Doping im Radsport - Österreichischer Radsport-Verband
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© Reimund Ronacher
im März 2007
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Doping im Radsport
Seminararbeit von
Reimund Ronacher
Sportakademie Wien
Spezialtrainerkurs 2006 / 2007
Vorwort aus dem Buch: Doping, verbotene Arzneimittel im Sport, Dirk Clasing, 1992
von Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wildor Hollman
Präsident des Deutschen Spotärztebundes
und des Weltverbandes für Sportmedizin
Mit der Wiederbegründung der Olympischen Spiele 1896 begannen die Inauguratoren
unbewusst und ungewollt ein gigantisches biologisches Experiment mit dem Menschen.
Aufgrund der Eigengesetzlichkeit des Hochleistungssports führte es ihn vor rund 2 Jahrzehnten
in zahlreichen Sportarten in den biologischen Grenzbereich seiner Leistungsfähigkeit.
2-3 Trainingsstunden pro Woche reichten nun zur Erzielung internationaler nennenswerter
Leistungen nicht mehr aus, 4-6 Stunden täglichen Trainings wurden erforderlich.
Automatisch war jetzt eine Berufsausübung neben diesem Training nicht mehr
möglich, die Umkehr vom Olympischen Amateur zum Olympischen Professional die logische
Konsequenz.
Mit der Professionalisierung des Sports ging die Kommerzialisierung Hand in Hand.
Hierunter litten Begriffe wie Fair Play, sportlicher Anstand, Menschenwürde, mehr und
mehr dominierte das Geschäft. Immer neue Wettkämpfe und Pokale wurden ersonnen,
um Veranstaltern und den startenden Berufssportlern dienlich zu sein. Die Regenerationszeiten
zwischen den Wettkämpfen verkürzten sich dementsprechend. Die Folge war,
dass Mikroverletzungen nicht mehr ausgeheilt werden konnten, die Regenerationszeiten
zwischen den Wettkämpfen zu kurz wurden. Darunter litt die Gesundheit insgesamt.
Zwangsläufig musste die auf das Sportjahr bezogene Trainingsplanung nun nicht mehr
auf ein oder zwei sportliche Höhepunkte, sondern auf mehrere ausgerichtet werden.
Das aber ließ zusätzlich die Trainingsbelastungen ansteigen. Neue Kontinente und immer
mehr Völker traten nach Ende des 2. Weltkrieges in den internationalen Wettkampf
ein, wodurch die Dichte in der Weltspitze enger und enger wurde. Der Anstieg des internationalen
Leistungsniveaus erfuhr darüber hinaus eine intensive Unterstützung
durch weltweit verbesserte Ernährungsbedingungen einerseits sowie durch die Möglichkeit
zur schnellen Auskurierung von verschiedenen Infektionskrankheiten durch Einsatz
von Antibiotika anderseits. Nur durch den Einsatz technischer Präzisionswerke können
heute oft noch Leistungsdifferenzen zwischen den ersten 5 oder 10 in einer Sportdisziplin
definiert werden.
Angesichts dieser Entwicklung war es nicht verwunderlich, dass der Hochleistungssportler
– wie einstmals schon der Teilnehmer an den antiken olympischen Wettkämpfen –
nach zusätzlichen Möglichkeiten der Leistungssteigerung Ausschau hielt. Sportarten mit
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den schwersten körperlichen Beanspruchungen machten mit artifiziellen Substitutionen
und fließenden Übergängen zum Doping. Parolen wie kürzere Trainingszeit, damit
Schonung des Halte- und Bewegungsapparates, dennoch aber weitere Leistungssteigerung
auf chemischem Wege bei beschleunigter Regeneration machten die Runde. So
verwundert es nicht, dass der sowieso einem wissenschaftlich fundierten Trainingsaufbau
und einer wissenschaftlichen Steuerung unterzogene Athlet schnell bereit war, an
eine artifizielle chemisch und/oder physikalisch begründete Unschlagbarkeit zu glauben.
Der Deutsche Sportärztebund führte schon 1965 ein Anti-Doping Symposium durch. Die
organisierte Sportmedizin lehnt jede Form von Doping vor allem aus 3 Gründen ab:
• Es ist ein Verstoß gegen die sportlichen Regeln, ohne deren Einhaltung Sport als
solcher gar nicht existieren kann. Gleichzeitig verstößt Doping gegen den Geist des
Fair Play; wird aber das Fair Play als ein charakterisierender Bestandteil des Sports
nicht berücksichtigt, handelt es sich nur noch um „muskulär-geistigen Wettkampf“.
Gleichzeitig ist ein solcher Verstoß gegen die sportlichen Regeln gleichbedeutend
mit der Nichtbeachtung der menschlichen Würde des Mitkonkurrenten.
• Dopingmaßnahmen sind mit gesundheitlichen Gefahren oder gar Schädigungen
verbunden. Das aber läuft der ärztlichen Berufsethik als auch der ärztlichen Standesordnung
zuwider.
• Wählen sich Kinder und Jugendliche einen Hochleistungssportler zum Idol und wissen
von ihm, dass er sich artifizieller chemischer oder physikalischer Maßnahmen
bedient, ist die Gefahr der diesbezüglichen Nachahmung auch schon im Kindes- und
Jugendalter groß. Der Slogan „Keine Macht den Drogen“ muss hier schon ansetzen.
Eine Ausmerzung des Dopings wird genauso wenig möglich sein wie die Beseitigung
von Kriminalität in einer menschlichen Gesellschaft. Sport kann nicht besser sein als die
Gesellschaft, welche ihn hervorbringt. Schadensbegrenzung durch präventive Maßnahmen
muß die Devise sein.
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Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung .......................................................................................................................................... 5,6
2. Begriffsbestimmung .................................................................................................................. 7
2.1 Was ist Doping ................................................................................................................................. 7
2.2 verschiedene Definitionsansätze ..................................................................................................... 7,8,9
2.3 Substitution – legales Doping ........................................................................................................... 9,10
3. Wer dopt im Sport? ................................................................................................................... 11
4. Geschichtliche Kurzzusammenfassung des Dopings ..................................... 12
5. Wie viele Spitzensportler dopen ..................................................................................... 13,14
6. Warum dopen Sportler ........................................................................................................... 14,15
7. Argumentation – ist das Dopingproblem lösbar .................................................. 16
7.1 Argumente für die Freigabe von Doping .......................................................................................... 17
7.2 Argumente gegen die Freigabe von Doping .................................................................................... 17,18
8. Sind gedopte Sportler Täter oder Opfer .................................................................... 19, 20
9. Dopen Frauen anders als Männer ................................................................................. 20
10. Neue Doping-Ära für Radprofis ...................................................................................... 21, 22, 23, 24
11. Allgemeine Schlussbetrachtung .................................................................................... 25
12. Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 26, 27
1. Einleitung
Die Problematik der medikamentösen Beeinflussung oder Unterstützung der sportlichen
Leistungsfähigkeit ist seit den Olympischen Spielen 1988 in Seoul durch den Fall Ben
Johnson wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Ben Johnson, dem 100m Sieger in 9,79 s, wurde der missbräuchliche Einsatz von Stanozolol
zum Verhängnis. Er verlor die Goldmedaille und diesen Weltrekord. Erhöhte
Aufmerksamkeit hat dieser Zwischenfall wohl nur dadurch erlangt, dass die 100m Rennen
schon im Vorfeld stark in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt worden waren und
dass Weltrekord gelaufen wurde.
Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre standen die Amphetamine und ähnliche
Wirkstoffe (heute als klassische Dopingmittel bezeichnet) in der Diskussion. Zahlreiche
Zwischenfälle – insbesondere im Radsport – hatten zu verschärften Gegenmaßnahmen
Anlass gegeben. Heute dreht sich das Geschehen um hormonelle Unterstützung. Anabolika,
Testosteron, Wachstumshormon, Erythropoetin u. ä. sind die Schlagworte.
