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Dr. Walter Beck Rechtsanwalt und Autor im Gespräch mit Florian ...

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Hildebrand: Lassen Sie uns am Schluss doch ein wenig in die Nachkriegszeit <strong>und</strong> in die<br />

Gegenwart gehen. Inwieweit haben denn die Sachsen das Bayernbild in der<br />

Nachkriegszeit beeinflusst oder <strong>mit</strong>gestaltet?<br />

<strong>Beck</strong>: Es gibt keine genaue Statistik darüber, wie viele Sachsen nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg nach Bayern gekommen sind.<br />

Hildebrand: Als Flüchtlinge.<br />

<strong>Beck</strong>: Es gibt nur eine allgemeine Flüchtlingserfassung, aber wenn man gräbt, dann stößt<br />

man überall auf Sachsen. Es gibt heutzutage natürlich ganz große Firmen wie z. B.<br />

Audi in Ingolstadt, die damals aus Zwickau bzw. Chemnitz weggehen mussten, weil<br />

sie dort enteignet worden waren. Audi wurden dann eben von Ingolstadt aus wieder<br />

neu aufgebaut. Es gibt die in Spezialistenkreisen bekannte <strong>und</strong> hoch angesehene<br />

Firma Burgmann, die heute in Wolfratshausen sitzt: Sie hatten in <strong>Dr</strong>esden<br />

Dichtungen wie z. B. Zylinderkopfdichtungen für Motoren – u. a. auch für<br />

Schiffsmotoren – entwickelt. Diese Firma hat heute weltweit einen der ganz<br />

vorderen Plätze auf diesem Gebiet inne <strong>und</strong> beschäftigt fast 2000 Leute. Es gibt z.<br />

B. die Firma Kreuzkamm, die ja in München sehr bekannt ist für ihre Süßigkeiten.<br />

Der Vater Kreuzkamm floh damals nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls nach<br />

Bayern: Er konnte sich irgendwie durchschlagen <strong>und</strong> arbeitete zunächst einmal für<br />

die Amerikaner. Unter anderem die vielen Sachsen in Bayern haben dann dazu<br />

beigetragen, dass die Firma Kreuzkamm auch hier <strong>im</strong> Westen sehr groß geworden<br />

ist. Nach der Wende ist die Firma dann sofort wieder zurück nach <strong>Dr</strong>esden<br />

gegangen. Inzwischen stellt man dort pro Jahr, obwohl sie noch <strong>mit</strong> der Hand<br />

backen, 50 Kilometer Stollen her. Wie gesagt, obwohl das alles noch <strong>mit</strong> der Hand<br />

gedreht wird. Das ist eine riesige Menge: Ich könnte praktisch von München bis<br />

zum Tegernsee eine Stollen-Leitung nur <strong>mit</strong> Kreuzkamm-Stollen legen!<br />

Hildebrand: In der Zeit der Wiedervereinigung war es ja ganz selbstverständlich, dass Bayern<br />

Sachsen <strong>im</strong> Zuge der Amtshilfe beisteht. War denn den beteiligten sächsischen <strong>und</strong><br />

bayerischen Politikern eigentlich klar, dass sie sich dabei vor einem breit angelegten<br />

<strong>und</strong> gelebten historischen Hintergr<strong>und</strong> bewegen?<br />

<strong>Beck</strong>: Für mich war das die eigentliche Überraschung: Das wusste nämlich keiner. Ich<br />

habe <strong>mit</strong> der damaligen bayerischen Staatsregierung <strong>und</strong> hier u. a. auch <strong>mit</strong> Max<br />

Streibl darüber gesprochen: Von diesen historischen Vorgängen hatten sie genauso<br />

wenig Ahnung wie die Sachsen. Das lag einfach daran, dass nach dem Ersten<br />

Weltkrieg das Wissen darum systematisch unterdrückt worden ist. Zuerst geschah<br />

das durch das Nazireg<strong>im</strong>e <strong>und</strong> später durch die DDR. Bei uns <strong>im</strong> Westen war es<br />

ebenfalls so, dass der Geschichtsunterricht nicht ausreichend war: Wenn man da<br />

endlich bei der Neuzeit ankam bzw. ankommt, reicht die Zeit nicht mehr, um<br />

solchen Spezialfragen nachgehen zu können. Diese ganze Sache war also nicht<br />

bekannt. Aber ich stelle fest, nachdem nun dieses Buch auf dem Markt ist, sagt<br />

natürlich jeder: "Das ist ja eigentlich ganz klar. Wir verstehen uns in der Tat<br />

blendend!"<br />

Hildebrand: Bayern hat ja nach der Wende Sachsen eine ganze Menge Amtshilfe geleistet.<br />

Dies haben selbstverständlich alle B<strong>und</strong>esländer so gemacht. Bayern hat aber doch<br />

am meisten investiert in Sachsen, wie Sie herausgef<strong>und</strong>en haben. Warum<br />

eigentlich, obwohl doch diese – historisch unverschuldete – gegenseitige<br />

Unkenntnis vorhanden war?<br />

<strong>Beck</strong>: Nach dem Warum müssen Sie die bayerische Staatsregierung fragen. Die<br />

Vermutung liegt nahe, dass das zunächst einmal <strong>mit</strong> der Nähe zu Sachsen zu tun<br />

hat. Sie wissen ja, dass man damals von Bayern aus auch den politischen Versuch<br />

unternommen hat, die DSU, also die Deutsche Soziale Union, nicht nur zu gründen,<br />

sondern auch am Leben zu erhalten in den neuen B<strong>und</strong>esländern: Die DSU war<br />

quasi als zweites politisches Bein der CSU gedacht. Man muss halt vermuten, dass<br />

das alles ein bisschen parallel gelaufen ist. Man hatte gehofft, dass man dadurch,<br />

dass man die Politik entsprechend aufbaut, auch die anderen Aufbauarbeiten<br />

gleichzeitig besser leisten kann. Aber es ist schon verblüffend, wie intensiv <strong>und</strong> wie<br />

erfolgreich die Bayern in Sachsen gearbeitet haben <strong>und</strong> noch heute arbeiten. Das

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