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Erlebte Geschichte – Obdach einst – Zeitzeugen berichten

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„<strong>Erlebte</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>–</strong> <strong>Obdach</strong> <strong>einst</strong> <strong>–</strong> <strong>Zeitzeugen</strong> <strong>berichten</strong>“<br />

3. Beitrag: NEUBÖCK - <strong>Zeitzeugen</strong>bericht von<br />

Ministerialrat i.R. Prof. Dr. Rupert Zimmermann<br />

Hilfe und Beistand erhielten die<br />

Initiatoren vom größten Privatsammler<br />

und Mäzen des Malers Max Neuböck,<br />

Herrn Ministerialrat i.R.Prof.Dr. Rupert<br />

Zimmermann.<br />

Er überließ mir nach der Ausstellung auch<br />

den wertvollen <strong>Zeitzeugen</strong>bericht.<br />

Ich bedanke mich sehr herzlich für die<br />

Bereitstellung der Fotodokumente durch<br />

die Familie Zimmermann.<br />

Anneliese Köstenberger<br />

Vom 23. September bis 27. Oktober 1995<br />

organisierten Frau Margit Neuböck und<br />

Herr Gottfried Günter Lackner die wohl<br />

umfassendste Ausstellung des gebürtigen<br />

<strong>Obdach</strong>er Bildhauers PETER<br />

NEUBÖCK (Päpstliches Ehrenkreuz pro<br />

Ecclesia et Pontifice) sowie seiner<br />

ebenfalls künstlerisch tätigen Söhne<br />

MAX (Maler und Staatspreisträger),<br />

WALTER und HANNS (Bildhauer) in<br />

der Zirbenlandgalerie Haus Köstenberger<br />

in <strong>Obdach</strong>.<br />

Gezeigt wurden nebst ca. 20 Originalen<br />

der Bildhauer noch ca. 60 Arbeiten des<br />

Malers Max Neuböck in verschiedensten<br />

Techniken sowie eine aussagekräftige<br />

Foto <strong>–</strong> Dokumentation, die mit viel<br />

Engagement und fachlichem Wissen von<br />

Frau Margit Neuböck und Herrn Günter<br />

Lackner für ein interessiertes Publikum<br />

zusammengestellt wurden.<br />

Ehrenbürger Drogist Ernst Schwartz, Dr. Edith<br />

Zimmermann, MR i.R. Prof.Dr. Rupert Zimmermann,<br />

LH Dr. Josef Krainer, Abt Schlömicher


Am 16. Mai 1995 schrieb Ministerialrat Dr. Zimmermann an Herrn Landeshauptmann Dr. Josef<br />

Krainer, den er seinen „Ziehsohn“ nannte:<br />

Lieber Joschi!<br />

LH Dr. Josef Krainer, Kulturreferent der Stmk. Landesregierung,<br />

eröffnete im Haus Köstenberger in <strong>Obdach</strong> die Neuböck-Ausstellung<br />

„Wie Du Dich vielleicht noch aus der Zeit im Landesschülerheim in der<br />

Schießstattgasse erinnern wirst, habe ich zu Weihnachten 1946 meine<br />

aus <strong>Obdach</strong> stammende Frau Erna Neuböck geheiratet. Dieser sehr<br />

alten Bürgerfamilie entstammte ein künstlerischer Zweig aus der<br />

steierische Kirchenbildhauer Peter Neuböck (1855-1928, viele<br />

Kirchenausstattungen, die Domherrengruft, das Kriegerdenkmal am<br />

Grazer Dom uam.), dessen Söhne Max Neuböck (1893-1960,<br />

bedeutender Landschafts- und Genremaler) und Walter Neuböck (1895-<br />

1969, Bildhauer und Restaurateur, Kopist der berühmten Admonter<br />

Madonna uam.) entstammen.“<br />

Die Die steirische steirische Künstlerfamilie Künstlerfamilie Peter, Peter, Max Max und und Walter Walter Neuböck Neuböck aus aus <strong>Obdach</strong><br />

<strong>Obdach</strong><br />

Im Hause der in <strong>Obdach</strong> seit über zwei Jahrhunderten nachgewiesenen Familie Neuböck wurde im<br />

Jahre 1855 dem Gemeindesekretär, Haus- und Grundbesitzer Franz Neuböck, vulgo Steinmayr, der<br />

