 116 Gigawatt<br />

auf und kämen mit bestehenden<br />

Schutzgebieten wenig in Konflikt – als<br />

wirtschaftlich rentabel werden jedoch<br />

nur 13 Standorte eingestuft. Nur einer<br />

davon liegt an der Alb: im Bereich des<br />

bestehenden Pumpspeicherkraftwerks<br />

Glems, jedoch an anderer Stelle, als<br />

vom Regionalverband geplant.<br />

Die EnBW-Ingenieurin Claudia<br />

Berger hat als Autorin der Studie auch<br />

den Vorschlag Gielsberg untersucht.<br />

Ihr Fazit: Auch zwischen Genkingen<br />

und Pfullingen lohnt sich ein Pumpspeicherkraftwerk<br />

für die EnBW nicht<br />

wirklich. Geprüft wurde dabei jedoch<br />

eine Variante mit einem kleineren<br />

Oberbecken. Neuere Pläne sehen<br />

dort drei Millionen statt einer Million<br />

Kubikmeter Wasser <strong>vor</strong> – und schon<br />

könnte sich das Blatt der Realisierungschancen<br />

wieder wenden.<br />

So hat sich etwa der Reutlinger Energieversorger<br />

FairEnergie bisher nicht<br />

dazu geäußert, ob er ein solches Projekt<br />

umsetzen könnte. Dabei hat die<br />

Stadtwerke-Tochter mit Pumpspeicherkraft<br />

Erfahrung: Ihr gehört eines<br />

der kleinsten und ältesten Kraftwerke<br />

dieser Art: am Neckartalhang zwischen<br />

Kirchentellinsfurt und dem Einsiedel,<br />

Baujahr 1926, Leistung 1,3 Megawatt,<br />

Fallhöhe 120 Meter.<br />

Auch die Stadtwerke Ulm backen<br />

kleinere Brötchen, die sich trotzdem<br />

rechnen sollen: Am Blautal zwischen<br />

Blaubeuren und Blaustein planen sie<br />

ein 60-Megawatt-Speicherkraftwerk,<br />

dessen Unterbecken einen Steinbruch<br />

ausfüllen soll. Das Oberbecken soll 1,2<br />

Millionen Kubikmeter fassen, der Höhenunterschied<br />

162 Meter betragen.<br />

Erste Untersuchungen laufen bereits:<br />

Bohrungen und Pumpversuche ermitteln<br />

derzeit Auswirkungen auf das<br />

Grundwasser im Blautal und geben<br />

Aufschlüsse über die Bodenbeschaffenheit.<br />

An der Sinnhaftigkeit ihres Vorhabens<br />

hegen die Projektpartner jedenfalls<br />

keinen Zweifel: Auch in kleineren<br />

Dimensionen gelten Pumpspeicherkraftwerke<br />

als sinnvolle Anlagen, um<br />

eingespeisten Öko-Strom so effizient<br />

wie möglich zu nutzen. Einer ihrer<br />

wenigen Nachteile ist, dass beim Bau<br />

Bilder: EnBW<br />

Sechs Stunden lang kann<br />

das Speicherkraftwerk<br />

Glems den Strombedarf von<br />

Metzingen decken – rein<br />

rechnerisch. Weil die im<br />

Oberbecken gespeicherte<br />

Energie aber nur zu Spitzenzeiten<br />

abgerufen wird,<br />

erzielt der Strom Höchstpreise.<br />

Die Turbinen, Generatoren<br />

und Pumpen aus den<br />

1960er-Jahren wurde erst<br />

2008 generalüberholt.<br />

eventuell Schutzgebiete betroffen sind<br />

und Biotope zerstört werden. Ihre Vorteile<br />

dagegen vereinen – neben den<br />

energietechnischen – vielerlei Aspekte:<br />

Sie stinken nicht und machen keinen<br />

Krach, erzeugen keine Schadstoffe,<br />

verursachen keine schnellen Bewegungen<br />

und sehen häufig natürlichen<br />

Seen sehr ähnlich. Manchmal bieten<br />

sie dann sogar einen gewissen Naherholungswert<br />

und werden Ausflugsziel.<br />

Das Stauseehotel von Glems etwa gilt<br />

seit Langem als eine der idyllischsten<br />

Adressen am Albrand.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

25


26<br />

PUMPSPEICHERKRAFTWERKE<br />

Das Prinzip Pumpspeicher<br />

Das Zauberwort heißt Lageenergie: Bei einem Pumpspeicherkraftwerk<br />

wird Wasser aus einem unteren in ein oberes<br />

Becken hinaufgepumpt. Dadurch wird elektrische Energie in<br />

mechanische umgewandelt. Das Wasser im Oberbecken speichert<br />

also den größten Teil der aufgewandten Energie durch<br />

seine Lage in der Höhe. Um diese wieder abzurufen, lässt<br />

man das Wasser zurück ins Tal fließen. Über Fallrohre treibt<br />

es eine oder mehrere Turbinen an – die mechanische Energie<br />

wird in elektrische zurückgewandelt.<br />

Eingesetzt werden Pumpspeicherkraftwerke, um die Energie<br />

im Stromnetz zu regeln und um kurzfristig Strom bereitzustellen.<br />

Wenn mehr Strom produziert wird als verbraucht,<br />

wird mithilfe des überschüssigen Stroms Wasser nach oben<br />

gepumpt und damit Energie gespeichert. In Zeiten, in denen<br />

mehr Strom im Netz angefordert wird als eingespeist, kann<br />

die gespeicherte Energie wieder abgerufen werden, indem<br />

Grafik: Köber<br />

Oberbecken<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Motor / Generator<br />

Turbine<br />

Pumpe<br />

das Wasser beim Rückfluss ins Unterbecken Strom erzeugt.<br />

Damit sind Pumpspeicherkraftwerke äußert flexibel: Sie können<br />

innerhalb von Sekunden elektrische Energie bereitstellen<br />

oder aufnehmen. Genau diese Fähigkeit macht sie ebenso<br />

notwendig wie wertvoll. Mit ihnen können Netzbetreiber<br />

nicht nur in Spitzen der Stromerzeugung Energie abspeichern<br />

– sie liefern <strong>vor</strong> allem Regelenergie, um innerhalb von Sekunden<br />

Lastspitzen abzudecken, und können auch Energie für<br />

den sogenannten Spotmarkt bereitstellen, die an der Strombörse<br />

tagesaktuell gehandelt wird. In beiden Fällen erzielt<br />

der Strom ein Vielfaches des Preises als etwa bei Grundlastkraftwerken,<br />

die kontinuierlich laufen – ein wirtschaftlicher<br />

Vorteil, der finanziell bei Weitem wettmacht, dass ein Viertel<br />

bis ein Fünftel der Energie beim Pumpspeicherkraftwerk verloren<br />

geht. Positiv ausgedrückt heißt das: Der Wirkungsgrad<br />

einer solchen Anlage liegt in der Regel zwischen 75 und 80<br />

Prozent.<br />

Wie viel Leistung ein Pumpspeicherkraftwerk erbringen<br />

kann, liegt zum einen am Höhenunterschied, zum anderen<br />

an der bewegten Wassermenge. Eine Studie des Energiekonzerns<br />

EnBW aus dem Jahr <strong>2012</strong> nennt eine Mindestfallhöhe<br />

von 200 Metern als eine von mehreren Voraussetzungen, um<br />

ein neues Pumpspeicherkraftwerk überhaupt wirtschaftlich<br />

betreiben zu können. In Deutschland gibt es derzeit rund 30<br />

Speicherkraftwerke mit einer installierten Leistung von sieben<br />

Gigawatt. ges<br />

Transformator<br />

Unterbecken<br />

Dachsanierung<br />

ist Vertrauenssache<br />

Schritt für Schritt zum energetisch gedämmten Dach.<br />

Text: Hanna Meid<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

regional<br />

27


egional<br />

28 BAUEN UND SANIEREN<br />

Das Dach <strong>vor</strong> Baubeginn<br />

– nur wenig Licht fällt von<br />

außen in das Zimmer<br />

Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist nicht nur sprichwörtlich<br />

verstanden eines der Grundbedürfnisse des<br />

Menschen, sondern auch eine Frage des Geschmacks, der<br />

Energieeffizienz und der Nutzbarkeit bewohnbarer Flächen.<br />

Alle diese Aspekte berücksichtigt der Energieberater<br />

und Zimmermeister Michael Kessler aus Schwäbisch<br />

Gmünd, wenn er zu einem Beratungsgespräch gebeten<br />

wird. „Dachsanierung ist Vertrauenssache“, sagt er, „denn<br />

viele Faktoren spielen bei den diversen Entscheidungen<br />

mit und kein Angebot ist mit dem anderen direkt vergleichbar“.<br />

Wir haben ihn bei einer Dachsanierung in<br />

Schwäbisch-Gmünd-Straßdorf begleitet.<br />

Was wollen wir mit den<br />

zwei kleinen Zimmerchen<br />

hier unter dem<br />

Dach anfangen, wir<br />

brauchen mehr Licht und mehr Raum“,<br />

klagte die Hausbesitzerin. So geht es<br />

vielen: Ist das Häuschen erst einmal<br />

in die Jahre gekommen, passt der Zuschnitt<br />

nicht mehr, Renovierungen<br />

sind fällig oder Käufer haben andere<br />

Nutzungs<strong>vor</strong>stellungen. 15 Quadratmeter<br />

mehr Nutzfläche, das könne er<br />

rausholen, versichert Michael Kessler.<br />

Dazu müsse er aber die schrägen Dachfenster<br />

durch Gauben ersetzen und die<br />

Dachneigung der Dachgauben flach<br />

halten, um eine möglichst große Standhöhe<br />

bis zum Fenster zu erreichen.<br />

Zunächst machte der Fachmann eine<br />

Planung über die Wohnraumerweiterung,<br />

schrieb das Baugesuch und stellte<br />

den Antrag zur Baugenehmigung. „Das<br />

macht normalerweise ein Architekt<br />

oder eben ein Meister im Bauhauptgewerbe“,<br />

erklärt er.<br />

Die Kundin hatte er bereits darauf<br />

hingewiesen, dass sich in diesem Fall<br />

eine komplette Dachsanierung anbieten<br />

würde, da durch den Bau der Gauben<br />

von dem <strong>vor</strong>handenen Dach nicht<br />

mehr viel übrig bliebe. Ein Problem<br />

bereiteten auch meist die Anschlüsse<br />

der neuen Gauben an das <strong>vor</strong>handene<br />

Dach aus den 80er Jahren. Die Kundin<br />

folgte dem Rat des Fachmanns und<br />

stellte sich auf runde zwei Monate Umbauzeit<br />

ein.<br />

In diesem Fall hatte Holzbau Kessler<br />

die Gesamtleitung und koordinierte die<br />

Arbeiten mit dem Flaschner. Man kann<br />

auch die Gewerke einzeln an erfahrene<br />

Handwerker vergeben, wichtig ist jedoch,<br />

dass die Bauleitung geklärt ist.<br />

„Ich wollte vertrauenswürdige Handwerker<br />

aus der Nähe haben. Sie kamen<br />

immer zur Abstimmung der Gewerke<br />

auf die Baustelle und das war für den<br />

reibungslosen Ablauf sehr wichtig“, bestätigte<br />

die Kundin. Handwerker übers<br />

Internet zu beauftragen, war für sie keine<br />

Alternative.<br />

Im ersten Schritt schlug Kessler wegen<br />

der flachen Dachneigung durch die<br />

hohen Gauben ein Titanzinkblech mit<br />

doppelter hinterlüfteter Schalung <strong>vor</strong>:<br />

„Zum einen dient es dem Lärmschutz,<br />

wenn Regen auf das Dach prasselt, und<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

Die neue Dachgaube über<br />

der alten Dachfläche<br />

Oben: Dachgaube mit<br />

Unterspannbahn<br />

Links: Dachgaube neu mit<br />

Innenausbau<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

29<br />

regional


egional<br />

30 BAUEN UND SANIEREN<br />

Nicht nur 15 Quadratmeter mehr Nutzfläche bringt die neue Dachgaube, sondern auch mehr Licht.<br />

zum anderen hat die doppelte Hinterlüftung<br />

das Ziel, die große Dichte des<br />

Blechs außen der Dichte innen anzupassen“,<br />

machte er der Kundin deutlich.<br />

Als zweiter Schritt folgte die Dachdeckung.<br />

Farbe und Oberflächenbeschaffenheit<br />

der Ziegel sind wichtige<br />

Faktoren, denn im innerstädtischen Bereich<br />

gibt es oft Vorschriften über Form<br />

und Farbe. Auch ist es nicht jedem Bauherren<br />

egal, ob er einen rauen Ziegel<br />

hat, der schnell verschmutzt oder einen<br />

mit unempfindlicher glatter Oberfläche<br />

oder den glasierten, von dem Dreck<br />

und Schnee abrutschen. Die Kundin<br />

entschied sich für die Variante 'glatt'.<br />

Im dritten Schritt wurden Dach und<br />

Gauben mehrschichtig aufgebaut.<br />

Das bedeutet Ausdämmung der Sparrenzwischenräume<br />

mit Mineralwolledämmung,<br />

die eine sehr gute Wärmeleitergruppe<br />

besitzt. Über den Sparren<br />

werden vollflächig Holzweichfaserplatten<br />

verlegt, um einen besonders gu-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

»Die bessere<br />

Wärmedämmung<br />

ist deutlich<br />

zu spüren und die<br />

Wärme des Schwedenofens<br />

bleibt im<br />

Dachgeschoss. Ein<br />

viel angenehmeres<br />

Wohnklima und<br />

geringere Energiekosten,<br />

das ist wirklich<br />

gelungen!«<br />

ten Schall- und Sommerwärmeschutz<br />

zu erreichen. Unterhalb der Sparren<br />

kommt zuerst eine Dampfbremsfolie,<br />

welche die Luftdichte der Konstruktion<br />

nach der Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) 2009 gewährleistet. „Dabei stoßen<br />

wir oft auf technische Herausforderungen,<br />

um die neue Konstruktion<br />

luftdicht mit der <strong>vor</strong>handenen zu verbinden“,<br />

erklärt Kessler der erstaunten<br />

Kundin. „Wenn das nämlich nicht richtig<br />

ausgeführt ist, kann es bestenfalls<br />

zu Schimmel und im schlimmsten Fall<br />

zum Einsturz der Konstruktion kommen.“<br />

Der vierte Schritt wird einmal nach<br />

außen und einmal nach innen vollzogen.<br />

Zunächst kommt auf die Holzweichfaserplatte<br />

eine diffusionsoffene<br />

Unterspannbahn, ähnlich einer Goretex-Membran,<br />

zum Schutz von eindringendem<br />

Regen oder Schnee. Darauf<br />

kommen die Lattenkonstruktion für<br />

die Ziegel und die Ziegel selbst. Nach<br />

innen folgt auf die Dampfsperre die<br />

Unterkonstruktion, welche den Gipskarton<br />

trägt, den man beliebig tapezieren<br />

oder verputzen kann. Fertig ist das<br />

energetisch sanierte Dach. Das Fazit der<br />

Kundin: „Die bessere Wärmedämmung<br />

ist deutlich zu spüren und die Wärme<br />

des Schwedenofens bleibt im Dachgeschoss.<br />

Ein viel angenehmeres Wohnklima<br />

und geringere Energiekosten, das ist<br />

wirklich gelungen!“<br />

Die Kosten, sagt Kessler, seien sehr<br />

individuell. „Je nach Wünschen und<br />

Anforderungen der Kunden hängen<br />

sie von der Stärke der Dämmung und<br />

des Dämmmaterials ab, von der Form<br />

und der Qualität der Ziegel und auch,<br />

ob ein Dach sehr verwinkelt ist oder<br />

eine glatte, gerade Fläche hat, die natürlich<br />

einfacher zu decken ist.“ Bei<br />

einem Haus mit etwa 120 Quadratmetern<br />

Dachfläche geht er von mindestens<br />

30.000 Euro aus. „Es ist schwierig,<br />

die Angebote zu vergleichen, weil jeder<br />

Handwerker seine eigene Art hat, sie zu<br />

erstellen und der Kunde sich selten mit<br />

den Fachbegriffen auskennt. Daher ist<br />

es wichtig, sich Handwerker empfehlen<br />

zu lassen oder auf sein Bauchgefühl<br />

zu vertrauen. Leichtfertig sollte man<br />

dieses Thema jedenfalls nicht behandeln“,<br />

rät der Energieberater. Übrigens<br />

sind die Energieberater Handwerk im<br />

Energiekompetenzzentrum Ostalb gelistet<br />

und bei der Handwerkskammer<br />

zu erfragen.<br />

Die Energieberater Handwerk beraten<br />

auch über staatliche Fördermittel<br />

über die KfW-Bank und über die damit<br />

verbundenen Auflagen und beantragen<br />

sie. Sie achten darauf, dass die Vorschriften<br />

nach der EnEV 2009 eingehalten<br />

werden, auch wenn beispielsweise<br />

ein Hausbesitzer nur zehn Prozent an<br />

der Fassade oder am Dach seines Bestandsgebäudes<br />

verändern will. Außerdem<br />

gibt es eine Sanierungspflicht für<br />

ungedämmte Geschossdecken.<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

31<br />

regional


egional<br />

32 BAUEN UND SANIEREN<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Das alte Rathaus aus den sechziger Jahren.<br />

