07.02.2013 Aufrufe

Dr. Dieter W. Banzhaf Stöcke Symbole der Macht und Hilfsmittel

Dr. Dieter W. Banzhaf Stöcke Symbole der Macht und Hilfsmittel

Dr. Dieter W. Banzhaf Stöcke Symbole der Macht und Hilfsmittel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Stöcke<br />

<strong>Symbole</strong> <strong>der</strong> <strong>Macht</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Hilfsmittel</strong><br />

Eigenverlag Heilbronn August 2011


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Stock, Stab, Stütze, Symbol<br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

Alter Stocksegen<br />

Apothekerstöcke<br />

Beobachteter Waldfrevel<br />

Berghäckel<br />

Berghäckel Hirtenbeile Waldäxte<br />

Bischofsstab Abtsstab<br />

Botenstäbe<br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

Der Lachhannes<br />

Der Meister <strong>und</strong> sein Werk<br />

Der Riesenkohl von Jersey<br />

Durchbrucharbeiten bei silbernen Stockgriffen<br />

Ein Bischofsstab mit Herkunftsnachweis<br />

Ein Stock aus Königskerze<br />

Finnlandreise , Runen <strong>und</strong> Botenstäbe<br />

Fotografieren von Spazierstöcken<br />

Hat <strong>der</strong> Frosch nun vier o<strong>der</strong> fünf Zehen<br />

Hirtenstöcke<br />

Jona <strong>und</strong> Tobias<br />

Jugendstilgriff<br />

Le Makila<br />

Mein Pilgerstab<br />

Papierstöcke<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

I<br />

III<br />

1<br />

11<br />

17<br />

19<br />

21<br />

23<br />

43<br />

49<br />

53<br />

55<br />

61<br />

65<br />

73<br />

77<br />

79<br />

81<br />

85<br />

93<br />

95<br />

97<br />

109<br />

111<br />

113<br />

115<br />

119<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2011<br />

I


II<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

pig trap sticks tuntun<br />

Spazierstöcke aus Glas<br />

Stöcke, Götter, Nymphen, Helden,<br />

Ungeheuer <strong>und</strong> Dämonen<br />

Stöcke, Götter, Nymphen, Helden,<br />

Ungeheuer <strong>und</strong> Dämonen Teil 2<br />

Stöcke, Stäbe <strong>und</strong> Szepter auf Briefmarken<br />

Stocknägel<br />

Über Zwinge <strong>und</strong> Absatz<br />

Vier Stockknäufe von Bustelli<br />

Stock eines Augsburger Kaufmanns<br />

Maritime Stöcke<br />

Stock aus einem Rochenschwanz<br />

Ein Stock aus Fischbein<br />

Stöcke aus Walbein <strong>und</strong> Griffe aus Pottwalzahn<br />

Spazierstock aus Kelp<br />

Spazierstöcke aus Haifischwirbeln<br />

Stöcke aus Narwalzahn<br />

Elfenbein ist nicht gleich Elfenbein<br />

Elefantenelfenbein<br />

Mammutelfenbein<br />

Wildschweinhauer<br />

Warzenschwein<br />

Hirscheber<br />

Walrosselfenbein<br />

Nilpferdelfernbein<br />

Höhlenbärzahn<br />

Reisszahn eines Löwen<br />

Knochen, Bein<br />

Vegetabiles Elfenbeih<br />

Anhang<br />

Systematik <strong>der</strong> Spazierstöcke<br />

Stocknäufe<br />

Wörterbuch für Spazierstöcke<br />

Deutsch Englisch Französisch Italienisch<br />

Englisch Französisch Italienisch Deutsch<br />

Französisch Englisch Italienisch Deutsch<br />

Italienisch Englisch Französisch Deutsch<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2011<br />

123<br />

127<br />

131<br />

165<br />

183<br />

187<br />

199<br />

205<br />

213<br />

219<br />

221<br />

225<br />

233<br />

240<br />

241<br />

245<br />

251<br />

255<br />

257<br />

259<br />

261<br />

262<br />

266<br />

269<br />

270<br />

271<br />

275<br />

279<br />

281<br />

282<br />

285<br />

287<br />

297<br />

307<br />

317<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Vorwort<br />

Sei gut vierzig Jahren sammle ich Spazierstöcke. Viel habe<br />

ich in dieser Zeit über Stöcke gelernt. Über ihr Aussehen,<br />

ihre Herstellung, ihre Verwendung <strong>und</strong> ihren Gebrauch. Im<br />

Lauf <strong>der</strong> Jahre habe ich zahllose kleinere <strong>und</strong> größere Arti<br />

kel über sie geschrieben. Sie sind zum Teil in DER<br />

STOCKSAMMLER aber auch in <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Antiquitätenzeitschrift veröffentlicht worden.<br />

Aber wie das so ist, je länger man sich damit beschäftigt,<br />

um so mehr Kenntnisse kommen zusammen <strong>und</strong> das eine<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e was man früher geschrieben hat stellt sich als<br />

nicht ganz richtig heraus o<strong>der</strong> ist unvollständig. Die Bil<strong>der</strong>,<br />

die man früher von Stöcken gemacht hat, gefallen einem<br />

nicht mehr, da man Dank <strong>der</strong> laufend fortschreitenden<br />

Technik heute bessere Aufnahmen machen kann. Das Lay<br />

out, welches man vor Jahren seinen Aufsätzen gegeben<br />

hat, entspricht nicht mehr dem heutigen Geschmack. Kurz,<br />

mit den früher geschriebenen Artikeln ist man selbst nicht<br />

mehr zufrieden.<br />

Ich habe mir deshalb schon vor einigen Jahren vorgenom<br />

men, diese alten Artikel aufzuarbeiten <strong>und</strong> in eine neue<br />

Form zu bringen. Dass dies viel langwieriger ist als gedacht,<br />

habe ich erst bei <strong>der</strong> fortschreitenden Arbeit gemerkt. Es<br />

dauert eben doch Jahre bis man eine gewisse Anzahl von<br />

Artikeln überarbeitet hat. Und in diesen Jahren wandelt sich<br />

wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschmack <strong>und</strong> die Technik. Es ist also kein<br />

Buch aus einem Guss geworden, wie ich es ursprünglich<br />

geplant hatte. Aber an<strong>der</strong>s lässt es sich wohl nicht machen.<br />

Nach ein paar Jahren ist alles wie<strong>der</strong> alt.<br />

Einige noch nicht veröffentlichte Artikel sind auch hinzu ge<br />

kommen. Es sind auch nicht alle alten Artikel, die ich ge<br />

schrieben habe, in diesem Buch aufgenommen worden.<br />

Meine alten Arbeiten habe ich so aufgearbeitet, wie sie mir<br />

bei <strong>der</strong> Durchsicht meiner alten Unterlagen in die Hände<br />

fielen. Es bleibt immer noch etwas übrig zu tun.<br />

Auch einige Vorträge, die ich bei Stocksammlertreffen ge<br />

halten habe, habe ich versucht in Artikelform <strong>und</strong> auf den<br />

neuesten Stand zu bringen.<br />

Dies wird nie ein Buch in einer großen Auflage werden. Es<br />

ist in erster Linie für mich, meinen Enkel Roby <strong>und</strong> ein paar<br />

Sammlerfre<strong>und</strong>e geschrieben. Es wird letztlich auch nie fer<br />

tig werden, beziehungsweise es muss immer wie<strong>der</strong> ein<br />

mal überarbeitet <strong>und</strong> neu geschrieben werden. Das Gebiet<br />

<strong>der</strong> Stöcke ist noch lange nicht vollständig erforscht.<br />

Trotzdem wünsche ich viel Freude beim Lesen <strong>und</strong> viel<br />

leicht die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e neue Erkenntnis.<br />

Heilbronn im August 2011<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Vorwort<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2011<br />

III


IV<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2011<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Es ist gar nicht so leicht, wie ich es zunächst<br />

gedacht habe, eine kleine Abhandlung<br />

über Spazierstöcke zu<br />

schreiben, da es so furchtbar viel darüber<br />

zu sagen gibt. Es ist relativ leicht<br />

zu sagen wo man anfangen soll, aber<br />

sehr schwierig ein Ende zu finden. Na<br />

wir werden sehen.<br />

Der Anfang des Stockes liegt sicher genauso<br />

weit zurück <strong>und</strong> im Dunkel <strong>der</strong><br />

Geschichte wie <strong>der</strong> Tag, an dem <strong>der</strong><br />

erste Mensch be gann, sich auf zwei<br />

Beine aufzurichten. Mit ziemlicher<br />

Sicher heit ist anzunehmen, dass er<br />

sich dabei eines heruntergefallenen<br />

Astes als Stütze bedient hat. Hatte dieser<br />

Mensch aber erst einmal den Stock<br />

in <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> war er etwas sicherer<br />

auf seinen zwei Beinen geworden, so<br />

hatte er bestimmt schnell ent deckt,<br />

dass <strong>der</strong> Stock den Arm verlängert<br />

<strong>und</strong> hervorragend als Waffe zu gebrauchen<br />

ist. Und wer eine Waffe hat,<br />

<strong>der</strong> hat <strong>Macht</strong>. Es ergibt sich alles so<br />

zwanglos. Der Stock als Stütze, als<br />

Waffe <strong>und</strong> als <strong>Macht</strong>symbol. Und so<br />

sollte es bleiben bis in unsere Zeit hinein.<br />

Vielleicht mit ein paar kleinen Variationen.<br />

Nicht immer unbedingt als<br />

Waffe gegen Feinde, aber wohl gegen<br />

die Unbill des täglichen Lebens o<strong>der</strong><br />

als Hilfe im Beruf, wenn im Stock<br />

Riechfläschchen, Nähzeug, Opernglas,<br />

Werkzeug, Musik instrumente usw.<br />

verborgen werden. Auch nicht unbedingt<br />

als <strong>Macht</strong>symbol, aber doch als<br />

Zeichen dafür, was für ein Kerl man ist,<br />

wie viel Geld man hat, dass man mehr<br />

ist als ein an<strong>der</strong>er.<br />

Dass bei dieser Vielzahl von Funktionen,<br />

die <strong>der</strong> Stock zu erfüllen hat <strong>und</strong><br />

hatte, immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Erfin<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Künstler ange regt wurde,<br />

nimmt nicht wun<strong>der</strong>. Wir finden deshalb<br />

den Stock auch in allen Kulturepochen<br />

<strong>und</strong> in allen Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zu<br />

allen Zeiten. Der Phantasie <strong>der</strong> Gestaltung,<br />

<strong>der</strong> Ausschmückung <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong><br />

Stock, Stab, Stütze, Symbol<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Verwendung <strong>der</strong> unterschiedlichsten<br />