Sohn Peter Neuböck geboren. Seine Mutter war eine geborene Stubenreich.<br />

Sein älterer Bruder Franz, ebenfalls Gemeindesekretär und<br />

Diurnist, zur damaligen Zeit ein Rechtskundiger ohne<br />

Universitätsstudium, hat nach dem Ableben des Vaters den<br />

väterlichen Besitz am Hauptplatz in <strong>Obdach</strong> übernommen.<br />

Die Familie Neuböck war etwa von 1460 <strong>–</strong> 1525 als Besitzer des<br />

Radwerkes Nr. 8 in Vordernberg tätig gewesen und hat ihren<br />

Betrieb, der offenbar unergiebig geworden war, an die Leobener<br />

Communität verkauft. Vermutlich ist ein Teil der Familie<br />

irgendwann nachher in den Raum <strong>Obdach</strong> übersiedelt, wo es<br />

ebenfalls Eisenschmelzbetriebe und Hammerwerke gab. Da zu den<br />

Schmelzöfen auch der obertägige Abbau des eisenhältigen Gesteins gehörte und diese Steinbrüche<br />

eigentums- und bergrechtlich zu überwachen waren, ist der Begriff des Steinmeisters oder Steinmayrs,<br />

wie das von den Neuböcks bewohnte Haus im Vulgonamen noch heute heißt, vermutlich damit in<br />

Zusammenhang zu bringen.<br />

Peter Neuböck, in diesem Hause geboren, besuchte die Pfarrschule in <strong>Obdach</strong> und beendete sie <strong>–</strong><br />

wie damals für Volks- oder Trivialschule üblich <strong>–</strong> mit 12 Jahren.<br />

Schon sehr früh zeigten sich bei ihm Interesse und Talent für<br />

Holzschnitzarbeiten, Zeichnen und Modellieren, weshalb ihn sein<br />

Vater bei dem damals schon bekannten Bildhauer Jakob Gschiel am<br />

Grießplatz in Graz in die Bildhauerlehre gab. Peter Neuböck war ein<br />

stiller Bub, der wie alle Lehrlinge der damaligen Zeit auch im<br />

Haushalt seines Meisters die häuslichen Hilfsarbeiten neben seiner<br />

Bildhauerausbildung zu verrichten hatte.<br />

Das „Gschielhaus“, unmittelbar hinter dem Grießplatz in Graz, ist<br />

heute als Privatmuseum über diesen Bildhauer und seinen Kreis<br />

eingerichtet. Jakob Gschiel, der aus der nördlichen Oststeiermark<br />

stammte, besaß einen größeren Bildhauerbetrieb mit Lehrlingen, die<br />

bei ihm im Hause lebten und Gesellen; er arbeitete überwiegend für<br />

Ölgemälde von Max Neuböck <strong>–</strong> Vater Peter<br />

den sakralen Bereich.


Es war die Zeit des Historizismus, der sich an alte, vorwiegend mittelalterliche Vorbilder anlehnte und<br />

an modernen internationalen Entwicklungen wenig Anteil hatte. Die kirchlichen und weltlichen<br />

Auftraggeber waren dem Zeitgeschmack verhaftet, der in den damals vorherrschenden historisierenden<br />

Reminiszenzen des Kaiserhauses unter dem jungen Kaiser Franz Josef seine stärkste Förderung<br />

empfing.<br />

Mit Peter Neuböck lernte damals auch der steirische Bildhauer Hans Brandstetter bei Gschiel, und<br />

der jüngere steirische Bildhauer Hans Gösser war zugleich der uneheliche Sohn von Hans<br />

Brandstetter.<br />

Peter Neuböck, ein unerhört fleißiger und gewissenhafter, stark in sich zurückgezogener Künstler,<br />

zählte zum Freundeskreis um Peter Rosegger, der im Hause Gschiel aus<br />

und ein ging. Die Freundschaft mit Brandstetter, Gösser und dem um vieles<br />

jüngeren Maler Josef Dobrowsky, der ihn im Jahre 1918 portraitierte,<br />

pflegte er bis an sein Lebensende. Seine Vorliebe galt dem<br />

Holzschnitzwerk. Das Fassen, das heißt Vergolden und Bemalen der<br />

Figuren, lernte er im Hause Gschiel nicht. Das besorgte meist eine andere<br />

Werkstätte, die nach dem herrschenden Zeitgeschmack der Post-Nazarener<br />

die Figuren nicht selten durch kitschig-süßliche Farbgebungen eher<br />

verunstaltete.<br />

Peter Neuböck ließ seine Skulpturen vorwiegend durch den Vergolder<br />

Sirach in Graz fassen. Sirach war es auch, der den diversen Pfarrern<br />

neoromanische, neugotische oder neubarocke Altäre oder auch nur einzelne<br />

Figuren einredete, wodurch er sich oft zum Auftraggeber und als<br />

Zwischenhändler zum Preisdrücker für den jeweiligen Bildhauer<br />

entwickelte. Die Qualitätsvolle Bildhauerarbeit der <strong>Obdach</strong>er Pieta, die<br />