Vom alten Rathaus blieb nur<br />

das Betonskelett übrig<br />

Fassade und Energieeffizienz standen beim Neubau des<br />

Oberkochener Verwaltungssitzes im Fokus.<br />

Text: : Lothar Schell<br />

Das neue Rathaus passt zur<br />

feinen Stadt Oberkochen.<br />

Wir haben heute ein absolut<br />

modernes, funktionales und ansprechend<br />

gestaltetes Rathaus, das auch<br />

mit seinem energetischen Konzept<br />

Vorbildfunktion aufweist“, sagt Bürgermeister<br />

Peter Traub. Das Aalener<br />

Architekturbüro Kayser hatte den im<br />

Jahre 2007 ausgeschriebenen Wettbewerb<br />

zur Konzeptentwicklung für<br />

die Rathaussanierung gewonnen und<br />

führte dann die Planung und Ausführung<br />

des Projekts durch. Das Oberkochener<br />

Rathaus war in den Jahren<br />

1963 und 1964 von Architekt Professor<br />

Ludwig Schweizer errichtet worden.<br />

Das Gebäude gliederte sich architektonisch<br />

in den zweigeschossigen Sockelbau<br />

mit weißer Putzfassade und den<br />

darüber schwebenden fünfgeschossigen<br />

Turm, der sich aus horizontalen<br />

Betonbrüstungsbändern und umlaufenden<br />

Fensterelementen zusammensetzte.<br />

Wesentlicher Grundgedanke<br />

für das Entwurfskonzept war im Zusammenhang<br />

mit der Neugestaltung<br />

des Eugen-Bolz-Platzes die Verlegung<br />

des Gebäudeeingangs auf die Ebene<br />

der Jenaer Straße. Hierdurch entstand<br />

über einen großzügigen Windfang ein<br />

zentraler behindertengerechter Zu-<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

gang und die beiden Foyer-Ebenen<br />

wurden über eine großzügige Wendeltreppe<br />

im Luftraum verbunden. Ein<br />

neuer Glasaufzug wurde im Foyer platziert,<br />

der alle Ebenen verbindet und<br />

während der Fahrt den Ausblick auf<br />

den Platz ermöglicht.<br />

Im <strong>November</strong> 2009 wurde mit dem<br />

Bau begonnen, nach eineinhalbjähriger<br />

Bauzeit hatte Oberkochen seinen<br />

neuen Verwaltungssitz. 7,5 Millionen<br />

Euro hat das neue Rathaus gekostet.<br />

Von Bund und Land erhielt man aus<br />

dem Zukunftsinvestitionsprogamm<br />

des Konjunkturpakets II rund 2,4 Millionen<br />

Euro sowie rund 920.000 Euro<br />

regional<br />

33


egional<br />

34 BAUEN UND SANIEREN<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

Der neue Aufzugschacht.<br />

aus dem Sanierungsprogramm des<br />

Landes. Zentral im Eingangsbereich<br />

wurde das neue Bürgerbüro angeordnet.<br />

Eine Glaswand trennt die Räumlichkeiten<br />

vom Foyer. Das bestehende<br />

Treppenhaus wurde ebenfalls bis in<br />

die Eingangsebene fortgeführt und<br />

dient nun als geschlossener Rettungsweg.<br />

„Nach der völligen Entkernung<br />

lag das Augenmerk auf der Fassade<br />

und der Energieeffizienz“, betont Projektleiter<br />

Johannes Thalheimer, der in<br />

seiner Eigenschaft als Stadtbaumeister<br />

eng mit Bauleiter Bernd Rentel vom<br />

Architekturbüro Kayser + Kayser kooperierte.<br />

Während die Sockelgeschosse<br />

mit einem Wärmedämmverbundsystem<br />

und neuen Aluminiumfenstern<br />

in den bestehenden Öffnungen saniert<br />

wurden, erhielt der Turm eine <strong>vor</strong>gehängte<br />

Aluminium-Pfosten-Riegel-<br />

Fassade mit Alulisenen, die nun die<br />

Geschosse verbinden. Die Betonbrüstungen<br />

des Bestands wurden auf der<br />

Außenseite gedämmt.<br />

Vorgeblendete Glasbrüstungspanee-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

»Mit der Fassade<br />

wurde ein optimaler<br />

winterlicher<br />

Wärmeschutz<br />

und eine Reduzierung<br />

des Sonnenenergieeintrags<br />

im<br />

Sommer erreicht.«<br />

Johannes Thalheimer, Projektleiter<br />

len mit integrierten Sonnenschutzlamellen<br />

bilden nun zusammen mit der<br />

Verglasung der Aluminiumfenster die<br />

wartungsfreie Außenhaut. Der Sonnenschutz<br />

wird mit Tageslichtlenkelementen<br />

abhängig vom Sonnenstand<br />

gesteuert. „Mit der Fassade wurde ein<br />

optimaler winterlicher Wärmeschutz<br />

und eine Reduzierung des Sonnenenergieeintrags<br />

im Sommer erreicht“,<br />

betont Projektleiter Johannes Thalheimer.<br />

Dosierte natürliche Belüftung<br />

wird nun über schmale Lüftungsflügel<br />

im Wechsel mit fest verglasten Elementen<br />

ermöglicht. Schließlich bot das<br />

Fassadenraster optimale Anschlussmöglichkeiten<br />

für flexible Trennwände<br />

und variable Raumgrößen. Eingriffe in<br />

die Fassadenöffnungen erfolgten nur<br />

im Sitzungssaal, der nun durch große<br />

Fensterausschnitte vom introvertierten<br />

Raum mit Oberlicht zum bürgeroffenen,<br />

lichtdurchfluteten Raum<br />

mit Ausblick umgewandelt wurde.<br />

Für den neuen Verwaltungstempel<br />

wurde ein ganzheitliches ökonomisch<br />

Bild oben:<br />

Viele Meter Kabel sind in<br />

der Decke verlegt.<br />

Bild unten:<br />

Im Sitzungssaal wurde<br />

die Lichtkuppel<br />

geschlossen.<br />

und ökologisch sinnvolles energetisches<br />

Sanierungskonzept entwickelt.<br />

Die Fassade des Altgebäudes hatte ihre<br />

Lebensdauer längst erreicht. Durch die<br />

undichte Fassade und den schlechten<br />

winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz<br />

wies das Gebäude <strong>vor</strong> der<br />

Sanierung einen Gebäudeheizenergiebedarf<br />

von 256 Kilowattstunden pro<br />

Quadratmeter und Jahr auf. Bei der<br />

Sanierung wurde die Fassade komplett<br />

erneuert und durch eine moderne Fassade<br />

mit gutem winterlichen und sommerlichen<br />

Wärmeschutz ersetzt. Die<br />

Verglasung besteht nun aus Zweischeibenwärmeschutzverglasung<br />

mit<br />

einem U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient)<br />

von 1,1. Die Flügel der Fassade<br />

können geöffnet werden, so dass effektiv<br />

natürlich belüftet werden kann.<br />

„Wir konnten durch die neue Fassade<br />

den Gebäudeheizenergiebedarf auf<br />

110 Kilowattstunden pro Quadratmeter<br />

und Jahr, also um 57 Prozent, reduzieren“,<br />

stellt der Projektleiter fest.<br />

Neben der Fassade wurde auch die Gebäudetechnik<br />

energetisch optimiert.<br />

Die alte Gasheizkesselanlage, die<br />

auch das Hotel am Rathaus mit Wärme<br />

versorgte, wurde komplett erneuert<br />

und durch zwei Gasbrennwertkessel<br />

kombiniert mit zwei Blockheizkraftwerken<br />

mit jeweils 12,5 Kilowatt thermisch<br />

ersetzt. Durch die optimalen<br />

Betriebsbedingungen und dank der<br />

Kraft-Wärme-Kopplung konnte damit<br />

der Primärenergiebedarf nochmals um<br />

weitere 23 Prozent reduziert werden.<br />

Damit liegt das neue Rathaus vierzig<br />

Prozent unter den Anforderungen<br />

der Energieeinsparverordnung EnEV<br />

2007 für modernisierten Altbau. Das<br />

Rathausgebäude musste auch brandschutztechnisch<br />

komplett saniert werden.<br />

So wurden die Rettungswege neu<br />

festgelegt, Brandschutzwände eingezogen<br />

und eine Brandmeldeanlage mit<br />

Sicherheitsbeleuchtungen und Sicherheitsstrom<br />

installiert.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

regional<br />

35


egional<br />

36<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang<br />

Helmle ist sein eigenes Wohnhaus in Ellwangen,<br />

das im Erdgeschoss auch das Büro seiner Firma<br />

beherbergt.<br />

Seine Ideen<br />

bringen alten<br />

Bauten neue<br />

Effizienz<br />

Seit 1991 ist Wolfgang<br />

Helmle mit seinem Architekturbüro<br />

in Ellwangen aktiv. Als Energie- und<br />

<strong>Klima</strong>berater legt er großen Wert<br />

auf Energieeffizienz. Im reizvollen<br />

Rahmen der historischen Ellwanger<br />

Bauten sucht er Funktionalität,<br />

Ökologie und Ästhetik zu einen.<br />

Dabei setzt sein Büro auf kreative<br />

Lösungen und neue Technik.<br />

Text: Benjamin Leidenberger<br />

Ästhetik und Funktionalität verbinden und dabei<br />

„verantwortungsvoll bauen“:<br />

Sein ausgeprägtes Ökologiebewusstsein<br />

prägt Architekt Wolfgang Helmle. Als Berufener fühlt<br />

er sich, wenn es darum geht, mit Rücksicht auf Natur<br />

und Umwelt Neues zu gestalten. Mit seinem Büro will<br />

er Ideen entwickeln. Helmle will Pionier sein, wenn<br />

es um ökologisches, energieeffizientes Bauen geht:<br />

„Mittlerweile sind alle soweit zu sagen, dass wir Energie<br />

sparen müssen. Ich sage, wir müssen Häuser bauen,<br />

die Energie produzieren und speichern.“<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

regional<br />

37


egional<br />

38<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

Vom Balkon des Hauses hat man einen schönen Blick auf das Schloss auf dem<br />

Schönenberg.<br />

Wer solche Ansprüche formuliert,<br />

braucht Authentizität. Weshalb<br />

Helmles Vorzeigeobjekt sein eigenes<br />

Wohnhaus ist, das im Erdgeschoss auch<br />

das Büro seiner Firma beherbergt. 2007<br />

hat er den 1753 von Johann Gottfried<br />

Prahl in der Ellwanger Schloss<strong>vor</strong>stadt<br />

errichteten Bau energetisch saniert. In<br />

nur neun Wochen Bauzeit hat er das<br />

unter Denkmalschutz stehende Objekt<br />

in ein „Minimal-Energie-Haus“<br />

verwandelt. Passivhauskomponenten<br />

wurden verbaut. Weil die Straßenfassade<br />

nicht verändert werden durfte,<br />

hat Helmle sich für eine Innendämmung<br />

mit Wandheizung entschieden.<br />

Dreifach verglaste Fenster wurden eingesetzt,<br />

eine 14 Quadratmeter große<br />

Solarthermieanlage sorgt für warmes<br />

Wasser. Eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage<br />

mit Wärmerückgewinnung<br />

rundete das Sanierungspaket ab.<br />

80 Prozent Energie- und CO²-Emission<br />

wurden insgesamt eingespart. Das<br />

Haus weißt einen Energiebedarf von<br />

39 Kilowattstunden pro Quadratmeter<br />

und Jahr aus. Dafür gab es einige<br />

Preise, darunter den ersten Preis des<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

»Wir sind ständig<br />

am Schauen,<br />

nach neuen Materialien,besserer<br />

Technik.«<br />

Wolfgang Helmle,<br />

Diplom-Architekt<br />

Das Haus bekommt eine neue Innendämmung<br />

mit Wandheizung.<br />

Wettbewerbs „Deutschlands schönste<br />

Effizienzhäuser“.<br />

Bei der Innengestaltung hat Helmle<br />

viel Holz verbaut, um mit dem natürlichen<br />

Baustoff Akzente zu setzen.<br />

Beispielsweise bei einem optischen<br />

Dreiklang in den Büroräumen, wo eine<br />

Holzakustik-Schiebewand von 2007<br />

auf Ziegelmauerwerk eines Anbaus<br />

von 1904 und das vom Putz befreite<br />

Original-Sandsteinmauerwerk von<br />

1753 stößt. Helmle verweist hier spielerisch<br />

auf die reichhaltige Geschichte<br />

des Objektes. Moderne hält Einzug ins<br />

historische Gemäuer.<br />

„In so einem Haus fühlt man sich<br />

wohl“, sagt Helmle über Energiesparhäuser.<br />

Die Differenz der Wohntemperatur<br />

von 19 Grad gegenüber sonst<br />

gängigen 21 Grad spüre man nicht, es<br />

herrsche immer ein gutes Luftklima.<br />

„Und man hat dabei noch ein gutes<br />

Gefühl der Umwelt gegenüber.“ Durch<br />

das Vorleben könne er die beste Überzeugungsarbeit<br />

leisten, neue Wege zu<br />

beschreiten. Dies brauche es auch,<br />

wenn aus dem gewachsenen ökologischen<br />

Bewusstsein unserer Gesell-<br />

Durch die Panorama-Fenster hat man einen herrlichen Blick auf den Schönenberg.<br />