Materialien sind offen sichtlich keinerlei<br />

Grenzen gesetzt.<br />

Am Spazierstock unterscheidet man<br />

mehrere Abschnitte beziehungs weise<br />

Teile. Man sollte sie kennen, wenn<br />

man sich über Stöcke unterhalten will<br />

o<strong>der</strong> wenn man sie beschreiben will.<br />

Oben ist <strong>der</strong> Griff o<strong>der</strong> die Handhabe.<br />

Dieser kann ganz verschiedenartig<br />

geformt <strong>und</strong> aus allen nur<br />

denkbaren Materialien gefertigt sein.<br />

Es folgt <strong>der</strong> S c h u s s . Dies ist <strong>der</strong><br />

ge rade Anteil, <strong>der</strong> eigentliche Stock. Er<br />

besteht meist aus Holz, aber auch aus<br />

vielen an<strong>der</strong>en Materialien. Zwischen<br />

Griff <strong>und</strong> Schuss findet man oft noch<br />

eine Manschette o<strong>der</strong> einen Ring<br />

aus Edelmetall, um den Übergang zwischen<br />

Griff <strong>und</strong> Schuss zu verdecken.<br />

Der Schuss war früher im oberen Anteil<br />

oft durchbohrt, damit man eine<br />

Schnur, einen Le<strong>der</strong>riemen o<strong>der</strong> ein<br />

Seidenband hindurchziehen konnte.<br />

Die Bohrlöcher wurden oft mit Elfenbein-<br />

o<strong>der</strong> Metallaugen abgedeckt.<br />

Damit <strong>der</strong> Stock sich nicht so schnell<br />

abläuft <strong>und</strong> damit man in unwegsamem<br />

<strong>und</strong> steinigem Gelände mehr<br />

Halt hat, schließt er unten mit <strong>der</strong><br />

Zwinge ab. Auch diese kann aus<br />

vieler lei Materialien bestehen <strong>und</strong> ist<br />

je nach Verwendungszweck des Stockes<br />

geformt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist es natürlich möglich,<br />

dass ein Spazierstock nur aus einem<br />

Stück - dann meist Holz - besteht.<br />

Diese naturgewachsenen Stöcke sind<br />

auch für die bis auf den heutigen Tag<br />

gebliebene Gr<strong>und</strong> form - das Griffende<br />

ist dicker als das untere Teil des Schusses<br />

- verantwortlich. Will man aus Naturholz<br />

einen Stock machen, so kann<br />

man natürlich einen Hasel stecken im<br />

Wald abschneiden, wie wir es vielleicht<br />

als Kin<strong>der</strong> schon getan haben.<br />

Für eine Wan<strong>der</strong>ung gibt er uns genügend<br />

Halt. Während <strong>der</strong> Brotzeit kann<br />

man auch ein Muster o<strong>der</strong> seine Initialen<br />

hineinschnitzen. Wenn dieser<br />

Stock nicht gerade an einer Astgabel<br />

abgeschnitten ist, wird er keinen beson<strong>der</strong>en<br />

Griff haben. Um einen<br />

schönen Griff zu bekommen muss<br />

man mehr tun. Man könnte den geraden<br />

Stecken in kochendes Wasser halten<br />

<strong>und</strong> wenn er weich ge worden ist,<br />

zum Beispiel über einer Wasserflasche<br />

r<strong>und</strong> biegen <strong>und</strong> mit einer Schnur in<br />

dieser Form halten, bis er erkaltet ist.<br />

Wenn man aber ein junges Stämmchen<br />

mit <strong>der</strong> Wurzel ausgräbt, kann<br />

man daraus einen mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

bizarren Knauf schnitzen. Man kann<br />

auch einen Schössling, <strong>der</strong> aus einem<br />

Baumstumpf herauswächst, mitsamt<br />

einem Teil dieses Baumstumpfes herausschlagen<br />

<strong>und</strong> aus dem Baumstumpfanteil<br />

den Griff formen. Früher<br />

hat man über mehrere Jahre hin seinen<br />

Stock geplant. Bei einem gut gewachsenen<br />

Schöss ling wurden die<br />

Seitenzweige abgeschnitten <strong>und</strong> eventuell<br />

noch zusätzliche Einschnitte in <strong>der</strong><br />

Rinde angebracht. Bis zum nächsten<br />

o<strong>der</strong> übernächsten Jahr waren prächtige<br />

Narben <strong>und</strong> Knoten ent standen.<br />

Man musste nur aufpassen, dass niemand<br />

einen solch vor bereiteten Stock<br />

stahl. Wenn man während des Wachstums<br />

einen Schössling mit <strong>Dr</strong>aht o<strong>der</strong><br />

zum Beispiel mit einem Weidenzweig<br />

um wickelte, bekam er Einkerbungen.<br />

Die Stöcke <strong>der</strong> Hamburger Zimmer -<br />

leute wurden während ihres Wachstums<br />

um eine Eisenstange herum -<br />

gewickelt <strong>und</strong> bekamen dadurch ihre<br />

Korkenzieherform. Solche Stöcke aus<br />

<strong>der</strong> Natur direkt geschnitten wurden<br />

von Schäfern, Hirten, Bauern <strong>und</strong><br />

Handwerksburschen benutzt.<br />

Nach <strong>der</strong> Ernte dieser Stöcke wurden<br />

sie getrocknet <strong>und</strong> die Rinde über<br />

dem Feuer entfernt. Dann konnte <strong>der</strong><br />

Griff <strong>und</strong> eventuell auch <strong>der</strong> Schuss<br />

beschnitzt werden. Eingefärbt wurden<br />

sie oft in <strong>der</strong> Jauchegrube, in die man<br />

1


sie für einige Monate versenkte. Nach<br />

dem Abwaschen <strong>und</strong> Einwachsen mit<br />

einer Schweineschwarte hatten die<br />

Stöcke dann eine dauerhafte rotbraune<br />

Farbe. Unten bekamen diese<br />

Stöcke dann oft noch einen Eisenring<br />

o<strong>der</strong> einen dicken Nagel eingesetzt,<br />

damit sie sich nicht so schnell abliefen.<br />

Schulterhohe o<strong>der</strong> bis über mannshohe<br />

Stöcke haben meist am oberen<br />

Ende einen Knauf o<strong>der</strong> eventuell auch<br />

einen Quersteg, um den Stock unter<br />

die Achsel zu klemmen <strong>und</strong> sich so zu<br />

stützen. Diese Form findet man oft auf<br />

griechischen Vasenbil<strong>der</strong>n. Auch bei<br />

einigen Hirtenvölkern war <strong>und</strong> ist<br />

diese Form beliebt.<br />

Der lange kräftige einfache Stecken<br />

dient oft als Sprunghilfe im Gebirge,<br />

um von Absatz zu Absatz herabzuspringen,<br />

o<strong>der</strong> in den Marschen, um<br />

über die Gräben zu setzen.<br />

Eine Handhabe etwa am Übergang<br />

vom oberen zum mittleren <strong>Dr</strong>ittel dieser<br />

langen Stöcke findet man manchmal<br />

bei den Ägyptern <strong>und</strong> auch die<br />

Verdickung bei den Bischofs- o<strong>der</strong><br />

Abt sstäben muss so gedeutet werden.<br />

Der Griff des Stockes lässt sich nach<br />

<strong>der</strong> Form <strong>und</strong> dem Material unterscheiden.<br />

Die Formen sind ungeheuer<br />

vielfältig, wenn man bis in die kleinste<br />

Einzelheit unterteilen will, doch lassen<br />

sich einige wenige Gr<strong>und</strong>formen herausschälen.<br />

Hier ist zunächst einmal<br />

die R<strong>und</strong>krücke. Im deutschsprachigen<br />

Raum eine sehr häufig ver breitete<br />

Art. Dann gibt es die T-förmige Krücke.<br />

Hierbei handelt es sich um eine<br />

archaische Form. Auch die Bischofsstäbe<br />

waren oft so gestaltet. Nach<br />

dem Alten Fritz ist die "Fritzkrücke"<br />

benannt. Vom Alten Fritz wurden<br />

diese Stöcke mit Vorliebe getragen<br />

<strong>und</strong> er ist fast immer mit so einem<br />

Stock abgebildet. Die Krücke ist in<br />

etwa T-förmig, wobei <strong>der</strong> eine waagrechte<br />

Schenkel etwas kürzer als <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e ist. Außerdem sind die beiden<br />

waagrechten Balken etwas geschwungen.<br />

Dies ist auch die Form, nach <strong>der</strong><br />

heute die meisten Krankenstöcke ge-<br />

macht sind. Zwischen diesen beiden<br />

Formen gibt es-die L-förmige Krücke;<br />

sie ist in ihrem waagrechten<br />

Schenkel eventuell auch etwas geschwungen.<br />

Dann gibt es noch den<br />

Knauf. Er kann kugelig, pilzförmig, konisch,<br />

zylindrisch, polygonal o<strong>der</strong><br />

r<strong>und</strong>, kurz o<strong>der</strong> lang sein. Diese Form<br />

findet man häufig in den angelsächsischen<br />

Län<strong>der</strong>n. Es ist auch die Form<br />

des Dandystockes, den man mehr zur<br />

Zierde unter dem Arm trug. Zwischen<br />

<strong>der</strong> L-förmigen Krücke <strong>und</strong> dem Knauf<br />

steht <strong>der</strong> Bec de Corbin - <strong>der</strong> Rabenschnabelgriff<br />

- nach <strong>der</strong> Form des Rabenschnabels<br />

so genannt, <strong>und</strong> die<br />

ab gewinkelten Knäufe <strong>der</strong> Studentenstöcke,<br />

die Ziegenhainer. Da die<br />

Stockgriffe oft figürlich gestaltet sind,<br />

gibt es mehr o<strong>der</strong> weniger starke Abweichungen<br />

von diesen oben skizzierten<br />

Gr<strong>und</strong> formen.<br />

Eine weitere Son<strong>der</strong>form stellen die<br />

Berghäckel dar. Hier bei handelt es<br />

sich um Stöcke, die zur bergmännischen<br />

Tracht vom Hauer an aufwärts<br />

gehören, <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Griffe beilähnlich<br />

ge formt sind. Ähnlich sehen die Stöcke<br />

<strong>der</strong> ungarischen Schweinehirten <strong>und</strong><br />

bestimmte Stöcke von Forstbeamten<br />

<strong>und</strong> Waldverwaltern aus, die zum<br />

Zeichnen des Holzes gedacht waren<br />

<strong>und</strong> deshalb Waldäxte genannt wurden.<br />

Manchmal waren die R<strong>und</strong>krücken<br />

in <strong>der</strong> Achse etwas gedreht <strong>und</strong><br />

am Ende abgeflacht <strong>und</strong> dann beson<strong>der</strong>s<br />

gut griffig für die rechte o<strong>der</strong> linke<br />

Hand: Links- o<strong>der</strong> Rechtsgriffe.<br />

Diese vorgenannten Griffe können<br />

nun aus den verschiedenartigsten Materialien<br />

hergestellt sein. Dem Werkstoff<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Ausgestaltungsmöglichkeit<br />