Die Bemühungen des Menschen, durch Drogen und Arzneizubereitungen seine Leistungsfähigkeit
zu steigern, sind keine Entdeckung unseres auf Leistungsstreben ausgerichteten
Zeitalters, sondern schon Jahrtausende alt. Hier ist nicht die Wiederherstellung
einer durch Krankheit geminderten Leistungsfähigkeit gemeint, sondern der gezielte
Versuch, die Leistungsfähigkeit im Wettkampf zu erhöhen oder zu erhalten.
Das Wort Doping wird 1889 erstmals in einem englischen Lexikon erwähnt. Gemeint
war damit eine Mischung aus Opium und Narkotika zum Einsatz bei Pferderennen. Die
Wurzel dieses Wortes lässt sich zu einer Eingeborenensprache, die von den Kaffern im
südöstlichen Afrika gesprochen wurde, zurückverfolgen. Die Buren nahmen nach ihrer
Vertreibung aus Kapland und ihrer Ansiedlung in Transvaal verschiedene Worte aus der
dort üblichen Sprache auf. Darunter war auch das Wort „dop“, das die Bezeichnung für
einen landesüblichen schweren Schnaps darstellte, der bei Kulthandlungen und religiösen
Feiern als Stimulans Verwendung fand. Im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen
zwischen den Buren und den Engländern in Transvaal wurde das Wort „dop“
im Sinne von allgemein stimulierenden Getränken von den Engländern aufgegriffen und
später mit nach England gebracht. Dort wurde es im vergangenen Jahrhundert zuerst
im Turf bekannt, da den Pferden hauptsächlich Alkohol als Leistungssteigerndes Stimulans
verabreicht wurde (Prokop 1970).
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Zur Situation in den 50er und 60er Jahren einige Schilderungen:
Im April 1955 hatte der italienische Sportärzteverband während eines Halts Urinproben
von 25 Radrennfahren nehmen lassen. 5 waren positiv auf Amphetamine bzw. –
Abkömmlinge (Venerando 1963).
Prokop (1966) berichtet als Zeitzeuge:
„Obwohl die Verwendung von Dopingmitteln in verschiedenen Sportarten auch in Österreich
schon längere Zeit bekannt war, kam es erst 1963 zum ersten großen Skandal, als
anlässlich der Österreich-Rad-Rundfahrt vor der Großglockner-Etappe bei einer Kontrolle
der Trikots bei mehreren österreichischen Spitzenfahrern große Mengen Amphetaminen
und anderen Stimulantien gefunden wurden. Der Ausschluss dieser Fahrer löste eine
übliche Pressekampagne gegen mich als den Tourarzt aus, weil durch den Ausschluss
der Fahrer nicht nur die Österreichische Nationalmannschaft ausfiel, sondern
auch die ausschließlich von Firmen finanzierten Vereine sich in ihren geschäftlichen Interessen
gestört sahen. Die gleiche Situation ergab sich 1964 und 1965, als verschiedene
österreichische und ausländische Fahrer wegen der im Harn nachgewiesenen
Stimulantien disqualifiziert und soweit es die österreichischen Fahrer betraf, auch für
längere Zeit gesperrt wurden“.
Karl Ziegler, selbst erfolgreicher Radsportler und später Bundestrainer, berichtete 1969
in der Zeitschrift „Sportarzt“ über seine Erfahrungen aus der Praxis:
„Die französischen Fahrer sprechen von diesen in Nordfrankreich noch vorhandenen
Straßen, von der Hölle des Nordens. Dazu kommt besonders in den Frühjahrsprüfungen
orkanartiger Wind und eiskalter Regen. Da hatte die schmerzenthemmende, euphorische
Substanz der Weckmittel leichtes Spiel, um in den Trikottaschen der Fahrer ihren
Platz zu finden“.
Die Einnahme von stimulierenden Mitteln, zum Teil in Verbindung mit stark wirkenden
Narkotika, war im Berufsradsport so verbreitet, dass in den Jahren 1960 bis 1967 bei
wichtigen Radrennen kein Berufsradrennfahrer ungedopt an den Start ging. Die Amphetamine,
die klassischen Dopingmittel, wurden während des Wettkampfes genommen,
um die Ausdauerleistung zu verbessern. Durch gezielte Kontrollen haben sie heute nur
noch geringe Bedeutung. Zurzeit steht die hormonelle Beeinflussung im Vordergrund.
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2. Begriffsbestimmung
2.1 Was ist Doping?
Eine exakte Definition des Begriffs „Doping“ ist schwer, da eine Grauzone zwischen Doping
und Nichtdoping existiert. So dienen Nahrungsergänzungsmittel nicht immer der
Substitution, sondern häufig schon der Leistungssteigerung. Grenzwerte werden häufig
benutzt, um eine Form des Dopings zu realisieren, die nicht bestraft werden kann. Dennoch
ist dies Doping, auch wenn Trainer oder Ärzte etwas anderes erzählen sollten.
Doping ist sinngemäß alles, was jenseits der „natürlichen“ Möglichkeiten liegt und meistens
mithilfe von Medikamenten und Aufputschmitteln Folgendes bewirkt:
• Den entscheidenden Kick ermöglicht
• Über Ermüdung und Überlastung hinwegtäuscht
• Schmerz unterdrückt
• Die Muskelkraft erhöht
• Die Sauerstoffversorgung der Muskulatur und die Ausdauer verbessert
• Das Selbstvertrauen ins Unermessliche erhöht
Doping ist der Versuch, ohne Rücksicht auf die eigene Zukunft, Gesundheit und die
Folgen für andere, Grenzen zu sprengen, um im Wettkampf der Bessere oder der Beste
zu sein. Dabei wird dem, der sich nicht dopt, Schaden zugefügt! Doping widerspricht
den grundlegenden Prinzipien des Sports. Es kann der Gesundheit des Dopenden
schaden und verletzt die Gebote der Chancengleichheit und der sportlichen Fairness!
2.2 Verschiedene Definitionsansätze
Dopingdefinitionen versuchen zu beschreiben, was unter Doping zu verstehen ist.
Der deutsche Sportärztebund begann 1952 mit einer sehr oberflächlichen Definition.
Ein Beschluss des Europarates von 1963 versuchte eine allgemeine Definition.
Die seitdem abgelaufenen Diskussionen, aber auch juristische Schwierigkeiten führten
zum Versuch, die Definition zu präzisieren. In der jetzigen Version der WADA ist sie fast
drei Seiten lang.
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Deutscher Sportärztebund 1952:
• „Jedes Medikament – ob es wirksam ist oder nicht – mit der Absicht der Leistungssteigerung
vor Wettkämpfen gegeben, ist als Doping zu betrachten.“
Definition des Europarates 1963:
• „Doping ist die Verabreichung einer auf welchem Wege auch immer eingeführten
körperfremden Substanz oder physiologischen Substanz in abnormalen Mengen
oder auf abnormalem Weg an ein gesundes Individuum bzw. der Gebrauch durch
dasselbe zum Zwecke einer künstlichen und unfairen Leistungssteigerung während
der Wettkampfteilnahme. Gewisse psychologische Maßnahmen zum Zwecke der
Leistungssteigerung können als Doping angesehen werden“.