schaft ein echter Verhaltenswandel<br />

resultieren soll. „Es sind immer nur<br />

ein paar, die etwas anstoßen“, sagt<br />

Helmle, „viele, die mitkommen und<br />

ein paar, die immer dagegen sind.“<br />

Helmle sucht weitere Herausforderungen<br />

für sein Architekturbüro.<br />

„Wir machen gerade unsere Hausaufgaben<br />

und sind dabei, im Hinterkopf<br />

neue Ideen zu entwickeln.“ Wir, das<br />

heißt Wolfgang Helmle, der 52-jährige<br />

Diplom-Architekt und zertifizierter<br />

Energie- und <strong>Klima</strong>berater, und seine<br />

vier Mitarbeiterinnen. „Wir sind<br />

ständig am Schauen, nach neuen<br />

Materialien, besserer Technik.“ Mehr<br />

Entwicklung hat sich Helmle bei der<br />

Technik im Heizungs-, Lüftungs- und<br />

Sanitärbau erwartet. Aber solange<br />

sich die Anlagen der heutigen Generation<br />

noch gut verkauften, fehle es<br />

an Investitionen in Verbesserungen.<br />

Brennstoffzellen seien beispielsweise<br />

eine vielversprechende Technologie,<br />

die noch wenig eingesetzt werde. So<br />

wird das Ausreizen der Möglichkeiten<br />

teuer. Für Plus-Energiehäuser und<br />

andere innovative Effizienzkonzepte<br />

bräuchte es solvente Partner. „Bauherren<br />

mit einem Faible dafür“, sagt<br />

Helmle.<br />

Bei „seinem“ eigenen Projekt wäre<br />

Helmle gerne noch weiter gegangen.<br />

Am liebsten hätte er ein Miniblockheizkraftwerk<br />

eingebaut und damit<br />

sein eigenes Haus und die als Reihenhäuser<br />

angebauten Nachbarhäuser<br />

gleich mit Wärme mitversorgt.<br />

Technisch wäre das möglich gewesen,<br />

aber der Aufwand, die Nachbarhäuser<br />

umzurüsten, war zu groß. Eine andere<br />

Idee konnte er gegen die Denkmalschutzbehörde<br />

nicht durchsetzen. „Ich<br />

wollte unbedingt eine PV-Anlage“, erzählt<br />

Helmle. Auf dem Dach des denkmalgeschützten<br />

Hauses sei das nicht<br />

genehmigungsfähig gewesen. Helmle<br />

bewies Erfindergeist: Auf den Fensterläden<br />

hätte er gerne Photovoltaik-<br />

Zellen angebracht. Damit die auch bei<br />

geschlossenen Läden Strom hätten<br />

liefern können, hätte er die Module<br />

um 180 Grad schwenkbar befestigt.<br />

Eine patente Idee – die keine Genehmigung<br />

fand. „Es wäre nur ein Kilowatt<br />

Leistung gewesen“, relativiert Helm-<br />

BAUEN UND SANIEREN<br />

le selbst den Effekt. Die Kreativität<br />

spricht dennoch für sich. Dass nicht<br />

jede gute Idee umgesetzt werden könne,<br />

damit müsse man leben.<br />

Der Reiz des Neuen, des Entdeckers,<br />

der Pioniergeist sorgt dafür, dass<br />

Helmle auch nach über 20 Jahren im<br />

Beruf noch Grenzgänger bleibt beim<br />

Thema ökologisches Bauen. Die unverputzte<br />

Backsteinwand seines Arbeitszimmers<br />

ziert eine Bordüre mit<br />

einem Zitat von Karljosef Schattner,<br />

der einst als Diözesanbauamtsleiter<br />

in der Barockstadt Eichstätt moderne<br />

Bauten errichtete: „Die Gegenwart<br />

leugnen hieße die Geschichte<br />

zu leugnen. Neues Bauen in alter<br />

Umgebung ist etwas Selbstverständliches.“<br />

Dieses Credo hat sich Helmle<br />

zu eigen gemacht. Im „reizvollen Rahmen“<br />

Ellwangens will er seine architektonischen<br />

Ideen umsetzen. Neu zu<br />

bauen mache zwar Spaß, die große<br />

Aufgabe sieht Helmle aber darin, den<br />

Bestand energetisch zu ertüchtigen.<br />

Dabei sei wieder Kreativität gefragt:<br />

„Es gibt noch viele Sachen, die man<br />

versuchen muss.“<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

regional<br />

39


egional<br />

40<br />

INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Kürzere Wege auch für<br />

den Strom<br />

Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />

machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus der<br />

Region stark.<br />

Text: Sabine Freimuth<br />

Die Photovoltaikanlage auf<br />

dem Dach des Feuerwehrgebäudes<br />

hat eine Gesamtfläche<br />

von circa 270 Quadratmetern<br />

und eine geschätzte Leistung<br />

von 42 kWP.<br />

Genossen sind im Allgemeinen<br />

Menschen, die Interesse haben,<br />

am gemeinschaftlichen<br />

Handeln, zu ihrem Wohl und dem der<br />

Allgemeinheit. Energiegenossen, eine<br />

Gruppe Ellwanger Bürger, die am 21.<br />

Januar 2011 einen Zusammenschluss<br />

gründeten, haben ein hohes Interesse<br />

am Ausbau erneuerbarer Energien<br />

und dies möglichst regional. Des weiteren,<br />

so haben es sie in ihrer Satzung<br />

festgelegt, soll Energieeffizienz sowie<br />

Energieeinsparung und <strong>Klima</strong>schutz<br />

eines ihrer Ziele sein. 87 Bürger zeichneten<br />

bei der Gründungsversammlung<br />

294 Geschäftsanteile mit einem<br />

Volumen von 147.000 Euro. Die Anzahl<br />

der Mitglieder ist seit der Gründungsversammlung<br />

konstant angestiegen.<br />

Ende August <strong>2012</strong> hat die Genossenschaft<br />

bereits 204 Mitglieder mit 1036<br />

Geschäftsanteilen. Ein Anteil beträgt<br />

500 Euro. Es können maximal 40 Anteile<br />

erworben werden.<br />

Den Vorstand der Energiegenossenschaft<br />

Virngrund eG bilden Willi<br />

Gresser (technischer Bereich) und<br />

INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />

Friedrich Schluck (kaufmännischer<br />

Bereich). Aufsichtsrats<strong>vor</strong>sitzender ist<br />

Bürgermeister Volker Grab. Mit fast der<br />

gesamten Familie gehören die Ellwanger<br />

Friedrich und Karin Böhme vom<br />

ersten Tag der Genossenschaft an. Vater<br />

Paul Wolf dürfte mit 83 Jahren das<br />

älteste Mitglied sein. Das jüngste ist<br />

sicher Enkelin Rahel, die zur Taufe einen<br />

Anteil geschenkt bekam. Bei der<br />

Begründung, warum sie der Genossenschaft<br />

beigetreten seien, war das<br />

Ehepaar Böhme einer Meinung: „Wir<br />

wollten sehen, was mit unserem Geld<br />

Sinnvolles passiert. Energie sollte <strong>vor</strong><br />

<strong>Ort</strong> erzeugt werden. Wir wollten keine<br />

Windräder an der Ostsee kaufen und<br />

damit noch Stromautobahnen längs<br />

durch Deutschland unterstützen. Von<br />

unseren Aktivitäten profitiert auch die<br />

heimische Wirtschaft.“<br />

Nur logisch ist es für die beiden, dass<br />

sie nicht nur ihr Geld arbeiten lassen,<br />

sondern sich auch selber einbringen.<br />

Karin Böhme ist im neunköpfigen<br />

Aufsichtsrat. Zwischenzeitlich wurden<br />

etliche Projekte realisiert. Mit dem Ka-<br />

regional<br />

41


egional<br />

42<br />

INNOVATIVE UNTERNEHMEN INNOVATIVE UNTERNEHMEN 43<br />

Willi Gresser beim Ablesen des Zählerstands der Photovoltaikanlage auf dem Dach<br />

der Stadtwerke. Die Anlage gehört der Energiegenossenschaft Virngrund.<br />

Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst erzeugt 180.000 kWh pro<br />

Jahr. Das reicht für circa 50 Haushalte.<br />

pital wurden bisher mehrere, auf städtischen<br />

Gebäuden montierte, Photovoltaikanlagen<br />

finanziert.<br />

Eine der Photovoltaikanlagen wurde<br />

auf dem Dach des Feuerwehrgerätehauses<br />

montiert. Mit einer Spitzenleistung<br />

von bis zu 42 kWp und einem<br />

Investitionsvolumen von 95.000 Euro.<br />

Sie ging im Mai ans Netz. Im Juni wurde<br />

auf den Dächern der Stadtwerke eine<br />

Anlage mit 38 kWp Leistung in Betrieb<br />

genommen. In dieses Projekt flossen<br />

88.000 Euro. Eine dritte, 60.000 Euro<br />

teure Anlage wurde auf dem Schuldach<br />

in Rindelbach platziert. Inbetriebnahme<br />

war im Dezember 2011, die Anlage<br />

hat eine Leistung von bis zu 30 kWp.<br />

Die Anlage auf dem Dach der Kläranlage<br />

in Haisterhofen hat eine Leistung<br />

von knapp 26 kWp und läuft seit März<br />

2011. Die jüngste Anlage auf dem Dach<br />

des Baubetriebshofes Ellwangen ist<br />

circa 40 kWp stark und wurde im März<br />

<strong>2012</strong> in Betrieb genommen.<br />

Zudem beteiligte sich die Genossenschaft<br />

bei der Finanzierung der<br />

Wasserkraftanlage Steingrubmühle an<br />

der Jagst. Hier gewährte die Energiegenossenschaft<br />

ein Darlehen in Höhe<br />

von 80.000 Euro. Die Wasserschnecke<br />

hat eine Leistung von 33 Kilowatt und<br />

wurde im Oktober 2011 in Betrieb genommen.<br />

Alle Anlagen zusammengenommen<br />

erzeugen Strom für ungefähr<br />

100 Haushalte. Weitere geplante Projekte<br />

sind eine Photovoltaik-Anlage in<br />

Neuler mit circa 300 kWp und eine in<br />

Ellwangen mit 350 kWp. Langfristig will<br />

die Energiegenossenschaft auch in die<br />

Windkraft investieren. Ein Bürgerwindrad<br />

sei ein „gesetztes Ziel“, sagt Gresser.<br />

„Wir versuchen das eingezahlte Geld<br />

möglichst schnell anzulegen, damit<br />

es auch Ertrag bringt“, erklärt Gresser.<br />

„Ein Ansparen für das Windrad wäre<br />

nicht sinnvoll.“ Über die Verwendung<br />

des Kapitals entscheidet der Aufsichtsrat,<br />

der zweimal im Jahr tagt. Wie dieses<br />

Jahr, so werden die Genossen auch<br />

beim kommenden Kalten Markt wieder<br />

kräftig Werbung für ihre Sache machen.<br />

INFO<br />

Energiegenossenschaft Virngrund eG<br />

Bahnhofstrasse 28, 73479 Ellwangen<br />

Telefon: 07961-84610<br />

Fax: 07961-84640<br />

Email:<br />

energiegenossenschaft@ellwangen.de<br />

<strong>Klima</strong>neutral umziehen<br />

Das mittelständische Stuttgarter Logistik-Unternehmen<br />

Christ bot als erstes in der Branche klimaneutrale Umzüge an.<br />

Hier entscheiden die Kunden, ob sie einen zusätzlichen<br />

Beitrag für den <strong>Klima</strong>schutz leisten wollen.<br />

Text: Frank Rumpel<br />

2184 Kilogramm Kohlendioxid<br />

werden frei gesetzt, wenn<br />

ein 16-Tonner 60 mit Hausrat<br />

gefüllte Umzugskartons von<br />

Stuttgart ins 650 Kilometer entfernte<br />

Hamburg fährt. Genau diese Menge an<br />

CO 2 können umweltbewusste Kunden<br />

auf andere Art kompensieren, indem<br />

sie beispielsweise in ein Wiederaufforstungsprogramm<br />

in Zentralindien,<br />

den Bau eines Wasserkraftwerkes in<br />

Guatemala oder in ein Biomasseprojekt<br />

in Brasilien investieren. Sie zahlen<br />

also etwas mehr für ihren Umzug<br />

und die Firma Christ leitet diese Summe<br />

dann über die <strong>Klima</strong>schutzberatung<br />

Climate Partner solchen nach<br />

Umweltverträglichkeitsstandards zertifizierten<br />

Projekten zu.<br />

Möglich gemacht hat diesen internationalen<br />

Austausch das 1997<br />

auf dem Weltklimagipfel in Japan<br />

beschlossene und 2005 in Kraft getretene<br />

Kyoto-Protokoll, nach dem<br />

Unternehmen entstandene Treibhausgasemission<br />

durch entsprechende<br />

Investitionen an anderer Stelle auf der<br />

Welt wieder einsparen können. Dadurch<br />

soll der negative Effekt auf das<br />

klimatische Gleichgewicht neutralisiert<br />

werden.<br />

Die Firma Christ mit ihren rund<br />

250 Mitarbeitern bietet diese klimaneutrale<br />

Dienstleistung seit 2008<br />

an. „Nach dem heißen Sommer 2003<br />

ist mir bewusst geworden, dass man<br />

dringend was tun muss“, sagt Maximilian<br />

Baur, Bereichsleiter Logistik,<br />

der das Thema auf den Weg brachte.<br />

Das Unternehmen wurde 1914 als<br />

Möbelspedition gegründet und hat<br />

heute Niederlassungen in Stuttgart,<br />

Bei dem <strong>Klima</strong>schutzprojekt Poza<br />

Verde handelt es sich um ein kleines<br />

Laufwasserkraftwerk in der Gemeinde<br />

von Pueblo Nuevo Viñas, im Department<br />

Santa Rosa in Guatemala.<br />

Heilbronn, Wiesbaden und Bern.<br />

Die Dienstleistungspalette umfasst<br />

Umzüge, Logistik und Messekonzepte.<br />

Christ gilt als Pionier in der<br />

Umzugsbranche und gehörte mit zu<br />

den ersten Unternehmen, die auch<br />

klimaneutrale Logistik und Messekonzepte<br />

im Programm hatten. „Aber<br />

damit“, resümiert Baur, „waren wir eigentlich<br />

etwas zu früh dran.“<br />

Denn vieles von dem, was heute für<br />

einen solchen Prozess standardisiert<br />

zu bekommen ist, musste er noch<br />

selbst entwickeln. Dazu gehörte etwa<br />

die Festlegung der Kohlendioxidemissionen<br />

für die unterschiedlichen<br />

Sparten des Unternehmens, das Programmieren<br />

eines CO 2 -Rechners oder<br />

das entsprechende Marketing. „Das<br />

war schon aufwändig“, sagt Baur.<br />

Errechnet werden die CO 2 -Emissi-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH


44<br />

INNOVATIVE UNTERNEHMEN<br />

onen bei Christ aus fixen und variablen<br />

Werten. Fix sind beispielsweise<br />

Strom- oder Heizenergie für Lager<br />

und Verwaltungsgebäude sowie die<br />

An- und Abfahrt der Mitarbeiter. Beim<br />

oben genannten Umzug von Stuttgart<br />

nach Hamburg fallen so Emissionen<br />

von 152 Kilogramm an. Der Rest, gut<br />

2000 Kilogramm, sind variable, also<br />

bei der eigentlichen Dienstleistung<br />

frei gesetzte Treibhausgase. Dabei<br />

spielt die Entfernung ebenso eine Rolle<br />

wie Art und Anzahl der Kartonagen<br />

und der Transportmittel.<br />

Um dies auszugleichen, müssen die<br />

Kunden in der Regel etwa ein Prozent<br />

der Auftragssumme berappen. Dafür<br />

bekommen sie eine Urkunde, auf<br />

der die Menge des neutral gesetzten<br />

Treibhausgases ebenso notiert ist wie<br />

das Projekt, in welches das Geld fließt.<br />

Daneben bezieht das Unternehmen<br />

seit 2008 an allen Standorten Ökostrom,<br />

hat in Photovoltaikanlagen<br />

auf eigenen und angemieteten Dächern<br />

investiert, die zusammen etwa<br />

1,5 Millionen Kilowattstunden Strom<br />

erzeugen, setzt im Betrieb energiesparende<br />

Leuchtmittel und Geräte<br />

ein, wartet seinen Fuhrpark regelmä-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