scheinen keine Grenzen gesetzt<br />

zu sein. Hierin liegt vor allem <strong>der</strong><br />

Reiz einer Stocksammlung, Zunächst<br />

kann natürlich <strong>der</strong> Griff aus dem eigentlichen<br />

Stock, dem Schuss, geformt<br />

- gebogen o<strong>der</strong> geschnitzt - sein. In<br />

diesen Fällen wird oft <strong>der</strong> Wurzelknollen<br />

als Abschluss gewählt. Die Wurzeln<br />

bilden mit ihren vielen, oft<br />

skurrilen Ausläufern die besten Voraussetzungen<br />

für eine figür liche Ausarbeitung.<br />

An<strong>der</strong>erseits ist <strong>der</strong><br />

Wurzelstock schön ge glättet <strong>und</strong> geschliffen<br />

durch seine reiche Maserung<br />

<strong>und</strong> Wurzel ansätze allein schon eine<br />

Zierde. Rohrstöcke haben oft einen<br />

Wurzelknauf als Abschluss.<br />

Schon von altersher wurde Elfenbein<br />

<strong>und</strong> Bein zu Stockgriffen ver arbeitet.<br />

Es ist natürlich auch ein Material, das<br />

sich vorzüglich bearbeiten <strong>und</strong> polieren<br />

lässt. Elfenbeingriffe sind sehr oft<br />

geschnitzt. Da Elfenbein nie billig war,<br />

ist es wohl meist von Könnern <strong>und</strong><br />

Künstlern ihres Faches bearbeitet worden.<br />

Es gibt herrliche figürliche Elfenbeingriffe<br />

sowohl in Knauf- <strong>und</strong><br />

Knopfform als auch in den verschiedensten<br />

Krückenformen. Die aus<br />

Bein, hergestellten Stockgriffe sind oft<br />

deutlich ärmer beschnitzt <strong>und</strong> dann<br />

nicht von so hoher Qualität wie die<br />

aus Elfenbein. Es handelt sich meist um<br />

einfachere Handwerksarbeit o<strong>der</strong> um<br />

Volkskunst-Arbeiten von Hirten <strong>und</strong><br />

Bauern. Aber auch sie spiegeln ein<br />

Stück Zeitge schichte <strong>und</strong> haben ihren<br />

Reiz. Oft findet man bei den Elfenbein<strong>und</strong><br />

Beingriffen <strong>Symbole</strong> o<strong>der</strong> Zeichen<br />

eines Berufsstandes, meist im Hochrelief<br />

herausge schnitzt. Hierher gehören<br />

die Stöcke <strong>der</strong> Ärzte <strong>und</strong><br />

Apotheker mit <strong>der</strong> Äskulapschlange.<br />

Bei ersteren windet sie sich mit dem<br />

Kopf nach oben, bei den letzteren mit<br />

dem Kopf nach unten um den Griff.<br />

Bei Jägern sind Gewehr, Tasche, Sauspieß,<br />

H<strong>und</strong> <strong>und</strong> ähnliches dargestellt.<br />

Man findet Weinreben für den Weinbauern<br />

<strong>und</strong> Eichenblätter <strong>und</strong> Eicheln<br />

für den Förster.<br />

Die seltenen Stöcke aus Narwalzahn<br />

<strong>und</strong> die Griffe aus den Zähnen <strong>der</strong><br />

Walrösser wurden oft von den Seeleuten<br />

<strong>der</strong> Walfangschiffe während <strong>der</strong><br />

Fahrt <strong>und</strong> des Wartens geschnitzt.<br />

Häufig wurde hier die "Scrimshaw"-<br />

Technik angewandt. Es handelt sich<br />

hierbei um eine Kratz- <strong>und</strong> Schabetechnik,<br />

bei <strong>der</strong> das Bild etwa in Form<br />

eines Kupferstiches herausgearbeitet<br />

wird. Die vertieften Partien werden<br />

eingefärbt. Diese Stöcke kommen oft<br />

aus Amerika, denn Amerika hatte früher<br />

die weitaus größte Walfangflotte<br />

<strong>der</strong> Welt.<br />

2 Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong>


Auch Horn wurde häufig zu Stockgriffen<br />

verarbeitet. Gleich zwei Eigenschaften<br />

des Hornes machen es dazu<br />

geeignet. Erstens lässt sich Horn gut<br />

schnitzen <strong>und</strong> polieren <strong>und</strong> zweitens<br />

kann man es, wenn man es kocht, biegen.<br />

Geeignet dazu sind Büffelhorn -<br />

von mehr grauer Farbe - selbstverständlich<br />

Schafhorn - von dunklerer<br />

Farbe - aber auch exotische Hörner<br />

wie Rhinozeros-Horn, o<strong>der</strong> das Horn<br />

von Gazellen, Springböcken, Wasserbüffeln<br />

<strong>und</strong> so weiter. Wenn man<br />

Horn mit feinstem Schmirgelpapier<br />

schleift <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> Polierscheibe<br />

nachpoliert, kann es einen Glanz <strong>und</strong><br />

eine Struktur bekommen, die manchmal<br />

an Halbedelsteine o<strong>der</strong> Bernstein<br />

erinnert. Hirten sind oft wahre Meister<br />

in <strong>der</strong> Herstellung von Stockgriffen aus<br />

Horn. Zu erwähnen sind hier vor<br />

allem Mittelengland, Schottland <strong>und</strong><br />

Ungarn als Herkunfts län<strong>der</strong>.<br />

Stockgriffe aus Silber konnten natürlich<br />

in je<strong>der</strong> Form <strong>und</strong> mit jeglichem<br />

Muster hergestellt werden. Von <strong>der</strong><br />

Technik her muss man drei Arten unterscheiden.<br />

Die wertvollste Möglichkeit<br />

einen Stock griff herzustellen ist die<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> verlorenen Form. Das<br />

Modell wird vom Künstler aus Wachs<br />

modelliert <strong>und</strong> dann in <strong>der</strong> Sandform<br />

aus gegossen. Der so hergestellte Griff<br />

ist ein Unikat <strong>und</strong> meist von sehr dickwandigem<br />

Silber. Serienmäßig lassen<br />

sich Sandgüsse dadurch her stellen,<br />

dass man eine zweiteilige, schon ausgearbeitete<br />

Bronzeform im Gießsand<br />

abdrückt <strong>und</strong> anschließend dieser Abdruck<br />

mit Silber aus gegossen wird. Die<br />

zwei Hälften des Stockgriffes müssen<br />

anschließend verlötet werden. Auch<br />

hierbei steckt im Griff noch recht viel<br />

Silber. Die billigste Art einen Silbergriff<br />

herzustellen besteht im Pressen o<strong>der</strong><br />

Prägen von Silberblech mit einer hohlen<br />

Prägeform. Die beiden Hälften bestehen<br />

aus relativ dünnem Silberblech<br />

<strong>und</strong> es ist schon eine handwerkliche<br />

Kunst, diese dünnen Bleche zu verlöten.<br />

Die heutigen Juweliere freuen sich<br />

gar nicht, wenn man einen solchen<br />

Stockgriff zur Reparatur gibt, da das Silber<br />

oft so dünn ist, dass es sehr schnell<br />

von <strong>der</strong> Lötflamme geschmolzen<br />

Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong><br />

wird. Wenn sich alle Silbergriffe trotz -<br />

dem schwer anfühlen, so deshalb, weil<br />

sie mit Messerkitt o<strong>der</strong> Kolo phonium<br />

o<strong>der</strong> Schellack ausgefüllt sind. Es handelt<br />

sich um Stoffe, die beim Erhitzen<br />

flüssig werden <strong>und</strong> mit denen man<br />

dann sowohl die hohlen Stockgriffe<br />

ausfüllen, als sie auch gleichzeitig am<br />

Schuss befestigen kann. Durch das<br />

Auffüllen mit diesen Massen, die nach<br />

dem Erkalten fest werden, beugt man<br />

<strong>der</strong> Gefahr vor, dass die Griffe, wenn<br />

<strong>der</strong> Stock einmal hinfällt, allzusehr verbeulen.<br />

Wenn viele dieser Stock griffe<br />

trotzdem starke Beulen aufweisen, so<br />

deutet dies darauf hin, dass es sich um<br />

sehr energische Träger gehandelt hat,<br />

die schon ein mal damit kräftig auf den<br />

Tisch o<strong>der</strong> an die Tür geklopft haben.<br />

Da Silberarbeiten in vielen Län<strong>der</strong>n<br />

seit dem Mittelalter mit Punzen versehen<br />

wurden, lässt sich oft das Herkunftsland<br />

<strong>und</strong> das Herstellungs jahr<br />

ermitteln. Manchmal darüber hinaus<br />

auch den Silberschmied o<strong>der</strong> die Silberfabrik.<br />

Selbstverständlich auch den<br />

Silbergehalt.<br />

Entsprechend den Silbergriffen konnten<br />

auch die Goldgriffe herge stellt<br />

werden. Naturgemäß findet man<br />

davon nur noch sehr wenige. Es sind<br />

sicher nur wenige hergestellt <strong>und</strong> von<br />

diesen ist in schlechten Zeiten, wenn<br />

schon nicht vom Besitzer so doch von<br />

den Erben, ein großer Teil eingeschmolzen<br />

worden. Bei Goldstöcken<br />

kommt noch eine weitere Methode<br />

<strong>der</strong> Bearbeitung in Frage, die bei den<br />

Silbergriffen sicher nur ausnahmsweise<br />

angewandt wurde, nämlich das Treiben<br />

<strong>der</strong> Form aus dünnem Blech.<br />

Auch hier müssen nachher zwei Teile<br />

zusammen gelötet werden. Goldgriffe<br />

waren des öfteren mit Edelsteinen <strong>und</strong><br />

Brillanten reich verziert.<br />

Auch Emailarbeiten - diese kamen<br />

oft aus Rußland - findet man immer<br />

wie<strong>der</strong> einmal.<br />

Griffe aus Zinn sind zwar hergestellt<br />

worden, sie finden sich aber nur sehr<br />

selten. Möglicherweise hängt dies<br />

damit zusammen, dass man sie nicht<br />

für aufhebenswert gef<strong>und</strong>en hat. Zinn<br />

wird auch, wenn man es nicht pflegt,<br />

leicht sehr dunkel <strong>und</strong> unansehnlich.<br />

Sllberlegierungen wie Alpaca o<strong>der</strong> Nickelsilber<br />

wurden natürlich für die billigeren<br />

Stockgriffe auch gebraucht,<br />

ebenso gibt es ver silberte Stöcke, die<br />

oft eine Punze EP - electro plated -<br />

haben <strong>und</strong> von den echten "plated" Silberwaren<br />

unterschieden werden<br />

müssen. Unter <strong>der</strong> Bezeichnung Galvanoplastik<br />

wurden Stockgriffe aus<br />

Silber hergestellt, indem man eine<br />

verlorenen Form, etwa eine Wachsform,<br />

mit einem Strom leitenden Pulver,<br />

z. B. Kohlenstoff, einstäubte <strong>und</strong><br />

dann galvanisch eine dicke Silberschicht<br />

aufbrachte. Ein sehr aufwendiges<br />

Verfahren, das Wochen dauern<br />

konnte. Das Wachs wurde am Schluss<br />

durch Schmelzen entfernt.<br />

Auch Halbedelsteine <strong>und</strong> Bergkristalle<br />

wurden oft zu Stockgriffen verarbeitet.<br />

Hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> findet man<br />

schon einmal einen „Bec de Corbin“<br />

o<strong>der</strong> eine Fritzkrücke o<strong>der</strong> sogar eine<br />

R<strong>und</strong>krücke aus Halbedelsteinen. Oft<br />

wurde ein Amethyst, ein Tigerauge,<br />

ein Lapislazuli o<strong>der</strong> ein Rosenquarz in<br />

Kugelform geschnitten um von einer<br />

silbernen Hand, einer Vogelkralle<br />

o<strong>der</strong> einem als Krone gearbeiteten<br />

Ring gehalten zu werden.<br />

Alle bekannten Porzellanmanufakturen<br />

haben Spazierstockgriffe hergestellt.<br />

Es ist sicher eine Unzahl<br />

hergestellt worden, denn troz des zerbrechlichen<br />

Materials sind noch eine<br />

recht große Anzahl vorhanden. Es gibt<br />

sehr schöne figürliche Stockgriffe - oft<br />

in Fritzkrückenform - von Meißen.<br />

Aber auch Limoges <strong>und</strong> KPM in Berlin<br />

<strong>und</strong> die königliche Porzellanmanufaktur<br />

Kopenhagen <strong>und</strong> viele an<strong>der</strong>e Manufakturen<br />

stellten Stockgriffe her.<br />

Auch hier findet man Formen vom<br />

Knauf über die T-Krücke <strong>und</strong> Fritzkrücke<br />

bis zur R<strong>und</strong>krücke. Wie schon erwähnt,<br />

handelt es sich oft um figürliche<br />

Darstellungen in <strong>der</strong> typischen Machart<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Manufakturen<br />

o<strong>der</strong> aber mit den typischen Dekors<br />

<strong>der</strong> einzelnen Manufakturer versehensehen.<br />

3


4 Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong>


Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong><br />

5


Gr<strong>und</strong>sätzlich wurden Stockgriffe aus<br />

allen nur denkbaren Materialien hergestellt,<br />

die sich in irgendeiner Weise<br />

bearbeiten, also schnitzen, sägen, biegen,<br />

gießen o<strong>der</strong> sonst wie verformen<br />

lassen. Nicht erwähnt wurden bisher<br />

Griffe aus Bronze. Hierbei handelt es<br />

sich meist um sehr schöne Kleinbronzen,<br />

wohl meist mit Hilfe <strong>der</strong> verlorenen<br />

Form gegossen. Man muss sie<br />

also als Unikate ansehen <strong>und</strong> sie sind<br />

entsprechend selten <strong>und</strong> teuer. Oft<br />

sind sie feuervergoldet. Es gibt auch<br />

Stockgriffe aus Glas <strong>und</strong> Keramik; so<br />

sind zum Beispiel Entwürfe von Lalique<br />

für Glasgriffe bekannt. Auch exotische<br />

Nüsse wurden beschnitzt <strong>und</strong><br />

zu Stockgriffen verarbeitet. Die Taguanuss<br />

wird als vegetabiles Elfenbein bezeichnet.<br />

Nach Aufkommen <strong>der</strong><br />

ersten Kunststoffe um die Jahrhun<strong>der</strong>twende,<br />

Galalith zum Beispiel, wurden<br />

auch diese zu Griffen verarbeitet.<br />

Fischbein <strong>und</strong> Kautschuk wurden<br />

schon früher verwendet.<br />

Zweifellos ist die Handhabe bei <strong>der</strong><br />

Ausschmückung des Stockes sehr entscheidend,<br />

aber erst <strong>der</strong> Schuss macht<br />

ihn zum eigentlichen Stock.<br />

Für den Schuss gilt das gleiche wie für<br />

den Griff, es lässt sich nahezu jedes<br />

Material verwenden, wenn es nur in<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Dicke, ausreichend<br />