Peter Neuböck vor rund 100 Jahren seiner Taufkirche in <strong>Obdach</strong> stiftete und ihre inzwischen zum<br />

Glück gealterte Fassung sind ein gutes Beispiel für diese künstlerisch eher nachteilige Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Bildhauer und Sirach.<br />

Pietá, Johanneskapelle <strong>Obdach</strong><br />

Nach Jahren intensiver Arbeit gelang es Peter Neuböck im Jahre 1886 ein großes, ganz im alten Stil<br />

eingerichtetes Bildhaueratelier in der Rechbauerstraße in Graz zu beziehen, das er bis zu seinem<br />

Ableben im August 1928 zum Mittelpunkt seines Lebens machte. Zu Anfang der Neunzigerjahre des<br />

vorigen Jahrhunderts, schon im vorgerückten Lebensalter, heiratete er eine junge Frau aus<br />

Radkersburg, die einen unehelichen Buben in die Ehe mitbrachte und den Peter Neuböck als seinen<br />

Sohn Hanns adoptierte und an Kindesstatt annahm. Aus dieser Ehe entsprossen die leiblichen Söhne<br />

Maximilian (Max) und Walter Neuböck. Beide hatten die künstlerische Begabung ihres Vaters<br />

geerbt.<br />

Max, geboren 1893 und Walter, geboren 1895 begannen schon früh in der Werkstätte ihres Vaters zu<br />

arbeiten, was auch für ihren Halbbruder Hanns galt, der aber niemals das gleiche künstlerische Können<br />

wie Max und Walter erreichte.<br />

In der Zeit bis zum Beginn des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 war Peter Neuböck mit vielen<br />

kirchlichen und profanen Aufgaben eingedeckt.<br />

Zum Beispiel sind in den damaligen Kirchenneubauten in der Steiermark, in Niederösterreich, selbst in<br />

Böhmen und Mähren, eine Reihe neuer Statuen von Peter Neuböck zu finden. Meist weiß man heute<br />

gar nicht mehr von wem sie stammen. In der neuerrichteten Pfarrkirche Weißkirchen/Judenburg zum<br />

Beispiel sind große Altäre mit überlebensgroßen Statuen von Peter Neuböck ausgestattet worden.<br />

Dasselbe gilt auch für eine schöne Christusstatue für das bischöfliche Ordinariat in Graz. Eine große<br />

Anzahl von ihm im Laufe der Jahre geschaffenen Ton-Bozzettos als Vorlage für neoromanische,<br />

neugotische, neobarocke und neoklassische Figuren bevölkerte sein großes Bildhaueratelier in der<br />

Rechbauerstraße. Das große steinerne Kriegerdenkmal in Form eines Flachreliefs an der Außenwand<br />

der Grazer Domkirche und Arbeiten an der Domherrengruft geben Zeugnis von seinem guten Ruf als<br />

bildender Künstler. Für diese Arbeiten wurde ihm das päpstliche Ehrenkreuz pro Ecclesia et<br />

Pontifice verliehen.


Ihm zu Ehre wurde viele Jahre nach seinem Tod vom Gemeinderat der Stadt Graz in St.Peter der<br />

„Peter Neuböck-Weg“ nach ihm benannt.<br />

Seine Söhne Max und Walter Neuböck gestalteten das Bronzerelief auf seinem Grabstein.<br />

Nach seinem Ableben übernahm das große Atelier sein geschäftlich zwar tüchtiger, künstlerisch aber<br />

unbedeutender Adoptivsohn Hanns Neuböck, der den jüngsten Halbbruder Walter, ein<br />

außerordentlich stiller, liebenswürdiger, ausschließlich seiner Kunst als<br />

Bildhauer und gefragter Restaurator lebender, gutmütiger und etwas<br />

weltfremd gebliebener Künstler als gering bezahlte Kraft bei sich<br />

beschäftigte. Allerdings nur so lange, bis Walter Neuböck sich aus<br />

eigener Kraft ein kleines Haus mit Atelier in St.Peter bei Graz<br />

erarbeitete.<br />

Walter<br />

Damals war er auch freiwilliger Mitarbeiter des Erhaltungsvereines der<br />

Burgruine Gösting/Graz. Einen kleinen Teil der umfangreichen<br />

Bozzetto-Sammlung seines Vaters konnte Walter übernehmen.<br />

Ab diesem Zeitpunkt arbeitete Walter, der auch die Kunst des Fassens erlernt hatte, vorwiegend als<br />