»Die Kosten<br />

amortisieren sich<br />

so, dass ein<br />

Mittelständler<br />

damit leben<br />

kann.«<br />

Maximilian Baur,<br />

Bereichsleiter Logistik<br />

ßig und schult die Fahrer. Am neuen<br />

Standort in Stuttgart-Feuerbach – an<br />

dem nun drei in und um die Landeshauptstadt<br />

angesiedelte Niederlassungen<br />

zusammengezogen werden –<br />

hat Christ in einem Industriebau aus<br />

den 50er Jahren unter anderem in ein<br />

neues Dach und eine neue Heizanlage<br />

investiert. Geheizt wird hier mit zwei<br />

Holzpelletkesseln und einem Biogas-<br />

Bilder: Christ<br />

blockheizkraftwerk. Die Investitionen<br />

in ein Energiesparprogramm sind<br />

dabei zu verkraften, sagt Baur. „Die<br />

Kosten amortisieren sich so, dass ein<br />

Mittelständler damit leben kann.“<br />

Das alles macht aus Christ freilich<br />

noch kein klimaneutrales Unternehmen.<br />

„Aber das“, sagt Baur, „war und<br />

ist auch gar nicht das Ziel. Im Speditionsbereich<br />

lässt sich nunmal nicht alles<br />

reduzieren.“ Zwar will das Unternehmen<br />

durch Energieeinsparungen einen<br />

Beitrag zum Umweltschutz leisten, mit<br />

den klimaneutralen Dienstleistungen<br />

aber auch bei den Kunden ein Bewusstsein<br />

für das Thema schaffen.<br />

Das hat zunächst gut funktioniert,<br />

wurde gleichermaßen von Privat-,<br />

wie Geschäftskunden gut angenommen.<br />

Allerdings brach die Nachfrage<br />

im Krisenjahr 2009 deutlich ein. Mittlerweile<br />

erledigt Christ wieder rund<br />

ein Viertel der Aufträge klimaneutral.<br />

Vor allem im Messebereich zieht<br />

die Nachfrage an, lässt sich dort das<br />

<strong>Klima</strong>-Engagement doch unmittelbar<br />

nach außen kommunizieren. „Wir<br />

hoffen“, sagt Baur, „dass das künftig<br />

auch in den anderen Bereichen wieder<br />

anzieht.“<br />

Unterstützte Projekte<br />

Biomasse Rio de Janeiro, Brasilien<br />

Das Projekt umfasst die drei kleinen Keramikfabriken Arrozal,<br />

GGP Ceramics und Sul América Ceramics im Bundesstaat<br />

Rio de Janeiro. Bis 2006 wurde bei allen der fossile<br />

Brennstoff Öl zur Produktion eingesetzt, dann erfolgte die<br />

Umstellung auf Biomasse zur Beheizung der Keramiköfen.<br />

Nun werden nachhaltig aufgeforstetes Holz, Holzreste wie<br />

Holzspäne und Sägemehl plus Industrieabfälle (Paletten,<br />

Holzverpackungen) verwendet. Nur in Ausnahmefällen wird<br />

der Biomassebedarf über kultivierte Pflanzen wie Elefanten-<br />

Aufforstung Pendravan, Indien<br />

Prakash Industries Ltd. betreibt ein Wiederaufforstungsprojekt<br />

im Bundesstaat Chhattisgarh in Zentralindien. Ziel<br />

des Projektes ist die Wiederaufforstung von 282 Hektar degradierter<br />

Böden an fünf Standorten mit insgesamt 210.233<br />

Bäumen. Dies führt zur Bildung von CO 2 -Senken, da die heranwachsenden<br />

Bäume durch den biochemischen Prozess<br />

der Photosynthese Kohlenstoff binden.<br />

Die nachhaltige Bewirtschaftung des Landes liefert zudem-<br />

Brennmaterial wie Äste und Blätter, sodass in der Umgebung<br />

weniger Wälder gerodet werden müssen. Über die Projektlaufzeit<br />

von 20 Jahren werden durch das Projekt pro Jahr etwa<br />

10.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente eingespart.<br />

gras gedeckt. Es werden mehr als sechs Millionen Liter Heizöl<br />

pro Jahr eingespart. Die jährliche CO 2 -Reduktion beträgt<br />

27.771 Tonnen CO 2 -Äquivalente.<br />

Die Asche aus den Keramiköfen wird dem eigenen Kompostzugeführt.<br />

Die GGP Ceramics nutzt die Abwärme des<br />

Ofens auch zum Trocken von Keramikeinheiten. Das Projekt<br />

verfolgt bewusst auch soziale und weitere ökologische Zielsetzung,<br />

deren Fortschritt durch den Social Carbon Standard<br />

kontinuierlich überwacht und bewertet werden.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH<br />

45


46 EXPERTENRAT<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Bild: © SyB - Fotolia.com<br />

mit Holz<br />

Holz als Wärmelieferant erlebt eine Renaissance.<br />

Es ist ein klimaneutraler und vergleichsweise preiswerter<br />

Brennstoff. Holzöfen sorgen an kalten Herbst- und Wintertagen<br />

zudem für eine behagliche Atmosphäre. Wer ein paar<br />

Tipps beim Heizen mit Holz berücksichtigt, tut Gutes für Umwelt<br />

und Nachbarschaft.<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

Jeder fünfte Haushalt in Deutschland<br />

heizt mittlerweile wenigstens teilweise<br />

mit Holz. Steigende Preise für Öl<br />

und Gas haben dazu geführt, dass Holz als<br />

Wärmequelle wieder attraktiver geworden<br />

ist. Aber auch aus ökologischen Gründen<br />

haben viele den Urbrennstoff der Menschheit<br />

neuerlich für sich entdeckt. Wenn Holz<br />

verbrennt, setzt es so viel Kohlendioxid<br />

frei, wie der Baum bei seinem Wachstum<br />

aus der Atmosphäre aufgenommen hat<br />

– und auch bei seiner natürlichen Verrottung<br />

wieder abgegeben hätte. Deshalb gilt<br />

Holz als klimaneutraler Brennstoff. Diese<br />

Rechnung geht aber unter ökologischen<br />

Gesichtspunkten nur auf, wenn die Verbrennung<br />

möglichst optimal verläuft. Andernfalls<br />

drohen Feinstaub, Kohlenmono-<br />

xid und Methan sowie giftige oder sogar<br />

Krebs erregende organische Verbindungen<br />

die Ökobilanz zu beeinträchtigen.<br />

Dies lässt sich vermeiden, wenn einige<br />

wichtige Regeln beachtet werden:<br />

1 Den richtigen Brennstoff verwenden<br />

Die Bundesimmissionsschutzverordnung<br />

regelt klipp und klar, was in Privathaushalten<br />

zu Heizzwecken verbrannt werden<br />

darf: naturbelassenes Scheitholz, Holzbriketts<br />

und -pellets sowie Holz-, Braun- und<br />

Steinkohle. Alle anderen Brennstoffe sind<br />

ausdrücklich verboten, also auch alle Arten<br />

von beschichtetem, lackiertem und lasiertem<br />

Holz, Sperrholz, Span- und Faserplatten.<br />

Obwohl Baumärkte entsprechende<br />

EXPERTENRAT<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

47


48<br />

EXPERTENRAT<br />

O Tannenbaum…<br />

Ein Leben als Christbaum ist kurz. Damit er<br />

möglichst frisch aussieht und nicht direkt<br />

nach dem Fest der Liebe seine Nadeln verliert,<br />

kommt der Tannenbaum oft erst in den Tagen<br />

<strong>vor</strong> Weihnachten in die gute Stube. Die Mission<br />

der meisten Weihnachtsbäume endet bereits am 6. Januar,<br />

wenn Kerzenschmuck und Lametta wieder in Schachteln<br />

und auf Dachböden verstaut werden. Und dann?<br />

Rund 29 Millionen Weihnachtsbäume wurden<br />

vergangenes Jahr in Deutschland aufgestellt –<br />

Tendenz steigend. Ob Nordmanntanne, Blau-<br />

oder Rotfichte: In Berlin und einigen anderen<br />

Großstädten sind ausrangierte<br />

Weihnachtsbäume eine gefragte Ware, die<br />

von den zuständigen Entsorgungsbetrieben kostenlos<br />

abgeholt wird. Zu Holzhackschnitzeln<br />

verarbeitet landet sie dann in Heizanlagen<br />

öffentlicher Gebäude. Wer daheim<br />

über einen Kachel- oder Kaminofen<br />

verfügt, kann das Holz<br />

des ausgedienten Weihnachtsbaums<br />

auch selbst in Wärme verwandeln. Das<br />

behagliche Knistern des brennenden<br />

Weihnachtsbaums als nachweihnachtliche<br />

Hintergrundmusik<br />

sollte allerdings nicht<br />

vom gerade erst abdekorierten<br />

Bäumchen stammen.<br />

Denn das Holz ist noch zu feucht,<br />

um es im selben Winter zu verfeuern.<br />

Zersägt und mindestens ein Jahr<br />

gelagert hingegen spricht<br />

nichts gegen die thermischeZweitnutzung.<br />

Wer über einen eigenen<br />

Kompost und einen<br />

Häcksler verfügt, kann die Reste sei- nes Weihnachtsbaums<br />

auch auf diesem Weg wieder dem natürlichen<br />

Kreislauf zurückgeben. Einerlei, ob aus dem Nadelbaum<br />

Brennholz oder Kompost wird: Reste vom Christbaumschmuck<br />

sollten zu<strong>vor</strong> penibel entfernt werden. Lametta<br />

zum Beispiel kann giftige Metallanteile enthalten oder aus<br />

metallisiertem Kunststoff bestehen. Auch Engelshaar und<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Deko-Schaum sollten weder verbrannt noch kompostiert<br />

werden. Ein erst <strong>vor</strong> wenigen Jahren in Mode gekommenes<br />

Ritual, das mancherorts aber schon als „Brauchtum“ gilt, bereitet<br />

in einigen Amtsstuben Kopfzerbrechen. Örtliche Vereine<br />

oder Feuerwehren laden die Bürger zum gemeinsamen<br />

öffentlichen „Weihnachtsbaumverbrennen“ mit Glühwein,<br />

Punsch oder Gulaschsuppe ein. Eigentlich gelten für Feuer<br />

unter freiem Himmel die Regeln der jeweils gültigen<br />

lokalen Abfallverordnung. Und diese verbietet häufig,<br />

Pflanzenreste überhaupt zu verbrennen, oder sie<br />

beschränkt die Erlaubnis auf bestimmte Zeiten<br />

im Jahr und raucharme Feuer. Die noch relativ<br />

frischen Weihnachtsbäume verbrennen<br />

aber ganz und gar nicht raucharm. Zudem<br />

herrschen in den Wintermonaten oft Inversionswetterlagen<br />

mit sowieso schon hoher Feinstaubbelastung.<br />

Ausnahmegenehmigungen<br />

für das kollektive Christbaumfeuer<br />

sind daher vielerorts notwendig.<br />

Sie können zwar erteilt werden,<br />

wenn es sich um eine Veranstaltung<br />

zur Traditionspflege handelt – doch Umweltschützer<br />

könnten auf dieses neue<br />

„Brauchtum“ gut verzichten.<br />

Wer sich über die Entsorgung<br />

seines Weihnachtsbaumes<br />

überhaupt keine<br />

Gedanken machen will, greift<br />

am besten auf ein künstliches Exemplar<br />

zurück. Naturnah gestaltete<br />

oder designorientierte, lediglich<br />

noch die klassische Silhouette<br />

nachahmende<br />

Modelle gibt es<br />

aus den verschiedensten<br />

Materialien.<br />

Sie können immer wieder<br />

aufgestellt werden und trotzdem von Jahr zu Jahr durch<br />

neue Deko-Ideen anders aussehen. Von einer anderen,<br />

scheinbar ökologischen Alternative raten Umweltschützer<br />

hingegen eher ab: In Pflanzkübeln angebotene Tannenbäume,<br />

die nach dem Fest im Garten einen Platz finden sollen,<br />

überleben den weihnachtlichen Wärmeschock im Wohnzimmer<br />

nur zu einem sehr kleinen Teil. gor<br />

Pressen für den Heimgebrauch verkaufen,<br />

ist das Verfeuern von Briketts<br />

aus Altpapier ebenso untersagt wie<br />

die Verbrennung von Haushaltsmüll<br />

jeglicher Art. Selbst Obstkisten aus<br />

Holz oder auch Nussschalen gehören<br />

nicht ins heimische Feuer. Nadelholz<br />

sollte nur in geschlossenen Öfen verfeuert<br />

werden, nicht in offenen Kaminen:<br />

Es hat einen höheren Harzgehalt,<br />

weswegen Funkenflug droht.<br />

2 Nur trockenes Holz verfeuern<br />

Frisch geschlagenes Holz hat je<br />

nach Art des Baumes und Jahreszeit<br />

einen Wasseranteil von 45 bis 60 Prozent.<br />

Optimal für die Verbrennung ist<br />

ein Wassergehalt von unter 22 Prozent.<br />

Dieser wird durch die richtige<br />

Lagerung erreicht: Eine Holzbeige<br />

im Freien, möglichst überdacht und<br />

von allen Seiten durchlüftet, sorgt<br />

im optimalen Fall dafür, dass dieser<br />

Wassergehalt schon nach einem Jahr<br />

Lagerung erreicht ist. Ohne Überdachung<br />

oder gegen eine Hauswand<br />

gestapelt sollte Holz <strong>vor</strong> dem Verbrennen<br />

zwei Jahre gelagert werden.<br />

Zu feuchtes Holz führt zu schwarzen<br />

Ablagerungen im Brennraum und<br />

an den Innenwänden des Kamins.<br />

Dadurch kann ein Kaminbrand ausgelöst<br />

werden, der unter Umständen<br />

schwerwiegende Folgen hat.<br />

Auch Feinstaub und unerwünschte<br />

Gase treten vermehrt auf, wenn zu<br />

feuchtes Holz verfeuert wird. Außerdem<br />

wird der Wirkungsgrad der<br />

Holzheizung beeinträchtigt. Im Handel<br />

erhältliche gepresste Holzbriketts<br />

sind trocken genug und müssen nicht<br />

mehr gelagert werden, sind aber um<br />

einiges teurer als Scheitholz.<br />

3 Luftzufuhr sicherstellen<br />

Wenn das Feuer zu wenig Verbrennungsluft<br />

erhält, sind die Folgen<br />

ähnlich wie bei der Verbrennung von<br />

zu feuchtem Holz. Ist die Luftzufuhr<br />

regelbar, dann sollte sie so eingestellt<br />

EXPERTENRAT<br />

49<br />

werden, dass ein gleichmäßiges Feuer<br />

brennt und das Holz nicht nur glostet.<br />

Kleinere Holzscheite verbrennen<br />

besser als große; die Luftzufuhr funktioniert<br />

außerdem besser, wenn der<br />

Brennraum nicht zu voll gepackt wird.<br />

Also lieber öfter etwas Holz nachlegen.<br />

4 Regelmäßig überprüfen<br />

Jede Feuerstelle im Haus sollte einmal<br />

im Jahr, möglichst <strong>vor</strong> Beginn der<br />

Heizsaison, von einem Fachbetrieb<br />

inspiziert und bei Bedarf gewartet<br />

werden. Der finanzielle Aufwand wird<br />

zumindest teilweise wieder ausgeglichen,<br />

weil man so die Lebensdauer<br />

erhöht und außerdem Kosten spart,<br />

die anfallen würden, falls der Schornsteinfeger<br />

Mängel findet und Nachkontrollen<br />

ansetzt. Während der Heizperiode<br />

sollte der Besitzer auch selbst<br />

immer wieder einen Blick ins Innere<br />

des Ofens werfen. Dunkle Ablagerungen<br />

anstelle hellgrauer Flächen<br />

sind meistens ein Hinweis, dass die<br />

Verbrennung nicht optimal abläuft.<br />

Auch ein Blick von draußen auf den<br />

Rauch, der aus dem Kamin steigt, ist<br />

von Zeit zu Zeit sinnvoll. Die Rauchfahne<br />

sollte möglichst hell sein – grauschwarzer<br />

Rauch deutet ebenfalls auf<br />

Probleme hin.<br />

Übrigens: Wer sich an diese Tipps<br />

hält, tut nicht nur Gutes für sich, seine<br />

Nachbarn und die Umwelt. Auch<br />

mit der Verwendung der feinen weißen<br />

Aschereste gibt es dann keine<br />

Probleme. Sie können entweder dem<br />

Kompost beigegeben oder als Dünger<br />

in die Gartenerde eingearbeitet werden.<br />

Bei schlechter Verbrennung hingegen<br />

sind in der Asche dunkle Rußpartikel<br />

zu erkennen. Das bedeutet:<br />

In der Asche können auch Krebs erzeugende<br />

polyzyklische aromatische<br />

Kohlenwasserstoffe enthalten sein. In<br />

diesem Fall muss sie über den Hausmüll<br />

entsorgt werden.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT


50<br />

EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche<br />

Ob es weiße Weihnachten gibt, ist jedes jahr von Neuem fraglich. Zum Glück kann man diie Weihnachtsstimmung auch selbst<br />

herbeiführen - beispielsweise beim gemeinsamen Plätzchenbacken mit der Familie.<br />

