„Lassma“ Weltmeisterschaft machen - Humboldt-Universität zu Berlin
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<strong>„Lassma“</strong> <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> –<br />
eine grammatische Untersuchung <strong>zu</strong>m Kiezdeutsch<br />
Magisterarbeit<br />
Zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium (M.A.)<br />
<strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Philosophische Fakultät II<br />
Institut für Germanistische Linguistik<br />
im Fach Germanistische Linguistik<br />
Eingereicht von: Ines Urban<br />
geb. am 22.12.1977<br />
in Ludwigshafen am Rhein<br />
Wissenschaftliche Betreuerin: Frau Prof. Heike Wiese<br />
Zweitgutachten von: Herr Prof. Norbert Fries<br />
<strong>Berlin</strong>, den 15. Oktober 2007
0 Kurzbeschreibung<br />
0 Kurzbeschreibung<br />
Diese Magisterarbeit mit dem Titel „ ‚Lassma’ <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> – eine<br />
grammatische Untersuchung <strong>zu</strong>m Kiezdeutsch“ untersucht auf der Basis eines<br />
Korpus gesprochener Sprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
verschiedene grammatische und pragmatische Besonderheiten ihrer Sprache<br />
(„Kiez-Sprache“).
Inhaltsverzeichnis<br />
0 Kurzbeschreibung ________________________________________________ 2<br />
1 Einleitung ________________________________________________________ 5<br />
2 Kiez-Sprache _____________________________________________________ 8<br />
2.1 Die Informanten ________________________________________________________ 8<br />
2.2 Das Korpus _____________________________________________________________ 9<br />
2.3 Einflussfaktoren ________________________________________________________ 9<br />
2.4 Jugendsprache_________________________________________________________ 10<br />
2.4.1 Sprecherorientierte Perspektiven auf Jugendsprache/Kontaktsprache __________________ 11<br />
2.4.2 Ethnolekte______________________________________________________________________ 14<br />
2.4.3 Systemorientierte Perspektive _____________________________________________________ 17<br />
2.5 Kontaktsprachen ______________________________________________________ 21<br />
2.5.1 Grammatikalische Reduktion im Gastarbeiterdeutsch ________________________________ 23<br />
2.5.2 Grammatikalische Reduktion in Kiez-Sprache _______________________________________ 27<br />
3 Gesprochenes Deutsch___________________________________________ 29<br />
3.1 Pragmatische Eigenschaften ___________________________________________ 29<br />
3.2 Syntaktische Eigenschaften ____________________________________________ 30<br />
3.3 Lexikalische Eigenschaften ____________________________________________ 31<br />
4 Funktionsverbgefüge ____________________________________________ 33<br />
4.1 Funktionsverbgefüge im Standarddeutschen___________________________ 33<br />
4.2 Funktionsverbgefüge in Kiez-Sprache__________________________________ 37<br />
4.3 Funktionsverbgefüge in Kontaktsprachen______________________________ 41<br />
4.4 Funktionsverbgefüge in der deutschen Jugendsprache_________________ 42<br />
4.5 Probleme der Klassifizierung von Funktionsverbgefügen im<br />
Standarddeutschen ____________________________________________________ 43<br />
4.6 Weitere Versuche der Klassifizierung von x <strong>machen</strong>-Konstruktionen __ 47<br />
4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede ___________________________________ 49<br />
4.8 Exkurs _________________________________________________________________ 50<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache _______________ 53
5.1 Die Partikel musstu ____________________________________________________ 53<br />
5.2 V1-Deklarativsätze im Standarddeutsch ________________________________ 54<br />
5.3 V1-Deklarativsätze im gesprochenen Standarddeutsch _________________ 55<br />
5.4 V1-Deklarativsätze in deutschen Dialekten _____________________________ 57<br />
5.5 Die Beantwortbarkeit von Fragen anhand von V1-Deklarativsätzen ____ 58<br />
5.6 Musstu als Marker des tertiären Ethnolekts____________________________ 59<br />
5.7 Die Partikel lassma ____________________________________________________ 61<br />
5.8 Semantische Bleichung von Partikeln __________________________________ 63<br />
5.9 Lassma in der deutschen Jugendsprache ______________________________ 66<br />
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache _______ 70<br />
6.1 Randgrammatik – Kerngrammatik ____________________________________ 70<br />
6.2 Construction Grammar ________________________________________________ 72<br />
6.2.1 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache I __________________________ 72<br />
6.2.2 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache II__________________________ 75<br />
6.2.3 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse von Funktionsverbgefügen________________________ 78<br />
7 Schluss __________________________________________________________ 81<br />
8 Anhang __________________________________________________________ 84<br />
9 Literaturverzeichnis ____________________________________________ 85<br />
10 Eigenständigkeitserklärung_____________________________________ 94<br />
11 Wissenschaftlicher Werdegang _________________________________ 95
1 Einleitung<br />
1 Einleitung<br />
„Kanak-Sprak“ oder „Dönerdeutsch“ sind nur zwei der Begriffe, die für die<br />
Sprache jugendlicher Migranten gebraucht werden. Dass die Jugendlichen ihre<br />
Sprache selbst als „krass reden“ oder „Kiez-Sprache“ (Wiese 2006 a, 2006 b)<br />
bezeichnen, spiegelt die Stigmatisierung, welche ihnen durch die hier<br />
erstgenannten Begriffe von der Mehrheitsgesellschaft entgegengebracht<br />
werden. Jugendsprache war schon immer ein Phänomen, welches Bücher mit<br />
Titeln wie „Lass uns mal ne Schnecke angraben“ (Müller-Thurau 1983) oder<br />
„Endgeil. Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache“ (Ehmann 2005)<br />
hervorbrachte. War man bis dato eher fasziniert bis pikiert, da man ja aus<br />
eigener Erfahrung wusste, dass sich die adoleszenten „Sprachflausen“ wieder<br />
legten, herrscht im Falle der Sprache von Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund bei Lehrern und Sprachschützern eine große<br />
Ratlosigkeit. Hin<strong>zu</strong> kommt, dass nicht nur die jungen Migranten diese Sprache<br />
gebrauchen, sondern auch die deutschen Freunde aus ihrer unmittelbaren<br />
Umgebung. Doch ein Fakt sollte die Bedenkenträger <strong>zu</strong>mindest etwas trösten:<br />
wir sind nicht allein. Kiez-Sprache ist ein europäisches Phänomen, welches sich<br />
vor allem in Großstädten mit vielen verschiedenen Einwanderergruppen<br />
etabliert hat.<br />
Interessant an Kiez-Sprache ist, dass sie keine reine Reduktionsform der<br />
deutschen Standardsprache darstellt. Betrachtet man diese Varietät genauer,<br />
dann fallen neben Reduktionen eine ganze Reihe kreativer Neubildungen auf,<br />
welche das System der deutschen Standardsprache ergänzen. Auch das<br />
Schlagwort der „doppelten Halbsprachigkeit“ oder des „Semilinguismus“<br />
(Skutnabb-Kangas 1983), welches den häufigen Wechsel zwischen Deutsch und<br />
den verschiedenen Muttersprachen der Sprecher bezeichnet, ist für Kiez-<br />
Sprache unangebracht. Die meisten Jugendlichen beherrschen neben Kiez-<br />
Sprache durchaus die standardsprachlichen Varietäten des Deutschen. Führt<br />
man sich nun vor Augen, dass junge Migranten neben diesen Varietäten auch<br />
noch eine Muttersprache wie Arabisch oder Türkisch sprechen, ist man schnell<br />
bei einem beachtlichen sprachlichen Repertoire angelangt.<br />
Bisher sind <strong>zu</strong>m Thema Kiez-Sprache nicht viele Untersuchungen gemacht<br />
worden. Dies kann daran liegen, dass Kiez-Sprache fast ausschließlich im<br />
- 5 -
1 Einleitung<br />
gesprochenen Diskurs <strong>zu</strong> finden ist und daher nicht viele Daten <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
stehen. Die Arbeiten, die bisher vorliegen, nähern sich der Kiez-Sprache<br />
überwiegend auf diskursiver Ebene. Federführend in diesem Bereich sind vor<br />
allem Androutsopoulos (2000, 2002, u. a.) und Auer (2003 u. a.). Sie zeigen in<br />
ihren Arbeiten u. a. auf, dass eine Unterscheidung zwischen „Kanak-Sprak“,<br />
welche vor allem medial vermittelt wird, und Kiez-Sprache unabdinglich ist,<br />
weil es sich bei diesen beiden Phänomen um zwei verschiedene Register<br />
handelt, welche sich allerdings aufeinander beziehen lassen. Mit Wiese (2006 a,<br />
2006 b) liegt im deutschsprachigen Raum eine der ersten Arbeiten vor, welche<br />
sich mit grammatikalischen Besonderheiten von Kiez-Sprache beschäftigt. In<br />
anderen europäischen Ländern gibt es bereits Untersuchungen: mit „Rinkeby-<br />
Svenska“, einer Varietät des Schwedischen, welche in Rinkeby, einem Vorort<br />
Stockholms, in welchem viele Migranten leben, gesprochen wird, beschäftigt<br />
sich Kotsinas (1992, 1998, u. a.).<br />
Im Hinblick auf die Niederlande untersuchen Appel (1999) und Nortier (2001)<br />
straattaal („Straßensprache“), die vor allem in Amsterdam und Utrecht<br />
gesprochen wird. Mit dem „køpenhavnsk multietnolekt“, welcher in<br />
multiethnischen Vierteln Kopenhagens benutzt wird, beschäftigt sich Quist<br />
(2000).<br />
Die empirische Basis dieser Magisterarbeit bildet ein Korpus von ca. acht<br />
Stunden gesprochener Sprache. Die sprachlichen Daten stammen von einem<br />
Freundeskreis von sechs Jugendlichen mit Migrationshintergrund, welche sich<br />
bei privaten Treffen mit Hilfe eines Diktiergerätes selbst aufgenommen haben.<br />
Dieses Material wurde anschließend transkribiert. Eine Konstruktion, die dabei<br />
auffiel, ist Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. Bei dieser und ähnlich<br />
strukturierten Konstruktionen fällt zweierlei auf: die Konstruktion<br />
<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> weist Parallelen mit Funktionsverbgefügen des<br />
Deutschen auf. Der zweite interessante Aspekt in Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong> ist die Form lassma, welche auf dem Weg ist, sich <strong>zu</strong> einer neuen<br />
Partikel der deutschen (Jugend-) Sprache <strong>zu</strong> entwickeln.<br />
Die Gliederung der Arbeit lässt sich folgendermaßen <strong>zu</strong>sammenfassen: <strong>zu</strong>nächst<br />
wird in Kapitel 2 das Phänomen Kiez-Sprache an sich charakterisiert. Dies<br />
beinhaltet eine kurze Vorstellung der Informanten und die Einordnung von<br />
Kiez-Sprache anhand ihrer Einflussfaktoren. Da Kiez-Sprache eine<br />
- 6 -
1 Einleitung<br />
jugendsprachliche Varietät ist, werden in den Kapiteln 2.4 und 2.5 Theorien <strong>zu</strong>r<br />
wissenschaftlichen Beschreibung von Jugendsprache vorgestellt. Kiez-Sprache<br />
wird vor allem in multiethnischen Wohngebieten gesprochen. Deshalb wird in<br />
Kapitel 2.6 der Frage nachgegangen, inwieweit Parameter aus der Erforschung<br />
von Kontaktsprachen <strong>zu</strong>r Erklärung bestimmter Phänomene in Kiez-Sprache<br />
angewendet werden können.<br />
Weiter werden in Kapitel 3 die pragmatischen, syntaktischen und lexikalischen<br />
Besonderheiten der gesprochenen Sprache vorgestellt, da diese den<br />
Be<strong>zu</strong>gspunkt für diese Varietät darstellt.<br />
In Kapitel 4 wird der Status von <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> als<br />
Funktionsverbgefüge im System des Standarddeutschen (4.1), vergleichbarer<br />
Konstruktionen aus der Kiez-Sprache (4.2) und schließlich in Kapitel 4.3 in<br />
Be<strong>zu</strong>g auf andere Disziplinen, wie die der Kontaktsprachenforschung,<br />
untersucht.<br />
Mit der Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache beschäftigt sich Kapitel 5.<br />
Lassma (wie in Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.), die Partikel, welche in<br />
Kapitel 5.7 behandelt wird, hat mit musstu einen sprecherexklusiven Gegenpart,<br />
der in Kapitel 5.4 vorgestellt wird.<br />
Lange Zeit wurde die Untersuchung von gesprochener Sprache als „Stochern im<br />
sprachlichen Müll“ abgetan. Diese Sicht der Dinge ist verständlich, da die<br />
Probleme, auf die man bei der Untersuchung gesprochener Sprache stößt,<br />
gewaltig sind, da man diese immer anhand von Parametern einer klassischen<br />
Grammatik <strong>zu</strong> analysieren versucht hat. Alternative Ansätze sind die der<br />
„Randgrammtik vs. Kerngrammatik“ (Fries 1987) und die der construction<br />
grammar, welche <strong>zu</strong>m Beispiel Auer (2007) und Deppermann (2006) für die<br />
Erforschung des gesprochenen Deutsch und Zeschel (2007) <strong>zu</strong>r Analyse von<br />
Funktionsverbgefügen modifiziert haben. Deren Ansätze werden schließlich im<br />
letzten Kapitel dieser Magisterarbeit vorgestellt, da sie <strong>zu</strong>r Analyse von Kiez-<br />
Sprache als nicht normierter Sprache sehr geeignet sind.<br />
- 7 -
2 Kiez-Sprache<br />
2.1 Die Informanten<br />
2 Kiez-Sprache<br />
Der Hauptinformant dieser Arbeit ist Sarmad. Er war verantwortlich für das<br />
Diktiergerät, mit dem er sich und seine Freunde bei privaten Treffen<br />
aufgenommen hat. Außerdem stammen alle extralinguistischen Informationen<br />
aus einem Interview mit ihm. Seine Familie stammt aus dem Irak und musste<br />
aus politischen Gründen flüchten. Er hat, wie alle Gruppenmitglieder, einen<br />
Realschulabschluss und war <strong>zu</strong> Beginn der Treffen auf der Suche nach einer<br />
Lehrstelle. Mittlerweile möchte er sein Abitur nach<strong>machen</strong> und dann studieren.<br />
Der Freundeskreis besteht aus sechs Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 23<br />
Jahren. Die meisten Familien der Jugendlichen sind aus wirtschaftlichen<br />
Gründen emigriert. Die Jugendlichen sind keine Nachkommen der Gastarbeitergeneration,<br />
sind also nicht hier geboren, sondern bis auf eine Ausnahme<br />
erst im Alter zwischen 12 und 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Alle<br />
sprechen Arabisch als Muttersprache. Dass in den Gesprächen aber fast nicht<br />
geswitcht wird, also nicht gewechselt wird zwischen verschiedenen Sprachen, ist<br />
wohl dem Umstand <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben, dass in den Herkunftsländern (wie dem<br />
Libanon oder dem Irak) unterschiedliche Dialekte des Arabischen gesprochen<br />
werden.<br />
Sarmad stammt aus einer (nach deutschem Wertesystem) sehr liberalen<br />
Familie:<br />
„Für ‘ne arabische Mutter ist meine Mutter richtig frei. Also meine Freundin schläft bei<br />
mir. Alles Drum und Dran. Letztens hatten wir einen Vorfall, dass meine Cousine einen<br />
Freund hatte und dass die Schwester von meiner Mama damit nicht klar kommt und ja,<br />
meine Mutter geht sie jetzt überreden. Sie sagt, wenn ich ‘nen Freund haben darf, dann<br />
dürfen die Mädchen auch.“<br />
Die Familien der anderen Jugendlichen sind dagegen wertkonservativ und<br />
verbieten <strong>zu</strong>m Beispiel den Umgang mit Mädchen oder das Trinken von<br />
Alkohol.<br />
- 8 -
2.2 Das Korpus<br />
2 Kiez-Sprache<br />
Das Korpus besteht aus ca. acht Stunden gesprochenen Materials. Da die<br />
Aufnahmen teilweise auf der Straße oder in öffentlichen Räumen entstanden,<br />
sind viele Passagen schwer verständlich. Aus diesem Grund war es kaum<br />
möglich, längere Sequenzen <strong>zu</strong> transkribieren. 1 Eine weitere Schwierigkeit ist<br />
der Umstand, dass ich kein Arabisch spreche. Da aber, wie weiter oben bereits<br />
erwähnt wurde, kaum arabische Redebeiträge vorkommen, und wenn doch,<br />
dann meist in Form kurzer Sequenzen2 bzw. von Partikeln, ist dies als<br />
unproblematisch für diese Arbeit <strong>zu</strong> werten. Inhaltlich ist das Material insofern<br />
eingeschränkt, als dass Redebeiträge über „ernste“ Themen völlig fehlen. Da die<br />
Jugendlichen selbst entscheiden konnten, was sie aufnehmen und was nicht,<br />
fehlen eventuell verschiedene Register ihrer Varietät.<br />
2.3 Einflussfaktoren<br />
Bekannt geworden und in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt ist die<br />
Sprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter dem Schlagwort<br />
„Kanak Sprak“. Diese Bezeichnung geht <strong>zu</strong>rück auf Feridun Zaimoglu (1995),<br />
der diese in seinem Roman „Kanak Sprak – 24 Mißtöne vom Rande der<br />
Gesellschaft“ beschreibt als<br />
„(...) eine Art Creol oder Rotwelsch mit geheimen Codes und Zeichen. Ihr Reden ist dem<br />
Free-Style-Sermon im Rap verwandt, dort wie hier spricht man aus einer Pose heraus. (...)<br />
Die Wortgewalt des Kanaken drückt sich aus in einem herausgepressten, kurzatmigen und<br />
hybriden Gestammel ohne Punkt und Komma, mit willkürlich gesetzten Pausen und<br />
improvisierten Wendungen. Der Kanake spricht seine Muttersprache nur fehlerhaft, auch<br />
das ‚Allemannisch’ ist ihm nur bedingt geläufig. Sein Sprachschatz setzt sich aus<br />
‚verkauderwelschten’ Vokabeln und Redewendungen <strong>zu</strong>sammen, die so in keiner der<br />
beiden Sprachen vorkommen. In seine Stegreif-Bilder und –Gleichnisse lässt er Anleihen<br />
vom Hochtürkisch bis <strong>zu</strong>m dialektalen Argot anatolischer Dörfer einfließen.“ (Zaimoglu<br />
1995: 13)<br />
1 Für eine rein soziolinguistische Untersuchung wäre das Material deshalb nicht geeignet.<br />
2 Bei den kurzen Sequenzen handelt es sich in erster Linie um Alltagsroutinen.<br />
- 9 -
2 Kiez-Sprache<br />
Sowohl diese Beschreibung als auch der Rest des Buches wurden von weiten Teilen<br />
der Leserschaft missverstanden und nicht als Satire erkannt. 3 So wurde „Kanak<br />
Sprak“ vor allem im politischen und sprachpolitischen Diskurs unter den<br />
Schlagworten „mangelnder Integrationswille“ oder „Sprachverfall“ bekannt. Heute<br />
entspricht der Begriff der stilisierten Variante des Ethnolekts, wie man ihn <strong>zu</strong>m<br />
Beispiel aus der so genannten „Ethnocomedy“ von Erkan und Stefan4 kennt. Deshalb<br />
eignet er sich nicht für die sprachwissenschaftliche Beschreibung nicht-stilisierter<br />
Sprache. Wiese (2006 b) benennt das Sprachphänomen als Kiez-Sprache5 und stellt<br />
sie und ihre Einflussgrößen folgendermaßen dar:<br />
Türkisch<br />
Kurdisch<br />
Deutsch<br />
Arabisch<br />
Persisch<br />
Kontakt-<br />
sprache<br />
Zweitspracherwerb<br />
Ethnolekt<br />
(Wiese 2006: 251)<br />
Im Folgenden werden die in der Grafik dargestellten Einflüsse auf Kiez-Sprache<br />
näher erläutert. Da die Kategorien, wie die Grafik bereits zeigt, nicht klar<br />
voneinander <strong>zu</strong> trennen sind, finden sich durchgängig Überschneidungen.<br />
2.4 Jugendsprache<br />
Kiezsprache<br />
Jugend-<br />
sprache<br />
US-Einflüsse<br />
In-group-<br />
Verwendung<br />
Abgren<strong>zu</strong>ng<br />
Androutsopoulos (2006: 106) geht von der Existenz zweier Hauptansätze in der<br />
Jugendsprachforschung aus:<br />
3 Dies ist wahrscheinlich dem Umstand <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben, dass Zaimoglu vorgibt, sein Material als<br />
teilnehmender Beobachter gesammelt <strong>zu</strong> haben: „Die folgenden ‚Protokolle’ sind in einem<br />
Zeitraum von anderthalb Jahren entstanden. Sie sind das Produkt ‚detektivischer’<br />
Nachforschungen im ‚Milieu’, im Kiez der Männer“ (Zaimoglu 1995: 15).<br />
4 Erkan und Stefan sind Kunstfiguren, die im wirklichen Leben John Friedmann und Florian<br />
Simbeck heißen und durch Filme und CDs bekannt geworden sind.<br />
5 Wiese (ebd.: 246) bezeichnet Kiez-Sprache als Varietät. Damit betont sie deren Eigenschaft<br />
über ein eigenes grammatisches System <strong>zu</strong> verfügen.<br />
- 10 -
der sprecherorientierte Ansatz, also<br />
2 Kiez-Sprache<br />
„qualitative, in der Regel gesprächsanalytisch vorgehende Ansätze der<br />
Soziolinguistik, die Formen und Funktionen sprachlicher Variabilität in<br />
spezifischen kommunikativen Kontexten aus der Perspektive der handelnden<br />
Individuen und Gruppen untersuchen“,<br />
und der systemorientierte Ansatz, also<br />
„jene strukturalistisch fundierten Ansätze, die – oft qualitativ vorgehend – die<br />
innere Struktur sprachlicher Varietäten, das Verhältnis sprachlicher Variation<br />
und soziodemographischer Kategorien sowie das Verhältnis zwischen<br />
Sprachvariationen und Sprachwandel untersuchen“.<br />
2.4.1 Sprecherorientierte Perspektiven auf Jugendsprache/<br />
Kontaktsprache<br />
Die folgenden Theorien <strong>zu</strong> „crossing“ oder den „Ethnolekten“ nach Peter Auer<br />
lassen sich sowohl unter dem Aspekt von Kiez-Sprache als Kontaktsprache als<br />
auch unter oben genanntem sprecherorientierten Ansatz der Jugendsprachforschung<br />
lesen.<br />
Bekannt geworden in der soziolinguistischen Untersuchung von<br />
Mehrsprachigkeit ist das Konzept des language crossing, das vom britischen<br />
Linguisten Ben Rampton (1995) entwickelt wurde. Mit seinem Modell versucht<br />
er, das bisher lediglich unter dem Begriff codeswitching behandelte Phänomen<br />
des Wechselns zwischen Sprachen und sprachlichen Stilen weiter auf<strong>zu</strong>fächern.<br />
Codeswitching konstruiert in jedem Fall Bedeutung: Durch den Wechsel der<br />
Sprache werden <strong>zu</strong>m Beispiel Zitate oder der Themenwechsel markiert oder<br />
