Die Rolle der Umwelt in der Entwicklungspsychologie Martin ...

z.B. eine Studie mit rumänischen Kindern einschlägig, die nach dem Zusammenbruch des
kommunistischen Systems ihre ersten Lebensmonate bzw. Jahre unter widrigsten Umständen
(z.B. massive Unterernährung, Fehlen sozialer Zuwendung) in Waisenhäusern zubrachten und
denen dort für das Alter übliche Umwelteinflüsse (wie eine feste Bezugsperson) weitgehend
fehlten. Jene Kinder, die bereits vor Ende des 6. Lebensmonats in britische Adoptivfamilien
kamen, zeigten mit 4-6 Jahren keine Störungen im Attachment und keine kognitiven Defizite.
Wer jedoch erst später adoptiert wurde, hatte ein erhöhtes Risiko für Bindungsstörungen und
kognitive Einschränkungen (Rutter & O’Connor, 2004). Dass Deprivationserfahrungen in den
ersten Lebensmonaten ohne Auswirkung auf die Entwicklung des Bindungsverhaltens
blieben, ist darüber zu erklären, dass sich die Bindung der Kinder an Bezugspersonen erst ab
dem zweiten Lebenshalbjahr herausbildet. Folglich sind Kinder nicht per se in den ersten
Lebensmonaten besonders empfänglich für Umwelteinflüsse, sondern in jenem Altersbereich,
in dem die jeweils untersuchten Merkmale entstehen. Ähnlich zeigen auch Studien in weniger
extremen Umwelten, dass Zusammenhänge zwischen dem Stimulierungsgrad der Umwelt und
der kognitiven Entwicklung im ersten Lebensjahr noch gering sind, aber dann deutlich
ansteigen (Bradley et al., 1989). Zudem sind – wie schon diskutiert – Kinder unterschiedlich
vulnerabel für Umwelteinflüsse und viele Effekte früher Erfahrungen können später
modifiziert werden, sofern Veränderungen der Umwelt neuartige Erfahrungen zulassen.
Intensität der Einwirkung. Oft wird die Annahme vertreten, dass eine größere Zahl von
positiven oder negativen Umweltfaktoren bzw. eine stärkere Ausprägung dieser mit einer
entsprechend günstigeren bzw. ungünstigeren Entwicklung einhergeht. Die Beziehung ist
allerdings nicht immer linear. So zeigte bereits Rutter (1979), dass sich Kinder ohne und mit
einem familiären Stressor nicht in ihrer Entwicklung unterschieden, während zwei Stressoren
mit einem vierfach erhöhten und vier Stressoren mit einem zehnfach erhöhten Risiko für
Verhaltensprobleme einherging. Zudem kann die Konfrontation mit schwachen oder mäßig
starken Stressoren auch die Kompetenz im Umgang mit Stress erhöhen, so dass man in Bezug
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