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Evaluation - mehr als Erbsen zählen - b:sl-Beruf Schulleitung

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:ASD-Position<br />

Autor: Walter Rossow Foto: privat<br />

Die Berliner Schülerlotterie:<br />

eine Bankrotterklärung der Bildungspolitik<br />

Wie Berliner Schüler angeblich gerecht auf Gymnasien der Stadt verteilt werden sollen<br />

Bi<strong>sl</strong>ang entscheidet in Berlin alleine der Elternwille, welches Kind auf welche Schule geht. Eine Grundschulempfehlung<br />

gibt es derzeit nicht. Das jeweilige Bezirksamt übernimmt nach bestimmten Kriterien die Verteilung<br />

der Schüler auf die Schulen, wobei die Entfernung zwischen Wohnort und Wunschschule den größten<br />

Einfluss hat. Dies soll nun anders werden.<br />

Mit der Schulstrukturreform wird zum Schuljahr 2010/11 eine neue<br />

Schulart eingeführt: die Sekundarschule. Diese vereint die bisherigen<br />

Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Am parallel weiter existierenden<br />

Gymnasium machen die Schüler das Abitur in Klasse 12, an ausgewählten<br />

Sekundarschulen in Klasse 13. Um Eltern die Entscheidung zu erleichtern,<br />

auf welche Schulart sie ihr Kind nach der Grundschule schicken,<br />

erhalten sie zukünftig eine schriftliche Empfehlung, welche Schulform für<br />

ihr Kind richtig ist. Bindend ist dieser Rat jedoch nicht. Jeder kann sich an<br />

jeder Schule bewerben. Und wenn es an einer Schule <strong>mehr</strong> Anmeldungen<br />

<strong>als</strong> Plätze gibt, so entscheidet in Zukunft nach dem Willen des Bildungssenators<br />

unter anderem auch das Los. 60 % der Schüler sollen dann von<br />

der <strong>Schulleitung</strong> nach dem Kriterium „Schulprogramm/Schulprofil“ ausgesucht<br />

werden, 10 % sind sogenannte „Härtefälle“ und die restlichen 30<br />

% sollen durch eine Verlosung ermittelt werden.<br />

Diese Bildungspolitik nach dem Zufallsprinzip, auf die zwar der Begriff<br />

Politik, nicht aber jener der Bildung zutrifft, verkauft Berlins Bildungssenator<br />

Zöllner dann auch noch <strong>als</strong> Gerechtigkeit. Es ginge ihm darum,<br />

so sagt er in Interviews, dass die stark nachgefragten Schulen künftig den<br />

Vorteil haben, sechzig Prozent ihrer Schüler selbst aussuchen zu können.<br />

Diese Berliner Entscheidung kann man getrost <strong>als</strong> Bankrotterklärung der<br />

Schulstrukturreform bezeichnen.<br />

Fakt ist, dass es in Berlin bereits jetzt einige Dutzend Gymnasien gibt, die<br />

so stark nachgefragt sind, dass sie nicht einmal alle Kinder in Wohnortnähe<br />

aufnehmen können. Schauen wir doch einmal genau hin: Woran liegt<br />

es denn, dass einige Schulen bereits jetzt <strong>mehr</strong> Zulauf haben <strong>als</strong> andere?<br />

An der besseren Qualität des Unterrichts? An einer hochwertigeren (qualitativ<br />

wie quantitativ) personellen wie sächlichen Ausstattung? An engagierteren<br />

Pädagogen? Wenn das so ist, dann kann es daraus doch nur eine<br />

Konsequenz geben: Alle Schulen müssen mit den gleichen sächlichen,<br />

finanziellen sowie personellen Ressourcen und einem evtl. notwendigen<br />

Nachteilsausgleich ausgestattet werden, damit sie auch wirklich gleichermaßen<br />

konkurrenzfähig sind. Für die Arbeit der <strong>Schulleitung</strong>en bedeutet<br />

das Losverfahren nichts Gutes: Wie soll denn, bitteschön, das Schulprogramm<br />

oder das Schulprofil weiter geschärft werden, wenn einer Schule<br />

4<br />

b:<strong>sl</strong> 03:2009<br />

fast ein Drittel Schüler zugelost werden – ohne Blick auf die entsprechenden<br />

Fähigkeiten der Kandidaten? „Werden zukünftig auf einer Eliteschule des<br />

Sports sprachbegabte, aber übergewichtige Schüler versuchen, ihre Liebe<br />

zur Leichtathletik zu finden?“ fragt der Landeselternausschuss Berlin mit<br />

Recht. Zum anderen wird wieder Arbeit der Bildungsverwaltung auf die<br />

Schultern von <strong>Schulleitung</strong>en abgewälzt. Sechzig Prozent der Schüler auszuwählen<br />

bedeutet die genaue Prüfung der Kandidaten, das Durchführen<br />

von Auswahlverfahren usw. usw. Ein immenses zusätzliches Arbeitspensum,<br />

das da auf <strong>Schulleitung</strong>en zukommt, übrigens – natürlich! – ohne<br />

entsprechenden Ausgleich. Wie immer. Aber so ganz traut der Bildungssenator<br />

seinen <strong>Schulleitung</strong>en dann aber doch nicht: „Zudem gibt es über<br />

das Probejahr die Möglichkeit der Fehlerkorrektur“, äußert sich Zöllner in<br />

einem Interview mit dem TAGESSPIEGEL.<br />

Der Blick über die Landesgrenzen könnte Aufschluss über eine sinnvolle<br />

Lösung bringen – könnte man denken. Allerdings: viel weiter kommt<br />

man da auch nicht. Zu viele unterschiedliche Verfahren, zu viele Regelungen,<br />

zu viele Versuche. Hier nur einige Beispiele: In Bayern sind viele<br />

Grundschullehrer derzeit genervt, weil sie darüber entscheiden sollen,<br />

welche Schulform Kinder nach der vierten Klasse besuchen dürfen. Der<br />

Freistaat reformiert zwar gerade die Übertrittsregeln, im Kern bleibt es<br />

aber bei einem Numerus Clausus für’s Gymnasium. In Hamburg bastelt<br />

der schwarz-grüne Senat derzeit an einer verlängerten Eingangsphase.<br />

Erst nach der sechsten Klasse soll entschieden werden, ob die Schüler von<br />

der neuen Primarschule auf eine Sekundarschule oder ein Gymnasium<br />

wechseln, wobei es allerdings auch an einigen Gymnasien die Möglichkeit<br />

geben soll, die Klassenstufen 5 und 6 zu absolvieren, dann aber <strong>als</strong><br />

Außenstelle der zuständigen Grundschule. In Bremen, im Saarland, in<br />

Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz wurden bzw. werden derzeit<br />

zwar die Hauptschulen und Re<strong>als</strong>chulen sowie teilweise die Gesamtschulen<br />

abgeschafft, u. a. um Kindern den immensen Druck der Schullaufbahnentscheidung<br />

schon im vierten Jahr zu nehmen, nicht aber konsequenterweise<br />

auch die Schulartempfehlung.<br />

Man sieht <strong>als</strong>o quer durch die Republik das föderalistische Bildungschaos,<br />

in das sich jetzt auch Berlin dank seiner Schullotterie würdig einreiht.<br />

Walter Rossow ist Verantwortlicher für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

des ASD Allgemeiner <strong>Schulleitung</strong>sverband Deutschlands e.V.<br />

Kontakt: walter.rossow@beruf-schulleitung.de

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