Gewusst wie:<br />

Spartipps für die Weihnachtsküche<br />

Anisplätzchen, Bratäpfel, Weihnachtsgans, Zimtsterne: Die<br />

Weihnachtszeit ist traditionell auch Schlemmerzeit. Und das kriegt nicht<br />

nur der Hosenbund mit, sondern auch der Stromzähler. Grund genug, ein<br />

paar Überlegungen anzustellen, wie man den Stromverbrauch in der<br />

Küche senken kann – in der Adventszeit und auch während der übrigen<br />

48 Wochen des Jahres.<br />

Text: Veronika Renkenberger<br />

Weihnachtsgebäck gehört<br />

in vielen Familien einfach<br />

dazu – ebenso wie<br />

die langen Nachmittage<br />

und Abende, an denen die Ausstecherle<br />

großzügig mit allem beworfen werden,<br />

was der Küchenschrank hergibt. Und an<br />

denen Butter-S geformt und getrocknet<br />

und Nussmakronen aufgehäufelt wer-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

den. Sofern die Backorgie nicht gerade<br />

in den auch schon traditionellen Familienstreit<br />

mündet, endet sie vielleicht<br />

ganz klischeehaft-wundervoll mit Adventstee<br />

im Kerzenschein und ersten<br />

Versucherle vom Selbstgebackenen,<br />

während die Wolke leckerer Backgerüche<br />

noch für Stunden in den Räumen<br />

hängt. Wer mag da schon an den Strom-<br />

zähler denken? Der hat, während der<br />

Backofen sein Werk vollendet, allerdings<br />

munter <strong>vor</strong> sich hin rotiert. Eine weitere<br />

Sternstunde hat der Stromzähler an den<br />

Feiertagen, wenn die Gans stundenlang<br />

im Ofen <strong>vor</strong> sich hin brutzelt. Ist doch<br />

der Backofen einer seiner gierigsten<br />

Kunden. Und so gilt der Dezember, die<br />

Energieversorger wissen das längst, als<br />

Bild: © lunaundmo - Fotolia.com<br />

der Monat mit dem höchsten Stromverbrauch.<br />

Was tun? Ganz ohne Zimtsterne geht<br />

es ja wohl nicht. Einige Dinge kann<br />

man allerdings schon beachten, um den<br />

Verbrauch ein bisschen nach unten zu<br />

drücken. Zum Beispiel beim Plätzchenbacken:<br />

Möglichst selten aufheizen.<br />

Das bedeutet: Man sollte nicht jede<br />

Sorte an einem anderen Tag backen,<br />

wenn man zwischendurch mal ein<br />

Stündchen frei hat. Sonst muss der Ofen<br />

viele Male aufgeheizt werden, und ebenso<br />

oft verpufft nach wenigen fertigen<br />

Plätzchen-Blechen die Restwärme. Lieber<br />

an einem oder zwei Terminen ein<br />

bisschen mehr Zeit einplanen, <strong>vor</strong>ab<br />

mit einer großen Checkliste alle Zutaten<br />

besorgen, schon im Vorfeld die Teige<br />

<strong>vor</strong>bereiten – und dann möglichst viele<br />

Sorten in rascher Abfolge nacheinander<br />

weg backen.<br />

Intelligent steuern.<br />

Wer in Serie backt, kann noch weiter<br />

sparen: indem die Reihenfolge des<br />

Backens an der Backtemperatur festgemacht<br />

wird. Die Plätzchen-Sorte, die<br />

den heißesten Ofen braucht, kommt in<br />

der Mitte dran. So wird der Ofen einmal<br />

langsam erhitzt und kann ab dann wieder<br />

langsam abkühlen.<br />

Nicht <strong>vor</strong>heizen.<br />

Im Vorfeld schon den Ofen anzuwerfen,<br />

ist heute aus der Mode gekommen.<br />

Vor allem moderne Öfen heizen so<br />

schnell, dass das keine Rolle mehr spielt.<br />

Wer seine Backwaren in den kalten oder<br />

erst auf 100 Grad erhitzten Ofen schiebt,<br />

muss die Backzeit aber vielleicht um<br />

einige Minuten verlängern. Da hilft es,<br />

wenn man ein bisschen Erfahrung hat<br />

und weiß, wie die Plätzchen aussehen,<br />

wenn sie fertig sind.<br />

Restwärme nutzen.<br />

Da der Backofen nicht binnen Sekunden<br />

auskühlt, kann man ihn schon<br />

einige Minuten <strong>vor</strong> dem Ende der letzten<br />

Backzeit abschalten. Eine exakte<br />

Regel gibt es für Plätzchen nicht. Bei<br />

allen Backzeiten über 45 Minuten kann<br />

man den Ofen bereits zehn Minuten<br />

<strong>vor</strong> Schluss gefahrlos ausschalten. Doch<br />

eine so lange Backzeit haben die aller-<br />

Eine weitere Sternstunde<br />

hat der<br />

Stromzähler an<br />

den Feiertagen,<br />

wenn die Gans<br />

stundenlang im<br />

Ofen <strong>vor</strong> sich hin<br />

brutzelt.<br />

Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT<br />

wenigsten Weihnachtsplätzchen. Aber<br />

auch hier kann man Pi mal Daumen einige<br />

Minuten <strong>vor</strong>her den Saft für Wärme<br />

und Licht abdrehen.<br />

Umluftherd auslasten.<br />

Bis zu vier Bleche mit Plätzchen kann<br />

man gleichzeitig in einen Umluft-Backofen<br />

schieben, ohne dass daraus irgendwelche<br />

Qualitätsverluste entstehen.<br />

Da sehr viele Plätzchensorten ähnliche<br />

Backtemperaturen haben, meist zwischen<br />

180 und 200 Grad, finden sich<br />

sicher sinnvolle Kombinationen. Hauptsache,<br />

man sorgt im Vorfeld dafür, dass<br />

genügend Bleche zur Verfügung stehen.<br />

Genau genommen müssten es mindestens<br />

acht Stück sein, damit man nach<br />

den ersten vier Blechen nahtlos die<br />

nächsten vier einschieben kann – denn<br />

sonst sorgt die Wartezeit auf die Bleche<br />

ja für neue Energieverschwendung. Das<br />

51


52 EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT 53<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Was die Großmutter noch wusste:<br />

Reis kochen im Bett<br />

Die guten alten Zeiten waren ja bekanntlich<br />

längst nicht immer nur<br />

gut. Im Krieg und auch danach war<br />

Energie knapp und der Strom oft abgestellt.<br />

Damals wussten die Hausfrauen, wie man<br />

mit geringsten Mengen an Hitze eine warme<br />

Mahlzeit hinbekommt. Ein Beispiel: Reis<br />

kann man auch im Bett kochen, zumindest<br />

fertigkochen. Dasselbe gilt für Hülsenfrüchte<br />

und auch Kartoffeln. Dafür wird der Topf mit<br />

seinem kochenden Inhalt gut eingewickelt<br />

in Handtücher, Decken oder Zeitungspapier<br />

und ins Bett gesteckt.<br />

Wer sich heute im Internet auf die Suche<br />

nach dieser Methode begibt, findet vieles.<br />

Koch-Foren, in denen sich Menschen zusammentun,<br />

die Milchreis nur im Bett und nicht<br />

anders zubereiten, weil er auf diesem Weg<br />

niemals anbrennt – <strong>vor</strong>ausgesetzt, man hat<br />

zwei Stunden Zeit, aufs Essen zu<br />

warten. Aber auch Sprüche darüber,<br />

wie das Bett aussieht, wenn<br />

jemand unwissend hineinhüpft<br />

und so ein Bettdecken-Garprojekt<br />

ausläuft. Es gibt Verweise auf<br />

Militär-Kochbücher, in denen<br />

ähnlich energiesparende Gar-<br />

Prinzipien zum Einsatz kommen.<br />

Wer nicht aufpasst und<br />

diese einfach nachkocht, hat<br />

schnell mal 100 Portionen auf<br />

dem Tisch.<br />

Vor allem aber findet man<br />

Hinweise auf die Kochkiste<br />

und deren abgewandelte Form,<br />

den Kochsack: Das ist eine gut<br />

isolierte Kiste (oder eben ein<br />

Sack), in den ein Topf hineingepackt<br />

werden kann, damit<br />

die Speisen fertig garen oder<br />

warm bleiben.<br />

Die Tradition ist Jahrhunderte<br />

alt, früher wurde mit<br />

Stroh isoliert, heutige Heimwerker<br />

greifen meist zum<br />

Styropor. Einige wenige Hersteller<br />

bieten auch Töpfe<br />

mit millimetergenau angepasstenStyropor-Übertöpfen<br />

an. ver<br />

dürfte allerdings in den wenigsten Haushalten<br />

praktikabel sein.<br />

Umluft-Temperatur senken.<br />

Es gilt die Faustregel: Ein Umluftherd<br />

erzielt mit einer um 20 bis 30 Grad niedrigeren<br />

Temperatur dieselben Ergebnisse<br />

wie ein Ofen mit Ober- und Unterhitze.<br />

Manche Rezepte berücksichtigen<br />

dies. Wenn nicht: Temperatur senken<br />

und die Plätzchen im Blick behalten.<br />

Backofentür geschlossen halten.<br />

Auch wenn die kleinen und großen<br />

Bäcker neugierig sind und hinter der<br />

Glastür betörende Dämpfe aufsteigen:<br />

Die Backofentür sollte während des Backens<br />

möglichst geschlossen bleiben.<br />

Wird der Ofen zwischendurch geöffnet,<br />

kann der Energieverbrauch um bis zu 20<br />

Prozent steigen, weil der Ofen einströmende<br />

Kaltluft erst wieder aufheizen<br />

muss. Deswegen gilt auch: Beim Be-<br />

und Entladen des Ofens sollte man sich<br />

ebenfalls beeilen.<br />

Kühlschranktüre schlau bedienen.<br />

Beim Backen geht die Kühlschranktür<br />

ständig auf und zu. Zutaten rausholen,<br />

fertigen Teig reinstellen, den von warmen<br />

Kinderfingern durchgekneteten<br />

Rest-Teig wieder in eine brauchbare<br />

Verfassung bringen – auch das braucht<br />

Strom. Diesen Verbrauch kann man mit<br />

etwas Nachdenken auch senken: Wenn<br />

der Kühlschrank im Vorfeld bereits<br />

durchdacht eingeräumt wurde, findet<br />

man drinnen alles mit einem Griff, die<br />

Tür ist schneller wieder zu. Wenn genügend<br />

Platz frei gehalten wurde für die<br />

Teig-Portionen, dauert das Verstauen<br />

nicht so lang. Manches muss vielleicht<br />

auch gar nicht in den Kühlschrank: Wer<br />

morgens Butter kauft und nachmittags<br />

backt, kann die Butterstücke gleich draußen<br />

lassen, dann haben sie eine Temperatur,<br />

mit der sie für die meisten Rezepte<br />

sowieso besser zu verarbeiten sind. Ach<br />

ja: Die Adventszeit ist ja auch nur selten<br />

von tropischem <strong>Klima</strong> geprägt. Möglicherweise<br />

findet sich ein kostenloser,<br />

großer Kühlschrank ja auch direkt hinter<br />

der Balkon- oder Terrassentür.<br />

Weitere Verbraucher ausschalten.<br />

Banal, aber wahr: Wenn gerade alle in<br />

der Küche stehen, sieht sowieso keiner<br />

die Lichterkette im Wohnzimmer. Und<br />

während die Rührmaschine läuft, hört<br />

Erst wenn der<br />

Topf auf dem Herd<br />

steht, wird eingeschaltet,<br />

alles<br />

andere wäre Verschwendung.<br />

auch niemand die Weihnachtslieder, die<br />

das Wohnzimmer beschallen. Einfach<br />

mal ein paar Stecker ziehen und Schalter<br />

drücken, auch das beruhigt den Stromzähler.<br />

So, die Plätzchen wären geschafft. Aber<br />

wenn man gerade schon so schön am<br />

Stromsparen ist und den Blick durch die<br />

Küche schweifen lässt: Welche Einspar-<br />

Potenziale bieten sich hier eigentlich<br />

sonst noch an, wenn man nicht gleich einen<br />

neuen Kühlschrank kaufen will?<br />

Backofen möglichst aus lassen.<br />

Der Backofen ist ein großer Gierschlund,<br />

was den Energieverbrauch<br />

angeht. Wer nur ein paar Brötchen aufbacken<br />

will, kann ebenso gut auf den<br />

sparsameren Toaster ausweichen. Wer<br />

Fleisch zubereitet, kann vielleicht die<br />

Zubereitungsarten variieren: Es heißt,<br />

der Ofen lohnt sich nur bei Fleischstücken<br />

ab einem Kilo Gewicht.<br />

Töpfe sinnvoll einsetzen.<br />

Ein Topf sollte so klein wie möglich<br />

gewählt werden und zudem einen gut<br />

passenden Deckel haben, sonst verpufft<br />

bis zum Vierfachen der eigentlich<br />

benötigten Energie wirkungslos.<br />

Außerdem sollte der Topfboden eben<br />

aufliegen, kippelnde alte Töpfe verschwenden<br />

Energie, am besten gleich<br />

wegwerfen. Jeder Topf gehört auf eine<br />

im Durchmesser möglichst identische<br />

Herdplatte.<br />

Weniger ist mehr.<br />

Wer möglichst wenig Flüssigkeit zum<br />

Kochen benutzt, der verkürzt die Garzeit.<br />

Timing für die Herdplatten.<br />

Erst wenn der Topf auf dem Herd steht,<br />

wird eingeschaltet, alles andere wäre<br />

Verschwendung. Wer nicht mit Gas oder<br />

Induktion kocht, sollte die Nachwärme<br />

nutzen und frühzeitig ausschalten – bis<br />

zu zehn Minuten <strong>vor</strong>her, je nach Herd<br />

und Gericht.<br />

Schnellkochtöpfe benutzen.<br />

In vielen Haushalten gibt es Schnellkochtöpfe,<br />

aber die Dinger sind groß<br />

und unhandlich. Nicht selten steht der<br />

Topf samt Ventil und Einsätzen irgendwo<br />

weit hinten im Schrank. Nicht gut<br />

– denn da holt man ihn auch nur selten<br />

raus. Dabei spart ein Schnellkochtopf<br />

nicht nur bis zu 50 Prozent der Zubereitungszeit<br />

ein, sondern auch bis zu<br />

40 Prozent Energie. Und dass mehr<br />

Vitamine erhalten bleiben, ist ja auch<br />

nicht zu verachten.<br />

Für Wasser gibt es Wasserkocher.<br />

Pasta muss „al dente“ sein, und zum<br />

Kochen soll sie genügend Wasser haben,<br />

hört man in allen Kochsendungen.<br />

Leider dauert es oft ewig, bis der große<br />

Kessel voll Wasser zum Kochen gebracht<br />

wurde. Das Mindeste ist, dabei den Deckel<br />

auf den Topf zu setzen. Energetisch<br />

noch deutlich sinnvoller wird es, wenn<br />

man anfangs nur eine kleine Menge<br />

Wasser in den Topf gibt, die restliche<br />

Menge mit dem Wasserkocher erhitzt<br />

und nachschüttet.<br />

Tasse oder Kännchen?<br />

Wer nur eine Tasse Tee trinken will,<br />

sollte den Wasserkocher auch nur mit<br />

einer entsprechend geringen Menge<br />

befüllt anwerfen. Wer immer einen halb<br />

oder ganz vollen Wasserkocher anheizt,<br />

vergeudet viel Energie.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT


54 NEUE BERUFE<br />

NEUE BERUFE<br />

Flugzeuge<br />

sollen leichter<br />

werden<br />

Die 2010 gegründete<br />

German Aerospace Academy<br />

in Böblingen schult Luft- und<br />

Raumfahrt-Ingenieure<br />

praxisnah zum Thema Leichtbau.<br />

Text: Frank Rumpel<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Bild: © WimL - Fotolia.com<br />