lang <strong>und</strong> stabil ist. Meistens<br />

wurde jedoch Holz o<strong>der</strong> Rohr benutzt.<br />

Wenn man massives Holz für den<br />

Schuss nimmt, gibt es zwei Möglich -<br />

keiten. Entwe<strong>der</strong> man gebraucht das<br />

Holz so wie es gewachsen ist - von<br />

solch einem "Schössling" kommt auch<br />

<strong>der</strong> Name Schuss. O<strong>der</strong> aber man<br />

kann den Stock auch aus dem gewachsenen<br />

Holz herausarbeiten<br />

durch Sägen, Raspeln, <strong>Dr</strong>echseln, Hobeln<br />

<strong>und</strong> Schleifen. Bleiben wir zunächst<br />

beim gewachsenen Schuss.<br />

Hier kommt es oft auf die Oberfläche,<br />

auf die Rinde, an. Da gibt es den fast<br />

schwarz rindigen Schwarzdorn, den<br />

aromatisch duftenden Weichselkirschstock,<br />

in Schottland den Silbereschenstecken<br />

<strong>und</strong> den tief eingekerbten<br />

Ginster.<br />

Legt man auf die Rinde weniger Wert,<br />

so kann man knorrige Äste des Wachol<strong>der</strong><br />

verwenden o<strong>der</strong> schon am<br />

noch wachsenden Holz ein gekerbte<br />

<strong>und</strong> dann mit knotigen Narben ausgewachsene<br />

Stämmchen nehmen. In<br />

ganzen Hortikulturen wurden so in<br />

Ungarn <strong>und</strong> Frank reich, ab etwa Ausgang<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, vorwiegend<br />

Kastanienschösslinge mit speziellen<br />

Zangen verletzt - man nannte<br />

das gezwickt. Wenn man dann die<br />

Stämmchen im nächsten o<strong>der</strong> übernächsten<br />

Jahr erntete <strong>und</strong> die Rinde<br />

abzog, hatte man Stöcke mit schönen<br />

gleich mäßigen Kerben <strong>und</strong> Knoten<br />

über die ganze Länge. Unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

„Kongo“, ein reiner Fantasiename,<br />

kamen sie auf den Markt.<br />

Auch Eichenschösslinge wurden in<br />

ganzen Kulturen gezogen. Nach Abziehen<br />

<strong>der</strong> Rinde <strong>und</strong> Trocknen<br />

schrumpft die Oberfläche <strong>und</strong> gibt<br />

dem Schuss ein rustikales Aussehen.<br />

Beson<strong>der</strong>s tiefe Einkerbungen hat die<br />

Korkeiche.<br />

Aus dem Stammholz herausgearbeitet<br />

wurden Schüsse für Spazier stöcke<br />

vom <strong>Dr</strong>echsler. Von den heimischen<br />

Hölzern wurde hier gerne das Holz<br />

des Birnbaumes o<strong>der</strong> des Walnussbaumes<br />

genommen. Ebenso Olivenholz,<br />

das sich immer etwas ölig anfühlt<br />

o<strong>der</strong> das Holz <strong>der</strong> finnischen Birke mit<br />

seiner schönen, etwas gelblichen geflammten<br />

Maserung. Ein beson<strong>der</strong>s<br />

zähes, sehr dichtes helles Holz ist das<br />

des Buchsbaums. Selten wurden diese<br />

Stöcke stärker eingefärbt, meist wurden<br />

sie nur gewachst, nachdem sie<br />

sauber geschliffen waren, damit die<br />

natürliche Maserung zur Geltung kam.<br />

Unzählig sind die verwendeten exotischen<br />

Hölzer. Es gibt so viele Unterarten,<br />

dass man sie gar nicht alle<br />

aufzählen kann. Sie sind meist von<br />

dunkler Farbe vom Braun bis über Rot<br />

<strong>und</strong> Violett in vielerlei Schattierungen<br />

bis zum tiefdunklen Schwarz. Hierher<br />

ge hören die verschiedenen Palisan<strong>der</strong>arten<br />

mit ihrem schön gezeichneten<br />

rotbraunen Holz. Rosenholz, nach seinem<br />

Geruch nach Rosen so genannt,<br />

ist hellbraunrötlich. Von tief rotbrauner<br />

Farbe mit dunkelbraunen bis schwarzen<br />

gezackten Querstreifen ist das<br />

Schlangenholz. Amaranth - Veilchenholz<br />

- ist im Splintholz rotbraun bis<br />

violett, Grenadillo rotgelb mit dunklen<br />

A<strong>der</strong>n, Massaranduba - auch Pferde -<br />

fleischholz - im Kernholz fleischfarben.<br />

Es gibt ungefähr 250 ver schiedene<br />

Ebenholzarten von dunkelbraun über<br />

dunkel gefleckt bis tiefschwarz. Auch<br />

das rotbraune Mahagoniholz sollte<br />

man nicht ver gessen. Fast alle diese<br />

Hölzer sind von hohem spezifischem<br />

Gewicht - sie schwimmen nicht - sind<br />

sehr hart <strong>und</strong> schwer verarbeitbar.<br />

Heute sind diese Hölzer im Handel<br />

nur noch teilweise aufzutreiben.<br />

Die Rippen von großen Palmblättern<br />

lassen sich sehr schön zu deko rativen<br />

Schüssen verarbeiten. Auch <strong>der</strong> Stängel<br />

<strong>der</strong> Königskerze <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strunk<br />

einer beson<strong>der</strong>s großen Art des Rosenkohls,<br />

<strong>der</strong> auf den Kanalinseln<br />

wächst, wurde zu Stöcken verarbeitet.<br />

Die beiden letzten Arten zeichnen sich<br />

bei hoher Stabilität durch eine überraschende<br />

Leichtigkeit aus. Diese Leichtigkeit,<br />

oft noch zusätzlich mit Elasti zität<br />

gepaart, wird bei den Rohren so geschätzt.<br />

Bei den Rohren handelt es<br />

sich fast ausschließlich um Importware.<br />

Sehr beliebt war ein Stock aus Malakka(rohr).<br />

Charakteristisch ist für<br />

diese Rohrart, dass sie nicht drehr<strong>und</strong><br />

ist, son<strong>der</strong>n im Querschnitt eine kleine<br />

Nase hat. Diese Unregelmäßigkeit<br />

fühlt man sofort, wenn man einen solchen<br />

Stock in <strong>der</strong> Hand hält. Er ist<br />

elastisch, leicht, von hellem Gelb bis<br />

dunklem Braun <strong>und</strong> oft mit schönen<br />

dunklen Flecken gezeichnet. Das chinesische<br />

hellgelbe, <strong>und</strong> das japanische<br />

dunkel braune, Pfefferrohr o<strong>der</strong> Bambusrohr<br />

hat kurze Schüsse <strong>und</strong> kräftige<br />

Halmknoten. Die Halmknoten verlaufen<br />

waagrecht. Eine beson<strong>der</strong>s schöne<br />

Form ist <strong>der</strong> Perlbambus. Er ist voll<br />

biegsam, meist von gelblicher Farbe,<br />

die Knoten sind perlschnurartig m i t<br />

den Narben <strong>der</strong> Adventivwurzeln besetzt,<br />

Blattspuren an jedem <strong>der</strong> Knoten<br />

sind nur in <strong>der</strong> Einzahl vorhanden.<br />

Beim Jambus stehen die Schussringe<br />

wechselseitig schräg zueinan<strong>der</strong>, Partridge(rohr)<br />

hat circa 10-25 mm lange,<br />

6 Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong>


egelmäßig zylindrisch ge formte<br />

Schussabsätze von hell- <strong>und</strong> dunkelbrauner<br />

bis schwarzer Farbe <strong>und</strong> ist<br />

zum Teil längs gestreift. Es handelt sich<br />

aber nicht um ein so gewachsenes<br />

Rohr, son<strong>der</strong>n es wurde vom <strong>Dr</strong>echsler<br />

aus Palmenholz so gedrechselt.<br />

Man könnte weiter aufteilen in Zuckerrohr,<br />

Rattan, Rotang, Tomini, Siamrohr,<br />

Manilarohr, Tonkinrohr <strong>und</strong><br />

noch an<strong>der</strong>e. Auch von diesen Rohren<br />

sind heute nicht mehr viele zu haben.<br />

Rohre wurden häufig für den leichten<br />

Kavalierstock, den Dandystock <strong>und</strong><br />

den Flanierstock, <strong>der</strong> unter dem Arm<br />

getragen wurde, benutzt. Hin <strong>und</strong><br />

wie<strong>der</strong> wurde auch das leichte BaIsaholz,<br />

verwendet, Es hat keine große<br />

Festig keit, aber für ein leichtes Offiziersstöckchen,<br />

das man in den Tropen<br />

unter den Arm klemmt, reicht es<br />

<strong>und</strong> man trägt bei <strong>der</strong> Hitze nicht<br />

schwer daran. Balsaholz wurde<br />

manchmal auch mit Schlangen- o<strong>der</strong><br />

Fischhaut überzogen. Verzieren kann<br />

man einen Holzstock auch da durch ,<br />

dass man ihm kleine Silbernägel einschlägt<br />

o<strong>der</strong> Muster aus SiIberdraht<br />

<strong>und</strong> Silberblech hineinarbeitet. Dies<br />

war eine auf dem Balkan beliebte Art<br />

Stöcke zu verzieren.<br />

Sehr elastische Stöcke bekommt man<br />

auch, wenn man auf einen dicken<br />

Stahl- o<strong>der</strong> Eisendraht Papierplättchen<br />

o<strong>der</strong> Le<strong>der</strong>plättchen aufzieht. Nachdem<br />

das Papier o<strong>der</strong> das Le<strong>der</strong> fest<br />

zusammengepresst worden ist, lässt es<br />

sich ohne Schwierigkeiten schleifen,<br />

färben <strong>und</strong> polieren. So kann man<br />

auch Schüsse aus kleinen Hornzylin<strong>der</strong>n,<br />

aus Bernstein o<strong>der</strong> verschiedenfarbigen<br />

Hölzern herstellen. Beliebt<br />

war als Kapitänsstock auch ein Schuss<br />

aus Haifischwirbeln - ebenfalls auf<br />

einen Eisenkern aufgezogen. Auch an<strong>der</strong>e<br />

Wirbel lassen sich dafür verwenden.<br />

Eine etwas zerbrechliche Art<br />

waren die Stöcke aus Glas, oft sehr<br />

kunst voll ähnlich den bayerischen<br />

Schmalzlergläsern mit bunten spiralig<br />

ein- o<strong>der</strong> aufgeschmolzenen Emailglasfäden<br />

<strong>und</strong> Bän<strong>der</strong>n hergestellt. Sie<br />

dienten den Glasmachern bei ihren<br />

Zunftaufzügen als in <strong>der</strong> Sonne fun-<br />

Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong><br />

kelnde Zierde, wurden aber auch als<br />

Glücksbringer <strong>und</strong> Schmuck im Zimmer<br />

aufgehängt. Teilweise waren sie<br />

hohl <strong>und</strong> dienten als Gefäß für Wein<br />

o<strong>der</strong> Liebesperlen.<br />

Es gibt auch Stöcke, die aus Birkenrinde<br />

o<strong>der</strong> Stroh über einen elastischen<br />

Kern geflochten sind. Auch<br />

Stöcke aus dem Schwanz des Stachelrochens<br />

<strong>und</strong> solche aus einem langen<br />

Polypenarm. Der spiralige Zahn des<br />

Nar wals wurde ebenso verarbeitet<br />

wie das langgezogene Horn des Nashorns.<br />

Soldaten löteten für ihre Reservistenstöcke<br />

Patronenhülsen<br />

zu sammen, <strong>und</strong> ein an<strong>der</strong>mal wurde<br />

ein dünnes Eisenrohr gebraucht.<br />

Mehr farbiges verleimtes Holz ergibt<br />

nach dem Herausdrechseln eines Stockes<br />

sehr schöne Muster.<br />

Die Zwinge ist <strong>der</strong> untere Abschluss<br />

des Stockes. Sie dient zunächst einmal<br />

dazu, dass sich <strong>der</strong> Stock nicht so<br />

schnell unten abnützt. Er würde dadurch<br />

auch kürzer werden <strong>und</strong> könnte<br />

seine Stützfunktion nicht mehr erfüllen.<br />

In den Fällen, in denen <strong>der</strong> Stock<br />

wirklich ein Gebrauchsstock war,<br />

musste natürlich auch die Zwinge kräftig<br />

<strong>und</strong> wi<strong>der</strong>standsfähig sein. Ein eingeschlagener<br />