Restaurator sakraler und profaner Kunstwerke für Auftraggeber aus ganz Steiermark.<br />

Selbstverständlich schnitzte er nach alten Vorlagen und eigenen Entwürfen auch eine Unzahl neuer<br />

Figuren, wobei er am liebsten das Holz alter, abgestorbener Zirben aus der Umgebung der „Maria in<br />

der Zirm“ vom Zirbitzkogel verarbeitete.<br />

Von ihm waren komplette Weihnachtskrippen ebenso begehrt wie Barockengel oder Rokoko-Luster in<br />

allen Größen. Ebenfalls im vorgerückten Alter heiratete Walter Neuböck, und weil dieser Ehe kein<br />

eigenes Kind entspross, adoptierte er aus der Verwandtschaft seiner Frau einen Knaben im<br />

Säuglingsalter, dem er auch seinen Vornamen gab.<br />

Die besondere Wertschätzung, die Walter Neuböcks Kunst in kirchlichen Kreisen genoss, mag wohl<br />

an seiner schwierigsten Aufgabe, der Kopie der lebensgroßen und zugleich berühmten „Admonter<br />

Madonna“ aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts ersichtlich werden. Das hochgotische Original musste<br />

in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren vom Stift Admont an das Joanneum<br />

in Graz verkauft werden.<br />

Der Verlust dieses großartigen Kunstwerkes war für die Bevölkerung Admonts ein schwerer Schlag.<br />

Nachdem Walter Neuböck bereits verschiedene Bildhauerarbeiten und Restaurierungen für das Stift in<br />

ganz hervorragender Weise durchgeführt hatte, trat der damalige „Kunstpapst“ des Stiftes, Pater Dr.<br />

Krause zu Beginn der 50-er Jahre an Walter Neuböck heran, eine Kopie 1:1 der „Admonter<br />

Madonna“ in Format und Ausstattung herzustellen.<br />

Das sich das Joanneum weigerte, seine Madonna für eine Kopie zur Verfügung zu stellen und Walter<br />

Neuböck in den dortigen Räumen nicht arbeiten durfte, war er gezwungen, die Kopie nur an Hand von<br />

Fotos und eigener Erinnerung in seinem Atelier herzustellen. Das gelang ihm so hervorragend, dass die<br />

„Admonter Madonna“, nach feierlicher Hereinholung, Aufstellung und Segnung, heute allgemein für<br />

das Original gehalten und verehrt wird. Der überschwengliche Dank durch das Admonter Capitel für<br />

das gelungene Werk verschönte seine letzten Lebensjahre. Eine ähnliche Leistung vollbrachte er bei<br />

der Restaurierung des etwa 50 cm hohen und breiten Modells aus Lindenholz für den Hochaltar des<br />

Gurker Domes, den der weltberühmte Bildhauer Raphael Donner ausführte. F<strong>einst</strong>e Ziselierarbeiten<br />

am Modell waren zu ergänzen und unzählige Bruchstücke waren zu restaurieren.<br />

In eingeweihten Fachkreisen war Walter Neuböck, der sich am liebsten in ein Kloster zurückgezogen<br />

hätte, um, wie der berühmte Bildhauer Balthasar Stammel, nur seiner Kunst zu leben, nicht nur sehr<br />

geschätzt, sondern auch entsprechend gefragt. Weil er kaufmännisch wenig talentiert war, war ihm bis<br />

zu seinem Ableben im Jahre 1969 nur ein bescheidenes, dafür aber erfülltes und zufriedenes Leben<br />

beschieden.


Neben seinem Vater war dessen erster leiblicher Sohn Maximilian (Max) Neuböck (1893 <strong>–</strong> 1960) <strong>–</strong><br />

wie sein Bruder Walter ebenfalls in Graz geboren -, künstlerisch<br />

zweifellos die hervorstechendste Erscheinung in dieser Familie.<br />

Ursprünglich als Bildhauer ausgebildet, wendete er seine Liebe und sein<br />

Interesse der Malerei, Zeichnung und Radierung zu. Sein erstes<br />

Selbstportrait in Ölfarbe malte er mit sechzehn Jahren noch im Atelier<br />

seines Vaters in Graz.<br />

Im Jahre 1918 übersiedelte er nach Wien, wo er einige Semester an der<br />

Akademie der Bildenden Künste studierte, sich aber von dort abwandte,<br />

um in Hinkunft als freischaffender Künstler zu leben.<br />

Er war vom vorherrschenden Traditionalismus in seiner väterlichen<br />

Umgebung geprägt, versuchte sich aber, der Zeitströmung gemäß, auch<br />

in den Formen des Jugendstils, der aber nach dem 1. Weltkrieg nur noch<br />

in seiner Endphase vorhanden war. Nachhaltige internationale<br />

Erfahrungen, wie er sie in Paris oder München hätte holen können,<br />

blieben ihm verschlossen.<br />

Max - ein Jahr vor seinem Ableben<br />

Als junger, noch unbekannter Künstler, der sich den traditionell agierenden Malern und Bildhauern des<br />