Aussagen verstärkt (Dirim & Auer 2004: 159-180).<br />
Crossing oder sprachliche Kreu<strong>zu</strong>ng wird von Rampton (1995: 14f.) hingegen<br />
definiert als „the use of language varieties associated with social or ethnic<br />
groups that the speaker does not normally belong to.“ Die Topologie des<br />
crossing wird durch das Konzept der Liminalität, der Übergangssituation, des<br />
Anthropologen Victor Turner (1969) bestimmt. Das bedeutet, dass sprachliches<br />
Kreuzen in Situationen auftritt, in denen die herkömmlichen Regeln sozialer<br />
Ordnung in Frage gestellt werden. Indem eine dem Sprecher nicht eigene<br />
- 11 -
2 Kiez-Sprache<br />
Sprechweise verwendet wird, referiert diese auf (stereotypische) Werte und<br />
Eigenschaften derjenigen Gruppe, der die Varietät oder Sprache eigen ist<br />
(Androutsopoulos 2002: 83f.).<br />
Sprachliche Kreu<strong>zu</strong>ngen können prinzipiell in jedem Segment der Gesellschaft<br />
auftauchen; in der Literatur werden sie aber fast ausschließlich anhand der<br />
Sprache Jugendlicher beschrieben. Gemäß den Konzepten der bricolage6 oder<br />
Schwitallas Motto der „vielen Sprachen der Jugendlichen“ (1988, 1994) scheint<br />
die Symbolisierung fremder sozialer Identitäten typisch für jugendliches<br />
Sprechen <strong>zu</strong> sein. Als Beispiel für sprachliche Hybridisierung und bricolage<br />
führt Androutsopoulos (2002: 87) die „Ghetto-Attitüde“ des Hip-Hop an.<br />
Praktiken des sprachlichen Kreuzens konstruieren ein Prestige, welches die<br />
Benutzer von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzt: „Mehrere AutorInnen heben<br />
das ‚versteckte’ bzw. ‚subkulturelle’ Prestige von Migrantensprachen und<br />
–varietäten als wesentliches Motiv für ihre Übernahme von Jugendlichen<br />
anderer Herkunft hervor.“ (ebd.: 87)<br />
Obwohl betont wird, dass crossing ab<strong>zu</strong>grenzen sei „von Formen des ‚echten’<br />
bilingualen Code-Switching (...) wie z. B. beim Gebrauch von Herkunfts- und<br />
Mehrheitssprachen unter Migrantenjugendlichen“ (ebd.: 85), ist es als Konzept<br />
der Aneignung im Falle der hier untersuchten Gruppe nicht ganz von der Hand<br />
<strong>zu</strong> weisen: Die Jugendlichen sind erst im Alter zwischen 12 und 14 Jahren nach<br />
Deutschland gekommen. Benutzt man hier das Konzept der Liminalität als<br />
Übergang von der Lebensphase der Kindheit in die der Jugend, könnte es sein,<br />
dass die Jugendlichen sich der dominanten Varietät in ihrem „Kiez“ angepasst<br />
haben und diese mit dem <strong>zu</strong> lernenden Deutsch der Schule und ihrer<br />
Muttersprache „gecrosst“ haben.<br />
Eksner (2006: 92) geht so weit, die beschriebene Sprechweise als Stylized<br />
Turkish German 7 (STG) <strong>zu</strong> bezeichnen und erklärt die Verwendung folgendermaßen:<br />
„The use of STG by rather fluent Turkish speakers of German shows the<br />
6 Unter bricolage versteht man einen kollektiven, schöpferischen Prozess bei welchem<br />
„Elemente der verschiedenen kulturellen Bereiche aus der Matrix des Bestehenden selegiert, in<br />
einen neuen Bedeutung verleihenden Kontext transformiert und <strong>zu</strong> einem für die jeweilige<br />
jugendliche Subkultur spezifischen Stilmuster <strong>zu</strong>sammengefügt werden“ (Neuland 1987: 69).<br />
7 Diese Bezeichnung ist an das von Ben Rampton (1995) beschriebene sprachliche Phänomen<br />
des Stylized Asian English angelehnt.<br />
- 12 -
2 Kiez-Sprache<br />
way that STG is dependend on very specific preconditions and properties and<br />
thus achieves meaning only in specific-ritualized-situational contexts“ (ebd.).<br />
Sie ist der Auffassung, dass der Ethnolekt der Jugendlichen nur im Kontext der<br />
Selbststilisierung existiere und nicht die „echte“ Sprache darstelle. Die Sprecher<br />
benutzten STG entweder im Gespräch mit gruppenfernen Individuen oder<br />
untereinander in den typischen Formen des crossing wie ritualisierte<br />
Drohungen, Frotzeleien u. ä.<br />
Anhand der hier <strong>zu</strong>grunde liegenden Daten kann diese Sichtweise nicht bestätigt<br />
werden, da die Sprecher bei gemeinsamen Unternehmungen durchgängig Kiez-<br />
Sprache verwendeten und <strong>zu</strong>m anderen kein Außenstehender bei den<br />
Aufnahmen anwesend war. An folgendem Beispiel ist allerdings <strong>zu</strong> erkennen,<br />
dass die Jugendlichen bestimmte Elemente aus dem Ethnolekt8 zitieren:<br />
S1: „Krass“, das denken voll viele, dass die Jugendlichen das sagen.<br />
Wir sagen halt „übertrieben“. „krass“ ist es halt <strong>zu</strong> sagen,<br />
wenn wir nen Witz <strong>machen</strong>.<br />
S2: Niemals in einem ernsten Kontext?<br />
S1: Also, das sagen halt die Deutschen Jugendlichen sagen halt „krass“.<br />
S2: Und du meinst, die <strong>machen</strong>´s in Anlehnung daran, dass sie ...<br />
S1: Es ist halt witzig, wenn jemand „krass“ sagt.<br />
„Geil“ sagen wir immer noch. „Geil“ ist „geil“.<br />
In der stilisierten Variante ist krass neben Ausdrücken wie Isch mach dich<br />
Messer. das bekannteste Element. Da die Verwendung von krass ausschließlich<br />
in der Textsorte „Witz“ bestätigt wird, wäre diese Verwendung als typische Form<br />
des crossing charakterisierbar.<br />
Die Aussage eines Informanten (S1), dass geil immer noch benutzt wird, impliziert,<br />
dass krass früher benutzt wurde und in dem von Androutsopoulos (2000)<br />
beschriebenen Prozess „from the screens to the streets and back again“ aus der<br />
Sprache dieser Jugendlichen verschwunden ist. Normalerweise beschreibt diese<br />
Formulierung die Entstehung verschiedener Ethnolekte. Auf den streets wird der<br />
8 Um welche Art Ethnolekt (vgl. z. B. die Dreiteilung von Peter Auer (2003)) es sich handelt, soll<br />
an dieser Stelle nicht diskutiert werden.<br />
- 13 -
2 Kiez-Sprache<br />
primäre Ethnolekt (also Kiez-Sprache) gesprochen. Dieser wird von den Medien (to<br />
the screens) in Form von „Ethno-Comedy“ aufgegriffen und findet schließlich (back<br />
again) wieder Ein<strong>zu</strong>g auf „anderen Straßen“: denen der Jugendlichen, die ihn in<br />
Form des crossing benutzen. An dem hier gezeigten Beispiel ist ersichtlich, dass es<br />
eine weitere Ebene geben kann: Die Formen des sekundären und tertiären Ethnolekts<br />
wirken sich auf den primären aus und führen in diesem Fall <strong>zu</strong>m Verschwinden<br />
bestimmter Elemente. Auer (2003: 257) schreibt, dass „(...) die Rückwirkung des<br />
medialen Ethnolekts auf den primären (...) nicht ausgeschlossen [ist], jedoch bisher<br />
nicht untersucht worden [ist].“<br />
Ähnliches berichtet Keim aus einer Untersuchung in Mannheim. In der von ihr<br />
untersuchten Gruppe von Frauen findet sich ein Beispiel, welches zeigt<br />
„(...) dass Mitglieder der zweiten Immigrantengeneration durchaus eine Spottvarietät des<br />
Gastarbeiterdeutsch in ihrem Register haben, dass diese Varietät jedoch in ihrer<br />
grammatischen Form wie auch ihrer sozialen Bedeutung (...) keine Ähnlichkeit mit dem<br />
jugendlichen Ethnolekt hat“ (Dirim & Auer 2004: 217).<br />
2.4.2 Ethnolekte<br />
Der Begriff „Ethnolekt“ wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in<br />
Zusammenhang mit der Erforschung des städtischen Dialekts einer nordamerikanischen<br />
Stadt mit vielen Immigranten geprägt. Clyne (2000: 86)<br />
definiert Ethnolekte als „varieties of a language that mark speakers as members<br />
of ethnic groups who originally used another language (...)“. Ähnlich umreißt<br />
Androusopoulos (20009) das Phänomen als „a variety of the majority language<br />
(or host language), which constitutes a vernacular for speakers of a particular<br />
ethnic descent and is marked by certain contact phenomena“.<br />
Auer (2003: 256) geht für das Deutsche von drei verschiedenen Ethnolekten<br />
aus. Diese definiert er als „eine Sprechweise (Stil), die von den Sprechern selbst<br />
und/oder von anderen mit einer oder mehreren nicht-deutschen ethnischen<br />
Gruppen assoziiert wird.“<br />
9 Die in dieser Arbeit verwendete Version des Aufsatzes von Androutsopoulos aus dem Internet<br />
verfügt nicht über Seitenzahlen.<br />
- 14 -
2 Kiez-Sprache<br />
Wie sich diese Ethnolekte gegenseitig beeinflussen, stellt Auer (ebd.: 257)<br />
anhand folgender Grafik dar:<br />
Die verschiedenen Ethnolekte unterscheiden sich weniger (aber auch) durch<br />
grammatische Merkmale, als durch die Art der Verwendung; <strong>zu</strong>m einen<br />
„(...) als primärer Ethnolekt, der in den deutschen Großstadtghettos entstanden ist und<br />
vor allem von männlichen Jugendlichen mit türkischem Familienhintergrund verwendet<br />
wird, die in Deutschland aufgewachsen sind“ (Auer 2003: 256).<br />
Der sekundäre Ethnolekt bezieht sich auf den ersten und wird fast<br />
ausschließlich durch die Medien vermittelt. Bekannt geworden ist er durch die<br />
so genannte „Ethno-Comedy“ von „Erkan und Stefan“ u. a. Die sprachlichen<br />
Eigenschaften variieren beim sekundären (medialen) Ethnolekt erheblich, da<br />
die Gattungen, in denen er vorkommt sehr heterogen sind (Sketch, Film,<br />
Zeitungsbericht, Comic, u.s.w.) (ebd.: 260).<br />
Der tertiäre Ethnolekt speist sich aus Versatzstücken des sekundären, indem<br />
deutsche Jugendliche diesen zitieren und weiterentwickeln.<br />
Für die Abgren<strong>zu</strong>ng vom sekundären und tertiären Ethnolekt ist es wichtig, dass<br />
der primäre Ethnolekt von den Sprechern niemals im Sinne von Crossing<br />
(Rampton 1995), also als Zitat, verwendet wird, sondern ausschließlich aus der<br />
sprachlichen Interaktion im gemischtsprachlichen Freundeskreis resultiert.<br />
Der Begriff „Ethnolekt“ impliziert, dass bestimmte ethnische Gruppen, in der<br />
Literatur meist türkischstämmige Jugendliche, die in Deutschland geboren sind,<br />
diesen geprägt haben und benutzen. Aus den hier untersuchten Daten geht dies<br />
nicht hervor. Die Informanten sind alle arabische Muttersprachler und bis auf<br />
eine Ausnahme nicht in Deutschland geboren, sprechen aber (mit einigen<br />
- 15 -
2 Kiez-Sprache<br />
Einschränkungen10) den gleichen Ethnolekt wie er in der einschlägigen Literatur<br />
beschrieben ist. Dies erklären Dirim & Auer (2004: 223) folgendermaßen:<br />
„Vielmehr wirkt der primäre Ethnolekt auch direkt, also ohne mediale Vermittlung, auf<br />
das Deutsche anderer ethnischer Gruppen und vor allem Jugendlicher mit rein<br />
deutschsprachigem Familienhintergrund ein, soweit sie mit den Trägern des primären<br />
Ethnolekts enge Netzwerkbeziehungen haben. Dies ist insbesondere in<br />
gemischtethnischen Jugendlichennetzwerken in den deutschen Großstädten der Fall. Von<br />
diesen Sprechern wird der primäre Ethnolekt eher erworben als zitiert – wie auch andere<br />
sprachliche Stile der türkischen Be<strong>zu</strong>gsgruppe, die von Code-Switching und Code-Mixing<br />
geprägt sind.“<br />
Aus der Türkei stammende Jugendliche sind im direkten Netzwerk meiner<br />
Informanten nicht vorhanden. Dass sie trotzdem den selben Ethnolekt<br />
sprechen, könnte dem Umstand <strong>zu</strong>geschrieben werden, dass sie im Wedding,<br />
einem Stadtteil <strong>Berlin</strong>s mit vielen türkischen Einwohnern, groß geworden sind<br />
und sich am dort vorherrschenden sprachlichen Diskurs orientieren im Sinne<br />
eines acts of identity, also „in der Wahl eines bestimmten Stils aus einem<br />
sozialen Stilrepertoire.“ (Dirim & Auer 2004: 39)<br />
Eine weitere Möglichkeit ist die<br />
„Herausbildung einer panethnischen, aber in der Migrantenszene entwickelten Varietät<br />
der Majoritätssprache. In die Konstruktion dieser Varietät gehen die Lexik und teils auch<br />
die Grammatik der Einwanderersprachen neben fossilisierten lernersprachlichen<br />
Elementen (Vereinfachungen) ein. Wird dieser Ethnolekt von anderen Jugendlichen<br />
übernommen und somit <strong>zu</strong> einer meist ‚ghettoorientierten’ Großstadtvarietät, so kann<br />
sich dahinter ein Fall von Transgression verbergen, also der Versuch, die Varietät <strong>zu</strong><br />
usurpieren; es kann aber auch um einen eher assimilatorischen Spracherwerbsprozess<br />
gehen, der sich aus dem Alltag einer Kommunikationsgemeinschaft zwischen den<br />
jugendlichen Sprechern ergibt. Eine ethnische Grenzüberschreitung ist dann nicht<br />
intendiert; entsprechend werden auch keine Ab- und Ausgren<strong>zu</strong>ngen gegen die<br />
ursprünglichen Träger dieser Varietät relevant. Umgekehrt reagieren die „Erfinder“ des<br />
Ethnolekts nicht negativ auf seine Verwendung durch andere“ (ebd.: 30).<br />
Diese Erklärung ist <strong>zu</strong>treffend. Allerdings wird hier der Status als<br />
Jugendsprache verneint, da es bei dieser, wie die folgenden Beispiele belegen,<br />
10 Unterschiede gibt es vor allem im lexikalischen Bereich. So benutzen die Informanten dieser<br />
Arbeit arabische Partikeln wie habibi (‚mein Schatz’). In den Daten von Dirim & Auer (2004),<br />
welche vor allem von türkischen Jugendlichen stammen, findet man türkische Partikeln wie lan<br />
(‚Junge’).<br />
- 16 -
2 Kiez-Sprache<br />
um Abgren<strong>zu</strong>ng geht und somit die Verwendung durch Außenstehende nicht als<br />
positiv gelten kann bzw. ausgeschlossen ist:<br />
(2-2)<br />
(a) S2: Aber du würdest es schon als eine Jugendsprache einschätzen?<br />
S1: Ja, die hört sich auch anders an als die Sprache,<br />
die hier die Erwachsenen so reden.<br />
S2: Aber mit deinen Eltern würdest du nie so reden?<br />
S1: Nein ((lachen))<br />
(b) S: If we´re really good friends, if we´re really good friends then we<br />
talk... We more talk about, for example, we don’t get along with<br />
Arabs, you know. I mean we also have Arab friends maybe, but..<br />
they... it is... the enemy group, you know, of us. Because we don’t<br />
like each other (Eksner 2006: 46).<br />
Die Aussagen in Beispiel (2-2a) stammen aus einem Gespräch mit dem<br />
Hauptinformanten dieser Arbeit (S1), Beispiel (2-2b) ist die Aussage eines<br />
Jugendlichen aus Kreuzberg, den Eksner (2006) 11 für ihre Arbeit interviewt hat.<br />
Beide Sprecher betonen den Status von Kiez-Sprache als Mittel der Abgren<strong>zu</strong>ng.<br />
Hier wird erneut deutlich, dass es sich bei Kiez-Sprache nicht ausschließlich um<br />
eine Kontaktsprache handeln kann, sondern auch andere Faktoren und<br />
Einflüsse eine Rolle spielen.<br />
2.4.3 Systemorientierte Perspektive<br />
Nach Henne (1986: 147) ist „jugendliches Sprechen dem informellen<br />
sprechsprachlichen Stil [näher] als vergleichbare Kommunikation unter<br />
Erwachsenen.“ Damit hängt <strong>zu</strong>sammen, dass jugendliche Sprecher eher<br />
dialektale Sprechweisen benutzen als Erwachsene. Weiterhin auffällig ist das<br />
vermehrte Auftreten von Gesprächspartikeln, Tag-Questions, Vagheits- und<br />
Anredeformeln.<br />
11 Da die gesamte Arbeit von Eksner (2006) auf Englisch verfasst ist, hat sie die Beispiele<br />
ebenfalls ins Englische übersetzt.<br />
- 17 -
2 Kiez-Sprache<br />
Laut Androutsopoulos (1998: 6) betreffen die meisten Befunde für altersspezifische<br />
Merkmale phonetisch-phonologische und morphosyntaktische<br />
Variablen. Als phonologische Besonderheiten werden Reduktions-,<br />
Assimilations- und Klitisierungsprozesse genannt.<br />
Im Bereich der Syntax fällt „die parataktische Syntax von weil, die Dativ-<br />
Rektion von Präpositionen (wegen, während), der Definitartikel an Personennamen<br />
sowie die syntaktische Reduktion (Elliptizität)“ (ebd.: 7) auf. Außerdem<br />
werden vor allem im Verbalbereich neuartige Zusammenset<strong>zu</strong>ngen erprobt und<br />
es treten Rektionsabweichungen auf (auf etwas abfahren oder stehen, etwas<br />
schnallen oder blicken). (Neuland 1987: 73).<br />
Im jugendsprachlichen Wortschatz sind die Bereiche „Intensivierungspartikeln“<br />
und „Tabuwörter“ besonders ausgeprägt. Des Weiteren fällt die große Anzahl<br />
von Neubildungen durch Zusammenset<strong>zu</strong>ngen auf. Außerdem werden eine<br />
Vielzahl von Anglizismen verwendet, die aus dem Umfeld des Hip-Hop<br />
stammen und auf die Affinität der jugendlichen Sprecher <strong>zu</strong> dieser<br />
Musikrichtung hinweisen (Androutsopoulos 1998: 531f.).<br />
Semantisch auffällig „sind die Bedeutungsverschiebungen gegenüber der<br />
Standardsprache (...); und zwar insbesondere in der Form von<br />
Bedeutungserweiterung, <strong>zu</strong>mal durch Aufhebung von Anwendungsbereichen<br />
aus dem Kontext der Sexualität.“ (Neuland 1987: 72)<br />
Im Folgenden soll anhand von Beispielen aus dem der Arbeit <strong>zu</strong>grunde<br />
liegenden Material gezeigt werden, dass es sich bei Kiez-Sprache aus<br />
korrelativer Perspektive eindeutig um eine jugendsprachliche Varietät handelt:<br />
Dialektale Sprechweisen werden nur von einem einzigen Sprecher benutzt.<br />
Besonders frequent tritt bei seinem Sprechen die tag-question-Partikel wa auf,<br />
welche typisch für das <strong>Berlin</strong>ische ist:<br />
(2-3) 12<br />
(a) das war das schönste wochenende (.) wa?<br />
(b) !HE! (.) du bist schon auf der straße (.) wa du bastard?<br />
12 Die Beispiele sind nach den Transkriptionskonventionen von GAT transkribiert (siehe<br />
Anhang).<br />
- 18 -
2 Kiez-Sprache<br />
Die Gesprächspartikel, die von allen Sprechern sehr häufig genutzt wird, ist<br />
wallah:<br />
(2-4)<br />
(a) wallah (.) natürlich bin isch erster<br />
(b) ja (-) jetzt noch eine runde wallah<br />
Wallah hat die Funktion, eine Äußerung <strong>zu</strong> verstärken und kann in fast jeder<br />
Position im Satz stehen. Ähnliches beobachtet Quist (2005: 152) bei<br />
Jugendlichen in Kopenhagen: „For instance, the word wallah appears quite<br />
frequently (...). It is a word of Arabic origin meaning by God (~ I swear in the<br />
name of god). It can be used to serve several functions, but is mostly used to<br />
intensify (...).“<br />
Neben wallah wird <strong>zu</strong>r Intensivierung einer Aussage häufig übertrieben<br />
gebraucht:<br />
(2-5)<br />
(a) wallah (-) das ist übertriebener <strong>zu</strong>fall (---) übertrIEBEN (-)<br />
(b) weiß nisch was wir alles erlebt haben<br />
übertrieben (-) übertrieben=einfach<br />
Ficken ist das mit Abstand am häufigsten genannte Lexem aus dem Bereich des<br />
Tabuwortschatzes. Auch geil tritt häufig auf, allerdings ist hier der Prozess der<br />
Umdeutung schon fortgeschrittener und die Vulgarität fast ausschließlich<br />
diachron ab<strong>zu</strong>leiten.<br />
(2-7)<br />
(a) wir ficken die welt<br />
(b) isch fick disch trotzdem (.) warte<br />
(c) du wirst so ein arschfick bekommen (--) warte (.) wallah<br />
Die Anglizismen, welche auftreten, lassen sich, wie bereits erwähnt, dem<br />
sprachlichen Kontext des Hip-Hop <strong>zu</strong>ordnen. 13<br />
13 In überspitzter Form umschreibt Zaimoglu dieses mit (schwarzem) Hip-Hop assoziierte<br />
Lebensgefühl wie folgt: „(...) wir sind hier allesamt nigger, wir haben unser ghetto, wir<br />
schleppen´s überall hin, wir dampfen fremdländich, unser schweiß ist nigger, unser leben ist<br />
- 19 -
(2-8)<br />
(a) isch brauch dein mitleid nicht (.) nigger<br />
(b) isch bin in da house<br />
(c) shit nigger (.) shit<br />
2 Kiez-Sprache<br />
Im Bereich der Anredeformeln ist <strong>zu</strong> beobachten, dass sich Kategorien<br />
überschneiden können, da die Anredeformeln häufig aus dem Bereich des<br />
Tabuwortschatzes (im Sinne von „politisch unkorrekt“) stammen.<br />
(2-9)<br />
(a) du wirst sowieso gefickt (.) du spast<br />
(b) armad (.) du !OPFER!<br />
(c) ja=er hat doch geklingelt<br />
wo isch hier angerufen habe du kleiner bastard<br />
Beispiele für die parataktische Verwendung von weil sind:<br />
(2-10)<br />
(a) weil der untere der fährt gute kurven<br />
(b) aber seiner ist trotzdem schnell (.) weil seiner is=n rennwagen<br />
Wie gezeigt wurde, treten in Kiez-Sprache viele Elemente auf, die aus der<br />
Forschung <strong>zu</strong>r deutschen Jugendsprache bekannt sind. Neben diesen Formen<br />
gibt es vor allem im morphosyntaktischen Bereich neben Reduktion (Kapitel<br />
2.7) kreative Neubildungen (Kapitel 4.1 ff.), die man so in der klassischen<br />
Jugendsprachforschung bisher nicht vorfindet. 14<br />
nigger, die goldketten sind nigger, unser zinken und unsere fressen und unser eigner stil ist so<br />
verdammt nigger, daß wir wie blöde an unsrer haut kratzen, und dabei kapieren wir, daß <strong>zu</strong>m<br />
nigger nicht die olle pechhaut gehört, aber <strong>zu</strong>m nigger gehört ne ganze menge anderssein und<br />
andres leben“ (Zaimoglu 1995: 24).<br />
14 Eine Möglichkeit, wie solche Formen auch Ein<strong>zu</strong>g in die „normale“ Jugendsprache finden ist<br />
der tertiäre Ethnolekt.<br />
- 20 -
2.5 Kontaktsprachen<br />
2 Kiez-Sprache<br />
Sowohl das Deutsch der Gastarbeiter (GAD) als auch die Ethnolekte<br />
europäischer Großstädte wurden und werden teilweise als Pidgin bezeichnet.<br />
Diese Kontaktsprache wird im Allgemeinen folgendermaßen definiert:<br />
„languages lexically derived from other languages, but which are structurally simplified,<br />
especially in their morphology. They come into being where people need to communicate<br />
but do not have a language in common. Pidgins have no (or few) first language speakers,<br />
