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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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statt romantisch verbogen <strong>und</strong> verlogen, unverfälscht zu sehen, sie herauszufordern,<br />

sozusagen aus jeder Affäre Dreyfus eine Affäre Zola zu machen. Wo das nicht mehr<br />

gewünscht oder aus irgendeinem Gr<strong>und</strong>e nicht mehr möglich ist, läßt die Kunst <strong>des</strong><br />

Features bald nach, <strong>und</strong> die Featureschreiber gehen auf Reisen: entweder zum Kongo,<br />

nach Grönland <strong>und</strong> um die Welt, wie Schnabel, zu den Bitteren Wassern Lapplands, wie<br />

Andersch, oder zum Rio Grande <strong>und</strong> gleichfalls um die Welt, wie Peter von Zahn. Die<br />

Geographie, mehr oder weniger harmlos, ist das Ende <strong>des</strong> Features, wenn auch –<br />

zugegebenermaßen – ein Ende in Schönheit. Seine andere Möglichkeit, unter Aufgabe<br />

der Funktion zu überdauern, ist, daß es sich ein wenig volkshochschul-akademisch um<br />

die kulturpolitischen <strong>und</strong> sozialpolitischen Randfragen kümmert, wo es unangefochten<br />

ewig leben kann.<br />

Ist das Feature auf diesem Wege, dann merkt man nur gelegentlich, nämlich, wenn ein<br />

Vorstoß ins Politisch-Aufregende zufällig noch einmal gelingt, wie weit man von den<br />

Quellen entfernt ist. So geschehen mit Erich Kubys Festung Brest (1954), mit Peter Adlers<br />

Die Vergessenen (1956), mit Schnabels Anne-Frank-Sendung (1958) oder mit Anderschs<br />

St<strong>und</strong>e der Giraffe (1958). Im allgemeinen kann man heute von der deutschen Feature-<br />

Produktion wie von den meisten Dingen in Deutschland sagen: sie haben sich im Bestand<br />

ihren Platz gesucht <strong>und</strong> werden ihn nun unangefochten halten, solange der Bestand<br />

weiterexistiert.<br />

Schnabel hat, was das Feature sei, wiederholt mit folgendem Gleichnis ausdrücken<br />

wollen: es geht jemand in den dunklen Keller <strong>und</strong> leuchtet mit <strong>seiner</strong> Taschenlampe oder<br />

mit einer flackernden Kerze vor sich ins Gerümpel, um zu beschreiben, was sich im<br />

schmalen Lichtkreis gerade erblicken läßt. Abgesehen davon, daß mit diesem Bild das<br />

direkt Reportagehafte etwas zu stark betont zu sein scheint, mehr als die Featuremeister<br />

in der Praxis zu tun pflegen, trifft das Gleichnis unter einer Bedingung zu: daß man den<br />

Akzent nachdrücklich auf die Tatsache der Dunkelheit <strong>des</strong> Kellers legt. Solange die<br />

Menschen das Gefühl haben, daß ihre künftige politische Existenz sich auf<br />

überraschen<strong>des</strong> <strong>und</strong> kühnes experimentelles Vorwärtsdringen <strong>und</strong> auf Improvisationen<br />

gründet, <strong>und</strong> daß es gilt, tastend Raum zu gewinnen, wird auch das Feature blühen.<br />

Installiert man aber den Keller <strong>und</strong> weiß genau, wo der Lichtschalter sitzt – nachdem<br />

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