Wiener Künstlerhauses angeschlossen hatte, war er auf der Suche nach einer modernen<br />

Gegenständlichkeit. Durch seine bildhauerische Ausbildung und der damit verbundenen<br />

dreidimensionalen Sehweise gelang es ihm, im zweidimensionalen Bild eine gewisse Plastizität und<br />

Körperlichkeit der jeweils dargestellten Gegenstände, Häuser und selbst Landschaften<br />

hineinzubringen. Auch war seine Farbpalette gemäß dem damals vorherrschenden Zeitgeschmack eher<br />

dunkel und relativ wenig leuchtend gehalten, während die Farben bei seinem ersten Selbstportrait noch<br />

viel leuchtender waren.<br />

Dadurch, dass Max Neuböck als Kind eine Kinderlähmung erlitten hatte, war seine linke Körperhälfte<br />

Zeit seines Lebens etwas behindert. Das betraf sowohl sein linkes Bein als auch seine linke Hand. Er<br />

war deshalb im 1. Weltkrieg auch nicht eingezogen gewesen. Um seine Beschwerden etwas zu lindern,<br />

und auch um neue Eindrücke zu gewinnen, fuhr er in der 1. Hälfte der Zwanzigerjahre mehrmals zur<br />

Insel Losinj an der oberen Adria, wo er seine Frau, die aus Lodz/Polen gebürtige Nina Wayland,<br />

kennenlernte. Sie entstammte einer gut situierten jüdischen Bürgerfamilie, denn ihr Vater war Direktor<br />

eines großen Textilbetriebes in Lodz.<br />

Die Heirat mit Nina im Jahre 1924, deren Familie ihn wie einen Sohn aufnahm und auch förderte,<br />

befreite ihn zweifellos von den drückendsten finanziellen Sorgen, wodurch sein<br />

Kunstschaffen einen enormen Auftrieb erhielt. Seine Atelierwohnung in der<br />

Kirchengasse 31 im 7. Wiener Gemeindebezirk wurde großzügig ausgestaltet. Max,<br />

der das Leben der Boheme mit Nina in vollen Zügen genoss, war schon frühzeitig<br />

zum Kreis der Künstlervereinigung „Alte Welt“ gestoßen, die ihren Namen von<br />

einer Gaststätte herleitete, in der sich die Künstler trafen, bevor sie ihr eigenes<br />

Nina<br />

Haus in der Windmühlgasse im 6. Wiener Gemeindebezirk bezogen. Max Neuböck<br />

wurde bald eine der tragenden Säulen dieser Vereinigung. Lange vor ihm war auch<br />

der Maler Egger-Lienz Mitglied der „Alten Welt“.<br />

Nina, die schöne, zierliche, lebenslustige junge Frau, auf die Max sehr stolz war, bildete schon bald<br />

den belebenden Mittelpunkt dieses Künstlerkreises. In dieser Zeit entwickelte sich Max Neuböck zu<br />

einem gefragten Porträtisten, wovon es viele Zeugnisse gibt. Besonders seine Röthelzeichnungen<br />

waren bekannt, weshalb die Albertina in Wien mehrere Arbeiten von ihm erwarb.


Die jährlich stattfindenden großen Künstlerbälle der „Alten Welt“ waren stets gut besucht und<br />

zugleich ein künstlerisches Ereignis. Einmal trat dort seine Frau Nina an einem ägyptischen Ballabend<br />

als Königin Nofretete auf und erntete viel Beifall; Max gestaltete ihr Krone und Kostüm.<br />

Bereits in der 2. Hälfte der Zwanzigerjahre hatte Max Neuböck einen kleinen, aber erlesenen Kreis<br />

von Sammlern seiner Werke gewonnen. Darunter war die Lederfirma Gibiser aus Graz und vor allem<br />

der damalige Direktor des Hotel Panhans am Semmering und spätere Direktor des Wirtschaftsverlages,<br />

Hans Janusch, der selbst in den schwersten Zeiten bis zum Ableben Maxens ein guter und hilfreicher<br />