Definition der WADA (Zusammenfassung)
• Nach dem Welt Anti-Doping Code vom 1.1.2004 wird Doping definiert als das Vorliegen
eines oder mehrerer der in den Artikeln 2.1 bis 2.8 festgelegten Verstöße gegen
Anti-Doping Bestimmungen. Dabei gelten als Verstöße:
2.1 Das Vorhandensein eines verbotenen Wirkstoffes, seiner Metaboliten oder Marker
in den Körpergewebs- oder Körperflüssigkeitsproben eines Athleten
2.2 Die Anwendung oder der Versuch der Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs
oder einer verbotenen Methode
2.3 Die Weigerung oder das Unterlassen ohne zwingenden Grund, sich einer angekündigten
Probenentnahme zu unterziehen, die gemäß anwendbaren Anti-Doping
Bestimmungen zulässig ist, oder ein anderweitiger Versuch, sich der Probenentnahme
zu entziehen
2.4 Das Nichteinhalten von Vorschriften zu Trainingskontrollen
2.5 Der Versuch der Manipulation des Kontrollverfahrens
2.6 Der Besitz verbotener Wirkstoffe und Methoden
2.7 Das Dealen mit verbotenen Wirkstoffe und Methoden
2.8 Das Dopen von Athleten oder deren Unterstützung beim Dopen
Unter Doping versteht man heute kurz gesagt das, was durch das IOC und die
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Fachverbände an Substanzen/Wirkstoffgruppen und Methoden auf die „Liste“ gesetzt
worden ist. Als gedopt wird ein Sportler erklärt, wenn er selbst das Doping zugibt. Zu
klären ist allerdings bisweilen noch, ob tatsächlich ein Selbstverschulden vorliegt. Die
Verbotslisten sind offen, d.h., sie können jederzeit ergänzt werden.
2.3 Substitutionen – legales Doping?
Nachgewiesen wird Doping dann durch die positive Analyse einer solchen verbotenen
Substanz oder Methode. Nach dem World-Anti-Doping-Code kommt ein Wirkstoff auf
die Liste, wenn er gegen zwei der folgenden drei Kriterien verstößt, d.h., wenn er prinzipiell
leistungssteigernd ist, ein Gesundheitsrisiko darstellt und/oder gegen den Geist des
Sports verstößt.
Damit ist das Problem der Nachweisbarkeit von Substanzen noch nicht gelöst. Ein Mittel
das lange vor einer Kontrolle eingenommen wird, lässt sich meist nur schwer nachweisen.
Außerdem sind schädliche Langzeitwirkungen für die im Sport verwendeten Überdosierungen
kaum erforscht. Zudem dauert es meist eine gewisse Zeit, bis eine standardisierte
(juristisch akzeptierte) Nachweismethode entwickelt ist. Wegen dieser
Schwierigkeiten ist das in jüngster Zeit hinzugekommene Kriterium des Verstoßes gegen
den Geist des Sports eine Hilfskonstruktion. Seit 2004 gibt es eine neue Antidopingliste
des IOC und der WADA. Die Liste der verbotenen Wirkstoffe und Methoden wird
von der WADA herausgegeben. Nur für Narkotika existiert eine geschlossene Liste. Um
zu vermeiden, dass ständig nach neuen Wirkstoffen gesucht wird, sind bei allen anderen
Substanzen als Narkotika auch andere Wirkstoffe mit ähnlicher chemischer Struktur
und ähnlichen pharmakologischen Wirkungen verboten. Dafür können aber neue Substanzen
und Wirkstoffe innerhalb kürzester Zeit auf die Liste gesetzt werden.
Bei der Substitution handelt es sich um das Ersetzen verbrauchter Substanzen im Körper,
z.B. von Salzverlust durch Schwitzen (Folge: Krämpfe). Grundsätzlich ist gegen
Substitution nichts zu sagen. Vitamine, Elektrolyte, Spurenelemente, Kohlenhydrate
oder Eiweiß sind Substanzen, die bei harter körperlichen Belastungen verbraucht werden
und dem Körper gegebenenfalls auch in konzentrierter Form wieder zugeführt werden
können. Hormone wie Testosteron fallen aber nicht unter den Begriff „Substitution“.
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Auch die Verwendung von Kreatin kann in der Regel nicht mit Substitution begründet
werden, da die üblicherweise zugeführten Dosierungen die vom Körper benötigten
Mengen bei weitem übersteigen. Außerdem wird Kreatin meistens ganz gezielt zur Leistungssteigerung
eingenommen. Widerspricht es damit nicht dem Geist der Antidopingregeln?
Bei der einwandfreien Substitution handelt es sich im Gegensatz zu Werbeversprechungen
nicht um „legales Doping“. Die Mittel haben meist keine leistungssteigernde
Wirkung. Es ist nicht eindeutig erforscht, ob z.B. hohe Vitamingaben, die über lange
Zeiträume eingenommen werden, nicht etwa doch Schäden verursachen können. Substitution
sollte nur bei einem nachgewiesenen Fehlbedarf erfolgen, d.h., wenn dieser
Bedarf wegen sehr hoher Belastungen (z.B. Etappenrennen wie Giro, Tour oder Vuelta)
nicht mehr über die normale Ernährung gedeckt werden kann. Dann kann sie sehr sinnvoll
sein.
Doping muss sportrechtlich unterschieden werden von Medikamentenmissbrauch.
Wenn Leistungs- und Spitzensportler gegen die entsprechenden Regeln ihrer Sportart
verstoßen, spricht man von Doping. Für die Masse der Breiten- und Fitnesssportler, die
nur den Gesetzen des Staates unterworfen sind, wird der Begriff Medikamentenmissbrauch
verwendet. Doping ist streng genommen ein Begriff des Wettkampfsports. Medikamentenmissbrauch
bezeichnet allgemein jeden Gebrauch von Medikamenten für einen
anderen Zweck als den der Heilung von Kranken. Auch Sportverbände verwenden
den Begriff Medikamentenmissbrauch bisweilen, um Sachverhalte verfolgen zu können,
die mit Dopingregeln nicht zu ahnden sind.
Medikamentenmissbrauch liegt immer dann vor, wenn ohne zwingenden medizinischen
Grund Medikamente eingenommen werden. Doping und Medikamentenmissbrauch haben
ein wichtiges Merkmal gemeinsam: Es wird versucht, auf künstlichem Wege unter
Ausblenden von Gefahren ein Ziel zu erreichen.
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3. Wer dopt im Sport?
Die Behandlung der Dopingthematik in den Medien konzentriert sich auf den für die Öffentlichkeit
interessanten Spitzensport. Selten wird erwähnt, dass es Doping zur Leistungssteigerung
auch in anderen Bereichen gibt, z.B. in wachsendem Umfang im Fitnesssport.
Betrachtet man nur die Gesundheitsproblematik, liegt hier heute wohl das
viel größere Problem für die die Gesellschaft als im Spitzensport, denn Spitzensportler
gibt es nur ein paar Tausend.
Historisch gesehen wurde Doping mit der Verwendung von Stimulantien und Aufputschmitteln
zum gravierenden Problem. Der Ausdruck „schnelle Pulle“ war bei
Radsportveranstaltungen schon in den 30er Jahren gebräuchlich. Mehrere Todesfälle
im Radsport schockten in den 60er Jahren die Öffentlichkeit. Die größten Leistungsfortschritte
wurden seit Mitte der 50er Jahren mit anabolen Stereoiden vollzogen. Zunächst
profitierten davon besonders die kraft- und schnellkraftabhängigen Disziplinen der
Leichtathletik und das Gewichtheben der USA und der UdSSR. Es gibt Anzeichen dafür,
dass westdeutsche Ruderer 1952 zur Olympiavorbereitung Testosteron erhalten haben,
daraus aber keinen Leistungsvorteil erzielen konnten. Kurz darauf wurde auch in der
DDR Sportliteratur von der Wirkung von Hormonen berichtet. Auf den Markt kamen die
Anabolika „Nandrolon“ (zum Injizieren) und Dianabol (Oral) 1959 in den USA und 1960
in Deutschland. Erfasst wurden dann auch andere Sportarten der Männer wie das Radfahren,
der Sprint oder die leichtathletischen Sprünge. Sportmediziner betrachteten
Anabolika als ungefährlichere Alternative zu den akut lebensbedrohenden Aufputschmitteln.