they are the subject of language learning, they have structural norms, they are used by two<br />
or more groups, and they are usually unintelligible for speakers of the language from<br />
which the lexicon derives“ (Arend et al. 1995: 25).<br />
Einzelne Punkte treffen sowohl auf das GAD als auch auf Kiez-Sprache <strong>zu</strong>. Einen<br />
Einwand, der deutlich macht, dass eine solche Zuordnung jedoch nicht<br />
eindeutig gemacht werden kann, führen Arend et al. (1995: 26) an. Sie<br />
argumentieren dafür, nicht jede gebrochene Sprache als Pidgin <strong>zu</strong> bezeichnen;<br />
konkret halten sie das GAD nicht für ein solches: „the target language of these<br />
immigrants (...) is not the broken version of the language (...) – even if they<br />
decide not to try to learn these languages beyond a certain level.“<br />
Eine Ausnahme <strong>zu</strong> oben zitierter Annahme beobachten Arend et al. (ebd.: 26)<br />
widerum in Wohngebieten Stockholms, in welchen Migranten der zweiten<br />
Generation neben fließendem Schwedisch „a form of broken Swedish in certain<br />
situations“ benutzen und dass „cases like these may be called a pidgin, if they<br />
form targets for second language learning“ (ebd.: 26). Unter Jugendlichen in<br />
multiethnischen Wohnvierteln stellt das Erlernen von Kiez-Sprache definitiv ein<br />
Ziel im Spracherwerb dar. Dieser Fakt spräche also für den Status von Kiez-<br />
Sprache als Pidgin.<br />
Im Folgenden wird näher auf die Kategorisierbarkeit des GAD als Pidgin<br />
eingegangen, bildet es doch einen möglichen Einflussfaktor für Kiez-Sprache.<br />
Michael Clyne (1968) war der Erste, der vom GAD als einem Pidgin sprach.<br />
Einer der Gegner dieser Sichtweise ist Jürgen Meisel, der in seinem 1975<br />
veröffentlichten Aufsatz „Ausländerdeutsch und Deutsch ausländischer Arbeiter<br />
– <strong>zu</strong>r möglichen Entstehung eines Pidgin in der BRD“ viele Gegenargumente<br />
aufführt. Interessant an seinen und den Ausführungen anderer sind besonders<br />
die Hypothesen, welche für die Zukunft der Gastarbeiter und deren Sprache<br />
aufgestellt wurden, hängt doch von diesen die Definition als Pidgin oder Nicht-<br />
- 21 -
2 Kiez-Sprache<br />
Pidgin ab. So hielt Meisel für einen zentralen Faktor für das Verschwinden des<br />
Pidgins oder der Lernervarietät die Dauer des Aufenthalts in der<br />
Bundesrepublik: „Man darf zwar nicht unbedingt von vornherein annehmen,<br />
daß jemand umso besser Deutsch lernt, je länger er im Land bleibt. Es gibt<br />
jedoch genügend Hinweise darauf, dass diese Korrelation richtig ist“ (Meisel<br />
1975: 10). Diese Vermutung ist aus heutiger Sicht für viele Gastarbeiter nicht<br />
eingetroffen.<br />
Auch einige der Informanten dieser Arbeit haben sich, wie folgendes Zitat aus<br />
einem Gespräch mit einem der Jugendliche zeigt, „dem Druck des Deutschen“<br />
(ebd.: 10) erfolgreich entzogen.<br />
„Zwei (...), die reden nur so, aber die verstehen das. Wenn du mit denen reden<br />
würdest, würden sie es verstehen. Aber wenn sie sich dann ausdrücken, ist es<br />
halt anders. Die können nicht wechseln.“<br />
Diese Möglichkeit zog Meisel in Betracht:<br />
„Wenn es da<strong>zu</strong> kommen sollte [<strong>zu</strong>r Ausbildung eines Pidgin], dann als Folge der<br />
Diskriminierung und der Isolation der ausländischen Arbeiter, wie sie sich <strong>zu</strong>m Beispiel<br />
in der <strong>zu</strong>nehmenden Ghettobildung manifestiert. Am Ende dieser Entwicklung stünde die<br />
Germanisierung des besonders anpassungswilligen Teils der Betroffenen und die<br />
endgültige Zuordnung der übrigen <strong>zu</strong>m Reservoir der Hilfsarbeiter der deutschen<br />
Wirtschaft.“<br />
Für manche ehemaligen Gastarbeiter ist diese Befürchtung leider eingetroffen:<br />
Der anpassungswilllige Teil hat die „Ghettos“ verlassen, in welchen sich die<br />
Übrigen ausgrenzen und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Eine dritte<br />
Möglichkeit jedoch hat Meisel nicht in Betracht gezogen: dass es zwischen<br />
Anpassung und Ausgren<strong>zu</strong>ng etwas geben könnte wie die „Ethnic Urban Youth“<br />
Dieser Wandel betrifft:<br />
„den Übergang vom Selbst- und Fremdbild eines ökonomisch benachteiligten und sozial<br />
diskriminierten Arbeits-Subproletariats ohne ‚legitimes’ kulturelles, sprachliches oder<br />
ökonomisches Kapital, ohne Selbstbewusstsein und ohne Anspruch auf Dauerhaftigkeit,<br />
<strong>zu</strong> einer arrivierten ‚Minderheit’, die weiß, dass sie in diesem Land auch in Zukunft leben<br />
wird – ohne ethnisch in der deutschen Bevölkerung auf<strong>zu</strong>gehen“ (Dirim & Auer 2004: 2).<br />
- 22 -
2 Kiez-Sprache<br />
2.5.1 Grammatikalische Reduktion im Gastarbeiterdeutsch<br />
Aus rein grammatischer Perspektive scheint es zwischen dem GAD und Kiez-<br />
Sprache viele Ähnlichkeiten <strong>zu</strong> geben (vgl. Kapitel 2.7). Die wichtigsten<br />
grammatischen Eigenschaften des GAD werden im Folgenden kurz vorgestellt:<br />
Im GAD kann jedes Element im Satz mit nix („nichts“) negiert werden, wenn es<br />
unmittelbar auf den Negationsträger folgt:<br />
(2-11)<br />
(a) Ich nix mit Kopf arbeit (Türke)<br />
(b) Niks gut Wetter 15 (Griechin)<br />
Des Weiteren werden Wörter bevor<strong>zu</strong>gt, welche Meisel (ebd.: 36) als „einfach“<br />
oder „unmarked“ bezeichnet. So ist <strong>zu</strong>m Beispiel die Verwendung von tun,<br />
<strong>machen</strong>, gehen auffällig, wenn für diese die in der Standardsprache üblichen<br />
Verben wie rennen oder fahren stehen könnten, welche die Art der Tätigkeit<br />
präzisieren.<br />
Deutlicher, so Meisel (ebd.), wird diese Erscheinung in der Tendenz <strong>zu</strong><br />
analytischen Phrasen, unter welchen „Ausdrücke verstanden [werden], mit<br />
denen lexikalische Einheiten, die für die Sprecher als ‚irgendwie schwierig’<br />
gelten, umschrieben werden“:<br />
(2-12)<br />
(a) nix Arbeit „arbeitslos“<br />
(b) viel Arbeit „fleißig“<br />
Ebenfalls können Adverbiale paraphrasiert werden, wie<br />
(2-13) andere Platz „anderswo“<br />
Eine weitere Besonderheit ist die Tendenz des GAD <strong>zu</strong>r Dekomposition von<br />
Verben:<br />
(2-14) Tot <strong>machen</strong> „töten“, „ermorden“<br />
Häufig ist auch das Weglassen des Artikels <strong>zu</strong> beobachten, wie in<br />
15 Beispiel von Clyne (1986: 135), zitiert nach Meisel (1975: 35).<br />
- 23 -
(2-15)<br />
2 Kiez-Sprache<br />
(a) Leuten gut, Geld gut, aber was <strong>machen</strong> mit Fuß? 16 (Griechin)<br />
(b) Wir kommen aus Türkei 17 (Türke)<br />
An Beispielen wie<br />
(2-16) jetzt gehen alle deutsche Familie, aber wir gehe sehr selten 18<br />
ist <strong>zu</strong> beobachten, dass Präpositionen häufig fehlen.<br />
(Türke)<br />
Außerdem treten viele Konstruktionen auf, in denen der Ausfall des Verbs,<br />
besonders der Kopula, <strong>zu</strong> beobachten ist:<br />
(2-17) Kind alles in der Türkei geboren 19 (Türke)<br />
Ein weiteres Charakteristikum des GAD ist das Fehlen von Flexionsendungen<br />
wie in<br />
(2-18) Ein gut Kostum 20 (Griechin)<br />
und der Ausfall von Personalpronomen:<br />
(2-19) Heute morgen wieder hier kommen 21 (Spanier)<br />
(Meisel (1975): 35ff.)<br />
Aus der Tatsache, dass Sprecher verschiedener Muttersprachen ähnliche Fehler<br />
<strong>machen</strong>, leitet Meisel ab, dass „alle Merkmale des ‚Gastarbeiterdeutsch’ (...)<br />
anders als mit Sprachmischung erklärt werden [können]. Dabei sind<br />
gelegentlich Interferenzen mit der Muttersprache <strong>zu</strong> erkennen“ (ebd.: 24). Für<br />
Meisel sind weder die sprachlichen noch die sozialen Kriterien erfüllt, um von<br />
einem Pidgin sprechen <strong>zu</strong> können. Jedoch zieht er die Möglichkeit in Betracht,<br />
dass es <strong>zu</strong> einer Stabilisierung, also <strong>zu</strong> einem Pidgin, kommen könnte, wenn die<br />
Simplifizierung nicht die einzige linguistische Besonderheit bleibt, sondern sich<br />
16 Beispiel von Clyne (1968: 132), zitiert nach Meisel (1975: 39).<br />
17 Beispiel von Dittmar, Klein et al. (1974: 25), zitiert nach Meisel (1975: 39).<br />
18 Beispiel: (ebd.: 26), zitiert nach Meisel (ebd.).<br />
19 Beispiel: (ebd.: 25), zitiert nach Meisel (ebd.).<br />
20 Beispiel von Clyne (1968: 40), zitiert nach Meisel (ebd.: 40).<br />
21 ebd.: 133, zitiert nach Meisel Meisel (ebd.).<br />
- 24 -
2 Kiez-Sprache<br />
Sprachmischungen nachweisen lassen, <strong>zu</strong>m Beispiel „(...) Fälle, in denen<br />
Formen hervorgebracht werden, die in keiner der beteiligten Sprachen<br />
existieren.“ (ebd.: 23)<br />
Dies ist, wie ab Kapitel 4 gezeigt werden soll, in Kiez-Sprache der Fall.<br />
Kotsinas ist ebenfalls der Auffassung, dass die Besonderheiten von<br />
Migrantensprachen „are not primarily caused by interference from the speakers’<br />
mother tongues. Instead, they are the result of compensatory strategies used by<br />
the speakers to fulfill their grammatical and pragmatic needs“ (2001: 126).<br />
Als Strategien nennt sie „repetition, circumlation, analytic decomposition,<br />
lexical over-use and semantic over-extension“. 22 (ebd.: 130)<br />
Auch Dirim & Auer (2004: 213) schreiben <strong>zu</strong> Kiez-Sprache: „Eine interferenzbezogene<br />
Interpretation stößt sowieso auf Schwierigkeiten, weil manche der<br />
ethnolektalen Merkmale in den Familiensprachen kein strukturelles Korrelat<br />
haben: Im Arabischen gibt es <strong>zu</strong>m Beispiel Präpositionen.“<br />
Kotsinas (ebd.: 125) nennt Varietäten, in denen „creole-like features“<br />
vorkommen, auch wenn kein Pidgin als Basis existiert, „creoloids“.<br />
Ebenfalls interessant <strong>zu</strong>r Einordnung des GAD und der Kiez-Sprache ist<br />
Whinomms (1971) dreistufiges Modell der Hybridisierung:<br />
Auf die primäre Hybridisierung geht Whinnom nicht näher ein. Er bemerkt nur,<br />
dass in dieser Dialekte ausdifferenziert werden.<br />
Von sekundärer Hybridisierung ist dann <strong>zu</strong> sprechen, wenn zwei<br />
unterschiedliche Sprachen aufeinander treffen und eine Anpassung stattfindet.<br />
Beherrscht eine dieser Sprechergruppen die Kontaktsituation, ist eine totale<br />
sprachliche Anpassung der schwachen Gruppe an die starke <strong>zu</strong> erwarten. Wegen<br />
der Begren<strong>zu</strong>ng des Sprachlernvermögens geschieht die Anpassung von<br />
Erwachsenen nur partiell. Die folgende Generation wird aber bereits die Sprache<br />
der mächtigeren Sprachgruppe als Muttersprache erlernen. Die durch die<br />
22 Speziell für mein Thema interessant ist die analytische Dekomposition. Darunter versteht<br />
Kotsinas die Erset<strong>zu</strong>ng von Verben durch Phrasen vom Typ „<strong>machen</strong> + N“. Mühlhäusler (1986:<br />
146) nennt als Beispiel mekim sigar („smoke“). Diese Konsruktion ist der von mir untersuchten<br />
Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. sehr ähnlich (vgl. Kapitel 4).<br />
- 25 -
2 Kiez-Sprache<br />
sekundäre Hybridisierung entstandene Sprache wird somit nur eine begrenzte<br />
Lebensdauer haben.<br />
Da<strong>zu</strong> bemerkt Keim (1984: 73)<br />
„Das GAD ist kein Pidgin-Deutsch, sondern konstituiert sich aus einer Menge von<br />
Kontaktsprachen, die durch zweite Hybridisierung im Sinne von Whinnom entstanden<br />
sind. Das GAD ist damit keine stabile Sprache, sondern durch hohe Variabilität<br />
ausgezeichnet. Je nach Grad der Durchbrechung von sozialer Distanz und von<br />
emotionalen Barrieren ist mit größerem Erfolg beim Zweitspachenerwerb, d.h.<br />
Annäherung an die Zielsprache, oder mit geringerem Erfolg <strong>zu</strong> rechen, d. h. in höherem<br />
Maße Auftreten von Pidginmerkmalen.“<br />
Für das GAD wurde genau diese Entwicklung erwartet: Die erste Generation<br />
spricht eine fossilisierte Lernersprache, wogegen die zweite Generation das<br />
Standarddeutsche erlernt.<br />
Von tertiärer Hybridisierung spricht man, wenn sich Sprecher aus<br />
verschiedenen Sprachgemeinschaften, die nicht bereits über eine ausgeprägte<br />
Kontaktsprache (durch sekundäre Hybridisierung) verfügen, an die Sprache<br />
einer dominierenden Gesellschaft anpassen, ohne mit dieser in intensivem<br />
Kontakt <strong>zu</strong> stehen. Die Kommunikation findet also hauptsächlich innerhalb der<br />
untergeordneten Sprachgemeinschaft ab; die dominierende Gesellschaft ist aber<br />
so stark, dass sie die Ausrichtung der entstehenden Kontaktsprache auf ihre<br />
Sprache erzwingt. Die so entstehende Sprache hat zwar Ähnlichkeiten mit der<br />
dominierenden Sprache, ist aber kommunikativ von dieser unabhängig. Die<br />
Konventionen und Normen, die entstehen, sind dementsprechend unabhängig<br />
und lassen eine Sprachform entstehen, die für Sprecher der dominierenden<br />
Sprachgemeinschaft nicht mehr ohne Weiteres verständlich ist. Diese Situation<br />
kann, wenn die neue Sprachform genügend Prestige erhält, um die<br />
Ausgangssprache der dominierenden Gruppe <strong>zu</strong> verdrängen, <strong>zu</strong>r Entwicklung<br />
eines Creol führen (Bartsch et al. 1975: 33).<br />
Kiez-Sprache weist nach Whinnoms Modell die meisten Ähnlichkeiten mit der<br />
tertiären Hybridisierung auf.<br />
Wie schon die Vorstellung eines Bruchteils der geführten Diskussion <strong>zu</strong>m Status<br />
vom GAD oder von Kiez-Sprache (und ihren Entsprechungen in anderen<br />
Ländern) als einem Pidgin zeigt, ist eine Zuordnung dieses Phänomens nicht<br />
einfach. Geht man rein grammatisch vor, sind viele Gemeinsamkeiten von Kiez-<br />
- 26 -
2 Kiez-Sprache<br />
Sprache und dem GAD mit klassischen Pidgin- oder Kreolsprachen <strong>zu</strong> finden.<br />
Ausschlaggebend für die Kategorisierung sind hier aber auch die sozialen<br />
Entstehungsbedingungen. So entstanden die meisten Pidgins im Kontext von<br />
Kolonialisierung. Beim GAD wurde dieser Aspekt berücksichtigt, wollte man<br />
damit auf die soziale Misere der Gastarbeiter aufmerksam <strong>machen</strong>, indem man<br />
sie im weitesten Sinne als ausgebeutete Minderheit, ähnlich den Sklaven auf den<br />
Plantagen, verglich. Dies ist bei Kiez-Sprache nicht möglich, da es sich bei deren<br />
Sprechern um eine selbstbewusste, junge Generation von Migranten handelt,<br />
die zwar teilweise von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, damit, unter<br />
anderem auch sprachlich, selbstbewusst umgehen. Nur deshalb ist es möglich,<br />
dass Kiez-Sprache von Lehrern und anderen „Bedenkenträgern“ eine<br />
ablehnende Haltung entgegengebracht wird. Wären die jungen Migranten eine<br />
<strong>zu</strong> bemitleidende Minderheit, würde man sich ihnen sprachlich vermutlich wie<br />
den Gastarbeitern in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer Form<br />
von Foreigner Talk (Hinnenkamp 1982) nähern, nicht aber ihre Sprache<br />
kritisieren.<br />
2.5.2 Grammatikalische Reduktion in Kiez-Sprache<br />
Neben den sprachlichen Besonderheiten, die in Kapitel 2.5 genannt wurden und<br />
die dem Bereich der Jugendsprache <strong>zu</strong>gehörig sind, tauchen in Kiez-Sprache<br />
Konstruktionen auf, welche typisch für Ethnolekte sind:<br />
„Zu den auffälligsten phonetischen Merkmalen des Ethnolekts“, so schreiben<br />
Dirim & Auer (2004: 207), „gehört vor allem die Koronalisierung von /ç/, die<br />
zwar ein allgemeines Merkmal des Frankfurter Regiolekts (bzw. allgemein des<br />
Mitteldeutschen) ist und deshalb bei einem Sprecher aus Frankfurt nicht<br />
verwundert.“ Allerdings, so betonen sie, werde diese Realisierung von /ç/ auch<br />
außerhalb des Koronalisierungsgebietes realisiert. Diese Aussage kann anhand<br />
der <strong>Berlin</strong>er Daten, auf denen diese Arbeit basiert, nur bestätigt werden.<br />
Weiter auffällig ist die Reduktion des Anlautclusters /ts/ <strong>zu</strong> /s/, welches<br />
ebenfalls in dem hier untersuchten Material <strong>zu</strong> finden ist.<br />
Ein anderes Charakteristikum, das oft <strong>zu</strong>r Beschreibung von Kiez-Sprache<br />
benutzt wird, ist deren morphologische und syntaktische Reduktion (ebd.):<br />
- 27 -
(2-20) Das Fehlen von Präpostionen<br />
(a) S2: mein vater hat (.) trägt leder23 (b) S1: wallah?<br />
(c) S2: ja:: geht moschee mit lederhose „in die moschee“<br />
(2-21) Das Fehlen von Pronomen<br />
S3: in kurven ist das untere auto besser (.)<br />
aber in grade ist sein auto besser (-)<br />
weil der untere der fährt gute kurven<br />
jetzt geht andere richtung<br />
ja da<br />
da da gradeaus (.) sarmad<br />
„jetzt geht es“<br />
(2-22) Das Fehlen von Artikelformen<br />
S2: nix (.) bist du bescheuert<br />
Schuld dir GAR nix<br />
S1: wer schuldet mir?<br />
S2: d. schuldet dir drei euro glaub isch (.) drei euro (.)<br />
für taxi „für das Taxi“<br />
(2-23) Die Veränderung von Genera<br />
S1: gestern ist auf mein schienbein<br />
son eine fette dings „so ein fettes Dings“<br />
Vorne so pf: gefallen<br />
2 Kiez-Sprache<br />
Diese Daten lassen den Eindruck entstehen, dass sich Kiez-Sprache, wie das<br />
GAD, vor allem durch grammatische Reduktion auszeichnet. Wie in Kapitel 4<br />
gezeigt wird, ist dies jedoch nur eines von mehreren Charakteristika von Kiez-<br />
Sprache.<br />
23 Die Beispiele stammen alle, soweit nicht anders angegeben, aus meinem Material.<br />
- 28 -
3 Gesprochenes Deutsch<br />
3 Gesprochenes Deutsch<br />
Da nicht das geschriebene, normierte Standarddeutsch den Be<strong>zu</strong>gspunkt für<br />
Kiez-Sprache (als Varietät des Deutschen) darstellt, 24 sondern die gesprochene<br />
Sprache, wird diese hier kurz mit ihren Besonderheiten vorgestellt:<br />
3.1 Pragmatische Eigenschaften<br />
Koch & Oesterreicher (1985: 19ff.) unterscheiden sprachliche Äußerungen<br />
danach, in welchen Situationstypen sie verankert sind.<br />
Der Kontext, in dem sich die Sprecher des hier untersuchten Korpus befanden,<br />
ist nach dieser Definition dem Bereich der „Nähe“ <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen:<br />
„Nähekommunikation findet zwischen Kommunikationspartnern statt, die sich von<br />
Angesicht <strong>zu</strong> Angesicht begegnen, deren Vertrautheit miteinander Emotionen und<br />
Spontanität <strong>zu</strong>lässt und die sich in einem gemeinsamen Raum befinden, innerhalb dessen<br />
sie auf Gegenstände verweisen können“ (Schwitalla 2003: 21).<br />
Kommunikation im Distanzbereich ist im Gegensatz da<strong>zu</strong> dann gegeben, wenn<br />
die Beteiligten räumlich getrennt sind, wenn die Kommunikation (wie es z. B.<br />
bei institutionellen Interaktionen der Fall ist) ein vorher bestimmtes Thema und<br />
Ziel hat oder wenn die Rede in der Öffentlichkeit geschieht.<br />
Weiterhin zeichnet sich gesprochene Sprache, vor allem im Bereich der<br />
Nähekommunikation, durch Ökonomie aus. Behagel schreibt:<br />
„Was man im Aufbau des Dramas als Exposition bezeichnet, die Vorausset<strong>zu</strong>ngen, aus<br />
denen Handlung und Rede des Handelnden hervorgeht, das muss das geschriebene Wort<br />
oft erst unmissverständlich schildern: Für den Redenden sind sie <strong>zu</strong>meist unmittelbar<br />
gegeben; und zwar nicht bloß Ort und Zeit. Er kennt in der Regel die Stimmung des<br />
Hörenden, den Umkreis und die Beschaffenheit der Vorstellungswelt, über die er gebietet,<br />
die Verhältnisse unter denen er lebt (...). Diese Gemeinsamkeit der Vorausset<strong>zu</strong>ng<br />
gestattet es, mit wenigen Worten, ja mit einem einzigen ganze Reihen von Vorstellungen<br />
ab<strong>zu</strong>tun; eine große Sparsamkeit, ja übermäßige Bequemlichkeit und Trägheit des<br />
Ausdrucks wird hierdurch begünstigt“ (Behagel 1927: 15).<br />
24 Es existieren durchaus geschriebene Texte des Ethnolekts. Diese tragen Titel wie „Wem ist<br />
dem geilste Tuss im Land“ (Freidank 2001) oder „Ich geh Schule, wie isch Bock hab (Freidank<br />
2002) und sind eindeutig dem Bereich „Kanak Sprak“, also der stilisierten Variante, <strong>zu</strong>gehörig.<br />
- 29 -
3 Gesprochenes Deutsch<br />
Diese Sparsamkeit führt <strong>zu</strong> einigen grammatikalischen Besonderheiten, die im<br />
Weiteren dargestellt werden:<br />
3.2 Syntaktische Eigenschaften<br />
Die meisten Grammatiken gehen vom Satz als der Basiseinheit der<br />
syntaktischen Analyse aus, welcher dann durch die weitere Analyse in immer<br />
kleinere Einheiten differenziert wird.<br />
Das Problem der Anwendbarkeit einer solchen Theorie für die gesprochene<br />
Sprache besteht darin, dass sich beim Sprechen und Hören die syntaktische<br />
Struktur erst allmählich aufbaut und <strong>zu</strong>sätzlich verändert, unterbrochen oder<br />
wiederholt werden kann (Schwitalla 2003: 100).<br />
Die Termini „Ellipse“ und „Anakoluth“, welche für bestimmte Strukturen der<br />
gesprochenen Sprache verwendet werden, gehen vom klassischen Konzept des<br />
Satzes aus, dem durch die Anwendung verschiedener pragmatischer<br />
Operationen Elemente „fehlen“. Wie in Kapitel 6 gezeigt wird, existieren<br />
alternative Theorien, welche eine Unterscheidung in Kerngrammatik vs.<br />
Randgrammatik (Kapitel 6.1) vornehmen oder die Syntax der gesprochenen<br />
Sprache an einer Zeitachse orientieren und deren Regeln somit durch<br />
nachträgliche Bearbeitung und vorgreifende Projektionen aufgebaut werden<br />
(Kapitel 6.2).<br />