Nagel o<strong>der</strong> eine<br />

einge zogene Schraube waren die einfachsten<br />

Möglichkeiten. Daneben gab<br />

es die Möglichkeit, unten eine Metallhülse,<br />

am besten am Ende durch ein<br />

dickes Metallstück verschlossen, anzubringen.<br />

Meist handelte es sich dabei<br />

um Eisen, manchmal auch um Kupfer<br />

o<strong>der</strong> Messing. Wollte man den Stock<br />

in steinigem Gelände o<strong>der</strong> bei Eis <strong>und</strong><br />

Schnee benutzen, war eine mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger lange kräftige Spitze angebracht.<br />

Nach Aufkommen des<br />

Gummis benutzte man als Rutschschutz<br />

auch Gummikappen. Vom ästhetischen<br />

Gesichtspunkt ist dieser<br />

Schussabschluss allerdings aus -<br />

gesprochen hässlich.<br />

Die weniger stark beanspruchten Stöcke<br />

hatten einen Absatz aus Horn,<br />

Bein, Elfenbein. Ein solcher Absatz<br />

wurde manchmal mit einer Zwinge<br />

aus Silber o<strong>der</strong> auch einmal aus Gold<br />

kombiniert. Wie teilweise die abgelaufenen<br />

Zwingen aus Horn, Bein <strong>und</strong> Elfenbein<br />

zeigen, wurden auch diese<br />

Stöcke von ihren Trägern durchaus<br />

benutzt <strong>und</strong> die Materi alien halten<br />

schon manchen Kilometer aus. Wer<br />

versucht, sie zu be arbeiten, wird dies<br />

merken.<br />

Schon einleitend wurde erwähnt, dass<br />

<strong>der</strong>jenige Mensch, <strong>der</strong> einen Stock in<br />

<strong>der</strong> Hand hat <strong>und</strong> diesen gebraucht,<br />

gegenüber einem an<strong>der</strong>en Menschen<br />

ohne Stock im Vorteil ist. Er kann ihn<br />

im Kampf besiegen, er beherrscht ihn,<br />

er übt <strong>Macht</strong> über ihn aus. Der Stock<br />

als <strong>Macht</strong>symbol ergibt sich also<br />

recht zwanglos. Ob <strong>der</strong> Stock dabei<br />

seine ursprüngliche Länge <strong>und</strong> Keulenform<br />

verliert, spielt dann keine Rolle<br />

mehr. Je kleiner <strong>und</strong> zierlicher er als<br />

<strong>Macht</strong>symbol wird, bis hin zum Marschallstab<br />

<strong>und</strong> Taktstock, umso verzierter<br />

wird er.<br />

Könige, Pharaonen <strong>und</strong> sonstige Herrscher<br />

<strong>der</strong> vorchristlichen Völker wurden<br />

ebenso wie hohe Beamte <strong>und</strong><br />

verdienstvolle Männer mit Stöcken<br />

dar gestellt. Stöcke wurden als Ehrengabe<br />

verliehen. Die Entstehung <strong>der</strong> Bischofs-<br />

<strong>und</strong> Abtsstäbe in <strong>der</strong><br />

katholischen Kirche wird ebenso wie<br />

die Herrscherstäbe <strong>der</strong> Pharaonen<br />

von den Hirtenstäben abge leitet, da<br />

sie ebenso wie <strong>der</strong> Hirte seine Herde,<br />

ihre Gemeinde, ihr Kloster, ihr Volk<br />

behüten <strong>und</strong> vor Feinden beschützen.<br />

Die Form dieser Stäbe entspricht<br />

daher weitgehend den Hirtenstäben.<br />

Bei den Ägyptern mit <strong>der</strong> schräggestellten<br />

Querstange vorn, die sowohl<br />

mit dem eigentlichen Stock eine Gabel<br />

bildet, mit <strong>der</strong> man Schaf o<strong>der</strong> Ziege<br />

am Bein festhalten kann, als auch vorn<br />

eine Spitze zum Antreiben des Viehes<br />

hat. Unten laufen diese Stäbe meist<br />

auch noch gabelig aus. Auch die kirchlichen<br />

Stäbe weisen in ihrer ursprünglichen<br />

Form den typischen r<strong>und</strong>en<br />

Schäferhaken am Ende auf <strong>und</strong> sind<br />

gut mannshoch. In späteren Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

wird dieser einfache Schäferhaken<br />

immer mehr verschnörkelt <strong>und</strong><br />

ornamental <strong>und</strong> figürlich ausgeschmückt<br />

<strong>und</strong> wird zur Volute.<br />

7


Wer einen Stock tragen durfte, durfte<br />

ihn auch führen, das heißt <strong>Macht</strong> ausüben,<br />

zum Beispiel seine Untergebenen<br />

damit prügeln. Da aber die<br />

Stockträger nicht alle gleichen Standes<br />

waren, gab es genaue Vorschriften,<br />

wie weit <strong>und</strong> mit wie edlen Materialien<br />

so ein Stock ausgeschmückt sein<br />

durfte. Der Geselle durfte nicht einen<br />

so wertvollen <strong>und</strong> kunstvollen Stock<br />

tragen wie <strong>der</strong> Meister, <strong>der</strong> ein fache<br />

Korporal konnte auch am Stock vom<br />

Leutnant <strong>und</strong> dieser vom Hauptmann<br />

unterschieden werden. Denn im 18.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t wurden auch von den<br />

Soldaten, genau reglementiert, Stöcke<br />

zur Uniform ge tragen.<br />

Die Dorfschulzen hatten ihre Stäbe als<br />

Zeichen <strong>der</strong> Würde <strong>und</strong> die Boten<br />

wiesen sich mit dem Botenstab aus.<br />

Ein Stab war dem Richter gegeben -<br />

Richterstab. Der Stab wurde über<br />

einen Verurteilten gebrochen <strong>und</strong> zur<br />

Beglaubigung an das schriftliche Urteil<br />

geheftet. Dies war allerdings nur ein<br />

kleines dünnes Stöckchen. Auch die<br />

Bergwerksbeamten konnten an den<br />

verschieden ausgestalteten Berghäckeln<br />

<strong>und</strong> Bergbarten unterschieden<br />

werden. Die Zuordnung eines Stabes<br />

o<strong>der</strong> Stockes zu einer Personengruppe<br />

o<strong>der</strong> auch nur zu einer einzelnen<br />

Person geht bis in die Antike<br />

zurück. Dyonisos ist ohne seinen<br />

Thyrsos - einen Stab an dessen oberem<br />

Ende sich ein Pinien zapfen befindet<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> teilweise noch mit Efeu<br />

<strong>und</strong> Weinlaub um w<strong>und</strong>en ist - nicht zu<br />

denken. Er ist gleichsam sein Markenzeichen.<br />

Im alten Rom durfte nur <strong>der</strong><br />

Caesar einen Stock mit goldenem<br />

Knauf tragen. Auch <strong>der</strong> Pilgerstab galt<br />

als Ausweis des frommen Wan<strong>der</strong>ers<br />

<strong>und</strong> öffnete ihm in <strong>der</strong> Fremde die<br />

Türen. Der Medizinmannstock o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Stab des Zauberers zeichnet einen<br />

bestimmten Stand aus. Der Bettelstab,<br />

ein weißer entrin<strong>der</strong>ter Haselstecken,<br />

zeigte die Erlaubnis zum Betteln an.<br />

Vom Altertum bis in das vorige Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

hinein war fast überall in <strong>der</strong><br />

Welt das Tragen des Stockes reglementiert<br />

<strong>und</strong> bestimmten Gruppen<br />

<strong>und</strong> Ständen vorbehalten. In England<br />

ist das Tragen des Stockes seit <strong>der</strong><br />

Magna Charta geregelt <strong>und</strong> diese Vorschrift<br />

nie offi ziell außer Kraft gesetzt<br />

worden. In Frankreich darf seit <strong>der</strong><br />

Revo lution 1848 je<strong>der</strong>mann einen<br />

Spazierstock tragen <strong>und</strong> in Deutschland<br />

wurde am 16. August 1848 von<br />

König Wilhelm IV <strong>der</strong> „Stockerlass“<br />

unter schrieben, seitdem ist hierzulande<br />

das Tragen jeglicher Stöcke er -<br />

laubt.<br />

Die Mode geht oft ihre eigenen Wege<br />

<strong>und</strong> man weiß meist nicht so genau<br />

warum. Wahrscheinlich ist es oft die<br />

Idee des Einzelnen, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Masse<br />

herausstechen will, sich so <strong>und</strong> nicht<br />

an<strong>der</strong>s zu kleiden, <strong>und</strong> nach einiger<br />

Zeit machen es die an<strong>der</strong>en nach,<br />

wenn es gefällt o<strong>der</strong> wenn man meint<br />

gefallen zu müssen. Solchermaßen unterlag<br />

natür lich auch <strong>der</strong> Spazierstock<br />

in seinem Material, in seiner Ausschmückung,<br />

dem Modetrend.<br />

Manchmal sind es auch bloße Sachzwänge,<br />

denen sich <strong>der</strong> Stock als Hilfso<strong>der</strong><br />

Aushilfsmittel zu unterwerfen<br />

hatte. Ich denke hier an die Zeit, als<br />

die Damen <strong>der</strong> Gesellschaft so hohe<br />

Stöckel absätze trugen, dass sie darauf<br />

kaum balancieren konnten. Ein hoher<br />

Stock half ihnen dabei. Als das öffentliche<br />

Tragen des Degens für den Kavalier<br />

verboten wurde, wollte man sich<br />

seiner schnöden Umwelt nicht preisgeben<br />

<strong>und</strong> schließlich konnte man sich<br />

auch von <strong>der</strong> Sitte des Duellierens<br />

nicht so schnell trennen <strong>und</strong> ging mit<br />

Stock. Dass aus einem solchen eigentlichen<br />

Gebrauchsgegenstand ein Ziergegenstand,<br />

ein Accessoire <strong>der</strong> Mode<br />

wurde, darf nicht verwun<strong>der</strong>n. Und<br />

jetzt tat es natürlich nicht mehr ein einziger<br />

Spazierstock. Am Tage auf <strong>der</strong><br />

Promenade benutzte man einen an<strong>der</strong>en<br />

als beim Nachmittagsbesuch<br />

o<strong>der</strong> gar am Abend zum Frack im<br />

Theater. Schließlich konnte man nicht<br />

zu jedem Anzug <strong>und</strong> auch nicht jeden<br />

Tag den gleichen Stock gebrauchen.<br />

Man hatte ja auch verschiedene <strong>und</strong><br />

zu je<strong>der</strong> Gelegenheit an<strong>der</strong>e Tabakdosen.<br />

Bis zu mehreren hun<strong>der</strong>t Stöcken<br />

sollen einige Leute von Rang <strong>und</strong><br />

Namen gehabt haben.<br />

In den letzten drei Jahrhun<strong>der</strong>ten lässt<br />

sich bei <strong>der</strong> künstlerischen Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Spazierstöcke, hierbei vorwiegend<br />

