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Lebensart | Mode<br />
Grüne Mode<br />
Ein schwieriger Stoff<br />
Marie Löwenstein<br />
23.10.2012 - 09:37<br />
ZEIT ONLINE<br />
Ressorts | Quiz | Fotos | Schlagzeilen<br />
Labels, die nachhaltige Mode anbieten, haben es schwer: Die Anforderungen<br />
sind hoch, die Produktionsbedingungen schwierig. Die Branche ist noch im<br />
Anfangsstadium.<br />
© Green Showroom<br />
Ein Model zeigt Mode des Labels Luxaa bei der Salonshow des Green Showroom im<br />
Juli 2012.<br />
Kaska Hass ist entnervt. Die Berliner Designerin wollte ihre Mode in großem Rahmen<br />
präsentieren, auf der Hauptbühne des Umweltfestivals vor dem Brandenburger Tor.<br />
Jetzt steht sie hinter einer winzigen Bühne, die ihr die Veranstalter zugewiesen<br />
haben - und seit Stunden regnet es in die Umkleide. Hass stellt Abendmode aus<br />
Natur-Textilien her. Ihre Kleider, die jetzt von der Nässe ruiniert zu werden drohen,<br />
kosten mehrere hundert Euro das Stück. Das richtige Forum zu finden, um ihre<br />
Sachen potenziellen Einkäufern und der Presse vorzustellen, ist gerade für Bio-<br />
Modemacher wie Hass immer noch eine große Herausforderung.<br />
Newcomer und Preispolitik<br />
Dabei ist Mode, die weder Umwelt noch Menschen ausbeutet, eigentlich kein<br />
Nischenprodukt mehr. Vor zwei Jahren hat eine Studie der Fachzeitschrift<br />
Textilwirtschaft ergeben, dass mittlerweile 43 Prozent der Deutschen bereit sind,<br />
mehr Geld für nachhaltig produzierte Mode auszugeben. Doch das gewachsene
Interesse allein garantiert noch keine reibungslosen Abläufe in Produktion und<br />
Vermarktung.<br />
Magdalena Schaffrin weiß das. Sie war eine der ersten in Deutschland, die<br />
nachhaltige Mode und anspruchsvolles Design vereint hat. Seit mehreren Jahren<br />
organisiert sie im Hotel Adlon den Green Showroom, ein mittlerweile gut etabliertes<br />
Forum für nachhaltige Mode im Rahmen der Berliner Fashion Week. Schaffrins<br />
Green Showroom ist bislang die einzige grüne Modemesse, die zur Modewoche<br />
konstant präsent ist, während andere kommen und gehen. In diesem Sektor hat sie<br />
es hauptsächlich mit jungen Labels und unerfahrenen Modemachern zu tun: "Viele<br />
junge Designer müssen sich noch professionalisieren", sagt Schaffrin.<br />
Mode von Kaska Hass<br />
© Marie Löwenstein<br />
Wenn Neulinge zum Beispiel mit unrealistischen Verkaufserwartungen zum Green<br />
Showroom kämen, seien sie nach der Messe enttäuscht, denn es sei nicht einfach,<br />
im deutschen Modemarkt Fuß zu fassen. Nach Schaffrins Einschätzung wird sich das<br />
erst ändern, wenn sich einige nachhaltige Labels durchsetzen oder große<br />
Unternehmen in den Markt einsteigen. Letzteres sei aber vor allem im Hinblick auf<br />
die Preispolitik problematisch. Große Ketten kämen zwar auf lange Sicht an dem<br />
Thema Nachhaltigkeit nicht vorbei, bezahlten aber nach wie vor nicht konsequent<br />
genug für bessere Umwelt- und vor allem Arbeitsstandards auch mehr, sagt<br />
Schaffrin. Damit liegt es an den Branchenneulingen, den Sektor voran zu bringen.<br />
Nachhaltigkeit als Philosophie<br />
Eine Jungdesignerin, die momentan versucht, sich einen Namen zu machen, ist<br />
Katrin Wieschenkämper. Unter dem Label Kaethe Maerz vertreibt die Düsseldorferin<br />
Prêt-à-Porter-Mode aus Naturtextilien. Von der angeblichen Bereitschaft der<br />
Deutschen, mehr Geld für nachhaltige Mode auszugeben, bemerkt sie an ihrem<br />
Stand beim Berliner Umweltfestival nichts. Im Gegenteil. Die Passanten mustern<br />
erschrocken die Preisschilder: Eine Hose für 200 Euro?<br />
Wieschenkämper muss die Kunden nicht nur von ihren Entwürfen begeistern,<br />
sondern auch von der nachhaltigen Philosophie ihrer Mode. "Den Menschen ist<br />