Was man unter einer Ellipse <strong>zu</strong> verstehen hat, ist sehr umstritten: „Eine erste<br />
Differenzierung betrifft Weglassungen von Satzteilen, die aufgrund des<br />
vorhergehenden syntaktischen und semantischen Kontextes ergänzt werden<br />
können.“ (ebd.: 102). Mit dieser Definition umschreibt man im Allgemeinen<br />
Analepsen. Diesen stehen freie Ellipsen im engeren Sinne gegenüber, „in denen<br />
wirklich eine echt syntaktische Vollendung innerlich gefordert, aber äußerlich<br />
nicht geleistet wird“ (Bühler 1965: 166f; hier zitiert nach Schwitalla 2003: 102).<br />
Ein Erklärungsmodell für Ellipsen und Analepsen ist das Ökonomieprinzip,<br />
„nach dem man nicht mehr <strong>zu</strong> sagen braucht, als für den Hörer <strong>zu</strong>m Verständnis<br />
des Mit<strong>zu</strong>teilenden nötig ist“ (ebd.: 103).<br />
Gleichzeitig, so Schwitalla, erfolge eine stärkere Bindung der eigenen Äußerung<br />
an die vorhergehende. Dadurch entsteht eine Verstehenserleichterung, da der<br />
- 30 -
3 Gesprochenes Deutsch<br />
Hörer auf die Informationsteile gelenkt wird, die rhematisch sind. Durch die<br />
Ausfüllung aller syntaktischen Positionen wird die Grice’sche Konversationsmaxime<br />
verletzt, nicht mehr <strong>zu</strong> sagen, als notwendig ist, da diese die implizite<br />
Forderung enthielte, dieses „Mehr“ <strong>zu</strong> interpretieren (ebd.: 105).<br />
In Fällen wie<br />
(3-1)<br />
(a) [es] hod sich nix geRIEHRD<br />
(b) [dann] sim ma also äh HIgange<br />
spricht Schwitalla (ebd.: 107) nicht von Analepsen, da die Sätze alle erforderten<br />
Ergän<strong>zu</strong>ngen enthalten. Auer (1993) bezeichnet sie als „eigentliche<br />
Verbspitzenstellung“.<br />
„Set<strong>zu</strong>ngen“ oder „syntaktische Eigenkonstruktionen“ werden häufig für die<br />
Bezeichnung von Ellipsen im engeren Sinne verwendet. Sie sind „Kurzformen,<br />
die nicht Satzteile aus vorhergehenden Sätzen weglassen“ (Schwitalla 2003:<br />
107).<br />
Ein weiteres Phänomen, welches schon im Kapitel <strong>zu</strong>r Jugendsprache bekannt<br />
ist, sind weil-Sätze mit Verbzweitstellung. Die meisten Untersuchungen<br />
erklären die Verwendung damit, dass sie weil mit Verbletztstellung als faktische<br />
Begründung interpretieren; dagegen weil und Verbzweitstellung als<br />
Begründung für die eigene Einschät<strong>zu</strong>ng (epistemisches weil) bzw. den<br />
vollzogenen Sprechakt“ (ebd.: 144).<br />
Es gibt viele weitere Besonderheiten, die im Bereich der Syntax von<br />
gesprochener Sprache erwähnenswert wären. Hier wurden vor allem die<br />
behandelt, welche für den weiteren Verlauf der Arbeit von Belang sind.<br />
3.3 Lexikalische Eigenschaften<br />
Bemerkenswert sind im Bereich der Lexik erneut die Parallelen <strong>zu</strong>r<br />
Jugendsprache. Erklärbar ist dies damit, dass sich Jugendsprache fast<br />
ausschließlich im Bereich der Mündlichkeit bzw. der konzeptionellen<br />
Mündlichkeit abspielt. Des Weiteren wird klar, wie wichtig die sprecherorientierte<br />
Jugendsprachforschung (vgl. Kapitel 2.4) ist, da sie durch<br />
- 31 -
3 Gesprochenes Deutsch<br />
pragmatische Modelle weitaus mehr erklären kann als eine rein lexikalische<br />
Perspektive, wie sie in den 1980er Jahren gang und gebe war.<br />
So sind <strong>zu</strong>m Beispiel „in der Privatheit mündlicher Kommunikation (...)<br />
lexikalische Formen von Drastik und Expressivität eher erlaubt als in Bereichen<br />
konzeptioneller Schriftlichkeit“. Außerdem hat die gesprochene Sprache „im<br />
semantischen Bereich der Sexualität (...) einen viel größeren Wortschatz<br />
auf<strong>zu</strong>weisen als die geschriebene“ (ebd.: 149).<br />
Da Raum, Zeit, Sprecher und Adressat der Sprechsituation unmittelbar gegeben<br />
sind, werden diese mitgedacht: „Das gemeinsame Kontextwissen ermöglicht<br />
viele Weglassungen, Verkür<strong>zu</strong>ngen und Pronominalisierungen.“ (ebd.: 152).<br />
Anhand verbaler Deixis und Zeigegesten ist es möglich, Teile der Umgebung <strong>zu</strong><br />
fokussieren und somit <strong>zu</strong>m Gegenstand gemeinsamer Aufmerksamkeit <strong>zu</strong><br />
<strong>machen</strong>.<br />
Eine weitere Besonderheit der gesprochenen Sprache ist die gehäufte<br />
Verwendung von Modalpartikeln, denen die Funktion <strong>zu</strong>kommt, die Einstellung<br />
des Sprechers aus<strong>zu</strong>drücken. Ihre Häufigkeit steigt mit dem Grad der<br />
Informalität und Nähe (ebd.: 153f.).<br />
- 32 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
Funktionsverbgefüge (FVG) im Standarddeutschen und in der Kiez-Sprache<br />
haben eine interessante Gemeinsamkeit: Sie standen bzw. stehen in der<br />
Schusslinie der Sprachpflege. Im Deutschen „nannte [man sie]<br />
‚Hauptwörterkrankheit’, ‚Substantivitis’, ‚Wortmacherei’, ‚streckende<br />
Umschreibung’, ‚Aufblähung des Zeitwortes’, ‚Verbalaufschwemmung’,<br />
‚Verbzerstörung’, oder ‚Entverbalisierung’“ (von Polenz 1963: 11).<br />
Im Falle des Standarddeutschen hat sich diese Betrachtungsweise grundlegend<br />
geändert. Heute findet man die Beschreibung von FVG in jeder Grammatik und<br />
nicht einmal Bastian Sick25 würde an der Aussage Er brachte das Stück <strong>zu</strong>r<br />
Aufführung. etwas aus<strong>zu</strong>setzen haben.<br />
Mit der Kiez-Sprache verhält es sich anders. Zwar steht nicht explizit die<br />
Verwendung von FVG in der Kritik, sondern die gesamte Varietät, doch<br />
Konstruktionen vom Typ Ich mach dich Messer. 26, werden in der Öffentlichkeit<br />
gerne zitiert „weil sie als ritualisierte Drohung bestimmte Klischees über die<br />
Sprecher dieser Varietät bedien[en]“ (ebd.: 247).<br />
Im Folgenden werden FVG im Standarddeutschen (Kapitel 4.1), in Kiez-Sprache<br />
(Kapitel 4.2), in Kontaktsprachen (4.3), und in der Jugendsprache (4.4)<br />
betrachtet, um schließlich die Konstruktion Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />
in diesen Rahmen ein<strong>zu</strong>ordnen.<br />
4.1 Funktionsverbgefüge im Standarddeutschen<br />
Es ist schwierig, in der Literatur eine eindeutige Definition für FVG <strong>zu</strong> finden:<br />
„Die Schwierigkeiten der Definition liegen sicherlich nicht in einem Mangel an Kriterien<br />
begründet (...). Vielmehr scheinen mir die meisten Kriterien nur für einen sehr engen<br />
Bereich der im Allgemeinen als FVG bezeichneten Verb-Nomen-Kombinationen<br />
25 Bastian Sick, der mit der „Zwiebelfisch“-Kolumne bei der Online-Ausgabe der Zeitschrift DER<br />
SPIEGEL und Büchern wie „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ (2004) bekannt geworden ist,<br />
gilt als der Sprachpfleger der Gegenwart.<br />
26 Wiese (2006) behandelt in ihrem Aufsatz Konstruktionen der Art Ich mach dich Messer als<br />
Funktionsverbgefüge.<br />
- 33 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
<strong>zu</strong>treffend <strong>zu</strong> sein, nämlich für lexikalisierte Verbindungen. Dennoch gehen in jede<br />
Untersuchung über FVG auch nicht-lexikalisierte und produktive Verbindungen ein.“<br />
(Winhard 2005: 3)<br />
Im Allgemeinen bezeichnet man mit „Funktionsverbgefüge“ die gesamte Fügung<br />
von Verb und nominalem Teil. Mit „Funktionsverb“ ist der verbale Teil gemeint;<br />
der nominale Teil wird als Substantiv im Funktionsverbgefüge (SF) bezeichnet<br />
(Helbig 1979: 273).<br />
Die IDS-Grammatik (Zifonun et al. 1997: 702ff., 1068ff.) kategorisiert FVG als<br />
eine Untergruppe der Nominalisierungsverbgefüge, die wie folgt charakterisiert<br />
werden:<br />
„Nominalisierungsverbgefüge sind mehr oder weniger verfestigte, syntaktisch komplexe,<br />
aber semantisch einfache Prädikate, die aus einem so genannten Nominalisierungsverb<br />
und einer Akkusativ-NP oder PP mit deverbalem oder – seltener – deadjektivischen<br />
Nomen gebildet sind, so dass dieses semantisch den Prädikatskern bildet.“<br />
Als Beispiele werden genannt:<br />
(4-1)<br />
(a) Verzicht leisten<br />
(b) Hoffnung/Ahnung/Ähnlichkeit haben<br />
(c) sich einer Prüfung unterziehen<br />
(d) einen Besuch <strong>machen</strong><br />
Dabei zeigen<br />
„Funktionsverben gegenüber ihrer Vollverbverwendung eine ‚verblaßte’ Bedeutung, die<br />
einfache Bedeutungskomponenten wie ‚kausativ’, ‚passiv’ oder solche der zeitlichen<br />
Phrasierung wie ‚inchoativ’, ‚durativ’ umfasst. Die Kernbedeutung des Prädikats wird<br />
dagegen wieder durch den nominalen Bestandteil denotiert, in der Regel ein deverbales<br />
oder deadjektivisches Nomen.“<br />
- 34 -
Van Pottelberge (2007: 437) charakterisiert FVG folgendermaßen:<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
1) Das Verb der Konstruktion ist „bedeutungsarm“ oder wird in einer<br />
„verblassten“ Bedeutung benutzt. Es handelt sich meist um stereotype<br />
Allerweltsverben, was auch mit dem Adjektiv „light“ 27 <strong>zu</strong>m Ausdruck<br />
gebracht wird.<br />
2) Das Substantiv ist im Prinzip ein Verbalabstraktum oder formal mit einem<br />
Verb verwandt. Es bezeichnet ein Ereignis oder einen Zustand und ist<br />
daher „Träger der Bedeutung“. Als zentraler Bestandteil übernimmt das<br />
Substantiv teilweise die Rolle des Verbs, v. a. im Hinblick auf die<br />
Leerstellen im Satz, deren Ausfüllung von der Bedeutung des Substantivs<br />
bestimmt wird (z. B. das Gesetz kommt <strong>zu</strong>r Abstimmung, wo das<br />
Substantiv Abstimmung das Subjekt Gesetz selektiert, und nicht das Verb<br />
kommen).<br />
3) Substantiv und Verb bilden <strong>zu</strong>sammen eine enge formale und semantische<br />
Einheit oder ein einziges (mehrteiliges) Prädikat. Das Funktionsverb oder<br />
„light verb“ allein ergibt entweder einen unvollständigen Satz (z. B. er stellt<br />
es <strong>zu</strong>r Diskussion → *er stellt es) oder eine völlig andere Interpretation<br />
(vgl. z. B. er kommt <strong>zu</strong>r Ruhe mit er kommt).<br />
4) Die Verb-Substantiv-Verbindung ist mit einem bekannten Verb paraphrasierbar.<br />
Dieses Merkmal spielt eine bedeutende Rolle in der Heuristik<br />
der Funktionsverbgefüge, weil die Paraphrasierbarkeit nicht nur die<br />
(semantische) Einheit belegt, sondern das Nebeneinander von z. B. <strong>zu</strong>r<br />
Anwendung bringen und anwenden trägt auch <strong>zu</strong>r Auffassung bei, dass<br />
ein Funktionsverbgefüge einen verbalen Charakter aufweist und<br />
systematisch mit dem verwandten Verb <strong>zu</strong>sammenhängt.<br />
27 Der Begriff „light verb“ stammt aus der englischen Literatur <strong>zu</strong>m Thema und wird auf Seite<br />
38f. dieser Arbeit näher erläutert.<br />
- 35 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
Welche Funktion kann man nun dem Funktionsverb in einem FVG <strong>zu</strong>ordnen?<br />
Dass die Funktionsverben nicht vollkommen ihres Inhalts entleert, sondern nur<br />
semantisch gebleicht oder „light“ sind, zeigt Helbig (1979: 274) an folgenden<br />
Beispielen:<br />
(4-2)<br />
(a) Angst haben<br />
(b) Angst bekommen<br />
(c) in Angst versetzen<br />
Der unterschiedliche Beitrag der Verben in diesen Konstruktionen resultiert aus<br />
dem Unterschied in der Aktionsart:<br />
Angst haben bezeichnet einen Zustand, kann also als durativ bezeichnet werden.<br />
Angst bekommen beschreibt eine Zustandsveränderung, ist also inchoativ <strong>zu</strong><br />
verstehen. In Angst versetzen benötigt einen Aktanten, der dies „tut“ (Agens)<br />
und ist somit kausativ interpretierbar.<br />
Funktionsverbgefüge werden in der einschlägigen Literatur oft als lexikalisiert<br />
beschrieben. Helbig (ebd.: 275) argumentiert gegen diese Sichtweise, indem er<br />
den Funktionsverbgefügen Konstruktionen vom Typ ins Gras beißen oder ins<br />
Wort fallen entgegenstellt, welche für ihn in jedem Falle phraseologische<br />
Verbindungen darstellen, bei welchen „die einzelnen Teile semantisch leer sind<br />
[und] die Bedeutung der gesamten phraseologischen Ganzheit (...) nur<br />
insgesamt fassbar [ist].“ Das ist nach Helbig, bei den FVG nicht der Fall, da diese<br />
eine bestimmte – wenn auch allgemeine – Bedeutung behielten. Auch Eisenberg<br />
(1999: 304) ist der Auffassung, dass „FVG keine Lexikalisierungen [sind],<br />
sondern produktiven Mustern [folgen]. Ihr Aufbau ist restringiert, weicht aber<br />
nicht von grammatischen Regularitäten ab. Lexikalisierungen kommen vor,<br />
jedoch kann von einer allgemeinen Tendenz der FVG <strong>zu</strong>r Lexikalisierung nicht<br />
die Rede sein.“ Eisenberg zählt allerdings lediglich Konstruktionen vom Typ FV<br />
+ PrGR (Präpositionalgruppe) <strong>zu</strong>m Kernbereich der FVG (ebd.: 300).<br />
- 36 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
In der englischsprachigen Literatur werden Verben in vergleichbaren<br />
Konstruktionen als „light verbs“ 28 bezeichnet. Dabei werden vor allem<br />
Konstruktionen wie:<br />
(4-3)<br />
(a) have a rest/a read/a think<br />
(b) take a sneak/a drive/a walk/a plunge<br />
(c) give a sight/a shout/a shiver/a pull/a ring<br />
beschrieben, welche meist wie folgt definiert werden 29:<br />
„The intuition behind the term ‚light’ is that although these constructions respect the<br />
standard verb complement schema in English, the verbs take, give, etc. cannot be said to<br />
be predicating fully. (...) The verbs therefore seem to be more of a verbal lincenser for<br />
nouns. However, the verbs are clearly not entirely devoid of semantic predicative power<br />
either: there is a clear difference between take a bath and give a bath. The verbs thus<br />
seem to be neither at their full semantic power, nor at a completely depleted stage“ (Butt<br />
2004 : 1).<br />
4.2 Funktionsverbgefüge in Kiez-Sprache<br />
Die einzige Untersuchung <strong>zu</strong> FVG in Kiez-Sprache liegt mit Wiese (2006 b) vor.<br />
Sie untersucht Konstruktionen vom Typ Ich mach dich Messer. und vergleicht<br />
diese mit standarddeutschen FVG und solchen aus Kontaktsprachen. Wiese<br />
beschreibt Verben in Ausdrücken wie Ich mach dich Messer. als semantisch<br />
gebleicht und im Wesentlichen die Aktionsart bestimmend. Das Nomen liefert<br />
zwar die begriffliche Bedeutung, ist aber morphosyntaktisch stark reduziert<br />
(Wiese 2006 b: 265).<br />
Den wesentlichen Unterschied <strong>zu</strong> den FVG im Deutschen sieht Wiese (2006 b:<br />
267) in der jeweiligen Ableitbarkeit der Konstruktion:<br />
28 Sowohl die Bezeichnung als auch die Beispiele stammen von Jespersen (1954: 117).<br />
29 Heute wird der Begriff auch „in den auf Chomskys Vorstellungen und Prämissen aufbauenden<br />
Grammatikmodellen benutzt und verweist dort nicht immer auf das Verb einer Verb-Substantiv-<br />
Verbindung (...) sondern manchmal auf modale oder aspektuelle Hilfsverben, oder auf<br />
hochabstrakte Postulate, die je nach der Ausrichtung und dem Entwicklungsstand des Modells<br />
variieren (van Pottelberge 2007: 436).<br />
- 37 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
Im Standarddeutschen stellt die Tatsache, dass in Konstruktionen wie Er bringt<br />
das Stück <strong>zu</strong>r Aufführung. die Bedeutung mehr als die Summe der<br />
Konstituenten ist, kein Interpretationsproblem dar, da hier Lexikalisierung<br />
vorliegt. Dies sieht sie als weiteren Unterschied <strong>zu</strong>m Standarddeutschen, da in<br />
Kiez-Sprache, ähnlich wie in Kontaktsprachen, nur eine geringe Zahl von<br />
Verben <strong>zu</strong>r Bildung von FVG <strong>zu</strong>r Verfügung stehen, diese aber hinsichtlich ihrer<br />
nominalen Ergän<strong>zu</strong>ngen, im Unterschied <strong>zu</strong>m Standard, weitgehend frei sind.<br />
Die semantischen Repräsentationen in der Kiez-Sprache sind laut Wiese<br />
unterspezifiziert: „Die Gesamtbedeutung von Konstruktionen wie ‚Ich mach<br />
dich Messer’ greift zwar grundsätzlich auf die Bedeutung der Konstituenten <strong>zu</strong><br />
(im Gegensatz etwa <strong>zu</strong> Idiomen wie ‚auf die Palme bringen’ etc.), dies reicht aber<br />
für das Verständnis der Konstruktion nicht aus.“ (ebd.: 267). Wiese schließt<br />
daraus, dass die Interpretation solcher Konstruktionen durch Hin<strong>zu</strong>ziehen des<br />
sprachlichen und nicht-sprachlichen Kontextes gestützt werden muss.<br />
Wie ist eine Konstruktion wie Ich mach dich Messer. semantisch ableitbar?<br />
Wiese (ebd.: 267f.) nimmt für den Beitrag des Verbs einen semantischen<br />
Rahmen an, welcher<br />
a) die Prädikation organisiert, indem er eine Leerstelle für ein Ereignis und<br />
die Basis für seine Instantiierung bereitstellt und<br />
b) den Beitrag des Nomens integriert, indem er eine Leerstelle für eine<br />
entsprechende Entität x liefert und das Ergebnis durch ein Prädikat<br />
charakterisiert, in dem x zentral involviert ist. Auf der semantischen Ebene<br />
bleibt dieses Prädikat unspezifisch und wird lediglich hinsichtlich der<br />
Aktionsart eingeschränkt. Seine Spezifizierung und damit die entsprechende<br />
Argumentstruktur wird durch pragmatische Mechanismen<br />
gestützt.<br />
Die semantische Repräsentation von Wiese (ebd.: 268) sieht folgendermaßen<br />
aus:<br />
λx [λα λe (e INST (F(α) : ZI(x,e)]<br />
- 38 -
Diese ist wie folgt interpretierbar:<br />
• λx ist hier die Leerstelle für den Beitrag des Nomens.<br />
• F steht für das Prädikat.<br />
• α verweist auf die Argumentstruktur.<br />
• e identifiziert das Ereignis.<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
• „:“ ist ein asymmetrischer Konnektor, <strong>zu</strong> verstehen als „so, dass“. Er<br />
signalisiert die Restriktion der linken durch die rechte Konstituente.<br />
• ZI(x,e) ist <strong>zu</strong> lesen als „Die Entität x ist in dem Ereignis e zentral<br />
involviert.<br />
• INST verweist auf die Aktionsart, im Fall von <strong>machen</strong> ist diese als<br />
inchoativ oder kausativ <strong>zu</strong> bezeichen.<br />
Der semantische Beitrag von <strong>machen</strong>, so Wiese (ebd.) besteht in dieser<br />
Repräsentation darin,<br />
„die Bedeutung von Messer mit Hilfe des Prädikats ZI („ist zentral involviert in“) auf ein<br />
Ereignis ab<strong>zu</strong>bilden und dabei die Aktionsart als inchoativ oder kausativ <strong>zu</strong> markieren.<br />
„Messer <strong>machen</strong>“ ist entsprechend charakterisiert als inchoative oder kausative Aktivität,<br />
in der ein Messer zentral involviert ist. Die weitere Spezifizierung der Interpretation als<br />
„Einwirken/Angreifen mit einem Messer“ muss durch pragmatische Mechanismen unter<br />
Rückgriff auf den nominalen Bedeutungsbeitrag geleistet werden.“<br />
Als weitere Beispiele, die die verschiedenen Aktionsarten belegen sollen, welche<br />
in „x + <strong>machen</strong>“ Konstruktionen möglich sind, nennt Wiese (ebd.: 268)<br />
(4-4)<br />
(a) Ampel <strong>machen</strong> Bewegung (inchoativ)<br />
(b) U-Bahn /Fahrrad haben Verfügung (durativ)<br />
(c) neues Kino sein Subsumtion (durativ)<br />
(d) Thema sein Assoziation (durativ)<br />
In den FVG des Standarddeutschen können durch Reihenbildung verschiedene<br />
Aktionsarten dargestellt werden:<br />
- 39 -
(4-5)<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
(a) Angst haben Zustand (durativ)<br />
(b) Angst bekommen Zustandsveränderung (inchoativ)<br />
(c) in Angst versetzen Zustandsveränderung durch Agens<br />
(kausativ)<br />
Interessant ist hier die Frage, ob eine ähnliche Entwicklung in der Kiez-Sprache<br />
<strong>zu</strong> erwarten ist bzw. schon <strong>zu</strong> beobachten ist. Wenn Formen wie<br />
(4-6)<br />
(a) U-Bahn/Fahrrad haben<br />
(b) U-Bahn/Fahrrad werden<br />
(c) U-Bahn/Fahrrad <strong>machen</strong><br />
möglich sind, wäre das ein Argument dafür, dass sich diese Konstruktionen dem<br />
Standarddeutschen weiter annähern.<br />
Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich bei <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />
in der kiezsprachlichen Konstruktion Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. um<br />
ein mit Messer <strong>machen</strong> in Ich mach dich Messer. vergleichbares Phänomen<br />
handelt. Da<strong>zu</strong> werden als erster Schritt vergleichbare Konstruktionen in<br />
anderen Disziplinen vorgestellt.<br />
Der Kontext, in dem Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. geäußert wurde, ist<br />
das gemeinsame Spielen auf der Spielekonsole „Playstation“. Einer der<br />
Informanten fordert die Mitspieler mit dieser Aussage da<strong>zu</strong> auf, das Spiel<br />
„Formel 1“ <strong>zu</strong> beenden und nun „Fifa“, also Fußball, <strong>zu</strong> spielen.<br />
Da Kiez-Sprache, wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, ein kontaktsprachliches<br />
Phänomen darstellt und Einflüsse aus dem Bereich der Jugendsprache zeigt,<br />
werden im Folgenden die Phänomene Kontaktsprache und Jugendsprache auf<br />
deren Verwendung von Funktionsverbgefügen oder ähnlichen Konstruktionen<br />
untersucht.<br />
- 40 -
4.3 Funktionsverbgefüge in Kontaktsprachen<br />
Mühlhäusler (1986: 173) schreibt, dass<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
„Finally, most pidgins surveyed exhibit a considerable shortage of verbs. One way<br />
of obtaining new verbs ist the generation of verbs from nouns. A second way, and<br />
one which involves explicit signalling the category verb, is to employ a phrase of<br />
the type ‚to make + N.“<br />