Eine zweite Etappe wurde mit der Verwendung der anabolen Steroide im Frauenspitzensport
seit ca. 1968 eingeläutet, vor allem im DDR-Frauensport. Die Überlegenheit
der DDR-Frauen und dann auch der anderen Ostblocknationen bei internationalen
Meisterschaften und Olympischen Spielen zwischen 1970 und 1989 war ähnlich gravierend
wie die der amerikanischen Werfer in den 50er und 60er Jahren. Seit dem Ende
der 70er Jahre waren dann die meisten olympischen Sportarten der Männer und der
Frauen von der Dopingproblematik betroffen.
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4. Doping – Geschichtliche Kurzzusammenfassung
1886 1. dokumentierter Todesfall, der der Medikamenteneinnahme beim Sport zugeschrieben wird
Linton, Radfernfahrt Bordeaux – Paris, Medikament: unbekannt, angegeben Trimethyl (existiert
nicht) (Prokop 1970)
1889 „Doping“
Erstmals in einem engl. Lexikon (Mischung aus Opium und Narkotika zum Einsatz bei Pferderennen)
(Prokop 1970)
1910 1. wissenschaftlicher Dopingnachweis
Bukowski, russischer Chemiker: Alkaloide im Pferdespeichel (Prokop 1970)
1955 Italien – erstmals Dopingkontrollen - Radsport (Venerando 1963)
1960 1. dokumentierter Todesfall bei Olympischen Spielen
Knud Jensen, 100km Mannschaft-Rad Medikamente: Amphetamine, Ronicol (zusätzlich Hitze,
Dehydrierung)
1962/3 Italien – erstmals systematische Dopingkontrollen
Radsport, Fußball (Venerando 1963)
1967 1. Anti-Doping-Reglement eines Fachverbandes
Union Cyclist Internationale (UCI)
Union Internationale de Pentathlon Moderne et Biathlon (UIPMB)
1967 1. Dopingkontrollen bei Weltmeisterschaften
Amsterdam, Radsport, UCI Jönköping, Moderner Fünfkampf UIPMB
1968 1. Dopingkontrollen bei Olymp. Spielen
1. Dopingfall bei Olymp. Spielen Grenoble (n = 86)
Mexiko City (n = 254) Schwede Lilienwall, Moderner Fünfkampf Medikament: Alkohol
1972 IOC-Med 1. umfassende Medikamentenliste für Olympische Spiele
Auf Liste wird verzichtet
1972 OS München erstmals umfassende Dopingkontrollen
2079 Kontrollen, 7 positive Befunde
1983 Trainingskontrollen
Deutscher Schwimmverband
1988 OS Seoul Ben Johnson, 100m Sieger in 9,79; disqualifiziert. Medikament: Stanozolol
1988 1. Weltkonferenz gegen Doping im Sport Ottawa/Kanada
1988 UNESCO, Moskau, 2. Sportministerkonferenz
Resolution: Aufbau eines intern. Systems zur Antidopingkontrolle, legislative und administrative
Maßnahmen zur Kontrolle des Erwerbs und der Verteilung von Dopingsubstanzen, Aufklärungsprogramme
über Gefahren des Dopings
1989 IOC – Internationale Sportverbände
Übereinkunft des IOC mit den International Summer Sports Federation u.a.
Übernahme der Liste der verbotenen Substanzen, Übernahme der Antidopingregeln, Strafausmaßes
wird den Vorschlägen des IOC angepasst, Sanktionen werden gegenseitig anerkannt. Die
Wintersportverbände schlossen sich in getrennten Erklärungen der Übereinkunft an.
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5. Wie viele Spitzensportler dopen?
Nur ein geringer Prozentsatz der vorgenommen Dopingkontrollen erweist sich als positiv.
Die Zahl der tatsächlich dopenden Athleten muss deutlich höher eingeschätzt werden
als die Zahl der überführten. Manche nehmen Medikamente ein, die den Konsum
von verbotenen Substanzen verschleiern sollen. Andere manipulieren bei der Dopingkontrolle.
Wieder andere setzen Medikamente so ab, dass sie zum Zeitpunkt der Kontrolle
nicht mehr aufzuspüren sind. Und nicht wenige nehmen Dopingmittel ein, die bei
der Analyse noch gar nicht gesucht werden, weil ihre Verwendung noch nicht bekannt
ist. Nachuntersuchungen (d.h. Jahre später) der Dopingproben bei einer Tour de France
haben Blutdoping mit EPO durch fast alle Teilnehmer ergeben.
Wenn frühere Leistungen heute zum Teil nicht mehr erreicht werden, z.B. manche Weltrekordleistungen
in der Leichtathletik, ist dies kein Beleg dafür, dass Kontrollen umfassend
wirksam sind. Dies bedeutet zunächst nur, dass die damals verwendeten sehr
wirksamen Mittel – die heute in Dopingkontrollen leicht nachgewiesen werden können –
mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr verwendet werden.
Der Prozentsatz der Nachweise von Dopingfällen liegt in den verschieden Laboren weit
auseinander: 1997 waren in Montreal 4,81%, in Gent 4,12% oder in Paris 4,05% (von
5776 Proben) positiv, dagegen nur 0,58% in Oslo, 0,52% in Seoul, 0,43 in Kreischa
oder 0,26% in Rom.
Ein hoher Prozentsatz kann auf die Gründlichkeit eines Labors hinweisen, eine niedrige
Prozentzahl auf die abschreckende Wirkung und effektive vorbeugende Maßnahmen in
einem Land, aber auch auf Betrug und Vertuschung. So berichtete die Presse, dass im
Dopinglabor des italienischen Olympischen Komitees (CONI) in Rom die dortigen Verantwortlichen
nicht sonderlich zuverlässig waren. Von allen angelieferten Dopingproben
wurden im Durchschnitt nur 30% auf anabole Steroide untersucht. Somit waren „erfreulicherweise“
nur 0,4% der Proben positiv, während der Durchschnitt aller anderen IOC-
Labore in der Welt bei 1,3% lag. Auf diese Art und Weise wurde so manche Positivprobe
vertuscht.
Die Aufdeckung des Skandals führte zur fristlosen Entlassung des Laborleiters Dr. Giorgio
Santilli und anschließend zum Rücktritt des CONI-Präsidenten Mario Pescante.
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Der Sportmediziner C.B. Schneider-Grohe stellte in einem Lehrbuch für Sportmedizin
für die Situation des Jahres 1977 fest:
„Das von Sportoffiziellen gezeichnete Bild eines sauberen Sports steht in eklatantem
Widerspruch zu dem tatsächlich bestehenden verheerenden Unwesen der künstlichen
Leistungssteigerung im Bereich des Sports“ (Schneider-Grohe, 1979)
Der langjährige Antidopingbeauftragte des DSB, Prof. Dr. Ommo Grupe (Tübingen):
„Die Behauptung, sportliche Spitzenleistungen seien nur mit Hilfe von Medikamenten zu
erzielen, enthält deshalb die unfaire, unzutreffende und unbegründete Unterstellung, alle
Aktiven, die Spitzenleistungen erbringen oder erbracht haben, hätten zu diesem
Zweck Arzneimittel verwendet. Es ist jedoch unfair und unverantwortlich, alle Athleten
und Athletinnen, die gute und herausragende Leistungen erbringen, pauschal in einen
solchen Verdacht zu bringen, wie es mit einer solchen Behauptung geschieht. Pauschale
Anklagen in diesen schwierigen und bis in tiefe Persönlichkeitsbereiche hineinreichende
Fragen sind insbesondere der Lösung des Dopingproblems auch nicht dienlich“
(Gruppe 2000, 252f.).
