Schweitzers Ethik der Dankbarkeit - Deutsches Albert-Schweitzer ...
Schweitzers Ethik der Dankbarkeit - Deutsches Albert-Schweitzer ...
Schweitzers Ethik der Dankbarkeit - Deutsches Albert-Schweitzer ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
66<br />
<strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong> besaß, an<strong>der</strong>s als Einstein, einen in <strong>der</strong> Familie eines gläubigen<br />
evangelisch-reformierten Pastors im Elsass gewachsenen Glauben, <strong>der</strong> sich im Laufe seines<br />
90 Jahre währenden Lebens im humanistischen Denken und humanitären Leben<br />
eines praktizierenden Christen im Dienst an Menschen, Tieren und <strong>der</strong> gottgewirkten<br />
Natur erwies. Sein kirchliches Amt hatte er zugunsten seiner Tätigkeit als Arzt im afrikanischen<br />
Busch in Lambarene (im heutigen Gabun, nahe dem Äquator) aufgegeben.<br />
Als bedeuten<strong>der</strong> Bachkenner und Orgelvirtuose (und Orgelbauer!) und als schreiben<strong>der</strong><br />
und vortragen<strong>der</strong> Philosoph sammelte er in vielen Teilen <strong>der</strong> Welt Gel<strong>der</strong> vor allem<br />
für sein Spital in Lambarene. Er verstand Gott im christlichen Sinne als Schöpfer und<br />
Erhalter seines Werkes, an dem wir Menschen uns zur För<strong>der</strong>ung allen Lebens<br />
(Mensch, Tier und Umwelt) nach Kräften verantwortungsbewusst beteiligt sehen dürfen<br />
und müssen.<br />
Seine <strong>Ethik</strong> gipfelte in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach „Ehrfurcht vor dem Leben“. Daher<br />
kämpfte er auch gegen die Todesstrafe, auch gegen Tiertötung als Sport (Fuchsjagden in<br />
Großbritannien z.B.) und gegen jeden leichtfertigen Umgang mit <strong>der</strong> uns anvertrauten<br />
Umwelt. In zahlreichen schriftlichen Zeugnissen steht <strong>der</strong> Menschheit auch heute<br />
noch sein lebensför<strong>der</strong>ndes Denken und beispielhaftes Leben zur Verfügung. 2005 gedachte<br />
man seines 130. Geburtstags und seines 40. Todestags. Nach einer zeitgeistbedingten<br />
Abkehr von dem höchst wertvollen Lebensbeispiel in Wort und Wirken <strong>Albert</strong><br />
<strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> nimmt heutzutage auch bei jungen Leuten das Interesse an ihm wie<strong>der</strong> zu.<br />
In Umkehrung des bekannten Ausspruchs von Descartes „Cogito, ergo sum“ (Ich<br />
denke, also bin ich) formulierte er dankbar und dem Sein höchst verpflichtet so: „Ich<br />
bin, also denke ich!“ Er bekannte – und daraus möge man sein Gottesverständnis zu<br />
einem guten Teil ergänzend ablesen –, dass er seine Tätigkeit im Dienste <strong>der</strong> Menschheit,<br />
insbeson<strong>der</strong>e an den Kranken in Afrika, nur „im Geiste Jesu“ tun konnte. So verkündigte<br />
er die „Frohe Botschaft“ in Wort und Tat – ein „notwendiges“ Gegenbild auch<br />
für unseren vorwiegend auf materiellen und leichtlebigen Inhalt gerichteten Zeitgeist.<br />
Die Ausführungen fanden große Zustimmung, und in <strong>der</strong> anschließenden Aussprache<br />
beteiligten sich die aufgeschlossenen Zuhörer sehr engagiert und zahlreich.<br />
Yuval Lapide<br />
Martin Buber und<br />
die Wie<strong>der</strong>entdeckung<br />
des Chassidismus<br />
Thema des Vortragsabends im Gemeindezentrum <strong>der</strong> Ev. Reformierten Kirche in<br />
Frankfurt/Main am 12.9.2005 auf Einladung des <strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Zentrums, <strong>der</strong> Jüdischen<br />
Volkshochschule Frankfurt/Main und des „reformierten forums“ Frankfurt/Main war eine<br />
Gegenüberstellung <strong>Albert</strong> <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> (Werner Pauli) und Martin Bubers (Y. Lapide).<br />
Dr. Yuval Lapide brachte neben den Lebensdaten Martin Bubers eine Einführung in die<br />
Lehre des Chassidismus, die von Martin Buber wie<strong>der</strong>entdeckt wurde. Das Menschenbild<br />
des Chassidismus betont die Einheit und Einzigartigkeit eines jeden Menschen,<br />
<strong>der</strong> dementsprechend seinen einzigartigen Weg zu Gott hat. Nicht geht es um das Kopieren<br />
vorbildlicher Vorväter, son<strong>der</strong>n um das Finden <strong>der</strong> eigenen Identität. Die eigene<br />
Authentizität bringt Gott nahe. Das ist gleichzeitig ein wichtiger Hinweis auf das<br />
Wesen Gottes, <strong>der</strong> SEINEN Menschen diese individuellen Wege zu sich ermöglicht,<br />
denn nur so gelangt letztlich die gesamte Menschheit zu IHM.<br />
Unbekannt ist dem Wesen des Judentums lediglich <strong>der</strong> Weg zu Gott durch ein Eremitendasein<br />
resp. klösterliches Leben, da das gelebte Leben im Mittelpunkt des jüdischen<br />
und chassidischen Glaubens steht. Es ist lediglich möglich, sich auf Zeit vom<br />
Leben zurückzuziehen, um sich ihm dann – geistig und körperlich erneuert – wie<strong>der</strong><br />
anzuschließen. Die Einsichten des Chassidismus haben das Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
<strong>der</strong> Menschen im Blick. Es geht um das Wirken des Einzelnen für Gott in <strong>der</strong> Welt<br />
und für die Welt. In dem Sinne darf <strong>der</strong> Einzelne selbst seine Verfehlungen vergessen,<br />
damit er nicht in langes Lamentieren verfällt, son<strong>der</strong>n seine von Gott geschenkte Kraft<br />
für neue Handlungen produktiv einsetzt. Der Mensch ist eine Einheit aus Leib und<br />
Geist. Handeln kann nur in <strong>der</strong> gebündelten Kraft des Leibes und des Geistes gelingen.<br />
Martin Buber war genau wie <strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong> ein Situationsdenker, d.h. er empfahl<br />
seinen Mitmenschen, in je<strong>der</strong> konkreten gelebten Situation zu entscheiden, welche<br />
gottzugewiesenen Aufgaben auf sie zur Lösung warten: Jede Lebenssituation<br />
steckt voller potentieller Begegnungen mit dem Mitmenschen und <strong>der</strong> „Mitmaterie“ –<br />
Begegnungen, die gelebt werden wollen und die für alle Beteiligten einen Zugewinn<br />
an seelischem Wachstum und Selbsterkenntnis darstellen. Der Mensch soll keine noch<br />
<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Rundbrief Nr. 98<br />
67