aia 1 pdf - Slavko Kacunko

(wie alle anderen auch) soziale Beziehungen herstellen, Beziehungen des
Blicks, Beziehungen der Performance, Möglichkeiten der Fiktion.
Im Juli 1994 (Dreams’ Winter) liefen Performer das Rund des Lesesaals
der Zentralbibliothek von Manchester entlang, kletterten auf die
Tische, riefen in die weitläufige Kuppel, warteten auf das Abklingen des
Echos. Nicht gerade das, was man in einer Bibliothek tun sollte, sondern
eher, was man dort gerne tun würde – eine Art Eingriff ›gegen‹ das Alltägliche
dieses Raums, eine Umkehrung seiner Funktion, und, in gewisser
Weise, jedenfalls aus unserer Sicht, eine Voodoo-Transformation. Was
sagte der Bibliotheksdirektor nach der ersten Performance dieses Stücks?
Daß das Gebäude nun nie mehr ganz dasselbe sein würde. Wir nahmen
diesen Kommentar wörtlich. Zumindest in dem Sinne, in dem die Dusche
nach Psycho nicht mehr diesselbe ist.
In einer belebten Straße
läßt es sich gut innehalten und denken, man sei verliebt
In der Arbeit mit Hugo Glendinning setzten wir diesen Dialog mit den
Räumen und Städten, in denen wir lebten und arbeiteten, fort – wir benutzten
die reale Welt als eine Serie durchscheinender fotografischer
Hintergründe, die Unterführungen in der Nähe unseres Probenraumes
als zeitweiliges Filmset. Indem wir flüchtige Eingriffe in einem vor allem
aus Beton bestehenden Kontext vornahmen, sahen wir Performance und
Fotografie als eine Art transformatorische Magie, als Voodoo der chemischen
Zusammensetzungen. Die Straßen sind nicht mehr dieselben, nachdem
du in ihnen gespielt hast, dich manifestiert hast, auf dem Parkplatz
am Stadtrand – Julian Maynard Smith2 beschrieb es mir einmal als ›die
fiktionalen Teile unseres Selbst‹.
2. Julian Maynard Smith: Architekt, gründete 1980 in London die Performance-Gruppe
Station House Opera. Die Projekte der Gruppe beschäftigen sich vor allem mit der Beziehung
zwischen den Menschen und ihrer Umgebung. (Anm. d. Red.)
315
artintact 5