am Griff, eine gleiche<br />

Entwicklung wie sonst in <strong>der</strong> Kunst<br />

<strong>und</strong> Architektur beobach ten. Man<br />

kann also die schweren, oft überladenen<br />

Formen des Barock von den leicht<br />

beschwingten, muschelornamentierten<br />

des Rokoko unter scheiden. Eine<br />

Son<strong>der</strong>entwicklung findet man in<br />

Frankreich nach <strong>der</strong> Revolution, als<br />

sich die Incroyables von <strong>der</strong> bisher<br />

herrschenden adligen Schicht unterscheiden<br />

wollten <strong>und</strong> gewaltige knorrige<br />

Stöcke, meist, ohne große<br />

Verzierung, mit sich herumschleppten.<br />

Der Verdacht, dass sie sich damit auch<br />

wehren wollten, liegt nahe. Eine geschlossene<br />

Gruppe findet man erst<br />

wie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Wende <strong>und</strong> am Anfang<br />

dieses Jahr hun<strong>der</strong>ts im Jugendstil mit<br />

seinen typischen Motiven. Nach dem<br />

Aufkommen <strong>der</strong> Aktentasche <strong>und</strong><br />

ihrer immer größeren Verbreitung im<br />

Straßenbild, so vermutet man, verschwand<br />

dann <strong>der</strong> Spazierstock als Accessoire<br />

<strong>der</strong> Mode seit den 30er<br />

Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

immer mehr <strong>und</strong> man sieht nur noch<br />

klägliche Abbil<strong>der</strong> als krankenkassenübliche<br />

Kranken stöcke.<br />

„Er nahm den langen Stängel des markigen<br />

Riesenfenchels, näherte sich mit<br />

ihm dem vorüberfahrenden Sonnenwagen<br />

<strong>und</strong> setzte so den Stängel in<br />

glostenden Brand. Mit diesem Feuerzun<strong>der</strong><br />

kam er hernie<strong>der</strong> auf die Erde,<br />

<strong>und</strong> bald lo<strong>der</strong>te <strong>der</strong> erste Holzstoß<br />

gen Himmel.“ So beschreibt Gustav<br />

Schwab, wie das Feuer von Prometheus<br />

zu den Menschen auf die Erde<br />

gebracht wurde. Dies ist die älteste<br />

Datierung eines Systemstockes , die<br />

ich bisher erfahren habe. System -<br />

stöcke sind solche, die noch eine o<strong>der</strong><br />

mehrere Funktionen neben <strong>der</strong> des<br />

Stützens haben. Die Eier des Seidenspinners<br />

sollen in einem hohlen Pilgerstock<br />

um 550 n. Chr. von Mönchen<br />

aus Korea nach Byzanz geschmuggelt<br />

worden sein. Ebenso haben Pilger in<br />

ihren Stöcken Geld <strong>und</strong> Dolche verborgen.<br />

Der Erfin<strong>der</strong>geist ist ungeheuerlich<br />

<strong>und</strong> man müsste viele Seiten<br />

8 Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong>


vollschreiben, wollte man die einzelnen<br />

Erfindungen nur aufzählen. Ich<br />

kann deshalb nur einige ausgefallene<br />

Stöcke <strong>und</strong> Stockgruppen erwähnen.<br />

Im Deutschen Patentamt in München<br />

sind über 200 Variationen von Stocksitzen,<br />

wie sie <strong>der</strong> Jäger <strong>und</strong> Angler gebrauchen<br />

kann, aufbewahrt. Ein Herr<br />

Hammer hat einst einen Blitz -<br />

ableiterstock erf<strong>und</strong>en. Zahllos sind<br />

die Variationen, in denen irgendwelche<br />

Arbeitshilfsmittel im hohlen Stock<br />

versenkt wurden. Vom Werkzeug des<br />

Klavierstimmers <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geige des<br />

Tanzmeisters, den Spritzen <strong>und</strong> Skalpellen<br />

des Arztes, <strong>der</strong> Lupe, dem<br />

Ätherfläschchen <strong>und</strong> dem Objektträger<br />

des Botanikers, <strong>der</strong> Angel des Fischers,<br />

dem Klapp tischchen des<br />

Kartenspielers, Oblaten des Priesters<br />

bis zum Nähzeug <strong>der</strong> fleißigen Hausfrau.<br />

Im Griff konnten Fernglas, Geheimkamera,<br />

Kompass, Rosenkranz<br />

o<strong>der</strong> Lorgnon untergebracht sein.<br />

Ärzte konnten in den hohlen <strong>und</strong><br />

durchlöcherten Knäufen Schwämmchen<br />

mit wohlriechenden Essenzen<br />

unterbringen, die sie sich unter die<br />

Nase hielten, wenn sie in schlecht riechende,<br />

ungelüftete Wohnungen gingen.<br />

Weinhändler hatten hohle<br />

Stöcke, in die sie, wenn sie sich unbeobachtet<br />

glaubten, das Probier glas absaugten,<br />

damit sie nicht betrunken<br />

wurden. Fotostative <strong>und</strong> Messlatten<br />

<strong>und</strong> Fahnen <strong>und</strong> Schnaps <strong>und</strong> Medikamentengläschen<br />

<strong>und</strong> Zi garetten <strong>und</strong><br />

Tabakpfeifen <strong>und</strong> Kerzen <strong>und</strong> Taschenlampen<br />

<strong>und</strong> ... <strong>und</strong> ... <strong>und</strong> ... lassen<br />

sich in den hohlen Stöcken unterbringen.<br />

Zahllos sich auch die verschiedenartigsten<br />

<strong>und</strong> bösartigsten Waffen, die<br />

sich in Stöcken verstecken ließen, von<br />

<strong>der</strong> Bola-ähnlichen Stahl kugel über die<br />

herausschleu<strong>der</strong>bare Spitze, das Ausfahren<br />

von rasiermesserscharfen Klingen<br />

r<strong>und</strong> um den Schuss, bis zu<br />

Dolchen, Floretts <strong>und</strong> Degen. Natürlich<br />

sind auch die Schusswaffen variationsreich;<br />

Pistolen, Gewehre, selbst<br />

Maschinengewehre wurden entwickelt.<br />

Das Blasrohr darf nicht fehlen<br />

<strong>und</strong> als beson<strong>der</strong>e Variante das Blas -<br />

rohrgewehr, bei dem <strong>der</strong> Schuss da-<br />

Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong><br />

durch ausgelöst wird, dass man zu -<br />

nächst einen Bolzen mit Lungenkraft<br />

auf die Patrone bläst. Viel geblieben ist<br />

nicht von all dem Erfin<strong>der</strong>geist. Hin<br />

<strong>und</strong> wie<strong>der</strong> sieht man noch einen<br />

Stockschirm, aber von dem ursprünglichen<br />

Arten reichtum auch dieser<br />

Species blieb fast nichts.<br />

Wo nun die Stöcke <strong>und</strong> Stäbe aufhören,<br />

ist nicht so ganz klar. Wenn man<br />

den Symbol- <strong>und</strong> <strong>Macht</strong>charakter mit<br />

in Betracht zieht, sind es sicher nicht<br />

nur die Spazierstöcke son<strong>der</strong>n eben<br />

auch die Szepter, die Marschallstäbe,<br />

die kirchlichen Stäbe o<strong>der</strong> die Taktstöcke.<br />

Gehört ein Gewehrputzstock<br />

hierher? Reitstöcke <strong>und</strong> Reitgerten?<br />

Wenn man einen alten Spazierstock in<br />

<strong>der</strong> Hand hält, weist dieser mehr o<strong>der</strong><br />

weniger starke Gebrauchsspuren auf.<br />

Man kennt ja meist den Vorbesitzer<br />

nicht. Aber die Gedanken versuchen,<br />

sich den Mann o<strong>der</strong> auch die Frau vorzustellen.<br />

Kräftiger Schuss, klobiger<br />

Knauf: es war sicher ein Mann von<br />

kräftiger Statur. Der Stock ist länger als<br />

die an<strong>der</strong>en dort in <strong>der</strong> Reihe: <strong>der</strong><br />

Mann ist sicher auch außerge wöhnlich<br />

groß gewesen. Es ist ein Bronzeknauf,<br />

ein Bacchuskopf, <strong>und</strong> trotzdem finden<br />

sich vorn <strong>und</strong> hinten im Bereich des<br />

Lorbeer kranzes deutliche Dellen: herrisch,<br />

vielleicht gewalttätig, wurde mit<br />

dem Knauf auf den Tisch gehauen,<br />

jedes einzelne Wort mit einem knallenden<br />

Schlag unterstrichen. Unten<br />

eine stählerne Zwinge, stark abgenutzt:<br />

sicher wurde mit dem Stock<br />

mancher Kilometer marschiert, wahrscheinlich<br />

mancher Berg bezwungen.<br />

Brandspuren im unteren <strong>Dr</strong>ittel des<br />

Schusses deuten darauf hin, dass im<br />

glimmenden Feuer gestochert wurde<br />

auf <strong>der</strong> Rast. Man kann schon einiges<br />

herauslesen aus so einem Stock. Der<br />

Elfenbeingriff mit <strong>der</strong> Äskulapschlange<br />

am geraden Schenkel ist stark abgegriffen,<br />

<strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> Schlange ist kaum<br />

mehr zu er kennen, <strong>der</strong> Rest ist glatt<br />

<strong>und</strong> glänzend. Jahrelang muss beim<br />

täglichen Krankenbesuch <strong>der</strong> Daumen<br />

des Doktors dort Schicht um Schicht<br />

abge schliffen haben. Elfenbein ist hart,<br />

wie lange mag es wohl gedauert<br />

haben? Hier das Dandystöckchen: an<br />

<strong>der</strong> elfenbeinernen Zwinge kaum ein<br />

Kratzer, <strong>der</strong> Elfenbeinknauf fast makellos,<br />

- ein Stöck chen, das sein Besitzer<br />

sicher nur zu beson<strong>der</strong>en Gelegenheiten<br />

unter dem Arm getragen hat.<br />

Ein Stocksammler kann st<strong>und</strong>enlang<br />

vor seinen Schätzen sitzen <strong>und</strong> philosophieren,<br />

er kann über die Vorbesitzer<br />

nachdenken, er kann versuchen<br />

sie sich vorzustellen. Die Zeit, in <strong>der</strong><br />

sie lebten, er wacht erneut, die Län<strong>der</strong><br />

die sie durchstreiften, den wehrhaften<br />

Stock in <strong>der</strong> Hand, o<strong>der</strong> die Bä<strong>der</strong>promenade,<br />

auf <strong>der</strong> sie stolzierten,<br />

wird lebendig. Das geistige Auge sieht<br />

Empfänge, höfische Feste <strong>und</strong> einsame<br />

beschwerliche Wan<strong>der</strong>ungen, sieht<br />

die Elfenbeinkarawanen <strong>und</strong> die Zunftzusammenkünfte<br />

<strong>der</strong> Silberschmiede,<br />

die über die Zahl <strong>der</strong> zulässigen Gesellen<br />

verhandeln. Exotische Holznamen<br />

tauchen auf <strong>und</strong> erinnern an die<br />

großen Entdeckungsfahrten <strong>der</strong><br />

Menschheit.<br />

Glanz <strong>und</strong> Elend <strong>der</strong> Menschheit: vom<br />

Herrscherstab bis zum Bettelstab kann<br />

man alles finden. Dies macht das Stöckesammeln<br />

so interessant. Und<br />

wenn <strong>der</strong> Mensch, als er begann sich<br />

aufzurichten, schon einen Stock zu<br />

Hilfe nahm, so hat er sicher dann,<br />

wenn nicht schon früher, begonnen<br />

zu sammeln, <strong>und</strong> wenn es nur Früchte<br />

o<strong>der</strong> Fleisch waren, um den Winter in<br />

<strong>der</strong> Höhle zu überstehen. Wenn man<br />

also Stöcke sammelt, geht man nur<br />

einem Urtrieb nach <strong>und</strong> sammelt Ursprüngliches.<br />

9


Der Autor beim Ernten einer Königskerze<br />

10 Stock, Stütze, Stab, Symbol <strong>Dr</strong>. <strong>Banzhaf</strong>


Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

Adam Amend ist 1909 in Schönau bei Erbach geboren. Er<br />

wurde in Erbach zum Elfenbeinschnitzer ausgebildet. Später<br />

arbeitete er als selbstständiger Künstler in Hildesheim, Köln<br />

<strong>und</strong> Berlin. 1954 ging er nach Ar<br />

gentinien <strong>und</strong> arbeitete dort<br />

als Elfenbeinschnitzer in<br />

Neochea mit bis zu 35<br />

Mitarbeitern. Auf Gr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> politischen Unruhen<br />