Als Beispiele nennt er<br />
(4-7) Pidgin German 30 (Beispiel von Hinnenkamp 1983: 7)<br />
Foto <strong>machen</strong><br />
(4-8) Hiri Motu 31<br />
(a) laulau karaia ‚to make picture’ to take a photograph<br />
(b) durua karaia ‚to assistance make’ to help<br />
(c) hera karaia ‚to decoration make’ to adorn<br />
(4-9) Tok Pisin 32<br />
(a) mekim hos ‚to make horse’ to saddle<br />
(b) mekim krismas ‚ to make christmas’ to celebrate<br />
(c) mekim pepa ‚to make paper’ to write, sign a contract<br />
(d) mekim man ‚to make man’ to marry a man<br />
(e) mekim siga ‚to make cigar’ to smoke<br />
30 Zum umstrittenen Begriff des Pidgin German, siehe Kapitel 2.6.<br />
31 Hiri Motu ist eine auf der Motu-Sprache basierende Pidgin-Sprache, die neben Englisch und<br />
Tok Pisin eine der drei nationalen Sprachen Papua-Neuguineas ist.<br />
32 Die Kreolsprache Tok Pisin ist die am weitesten verbreitete Verkehrssprache in Papua-<br />
Neuguinea. Es handelt sich um eine Variante bzw. Weiterentwicklung des melanesischen Pidgin,<br />
<strong>zu</strong> dem auch Bislama auf Vanuatu, Pijin auf den Salomonen und Torres Creole auf den Inseln<br />
der Torres Strait (Australien) gehören.<br />
- 41 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
Diese Konstruktionen sind solchen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> aus meinem<br />
Material sehr ähnlich.<br />
Die Funktion von Funktionsverben oder „light verbs“ wie to do scheint deren<br />
Vermögen <strong>zu</strong> sein, fremdsprachliches Material in eine andere Sprache <strong>zu</strong><br />
integrieren: „Cross-linguistically, a common form of light verb is ‚to do’, and has<br />
been observed that one of the major functions of ‚do’-periphrases crosslinguistically<br />
is precisly to integrate loan verbs“ (Wichmann & Wohlgemuth<br />
2005: 1).<br />
4.4 Funktionsverbgefüge in der deutschen Jugendsprache<br />
Androutsopoulos (1998: 234f.) bezeichnet <strong>machen</strong> und kriegen in Konstruktionen<br />
wie<br />
(4-10)<br />
(a) ich mache eine Verlade<br />
(b) sie kriegt die Krise<br />
als Funktionsverbgefüge:<br />
„Das FV kriegen hat passivische inchoative Bedeutung, sein Subjekt ist Patiens<br />
der ausgedrückten Handlung. Das FV <strong>machen</strong> hat hingegen aktivische kausative<br />
Bed., sein Subjekt ist Agens bzw. Veranlasser des im Substantiv ausgedrückten<br />
Geschehens.“<br />
Außerdem besteht zwischen kriegen und <strong>machen</strong> eine reguläre Beziehung der<br />
Aktionsartendifferenzierung und die Konstruktionen zeigen Reihenhaftigkeit.<br />
Speziell für das Funktionsverb <strong>machen</strong> nimmt Androutsopoulos drei<br />
verschiedene semantische Gruppen an:<br />
1) Grundbedeutung ‚sich entfernen’, ‚davongehen’:<br />
einen Abflug /einen Abgang / die Flatter / eine Flocke / den Adler / eine<br />
Mücke <strong>machen</strong><br />
- 42 -
2) Grundbedeutung ‚Ärger, Aufruhr verursachen’:<br />
Trouble / Zoff / Ärger / Panik / Putz <strong>machen</strong><br />
3) diverse ‚elementare’ Handlungen:<br />
Worte / Party / Power <strong>machen</strong> (ebd.: 236)<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> wäre nach dieser Kategorisierung eindeutig der<br />
dritten Gruppe <strong>zu</strong>gehörig, den ‚elementaren Handlungen’. Gemeinsam ist allen<br />
Beispielen in Gruppe 3), dass sie wie Massennomen verwendet werden und<br />
ohne Artikel stehen müssen: Party <strong>machen</strong> bedeutet etwas anderes als eine<br />
Party <strong>machen</strong>. Unter diesem Aspekt ist <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> nicht<br />
reduziert, in dem Sinne, dass die Artikelform fehlt. Eine <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong> drückt vergleichbar mit eine Party <strong>machen</strong> einen anderen Sachverhalt<br />
aus. Es geht hier nicht um eine bestimmte Party oder <strong>Weltmeisterschaft</strong>,<br />
sondern um die Aktion an sich.<br />
4.5 Probleme der Klassifizierung von<br />
Funktionsverbgefügen im Standarddeutschen<br />
Wie in Kapitel 4.1 angedeutet wurde, scheint es im Standarddeutschen<br />
Probleme <strong>zu</strong> geben, alle als FVG bezeichneten Konstruktionen unter einer<br />
Definition <strong>zu</strong> erfassen.<br />
Storrer (2006) plädiert in ihrem Aufsatz dafür, Fällen wie<br />
Er tritt in Verbindung mit dem Minister.<br />
gegenüber solchen wie<br />
Er trifft eine Entscheidung.<br />
einen anderen Status <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen.<br />
Sie stellt die Thesen auf, dass a) der Status von NKN (nominale Komponente der<br />
Nominalisierungsverbkonstruktion) in SVG (Streckverbgefügen) und in FVG<br />
(Funktionsverbgefügen) verschieden ist und b) sich in beiden Gruppen (also<br />
FVG und SVG) die NKN durch systematisch beschreibbare Spezifika von den<br />
- 43 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
jeweiligen Komplementklassen (Prädikativkomplemente und Termkomplemente)<br />
unterscheiden lassen und schließlich c) beide Gruppen die Besonderheit<br />
aufweisen, dass die Argumentstruktur der gesamten Konstruktion im<br />
Wesentlichen von der Argumentstruktur des NKN determiniert ist. (ebd.: 279)<br />
Um ihre Thesen <strong>zu</strong> stützen, führt sie mit verschiedenen Beispielsätzen Tests<br />
durch, die in der Literatur <strong>zu</strong>r Bestimmung der Referenzfähigkeit angewendet<br />
werden.<br />
Die Beispiele von Storrer sind:<br />
(1) Er tritt in Verbindung mit dem Minister.<br />
(2) Er trifft eine Entscheidung.<br />
(3) Er tritt dem Minister auf den Schlips.<br />
(4) Er trifft den Nagel auf den Kopf.<br />
(5) Er tritt in die Pfütze.<br />
(6) Er trifft die Zielscheibe.<br />
Als Beispiele aus der Kiez-Sprache füge ich hin<strong>zu</strong> 33<br />
(7) Ich mach dich Messer.<br />
(8) Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />
Anhand folgender Tests wird versucht, den verschiedenen Konstruktionen einen<br />
unterschiedlichen Status <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen:<br />
Erfragbarkeit<br />
(1) *Wohin / *In was / *Wohinein tritt er? In Verbindung mit dem<br />
Minister.<br />
(2)<br />
? Was trifft er? Eine Entscheidung.<br />
(3) *Wohin / *In was / * Wohinein tritt er? Dem Minister auf den<br />
Schlips.<br />
(4) *Was trifft er? Den Nagel auf den Kopf.<br />
33 Da ich kein Sprecher von Kiez-Sprache bin, kann ich hier in Be<strong>zu</strong>g auf die Akzeptabilität der<br />
im Folgenden an kiezsprachlichen Beispielen durchgeführten Tests nur Vermutungen anstellen.<br />
M.E. sind trotzdem Tendenzen erkennbar, die in weiteren Untersuchungen untermauert werden<br />
müssten.<br />
- 44 -
(5) Wohin/ In was / ? Wohinein tritt er? In die Pfütze.<br />
(6) Was trifft er? Die Zielscheibe.<br />
(7) *Was mach ich dich? Messer.<br />
(8) Lassma was <strong>machen</strong>? <strong>Weltmeisterschaft</strong>.<br />
Erset<strong>zu</strong>ng durch charakteristische Proform<br />
(1) *Er tritt in sie / dorthinein.<br />
(2)<br />
? Er trifft sie.<br />
(3) *Er tritt dem Minister auf ihn / dorthinein.<br />
(4) *Er trifft ihn.<br />
(5) Er tritt in sie / dorthinein.<br />
(6) Er trifft sie.<br />
(7) *Ich mach dich das.<br />
(8) *Lassma die <strong>machen</strong>. 34<br />
Freie Wahl des Artikels<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
(1) Er tritt *in die Verbindung / *in Verbindungen / ? in eine enge<br />
Verbindung mit dem Minister.<br />
(2) Er trifft eine Entscheidung / verschiedene Entscheidungen / die<br />
Entscheidung, X <strong>zu</strong> tun.<br />
(3) Er tritt dem Minister auf den Schlips / *auf die Schlipse / * auf<br />
einen Schlips.<br />
(4) Er trifft den Nagel auf den Kopf / *die Nägel auf die Köpfe / *einen<br />
Nagel auf den Kopf.<br />
(5) Er tritt in die Pfütze / die Pfützen / eine Pfütze.<br />
(6) Er trifft die Zielscheiben / die Zielscheibe / eine Zielscheibe.<br />
(7) Ich mach dich Messer / *Ich mach dich die Messer / *Ich mach<br />
dich ein Messer.<br />
34 Dass diese Konstruktion ungewohnt klingt, könnte daran liegen, dass <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
artikellos verwendet wird. Auch die jugendsprachliche Variante (nicht-kiezsprachlich) Party<br />
<strong>machen</strong> ist nicht durch die <strong>machen</strong> paraphrasierbar.<br />
- 45 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
(8) Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> / Lassma so <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong>/ ? Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong>en <strong>machen</strong>.<br />
Verneinung mit dem quantifizierenden Determinativ kein<br />
(1)<br />
? Er tritt in keine Verbindung mit dem Minister.<br />
(2) Er trifft keine Entscheidung.<br />
(3) *Er tritt dem Minister auf keinen Schlips.<br />
(4) *Er trifft keinen Nagel auf den Kopf.<br />
(5) Er tritt in keine Pfütze.<br />
(6) Er trifft keine Zielscheibe.<br />
(7) *Ich mach dich kein Messer.<br />
(8) Lassma keine <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />
Modifizierbarkeit durch ein Adjektivattribut<br />
(1)<br />
? Er tritt in eine enge Verbindung mit dem Minister.<br />
(2) Er trifft eine klare Entscheidung.<br />
(3) *Er tritt dem Minister auf den roten Schlips.<br />
(4) *Er trifft den rostigen Nagel auf den Kopf.<br />
(5) Er tritt in die schmutzige Pfütze.<br />
(6) Er trifft die hintere Zielscheibe.<br />
(7) Ich mach dich *scharfes/*rotes Messer.<br />
(8) Lassma übertrieben / fett 35 <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />
Nach Storrer (ebd. 282) verhalten sich die FVG-NKN in (2) „eher wie die<br />
Bestandteile von Phraseolexemen in (3) und (4), während das Verhalten der<br />
35 diese Adjektive wurden gewählt, da die Frequenz und die Positionen, in welchen sie im dieser<br />
Arbeit <strong>zu</strong>grunde liegenden Material auftauchen, ihr Erscheinen an dieser Stelle wahrscheinlich<br />
macht.<br />
- 46 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
SVG-NKN in (2) dem der Komplemente in (5) und (6) ähnelt.“ 36 Sie schließt<br />
daraus, dass<br />
„die SVG-NKN explizit der Komplementklasse <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen [seien], <strong>zu</strong> der die<br />
entsprechende freie Konstruktion gehört. Vielmehr werden sie meist <strong>zu</strong>sammen mit den<br />
FVG-NKN den Prädikativen <strong>zu</strong>gerechnet, wobei das verschiedene Verhalten bezüglich der<br />
morphosyntaktischen Restriktionen auf unterschiedliche Grade von Lexikalisierung bzw.<br />
Idiomatisierung <strong>zu</strong>rückgeführt wird. Dies verdeckt jedoch die Tatsache, dass die FVG-<br />
NKN unabhängig vom Grad ihrer Idiomatisierung typischen morphosyntaktischen<br />
Restriktionen unterliegen, während dies bei SVG-NKN nicht der Fall ist“ (ebd.: 292).<br />
Auch von Polenz (1987: 70) schlug vor, nur diejenigen Verb-Substantiv-<br />
Verbindungen, in denen das Verb „eine systematisch beschreibbare<br />
Eigenbedeutung“ hat, also eine Aktionsart oder ein kausatives oder passivisches<br />
Verhältnis ausdrückt, als FVG <strong>zu</strong> beschreiben. Alle anderen Verbindungen einer<br />
Nominalisierung mit einem gebleichten Verb hingegen als „Nominalisierungsverbgefüge“<br />
und deren Verben als „Nominalisierungsverben“.<br />
Um den Unterschied zwischen Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. und Ich<br />
mach dich Messer. <strong>zu</strong> erfassen, halte ich diese Untersuchung für sinnvoll.<br />
Danach ist Ich mach dich Messer. als relativ typisches FVG des Deutschen<br />
erfassbar. Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. verhält sich anders und ist dieser<br />
Sichtweise folgend eher den SVG-NKN <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen. In Kapitel 4.6 wird<br />
versucht, die Gründe hierfür näher <strong>zu</strong> erläutern.<br />
4.6 Weitere Versuche der Klassifizierung von x <strong>machen</strong>-<br />
Konstruktionen<br />
Ein weiterer Einordnungsversuch von Konstruktionen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong> wäre die Kategorisierung von <strong>machen</strong> als serielles Verb. Dagegen<br />
spricht, dass serielle Verben immer mit einem anderen Verb, statt wie im Falle<br />
von FVG mit einem Nomen, auftauchen: „As their name implies, they consist of<br />
a series of two (or more) verbs; they both have the same subject and are not<br />
36 Storrer ist sich bewusst, dass Ergebnisse von Proben, welche an kontextfreien Sätzen<br />
durchgeführt werden, nicht überbewertet werden sollten. Deshalb untermauert sie im weiteren<br />
Verlauf der Arbeit ihre Argumentation anhand einer korpusgestützen Fallstudie.<br />
- 47 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
joined by a conjunction (‚and’) or a complementizer (‚to’) as they would be in<br />
European languages“ (Holm 2000: 205).<br />
Wiese (2006: 264) betrachtet Fälle aus dem Niederländischen, wie:<br />
(4-11) Foturaf kijken yapiyorlar<br />
Foto gucken <strong>machen</strong>. PRÄS.3PL<br />
Die Parallelen <strong>zu</strong> FVG liegen für sie darin begründet, dass der Kopf der<br />
Konstruktion (in diesem Fall das native Verb kijken) voll flektiert wird, aber auf<br />
semantischer Ebene gebleicht ist. Die Ergän<strong>zu</strong>ng (hier yapiyorlar als nichtnatives<br />
Verb) liefert einen wesentlichen semantischen Beitrag, wird aber<br />
morphosyntaktisch als „black box“ behandelt. Zusammenfassend meint Wiese<br />
(ebd.: 264), dass „wie auch in den anderen Fällen (...) die Integration hier somit<br />
über eine analytische Bildung [läuft], in der das (native) Verb die Prädikation<br />
besorgt, während das Nomen bzw. das nicht-native Verb die lexikalische<br />
Bedeutung liefert.“ Unterstützt wird diese Auffasung auch durch Jäger (2006:<br />
72), für den periphrastische Konstruktionen37, serielle Verben und FVG ein<br />
Kontinuum bilden: „In all three predicate constructions there is at least one item<br />
that is conceptually schematic and one that requires syntactic arguments.“<br />
Als weiteres Beispiel nennt Wiese (2006 b.) Belege aus dem Gastarbeiterdeutsch<br />
, wie z. B.:<br />
(4-12) Telefon <strong>machen</strong>.<br />
Weitere Beispiele aus meinem Material sind<br />
(4-13)<br />
(a) wollen wir danach turnier <strong>machen</strong>?<br />
(b) dann macht neuversuch jetzt<br />
(c) S2: weißt du was ich trainieren werde?<br />
nur rücken brust bauch <strong>machen</strong> und arme im urlaub<br />
37 damit bezeichnet er „do-constructions“.<br />
- 48 -
S1: ohne beine<br />
S2: beine isch mach nie (.) wallah<br />
S3: er muss nicht arme <strong>machen</strong> und beine<br />
4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
Gemeinsam haben Konstruktionen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> aus der Kiez-<br />
Sprache und solche wie Angst <strong>machen</strong> im Standarddeutschen oder Messer<br />
<strong>machen</strong> in der Kiez-Sprache folgende Charakteristika:<br />
1) <strong>machen</strong> hat gegenüber seiner Verwendung als Vollverb eine verblasste<br />
Bedeutung.<br />
2) die Kernbedeutung des Prädikats wird durch den nominalen<br />
Bestandteil (Angst und <strong>Weltmeisterschaft</strong>) denotiert.<br />
3) zwischen dem Funktionsverb und dem nominalen Bestandteil liegt eine<br />
Arbeitsteilung vor.<br />
4) die Verben stammen aus einer hochfrequenten Klasse.<br />
Der größte Unterschied scheint darin <strong>zu</strong> liegen, dass <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />
(1) leichter interpretierbar ist als Konstruktionen vom Typ Messer <strong>machen</strong> oder<br />
Angst <strong>machen</strong> (2).<br />
Dies könnte in erster Linie darin begründet sein, dass <strong>machen</strong> in (1) in der<br />
prototypischen Semantik des Standarddeutschen verwendet wird, wo es in<br />
Zusammenhang mit Ereignissen erscheint: Den Grundkurs Linguistik mache<br />
ich nächstes Jahr. oder die bereits erwähnte jugendsprachliche Verwendung<br />
Am Wochenende <strong>machen</strong> wir Party. kommen im Standarddeutschen in<br />
unmarkierter Verwendung vor. Wird <strong>machen</strong> hingegen mit einem Objekt<br />
(Messer) oder mentalen Zustand (Angst) verwendet, widerspricht dies der<br />
prototypischen Semantik von <strong>machen</strong>, und andere Interpretationsmechanismen,<br />
wie z. B. das Hin<strong>zu</strong>ziehen des pragmatischen Hintergrunds,<br />
setzen ein.<br />
- 49 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
Dies erklärt auch die in Kapitel 4.4 gezeigten Ergebnisse der Grammatikalitätstests:<br />
Ich mach dich *scharfes/*rotes Messer.<br />
ist nicht akzeptabel, weil hier keine Aktion im prototypischen Sinne von <strong>machen</strong><br />
vollzogen wird. Wäre dies gemeint, müsste die Aussage verstanden werden als<br />
Ich mache dich <strong>zu</strong> einem scharfen/roten Messer. Wie Wiese (2006 b) gezeigt<br />
hat, ist diese Interpretation aber falsch.<br />
Lassma übertrieben / fett <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />
ist hingegen problemlos durch ein Adjektiv modifizierbar, da <strong>machen</strong> hier in<br />
prototypischer Verwendung <strong>zu</strong>r Beschreibung eines Ereignisses gebraucht wird<br />
und die Art und Weise dieser Aktion durch das Adjektiv näher beschrieben wird.<br />
4.8 Exkurs<br />
Interessant ist die Parallele zwischen der Verwendung bestimmter Verbkonstruktionen<br />
im kindlichen Spracherwerb und in Kontaktsprachen bzw. Kiez-<br />
Sprache:<br />
Goldberg et al. (2004) gehen der Frage nach, warum sowohl in der kindlichen<br />
Sprache als auch in der Sprache der Mutter mit dem Kind („Babytalk“)<br />
bestimmte Verben wie go, put und give mit einer erhöhten Frequenz<br />
auftauchen.<br />
Als einen Faktor geben sie an, dass diese Verben <strong>zu</strong> einer Klasse hochfrequenter<br />
Verben in den meisten Sprachen gehören. 38 Des Weiteren schreiben sie, dass<br />
„each of the main uses of these verbs designates a basic pattern of experience,<br />
for example, someone causing someone to receive something (give), someone<br />
causing something to move (put), or someone acting on something (do)“ (ebd.:<br />
298).<br />
Begründet werden kann dies damit, dass „the generality of the meaning of these<br />
verbs and their highly frequent and early appearance in children’s speech<br />
38 Ninio (1999) nennt diese Verben „pathbreaking verbs“ und schreibt, dass diese aus der Klasse<br />
der „light verbs“ und „verbs of general-purposes“ stammen.<br />
- 50 -
4 Funktionsverbgefüge<br />
suggests that they may aid children in generalizing patterns from the input“<br />
(ebd.: 299). Auch Clark (1996) vermutet, das bestimmte, früh erworbene Verben<br />
als „templates“ für den weiteren Erwerb als semantische Basis dienen.<br />
An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, inwieweit die Entstehung von<br />
Kontaktsprachen und der Erstspracherwerb als universelle Mechanismen<br />
<strong>zu</strong>sammenhängen. Da vermutet wird, dass das Gastarbeiterdeutsch als<br />
Ethnolekt einen der verschiedenen Inputs für Kiez-Sprache darstellt und es viele<br />
Gemeinsamkeiten zwischen Erst- und Zweitspracherwerb gibt, 39 wäre die Frage<br />
interessant, inwieweit diese Phänomene <strong>zu</strong>sammenhängen.<br />
Die Funktionen, die den Verben als „templates“ <strong>zu</strong>geschrieben werden, erinnern<br />
sehr an die der Funktionsverben oder der seriellen Verben.<br />
Die Annahme, dass<br />
„(...) the input is structured in such a way as to make the generalization from verb islands<br />
to argument structure constructions straightforward. One particular verb accounts for the<br />
lion’s share of tokens of each argument frame considered in an extensive corpus study<br />
(...). The dominance of a single verb in the construction facilitates the association of the<br />
meaning of the verb in the construction with the construction itself, allowing learners to<br />
get a ‚fix’ on the construction’s meaning.“ (Goldberg et al. 2004: 307f.)<br />
wird durch folgende Vorkommen von gewinnen in dem hier <strong>zu</strong>grunde liegenden<br />
Korpus bestätigt:<br />
(4-13)<br />
(a) S1: ja (.) isch hab gewonnen<br />
(b) S3: drei sekunden oder so<br />
(c) S1: ja wallah (.) isch hab dich gewonnen<br />
isch hab ihn gewonnen<br />
hab isch disch gewonnen?<br />
nein (.) isch hab noch nicht gewonnen<br />
39 Diese Sichtweise ist umstritten. Befürworter der L1=L2-Hypothese ist <strong>zu</strong>m Beispiel Ervin-<br />
Tripp (1974), welche schreibt: „We found that the function of early sentences, and their form,<br />
their semantic redundancy, their reliance on ease of short-term memory, their<br />
overgeneralization of lexical forms, their use of simple order strategies were similar to processes<br />
we have seen in first language acquisition. In broad outlines, then, the conclusion is tenable that<br />
first and second language learning is similiar in natural situations.“ (aus Ellis 1994: 108)<br />
- 51 -
(d) S2: jetzt muss ich ihn gewinnen<br />
dann hab ich alle gewonnen<br />
4 Funktionsverbgefüge<br />
Die Argumentstruktur von gewinnen ist in (4-13 a) konform mit den Regeln des<br />
Standarddeutschen. Daneben existieren Konstruktionen wie in (4-13 c), welche<br />
die Argumentstruktur von gewinnen nach standarddeutschem Regelwerk<br />