6. Warum dopen Sportler?
Sportler dopen sich, weil sie ihre natürlichen Grenzen hinausschieben oder schneller zu
Erfolgen kommen wollen. Sie möchten Niederlagen vermeiden. Dabei gehört das Akzeptieren
und Verarbeiten von Niederlagen zu den wichtigen Erfahrungen, die man im
Sport machen kann. Viele Sportler fühlen sich von den Erfolgserwartungen ihres Umfeldes
(Trainer, Eltern, Funktionäre, Sponsoren, Freunde usw.) überfordert und lassen sich
zum Doping überreden. Vor allem sind es Sportler, die den Konflikt zwischen der Forderung
„die eigenen Grenzen auszuloten und Grenzen akzeptieren“, und dem Wunsch,
„besser zu sein als alle anderen“, nicht aushalten. Druck und Versuchung, mehr zu tun
als die Regeln erlauben und auch zu betrügen, wurden durch Professionalisierung,
Kommerzialisierung und das große Medieninteresse so gefördert, dass im Lauf der Zeit
die meisten Sportarten vom Doping betroffen waren, vor allem die Sportarten, in denen
die konditionellen Fähigkeiten Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer eine große Rolle spielen.
Allerdings setzte diese Entwicklung bereits ein, als es durch den Spitzensport noch
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nicht das große Geld zu verdienen gab. Pauschal zu behaupten, Geld verderbe den
Charakter, ist zu simpel!
Gründe für Doping gibt es auf allen Leistungsniveaus, bei Vereinssportlern ebenso wie
beim Spitzensportler.
Zum einen liegen die Gründe im Sportler selbst (interne Gründe), zum anderen kommen
Anreize von außen (externe Gründe).
Interne Gründe für Doping können z.B. sein:
• Die Möglichkeit, Idole nachzuahmen und selbst zu einem Idol werden zu können.
• Die Möglichkeit, Nachteile durch Verletzung oder Älterwerden auszugleichen.
• Stressabbau
• Minderwertigkeitskomplexe, fehlende Bereitschaft, über eigene Anstrengungen Erfolge
zu erzielen.
• Eine depressive Tendenz, die über Erfolge im Leistungssport neutralisiert werden
kann.
Externe Gründe können sein:
• Selektionsdruck; die Nominierung zu internationalen Meisterschaften hängt von der
Erfüllung hoher Anforderungen ab.
• Medienpräsenz; erfolgreiche Sportler werden öfter in der Presse erwähnt. Wer Medienpräsenz
zeigt, hat größere Chancen bei Sponsoren.
• Erwartungen von Verein und Verband; sie investieren in die Sportler und erhoffen
eine Gegenleistung in Form von Leistung und Erfolg.
• Zu große Wettkampfhäufigkeit; zu wenig Zeit für Erholungsprozesse.
• Doping ohne Wissen der Betroffenen; kam in der ehemaligen DDR und der UdSSR
häufig vor. Den Sportlern wurde gesagt, sie bekämen notwendige Vitamine, obwohl
es sich um Dopingmittel handelte.
• Doping wider Willen: Viele Sportler wollen eigentlich gar nicht dopen, glauben aber,
dass ihre Konkurrenten sich dopen und dopen sich deshalb auch selbst, um vermeintliche
Chancengleichheit herstellen zu können.
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7. Argumentation - ist das Dopingproblem lösbar?
Wer die Frage aufwirft, ob das Dopingproblem lösbar sei, muss zunächst einmal erklären,
was er unter einer Lösung versteht. Bedeutet „Lösung“, dass kein einziger Athlet
jemals mehr zu unlauteren Mitteln bei der Erzielung von Höchstleistungen greift? Ein
solcher Anspruch wird häufig formuliert. Er mag damit zusammenhängen, dass einem
die Lust am Leistungssport vergehen kann, wenn man Spitzenleistungen immer mit dem
Zweifel des Dopingverdachts diskutiert. Meist wird dann die Forderung laut, „ein für alle
Mal aufzuräumen“, „den Sumpf trocken zu legen“ oder „den Augiasstall auszumisten“,
um nur einige Formulierungen zu nennen.
Der Wunsch, Doping könne ein für alle Mal „ausgerottet“ werde, ist zwar verständlich. Er
hilft in der Sache aber nicht weiter. Denn der Bruch von Regeln ist eine „Normalität“, der
man sich stellen muss. Das gilt für jede Regel, ob im Sport oder im Straßenverkehr.
Häufig werden solche Extremforderungen überhaupt nur erhoben, weil jeder weiß, dass
sie nicht realisierbar sind. Nicht selten folgt darauf nämlich die Forderung: „Wenn man
Doping nicht ausmerzen kann, dann soll man es eben freigeben.“ Aber Fatalismus löst
dieses Problem auch nicht.
Wenngleich man Doping nie vollständig verhindern können wird, kann man wenigstens
die Quote der Dopenden gering halten. Dies geht jedoch nur dann, wenn die Sportorganisationen
nicht selbst Teil des Problems sind, sie Doping also nicht aktiv oder stillschweigend
begünstigen. In der Vergangenheit war dies in allen politischen Systemen
der Welt immer wieder der Fall.
Mit der Bekämpfung des Dopings ist der Sport alleine überfordert. Ihm fehlen hiefür Ermittlungsmöglichkeiten,
die über das Durchführen von Dopingkontrollen hinausgehen.
Weiters fehlen ihm die Bestrafungsmöglichkeiten, die das Umfeld erreichen, das die
Athleten zum Doping gebracht hat. Ohne Unterstützung des Staates ist ein durchschlagender
Erfolg kaum zu erwarten. Bei ausreichendem politischem Willen hätten Polizei
und Staatsanwaltschaften schon in der Vergangenheit mit den bestehenden Gesetzen
sehr viel mehr gegen Doping unternehmen können.
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7.1 Argumente für die Freigabe von Doping
Obwohl die Mehrheit der Sportler, der Zuschauer, der Funktionäre und auch der Ärzte
für eine strikte Verfolgung des Dopings sind, gibt es immer wieder auch Stimmen, die
sich für eine Freigabe des Dopings aussprechen und den Athleten gerne völlig freie
Hand ließen: Die Mündigkeit, d.h. das Selbstbestimmungsrecht der Sportler ist zum Beispiel
eines der stärksten Argumente, die für die Freigabe von Doping sprechen. Denn
dem freiheitlich - demokratischem Grundsatz zufolge, dass die Freiheit des Einzelnen
soweit gehe, dass der Nächste nicht geschädigt werde, müsste es in die alleinige Verantwortlichkeit
jedes einzelnen Sportlers gelegt werden, ob er sich nach Abwägung der
Risiken und des Nutzen, dopen will. Weiter kann man als Argument für die Freigabe des
Dopings anführen, dass dieses lediglich der Befriedigung der Konsumenten Wünsche
diene: Die Zuschauer, das Publikum, ja die gesamte Öffentlichkeit verlangt von den
Sportlern immer bessere Leistungen. Diese scheinen aber heutzutage nur noch durch
Doping, d.h. durch verbesserte Dopingmethoden erreichbar zu sein, da Ernährung und
Training offenbar schon optimiert sind. Da es keine genaue Definition des Begriffs
,,Doping" gibt ist es vielen unverständlich, dass etwa der Stoff Kreatin nicht auf den Dopinglisten
steht, obwohl durch diesen Stoff beispielsweise die Tennisspielerin Mary
Pierce sich, wie sie selbst zugibt, in die Lage versetzte, in kurzer Zeit unverhältnismäßig
viel Muskelmasse aufzubauen. Selbst unter Experten ist es umstritten, ob das Eiweißpräparat
Kreatin auf der Dopingliste stehen sollte, oder ob es als natürlicher Nahrungsbestandteil
zu sehen ist. Andererseits gilt Koffein, das viele Leute in Kaffee oder Cola zu
sich nehmen, oder Alkohol als Dopingsubstanz (Koffein ist seit 2004 von der Dopingliste
gestrichen). Besonders aber tritt ein Argument gegen das Dopingverbot auf, nämlich die
Frage nach der Nachweisbarkeit der Dopingmittel. So sind viele Dopingmittel noch
schwer oder nicht eindeutig nachweisbar. Insbesondere bei Verabreichung von Hormonen
oder deren Abkömmlinge, z.B. Anabolika, kann man oft nicht entscheiden, ob diese
natürlichen Ursprungs sind oder künstlich eingenommen wurden. Und selbst wenn der
Dopingnachweis erbracht ist, bleibt oft die Frage offen, ob der Betroffene wissentlich
und absichtlich das Mittel genommen hat oder ob ihm die Substanz unwissentlich von
einem Dritten verabreicht wurde. Des weiteren kann es durch krankheits- oder verletzungsbedingten
Medikamenteneinsatz zum unbeabsichtigten Doping kommen. Ein weiteres
Argument wäre der immense Kontrollaufwand der riesige Kosten für die Sportver-
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ände verursacht. Sowohl der Umfang der Kontrollen bei der großen Anzahl der Athleten,
als auch die Untersuchungen der einzelnen Proben durch spezialisierte Labors auf
alle möglichen Substanzen durch ebenso viele verschiedene Methoden sind sehr aufwendig
und damit teuer. Wenn man dann die leeren Kassen der Verbände sieht stellt
sich hier die Frage, ob dieses Geld nicht sinnvoller verwendet werden könnte, z.B. in
der Jugendarbeit oder in der Forschung. Auch verletzt die Abgabe der Urinproben zu
Kontrollzwecken unter Aufsicht das Schamgefühl vieler Athleten: ,,Diese Prozedur ist
menschenunwürdig!"