Endlich Urlaub, mag sich<br />

mancher denken, der da<br />

in seinem Flieger nach<br />

Mallorca, Los Angeles oder<br />

Bali sitzt. Das Gefühl, diese<br />

Reise verdient zu haben, will man sich<br />

dabei nicht von schnöden Zahlen zerstören<br />

lassen. Dabei trug der weltweite<br />

Flugverkehr 2005 laut dem Deutschen<br />

Zentrum für Luft- und Raumfahrt 2,2<br />

Prozent zu den durch Menschen verursachten<br />

CO 2 -Emissionen bei. Zudem<br />

setzt ein Flugzeug unter anderem Stickoxide<br />

frei, die zur Bildung von Ozon<br />

und dadurch zur Verstärkung des Treibhauseffektes<br />

beitragen. Das gilt auch<br />

für Kondensstreifen, aus denen künst-<br />

liche Schleierwolken mit ähnlicher <strong>Klima</strong>wirkung<br />

entstehen können.<br />

Ganz konkret werden bei einem Flug<br />

von Stuttgart nach Mallorca und zurück<br />

pro Passagier etwa 640 Kilogramm<br />

CO 2 freigesetzt. Nach Los Angeles sind<br />

es 6.660 Kilogramm und nach Bali<br />

10.020 Kilogramm. Zum Vergleich:<br />

Fährt man mit seinem Mittelklassewagen<br />

12.000 Kilometer im Jahr, erzeugt<br />

das etwa 2.000 Kilogramm CO 2 . Diese<br />

Werte stammen von einem Rechner<br />

der Organisation „atmosfair“, die klimabewussten<br />

Reisenden Kompensationszahlungen<br />

für die beim Fliegen<br />

angefallenen Emissionen anbietet,<br />

indem sie das Geld in zertifizierte Pro-<br />

jekte für erneuerbare Energie meist<br />

in Ländern der so genannten Dritten<br />

Welt investiert. Zwar gibt der Emissionsrechner<br />

nur den Ausstoß von<br />

Kohlendioxid an, doch sind in dem<br />

Ergebnis auch andere Emissionen und<br />

Faktoren, wie etwa die Flughöhe und<br />

der Flugzeugtyp, berücksichtigt.<br />

Während nun jeder persönlich darüber<br />

entscheiden kann, ob er oder sie<br />

eine solche Kompensationszahlung<br />

leisten mag, sind die Ingenieure längst<br />

dabei, das Problem auch von anderer<br />

Seite anzugehen. So will die Branche<br />

die Flugzeuge bis 2020 um 50 Prozent<br />

sparsamer, 50 Prozent leiser und 80<br />

Prozent sauberer machen. Erreicht<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: © Christian Nitz - Fotolia.com<br />

55


56<br />

Bild: © Nevermind - Fotolia.com<br />

NEUE BERUFE<br />

Das beim Verbrennen von Kerosin freigesetzte Kohlendioxid hat Auswirkungen auf das <strong>Klima</strong>. Deshalb arbeiten die Ingenieure<br />

ständig daran, die Effektivität von Triebwerken zu verbessern und deren Gewicht durch neue Materialien zu verringern.<br />

"Jede neue Triebwerksgeneration", sagt Prof. Monika Auweter-Kurtz, "ist ein Quantensprung."<br />

werden sollen diese Ziele unter anderem<br />

durch leichtere Werkstoffe, durch<br />

effektivere Turbinen und neue Arten<br />

von Treibstoff.<br />

Bei den Werkstoffen will die 2010 in<br />

Böblingen gegründete und an die pri-<br />

»Ich darf beim<br />

Flugzeug wegen<br />

der Gewichtsreduzierung<br />

keine Risiken<br />

einbauen.«<br />

Prof. Monika Auweter-Kurtz,<br />

Leiterin der German Aerospace Academy<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

vate, aber staatlich anerkannte Steinbeis<br />

Hochschule Berlin angeschlossene<br />

German Aerospace Academy<br />

(ASA) mit Aus- und Weiterbildungen<br />

von Ingenieuren aus der Luft- und<br />

Raumfahrt ihren Teil beitragen. Neben<br />

Bild: ASA<br />

speziellen Kursen und Zertifikatslehrgängen<br />

starten dort im Mai kommenden<br />

Jahres zwei internationale Master-<br />

Studiengänge, die sich speziell mit<br />

Leichtbautechnologien beschäftigen.<br />

„Leichtbau“, sagt Professorin Monika<br />

Auweter-Kurtz, Leiterin der Akademie,<br />

„ist für die Luftfahrt essentiell.“ Dabei<br />

geht es nicht nur darum, möglichst<br />

viel Gewicht zu sparen. Das Material<br />

ist extremen Belastungen ausgesetzt.<br />

Zuverlässigkeit, sagt die 62-Jährige,<br />

müsse deshalb an erster Stelle stehen.<br />

„Wenn ein Auto stehen bleibt, ist das<br />

ärgerlich. Es kann auch mal schrecklich<br />

sein, aber wenn beim Flugzeug ein<br />

zentrales System versagt, ist es sofort<br />

eine Katastrophe.“<br />

Schon heute besteht ein Flugzeug<br />

längst nicht mehr nur aus Leichtmetall<br />

wie Aluminium. Viele auch tragende<br />

Teile, wie der Rumpf oder die Flügel,<br />

sind teilweise aus Faserverbundstoffen<br />

hergestellt. Daneben kommen metallische,<br />

also aus verschiedenen Legie-<br />

rungen bestehende Stoffe zum Einsatz,<br />

beispielsweise zur Aufhängung von<br />

Triebwerken oder auch in den Triebwerken<br />

selbst. Denn die dort verwendeten<br />

Materialien müssen sehr hohen<br />

Temperaturen standhalten. Gasturbinen,<br />

erklärt Auweter-Kurtz, „sind<br />

umso effizienter, je höher die Temperatur<br />

ist“. Deshalb wird in diesem Bereich<br />

momentan auch mit Werkstoffen<br />

auf keramischer Basis geforscht.<br />

Die Faserverbundmaterialien bestehen<br />

im Wesentlichen aus Kohlen- und<br />

Kunststofffasern. Die große Herausforderung:<br />

„Die müssen die gleiche Festigkeit<br />

und die gleiche Lebensdauer haben<br />

wie Leichtmetall“, sagt Auweter-Kurtz,<br />

die als studierte Physikerin in Luft- und<br />

Raumfahrt promovierte, sich habilitierte<br />

und lange an der Uni Stuttgart<br />

lehrte. Diese neuartigen Stoffe müssen<br />

so robust und so flexibel sein, dass sie<br />

auch unter starker Belastung nicht ermüden.<br />

„Ich darf beim Flugzeug wegen<br />

der Gewichtsreduzierung keine Risiken<br />

einbauen“, sagt Auweter-Kurtz. Bei diesen<br />

Verbundstoffen entscheidet längst<br />

nicht nur die Zusammensetzung über<br />

die späteren Eigenschaften. Es kommt<br />

auch darauf an, wie die Fasern miteinander<br />

verbunden sind, ob sie geflochten,<br />

gewoben oder gestrickt werden.<br />

„Da steckt pro Flugzeugteil sehr viel<br />

Entwicklung dahinter“, sagt die Professorin.<br />

Das Besondere an den Aus- und Weiterbildungen<br />

in Böblingen ist einmal<br />

der Praxisbezug (die ASA arbeitet viel<br />

mit kleinen und mittelständischen<br />

Betrieben aus der Region zusammen),<br />

aber auch die Konzentration auf<br />

Leichtbau und virtuelles Engineering,<br />

also die Entwicklung komplexer Systeme<br />

am Computer. Im Mittelpunkt,<br />

sagt Auweter-Kurtz, stehe immer die<br />

Kompetenzerweiterung. Für die beiden<br />

Studiengänge heißt das: Die Studierenden<br />

müssen bei einem Unternehmen<br />

beschäftigt sein und bearbeiten während<br />

ihrer Studienzeit mit Hilfe zweier<br />

Mentoren (einer vom Betrieb, einer von<br />

der Hochschule) ein konkretes Projekt.<br />

Das kann beispielsweise die Entwicklung<br />

eines neuen Materials und neuen<br />

Designs für Flugzeugsitze sein. „Das<br />

hört sich banal an“, sagt Auweter-Kurtz.<br />

Aber im Flugzeug gebe es nunmal viele<br />

Dutzend dieser Sitze. „Da lässt sich<br />

schon einiges an Gewicht einsparen.“<br />

Die Studierenden<br />

müssen bei einem<br />

Unternehmen beschäftigt<br />

sein und<br />

bearbeiten während<br />

ihrer Studienzeit mit<br />

Hilfe zweier Mentoren<br />

(einer vom Betrieb,<br />

einer von der Hochschule)<br />

ein konkretes<br />

Projekt.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

NEUE BERUFE<br />

Durch solche Projekte wird das Gelernte<br />

direkt in die Praxis umgesetzt.<br />

Das wiederum macht den Studiengang<br />

für Unternehmen interessant, die<br />

schließlich für die Gebühren der Akademie<br />

aufkommen. Wie begehrt die<br />

Plätze sind, mag sich auch darin spiegeln,<br />

dass einige Unternehmen bereits<br />

jetzt, noch <strong>vor</strong> dem Start des Studiengangs,<br />

mit konkreten Entwicklungsaufträgen<br />

an die ASA herantreten.<br />

Dabei ist Leichtbau nicht nur für die<br />

Luft- und Raumfahrt, sondern auch für<br />

die Automobilindustrie ein wichtiges<br />

Thema. „Die Branchen befruchten sich<br />

da gegenseitig“, sagt Auweter-Kurtz.<br />

Zwar tragen neuartige Werkstoffe<br />

und Technologien beim Flugzeug wie<br />

beim Auto wesentlich zur Reduzierung<br />

von Gewicht und damit dem Ausstoß<br />

von Schadstoffen bei. Aber damit allein,<br />

sagt Auweter-Kurtz, seien die gesteckten<br />

Einsparziele wohl kaum zu<br />

erreichen. „Das geht nur, wenn jeder<br />

einzelne mehr Energie spart und sich<br />

bei jedem Prozess fragt, ob das wirklich<br />

nötig ist.“<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

57


58<br />

EXPERTENRAT<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

<strong>Klima</strong>freundlich über<br />

den Tod hinaus<br />

Wer gerade einen Angehörigen verloren hat und sich neben<br />

aller Trauer auch noch um die Formalitäten der Bestattung kümmern<br />

muss, dem mag so manches durch den Kopf gehen. Eines vermutlich<br />

nicht: die <strong>Klima</strong>- oder Ökobilanz der be<strong>vor</strong>stehenden Bestattung.<br />

In Fachkreisen allerdings ist das durchaus ein Thema.<br />

Text: Veronika Renkenberger<br />

Bild: © line-of-sight - Fotolia.com<br />

Den Bio-Sarg mögen die Kunden,<br />

weil sich das gewachste Nadelholz<br />

gut anfühlt, wenn man mit<br />

der hand darüber streicht. Das weiß<br />

Markus Höhn vom Tübinger Bestattungshaus<br />

Rilling und Partner.<br />

Bio-Sarg“ steht auf dem Schild<br />

im Schauraum des Tübinger<br />

Bestattungshauses Rilling<br />

und Partner. Was genau hier<br />

mit „Bio“ gemeint ist, erklärt Geschäftsführer<br />

Markus Höhn: „Das ist Kiefer<br />

massiv, nur mit Wachs behandelt, und<br />

auch die Griffe sind aus Holz. Dieses Holz<br />

kommt aus Süddeutschland, hergestellt<br />

wird der Sarg auf der Schwäbischen Alb.<br />

Kissen, Decke und Polsterung hinterlassen<br />

keine Schadstoffe.“ Gekauft werde<br />

so ein Sarg von Menschen, die es mögen,<br />

mit der Hand über Holz zu streichen<br />

und die Maserung noch zu spüren. Aktiv<br />

angesprochen werden Umweltbelange<br />

bei Rilling und Partner allerdings nicht,<br />

denn Trauernde haben andere Sorgen.<br />

„Ökologie ist bei uns Unternehmensphilosophie,<br />

das findet im Kundengespräch<br />

nicht statt.“<br />

Im Internet finden sich unter den<br />

entsprechenden Stichworten allerhand<br />

Angebote für Urnen aus Kartoffelstärke,<br />

Bestattungswäsche aus Naturfasern<br />

oder auch Papp-Särge. Doch das dürfte<br />

Vielen zu exotisch sein. Welche der hierzulande<br />

üblichen Bestattungsmethoden<br />

ist eigentlich die klimafreundlichere,<br />

eine Erd- oder eine Feuerbestattung?<br />

Diese Frage kann keiner auf die Schnelle<br />

klären – zu viele Faktoren spielen eine<br />

Rolle. Beispiel Erdbestattung: Ist der Sarg<br />

aus regionalem oder aus Tropenholz?<br />

Wie weit muss der Verstorbene transportiert<br />

werden, in was für einem Fahrzeug?<br />

Mit welchen Hilfsmitteln wird das Grab<br />

ausgehoben? Wie ist die Bodenbeschaffenheit<br />

auf dem Friedhof, und wie wird<br />

er bewirtschaftet?<br />

Die Stadt Tübingen wäre vielleicht ein<br />

guter Ansprechpartner. Schließlich hat<br />

die Stadtverwaltung das bundesweit<br />

erste ökozertifizierte Friedhofswesen<br />

– entsprechend der europäischen Umweltrichtlinie<br />

EMAS (Eco-Management<br />

and Audit Scheme) sollen die Tübinger<br />

Friedhöfe zum Lebensraum für mehr<br />

Pflanzen und Tiere werden. Doch all<br />

das spielt sich überirdisch ab. Über Versickerung<br />

von eventuellen Giftstoffen,<br />

Medikamenten-Rückständen oder<br />

auch Schwermetallen beispielsweise<br />

aus Herzschrittmachern oder Implantaten<br />

ist hingegen nicht viel zu erfahren:<br />

Das sei kein Thema, denn es gebe<br />

auch generell keinerlei Regelungen und<br />

Vorschriften, die sich mit dem Grundwasserschutz<br />

auf Friedhöfen befassen.<br />

Eine Erdbestattung sei insgesamt wohl<br />

umweltfreundlicher als eine Feuerbestattung,<br />

heißt es, sie komme ja ohne<br />

Brennstoffe aus und gebe auch keine<br />

Schadstoffe in die Atmosphäre ab.<br />

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt<br />

(DBU) hat die Umwelt-Aspekte<br />

von Erdbestattungen <strong>vor</strong> acht Jahren<br />

untersucht und zahlreiche Daten zusammengetragen<br />

– Fazit auch dort: Es<br />

gebe „Schwierigkeiten hinsichtlich der<br />

Auswertbarkeit und Vergleichbarkeit des<br />

<strong>vor</strong>handenen Datenmaterials“, so dass<br />

nun zwei Meinungen <strong>vor</strong>herrschen: „Die<br />

eine, dass von Friedhöfen keine ausgehende<br />

Gefahr zu erwarten ist, und die<br />

andere, dass gerade von diesen Flächen<br />

Kontaminationen ausgehen können.“<br />

Betreiber von Krematorien sehen<br />

Erdbestattungen kritisch. Sie verweisen<br />

darauf, dass bei einer modernen Verbrennungstechnik<br />

solche Schadstoffe<br />

wie Quecksilber aus Zahnfüllungen gar<br />

nicht erst in die Natur gelangen, son-<br />

EXPERTENRAT<br />

dern herausgefiltert und gezielt entsorgt<br />

werden können (siehe hierzu „Asche zu<br />

Asche“, Seite 60). Auch hier gibt es Unterschiede,<br />

je nach Baujahr des Krematoriums<br />

und seiner Filtertechnik. Tatsächlich<br />

wurde erst im Jahr 1997 durch<br />

das Bundesimmisionsschutzgesetz eine<br />

Regelung für die Rauchgase von Einäscherungsanlagen<br />

getroffen. So darf<br />

der Stundenmittelwert pro Kubikmeter<br />

etliche Grenzwerte nicht übersteigen,<br />

eine ständige Überwachung muss dies<br />

auch belegen. Für Kohlenmonoxid gilt<br />

beispielsweise ein Wert von 50 Milligramm<br />

– zum Vergleich: Laut Euro-5-<br />

Abgasnorm darf ein Dieselfahrzeug pro<br />

Kilometer bis zu 500 Milligramm, ein<br />

Benziner sogar 1.000 Milligramm Kohlenmonoxid<br />

ausstoßen.<br />

Hierauf sind heute alle Anlagen in<br />

Deutschland justiert. Wobei sie mit Problemen<br />

zu kämpfen haben, die aus einer<br />

ganz anderen Richtung kommen. Das<br />

Magazin Spiegel titelte im Frühjahr <strong>2012</strong><br />

„Feuerwehr am Sarg“ und schilderte<br />

etliche Beispiele dafür: Adipöse Körper<br />

brennen wegen der großen Mengen an<br />

Fett so heiß, dass sie viele Anlagen überlasten.<br />

Mittlerweile sind 15 Prozent der<br />

Deutschen zumindest übergewichtig,<br />

Tendenz steigend. Was dann im Krematorium<br />

passieren kann: Brennendes<br />

Fett läuft aus dem Ofen aus und verteilt<br />

sich im Vorraum, Schornsteinanlagen<br />

oder andere Bauteile schmelzen einfach<br />

durch. Immer wieder kommt es auch<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: Renkenberger<br />