Freund für den Maler war.<br />

Dem Künstlerclub „Alte Welt“ gehörten vorwiegend ältere Künstler an. So war zum Beispiel der<br />

Maler des Staatsvertragsbildes, Robert Fuchs, ein maßgebliches Mitglied. Der Maler Mold, Janesch,<br />

Watzig sowie der Bildhauer Hofmann, der Nina vor 1939 ständig den Hof machte, und eine ganze<br />

Reihe anderer Künstler oder solche, die sich dafür hielten, waren ordentliche Mitglieder. Daneben gab<br />

es Kooptierte und Förderer. Radikale Modernismen waren dort verpönt und verachtet. Friedensreich<br />

Hundertwasser zum Beispiel oder die Gruppe der Wiener fantastischen Realisten wurden entschieden<br />

abgelehnt. Lediglich deren altmeisterliche Maltechnik wurde beachtet. Die extreme Moderne durfte in<br />

dieser Verbindung gar nicht erst Fuß fassen, denn man fühlte sich der Tradition verpflichtet. Der<br />

Geschmack, der im 3. Reich dominierte, war vorherrschend, denn ein Großteil dieser Künstler hatte<br />

damals gute Verkaufserfolge.<br />

Max mit Familie Zimmermann<br />

Max Neuböck, der sich laufend an den großen<br />

Kunstausstellungen des Wiener Künstlerhauses beteiligte,<br />

hatte bei einer Kunstaustellung des Jahres 1936 in München<br />

den für ihn etwas zweifelhaften Erfolg, dass über Befehl<br />

Hitlers sein Bild „<strong>Obdach</strong>“ für das Haus der Deutschen<br />

Kunst angekauft wurde. Es zeigte alte Bauernhäuser rund<br />

um die „Zechnerkeusche“ und wurde später im<br />

verkleinerten Format als Farbradierung in größerer Auflage<br />

hergestellt.<br />

Infolge der großen Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre<br />

in Verbindung mit den bürgerkriegsähnlichen Zuständen<br />

des Jahres 1934 in Österreich, zog Nina in ihr Elternhaus<br />

nach Polen zurück, nachdem es zwischen Max und ihr zu<br />

einer gewissen Entfremdung gekommen war.<br />

Die finanziellen Schwierigkeiten dieser Notzeit und beider freies Leben in der Boheme hatten dazu<br />

geführt, ohne dass man gleich an Scheidung dachte.<br />

Max stürzte sich daraufhin in eine große Griechenland- und Türkeireise, von der er viele Bilder<br />

und Zeichnungen nachhause brachte. Desgleichen malte er in <strong>Obdach</strong> und Dalmatien. Gerade <strong>Obdach</strong>,<br />

die Heimat seines Vaters, die dalmatinische Küste und ihre Inselwelt sowie die Wachau waren<br />

mehrfach sein Ziel. In Wien fand er seine Modelle für Akt- oder Porträtstudien auch bei Tänzerinnen<br />

der Wiener Staatsoper. Winterbilder waren seine große Stärke. Aber auch die Arbeitswelt gestaltete er<br />

in größeren Zyklen. Die aufgelassene Lederfabrik Steiner in Graz, die Österreichischen Salinen und<br />

die Böhlerwerke in Kapfenberg wurden mit solchen Zyklen ausgestattet. Daneben gab es eine große<br />

Zahl von Ölgemälden und Röthelzeichnungen, deren Eigentümer erst zum Teil eruiert werden konnte.<br />

So kaufte zum Beispiel der ehemalige Bürgermeister von Graz, Prof.Dr. Eduard Speck, ein schönes<br />

Ölbild von <strong>Obdach</strong>, das die alte Befestigung mit dem Eckturm im Norden zeigt. Der steirische<br />

Komponist Dr. Josef Marx bestellte schon in den Zwanzigerjahren ein Tryptichon von Max Neuböck.<br />

Die Landeshypothekenanstalt in Graz besitzt ein schönes Bild aus einem der <strong>Obdach</strong>er Zyklen.<br />

Offenbar mangels Geld und dem fehlenden Verständnis für Kunst in <strong>Obdach</strong> sind außerhalb des<br />

Hauses Neuböck nur ganz wenige Arbeiten von Max Neuböck verblieben. Max hat das stets sehr<br />

bedauert.