in Argentinien kehrte er<br />

1962 nach Deutschland<br />

zurück, zunächst nach Er<br />

bach. Ab 1963 lebte er in<br />

Hanau, wo er auch 2003<br />

verstarb.<br />

Adam Amend gehörte<br />

zu den bedeutensten<br />

Elfenbeinschnitzern<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Deshalb sind folge<br />

richtig, <strong>und</strong> nicht nur<br />

weil er in Erbach ge<br />

boren ist, einige sei<br />

ner Werke im<br />

Deutschen Elfenbein<br />

museum in Erbach zu<br />

besichtigen.<br />

Die oben rechts ste<br />

hende Figur eines<br />

Knaben habe ich<br />

1987 im Museum fo<br />

tografiert.<br />

Nebenstehend sein<br />

vielleicht schönstes<br />

Werk , Mutter mit<br />

Kind.<br />

Auf <strong>der</strong> nächs<br />

ten Seite noch<br />

ein Ausschnitt<br />

seines Wer<br />

kes Ballet<br />

teuse.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

1993<br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15.11.2010<br />

11


12<br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

geschrieben<br />

1993<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15.11.2010<br />

In den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts habe<br />

ich bei dem Spazierstocksammler Rudolf Krammig aus<br />

Hanau Steinheim, <strong>der</strong> über 1200 Spazierstöcke besaß, einige<br />

Stöcke mit erotischen Motiven aufgenommen. Normaler<br />

weise weiß man bei den Elfenbeinschnitzereien von Spazier<br />

stöcken nicht, wer <strong>der</strong> Künstler war, <strong>der</strong> sie gemacht hat.<br />

Nach dem Besuch im Deutschen Elfenbeinmuseum in Er<br />

bach fiel mir jedoch eine gewisse Ähnlichkeit <strong>der</strong> Stockgriffe<br />

mit den Werken von Adam Amend auf. Die Frauenfiguren<br />

von Adam Amend haben ein sehr charakteristisches Lächeln.<br />

Auffallend ist auch eine immer wie<strong>der</strong> zu beobachtende<br />

leichte Schräghaltung des Kopfes. Vom äußeren Aspekt her<br />

wäre also eine Zuordnung durchaus möglich.<br />

Obwohl ich Rudolf Krammig gut kannte, hat er mir nie ge<br />

sagt, woher er die Stöcke hatte. Ich weiß aber, dass er Ver<br />

bindung zu Adam Amend hatte, <strong>der</strong> wie oben berichtet, zu<br />

<strong>der</strong> Zeit als die Stöcke bei dem Sammler auftauchten in<br />

Hanau lebte. Befragen kann man Rudolf Krammig heute nicht<br />

mehr. Er verstarb 1995. Seine Sammlung ist vor eingen Jah<br />

ren in mehreren Partien bei Auktionen versteigert worden.<br />

Ich selbst kaufte von Krammig seinerzeit drei kugelige Stock<br />

griffe, von denen er mir sagte sie seien in Argentinien von<br />

einem Elfenbeinschnitzer aus Billardkugeln geschnitzt wor<br />

den. Einen Stock mit einem solchen Stockgriff besitze ich<br />

noch. Ich vermute, dass auch dieser Griff von Adam Amend<br />

geschnitzt wurde.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

Auch dieser Stockgriff ist wahrscheinlich von Adam Amend. Er stammt<br />

aus einer ehemals einem Schweinfurter Arzt gehörenden Sammlung,<br />

<strong>der</strong> den Stock von Rudolf Krammig gekauft hatte. Der Verbleib des Sto<br />

ckes ist unbekannt. Der Sammler ist vor Jahren verstorben.<br />

geschrieben<br />

1993<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15.11.2010<br />

13


14<br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

Auch diese Stockgriffe waren einst in <strong>der</strong> Sammlung von Rudolf Krammig<br />

<strong>und</strong> dürften ebenfalls aus <strong>der</strong> Werkstatt von Adam Amend stammen.<br />

geschrieben<br />

1993<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15.11.2010<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Großer mit einer dörflichen Szene im Halbrelief beschnitzter<br />

Elfenbeinknauf. Ein von zwei Pferden gezogener Wagen wird<br />

mit Mühe aus dem <strong>Dr</strong>eck <strong>der</strong> Dorfstraße gezogen. Ein Be<br />

gleiter wuchtet am Hinterrad. Dahinter kommt ein Reiter mit<br />

H<strong>und</strong>. Das Ganze vor <strong>der</strong> Kulisse eines Hauses. Man erkennt<br />

außerdem noch einen Wan<strong>der</strong>smann mit einem Bündel über<br />

<strong>der</strong> Schulter <strong>und</strong> einen die Arme hochwerfenden Burschen,<br />

wohl um die Pferde anzutreiben. Im Hintergr<strong>und</strong> ist noch<br />

ein abgesessener Reitersmann zu erkennen. Die Figuren sind<br />

im Halbrelief dargestellt. Wahrscheinlich hat es sich bei dem<br />

Knauf ursprünglich um eine Billardkugel gehandelt. Durch<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Adam Amend, Elfenbeinschnitzer<br />

messer 5,45 cm. Der Griff soll aus Argentinien kommen. Der<br />

Knauf sitzt auf einem Palisan<strong>der</strong>schuss <strong>und</strong> hat eine Elfenbein<br />

zwinge. Gesamthöhe des Stockes 91 cm.<br />

Es spricht einiges dafür, dass <strong>der</strong> Knauf von Adam Amend<br />

o<strong>der</strong> in seiner Werkstatt, während er sich in Argentinien be<br />

fand, geschnitzt wurde. Amend lebte später ja seit 1963 wie<br />

<strong>der</strong> in Deutschland, in Hanau. Von Rudolf Krammig aus<br />

Hanau Steinheim, <strong>der</strong> nachweislich Verbindung zu Amend<br />

hatte, habe ich den Griff erworben. Ursprünglich gab es noch<br />

zwei weitere ähnliche Griffe.<br />

geschrieben<br />

1993<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15.11.2010<br />

15


Satyr im Tempelgarten in Neuruppin


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

ALTER STOCKSEGEN.<br />

>Er schüttelte den Konstanzer Staub von den Füßen <strong>und</strong> wan<strong>der</strong>te zum Tor hin-<br />

aus; dem sich kaum dem See entwindenden jungen Rhein blieb er zur Linken. Von<br />

mächtiger Haselstaude schnitt er sich einen festen Wan<strong>der</strong>stab: "Wie die Rute<br />

Aarons, da sie im Tempel Gottes aufgrünte, sein Geschlecht schied von den abtrün-<br />

nigen Juden, so möge dieser Stab, geweiht mit <strong>der</strong> Fülle göttlicher Gnade, mir ein<br />

Hort sein wi<strong>der</strong> die Ungerechten am Wege," sprach er mit den Worten eines alten<br />

Stocksegens. Vergnügt schlug ihm das Herz, wie er einsam fürbaß zog.<<br />

So steht es im "Ekkehard. Eine Geschichte aus dem zehnten Jahrhun<strong>der</strong>t" von Viktor<br />

von Scheffel.<br />

Hier <strong>der</strong> entsprechende Abschnitt aus <strong>der</strong> Bibel.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 17. Juni 2006<br />

17


18<br />

geschrieben<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 13. August 2011<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

APOTHEKERSTÖCKE<br />

Unter den Stöcken mit <strong>der</strong> Darstellung einer<br />

Schlange finden sich etliche, bei denen die<br />

Schlange mit dem Kopf nach unten dargestellt ist.<br />

Es kommen dabei sowohl Schlangen vor, die<br />

sich, wie beim Äskulapstab, ein o<strong>der</strong> mehrmals<br />

um den Stockgriff winden, als auch solche, die<br />

nur als Knäuel dargestellt sind. Einige davon<br />

haben ein großes Blatt im Maul. Ungewöhnlich<br />

ist die Darstellung einer Schlange, die am<br />

Schwanz von einer Hand gehalten wird, gleich<br />

sam um sie an <strong>der</strong> Flucht zu hin<strong>der</strong>n.<br />

Von einem älteren Stock <strong>und</strong> Schirmhändler aus<br />

Basel habe ich 1980 gehört, dass es sich bei die<br />

sen Stöcken, bei denen <strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> Schlange<br />

Deutscher Stock aus <strong>der</strong> Mitte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts. Er hat einen zweiteiligen Griff<br />

aus Bein, <strong>der</strong> oben mit einer Silberplatte ver<br />

schlossen ist. Die sich nach unten um den Griff<br />

windende Schlange hat eindeutig ein großes<br />

Blatt im Maul.<br />

nach unten zeigt, um<br />

Apothekerstöcke handeln soll. Er<br />

hatte es von seinem Vater erfahren,<br />

<strong>der</strong> auch schon Stock <strong>und</strong> Schirm<br />

händler war. Bisher habe ich dafür noch<br />

keinen schriftlichen Beweis gef<strong>und</strong>en.<br />

Die Stöcke, bei denen die Schlange ein<br />

großes Blatt im Maul trägt, könnte aber<br />

eine Stütze dieser Behauptung sein.<br />

In dem alten sumerischen Gilgamesch<br />

Epos wird von Gilgamesch erzählt, <strong>der</strong> auszog das Kraut des<br />

Lebens zu finden. Nach vielerlei Abenteuern erfährt er, wo<br />

er es finden könne. Schließlich taucht er heldenhaft in das<br />

Urmeer hinab <strong>und</strong> pflückt auf dem Meeresgr<strong>und</strong> das Kraut.<br />

Er bringt es auch glücklich ans Ufer. Auf dem Heimweg<br />

erfrischt sich Gilgamesch an einem Brunnen. Diese kurze<br />

Unaufmerksamkeit genügt, eine Schlange kriecht<br />

heran <strong>und</strong> frisst das wohlduftende Kraut.<br />

Gilgamesch sieht eben noch, wie die sich<br />

häutende Schlange, anscheinend verjüngt<br />

<strong>und</strong> mit neuem Schuppenkleid, davoneilt.<br />

Das Kraut des ewigen Lebens hatte also<br />

gewirkt, nur etwas an<strong>der</strong>s als Gilgamesch es sich<br />

vorgestellt hatte.<br />

"......<br />

Da band er schwere Steine an die Füße<br />

Und als zum Apsû sie ihn nie<strong>der</strong>zogen,<br />

Da nahm er's Gewächs, ob's auch stach in die<br />

Hand,<br />

Schnitt ab von den Füßen die schweren<br />

Steine,<br />

Dass ihn die Flut ans Ufer warf.<br />

Gilgamesch sprach zu ihm, zum Schiffer<br />

Urschanabi:<br />

"Urschanabi, dies Gewächs ist das Gewächs<br />

geschrieben<br />

1996<br />

Apothekerstöcke<br />

gegen die Unruhe,<br />

Durch welches <strong>der</strong> Mensch sein Leben<br />

erlangt!<br />

Ich will's bringen nach Uruk Gart, es dort<br />

zu essen geben <strong>und</strong> dadurch das<br />

L förmige dreiteilige Krücke aus Bein.<br />

Den Abschluss bildet eine<br />

Elfenbeinplatte. Der gerade Anteil ist<br />

leicht konisch in Form eines Astes<br />

geschnitzt. Die Zweigabgänge sind<br />

durch eingelassene Ebenholzstifte<br />

dargestellt. Eine Schlange windet<br />

sich mit dem Kopf nach unten um den<br />

Ast. Sie hat so etwas wie ein Blatt im<br />

Maul.<br />

Gewächsproben!<br />

Sein Name ist >Jung wird <strong>der</strong> Mensch als Greis


lebendig begraben lassen würde. Sie war im umgekehrten<br />

Falle auch dazu bereit. Nachdem sie eine zeitlang glücklich<br />

zusammengelebt hatten, starb die junge Königin <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

junge König wurde mit ihr in eine Gruft eingesperrt. Als er<br />

seinen Tod immer näherrücken sah, >sah er aus <strong>der</strong> Ecke<br />

des Gewölbes eine Schlange hervorkriechen, die sich <strong>der</strong><br />

Leiche näherte. Und weil er dachte, sie käme, um daran zu<br />

nagen, zog er sein Schwert <strong>und</strong> sprach: "Solange ich lebe,<br />

sollst du sie nicht anrühren!" <strong>und</strong> hieb sie in drei Stücke.<br />