59


60<br />

EXPERTENRAT<br />

Ins Krematorium Rutesheim bei Leonberg<br />

bringen sowohl das Tübinger<br />

Bestattungshaus Rilling und Partner<br />

wie auch das Stuttgarter Bestattungshaus<br />

Haller viele Verstorbene. Betriebsleiter<br />

Franz Hanelt erklärt die Prozesse:<br />

In Rutesheim gibt es zwei Öfen, die mit<br />

Gas betrieben werden. Normalerweise<br />

werden die Abgase aufwändig gefiltert<br />

und gereinigt. Ausnahmen davon seien<br />

äußerst selten: Abgase werden nur dann<br />

ungereinigt per Bypass abgeleitet, wenn<br />

ein Stromausfall die gesamte elektrische<br />

Regelungstechnik lahmlegt – und um das<br />

zu vermeiden, ist das Gebäude eigens<br />

zweifach ans Stromnetz angebunden.<br />

Was mit den Abgasen genau geschieht,<br />

erklärt Franz Hanelt für Laien so: Im Normalfall<br />

sorgt ein mehrstufiges Filtersy-<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Kühler<br />

zu Schadstoff-Spitzen im Abgas, weil<br />

sich bei Notfällen je nach Ofen die sogenannten<br />

Bypass-Klappen öffnen und<br />

die Abgase ungefiltert direkt in die Außenluft<br />

abgegeben werden.<br />

Franz Hanelt ist Betriebsleiter eines<br />

2003 errichteten Krematoriums in<br />

Rutesheim bei Leonberg, dem ersten<br />

privat betriebenen Krematorium in<br />

Württemberg. Dort werden jährlich<br />

Hauptbrennkammer Nachbrennkammer<br />

Zyklon<br />

Asche<br />

zu<br />

Asche<br />

Staubfilter<br />

Bild: Privat<br />

stem dafür, dass aus dem Schornstein<br />

reiner Wasserdampf steigt. Die Rauchgase<br />

der Verbrennung werden in eine<br />

Nachbrennkammer geleitet. Hier werden<br />

bei rund 850 Grad Celsius nahezu alle<br />

Schadstoffe verbrannt. Über den Kühlturm<br />

gelangen die abgekühlten Rauchgase<br />

in einen Zyklon, dort werden grobe<br />

Partikel abgeschieden. Weiter geht es<br />

in einen Feinstaubfilter mit 90 Filterstrümpfen,<br />

die noch feiner sind als Damenstrumpfhosen.<br />

Im anschließenden<br />

Katalysator folgt eine Reinigung mit<br />

Aktivkohle, die gegen sämtliche noch<br />

verbliebenen Schadstoffe wirkt, gegen<br />

Dioxine, Furane, Schwefel und Quecksilber.<br />

Die komplette Filtertechnik eines<br />

solchen Ofens ist etwa so groß wie ein<br />

Einfamilienhaus. ver<br />

Sicherheitsklappe<br />

Katalysator<br />

etwa 6000 Verstorbene kremiert, etwa<br />

einmal pro Monat ist derzeit jemand zu<br />

schwer und wird deswegen in ein kooperierendes<br />

Krematorium gebracht.<br />

„Bei uns im Haus haben wir ein Limit<br />

gesetzt, der Verstorbene darf mit Sarg<br />

maximal 210 Kilo wiegen.“ Um mit<br />

schweren Verstorbenen besser klarzukommen,<br />

kann Franz Hanelt die Prozesse<br />

variieren: Eine solche Einäsche-<br />

Emissonsmessung<br />

Schornstein<br />

Grafik: Köber<br />

rung plant er gezielt am Tagesbeginn<br />

ein, wenn der Ofen noch nicht voll auf<br />

Betriebstemperatur ist.<br />

Gibt es denn Alternativen? Andrea<br />

Maria Haller ist studierte Theologin und<br />

leitet gemeinsam mit ihrem Bruder und<br />

ihrer Mutter das Bestattungshaus Haller<br />

in Stuttgart. Sie befasst sich seit Jahren<br />

auch mit dem Totenkult anderer Länder<br />

und Kulturen und berichtet aus Tibet:<br />

Dort gibt man einen Verstorbenen auf<br />

eine sehr direkte Art und Weise zurück<br />

in den natürlichen Kreislauf. Sein Körper<br />

wird in Stücke zerlegt, die man in<br />

der Natur auslegt, oft an bestimmten<br />

Bestattungsbergen. Dort dienen sie als<br />

Nahrung für Vögel und Wildtiere. „Das<br />

ist ökologisch vielleicht extrem positiv“,<br />

sagt Andrea Maria Haller, „aber für unsere<br />

Kulturkreise doch etwas schwierig<br />

anzunehmen.“<br />

Komplett neue Lösungen werden andernorts<br />

bereits diskutiert und erprobt.<br />

Szenenwechsel nach Südengland. An<br />

der britischen University of Bath kann<br />

man Bestattungswesen sogar studieren,<br />

in Deutschland ist Bestatter dagegen ein<br />

Ausbildungsberuf. „Unit Death and Dying“<br />

heißt der Fachbereich in Bath und<br />

gehört zur Fakultät für Soziologie. Wer<br />

sich auf der dortigen Homepage umschaut,<br />

findet beim Studiengang „Funeral<br />

Services“, also Bestattungsdienste,<br />

eine Liste mit neun Themenblöcken, von<br />

denen einer „Green Issues“ heißt, locker<br />

übersetzt Öko-Fragen. „Britische Bestatter<br />

arbeiten akademisch fundierter“, hat<br />

Andrea Maria Haller beobachtet, die<br />

in Bath bereits Seminare besucht hat.<br />

Neue, ökologische Bestattungsvarianten<br />

werden dort analysiert und diskutiert.<br />

Kaltes Pulver<br />

In Skandinavien hat das Unternehmen<br />

Promessa ein Verfahren entwickelt,<br />

das entfernt an eine Feuerbestattung<br />

erinnert. Äußerst entfernt – denn der<br />

Leichnam wird zwar ebenfalls zu etwas<br />

Pulverartigem, aber nicht mithilfe von<br />

Feuer, sondern durch Kälte. Das Unternehmen<br />

selbst spricht auf seiner Internetpräsenz<br />

von einer „umweltangepassten<br />

Beerdigungsform“.<br />

Minus 18 Grad Celsius hat die Kühlkammer,<br />

in welcher der Verstorbene eingefroren<br />

wird. Nach eineinhalb Wochen<br />

taucht man den gefrorenen Körper in<br />

flüssigen Stickstoff mit minus 196 Grad.<br />

Das macht den Leichnam zerbrechlich.<br />

Dann sorgen leichte Vibrationen dafür,<br />

dass er in ein organisches Pulver zerfällt,<br />

dem man anschließend in einer Vakuum-Kammer<br />

die Flüssigkeit vollends<br />

entzieht. Übrig bleibt ein Pulver, aus<br />

dem man alle metallischen Bestandteile<br />

entfernen kann – Quecksilber, Zahngold,<br />

Titanschrauben und anderes.<br />

Die sterblichen Überreste übergibt<br />

Promessa in einem Gefäß aus Maisstär-<br />

Bild: Deniz Saylan<br />

Andrea Maria Haller vom gleichnamigen<br />

Stuttgarter Bestattungshaus befasst<br />

sich mit Bestattungstraditionen anderer<br />

Kulturen.<br />

ke an die Hinterbliebenen. Nach der<br />

Beerdigung werden Gefäß und Inhalt<br />

bereits binnen sechs bis zwölf Monaten<br />

zu Kompost. Wer mag, kann an dieser<br />

Stelle einen Apfelbaum oder Fliederbusch<br />

pflanzen, der von diesem Kompost<br />

genährt wird – ein Gedenkort an<br />

den Verstorbenen, der zugleich auch die<br />

irdischen Zyklen widerspiegelt.<br />

Promessa kritisiert auf seiner Homepage<br />

den energetischen Aufwand von<br />

Krematorien, macht aber keine Angaben<br />

über den Energieaufwand für das<br />

eigene Verfahren.<br />

Schnell durch Lauge<br />

Ein anderes Verfahren, auch als alkalische<br />

Hydrolyse bekannt, verflüssigt<br />

den Leichnam. Dafür wird nur etwa ein<br />

Sechstel der Energie verbraucht, die für<br />

eine Verbrennung im Krematorium nötig<br />

ist. Somit fällt der CO 2 -Fußabdruck<br />

entsprechend kleiner aus. Die Firma<br />

Resomation in Schottland hat sich<br />

hierauf spezialisiert und für das laut<br />

Homepage „würde- und respektvolle“<br />

Verfahren eine Maschine namens „Resomator“<br />

entwickelt. Die Zeremonie für<br />

die Angehörigen gleiche der Feuerbestattung,<br />

verkündet die Homepage, nur<br />

dass der Sarg anstatt in den Ofen in den<br />

Resomator gleitet. Ähnlich wie in einem<br />

Krematorium dauert der Vorgang dann<br />

zwei bis drei Stunden.<br />

EXPERTENRAT<br />

Im Resomator wird der Leichnam in<br />

eine Druckkammer gelegt, Wasser und<br />

Kaliumhydroxid kommen hinzu, eine<br />

stark alkalische Lösung entsteht. Nach<br />

rund drei Stunden bei 330 Grad bleiben<br />

gebleichte Knochen übrig, die zu<br />

etwas Ascheähnlichem zermahlen werden<br />

können, sowie eine Flüssigkeit, die<br />

man angeblich in die Kanalisation leiten<br />

kann.<br />

Das Unternehmen Resomation sagt,<br />

durch den Prozess würden etwa 35 Prozent<br />

weniger klimaschädliche Abgase<br />

erzeugt als bei einer Kremation, der Energiebedarf<br />

betrage sogar nur ein Siebtel.<br />

Weitere ökologische Vorteile seien:<br />

Mit der Resomation vermeide man zuverlässig,<br />

dass Quecksilber in die Natur<br />

gelangt. Künstliche Hüftgelenke bleiben<br />

nach dem Prozess offenbar spiegelglatt<br />

gereinigt zurück, man könnte sie theoretisch<br />

sogar recyceln.<br />

Riffkugeln<br />

In den Vereinigten Staaten können<br />

Tote auch Teil eines künstlichen Korallenriffs<br />

werden. Hierzu wird ihre Asche<br />

bei der Herstellung von Betonformen<br />

mit ins Material eingearbeitet, die anschließend<br />

auf dem Meeresboden verankert<br />

werden, um dort als Lebensraum<br />

für die Meeresbewohner zu dienen. Auf<br />

dem Schiff ist dann eine Bestattungszeremonie<br />

mit Familie und Freunden<br />

möglich. Die Methode der „Riff Balls“<br />

wird beispielsweise in den US-Bundesstaaten<br />

Florida und Texas angeboten.<br />

Bloß nicht einbalsamieren!<br />

Seit Jahrtausenden werden tote<br />

Menschen in vielen Kulturen einbalsamiert,<br />

um ihre Körper haltbar zu machen.<br />

Was in Deutschland heute verboten<br />

ist, gehört in den USA noch zum<br />

guten Ton. Auch, weil dort oft größere<br />

Zeitspannen verstreichen zwischen<br />

Tod und Bestattungsfeier – oder weil<br />

die Verstorbenen über große Distanzen<br />

transportiert werden. Unter Umweltschützern<br />

haben die modernen Methoden<br />

des Einbalsamierens zu Recht<br />

einen schlechten Ruf: Hierfür werden<br />

Substanzen verwendet, die Formaldehyd<br />

enthalten und krebserregend sind<br />

– gefährlich ebenso für Bestatter wie<br />

für die Umwelt. Hier lautet der Umwelt-Tipp<br />

also: Sofern keine internationalen<br />

Bestimmungen es erforderlich<br />

machen, keinesfalls einbalsamieren.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

61


egional<br />

62 SERVICE<br />

SERVICE<br />

Veranstaltungen <strong>2012</strong>/2013<br />

Energiekompetenzzentrum Ostalb (EKO)<br />

NOVEMBER<br />

28. <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

20 Uhr<br />

In Zusammenarbeit mit dem<br />

Programmkino Aalen lädt der<br />

Energietisch der Lokalen Agenda<br />

21 zum Film "Bauen mit der<br />

Kraft der Natur" ein.<br />

Der Film zeigt den Weg natürlicher<br />

Rohstoffe bis zum fertigen<br />

Haus. Im Anschluss stehen<br />

Experten des Energietisches<br />

für Fragen und Diskussion zur<br />

Verfügung.<br />

<strong>Ort</strong>: Kino am Kocher<br />

DEZEMBER<br />

3. Dezember <strong>2012</strong><br />

19 Uhr<br />

EKO-Infoabend<br />

Thema „Thermografie“<br />

Referent: Michael Kessler,<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Firma Holzbau Kessler<br />