Im Einvernehmen mit Nina führte Magdalena Ernstthaler aus Schladming ab 1934 bis zu ihrem<br />

Ableben im Jahre 1953 den Haushalt von Max. Sie war der gute Geist, der die Finanzen und den<br />

Haushalt des Künstlers in Ordnung hielt und Max die nötige Freiheit für seine Arbeiten und sein freies<br />

Leben sicherte. Magda Ernstthaler war auch an der Organisierung der Künstlerfeste der „Alten Welt“<br />

maßgeblich beteiligt.<br />

Durch ihr Wirken hatte Max keine finanziellen Sorgen, denn sie führte über alle Einnahmen und<br />

Ausgaben sehr gewissenhaft Buch und wachte über sein Wohlergehen. Max Neuböck war in dieser<br />

Zeit durchaus gut situiert.<br />

Im Jahre 1937 kamen Max und seine Frau Nina einvernehmlich überein, sich scheiden zu lassen,<br />

wobei sie in Zukunft aber weiterhin als Freunde leben wollten, und jeder dem anderen seine Freiheit<br />

lassen sollte. Somit wurde die Scheidung eingereicht, obwohl Max innerlich noch sehr an seiner Frau<br />

hing, was ihn aber nicht hinderte, jederzeit freizügig auch mit anderen Frauen zu verkehren.<br />

Im Jänner 1938, zwei Monate vor dem Einmarsch Hitlers in Österreich, wurde die einvernehmliche<br />

Scheidung in Wien ausgesprochen.<br />

Nina Neuböck war als Jüdin ab März 1938 plötzlich zur polnischen Ausländerin geworden und konnte<br />

sich nur noch als Besucherin in Wien aufhalten. Jeder rechtliche Schutz für sie war durch den<br />

voreiligen Scheidungsakt aufgehoben. Die Auseinandersetzungen Hitlers mit Polen und die damit<br />

verbundene Kriegsgefahr machten im Jahre 1939 einen für beide letzten Besuch in Wien erforderlich.<br />

Bei dieser Gelegenheit fertigte Max ein letztes Ölportrait von Nina, die ihm häufig Modell gestanden<br />

hatte, an, das er nach der Fertigstellung im Herbst 1939 nach Polen nachsenden sollte. Dazu kam es<br />

durch den am 1. September 1939 ausgebrochenen 2. Weltkrieg nicht mehr, weil Nina mit ihrer Familie<br />

unauffindbar war. Nach seinen jahrelangen Recherchen erfuhr Max lediglich, dass Nina mit ihren<br />

Eltern aus Lodz nach Litauen deportiert worden sei, wo sich ihre Spur verlor. Sie ist mit größter<br />

Wahrscheinlichkeit durch die verbrecherische Ausrottung der Juden durch die Nazis mit dem Großteil<br />

ihrer Familie umgekommen. Lediglich einigen Mitgliedern der Familie Wayland war die Flucht in die<br />

Schweiz geglückt. Aus Pietät für seine große Liebe und ihr tragisches Schicksal blieb dieses Bild<br />

unverkäuflich und soll nach dem Willen von Max Neuböck immer in der Familie bleiben.<br />

Einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg zog es Max wieder an die<br />

dalmatinische Küste. Hier malte er vor allem auf der Insel Losinj, wo<br />

er Nina kennengelernt hatte, in Rijeka, der Halbinsel Peljesac, auf<br />

den Inseln Korfu und Vis, dem ehemaligen Lissa. Die weit<br />

vorgelagerte Insel Vis war zwar militärisches Sperrgebiet, doch<br />

gelang es Max dennoch dort zu malen und die mediterrane<br />

Atmosphäre sehr gut einzufangen. Im Gegensatz zu seinen früheren<br />

Perioden wurde nun seine Farbpalette zunehmend heller und leichter.<br />

Auch sonst verdichtete sich sein Stil, indem er mit seinen Motiven<br />

viel freier umging. Sein Ruf als Porträtist war ungebrochen, weshalb<br />

er den ehrenvollen Auftrag erhielt, den ersten<br />

Rechnungshofpräsidenten der 2. Republik und 2. Ehegatten der<br />

Fürstin Elisabeth Windischgrätz, die ihrerseits eine Tochter des Kronprinzen Rudolf war, Franz<br />

Petznek, zu portraitieren. Er erhielt Aufträge für Schauspielerporträts, vor allem aber waren es seine<br />

Röthelzeichnungen, die begehrt waren. Zu Anfang der Fünfzigerjahre malte Max Neuböck ein letztes<br />

Mal nach der Natur in <strong>Obdach</strong>. Im Anschluss daran gab es nicht nur die jährlich stattfindenden<br />

Ausstellungen des Künstlerhauses Wien, sondern auch eine große Personalausstellung für ihn in den<br />

Räumen des neuerbauten Künstlerhauses in Graz, seiner und seines Bruders Walter Neuböck<br />

Geburtsstadt.<br />

Wegen seiner schweren Erkrankung an einem Lungenkarzinom infolge starken Rauchens verlegte er<br />

sein Schaffen verstärkt auf Stilleben, was ihm ein Malen nach der Natur, häufig bei schlechten<br />

Witterungsbedingungen, ersparte. Im Jahre 1956 wurde an ihm eine Lungenoperation vorgenommen.