verletzen. Gewinnen wird hier abweichend realisiert: <strong>zu</strong>m Agens der Situation<br />
(ich) tritt das Patiens (dich). Das alternative Verb, welches Agens und Patiens<br />
umfasst, ist besiegen: Ich habe dich besiegt. oder alternativ <strong>zu</strong> (4-13 d) jetzt<br />
muss ich ihn besiegen. Zieht man nun die Argumentation von Goldberg et al.<br />
hin<strong>zu</strong>, wäre die Verwendung von gewinnen statt besiegen damit <strong>zu</strong> erklären,<br />
dass gewinnen 1) frequenter in der Verwendung ist und 2) die Bedeutung einer<br />
Konstellation „X besiegt Y“ mit Hilfe eines semantischen „templates“, in diesem<br />
Falle gewinnen, erfasst wird.<br />
Interessant wäre es in diesem Zusammenhang ebenfalls, die Reihenbildung der<br />
BILD-Zeitung mit Konstruktionen wie „Wir sind Papst“, „Wir sind Weltmeister“<br />
oder „Wir sind Knut“ <strong>zu</strong> untersuchen. Diese sind hochgradig usuell und haben<br />
doch gewisse Gemeinsamkeiten mit den in Kontaktsprachen auftretenden X<br />
<strong>machen</strong>-Konstruktionen: Sie bilden einen semantischen Rahmen, der eine X-<br />
Stelle bereitstellt, welche mit bestimmten Nomen gefüllt werden kann. „Wir<br />
sind Papst“ ist unter standarddeutschem Regelwerk eindeutig als falsch <strong>zu</strong><br />
bezeichnen, kann jedoch unter Berücksichtigung von pragmatischen Regeln und<br />
dem Kontext interpretiert werden.<br />
- 52 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Ein anderer Prozess in Kiez-Sprache ist laut Wiese (2006 a: 12) die Entwicklung<br />
neuer Partikeln. 40 Als Beispiele nennt sie lassma (wie in Lassma<br />
<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.) und musstu, welche für sie <strong>zu</strong>m selben Subsystem<br />
gehören:<br />
„Both stand in sentence-initial position and are combined with infinitive constructions.<br />
Their pragmatic function is to introduce directives41 : musstu is speaker exclusive and<br />
indicates a suggestion to the hearer (‘you should do p’/’You have to do p in order to<br />
achieve your goal.’), while lassma is speaker-inclusive and introduces a proposal for an<br />
action performed by speaker and hearer(s) (‘Let us do p.’)“ (ebd.).<br />
Diese direktiven Partikeln, denen stets eine Verbkonstruktion im Infinitiv folgt,<br />
zeichnen sich durch Zweisilbigkeit und ihre satzinitiale Position aus (ebd.: 17).<br />
5.1 Die Partikel musstu<br />
Bei musstu verschmilzt das flektierte Verb musst mit dem Subjekt du. Eine<br />
weitere Besonderheit ist die Verb-Erst-Stellung: musstu statt du musst.<br />
Beispiele aus der Kiez-Sprache sind:<br />
(5-1)<br />
(a) Musstu Doppelstunde fahren.<br />
40 Der Status von lassma und musstu als Partikeln ist durchaus streitbar. Peter Auer (2003: 16f.)<br />
schreibt <strong>zu</strong>r Entwicklung von Diskurspartikeln: „Sprachliche Zeichen (Wörter, Phrasen) aus<br />
zentralen grammatischen Kategorien (...) entwickeln sich in Richtung auf eine weniger zentrale<br />
grammatische Kategorie (nämlich der Randkategorie der Diskursmarker). Dabei kommt es <strong>zu</strong><br />
einer grammatischen Umkategorisierung. In diesem Prozess verlieren die ursprünglichen<br />
Konstruktionen an externer und (soweit vorhanden) interner Syntax. Die interne Syntax geht<br />
verloren, weil komplexe Konstruktionen einer Univerbierung unterliegen, nicht mehr variabel<br />
sind und nicht mehr in ihre Konstituenten zerlegbar sind (...). Die externe Syntax wird in allen<br />
Fällen reduziert, weil das Wort bzw. die univerbierte Konstruktion in eine periphere<br />
syntaktische Position rückt und dabei seine bzw. ihre Fähigkeiten abnimmt, andere<br />
Strukturelemente <strong>zu</strong> regieren oder sonst wie formal <strong>zu</strong> beeinflussen. (...) In allen Fällen wird<br />
<strong>zu</strong>sammen mit der formalen Umkategorisierung die ursprüngliche Semantik der Wörter oder<br />
Konstruktionen ausgebleicht.“ Da Ähnliches über musstu und lassma <strong>zu</strong> sagen ist, kann man m.<br />
E. <strong>zu</strong>mindest von der Entwicklung von lassma und musstu <strong>zu</strong> Partikeln in der Kiez-Sprache<br />
sprechen.<br />
41 Die Bezeichnung des direktiven Sprechakts entspringt der Klassifizierung von Searle (1975).<br />
Dieser unterscheidet fünf verschiedene Klassen von Sprechakten: Repräsentative, Direktive,<br />
Kommissive, Expressive und Deklarationen, wobei die direktiven Sprechakte als Versuch einer<br />
Person S, eine Handlung einer Person A hervor<strong>zu</strong>rufen definiert werden. Typische Verben sind<br />
fragen, befehlen, vorschlagen, nahe legen.<br />
- 53 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
(b) Musstu Lampe rein<strong>machen</strong>. (Wiese 2006 a)<br />
Nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist es, dass Konstruktionen dieser Art auch<br />
in der standarddeutschen Umgangssprache vorkommen. In der linguistischen<br />
Diskussion sind sie unter den Schlagwörtern „Null-Topik“ oder „Vorfeldellipse“<br />
bekannt geworden. 42 Die Erststellung des Verbs in Deklarativsätzen (V1-DS) ist<br />
im geschriebenen und gesprochenen Standarddeutsch keine Seltenheit.<br />
5.2 V1-Deklarativsätze im Standarddeutsch<br />
Im Standarddeutschen gibt es fünf Funktionstypen von V1-Deklarativsätzen<br />
(vgl. Simon 1998: 138):<br />
(1) Den Typ des narrativ verwendeten V1-DS. Dieser Typ tritt häufig<br />
textinitial in Witzen auf:<br />
Ich wurd dann hier als Peppone bezeichnet. Kommt ein Kumpel, das<br />
Kirchenblatt hat er mir gebracht: (...) Hab ich dem Redakteur gesagt:<br />
(...). Hat der Kerl das in die Zeitung reingehaun.<br />
(2) Der zweite Typ dient eher da<strong>zu</strong>, einen Gedankengang ab<strong>zu</strong>schließen. Vor<br />
allem die Verben bleiben, hin<strong>zu</strong>kommen und folgen treten hier auf<br />
Die Bundesrepublik wird nach ihrer Unterschrift unter den <strong>zu</strong><br />
erwartenden Atomsperrvertrag mit leeren Händen dastehen. Bleibt die<br />
Hoffnung auf eine Entspannung mit nachfolgender Wiedervereinigung.<br />
(3) Der dritte Typ ist charakterisiert durch ein indikativisches Modalverb<br />
(sollen oder mögen) und ein Subjekt in der dritten Person. Ebenfalls tritt<br />
hier häufig die Abtönungspartikel doch auf. Laut Önnerfors (1997: 152ff.)<br />
liegt die Funktion solcher Sätze im Bereich der deontischen Modalität.<br />
Damit sind abstrakte Konzepte der Notwendigkeit und der Möglichkeit<br />
gemeint.<br />
Die nächsten Jahre gammle ich. Mein Vater rechnet damit. ‚Soll sich<br />
der Junge doch austoben’, sagt er, ‚soll er sich doch die Hörner<br />
abstoßen.’<br />
42 Vgl. hier<strong>zu</strong> Fries 1988.<br />
- 54 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
(4) Der vierte Typ ist ausschließlich in der Schriftsprache <strong>zu</strong> finden. Er<br />
zeichnet sich durch die absolute Nichtweglassbarkeit der<br />
Abtönungspartikel doch aus und wird für inhaltliche Begründungen<br />
verwendet.<br />
Die Kunde überrascht an diesem Orte nicht wenig, ist doch Hannovers<br />
Oper unter allen größeren Häusern Deutschland seit mehreren Jahren<br />
die, die den konservativsten Spielplan hat (...).<br />
(5) Den fünften Funktionstyp stellt der exklamativ verwendete V1-DS dar.<br />
Bin ich froh, wenn ich die Uni nimmer seh, du!<br />
5.3 V1-Deklarativsätze im gesprochenen Standarddeutsch<br />
Auch Auer (1993: 203) betont, dass die Typen von Verbspitzenstellung allesamt<br />
so häufig sind, „daß sie als überregionale Eigenschaften der Syntax der<br />
gesprochenen Sprache bezeichnet werden müssen.“<br />
Neben den Fällen, in welchen die Verbspitzenstellung im geschriebenen wie<br />
auch teilweise im gesprochenen Deutsch erlaubt sind, wie <strong>zu</strong>m Beispiel in Frageoder<br />
Befehlssätzen, beschreibt er folgende Verwendungsweisen, die vor allem im<br />
gesprochenen Deutsch vorkommen:<br />
Grundsätzlich unterscheidet er diese in „eigentliche“ und „uneigentliche<br />
Verbspitzenstellung“. Zunächst <strong>zu</strong>r eigentlichen Verbspitzenstellung:<br />
Am Beispiel<br />
(5-2) Und is gut daß der Mami was hingeschriebm hast/ da fréut sie sich<br />
séhr daß du kurz heimgekommen bist.<br />
zeigt Auer (ebd.: 196), dass sich das gesprochene vom geschriebenen Deutsch<br />
dahingehend unterscheidet, „daß es auf die semanto-pragmatisch weitgehend<br />
überflüssige<br />
verzichtet.“<br />
Vorfeldbeset<strong>zu</strong>ng mit einem Platzhalterelement (‚dummy’)<br />
Die uneigentliche Verbspitzenstellung ist dadurch charakterisiert, dass das Verb<br />
deshalb am Anfang steht, weil dem Satz eine seiner obligatorischen<br />
Ergän<strong>zu</strong>ngen fehlt, welche sonst die Vorfeldposition ausgefüllt hätte. Diese<br />
- 55 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Form der Verbspitzenstellung stellt die häufigste Verwendung dar. Ein Beispiel<br />
ist:<br />
(5-3) Bin ich froh, wenn ich die Uni nimmer seh du – also ehrlich – bin<br />
bestimmt nimmer <strong>zu</strong>m Vergnüge hier. –<br />
Hier fehlt das deiktische Pronomen ich im Vorfeld.<br />
Ebenfalls häufig ist die Verbspitzenstellung bei Personalpronomen der zweiten<br />
Person Singular:<br />
(5-4)<br />
(a) H: Ne ich muß dann auch noch sicherlich weiß=a; kriechs immer<br />
so;=mußte so ein zwei Sitzbäder am Tag <strong>machen</strong>;=n e<br />
(b) M: ja,<br />
(c) H: muß also mit: - soso Kamillenbäder ne,<br />
Anhand dieser Sequenz zeigt Auer (ebd.: 199), wie die Alternation zwischen<br />
muß(t) und mußte weitere Gründe für das Fehlen des Pronomens der 2. Person<br />
erklären kann: „Es wird durch eine phonologische Klitisierungsregel (du > e/t +<br />
__, sodann e>∅) reduziert. Syntaktisch lässt sich in diesen Fällen also nicht<br />
zwischen uneigentlicher und eigentlicher Verbspitzenstellung unterscheiden.“<br />
Um eigentliche Verbspitzenstellung handelt es sich in dem Falle, in welchem das<br />
fehlende Satzglied satzphonologisch erklärt wird. Wenn man das fehlende<br />
Satzglied syntaktisch erklärt, handelt es sich um uneigentliche<br />
Verbspitzenstellung.<br />
Zurück<strong>zu</strong>führen ist die Tendenz <strong>zu</strong>r Verbspitzenstellung im gesprochenen<br />
Deutsch laut Auer (ebd.: 203) auf zwei strukturelle Unterschiede zwischen<br />
gesprochenem und geschriebenem Deutsch:<br />
1) Die gesprochene Sprache hat die Tendenz, Syntagmen mit extrem hoher<br />
Kohäsion <strong>zu</strong>m Vortext oder <strong>zu</strong>m Kontext der Sprechsituation direkt mit<br />
dem Finitum ein<strong>zu</strong>leiten. Diese Tendenz ist für die uneigentliche<br />
Verbspitzenstellung verantwortlich.<br />
- 56 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
2) Die gesprochene Sprache zeigt die Tendenz, auf die expletive<br />
Vorfeldbeset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> verzichten. Diese Tendenz erklärt die eigentliche<br />
Verbspitzenstellung.<br />
5.4 V1-Deklarativsätze in deutschen Dialekten<br />
Die Form in 5-4 a hat mit den Beispielen aus der Kiez-Sprache die größte<br />
Ähnlichkeit. Dieser Typ von V1-Deklarativsätzen, welcher auch in verschiedenen<br />
Dialekten vorkommt, wie<br />
(5-5) Miassns fei net traurig sei. / Kinnans fei no sitznbleim.<br />
im Bayrischen, oder<br />
(Simon 1998)<br />
(5-6) Musstu halt noch mal hingehen. (Wiese 2006 a)<br />
im gesprochenen Standarddeutsch.<br />
Anschließend an Kapitel 3.2 ist Simon (1998: 140) der Auffassung, dass eine<br />
Interpretation dieser Konstruktionen als Ellipse schwierig ist, da „es kein<br />
Satzglied [gibt], von dem man gesichert sagen kann, dass es fehlt.“ Weiter zitiert<br />
er hier Önnerfors (1997), welcher anhand der Antworten<br />
(5-7)<br />
(a) Da/Es stand plötzlich ein Mann vor der Tür. vs.<br />
(b) Stand plötzlich ein Mann vor der Tür.<br />
auf die Frage Was war los? aufzeigt, dass es, wenn auch geringfügige, aber doch<br />
nachweisbare distributionelle und semantische Unterschiede zwischen V1-DS<br />
und Verb-Zweit-Sätzen mit initialem da oder es gibt.<br />
Charakteristisch sind für Simon (1998) für V1-DS im Bayrischen folgende<br />
Punkte:<br />
a) Das Subjekt ist als pronominales Klitikum am Verb realisiert.<br />
b) Das Subjekt ist ein Adressatenpronomen.<br />
c) Das Verb ist ein Modalverb.<br />
d) Der Satz wird für direktive Sprechakte benutzt.<br />
- 57 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
e) Die Funktion des direktiven Sprechaktes kann als beruhigend bezeichnet<br />
werden. (Wiese 2006 a)<br />
Für Wiese (ebd.) treffen die ersten vier Eigenschaften auch auf die<br />
kiezsprachliche Verwendung von musstu <strong>zu</strong>. Der letzte Punkt, also die Funktion,<br />
den Sprechaktes als „beruhigend“ <strong>zu</strong> kennzeichnen, ist für sie hingegen nicht<br />
gegeben. Daraus schließt sie, dass „The development of a particle in Kiez-<br />
Sprache is based on the reinterpretation and generalization of a pattern found in<br />
spoken standard German.“ (ebd.)<br />
5.5 Die Beantwortbarkeit von Fragen anhand von V1-<br />
Deklarativsätzen<br />
Grundsätzlich sind Konstruktionen von V1-DS im Kiezdeutsch <strong>zu</strong>r<br />
Beantwortung von Fragen geeignet:<br />
(5-8) Mach mit dein Fuß. Musstu so <strong>machen</strong>. (Wiese 2006 a: 12)<br />
Diese Sequenz ist als Antwort auf die Frage Wie muss ich das <strong>machen</strong>?<br />
durchaus vorstellbar.<br />
Betrachtet man folgende Beispiele von Reis (1995: 69), in welchen auf eine<br />
Frage nur ein V2-Deklarativsatz möglich ist<br />
(5-9)<br />
A: Was war auf dem Bild <strong>zu</strong> sehen?<br />
B: Ein Mann steht an der Tür./*Steht da ein Mann an der Tür. ,<br />
scheint sich Kiezdeutsch hier abweichend <strong>zu</strong> verhalten.<br />
Auer (1993: 211) ist allerdings der Auffassung, dass V1-Deklarativsätze unter<br />
bestimmten Umständen als Antworten erscheinen können:<br />
„Wichtig ist, daß mit ‚Antworten’ hier konversationelle, nicht syntaktische Objekte<br />
gemeint sind; es müssen also keineswegs die üblichen syntaktischen (oder auch<br />
prosodischen) Merkmale von ja/nein-Fragen im Vorgängertum liegen. Gefordert ist<br />
vielmehr lediglich, das das konversationelle Objekt, auf das geantwortet wird, sequentiell<br />
implikativ ist (...).<br />
- 58 -
Auch Önnerfors (1997: 201) meint, dass<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
„die Verwendung von V1-DS in Antwortkontexten nicht unmöglich [ist], besonders dann<br />
nicht, wenn ihr Auftreten durch eine nachfolgende narrative Sequenz so<strong>zu</strong>sagen<br />
abgestützt wird, wobei gewissermaßen der gesamte narrative Kontext die Frage auf die<br />
Antwort liefert.“<br />
Ein Beispiel dafür ist:<br />
(5-20)<br />
A: Was ist passiert?<br />
B1: ?? Hat ein Mann angerufen, sonst nix.<br />
B2: Hat ein Mann angerufen, mit dem ich vorher noch nie geredet habe.<br />
Hab ich ihn gefragt, was er denn will. Wechselt der auf einmal<br />
plötzlich das Thema, sagt er:... (ebd.: 199)<br />
Offensichtlich ist die Beantwortung von Fragen im Standarddeutschen durch<br />
V1-Deklarativsätze möglich, dies unterliegt aber im Vergleich <strong>zu</strong>r Kiez-Sprache<br />
starken Restriktionen. Diese Tatsache spricht erneut dafür, dass sich Kiez-<br />
Sprache standardsprachlicher Muster bedient, diese aber generalisiert und<br />
modifiziert.<br />
5.6 Musstu als Marker des tertiären Ethnolekts<br />
Dass sich Sprecher hinsichtlich der Verwendung bestimmter Merkmale<br />
unterscheiden können, zeigen folgende Beispiele aus dem hier untersuchten<br />
Material:<br />
(5-11)<br />
(a) S3: habibi du musst doch gradaus<br />
(b) S2: du opfer (.) du musst warten<br />
(c) S2: aber du darfst nicht so viel wackeln<br />
du musst immer versuchen gradeaus<br />
(d) S2: du bist erster<br />
aber trotzdem<br />
du musst drücken<br />
- 59 -
ja jetzt in die kurve wieder<br />
alles reindrücken ALLES<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Im hier untersuchten Korpus benutzen die Sprecher durchgängig die<br />
standardsprachliche Variante du musst. Die Form musstu X hingegen kommt in<br />
dem hier untersuchten Korpus überhaupt nicht vor. Ob es sich hier um<br />
verschiedene Stile oder um einen anderen pragmatischen Kontext handelt, kann<br />
an dieser Stelle nicht beantwortet werden.<br />
Weiter fällt auf, dass die Form musstu im Gegensatz <strong>zu</strong> lassma (siehe nächstes<br />
Kapitel) viel häufiger im Sinne des tertiären Ethnolekts verwendet wird, wie<br />
folgende Beispiele aus dem Internet belegen:<br />
Beispiel 1)<br />
Quelle: http://www.nuforum.eu/nuforum/ftopic10221.html (Stand 3. 10.2007)<br />
Hier treten neben mussdu auch Parallelformen wie klicksdu, und siehsdu auf.<br />
Diese gehäufte Verwendung ethnolektaler Merkmale ist typisch für den<br />
sekundären und tertiären (welcher sich auf den sekundären bezieht) Ethnolekt:<br />
„Nimmt man etwa den sekundären Ethnolekt (...) und vergleicht ihn mit dem<br />
primären Ethnolekt, so zeigt sich, dass die meisten seiner Merkmale auch im<br />
sekundären Ethnolekt vorkommen. Der Unterschied liegt <strong>zu</strong>m einen in der<br />
gehäuften und ausnahmslosen Verwendung dieser Merkmale im sekundären<br />
Ethnolekt und <strong>zu</strong>m anderen in der Verwendung weiterer Merkmale, die keine<br />
Basis im primären Ethnolekt haben“ (Dirim & Auer 2004: 218).<br />
Ein weiterer Be<strong>zu</strong>g auf den tertiären Ethnolekt ist die Aussage isse gude<br />
Basarmann, welche sich auf das Klischee des Türken als Händler und Feilscher<br />
bezieht.<br />
- 60 -
Beispiel 2)<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Quelle:http://forum.chemikalien.de/viewtopic.php?t=13112&view=previous&sid=9efe9e4374be<br />
7112800b74a41670f0ce (Version: 10. Oktober 2007)<br />
Hier wird durch die Verwendung des Ethnolekts erneut auf negative Stereotype<br />
verwiesen. Ist der Text <strong>zu</strong>nächst standardsprachlich verfasst, wird bei<br />
Einführung des Themas Drogen („Dope“) in den Ethnolekt gewechselt. Solche<br />
Auslöser werden als thematische Trigger bezeichnet. Hierbei wird „der<br />
Ethnolekt-Gebrauch durch ein Thema veranlasst, das für die medialen<br />
Stilisierungen typisch ist, z. B. Mobiltelefone“ (Androutsopoulos 2000: 12).<br />
Auch Auer (2003: 261) stellte in einem Interview mit Gymnasiasten fest, „dass<br />
der ‚Türkenslang’ auch für Aggression und street smartness steht und eng mit<br />
den türkischen „Tschapos“ (Kleinkriminelle und Zuhälter) assoziiert wird.“<br />
Musstu scheint, obwohl es sich, wie gezeigt wurde (und im Gegensatz <strong>zu</strong><br />
lassma), nur begrenzt vom Standarddeutschen unterscheidet, über eine viel<br />
stärkere Symbolkraft für Kiez-Sprache <strong>zu</strong> verfügen (im Sinne des tertiären<br />
Ethnolekts), bzw. ein stärkerer Trigger <strong>zu</strong> sein als lassma.<br />
5.7 Die Partikel lassma<br />
Laut Wiese (2006 a) ist lassma der sprecherinklusive Gegenpart <strong>zu</strong>r<br />
sprecherexklusiven Konstruktion musstu.<br />
Beispiele aus der Kiesprache sind<br />
(5-12)<br />
(a) lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />
(b) lassma licht aus<strong>machen</strong><br />
- 61 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
im Gegensatz <strong>zu</strong> Beispielen aus dem Standarddeutschen:<br />
(5-13)<br />
(a) Lass uns mal aussteigen.<br />
(b) Lass sie mal aussteigen.<br />
(c) Lass mal die Frau aussteigen. (Wiese 2006 a)<br />
Lassma setzt sich <strong>zu</strong>sammen aus dem Verbstamm lass, wie er in<br />
standarddeutschen V1-Imperativsätzen benutzt wird, und der Modalpartikel<br />
mal, welche durch den Verlust der Koda <strong>zu</strong> ma reduziert wurde.<br />
In Fällen wie (5-13a) spricht man im Standarddeutschen von einer<br />
„Klasse von sprachlichen Formen, die in semantisch-pragmatischer Hinsicht die<br />
Aufforderung an die 1. Person Plural <strong>zu</strong>r gemeinsamen Aktion ausdrückt. In den<br />
indoeuropäischen Sprachen nicht durch ein eigenes morphologisches Paradigma<br />
gekennzeichnet wird der Adhortativ in diesen z. B. periphrasitisch oder durch<br />
konjunktivische Formen der 1. Pers. Pl. ausgedrückt“ (Fries, Onlinelexikon: Adhortativ).<br />
Als Beispiele werden an selber Stelle genannt:<br />
(5-14)<br />
(a) Lasst uns streiken!<br />
(b) Seien wir mutig!<br />
Allgemeiner ausgedrückt repräsentieren „Hortative constructions [...] a<br />
substantial proportion of speech patterns generated by man and are<br />
instrumental in regulating joint activities in society“ (Xrakovskij 2001: 1028).<br />
Ob der Adhortativ <strong>zu</strong>m System der Imperative gerechnet wird, ist umstritten.<br />
Fries (1996) und Platzack & Rosengren (1994) rechnen sie nicht hin<strong>zu</strong>. Liedtke<br />
(1998), der den Adhortativ zwar grundsätzlich <strong>zu</strong> den Imperativformen zählt,<br />
räumt ein, dass „das Korrelat des Adhortativsatzes (...) das Merkmal der<br />
Sprecher-Involviertheit [aufweist], infolgedessen (...) die möglichen Illokutionen<br />
seiner Äußerung auf Vorschlag oder Aufruf beschränkt [sind]“ (ebd. :261).<br />
Auch <strong>zu</strong>r Bedeutung des Adhortativ lassen sich sehr unterschiedliche<br />
Meinungen finden. Erben (1961: 470) beschreibt die Verwendung von Laß(t)<br />
uns gehen! als „höflich vertraulich“ und „um Zustimmung erbittend“. Ganz<br />