7.2 Argumente gegen die Freigabe von Doping
Es besteht kein Zweifel, dass Doping (zumindest unsachgemäßes) das Risiko schwerer
Gesundheitsschäden birgt. Ein Großteil der Gesellschaft sieht es nun - beispielsweise
aus ethischen oder religiösen Gründen - als seine Pflicht an, diese Selbstschädigung zu
verhindern (vergleichbar mit dem Verhindern eines Passanten an einer Selbstmordabsicht).
Zudem verursachen die durch Doping hervorgerufenen Krankheiten auch einen
volkswirtschaftlichen Schaden in unbekannter Höhe, da Dopingmissbrauch beispielsweise
langwierige Herzkrankheiten und operative Therapien nach sich ziehen kann, was
selbstverständlich die Krankenkasse belastet. ,,Sauberer" Sport hingegen gilt allgemein
als gesundheitsfördernd. Ein weiterer Grund, warum Doping verboten ist, besteht darin,
dass dadurch der ,,Sportliche Gedanke", das Sportideal verletzt wird. Sport soll eine gesunde
Betätigung sein, es soll zur Fairness und Selbstachtung erziehen. Sportlich Wettkämpfe
sollen - für alle gleichen Bedingungen - den besten Athleten ermitteln. Diese
Ansprüche, die an den Sport gestellt werden, sind aber nur zu erfüllen, wenn man auf
Doping verzichtet. Doping verhindert eine Vergleichbarkeit von Sportlern, da ja nicht jeder
die Möglichkeit hat, sich zu dopen, sei es aus gesundheitlichen, finanziellen oder
ideellen Gründen. Die Ungleichheit der Voraussetzungen, die auch ohne Dopingfreigabe
zwischen verschiedenen sozialen Schichten oder verschiedenen Lebensumständen
vorhanden ist, würde durch eine Dopingfreigabe noch weiter vergrößert werden. Der
Sport kann heute als Ausweg aus der Routine des Alltags gesehen werden und soll
dem Menschen die Möglichkeit bieten, etwas Abwechslung zu finden und sich im fairen
Wettkampf mit anderen zu messen. Das setzt allerdings voraus, dass alle unter den
gleichen Bedingungen Sport treiben. Im Sport sollen sich alle Teilnehmer unter gleichen
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Voraussetzungen mit den gleichen Waffen messen. Aus diesem Grund hat deshalb jede
Sportart ihre Regeln, um diese gleichen Bedingungen herzustellen. Aus dieser Einstellung
heraus kann der Sport die unfaire Leistungssteigerung nicht akzeptieren. Außerdem
wäre es nicht nur für die Doping - sondern auch für die Drogenbekämpfung ein
schwerer Schlag, wenn Kinder und Jugendliche durch Nachahmung ihrer sportlichen
Idole auf den Gedanken kämen, dass der unkontrollierte Gebrauch von Medikamenten
und anderen Drogen durchaus ,,in Ordnung" sei. Die Sportler - insbesondere die an der
Weltspitze - müssen ihrer Verantwortung als Vorbilder gerecht werden, indem sie auf
Dopingmittel verzichten. Soll nun aber, um optimale Leistungsverbesserung und minimale
Gesundheitsrisiken zu erzielen, unter fachmännischer Aufsicht gedopt werden, so
muss diese Aufsicht durch einen Arzt geschehen. Aber diese sind durch den hippokratischen
Eid daran gebunden, Leben zu fördern und Kranke zu heilen. Athleten zu dopen
ist aber kein Heileingriff; im Gegenteil werden gesunde Menschen Opfer eines Krankheitsrisikos,
wegen des Dopings. Doping widerspricht also grundsätzlich der ärztlichen
Berufsauffassung. Somit muss beim Doping entweder gegen diese verstoßen werden
oder es muss ohne ärztliche Aufsicht stattfinden.
8. Sind gedopte Sportler Täter oder Opfer?
Es ist nicht immer einfach zu erkennen, ob ein Sportler Täter oder Opfer ist. Wird er von
seinem Trainer oder einem Arzt ohne sein Wissen gedopt, dann ist er eindeutig Opfer
und nicht Täter – obwohl er gedopt ist.
Mit einer positiven Dopingprobe wird festgestellt, dass sich im Körper eines Athleten etwas
Verbotenes befindet. Über die Schuld ist damit noch nicht geurteilt. Das Prinzip der
„strict liability“ gibt einem Athleten, der Opfer eines „Dopinganschlags“ wird, jedoch
kaum eine Chance, seine Unschuld zu beweisen. Nach diesem Prinzip ist er nämlich für
alles verantwortlich, was im Körper vorgefunden wird und muss seine Unschuld nachweisen.
Im Strafrecht wird im Gegensatz dazu gefordert, dass der Staatsanwalt die
Schuld des vermuteten Täters nachweist.
Meist ist der Gedopte Athlet beides – Opfer und Täter. In den meisten Fällen steht hinter
einem Dopingfall ein Umfeld, das diesen Regelverstoß veranlasst hat. Es trägt meist die
Hauptschuld. Das ändert nichts daran, dass der überführte Fahrer die Hauptlast zu tragen
hat: die Sperre und das verlorene Gesicht in der Öffentlichkeit.
Willy Voet, Masseur des Festina Profiradteams bei der Tour de France 1998:
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„Fast alle Radprofis haben Doping verlangt. Sagen wir mal 80% der Mannschaft. Sie
konnten auch gar nicht anders. Das System hatte für sie entschieden. Gewissen und
Unrechtsbewusstsein fielen dem Gruppendruck zum Opfer“ (L’Equipe, 2.10.1998).
9. Dopen Frauen anders als Männer?
Es gibt beim Doping sehr gravierende Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Diese hängen mit der Rolle zusammen, die den Geschlechtern in der Gesellschaft trotz
aller Bemühungen um Gleichberechtigung noch immer bewusst oder unbewusst zugeschrieben
und in der Erziehung umgesetzt wird. Diese unterschiedliche Erziehung wird
im Leistungssport nicht etwa korrigiert, sondern eher noch verstärkt.