<strong>Ort</strong>:<br />

EKO - Energieberatungszentrum<br />

Böbingen<br />

JANUAR<br />

6. Januar bis 9. Januar 2013<br />

EKO- Infostand auf dem Kalten<br />

Markt in Ellwangen<br />

15. Januar<br />

19.30 Uhr<br />

Vortrag „Energieeffizientes<br />

Bauen und Renovieren“<br />

Willi Kruppa,<br />

freier Architekt, Aalen<br />

<strong>Ort</strong>: Rathaus Lauchheim, Sitzungssaal<br />

26. Januar bis 27. Januar 2013<br />

Infotage Energie<br />

Ausstellung und Vorträge rund<br />

um Themen wie Energiespa-<br />

ren mit neuen Heizanlagen,<br />

Wärmedämmung mit modernen<br />

Systemen und Finanzierungsmöglichkeiten.<br />

<strong>Ort</strong>: Foyer Rathaus Aalen<br />

Veranstalter:<br />

Energietisch-Projektgruppen<br />

der Lokalen Agenda 21 und das<br />

Grünflächen- und Umweltamt<br />

der Stadt Aalen<br />

FEBRUAR<br />

7. bis 9. Februar 2013<br />

CEB Stuttgart,<br />

Messestand der regionalen<br />

Energieagenturen Metropolregion<br />

Stuttgart<br />

<strong>Ort</strong>: Messe Stuttgart<br />

23. bis 24. Februar 2013<br />

Handwerksmesse<br />

Schwäbisch Gmünd<br />

EKO-Infostand<br />

MÄRZ<br />

2. bis 3. März 2013<br />

Gewerbeausstellung<br />

Unterschneidheim<br />

Mit EKO-Infostand<br />

APRIL<br />

13. bis 14. April 2013<br />

Gewerbeausstellung in der<br />

Gemeinde Jagstzell<br />

Mit EKO- Infostand<br />

MAI<br />

5. Mai 2013<br />

Gewerbeschau<br />

„Rems Total“ in der Gemeinde<br />

Böbingen<br />

Mit EKO- Infostand<br />

Bild: REECO GmbH<br />

Saft fürs Telefonieren sparen<br />

Ein rotes Batteriesymbol leuchtet auf, die Nachricht „Batterie<br />

schwach“ erscheint auf dem Display – der Akku des Handys ist beinahe<br />

leer. Wenige Minuten später ist der Saft vielleicht ganz weg. Doch<br />

das kann Ihnen nicht nur passieren, wenn in Ihrem Mobiltelefon ein<br />

alter Akku steckt. Wie im Haushalt gibt es auch beim Handy unnötige<br />

„Stromfresser“, welche die Batterie schnell in die Knie zwingen.<br />

Text: Alexander Hauber<br />

Durch Stromsparen lässt sich<br />

die Akkulaufzeit deutlich verlängern.<br />

Wenn Sie folgende<br />

einfache Tipps beachten, dann haben<br />

Sie länger Freude an einer Ladung und<br />

müssen ihr Mobiltelefon nicht so schnell<br />

wieder zum „Tanken“ ans Netz stecken:<br />

l Schalten Sie die Tastaturbeleuchtung<br />

Ihres Handys tagsüber aus. Die Tasten<br />

lassen sich auch ohne Licht gut<br />

erkennen.<br />

l Das Display muss nicht grell beleuchtet<br />

sein. Die Helligkeitsstufe können<br />

Sie ruhig um einige Grade reduzieren.<br />

Das gilt besonders für Handys<br />

mit Touchdisplay. Hier macht sich<br />

das „Dimmen“ der Beleuchtung sehr<br />

deutlich bemerkbar, da große Displays<br />

wahre Stromfresser sind.<br />

l Außerdem können Sie die Hintergrundbeleuchtung<br />

des Displays zum<br />

Beispiel so einstellen, dass sie sich<br />

nach 30 Sekunden oder einer Minute<br />

automatisch ausschaltet, wenn Sie<br />

keine Taste mehr gedrückt haben.<br />

l Auf animierte Bildschirmschoner<br />

sollten Sie ganz verzichten. Denn wenn<br />

das Handy in der Hand- oder Hosentasche<br />

steckt, haben Sie sowieso nichts<br />

von den bunten Flimmerfilmchen.<br />

l Ein Stromspartipp hält sich noch<br />

hartnäckig unter Handybenutzern,<br />

obwohl er eigentlich das genaue<br />

Gegenteil bewirkt. Angeblich soll<br />

man das Handy beim Nichtbenutzen<br />

ausschalten, um Strom zu sparen.<br />

Das Gegenteil passiert jedoch:<br />

Beim Einschalten des Handys wird<br />

jede Menge Strom verbraucht, um<br />

es „hochzufahren“. Und gerade bei<br />

Smartphones, die ja so etwas wie Mini-Computer<br />

im Taschenformat sind,<br />

laufen jede Menge Prozesse und kleine<br />

Programme im Hintergrund ab,<br />

um das Handy startbereit zu machen.<br />

Schalten Sie ihr Handy also besser<br />

„offline“ oder in den „Flugzeugmodus“.<br />

Dann ist das Gerät nicht mehr<br />

im Mobilfunknetz eingebucht, bleibt<br />

aber hochgefahren und startbereit.<br />

l Alle Smartphone-Besitzer sollten<br />

Programme, die sie nicht mehr<br />

brauchen, ausschalten. Warum den<br />

Browser oder den Musikplayer ungenutzt<br />

im Hintergrund laufen lassen?<br />

Das kostet nur Strom. Und wenn das<br />

Handy viele Programme gleichzeitig<br />

in Gang hat, benötigt es dafür auf<br />

Dauer richtig viel Saft.<br />

l Wer es schafft, sich von seinem geliebten<br />

Vibrationsalarm losreißen zu<br />

können, schenkt seinem Akku wieder<br />

etwas mehr Laufzeit. Denn der<br />

kleine Motor, der die Vibration verursacht,<br />

frisst viel Saft aus dem Akku.<br />

l Auch durch die Art und Weise, wie Sie<br />

das Handy beim Telefonieren halten,<br />

können Sie Strom sparen: Umschließen<br />

Sie das Handy nicht mit Ihrer<br />

ganzen Hand, sondern fassen Sie es<br />

am unteren Drittel an. Der Grund:<br />

Die Antenne ist meist im oberen Teil<br />

des Gehäuses verbaut. Verdecken Sie<br />

die Antenne beim Telefonieren mit<br />

Ihren Fingern, dann muss das Handy<br />

die Sendeleistung erhöhen und das –<br />

Sie haben es bestimmt schon erraten<br />

– kostet auch wieder mehr Strom.<br />

l Zudem sollten Sie nur Original- beziehungsweise<br />

Marken-Akkus in Ihrem<br />

Handy verwenden. Die sind zwar<br />

teurer, aber Sie würden sich sicher<br />

grün und blau ärgern, wenn das teure<br />

Smartphone einen Totalschaden erleidet,<br />

weil der Billig-Akku aus Fernost<br />

darin ausgelaufen ist. Also lieber<br />

ein paar Euro mehr investieren. Außerdem<br />

behalten die Originalakkus<br />

auch länger eine hohe Ladekapazität<br />

und gehen meist nicht so schnell kaputt<br />

wie die billigen Exemplare.<br />

l Um Ihren Akku zu schonen, sollten<br />

Sie ihn niemals ganz leer werden lassen<br />

und erst dann wieder aufladen.<br />

Diese so genannte Tiefentladung<br />

schadet dem Akku. Auf der anderen<br />

Seite sollten Sie ihn auch nur aufladen,<br />

wenn es sich wirklich lohnt<br />

– also zum Beispiel nicht, wenn ihr<br />

Handy nur einen halben Tag ungenutzt<br />

herumlag. Denn Akkus vertragen<br />

nur eine bestimmten Anzahl an<br />

Lade<strong>vor</strong>gängen, be<strong>vor</strong> sie das Zeitliche<br />

segnen.<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: Alexandra H. / pixelio.de<br />

regional<br />

63


64 KURZ VOR SCHLUSS<br />

SERVICE 65<br />

Ganztägig 25 Grad Raumtemperatur,<br />

gekippte Fenster,<br />

verdeckte Heizkörper – diese<br />

Zustände sind in deutschen<br />

Haushalten keine Seltenheit.<br />

Unnötig hohe Heizkostenrechnungen<br />

sind die Folge<br />

und auch die <strong>Klima</strong>belastung<br />

steigt. Verbraucher sollten<br />

deshalb einige Regeln beachten,<br />

rät Claudia Rist vom<br />

Landesprogramm Zukunft<br />

Bundesumweltminister Peter Altmaier<br />

forderte beim runden Tisch am 10. Oktober<br />

kostenlose Energieberatungen für<br />

jedermann. Hintergrund ist die Debatte<br />

über die Belastung der Bürger durch<br />

höhere Energiekosten, denen mit Energiesparen<br />

ein Schnippchen geschlagen<br />

werden kann. Vertreter der Bundesregierung,<br />

von Sozialverbänden, der Kirchen<br />

sowie Verbraucherschützer berieten darüber,<br />

wie Bewusstsein für sorgfältigen<br />

Umgang mit Energie und mit Strom zu<br />

schaffen ist.<br />

Erst denken, dann heizen<br />

Altbau. Im Wohnbereich liege<br />

die Temperatur tagsüber<br />

vernünftigerweise bei rund<br />

20 Grad Celsius, in wenig frequentierten<br />

Zimmern bei 16<br />

bis 18 Grad. Ein Thermostat<br />

könne die Regelung überneh-<br />

Kostenlose Energieberatung?<br />

Gibt es bereits!<br />

men. Sinnvoll sei auch, nachts<br />

die Temperatur um etwa fünf<br />

Grad abzusenken. Das Lüften<br />

mit gekippten Fenstern<br />

verschwende zu viel Energie,<br />

täglich mehrfach wenige Minuten<br />

Querlüften durch of-<br />

Hinsichtlich der kostenlosen Energieberatung<br />

muss der Bundesumweltminister<br />

nicht lange suchen. Die regionalen<br />

Energieagenturen in Baden-Württemberg<br />

bieten bereits jetzt das, was der<br />

Minister gerne hätte: Kostenlose Energieberatungen<br />

für jedermann – und<br />

natürlich auch für jede Frau. Einzige Voraussetzung<br />

ist, dass der Bürger aus dem<br />

jeweiligen Landkreis kommt. Beraten<br />

wird zu allen Fragen der Energieeinsparung<br />

und auch zum Einsatz erneuerbarer<br />

Energien im Haus. Die Energieberater<br />

fene Fenster mit Durchzug sei<br />

effizienter. Die Türen sollten<br />

geschlossen sein und gegebenenfalls<br />

abgedichtet werden.<br />

Effizientes Heizen und Lüften<br />

kann in einem Haushalt mit<br />

90 Quadratmeter Wohnfläche<br />

bis zu 250 Euro Heizkostenersparnis<br />

pro Jahr bringen, so<br />

Claudia Rist. Wohlig warm sei<br />

es dann in den vier Wänden<br />

immer noch. bpf<br />

aus dem Energieberaternetzwerk gehen<br />

dabei speziell auf die Fragen der Bürgerinnen<br />

und Bürger ein: Ob es nun um<br />

Stromeinsparung geht, den richtigen<br />

Umgang beim Heizen und Lüften oder<br />

um die Umstellung einer alten Ölheizung<br />

auf moderne Heizsysteme. Interessierte<br />

Bürger können sich bei den <strong>Klima</strong>schutz-<br />

Agenturen ihres Landkreises zur Beratung<br />

anmelden. Die Agenturen sorgen<br />

dafür, dass die kostenlosen Beratungen<br />

neutral geführt werden und niemand zu<br />

etwas gedrängt wird. bpf<br />

Bild: Zukunft Altbau<br />

Was war noch mal…<br />

… der Rebound-Effekt?<br />

Text: Stephan Gokeler<br />

Wie viel Stromverbrauch eine LED-Leuchte<br />

gegenüber einer herkömmlichen Glühbirne<br />

einspart, lässt sich exakt ausrechnen.<br />

Genauso die Einsparung beim Einsatz eines<br />

neuen Kühlschranks im Vergleich zum alten Modell.<br />

Kennt man dann auch noch die durchschnittliche<br />

Lebensdauer eines bestimmtenStromverbrauchers<br />

und hat Daten über<br />

das Verhalten der Konsumenten,<br />

wenn sie Ersatzgeräte<br />

kaufen, dann steht<br />

einer ziemlich genauen Prognose<br />

über den sinkenden<br />

Strombedarf in der Zukunft<br />

eigentlich nichts mehr im<br />

Wege – sollte man meinen.<br />

Doch trotz umfangreicher<br />

Datenbasis stimmen solche<br />

Vorhersagen häufig<br />

nicht. Einer der Gründe ist<br />

der sogenannte Rebound-<br />

Effekt. Er beschreibt das<br />

Phänomen, wonach ein Teil<br />

der Einsparungen, die durch effizientere Technik<br />

erreicht wurden, durch zusätzlichen Konsum wieder<br />

verloren gehen. Das hat eine von der EU-Kommission<br />

in Auftrag gegebene Studie kürzlich mehr<br />

als bestätigt: Sie ergab, dass auf diesem Weg 10 bis<br />

80 Prozent der eigentlich möglichen Einsparungen<br />

wieder aufgefressen werden. In den vergangenen 25<br />

Jahren wurden mit Strom betriebene Geräte in Privathaushalten<br />

um 37 Prozent sparsamer. Der Stromverbrauch<br />

im privaten Bereich wuchs im selben<br />

Zeitraum dennoch um 22 Prozent an – weil immer<br />

mehr und größere Geräte Einzug hielten. Das gilt<br />

nicht nur für den Stromverbrauch:<br />

Wer sich über<br />

gesunkene Heizkosten<br />

seiner frisch gedämmten<br />

Wohnung freut, gönnt sich<br />

vielleicht eine um zwei<br />

Grad höhere Raumtemperatur.<br />

Weil viele Faktoren dabei<br />

eine Rolle spielen, lässt<br />

sich der Rebound-Effekt<br />

nicht berechnen. Er macht<br />

bei großen Projekten wie<br />

der angekündigten Energiewende<br />

die Planung der<br />

benötigten Kapazitäten<br />

schwierig, vermiest aber<br />

auch manchem Hausbesitzer<br />

oder Mieter die Laune, der sich nach einer Investition<br />

auf sinkende Nebenkosten eingestellt hatte.<br />

Wenn diese nicht im erhofften und berechneten Umfang<br />

eintreten, war nicht immer ein Fehler in Planung<br />

oder Ausführung schuld. Häufig ist ein Blick auf das<br />

eigene Konsumverhalten eine gute Idee.<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong> <strong>November</strong> <strong>2012</strong> | KLIMA VOR ORT<br />

Bild: © rubysoho - Fotolia.com


66<br />

Quelle: diezartwork / Grafik: Köber SERVICE<br />

Strom in Fülle<br />

aus Betonhülle<br />

Text: Traugott Kümmerle<br />

Wir leben in einer wirklich grünen<br />

Landschaft, was einem<br />

komischerweise immer erst<br />

dann bewusst wird, wenn man aus<br />

dem Sommerurlaub irgendwo im Süden<br />

heimkommt ins Ländle. Das Grün<br />

erschlägt einen fast, wenn man an die<br />

traurig verdorrten Landschaften in den<br />

Urlaubsgebieten zurückdenkt. Überall<br />

gluckern Bäche, und Wasser gibt es genug.<br />

Warum es also nicht nutzen?<br />

In Glems am Albtrauf wird das Wasser<br />

seit fast 50 Jahren dafür eingesetzt,<br />

den Strom-Spitzenbedarf der Industrieregion<br />

Stuttgart abzusichern, und<br />

das funktioniert. Das Wasser erzeugt<br />

genau dann Strom, wenn er dringend<br />

benötigt wird. Nachts, wenn mehr<br />

Strom da ist als verbraucht wird, wird<br />

das Wasser einfach wieder von unten<br />

nach oben gepumpt. Ein ewiger Kreislauf.<br />

Auch die Staumauern aus Stahlbeton<br />

passen sich nach dieser langen<br />

Zeit wunderbar in die Landschaft ein<br />

und fallen praktisch nicht mehr auf.<br />

KLIMA VOR ORT | <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Schafft also nicht eines, sondern<br />

zehn, nein hunderte Staubecken!<br />

Sie können ja dann im Sommer als<br />

Badeseen dienen, und ebenso der regionalen<br />

und umweltfreundlichen<br />

Fischzucht. Seen auf der Alb und<br />

im Alb<strong>vor</strong>land allüberall, welch ein<br />

Traum! Welch touristisch nutzbare<br />

Ziele! Überall obere und untere Becken,<br />

überall Seen, warum nicht die<br />

doppelte Württembergische Seenplatte<br />

verwirklichen, oben wie unten.<br />

Langweilige Landschaft wird ersetzt<br />

durch glitzernde Wasseroberflächen,<br />

mit dem Tretboot umweltfreundlich<br />

befahrbar. Das ergibt völlig neue touristische<br />

Dimensionen. Neue Hotels,<br />

Strandbäder und Fachschulen für<br />

Animateure. Mehr noch: Auch der<br />

Straßenverlauf muss den neuen Seen<br />

angepasst werden, die Navis der Autos<br />

müssen ständig aktualisiert und<br />

sämtliche Wanderkarten neu aufgelegt<br />

werden. Ein Wirtschaftswunder<br />

winkt.<br />

Impressum<br />

KLIMA VOR ORT, Jahrgang 1<br />

www.klima<strong>vor</strong>ort.de<br />

Herausgeber:<br />

SDZ Druck und Medien<br />

GmbH & Co. KG<br />

Bahnhofstrasse 65<br />

73431 Aalen<br />

Redaktion<br />

Stephan Gokeler<br />

Birgit Pflock-Rutten<br />

Veronika Renkenberger<br />

Gerhard Schindlert<br />

Anke Schwörer-Haag<br />

Kathrin Stuba<br />

Hanna Meid<br />

Lothar Schell<br />

Benjamin Leidenberger<br />

Sabine Freimuth<br />

Andrea Kombartzky<br />

Alexander Hauber<br />

Traugott Kümmerle<br />

Frank Rumpel<br />

Titel, Gestaltung und Produktion<br />

Rolf Köber<br />

Anzeigen und Beilagen<br />

Falko Pütz (verantwortlich)<br />

Idee und Produktion:<br />

Verlag Schwäbisches Tagblatt, Tübingen<br />

Druck<br />

Bechtle Druck & Service GmbH & Co. KG<br />

Zeppelinstraße 116<br />

73730 Esslingen<br />

Mediadaten<br />

www.klima<strong>vor</strong>ort.de<br />

anzeigen@klima<strong>vor</strong>ort.de<br />

Nächste <strong>Ausgabe</strong><br />

Mai 2013<br />

Kontakt<br />

Teamassistenz, n.weiss@sdz-medien.de<br />

Telefon 07361/ 594 223<br />

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enthaltenen Beiträge und Fotos sind<br />

urheberrechtlich geschützt.<br />

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zweimal jährlich und wird<br />

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