anders Schulz & Griesbach (1970: 74): „Will man der Aufforderung besonderen<br />
- 62 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Nachdruck verleihen, gebraucht man den Imperativ von lassen mit dem<br />
Infinitiv im zweiten Prädikatsteil und das Personalpronomen uns als Objekt.“<br />
Interessant ist, dass im Deutschen neben der Form in (5-14b) auch folgende<br />
existiert:<br />
(5-15) Lass uns streiken!<br />
Es ist hier also möglich, eine Unterscheidung dahingehend <strong>zu</strong> <strong>machen</strong>, ob der<br />
Sprecher nur, wie in Beispiel (5-15), eine Person auffordert, eine gemeinsame<br />
Handlung aus<strong>zu</strong>führen, oder wie in Beispiel (5-14a & b) eine undefinierte<br />
Anzahl von Personen, die aber nicht kleiner als zwei sein darf.<br />
Die Beispiele (5-12 a & b), also die kiez-sprachlichen Varianten, erlauben beides,<br />
wie folgende Aussage aus dem Interview mit einem meiner Informanten (S1)<br />
belegt:<br />
I: „lassma“, das kann man <strong>zu</strong> ner Gruppe sagen und <strong>zu</strong> einem,<br />
meintest du?<br />
S1: ja, das kann man <strong>zu</strong> mädchen, <strong>zu</strong> jungen, <strong>zu</strong> allen sagen<br />
Damit entspricht es Konstruktionen wie dem enlischen let’s : „The English<br />
construction for the expression of exhortatives, i.e. commands to the first person<br />
or a group of people including the speaker, is let’s , as in Let’s go to the movies“<br />
(König & Siemund 2005: 29).<br />
5.8 Semantische Bleichung von Partikeln<br />
Die Bedeutung von mal, welche im Standarddeutschen „etwas Zwangloses und<br />
unverbindliches signalisiert“ (Helbig & Kötz 1984: 35), weist eine semantische<br />
Bleichung auf, wie folgendes Beispiel aus dem hier untersuchten Korpus<br />
illustriert:<br />
(5-16) S1: lassma jetzt fifa street spielen mann<br />
Die oben beschriebene Funktion von mal scheint hier durch jetzt aufgehoben <strong>zu</strong><br />
werden. Durch jetzt wird die Absicht des Sprechers verstärkt, das Spiel sofort <strong>zu</strong><br />
wechseln. Im Standarddeutschen bedeutet eine Aussage wie<br />
(5-17) Lass uns mal ins Kino gehen<br />
- 63 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
dass diese gemeinsame Aktivität in absehbarer Zeit geplant ist, aber nicht sofort<br />
und enthält die genannte Unverbindlichkeit. Deshalb klingt eine Aussage wie<br />
(5-18) Lass uns mal jetzt ins Kino gehen. ,<br />
im Gegensatz <strong>zu</strong><br />
(5-19) Lass uns jetzt mal ins Kino gehen.<br />
merkwürdig. Allerdings liegt dies nicht in der veränderten Wortstellung<br />
begründet, sondern in der Verwendung eines „anderen“ mal. Es handelt sich<br />
hierbei nicht um das abschwächende mal aus Beispiel (5-17), sondern um die<br />
Partikel mal, welche über eine zeitliche Konnotation verfügt. Paraphrasierbar<br />
wäre der Satz in (5-19) etwa mit<br />
(5-20) Lass uns jetzt endlich ins Kino gehen.<br />
Aus diesen Beispielen ist gut ersichtlich, dass es sich bei lassma in Kiez-Sprache<br />
nicht um eine elliptische Form des Standarddeutschen Lass uns mal handeln<br />
kann.<br />
Abgesehen von der Subjektlosigkeit der Konstruktion Lassma wirken hier<br />
Mechanismen, die so auch in der Standardsprache auftauchen.<br />
So ist <strong>zu</strong>m Beispiel die Grammatikalisierung von Modalpartikeln, d. h. deren<br />
Verlust an semantischer und phonologischer Substanz und syntaktischer<br />
Freiheit ein häufig <strong>zu</strong> beobachtender Prozess.<br />
Als Beispiel für den Verlust von phonologischer Substanz nennt Wegener (1998:<br />
39) Beispiele wie:<br />
(5-21) Was hat er’n gesagt? Was haste’n dann gesagt?<br />
Hier wird die ursprünglich einsilbige Partikel denn klitisiert. Zum Verlust an<br />
semantischer Substanz stellt Wegener fest, dass (ebd. 40): „Semantic Bleaching<br />
ist ein Merkmal von Modalpartikeln und es ist <strong>zu</strong>gleich eines der grundlegenden<br />
Merkmale von Grammatikalisierung.“<br />
Ihre Annahme belegt sie durch Beispiele wie:<br />
(5-22)<br />
(a) Du kannst ruhig laut sein!<br />
(b) Tirol ist eben bergig. ,<br />
in denen die Modalpartikel mit ihrem Antonym auftritt. Oder solcher wie<br />
(5-23)<br />
(a) Das war einfach <strong>zu</strong> einfach.<br />
- 64 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
(b) Du kannst ruhig ganz ruhig liegen bleiben. ,<br />
bei welchen die Modalpartikel mit ihrem Heterosem stehen kann.<br />
Mit Beispielen wie<br />
(5-24)<br />
(a) Adv.: Denn wolln wir mal gehen.<br />
(b) Konj.: Denn wie sagte Peter neulich?<br />
(c) MP: *Denn wie heißt du?<br />
zeigt sie den Verlust an syntaktischer Freiheit von Modalpartikeln: Die<br />
Heteroseme (Adverb und Konjunktion) können im Vorfeld, Mittelfeld und teils<br />
sogar als Satzäquivalent auftreten. Modalpartikeln können hingegen nur im<br />
Mittelfeld stehen (ebd.: 41).<br />
Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Kontaktsprachen <strong>zu</strong> finden:<br />
Anhand der Beispiel aus<br />
(1) dem Russenorsk43 vaersgo ju på moja skib vaskom.<br />
please you on my ship wash<br />
‚Clean my ship’<br />
(2) dem „Immigrant Swedish“<br />
varsego, titta en fel<br />
please look one error<br />
‚Look, i have made only one error<br />
zeigt Kotsinas (1996: 129f.), dass<br />
„There seems to be a tendency for certain particles to be involved in a process of<br />
grammaticalization, for instance for interjections meaning ‚please’ to mark imperative<br />
(...). Very often, though, davaj and vaersgo ‚please’ in Russenorsk and varsagod ‚please’<br />
in immigrant swedish, are placed sentence-initally (...). Normally markers like these are<br />
used to indicate politeness, but both the frequency of the markers and the fact that the<br />
43 Russenorsk war eine als Pidgin bezeichnete Sprache, die Elemente des Russischen und des<br />
Norwegischen vereinte.<br />
- 65 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
semantic content of them in some cases seems to be diluted suggest that these words have<br />
a purely grammatical function.“<br />
So ist Beispiel (1) die Aussage eines Kapitäns, die als Aufforderung und nicht als<br />
freundliche Bitte verstanden werden muss.<br />
Auch an diesen Beispielen aus Kontaktsprachen zeigt sich derselbe Prozess, der<br />
bereits bei Kiez-Sprache und dem Standarddeutschen gezeigt wurde:<br />
„a lexical element becomes part of the grammar as a functional morpheme.<br />
Grammaticalization is a general process occuring in all languages (...), whereby patterns<br />
that occur frequently in discourse may get reinterpreted. As a result lexical items acquire a<br />
grammatical function, or functional elements become more grammatical (...). Often, the<br />
change in categorial statuts goes hand in hand with a phonological reduction and a shift<br />
from more to less concrete on the semantic level, or, especially in later stages of the<br />
development, with semantic generalization or bleaching“ (Arend et al. 1995: 113).<br />
5.9 Lassma in der deutschen Jugendsprache<br />
Wiese schreibt (2006 a: 17), dass „The development of lassma goes one step<br />
further than that of musstu: it builds on a construction that is not found in the<br />
spoken standard variety.“<br />
Anhand folgender Beispiele aus dem Internet44 ist allerdings an<strong>zu</strong>nehmen, dass<br />
lassma bereits Ein<strong>zu</strong>g in die Jugendsprache deutscher Muttersprachler<br />
genommen hat:<br />
Beispiel 1)<br />
Einkaufspassage Märkisches Viertel von Patrick Ewald45 :<br />
(1) Heut is Zahltach<br />
(2) Da klimpern wieder die Groschen inner Tasche<br />
(3) Da sindwa wieder Leute vonna Welt<br />
(4) Lassma gleich Märkische Zeile jehn<br />
(5)<br />
(...)<br />
und uns ein Stück vom kleenen Glück koofen<br />
44 Die Beispiele stammen mit Ausnahme des Gedichts entweder aus Foren oder Blogs und<br />
zeichnen sich durch die für diese Textsorten typische konzeptionelle Mündlichkeit aus.<br />
45Quelle: http://www.crespo-foundation.de/fileadmin/redakteure/pdf/patrick_ewald.pdf. (Version:<br />
8.10.2007).<br />
- 66 -
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
(6) Kieck dir ma die Männekens<br />
(7) Da anner Imbissbude an<br />
(8) Die stehn da und treiben sich<br />
(9) das Bier inne Adern<br />
(10) und stopfen sich jenüsslich<br />
(11) Lebensläufe inne Ohren<br />
(12) Total fatal<br />
(13) Lassma n Bogen um die Plaudertaschen <strong>machen</strong><br />
(14) und bei Kaiser’s die Probierstände plündern<br />
(15) während die Sonne n Jedicht uff’n Bordsein malt<br />
(16) Und wenn uns Kaiser’s rauswirft dann plündernwa<br />
(17) Dann plündernwa halt woanders, da isses eh besser<br />
(18) und wenn’s nix mehr <strong>zu</strong> plündern jibt<br />
(19) setzenwa uns uffe bank und kiecken uns die Leute an<br />
(20) wie se dem neusten Hype nachrennen<br />
(...)<br />
Dieses Gedicht zeigt in den Zeilen (4) und (13) Beispiele von lassma, wie sie für<br />
Kiez-Sprache typisch sind. Der Text ist in <strong>Berlin</strong>er Mundart mit eindeutigen<br />
Anleihen an Formen der gesprochenen Sprache verfasst. Da außer der Partikel<br />
lassma + VINF keine Elemente aus der Kiez-Sprache <strong>zu</strong> finden sind, ist es<br />
wahrscheinlich, dass der Autor dieses Textes kein Sprecher von Kiez-Sprache<br />
ist. Interessant ist, woher diese Form stammt. In Beschreibungen <strong>zu</strong>m<br />
<strong>Berlin</strong>ischen kommt lassma nicht vor. Dass der Autor im Sinne des crossing den<br />
tertiären Ethnolekt anwendet, ist bei der Thematik des Gedichts ebenfalls nicht<br />
<strong>zu</strong> vermuten.<br />
Weitere Beispiele, die nicht dem <strong>Berlin</strong>ischen <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen sind, verfestigen die<br />
Annahme, dass es sich bei lassma nicht um ein exklusives Element der <strong>Berlin</strong>er<br />
Stadtsprache handeln kann:<br />
- 67 -
Beispiel 2)<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Quelle: http://www.klamm.de/forum/archive/index.php/t-12272-p-2.html (25.09.2007)<br />
Beispiel 3)<br />
Quelle: http://www.doppelagent.de/category/allgemeines/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am 25.09.2007)<br />
Beispiel 4)<br />
Quelle: http://www.heiner-juergens.de/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am 25.09.2007)<br />
Beispiel 4) zeigt eine <strong>zu</strong>sätzliche Verwendung von lassma: Außer <strong>zu</strong>r<br />
Aufforderung an die 2. Ps. Sg. oder Pl. wird lassma in diesem Beispiel <strong>zu</strong>r<br />
Aufforderung an die 1. Ps. Sg. benutzt.<br />
- 68 -
Beispiel 5)<br />
5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />
Quelle: http://blog.eigenfrequenz.net/2007/05/16/lass-ma-<strong>zu</strong>m-bk-fahrn/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am<br />
25.09.2007)<br />
Inwieweit Kiez-Sprache als Basis für diese Entwicklung dient, wäre weiter <strong>zu</strong><br />
untersuchen.<br />
- 69 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter<br />
Sprache<br />
Bei der Untersuchung nicht-standardisierter Sprache wie Kiez-Sprache oder<br />
gesprochener Standardsprache stößt man auf viele Probleme, die darauf<br />
beruhen, dass dort Konstruktionen verwendet und produziert werden, die mit<br />
klassischen Grammatikmodellen nur schwer erklärt werden können.<br />
6.1 Randgrammatik – Kerngrammatik<br />
Im Standarddeutschen gibt es Konstruktionen, die der Definition des typisch<br />
deutschen Satzes nicht entsprechen. Fries (1987: 75f.) nennt als Beispiele:<br />
(6-1)<br />
(a) Einfahrt freihalten!<br />
(b) Jetzt aber aufgestanden!<br />
(c) Du Esel!<br />
Er kritisiert, dass Konstruktionen dieser Art bislang in der<br />
Grammatikschreibung kaum berücksichtigt worden sind und die „speziellen<br />
grammatischen und pragmatischen Eigenarten solcher Konstruktionen“ (ebd.:<br />
75) nicht gewürdigt wurden. Wenn sie erwähnt würden, so spräche man von<br />
ihnen lediglich als „Reduktionsformen gewöhnlicher Satzmuster“ (ebd.).<br />
Die Analyse solcher Konstruktionen als Ellipsen, die ausschließlich semantischpragmatisch<br />
geprägt sind, ist für Fries (ebd.) nicht ausreichend, da „es (...)<br />
nämlich nicht einmal auf die Semanto-Pragmatik solcher Konstruktionen<br />
[<strong>zu</strong>trifft], daß diese mit der ‚vollständiger Sätze’ übereinstimmt, wie weniger<br />
noch auf ihre Syntax, Morphologie und Phonologie“ (ebd.).<br />
Die Argumente, welche gegen eine Einordnung der genannten Konstruktionen<br />
als Ellipsen hervorgebracht werden können, sind nach Fries (ebd.: 78) auf zwei<br />
Richtungen reduzierbar:<br />
(1) Konstruktionen der genannten Art verfügen typ-spezifisch über grammatische<br />
und pragmatische Eigenarten, die nicht mit den grammatischen<br />
Eigenarten entsprechender „voller Sätze“ übereinstimmen.<br />
- 70 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
(2) Konstruktionen der genannten Art besitzen typ-übergreifende<br />
Gemeinsamkeiten, welche sie klar von „normalen Sätzen“ unterscheiden.<br />
Aus diesen Annahmen leitet er ab, dass es neben „kerngrammatischen Regeln“<br />
des Deutschen wie der, dass das Verb im Deutschen immer über infinite und<br />
finite Formen verfügt oder der Artikel eines Nomens vor demselben steht (ebd.<br />
:80), „randgrammatische Regeln“ geben müsse, welche konstruktionsbezogen<br />
seien.<br />
Im Gegensatz <strong>zu</strong> kerngrammatischen Konstruktionen, welche „eine hohe<br />
Flexibilität hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit/Realisierung in unterschiedlichen<br />
situativen bzw. textuellen Typen“ (ebd.: 89) aufweisen, sind randgrammatische<br />
Regeln „bis <strong>zu</strong> einem gewissen Grad von außergrammatischen Faktoren abhängig“<br />
(ebd.).<br />
Wie gezeigt wurde, kann es sich bei der Partikel lassma nicht um eine elliptische<br />
Form von lass uns mal handeln, da sie andere pragmatische Funktionen erfüllt.<br />
Diese Fälle der Weglassbarkeit des nominativischen Subjektpronomens beim<br />
standarddeutschen Imperativ (den Fries <strong>zu</strong> den randgrammatischen<br />
Konstruktionen zählt), erklärt er mit der Abhängigkeit randgrammatischer<br />
Regeln von außergrammatischen Faktoren. So ist je nach situativem Kontext das<br />
Subjekt obligatorisch oder fakultativ. Dies hängt unter anderem damit<br />
<strong>zu</strong>sammen, ob weitere Be<strong>zu</strong>gspersonen anwesend sind oder nicht (ebd.: 89).<br />
Wie im Kapitel 3 gezeigt wurde, können in der gesprochenen Sprache durch die<br />
dort vorhandene Deixis verschiedene Elemente fehlen, auf die im gemeinsamen<br />
Be<strong>zu</strong>gskontext verwiesen werden kann. Da sich Kiez-Sprache fast ausschließlich<br />
im gesprochensprachlichen Kontext manifestiert und in diesem entstanden ist,<br />
ist es nicht verwunderlich, dass das Subjekt uns in dieser Konstruktion fehlt.<br />
Ebenfalls trifft folgende Feststellung auf kiezsprachliche Konstruktionen in<br />
hohem Maße <strong>zu</strong>: „Randgrammatische Konstruktionen sind ganz allgemein<br />
durch ein ‚Viel’ an semantischem Gehalt gegenüber einem ‚Weniger’ an<br />
phonologischem Material und syntaktisch-morphologischer Strukturiertheit<br />
gekennzeichnet“ (ebd.: 92). Eine Konstruktion wie lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong> passt also sehr gut ins System der Theorie einer Randgrammatik der<br />
deutschen Standardsprache, wobei der Begriff Randgrammatik nicht<br />
„suggerieren [sollte], daß es sich hierbei um Konstruktionen von untergeordneter<br />
Bedeutung handele (...) Insbesondere das Faktum, daß entsprechende<br />
- 71 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
Konstruktionstypen über einen hohen Grad konstruktioneller Bedeutung verfügen, ist<br />
wohl damit in Verbindung <strong>zu</strong> bringen, daß in verschiedenen situativen / textuellen<br />
Zusammenhängen das Erfordernis besteht, durch möglichst wenig phonetisches /<br />
graphisches Material möglichst viel Information in kurzer Zeit <strong>zu</strong> übermitteln“ (Fries<br />
1987: 95).<br />
6.2 Construction Grammar<br />
Eine radikalere Alternative ist die so genannte construction grammar, welche<br />
keine Unterscheidung zwischen Rand- und Kerngrammatik macht, sondern rein<br />
deskriptiv vorgeht.<br />
6.2.1 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache I<br />
Deppermann (2006), der die Anwendbarkeit derselben auf die gesprochene<br />
Sprache überprüft, hält die construction grammar für die Beschreibung<br />
gesprochener Sprache für geeigneter und führt dies auf drei Prämissen <strong>zu</strong>rück,<br />
die darauf beruhen, dass klassische Grammatiken immer von der Annahme<br />
ausgehen, dass<br />
1) vollständige syntaktische Einheiten Sätze sind, welche eine<br />
2)<br />
Proposition ausdrücken und mindestens aus einem Subjekt und<br />
einem Prädikat bestehen müssen.<br />
Syntaktische Regeln sind rein formal, und deshalb abstrakt und<br />
allgemein. Sie gelten für alle Instanzen der betreffenden grammatischen<br />
Kategorie (z. B. Wortart oder Satztyp) bzw. syntaktischen Relation<br />
(z. B. Satzglied), d. h. sie sind deduktiv und exhaustiv.<br />
3) Die Bedeutung von Phrasen und Sätzen ist kompositional, d. h. sie<br />
ergibt sich aus der lexikalischen Bedeutung der Wörter und der<br />
syntaktischen Struktur ihrer Verknüpfung (ebd.: 44).<br />
Entgegen Prämisse 1) sind <strong>zu</strong>m Beispiel Gliederungssignale wie ey oder ähm<br />
syntaktisch nicht eingebunden, d. h. kein Teil der Satzstruktur. Strukturell<br />
irreguläre Bildungen widersprechen Prämisse 2): da sie nicht durch allgemeine<br />
Regeln lizensiert sind, sind sie nicht oder nur beschränkt produktiv. Aus diesem<br />
Grund müssen Konstruktionen wie Ich mach dich Messer anhand <strong>zu</strong>sätzlicher<br />
Erklärungsmuster interpretiert werden. Ebenfalls widersprechen strukturell<br />
- 72 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
reguläre Bildungen mit reduziertem grammatischen Paradigma Prämisse 2).<br />
Konstruktionen wie Ich hätte ihn (gerade wieder) (V können). folgen einem<br />
syntaktisch und semantisch regulärem Muster, sind aber nicht voll produktiv;<br />
d. h. sie können <strong>zu</strong>m Beispiel kein Futur I und II und keinen Indikativ bilden.<br />
Prämisse 3) wird durch nicht-kompositionale Interpretationen verletzt. Sie sind<br />
syntaktisch regulär, semantisch aber nicht. Als Beispiel nennt Deppermann<br />
(ebd.) hier das FVG Party <strong>machen</strong>. Da<strong>zu</strong> meint er, dass das Beispiel Party<br />
<strong>machen</strong> zwar mehr oder weniger durch seine Konstituenten motiviert, aber<br />
keineswegs durch sie determiniert ist. Anakoluthe in der gesprochenen Sprache<br />
widersprechen Prämisse 1) und 2). Die Verbspitzenstellung im Aussagesatz<br />
weicht, wie in Kapitel 5.2 gezeigt, von topologischen Regeln ab und verletzt<br />
damit Prämisse 2), bei Pronomentilgung verstößt sie <strong>zu</strong>sätzlich gegen die<br />
Prämissen 1) und 3). Mit allen drei Prämissen unverträglich sind für<br />
Deppermann (ebd.) Ellipsen. Diese sind weder vollständige Satzstrukturen noch<br />
nach kontextfreien Regeln <strong>zu</strong> erzeugen und außerdem nicht kompositional in<br />
ihrer Interpretation (ebd.: 45f.).<br />
Zur besseren Handhabung solcher Konstruktionen der gesprochenen Sprache<br />
schlägt Deppermann die construction grammar46 als Analysemodell vor.<br />
Die drei theoretischen Grundannahmen der construction grammar, auf die er<br />
sich bezieht, sind<br />
(1) die Annahme, dass Konstruktionen ein umfassender Beschreibungsrahmen<br />
für sprachliches Wissen sind;<br />
(2) die Auffassung von Sprache als nicht-autonomen, kognitivem Symbolsystem<br />
und<br />
(3) eine gebrauchstheoretische Sicht der Bildung und der mentalen<br />
Repräsentation sprachlicher Strukturen (ebd.: 48).<br />
Aus konstruktionsgrammatischer Sicht werden syntaktische Strukturen nicht<br />
durch maximale universale Regeln erzeugt. Vielmehr bestehen sie aus<br />
Konstruktionen, die sehr unterschiedlich allgemein (schematisch) sind. Nach<br />
46 Bekannte Vertreter der construction grammar sind <strong>zu</strong>m Beispiel Fillmore et al. (1988); Kay<br />
(1997) oder Ronald Langacker (1987) oder die neueren Ansätze von Croft (2001).<br />
- 73 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
Deppermann sind viele Konstruktionen idiomatisch. Diese Annahme belegt er<br />
damit, dass sie lexikalisch ganz oder teilweise spezifiziert seien, hinsichtlich der<br />
semantischen Klassen möglicher lexikalischer Instanziierungen restringiert und<br />
außerdem nur unter bestimmten syntaktischen oder pragmatischen<br />
Kontextbedingungen an<strong>zu</strong>wenden seien.<br />
Die idiomatische Formfixiertheit kommt in unterschiedlichen Ausprägungen<br />
vor:<br />
1) Lexikalisch voll spezifizierte Konstruktionen sind lexikalisch fixierte<br />
Phraseologismen wie oh Gott, <strong>zu</strong>m Wohl, so wahr mir Gott helfe, einen<br />
drauf <strong>machen</strong> oder ins Gras beißen, die in unterschiedlichem Maße<br />
grammatisch paradigmatisierbar sind.<br />
2) Lexikalisch teilspezifizierte Konstruktionen sind mehr oder weniger<br />
schematisch an Wortklassen oder semantische Klassen gebunden,<br />