Es gibt eine Menge Trainer (meistens sind sie männlich!), die Schwierigkeiten mit
selbstbewussten Athletinnen haben. Bringen junge Athletinnen eigene Ideen in die Trainingsgestaltung
ein, wird dies häufig als Angriff auf die Autorität des Trainers angesehen.
Bei jungen Athleten wird ein höheres Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
toleriert und unterstützt. Bei Mädchen und Frauen sind Abhängigkeit und
Fremdbestimmung mitunter sogar fester Bestandteil eines Führungsstils, der die „Produktion“
von Leistung garantieren soll.
Bei Mädchen oder Frauen ist folglich beim Doping seltener eine selbstständig getroffene
Entscheidung gegeben. Häufig ist eine „Vertrauensperson“ und „Autorität“ ausschlaggebend,
die der Athletin diese Entscheidung abnimmt. Es gibt eine Reihe von Beispielen
aus der Vergangenheit, wie junge Athletinnen zunächst ohne ihr Wissen Dopingmittel
eingenommen haben. Weiß eine junge Athletin trotzdem, was sie da nimmt, wagt sie
womöglich aus Angst vor Kritik und „Liebesentzug“ durch den Trainer nicht zu widersprechen.
Doping wird zwar auch bei männlichen Athleten häufig dadurch herbeigeführt, dass
Stück für Stück Hemmschwellen abgebaut werden („Treppe zum Doping“). Bei Frauen
ist der Weg zur Einnahme von Dopingmitteln aber wesentlich mehr fremdbestimmt und
wesentlich weniger „freiwillig“.
Etwas überspitzt könnte man sagen: Männer dopen – Frauen werden gedopt!
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10. Neue Doping-Ära für Radprofis
Seit dem Jahr 2000 fahren die Radprofis unter der Drohung, dass Erythropoietin (EPO)
mit einem neuen Nachweisverfahren auch Wochen und Monate nach der Tour de France
feststellbar sei. Trotzdem war seit damals wohl keine Tour frei von Doping. Zum einen
hört die Wirkung des Hormons EPO, das den Körper zur Bildung von Erythrozyten
anregt, nicht automatisch mit dessen Nachweisbarkeit auf. Die Wirkung hält länger vor,
als der Wirkstoff nachweisbar ist. Zum anderen ist EPO nicht das einzige Leistungssteigernde
Mittel im Radsport. Längst haben sich Doper und Hochleistungsstrategen auf die
neuen Bedingungen einstellen können, um in der Ära nach EPO zu den Besten zu zählen.
Dr. Wolfgang Stockhausen, ärztlicher Leiter des Instituts für angewandte Sport- und
Präventivmedizin im Medical Park Chiemsee und früher betreuender Arzt im Radsport
warnt: „Es mehren sich Hinweise, dass Wachstumshormone, zum Teil in Kombination
mir anderen Präparaten, im internationalen Radsport eingesetzt werden. Es ist zu befürchten,
dass sich diese Tendenz verstärken wird, sollte der EPO - Nachweis gelingen.
Ich habe größte Bedenken hinsichtlich der Langzeit-Nebenwirkungen, die lebensverkürzend
und lebensgefährdend sein können.“
Präparate aus der Klinischen Forschung tauchen im Radsport auf, zum Beispiel IGF 1
(Insulin-like Growth Factor 1), ein Wachstumshormon. In der Szene soll sich eine Kombination
von HGH (Human Growth Hormone), ebenfalls ein Wachstumshormon, dem
Schilddrüsenhormon Thyroxin und Insulin großer Beliebtheit erfreuen. Von HGH und
IGF 1 kursieren Fälschungen auf dem Schwarzmarkt. Bei einem Referat im August
1997 wies der Mediziner Mathias Ritsch, er arbeitete damals an der Orthopädischen
Universitätsklinik Münster, bereits darauf hin. Er berichtete von Athleten mit irreversibler
Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse. „ Bei der nächsten Olympiade werden wir
von Interleukin 15 hören“, prognostizierte er.
Erläuterung: Interleukine (IL-x) sind zu den Zytokinen zählende, körpereigene Botenstoffe der Zellen
des Immunsystems. Sie werden in mehrere Untergruppen unterteilt, die durch Zahlen gekennzeichnet
werden (IL-1 bis IL-32; Stand Oktober 2005). Jedes Interleukin regt bestimmte Zellen des Immunsystems,
beispielsweise Leukozyten, zu Wachstum, Reifung und Teilung an oder sorgt für deren Aktivierung.
Der Einsatz von Wachstumshormonen kann bei Gesunden zu erheblichen Veränderungen
an den inneren Organen führen, den Herzmuskel schädigen und Tumore hervorrufen.
Sichtbar sind Veränderungen der Physiognomie durch das einsetzende Wachstum,
insbesondere an Kinn und Zähnen, sowie verlängerte Finger
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und Zehen. (vermehrtes Tragen von Zahnspangen; beobachtet bei jugendlichen amerikanischen
Leichtathleten) Bei dem Wachstumshormon HGH, das nicht gentechnisch
hergestellt, sondern wie in Osteuropa aus den Hirnanhangsdrüsen von Leichen gewonnen
wird, besteht die Gefahr einer Infektion mit dem Aids erregenden
HI-Virus, mit Hepatitis und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. IGF 1 wird von Diabetologen
auch mit Netzhautschäden bis hin zur Erblindung in Verbindung gebracht. Insulin
bringt den Regelkreis der Bauchspeicheldrüse zum Erliegen. Das Diabetes- Risiko ist
immens. Bauchspeicheldrüsenkrebs als Spätfolge ist möglich. Der unkontrollierte Einsatz
von Schilddrüsenhormonen kann den Stoffwechsel zum Entgleisen bringen. Durch
die Einstellung der körpereigenen Produktion von Schilddrüsenhormonen kann eine lebenslange
Abhängigkeit von exogenen Hormonen entstehen.
Professor Gerhard Uhlenbruck, emeritierter Direktor des Instituts für Immunbiologie der
Universität Köln, warnt vor medikamentösen Eingriffen: „Gerade bei Hochtrainierten Athleten
haben sich die Regelkreise auf die Belastungen eingespielt. Die optimale Funktion
wird mit maximal ausgerüsteten Zellen erreicht. Bringt man dies durch zugeführte Hormone
und Botenstoffe wie Interleukine aus dem Gleichgewicht, können zum einen die
unmittelbaren Folgen durch Feedback-Mechanismen kontraproduktiv hinsichtlich der
Leistungsrealisation sein, und zum anderen sind Langzeitveränderungen nicht absehbar.“
Die Analytik jedoch muss bei IGF 1, Insulin und Thyroxin passen. Die zugeführten Substanzen
sind nicht nachweisbar oder lassen sich nicht von den körpereigenen unterscheiden.
Der Test für HGH, wie ihn Christian Strasburger in München entwickelt hat,
wird von den Sportverbänden nicht angenommen.
Unterdessen wird ein neues Mittel eingesetzt. Es handelt sich dabei um synthetisches
Hämoglobin, das aus Rinderblut gewonnen wird und bislang nur in den Vereinigten
Staaten frei im Handel zu kaufen ist. Tierärzte behandeln damit die Blutarmut von Hunden
nach Flohbefall. Der Vorteil für den Doper ist eine bessere Wirksamkeit als bei
EPO. Das synthetische Hämoglobin steigert die Fähigkeit des Blutes zum Transport von
Sauerstoff, aber im Gegensatz zu EPO nicht den Anteil der Feststoffe. Das Blut wird
nicht dickflüssiger. Das Mittel gewährleistet eine hohe Mikroperfusion, das heißt, es
wirkt bis in die Kapillare hinein, was bei EPO nicht immer der Fall gewesen sein soll.
