Da ist keine Grenze
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oler Schützen erneut eine Dornenkrone<br />
tragen wollen, weigern sich ihre Nordtiroler<br />
Kameraden. Otto Sarnthein spricht von<br />
einem „alten Hut“. Die Landeseinheit Tirols<br />
sei zwar noch nicht wieder hergestellt,<br />
dies sei aber kein ausreichender Grund,<br />
die Dornenkrone „als chr<strong>ist</strong>liches Symbol“<br />
beim Festumzug mitzutragen.<br />
„Schämen muss man sich. Der Sarnthein,<br />
der Schützenkommandant, der <strong>ist</strong><br />
es ja nicht wert, unsere Tracht zu tragen.<br />
Wenn der halbwegs Ehre im Leib hätte,<br />
dann würde er sagen: Wir haben sie zweimal<br />
getragen und tragen sie auch jetzt“,<br />
wettert Obleitner. Und wenn Karl Obleitner<br />
wettert, kommt das einem emotionalen<br />
Vulkanausbruch gleich. Denn Sarntheins<br />
Weigerung, die Krone zu tragen, bedeutet<br />
für Obleitner nicht nur, das Gedenken an<br />
diesen dramatischen Teil der Geschichte<br />
des Landes zu verweigern, sondern stellt<br />
auch seine eigene Lebensgeschichte in Frage.<br />
Karl Obleitner war und <strong>ist</strong> Freiheitskämpfer.<br />
Als solcher weiß er mehr, als in<br />
den Büchern steht, kennt Geschichten, die<br />
zu erzählen ihm wichtig sind. <strong>Da</strong>mit die<br />
Erinnerung an die Folgen der Trennung<br />
Tirols, an die Attentate und die Hintermänner<br />
nicht erlischt. „Die Kameraden, die ihr<br />
CHRONOLOGIE<br />
einem Anschlag, nämlich auf<br />
das Grab Ettore Tolomeis, der<br />
die sprachliche Italianisierung<br />
Südtirols vorangetrieben hat.<br />
13. 09. 1959<br />
Großer Festumzug im Gedenken<br />
an Andreas Hofer. Eine vom<br />
Land Tirol in Auftrag gegebene<br />
Dornenkrone, als Symbol für das<br />
34 ECHO 09/2008<br />
TITEL<br />
geteilte Land, wird von Schützen<br />
durch die Landeshauptstadt<br />
getragen.<br />
21. 02. 1960<br />
Die Polizei prügelt auf 2000<br />
Kirchgänger ein, als sie nach<br />
Verlassen der Kirche das Andreas-Hofer-Lied<br />
anstimmen.<br />
Zahlreiche Verhaftungen<br />
1957: Südtirols Landeshauptmann<br />
Silvius Magnago gibt auf Sigmundskron<br />
die Parole „Los von Trient“ aus.<br />
Leben riskiert haben, die Kameraden, die<br />
gefoltert wurden, und die Kameraden, die<br />
gestorben sind, haben es nicht verdient,<br />
vergessen zu werden.“<br />
DIE VERZWEIFLUNG. Seine Bauernstube <strong>ist</strong><br />
geräumig, <strong>ist</strong> heimelig und hat schon viele<br />
Gäste gesehen. Hier wärmt der selbst entworfene<br />
Kachelofen, hier zupft er die Harfe,<br />
hier werden Speck, Käse und Wein kredenzt<br />
und hier hat er auch sein Gewehr versteckt.<br />
„Mein Gewehr <strong>ist</strong> eingefettet und schussbereit.<br />
Ich bin Freiheitskämpfer und dazu<br />
gehören Waffen“, sagt er. Verwenden will er<br />
es nicht, es „graust“ ihn davor, entwaffnen<br />
würde er sich aber nie lassen. „Laut Landlibell<br />
von 1511 haben wir das Recht dazu.“<br />
Im Gespräch mit ihm werden die Eckpunkte<br />
seines Lebens rasch offenbar. Karl<br />
Obleitner <strong>ist</strong> bildender Künstler, er hat<br />
große Keramiken gestaltet, hat Wettbewerbe<br />
gewonnen, wurde für seine Werke ausgezeichnet.<br />
Karl Obleitner <strong>ist</strong> ein Bergfex.<br />
Jede freie Minute verbringt der ehemalige<br />
Bergführer im Gebirge. Schließlich <strong>ist</strong> Karl<br />
Obleitner Patriot, ein echter, ein Tiroler<br />
aus Überzeugung und mit Leidenschaft.<br />
<strong>Da</strong>s war er schon immer. Nur so konnte ein<br />
Erlebnis in Südtirol ihn zum flammenden<br />
folgen. <strong>Da</strong>s Ereignis geht als<br />
„Bozner Knüppeltag“ in die<br />
Geschichte ein.<br />
31. 10. 1960<br />
Österreich erwirkt vor der<br />
Generalversammlung der UNO<br />
eine Resolution, in der Österreich<br />
und Italien zu Verhandlungen<br />
aufgefordert werden.<br />
Freunde: Sepp Forer, Siegfried Steger,<br />
Heinrich Oberlechner, Kurt Welser und<br />
Luis Amplatz (v.l.n.r.) um 1963.<br />
Kämpfer für die Wiedervereinigung beziehungsweise<br />
Selbstbestimmung des von Italien<br />
annektierten Südtirol machen.<br />
„Ende der 1950er Jahre war ich am Kalterer<br />
See. Ein Südtiroler hat zu uns gesagt:<br />
‚Lasst’s uns nicht im Stich, des hot gor kua<br />
Gsicht mehr mit die Walschn. Des geat so<br />
nimma weiter.‘ Und dann sind ihm die Tränen<br />
gekommen“, erinnert er sich. <strong>Da</strong>s hat<br />
ihn so „gepackt“, dass er sich geschworen<br />
hat: „Wenn da irgendwas losgeht, dann helfe<br />
ich.“ Und schon bald sollte es so weit sein.<br />
Ende der 1950er Jahre hatte sich die Situation<br />
in Südtirol zugespitzt. Die Italianisierung<br />
des Landes wurde massiv vorangetrieben.<br />
Die gezielte Ansiedlung von Italienern<br />
im mehrheitlich deutschsprachigen Südtirol<br />
drohte die Südtiroler zur Minderheit zu machen.<br />
Ein neuerliches staatliches Wohnbauprogramm<br />
brachte das Fass zum Überlau-<br />
27. 11. 1960<br />
BAS-Chef Sepp Kerschbaumer<br />
und zwei weitere Aktiv<strong>ist</strong>en<br />
treffen Kreisky in dessen Wiener<br />
Wohnung.<br />
29./30. 01. 1961<br />
Einen Tag nachdem die erste<br />
Verhandlungsrunde im Sinne<br />
der UNO-Resolution ergeb-<br />
nislos verlaufen <strong>ist</strong>, sprengt<br />
das Nordtiroler BAS-Mitglied<br />
Heinrich Klier das Reiterstandbild,<br />
den sogenannten<br />
„Aluminium-Duce“, in<br />
Waidbruck.<br />
01. 06. 1961<br />
Die BAS-Chefs aus Nord- und<br />
Südtirol treffen sich in Zernez<br />
Fotos: Archiv (2), A. Kofler: „Zersprengtes Leben“ (1)