einfach das Bewusstsein flöten gegangen, was Kleider in Wirklichkeit kosten", sagt<br />
sie. Dieses Bewusstsein wieder herzustellen ist der erste Schritt ihrer<br />
Verkaufsstrategie: Ihr Name soll bei potenziellen Kunden im Gedächtnis bleiben.<br />
Wenn die Käufer einmal beginnen umzudenken, dann werde auch der Umsatz<br />
kommen, hofft Wieschenkämper.<br />
Engpässe bei der Materiallieferung<br />
Kunden, die Öko-Mode kaufen, sind anspruchsvoller geworden. Sie erwarten nicht<br />
nur Qualität und ethische Standards, sondern auch ein gutes Design. Dem gerecht<br />
zu werden, ist jedoch komplizierter als bei herkömmlicher Mode. Designer wie Kaska
Hass haben Schwierigkeiten, innovative und hochwertige Stoffe in Bioqualität<br />
aufzutreiben.<br />
Zwei Bio-Seide-Hersteller, mit denen Hass bisher zusammengearbeitet hat, haben<br />
kürzlich Insolvenz angemeldet. Der Markt für nachhaltige Edel-Stoffe ist einfach noch<br />
zu klein. Auch Baumwolle in der gewünschten Qualität ist nicht leicht zu bekommen.<br />
Hass bemängelt besonders das Fehlen von Farbe. In Bio-Qualität sei hauptsächlich<br />
weiße und naturfarbene Baumwolle zu haben, sagt sie. So sei es schwierig, sich mit<br />
innovativem Design auf dem Markt zu etablieren.<br />
Diese Schwierigkeit sieht auch Magdalena Schaffrin. Zwar sei es mittlerweile<br />
technisch möglich, alle möglichen Farben und Qualitäten von Stoffen auch nachhaltig<br />
herzustellen, aber gerade bei kleineren Stückzahlen lohne es sich für<br />
Stoffproduzenten kaum, diese Verfahren auch einzusetzen: "Für viele Textilhersteller<br />
rechnet es sich erst dann, auf nachhaltige Produktion umzustellen, wenn ein großes<br />
Unternehmen beschließt, eine Bio-Kollektion heraus zu bringen", sagt Schaffrin.<br />
Katrin Wieschenkämper auf dem Stand ihres Labels Kaethe Maerz<br />
© Marie Löwenstein<br />
Für kleinere Labels ist es deswegen unabdingar, über die Jahre ein gutes Netz an<br />
Kontakten zu Produzenten zu knüpfen und zu pflegen. Wer als Neuling<br />
beispielsweise auf der Textilmesse Première Vision in Paris nach umweltfreundlich<br />
produzierten Stoffen sucht, muss sich auf lange Tage einstellen. Nur wenige<br />
nachhaltige Stoffe sind hier entsprechend gekennzeichnet. Da hilft nur von Stand zu<br />
Stand zu gehen und persönlich nachzufragen, welche Stoffe in Frage kommen.<br />
Die Großen der Branche kennen die Engpässe bei den Stoffen ebenfalls. Die<br />
Ressourcen an Bio-Baumwolle seien begrenzt, sagt Maximilian Lang,<br />
Geschäftsführer des Biomoden-Herstellers Hess Natur. Um Engpässe zu vermeiden,<br />
bezieht der Konzern seine Bio-Baumwolle aus eigenen Anbauprojekten. Nur durch<br />
vorausschauende Planung und langjährige Partnerschaften mit Organisationen und<br />
Bauern vor Ort habe es die Firma erreicht, dass es bei der Bio-Baumwoll-<br />
Beschaffung keine Lieferknappheit gebe, sagt Lang. Von der Farbherstellung bis zur<br />
Stoffbearbeitung hat Hess Natur in seiner 30-jährigen Firmengeschichte außerdem<br />
selbst grüne Alternativen zu vielen herkömmlichen Verfahren der Modeproduktion<br />
entwickelt.<br />
Hess Natur ist heute einer der wenigen erfolgreich etablierten Akteure der Branche:<br />
73 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet das Unternehmen nach eigenen Angaben<br />
jährlich. Mit dem Nachwuchsdesignpreis Humanity in Fashion gibt Hess Natur jungen<br />
Modemachern die Chance, vom Wissen des Pioniers zu lernen und gleichzeitig die<br />
eigenen Designideen umzusetzen, ohne alles selbst organisieren zu müssen. Für<br />
viele andere Neulinge im Sektor der nachhaltige Mode ist es bis dahin noch ein<br />
langer Weg. Kaska Hass ist fürs erste einfach froh, dass ihre Kollektion den Berliner<br />
Regen überlebt hat.