DZMagazin MAI 2012 Gut eingerichtet steht alles bereit. Dominik Müggler in seiner Werkstatt. Das Cheminée ist das neue Projekt. Der selbstgebaute Hasenstall. Dominik Müggler Mit dem Quad auf vier Rädern unterwegs.
Auch mit Behinderung aktiv bleiben bin noch der gleiche wie vor meiner Zeit im Rollstuhl», ist Dominik Müggler «Ich überzeugt. Am 19. April 2002 änderte sich sein Leben, seine innere Einstellung blieb. Er verunfallte zwischen Wuppenau und Zuzwil mit seinem Töff. Erinnern kann er sich an den Unfall selber nicht mehr. Er hat später die Fotos gesehen und seine Aussagen gelesen. Laut dem Protokoll habe er getobt und wollte nach Hause. Schwer verletzt wie er war, ging es jedoch nach St. Gallen ins Kantonsspital (KSSG) auf die Intensivstation. Auf der linken Seite waren alle Rippen gebrochen, die Lunge durchstochen und der linke Daumen musste plastisch aufgebaut werden. Die Behandlungen waren schmerzhaft, doch wirklich von grosser Bedeutung war die Verletzung der Lendenwirbelsäule. Das Rückenmark war gequetscht und Dominik Müggler konnte von diesem Zeitpunkt an nicht mehr gehen. Seine erste Erinnerung ist jene, als Pfleger ihn in einen Stuhl setzen wollten. Die Schmerzen waren extrem und gruben sich in sein Gedächtnis. Zum Zeitpunkt von seinem Unfall waren seine Kinder Larissa zweieinhalb Monate und Selina zweieinhalb Jahre alt. Rückhalt der Familie Müggler wurde vom KSSG ins Paraplegikerzentrum Nottwil verlegt. Für seine Frau Priska begann eine schwere Zeit, in der sie viele Kilometer pendelte. Sobald Dominik Müggler mobiler war, mieteten sie ein Studio in der Nähe des Paraglegikerzentrums. Es war eine Zeit, in der sich die Beziehung zu seiner Frau wie eine zweite Kennenlernphase entwickelte. Sie musste ihn mit seinen neuen Bedürfnissen und Begebenheiten neu erfahren. Die Sexualität hat sich seither stark verändert. Berührungen alleine genügen nicht mehr, es bedarf mehr der Worte, um etwas auszudrücken. «Der Rückhalt aus der Familie ist wichtig und hat mir sehr geholfen», sagt Müggler. Ihm standen seine Eltern, Geschwister und seine Frau zur Seite und hielten zu ihm. Selbst habe er keine Zukunftsängste verspürt, führt er aus. Während seines Aufenthaltes in Nottwil kaufte die Familie eine neue Eigentumswohnung am Ster- nenweg in Uzwil. Die alte Wohnung war nicht rollstuhlgängig gewesen. Die neue Wohnung befand sich im Bau. Familienmitglieder filmten die weiteren Bauabschnitte. Durch diese Filme konnte Dominik Müggler auch von Nottwil aus Einfluss auf die weitere Gestaltung nehmen. Viele Anpassungen waren nicht nötig. Die Räume waren schon von Anfang an gross geplant gewesen. Nur die Schwelle zum Sitzplatz musste niedriger gemacht werden, die Spüle in der Küche musste unterfahren werden können und die Schranktüren im Gang wurden speziell angefertigt. Diese lassen sich nun weiter öffnen als die handelsüblichen. Das Badezimmer ist auf die Behinderung abgestimmt. Ende November 2002 kehrte er aus dem Paraplegikerzentrum in das neue Zuhause heim. Es dauerte drei Jahre, bis er die Tragweite von seinen Verletzungen erfasst hatte. Bis dahin hatte er gehofft, dass sich alles ergeben werde und er in sein früheres Leben zurückkehren könne. Er verkaufte seine Werkstatt und kümmerte sich weiterhin um den Haushalt und die Töchter. Bis zu diesem Schritt hin hatte er sein Leben bereits nach den neuen Bedürfnissen ausgerichtet. Unverändert im Wesen Seine ältere Tochter hatte ihn noch als gehfähigen Vater erlebt. «Ich habe sie überall hin, auch zur Arbeit, mitgenommen. Viel haben wir gemeinsam unternommen», sagt Müggler wehmütig. Mit dem Rollstuhl kommen die Töchter klar, auch wenn sie sich manchmal wünschen, es wäre anders. «Das Einrad hängt unbenutzt in der Garage. Gerne würde ich meinen Töchtern zeigen, wie man damit fährt», fügt Müggler an. Bereits als Kleinkinder hatten sie das Gespür für ihn. Nie seien sie ihm weggelaufen. Wenn sie mit dem Auto irgendwo angekommen seien, LEBEN IM ROLLSTUHL > 11 Der Unfall kostete ihn seine Mobilität. Dominik Müggler verunfallte mit seinem Töff und verlor dabei seine Gehfähigkeit. Seine Beweglichkeit, sich neuen Situationen anzupassen, dem Leben die Stirn zu bieten, hat er behalten. Heute schwimmt er, fährt Monoski und geht ins allgemeine Rollstuhltraining. Text & Fotos > ANDREA SCHLEGEL-CAMPREGHER > «Wenn jemand vor einem solchen Unfall willensstark war, ist er es auch im Rollstuhl.» hätten sie stets gewartet um danach gemeinsam weiterzuziehen. «Da staunten andere Passanten darüber», sinniert Müggler stolz. Auf ihre Hilfsbereitschaft konnte und kann er sich verlassen. Wenn er zu ungeduldig ist und nicht auf Hilfe wartet, kann es vorkommen, dass er mit dem Rollstuhl stürzt. Dann sind sie schnell zur Stelle. «Ich hab eben einen dicken Grind», schiebt er nach. Vorsorgen ist wichtig «Wenn jemand vor einem solchen Unfall willensstark war, ist er es auch im Rollstuhl.», ist Müggler überzeugt. Es gebe kein allgemeingültiges Rezept, wie man mit einem solchen Schicksal umgehen kann, führt er weiter aus. «Es ist modern, im Heute zu leben und sein Geld auszugeben», sagt er. «Das kann ich nachvollziehen, doch hätte ich keine Vorsorge getroffen, wäre mein Schicksal härter ausgefallen. Das Ersparte erleichtert vieles.» Müggler hat sich drei Jahre nach dem Unfall einen Gehrollstuhl gekauft. Dieser kostet zwar so viel wie ein Auto und musste selber berappt werden, ihm bringt er jedoch enorm viel Lebensqualität. Tatkräftig gestaltet Müggler nun seinen Alltag. Der Service eines Rollstuhles ist teuer, Müggler pflegt und wartet seine Rollstühle gerne selber. Auch Ersatzteile für seine Rollstühle erstellt er in seiner kleinen, aber gut eingerichteten Werkstatt in der Garage unter seiner Wohnung. Für die Kaninchen im Garten hat er einen Stall entworfen und erstellt, im Keller des Wohnblockes steht ein Veloständer, den er selber gebaut hat und im Winter hält er den Platz vor dem Mehrfamilienhaus schneefrei. Das Töfffieber hat ihn trotz den Folgen nicht verlassen. Er hat sich einen Quad gekauft, an den er im Winter einen selber konstruierten Schneepflug montieren kann. Für seinen Rollstuhl hat er hinten eine Haltevorrichtung gebaut. Jedes seiner Werke, seiner Arbeiten in der Wohnung, im Garten und der Anlage zeigen auf, dass er seinem Charakter treu geblieben ist. Dominik Müggler setzt sich durch.