andere sind in bestimmten Konstituenten lexikalisch fixiert. Ihre<br />
Konstituenten sind in ihrer Stellung und ihrer Obligatorik oft variabel,<br />
manchmal auch fix. Als Beispiel nennt Deppermann hier typisch N. Diese<br />
Konstruktionen haben oft sehr idiosynkratische Restriktionen.Das Beispiel<br />
typisch N fordert unter anderem, dass das Adjektiv typisch nicht nicht<br />
flektiert wird und dass es ein artikelloses Nomen bzw. einen Eigennamen<br />
modifiziert.<br />
3) Voll schematisierte Konstruktionen, wie ditransitive Konstruktionen vom<br />
Typ Ich schenke dir das Buch verfügen über keine phonologischlexikalische<br />
Spezifizierung (ebd.: 48f.).<br />
Deppermann fasst <strong>zu</strong>sammen, dass „Äußerungen nach dieser Sicht also nicht<br />
regelgeleitet aus atomaren Einheiten aufgebaut [werden]. Vielmehr werden von<br />
vornherein syntaktische Ganzheiten (Konstruktionen) gelernt“ (ebd.: 49). Im<br />
Unterschied <strong>zu</strong> universalgrammatischen Ansätzen ist die construction<br />
grammar also eine bottom-up-Grammatik und nimmt an, dass nicht „maximal<br />
abstrakte syntaktische Strukturen nach und nach durch einzelsprachliche<br />
Parameterfixierung resringiert werden“, sondern dass „das Kind <strong>zu</strong>nächst<br />
konkrete, lexikalisch und morphologisch spezifische Konstruktionen [lernt], aus<br />
denen nach und nach, in Abhängigkeit von kommunikativen Erfahrungen und<br />
- 74 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
oftmals nicht einheitenkategorial konsistent abstrakte Schemata induziert<br />
werden.“ (ebd.)<br />
Die Generalisierung von Konstruktionen ist „ein induktiver Prozess der<br />
Schematisierung“ (ebd).<br />
Das Beispiel [das ist so hart]<br />
↓<br />
[NP Kopula so EvalAdj]<br />
↓<br />
[NP Kopula Adj]<br />
↓<br />
[NP VP]<br />
zeigt, dass semantisch und lexikalisch spezifische Konstituenten einzelner<br />
Konstruktionen auf abstraktere Kategorien hin verallgemeinert werden (ebd.:<br />
49f.).<br />
Innerhalb eines Beschreibungsrahmens nimmt die Construction Grammar also<br />
ein Kontinuum von Morphologie, Lexikon und Syntax an.<br />
6.2.2 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache II<br />
Auch Auer (2007) fordert für die Beschreibung gesprochener Sprache ein<br />
alternatives Syntaxmodell, das möglichst „realitätsnah“ die Phänomene der<br />
Mündlichkeit erfassen kann. Entgegen der „offline-Grammatik“, welche „eine<br />
vom Realisierungsmodus unabhängige sprachlich-grammatische Kompetenz<br />
der Sprecher im Auge (...) hat“ (ebd.: 95), entwickelt er ein inkrementelles<br />
Modell, welches dialogisch orientiert sein soll und der Tatsache Rechnung trägt,<br />
„dass mündliches Kommunizieren auch unter hohem Zeit- und Handlungsdruck<br />
deshalb funktioniert, weil viele, auch scheinbar komplexe Syntaxstrukturen<br />
bereits mehr oder weniger stark musterhaft festgelegt sind“ (ebd.: 96). Auch<br />
hier werden wieder die Grundlagen der construction grammar angewandt, da<br />
die Syntax gesprochener Sprache dem häufigen Gebrauch bestimmter<br />
syntaktischer Muster Rechnung tragen soll.<br />
- 75 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
Diese syntaktischen Muster sind durch unterschiedliche Serialisierungsvorschrifen<br />
in verschiedenen Sprachen ganz unterschiedlicher Natur: „Es ist<br />
unmittelbar einsichtig, dass eine Sprache mit rigiden Serialisierungsvorschriften<br />
präzisere syntaktische Projektionen erlaubt als eine mit freier Wortstellung“<br />
(ebd.: 98). Laut Auer betrifft dies vor allem Adjazenzprojektionen von einer<br />
syntaktischen Position <strong>zu</strong>r nächsten: So lässt sich im klassischen Latein aus dem<br />
Konstruktionsbeginn Gallia ... für die nächste Position keine<br />
Fortset<strong>zu</strong>ngserwartung ableiten. Auf den Konstruktionsbeginn Frankreich ...<br />
hingegen folgt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit (abgesehen von<br />
parenthetischen Erweiterungen und Prolepsen) ein finites Verb (ebd.). Ein<br />
weiteres Beispiel für das Deutsche ist das flektierte Adjektiv, welchem in den<br />
meisten Fällen ein Nomen folgt.<br />
Weiter beschreibt er die Rektion als serialisierendes Element: „Voranstehende<br />
regierende Elemente ermöglichen die beste Vorhersage über nachfolgende<br />
regierte Elemente (...).“ (ebd.: 99)<br />
Am Beispiel<br />
(6-2) kommt → ein Mann in einen Laden ...<br />
zeigt Auer, dass im Deutschen verbinitiale Syntagmen die Vorhersage des Kasus<br />
und der Anzahl nachfolgender nominaler Ergän<strong>zu</strong>ngen ermöglichen.<br />
Die Projektion lässt sich also nicht nur auf adjazente Elemente reduzieren,<br />
sondern kann auch auf nicht-adjazente Strukturen angewendet werden.<br />
Ein Exempel statuiert er anhand von Konstruktionen mit projizierendem so:<br />
„Dahinter steckt die Idee, dass die Sprachbenutzer rekurrente Anwendungen<br />
allgemeiner Regeln mit der Zeit getrennt speichern und direkt abrufen“ (ebd.:<br />
108). Er nennt folgende Konstruktionen, in welchen so ein nachfolgendes<br />
satzwertiges Syntagma projiziert:<br />
(a) Konsekutivkonstruktionen<br />
... ist SO Y → (dass) S<br />
(b) Konzessivkonstruktion<br />
so ADJ es/das/der auch V→ S<br />
- 76 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
(c) katadeiktische korrelative dass-Konstruktion (Topikalisierung)<br />
... V SO → dass ... S<br />
(d) katadeiktische korrelative wie-Konstruktion<br />
(X V) SO (Adj/Advb) → wie S<br />
(e) Quotativ-Konstruktion<br />
(und) ich/er so → S<br />
(f) es ist so-Konstruktion<br />
es ist SO → (dass) S (ebd.: 120)<br />
Nach Auer impliziert eine solche Beschreibung im Rahmen der construction<br />
grammar,<br />
„dass die sechs Konstruktionen einzeln gespeichert und prozessiert werden, auch wenn<br />
zwischen ihnen beschreibbare Ähnlichkeiten bestehen. Die Verfügbarkeit einer Vielzahl<br />
solcher Konstruktionen ermöglicht es den Gesprächsteilnehmern, mit großer<br />
Geschwindigkeit und trotzdem großer Präzision Projektionen auf<strong>zu</strong>bauen und<br />
Gestaltschlüsse vorher<strong>zu</strong>sagen.“ (ebd. 121)<br />
Wie ist das alles auf eine Konstruktion wie lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />
an<strong>zu</strong>wenden? Die construction grammar macht die Erforschung von nichtnormierter<br />
Sprache (wie z. B. gesprochene Sprache oder Kiez-Sprache) durch<br />
ihre deskriptive Perspektive leichter handhabbar als dies mit einer normativen<br />
Herangehensweise möglich ist.<br />
Auf folgende Beispiele aus dem hier untersuchten Korpus wird nun versucht, die<br />
von Auer vorgeschlagene Analyse an<strong>zu</strong>wenden:<br />
(1) lassma fifa spielen<br />
lassma N VINF<br />
(2) lassma licht aus<strong>machen</strong><br />
lassma N VINF<br />
(3) lassma was neues nehmen<br />
lassma N VINF<br />
- 77 -
(4) lassma jetzt fifa street spielen<br />
lassma Adv N VINF<br />
(5) lassma weltmeisterschaft <strong>machen</strong><br />
lassma N VINF<br />
(6) lassma jetzt weltmeisterschaft <strong>machen</strong><br />
lassma Adv N VINF<br />
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
Dass diese mit lassma47 eingeleiteten Konstruktionen nach dem Muster lassma<br />
N VINF oder lassma N VINF gebildet werden, wurde bereits in Kapitel 5.7 gezeigt.<br />
Interessant sind sie aus der Perspektive der construction grammar aus einem<br />
bestimmten Grund: Sie scheinen über die für die gesprochene Sprache<br />
bevor<strong>zu</strong>gte Eigenschaft <strong>zu</strong> verfügen, besonders schnell verarbeitet <strong>zu</strong> werden, da<br />
sie über eine sehr starke Projektionskraft verfügen. Gerade der Jugend- und<br />
Kiez-Sprache, die sich durch sehr schnelle Turnwechsel und eine große Dichte<br />
sprachlicher Äußerungen auszeichnen, scheinen Konstruktionen dieser Art sehr<br />
entgegen<strong>zu</strong>kommen.<br />
6.2.3 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse von<br />
Funktionsverbgefügen<br />
Der Aufsatz von Zeschel (2007) versucht, speziell FVG im Beschreibungsmodell<br />
der Construction Grammar <strong>zu</strong> erfassen. Diese Herangehensweise an FVG hält<br />
er für sinnvoll, weil<br />
„sich in ihnen unverkennbar regelhafte Tendenzen mit ausgeprägten idiomatischen<br />
Beschränkungen verbinden, so dass eine einheitliche Erfassung des Phänomens im<br />
Rahmen eines kohärenten Grammatikmodells vielfach als problematisch betrachtet wird<br />
(...) und dass sich Funktionsverbgefüge (wie grammatische Konstruktionen insgesamt) als<br />
komplexe Kategorie zahlreicher einzelner Idiomverbände charakterisieren lassen, die<br />
durch das Prinzip der Familienähnlichkeit <strong>zu</strong>sammengehalten und durch die genannten<br />
Tendenzen geformt werden“ (ebd.).<br />
47 Ein ähnliches Verhalten ist für die unter XX beschriebenen Konstruktionen mit musstu <strong>zu</strong><br />
erwarten.<br />
- 78 -
Anhand des Beispiels 48<br />
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
(6-3) Den Stein ins Rollen gebracht haben die sechs Frauen, die ...<br />
zeigt Zeschel, dass es sich nicht, wie auf den ersten Blick <strong>zu</strong> vermuten wäre, um<br />
eine feste idiomatische Bildung handelt, die über eine konventionelle<br />
metaphorische Verbindung verfügt. Dies zeigt er, indem er folgende Varianten<br />
entgegenstellt:<br />
(6-4)<br />
(a) Endlich kam der Stein ins Rollen.<br />
(b) Wir haben die gesamte Kampagne ins Rollen gebracht.<br />
Hier ist nach Zeschel das Argument des Prädikats in der PP durch einen<br />
spezifischeren Ausdruck aus der jeweiligen Zieldomäne erfasst.<br />
(c) Das würde eine Kostenlawine in Gang setzen, heißt es in dem<br />
Schreiben.<br />
Dieses Beispiel zeigt, so Zeschel, dass die Bedeutung nicht an der Verwendung<br />
des spezifischen Prädikats rollen hängt.<br />
(d) Die Handlung <strong>zu</strong>m Laufen brachte immer wieder die türkische<br />
Putzfrau Fatma ...<br />
Wie dieses Beispiel zeigt, ist zwar in der Kombination Stein und Rollen die Wahl<br />
der Präposition auf ins festgelegt, bei ähnlichen Ausdrücken jedoch nicht.<br />
Obwohl kein einziges konkretes Wort in allen Ausdrücken vertreten ist, sei die<br />
formale und semantische Ähnlichkeit nicht <strong>zu</strong> übersehen. Aus diesem Grund<br />
versucht er ein allgemeineres Muster für Konstruktionen diesen Typs <strong>zu</strong><br />
erstellen:<br />
[(NPAGT) NPTHM [in [NBewegung.ART+WEISE]] V]<br />
48 Die Beispiele von Zeschel stammen alle aus dem offenen Gigakorpus PUBLIC.<br />
- 79 -
6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />
Anhand einer Korpusanalyse kommt er schließlich unter anderem auf folgendes<br />
Ergebnis 49:<br />
N-Typ INTR-INCH INTR-STAT KAUS-INCH KAUS-STAT 50<br />
Gang - - - +++ ns ns<br />
Schwung +++ - - - - +++<br />
Bewegung ns ns ns ns<br />
Rollen ns - - - +++ - -<br />
Fahrt +++ - - - - - ns<br />
Laut Zeschel weist diese Tabelle auf deutlich unterschiedliche Präferenzen hin.<br />
Allein das Nomen Bewegung ist relativ unspezifisch über die vier<br />
Konstruktionen verteilt. Bei den anderen Typen zeigen sich sehr ausgeprägte<br />
Kontraste (ins Rollen kommen vs. ??im Rollen sein vs. Ins Rollen bringen vs.<br />
??im Rollen halten). Diese Werte, so Zeschel, liefern „ein starkes Indiz dafür,<br />
dass die Parameter Aspekt und Partizipiantenstruktur des <strong>zu</strong><br />
versprachlichenden Szenarios (Geht es um einen Zustandswechsel? Liegt ein<br />
kausatives Szenario vor?) einen signifikanten Einfluss auf die Wahl des<br />
Nominals in der PP haben“ (ebd.). Die Tabelle sagt also voraus, dass Sprecher<br />
im Falle eines kausativen oder stativen Sachverhalts – also in einer Situation, in<br />
der jemand oder etwas dafür sorgt, dass der bezeichnete Prozess weiterhin<br />
abläuft/sich entfaltet/reibungslos funktioniert etc. eher die Formulierung X in<br />
Schwung halten als beispielsweise X im Rollen wählen werden.<br />
Diese Art der Herangehensweise, so Zeschel (ebd.), sei hervorragend geeignet,<br />
„um komplexe und vielfältig aufgesplittete Phänomene wie die hier<br />
untersuchten Funktionsverbgefüge gewissermaßen ‚von unten’ auf<strong>zu</strong>rollen und<br />
in ein kohärentes Gesamtmodell des sprachlichen Wissens <strong>zu</strong> integrieren.“<br />
49 „+“ bedeutet signifikant angezogen, „-“ signifikant abgestoßen und „ns“ ein nicht-signifikantes<br />
Verhältnis.<br />
50 INTR-INCH=kommen, INTR-STAT=bleiben, KAUS-INCH=setzen, KAUS-STAT=halten<br />
- 80 -
7 Schluss<br />
„Die Sprache von meinem Vorfahr war mehr kompliziert wie heut.“<br />
7 Schluss<br />
So beschreibt Uwe Hinrichs in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die<br />
Zeit“ (2006, Nr. 27) das Hochdeutsch der Zukunft. Dass dieser Prozess eine<br />
große Faszination auf Sprecher des Deutschen auswirkt, zeigt der unglaubliche<br />
Erfolg, den Bastian Sick mit seinen Büchern und Lesungen hat. Eine Leserin<br />
schreibt in einer Buchkritik <strong>zu</strong> „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“ (2004):<br />
„Manchmal errötet man ob seiner eigenen Fehler. Ich hätte nicht gedacht, mit<br />
wie vielen Sprachirrtümern man aufgewachsen ist und jahrelang der Meinung<br />
war, man drücke sich ordnungsgemäß aus. Es ist unglaublich, wie vieles man<br />
wiederfindet und plötzlich merkt ‚Das wußte ich ja gar nicht!’“ 51<br />
Diese „Fehler“ können aus einer anderen Perspektive ganz neutral als<br />
Indikatoren von Sprachwandel interpretiert werden:<br />
Keller (2004) schreibt hier<strong>zu</strong>: „Allerdings wird er von den Zeitgenossen nicht<br />
als Wandel wahrgenommen, sondern als Sprachverfall. (...) Eine Sprache ist ein<br />
komplexes System konventioneller Regeln. Jede Veränderung einer Konvention<br />
beginnt notwendigerweise mit einer Übertretung; und Übertretungen<br />
sprachlicher Konventionen nennt man ‚Fehler’. Wenn der Fehler schließlich<br />
<strong>zu</strong>m allgemeinen Usus geworden ist, dann hat er aufgehört ein Fehler <strong>zu</strong> sein<br />
und eine neue Konvention ist entstanden.“ Als Beispiel nennt er das Präteritum<br />
des Verbs schrauben: „Dieses hat sich von schrob <strong>zu</strong> schraubte entwickelt und<br />
bis dieser Prozess vollzogen war, machte der, der schraubte benutzte, einen<br />
Fehler.“<br />
Aus anderen Ländern mit ausgeprägtem Migrantenpopulationen ist folgende<br />
Entwicklung <strong>zu</strong> beobachten: „Urban American Ethnolects are not stable<br />
varieties. Just as the ancestral language tends to be lost within three or four<br />
generations after emigration (...), its ethnolectal representation appears not to<br />
remain in the same form for more than a couple of generations.“ (Wölck 2002:<br />
161). Ein bekanntes Beispiel wie sich Ethnolekte weiterentwickeln und<br />
schließlich Einfluss auf die Standardsprache nehmen, ist die Sprache der<br />
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- 81 -
7 Schluss<br />
amerikanischen Stadt Buffalo. Hier entwickelten sich unter dem Einfluss von<br />
deutschen und polnischen Einwanderern verschiedene neue Strukturen, wie<br />
<strong>zu</strong>m Beispiel eine Form des „incomplete ‚perfect’ tense to express the completed<br />
past, as in ‚I´ve lived in New York five years; now my home is Buffalo’“ (ebd.).<br />
Hier soll nicht dafür argumentiert werden, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
keine standardsprachlichen Varietäten <strong>zu</strong> lernen brauchen. Um auf<br />
dem Arbeitsmarkt eine Chance <strong>zu</strong> haben, ist das Beherrschen der<br />
Standardsprache nach wie vor unumgänglich. Vielmehr sollte Lehrern und<br />
anderen „Bedenkenträgern“ vermittelt werden, dass es sich bei Kiez-Sprache,<br />
wie auch in dieser Arbeit gezeigt worden ist, um eine jugendsprachliche Varietät<br />
mit den daraus resultierenden Charakteristika handelt. Auch sollte der Blick<br />
dafür geschärft werden, dass es sich bei Kiez-Sprache um keine reine<br />
Reduktionsform des Standarddeutschen handelt. Vielmehr entstehen hier<br />
Formen, die der Kommunikation besonders <strong>zu</strong>träglich <strong>zu</strong> sein scheinen und die<br />
das Standarddeutsche bisher nicht bereitgestellt hat. Auch wenn<br />
Konstruktionen wie Ich mach dich Messer. oder Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />
<strong>machen</strong>. auf den ersten Blich stark vom Standarddeutschen ab<strong>zu</strong>weichen<br />
scheinen, fügen sie sich bei näherer Betrachtung gut ins System der<br />
Standardsprache ein.<br />
Das Missverständnis, welches in Be<strong>zu</strong>g auf Kiezsprache und andere<br />
Sprachwandel- und Kontaktphänomen in der Standardsprache zwischen<br />
Lehrern, anderen „Laienlinguisten“ und der Sprachwissenschaft herrscht, liegt<br />
in der unterschiedlichen Konzeptualisierung von Sprache begründet. In der<br />
„Laienlinguistik“ „zeig[t] sich eine große Vielfalt in der metaphorischen<br />
Konzeptualisierung von fremden sprachlichen Einflüssen auf die<br />
Muttersprache. Die nahrungsmetaphorischen Metaphern (Wortsalat,<br />
Wortgulasch, Sprachpanscher) akzentuieren vor allem ästhetische und<br />
gesundheitliche Aspekte, während die Vergiftungs- und die Genetik-Metapher<br />
fließende Übergänge <strong>zu</strong> den Organismus- und Krankheitsmetaphern (...)<br />
aufweisen“ (Osthus & Polzin-Haumann 2006). Sprachmischung wird in dieser<br />
Art der Konzeptualisierung als unrein oder chaotisch wahrgenommen.<br />
Demgegenüber stehen Sprachwissenschaftler, wie z. B. der weiter oben zitierte<br />
Rudi Keller, die Sprachwandel und –mischung aus einer deskriptivfunktionalen<br />
Perspektive betrachten. Osthus & Polzin-Haumann (2006) stellen<br />
- 82 -
7 Schluss<br />
in Hinblick auf dieses Missverständnis die Frage, „ob die Linguistik dies <strong>zu</strong>m<br />
Anlass nehmen [sollte], über ihre gesellschaftliche Außenwirkung<br />
nach<strong>zu</strong>denken und sich vielleicht – ohne historisch entwickelte,<br />
fachkonstituierende Positionen auf<strong>zu</strong>geben – gemäß der von Ortner/Sitta<br />
(2003:8) formulierten ‚Bringschuld der Wissenschaft gegenüber der<br />
Öffentlichkeit’ etwas engagierter in die Gesellschaft bewegende Fragen<br />
einbringen.“ In Be<strong>zu</strong>g auf Kiez-Sprache und deren Wahrnehmung in der<br />
Öffentlichkeit ist dies sicher eine sinnvolle Forderung.<br />
- 83 -
8 Anhang<br />
Transkriptionskonventionen nach GAT (Selting et al. 1998):<br />
Sequenzielle Struktur/Verlaufsstruktur<br />
8 Anhang<br />
[ ] Überlappungen und Simultansprechen<br />
[ ]<br />
= schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Beiträge oder Einheiten<br />
Pausen<br />
(.) Mikropause<br />
(-), (--), (---) kurze, mittlere, längere Pausen von ca. 0.25 - 0.75 Sek.; bis ca. 1 Sek.<br />
(2.0) geschätzte Pause, bei mehr als ca. 1 Sek. Dauer<br />
(2.85) gemessene Pause (Angabe mit zwei Stellen hinter dem Punkt)<br />
Sonstige segmentale Konventionen<br />
und=äh Verschleifungen innerhalb von Einheiten<br />
:, ::, ::: Dehnung, Längung, je nach Dauer<br />
äh, öh, etc. Verzögerungssignale, sog. „gefüllte Pausen“<br />
' Abbruch durch Glottalverschluss<br />
Lachen<br />
so(h)o Lachpartikeln beim Reden<br />
haha hehe hihi silbisches Lachen<br />
((lacht)) Beschreibung des Lachens<br />
Rezeptionssignale<br />
hm, ja, nein, nee einsilbige Signale<br />
hm=hm, ja=a, zweisilbige Signale<br />
nei=ein, nee=e<br />
'hm'hm mit Glottalverschlüssen, meistens verneinend<br />
Akzentuierung<br />
akZENT Primär- bzw. Hauptakzent<br />
ak!ZENT! extra starker Akzent<br />
Sonstige Konventionen<br />
((hustet)) para- und außersprachliche Handlungen u. Ereignisse<br />
sprachbegleitende para- und außersprachliche<br />
Handlungen und Ereignisse mit Reichweite<br />
interpretierende Kommentare mit Reichweite<br />
( ) unverständliche Passage je nach Länge<br />
(solche) vermuteter Wortlaut<br />
al(s)o vermuteter Laut oder Silbe<br />
(solche/welche) mögliche Alternativen<br />
((...)) Auslassung im Transkript<br />
→ Verweis auf im Text behandelte Transkriptzeile<br />
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- 93 -
10 Eigenständigkeitserklärung<br />
Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />
angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />
<strong>Berlin</strong>, den 15.10.2007 Ines Urban
11 Wissenschaftlicher Werdegang<br />
Name: Ines Urban<br />
Geburtsdatum: 22.12.1977<br />
Geburtsort: Ludwigshafen am Rhein, Rheinland-Pfalz<br />
2001-2007: <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
Studium des Magisterstudiengangs Germanistische Linguistik<br />
2003-2007: studentische Hilfskraft, Lehrstuhl Syntax (Prof. Norbert Fries)<br />
2001-2007: Freie <strong>Universität</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
Hauptstudium des Magisterstudiengangs Ethnologie<br />
1999-2001: Friedrich-Karls-<strong>Universität</strong>, Heidelberg<br />
Grundstudium des Magisterstudiengangs Ethnologie<br />
Studium des Magisterstudienganges Germanistik<br />
1997-1999: <strong>Universität</strong> Mannheim<br />
Studium des Magisterstudiengänge Germanistik, Politik und<br />
Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />
1988-1997: Edith-Stein-Gymnasium, Speyer<br />
Allgemeine Hochschulreife<br />
1984-1988: Luitpold-Grundschule, Hettenleidelheim