Erna u. Max<br />

In dieser Situation, wohl unter dem Eindruck einer begreiflichen Torschlusspanik, vermählte er sich<br />

mit der jungen Tänzerin Hedy Jarosch, die schon zuvor öfter Modell für seine Arbeiten war.<br />

Mangels gegenseitiger Zuneigung und Verweigerung der jungen Frau, die häufig auf Tournee war,<br />

kam es noch 1958/59 zur Scheidung dieser vorschnell geschlossenen Ehe. Während seiner schweren<br />

Erkrankung war Max Neuböck gezwungen gewesen, aus seinem Besitz wertvolle antike Möbel und<br />

Kunstgegenstände zu verkaufen. Lediglich seine treuen Sammler und Anhänger standen ihm in den<br />

Jahren bis zu seinem Ableben im Mai 1960 auch finanziell zur Seite. Über seinen Nachlass zugunsten<br />

seiner Geschwister verfügte er noch bei Lebzeiten, worin auch die Errichtung einer würdigen<br />

Grabstätte auf dem Baumgartner Friedhof in Wien inbegriffen war.<br />

Über die künstlerische Bedeutung dieses mit einem Staatspreis ausgezeichneten, vor allem in der<br />

technischen Ausführung sehr qualitätsvollen Malers, Zeichners und Radierers, von dem nur selten<br />

Werke im Kunsthandel auftauchen, weil sich ihre Besitzer nur ungern von ihnen trennen, werden sich<br />

die Kunstexperten und Kunsthistoriker noch längere Zeit zu befassen haben.<br />

Die Zeit seines Lebens von ihm bevorzugte Gegenständlichkeit war in den letzten 50 Jahren<br />

unterschiedlichen Bewertungen unterworfen. Zur abstrakten Darstellung hatte Max Neuböck keinen<br />

Zugang gefunden. Sein negatives Urteil darüber konnte mitunter sehr schroff ausfallen. Umgekehrt<br />

fanden Malerkollegen seinen eher schamhaft wirkenden Umgang mit dem weiblichen Akt manchesmal<br />

ein wenig prüde, obwohl es auch hier Ausnahmen gibt.<br />

Die Bewegung der Wiener Schule des fantastischen Realismus hat er nur mehr periphär<br />

wahrgenommen. Moderne internationale Kunstbewegungen hatten auf ihn nur einen sekundären<br />

Einfluss. Wichtig war ihm einzig die qualitätsvolle Wiedergabe von Menschen, Landschaften und<br />

Gegenständen; seine Verschachtelungen erinnern entfernt an kubistische Anklänge, was er auch offen<br />

zugab. Erst in seinen beiden letzten Lebensjahren begann er sich mit der abstrahierenden Maskenkunst<br />

des schwarzafrikanischen Kulturkreises zu befassen, wozu er ein von ihm selbst entwickeltes<br />

Verfahren zur Herstellung solcher Masken aus Papiermache anwendete.<br />

Das Faszinosum, das von dieser Volkskunst ausging, beschäftigte ihn lebhaft und wäre<br />

möglicherweise zu einem neuen Ansatz für seine malerische Tätigkeit geworden.<br />

Überblickt man das Lebenswerk der drei aus der<br />

Familie Neuböck hervorgegangenen<br />

Künstlerpersönlichkeiten, so ist festzuhalten, dass alle<br />

drei das Leben in der von ihnen gewählten Kunstform<br />

einzig und allein bestimmend war. Ihr ordneten sie ihr<br />

ganzes Leben unter. Der fanatische Arbeitseifer als<br />

Künstler war allen drei immanent. Sie haben, wenn<br />

auch überwiegend traditionellen Kunstformen<br />

verpflichtet, einen bedeutenden Beitrag zu Kunst und<br />

Kultur unseres Landes geleistet.<br />

Die Marktgemeinde <strong>Obdach</strong> als Wiege ihrer Herkunft darf stolz auf sie sein. An künftigen<br />

Kunsthistorikern und objektiven Kritikern wird es liegen, ihren endgültigen Stellenwert, den viele<br />

ihrer Zeitgenossen hoch einschätzen, für die Nachwelt zu sichern und gerecht einzuordnen.

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