Nebenwirkung kann die Gefahr von Herz- und Hirninfarkt unter extremer Belastung sein.
Trotzdem gibt es bereits klinische Forschungen, die klären sollen, ob das Mittel in der
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Notfallmedizin eingesetzt werden kann. In jedem Fall ist der Missbrauch dem dopenden
Sportler mit einer herkömmlichen Dopingkontrolle nicht nachzuweisen.
Das Vorgängerprodukt PFC aus der Intensivmedizin hat sich nicht durchgesetzt. Es
barg so enorme Risiken, dass nach einigen Zwischenfällen sogar Radprofis einander
mit Flugblättern davor warnten. Obwohl das französische Dopinglabor Chatenay-
Malabry, das auch den neuen, womöglich längst obsoleten EPO-Nachweis entwickelte,
bei der Tour de France 1999 ein Verfahren zum Nachweis von exogenen Corticoiden
eingeführt hat, ist Kortison weiterhin ein Problem. Die lokale Anwendung, etwa eine Gelenkinjektion
oder das Auftragen einer Salbe, und der systemische Gebrauch (über den
Blutkreislauf) durch eine Einnahme können kaum voneinander unterschieden werden.
Für die lokale Anwendung bekommen die stets von Sitzbeschwerden heimgesuchten
Radprofis immer ein Attest. Nebenwirkungen sind Diabetes, Versagen der Nebennieren,
Osteoporose, Bluthochdruck, Glaukom (grauer Star) oder Stammfettsucht, die sich als
Mondgesicht zeigt.
Auch hämatologische Wachstumsfaktoren aus der Krebstherapie sollen zur Leistungssteigerung
eingesetzt werden. In der Medizin helfen sich Leukämiepatienten, ihre Blutwerte
auf ein Normalmaß zu bringen. Im Sport sorgen sie für die überschießenden Reaktionen.
Allein die Kosten der Medikamente verhindern einen weit verbreiteten Einsatz.
Ihre Nebenwirkungen sind ähnlich wie die von EPO. Und nachweisbar sind auch sie
nicht.
Nitroglycerinpräparate aus der Infarkttherapie versorgen den Herzmuskel, etwa bei einem
Angina-Pectoris Anfall, mit mehr Sauerstoff. Aus der Radsportszene wird berichtet,
dass Sprinter sich mit diesen Präparaten das gewisse Extra für den Endspurt holen.
Nebenwirkungen über den typischen Nitro-Kopfschmerz hinaus sind nicht abschätzbar.
Das Medikament ist nicht verboten und nicht nachweisbar.
Auch das so genannte Eigenblutdoping nach heilpraktischen Methoden hat weiterhin
Konjunktur. Der kostbare Saft wird entnommen, mit Ozon angereichert, mit UV-Licht bestrahlt
und steht derart gestärkt für die Reinfusion zur Verfügung. Nachweisbare Wirkstoffe
werden „maskiert“, indem zusätzlich Substanzen genommen werden, die deren
Nachweis verhindern, oder ihre Abbauzeiten sind so gut bekannt, dass sie weiterhin
eingesetzt werden können. Darauf weisen die Mittel hin, die der geständige Physiotherapeut
und Dopingkurier Willy Voet zum Auftakt der Tour 1998 nach Irland zu schaffen
versuchte: neben EPO auch anabole Steroide, deren Nachweis seit Jahren gelingt.
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Nicht selten sind auch Veranstalter und Funktionäre Komplizen der Fahrer und warnen
vor überraschenden Kontrollen.
Zurzeit werden rund achtzig Präparate gehandelt, die leistungssteigernd wirken sollen
und für die es kein Nachweisverfahren gibt. Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Anti-Doping-Labors
in Köln, sagt: „Nach allem, was wir wissen, werden im Hochleistungssport
mehr Wirkstoffe eingesetzt, als wir vermuten. Ob die angestrebten Leistungssteigernden
Effekte wirklich erreicht werden, ist in vielen Fällen fraglich. Vor den auch irreversiblen
Nebenwirkungen kann nur eindringlich gewarnt werden.“ Schänzer fügte aber
hinzu, dass die Analytik dem Betrug im Sport nicht hilflos gegenüberstehe. Allerdings
forderte er eine Unterstützung der Labors von außen:“ Dringend nötig sind verbesserte
Strukturen außerhalb der Labors, die eine Projektbezogene und kontinuierliche Arbeit
mit einer hohen Probenzahl ermöglichen.“
Hilflos stehen die Betroffenen einem Phänomen gegenüber; Im Umfeld des Radsports
wird derzeit eine erhöhte Rate an Fehlgeburten und behinderten Neugeborenen beobachtet.
Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen die Väter Leistungssportler sind.
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11. Allgemeine Schlussbetrachtung
Tyler Hamilton,
Olympia 2004 (4)
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Die Faszination des Sports im herkömmlichen Sinne, hervorgerufen
durch die schöne und schlichte Idee einen sportlichen Wettkampf
durchzuführen, hat nachgelassen. Sport als körperliche Ertüchtigung,
mit dem Ziel sich am Gegner zu messen und dadurch von vielen als
Unterhaltung verehrt, ist in den letzten Jahrzehnten untergegangen in
einer Flut von undurchschaubaren Dopingaffären. Der Zweifel an
dem natürlichen Ehrgeiz nach optimaler Leistung, Vertrauen auf
Fairness und Natürlichkeit des Gegners, spontane Freude an der besonderen
Leistung, wird immer wieder durch neu aufkommende Dopingfälle
bestätigt. Die zunehmende Leistungsdichte lässt den Berufssportler
der Versuchung erliegen zu Dopingmitteln zu greifen um
Leistung zu erbringen. Eine allumfassende Definition für Doping kann
nicht gefunden werden. Es muss jedoch eine Definition in Worten
geben, um Grenzen zu setzen und eine gewisse Hemmschwelle aufrecht
zu erhalten, die das Problem des Dopings teilweise eingrenzt.
Sportler, die sich trotz allem für Doping entscheiden, müssen abgeschreckt
werden, um die Natur des Körpers und die Integrität des
Sports nicht in Frage zu stellen. Gedopte Sportler müssen ein Berufsverbot
erhalten.
Verfasser: Clasing D.
Titel: Doping – verbotene Arzneimittel im Sport
Erscheinungsjahr: 1992
Verfasser: Prokop L.
Titel: Praktische Erfahrungen mit dem Doping in Österreich
Erscheinungsjahr: 1966
Verfasser: Prokop L.
Titel: Zur Geschichte des Dopings und seiner Bekämpfung
Erscheinungsjahr: 1970
Verfasser: Venerando A.
Titel: Doping: Pathology and ways to controll it.
Erscheinungsjahr: 1963
Zitate aus einem Vortrag in Rosenheim
www.RADSPORT-NEWS.COM/News
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Literatur- und Fotoverzeichnis
Quellennachweis der Fotos:
Phonak Cycling Team (1) http//:www.phonak-cycling.ch
Betreuerteam: (1) http//:www.phonak-cycling.ch
We race for better hearing (2) http//:cumu02.ncag.ch/ phonak_cycling/
Tyler Hamilton: (3) http//:www.usacycling.org/ gallery/High-Res-Images
Deckblatt:
Tyler Hamilton: http//:ch.newsbot.msn.com/ s/?id=1239
David Millar: http//:vnexpress.net/.../07/ 3B9CA0BB/19_Millar_1B.jpg
Doping-Tabletten: http//:www.shareadictos.com/ ftopicp-60738.html
Richard Virenque: http//:www.kindernetz.de/.../ rueckblick/doping.html
Literaturverzeichnis
Tabletten http//:pub.tv2.no/nettavisen/ sport/ol/article269071.ece