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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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nur noch einmal von sehr weit Odilo: »Hier bin ich.« Erst dann stellt sich die zweite<br />

Stimme vor: »Gestatten, Cherubim!«<br />

Der Sprecher ohne Zeichen der Überraschung: »Der erste Name aus der Stille. Es ist<br />

wahr, sie hat viele Namen. Aber da sprach noch jemand anders.« Und wiederum läßt sich<br />

Odilo hören: »Hier bin ich.« Ungeduldig fordert der Sprecher jetzt, daß er sich lauter<br />

melde, da tauchen plötzlich viele Stimmen auf, vordergründigere: eine, die Zahlen, eine,<br />

die den Namen Barbara immerfort wiederholt, eine schneidige, eine klagende, eine mit<br />

einem törichten Berichtsatz, eine rhetorische. »Die Stille ist aufgebrochen«, stellt der<br />

Sprecher fest.<br />

Zweifellos steht ein solcher Versuch in gewissen Traditionen – etwa der französischen<br />

Lyrik, z. B. Apollinaires, die die Sprache musikalisch-sinfonisch verwenden will.<br />

Gelegentlich hat man bei diesem Text auch das Gefühl, als ob er in <strong>seiner</strong><br />

bedeutungsvollen Zusammenhanglosigkeit, in der Isoliertheit aller Einzelheiten <strong>seiner</strong><br />

Figuration, ein Vorläufer <strong>des</strong> nouveau roman sei. Worauf es dem Autor aber am meisten<br />

ankommt, das sagt der Kommentar <strong>des</strong> »Sprechers«: es geht um die Stille, die erst in der<br />

Begrenzung durch das Wort spürbar wird, um die Beschwörung <strong>des</strong> Nichts, das sich<br />

durch Sprache, selbst wenn es sich um beinahe sinnlose Sätze handelt, in ein Etwas<br />

verwandelt, Sprache als Schöpfungsakt <strong>und</strong> Werde-Befehl. Freilich wird durch Sinnloses<br />

nur Sinnlosigkeit: Ohlmeyer demonstriert zugleich die Vereinzelung <strong>des</strong> Menschen <strong>und</strong><br />

die Ohnmacht einer gewissen Art von Sprache gegenüber dieser Vereinzelung.<br />

Das Stuttgarter Hörspiel blieb ein Einzelfall. Schröder-Jahn aber ist in der Regiemethode<br />

seit über zehn Jahren unbestrittener Meister <strong>und</strong> hat Schule gemacht: Kraft-Alexander,<br />

Joachim Hoene, Hans Rosenhauer sind u. a. seine jüngeren Nachfolger. Aber auch die<br />

Altersgenossen haben von ihm gelernt.<br />

Neben Schröder-Jahn ist als zweiter der Hörspielregisseure mit einer eigenen Sprache<br />

Kurt Reiss zu nennen. Er hatte es schwerer, er suchte keine Methode, bei der man<br />

bleiben konnte, sondern ihn setzte etwas in Unruhe, bei dem auch das Scheitern wichtig<br />

ist: das Experiment. Und zwar das Experiment mit Stimmen, die, wenn sie Schauspielern<br />

gehörten, alles Gelernte abstreifen mußten, damit sie sich als zufälliger Typ, als<br />

idiomatische Farbe gleichsam zu einem akustischen papier collé zusammenbasteln<br />

ließen. Dabei konnte bei Reiss der einzigartige Fall vorkommen, daß er einen Hörspieler<br />

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