Über ein Weilchen kroch eine zweite Schlange aus <strong>der</strong> Erde<br />

hervor, als sie aber die an<strong>der</strong>e tot <strong>und</strong> zerstückt liegen sah,<br />

ging sie zurück, kam bald wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> hatte drei grüne<br />

Blätter im M<strong>und</strong>e. Dann nahm sie die drei Stücke von <strong>der</strong><br />

Schlange, legte sie, wie sie zusammengehörten, <strong>und</strong> tat auf<br />

jede W<strong>und</strong>e eines von den Blättern. Alsbald fügte sich das<br />

Getrennte aneinan<strong>der</strong>, die Schlange regte sich <strong>und</strong> ward<br />

wie<strong>der</strong> lebendig, <strong>und</strong> beide eilten miteinan<strong>der</strong> fort. Die<br />

Blätter blieben auf <strong>der</strong> Erde liegen, <strong>und</strong> dem Unglücklichen,<br />

<strong>der</strong> alles mit angesehen hatte, kam es in die Gedanken, ob<br />

nicht die wun<strong>der</strong>bare Kraft <strong>der</strong> Blätter, welche die Schlange<br />

wie<strong>der</strong> lebendig gemacht hatte, auch einem Menschen hel<br />

fen könnte. Er hob also die Blätter auf <strong>und</strong> legte eins davon<br />

auf den M<strong>und</strong> <strong>der</strong> Toten, die beiden an<strong>der</strong>n auf ihre Augen.<br />

Und kaum war es geschehen, so bewegte sich das Blut in<br />

den A<strong>der</strong>n, stieg in das bleiche Angesicht <strong>und</strong> rötete es wie<br />

<strong>der</strong>. Da zog sie Atem, schlug die Augen auf......< <strong>und</strong> lebte<br />

weiter. Aber Märchen sind oft grausam <strong>und</strong> so wurde sie<br />

ihrem Mann untreu <strong>und</strong> wollte ihn sogar töten. Aber es<br />

klappte nicht <strong>und</strong> sie selbst wurde von ihrem Vater zusam<br />

men mit dem Liebhaber zum Tode verurteilt.<br />

Man muss also annehmen, dass im abendländischen<br />

Sagen <strong>und</strong> Märchenschatz die Kenntnis von den vom<br />

Tode heilenden "Schlangenblättern" immer vorhanden war.<br />

20<br />

Apothekerstöcke<br />

Links: Deutscher Stock aus <strong>der</strong> Mitte des 19. Jh. mit einem dreiteili<br />

gen Elfenbeingriff. Im unteren Anteil windet sich dreimal eine Schlange<br />

mit dem Kopf nach unten um ihn herum.<br />

Mitte: Englischer Stock, den Silberpunzen nach von 1901.Vollplastisch<br />

ist aus einem Walrosszahn eine züngelnde Schlange mit dem Kopf<br />

nach unten herausgeschnitzt.<br />

Rechts: Deutscher Stock aus <strong>der</strong> Mitte des 19. Jh. Er hat einen17 cm lan<br />

gen dreiteiligen Elfenbeinknauf in Form eines Ziegenhainers. Im Unteren<br />

Anteil windet sich um ihn eine Schlange mit dem Kopf nach unten.<br />

geschrieben<br />

1996<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 29.11.2006<br />

Links: Deutscher Stock um 1900 mit einem silbernem kugelförmigen<br />

Knauf <strong>der</strong> sich öffnen lässt. Oben das heutige Apothekersymbol<br />

Schlange <strong>und</strong> Kelch auf einem Elfenbeinmedaillon <strong>und</strong> die Umschrift<br />

“<strong>Dr</strong>. M. May Trier”.<br />

Mitte: Ausschnitt von einem österreischen Stockgriff um 1900. Es han<br />

delt sich um eine silberne R<strong>und</strong>krücke. Auf <strong>der</strong> Außenseite des gera<br />

den Anteils ist Äskulap mit einer sich um seinen Kopf nach unten her<br />

umwindenden Schlange dargestellt.<br />

Rechts: Deutscher Stock aus <strong>der</strong> 2. Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit<br />

einer L förmigen Elfenbeinkrücke, um die sich eine Schlange mit dem<br />

Kopf nach unten windet.Verschlungene Initialen “KvJC”.<br />

Links: Zweiteiliger deutscher<br />

Beingriff aus dem 19. Jahr<br />

hun<strong>der</strong>t. Eine sich mit dem<br />

Kopf nach unten bewegende<br />

Schlange wird von einer<br />

Hand, die aus einem<br />

Rüschenhemd kommt, am<br />

Weglaufen gehin<strong>der</strong>t. Auch<br />

dieses Motiv könnte zum<br />

Gilgamesch Epos passen.<br />

Man kann sich vorstellen,<br />

dass die Hand die Schlange<br />

festhalten will, die das Le<br />

benskraut gefressen hat, um<br />

es ihr wie<strong>der</strong> zu entreißen.<br />

Rechts: Deutscher Stock um<br />

1850 mit einem zweiteiligen<br />

Griff aus Bein. Im Bereich<br />

des geraden Anteils des L<br />

förmigen Griffes eine ver<br />

schlungene Schlange mit<br />

dem Kopf nach unten.<br />

Somit ließe sich auch erklären, dass die Apotheker sich das<br />

Lebenskraut zum Symbol ihres Standes wählten.<br />

Wahrscheinlich gehen alle späteren Geschichten auf das<br />

Gilgamesch Epos zurück.<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit weiß man auch, dass es durchaus schon<br />

vor <strong>der</strong> Zeitenwende Verbindungen vom Zweistromland<br />

bis nach Europa gab.<br />

Literatur:<br />

Das Gilgamesch-Epos, Reclam, Herausgegeben von Wolfram SODEN, 1994.<br />

EGLI, Hans; Das Schlangensymbol, Walter-Verlag, 3.Aufl. 1994.<br />

GRIMM, Gebrü<strong>der</strong>; Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Hausmär-chen, Lechner Verlag, 1992<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Beobachteter Waldfrevel<br />

Mein erstes Buch über Spazierstöcke war von A. E. Boothroyd. Als ich 1978<br />

in England Urlaub machte, fuhr ich auch über Ipswich <strong>und</strong> kaufte bei<br />

Boothroyd diesen originellen Stock. Auf einem blätterumrankten Stamm<br />

hockt ein Mann mit bloßem Gesäß. Man kann sich nun allerlei beim<br />

Betrachten dieses Stockes vorstellen. Ich glaube, dass den Mann plötzlich ein<br />

dringendes Bedürfnis überkam <strong>und</strong> dem gab er einfach nach. Praktisch waren<br />

zu dieser Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Stock entstand, die Knieb<strong>und</strong>hosen. Denn man kann<br />

deutlich sehen, dass die Hose nicht heruntergelassen wurde, son<strong>der</strong>n hinten<br />

einen Schlitz hatte <strong>und</strong> einfach nur mit einer Hand beiseite gezogen werden<br />

geschrieben<br />

am 20 April 2004<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 4. August 2006<br />

21


22<br />

geschrieben<br />

am 4. August 2006<br />

mußte. An den Füßen trägt<br />

<strong>der</strong> Mann eine Art<br />

B<strong>und</strong>schuhe. Das Wams<br />

musste hochgezogen werden.<br />

Ein adretter Kragen <strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

ein breiter Gürtel zierten die<br />

Kleidung. Eine Mütze mit<br />

breitem hochgeschlagenem<br />

Rand <strong>und</strong> vorn keck geknifft,<br />

schmückt das Haupt mit den<br />

langen Haaren. Man sieht dem<br />

Burschen die Erleichterung an,<br />

die er verspürt bei seinem Tun.<br />

Weiter unterhalb des Stockes<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 4. August 2006<br />

Beobachteter Waldfrevel<br />

schauen Tiere des Waldes dem „Frevel“ zu. Man erkennt ein Eichhörnchen, eine<br />

Eidechse, einen Vogel - vielleicht eine Amsel - eine Ratte, einen Käfer <strong>und</strong> eine<br />

Schlange.<br />

Der meisterlich geschnitzte Stock ist aus Buchsbaum mit einer feinen<br />

Alterspatina. Er war wohl einmal in <strong>der</strong> Mitte gebrochen <strong>und</strong> wurde fachmän-<br />

nisch unter Verwendung von drei<br />

Dübeln wie<strong>der</strong> verleimt. Die<br />

Figur ist 85mm hoch. Der Stock<br />

hat eine Gesamthöhe von<br />

90,5cm. Ein 6cm langer Absatz<br />

besteht aus dunkelbraunem Holz,<br />

möglicherweise aus Walnuss-<br />

baumholz. Der Bekleidung des<br />

Mannes nach <strong>und</strong> auch nach <strong>der</strong><br />

handwerklichen Arbeit glaube ich,<br />

dass <strong>der</strong> Stock im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

geschnitzt wurde. Der Stock liegt<br />

im Originalerhaltungszustand vor.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

BERGHÄCKEL<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

<strong>Dr</strong>. med. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Kaiser-Wilhelm-Platz 5, 7100 Heilbronn<br />

Im Deutschen Bergwörterbuch von Heinrich Veith aus dem Jahre 1870 steht unter Berghäckel:<br />

"Berghäckel n., auch Häckel, Steigerhäckel, Steigerhacke -ein Stock, an welchem als Griff ein kleines messingnes<br />

Beil angebracht ist; eine Art Barte. .... Berghäckelchen ist ein Stück <strong>der</strong> bergmännischen Tracht <strong>und</strong><br />

ein Ehrenzeichen, welches kein Bergmann tragen darf, <strong>der</strong> unter dem Steiger ist."<br />

Davon zu unterscheiden ist <strong>der</strong> Fahrstock, von dem es im kleinen Bergbaulexikon von 1976 heißt:<br />

"Handstock zur Fahrung von Aufsichtspersonen benutzt . Meist mit als Häckel ausgebildeter Krücke <strong>und</strong><br />

Metereinteilung auf dem Stock (Meterlatte).”<br />

Von jetzt an wird es schon schwieriger, mehr über das Berghäckel zu erfahren.Das hängt damit zusammen,<br />

daß es in den verschiedensten Landesteilen <strong>und</strong> Län<strong>der</strong>n Bergwerke gab <strong>und</strong> gibt <strong>und</strong> diese die<br />

unterschiedlichsten Trachtenordnungen hatten. Da die bergmännischen Trachten aber letztlich aus <strong>der</strong><br />

Arbeitsausrüstung entstanden sind, sind einige Elemente universell: Es sind dies <strong>der</strong> Grubenkittel, die<br />

Fahrhaube o<strong>der</strong> Kappe, das Arschle<strong>der</strong>, die Kniebügel, Grubentasche, Tscherperscheide mit Tscherper<br />

(Grubenmesser), die Grubenlampe <strong>und</strong> die Barte o<strong>der</strong> das Häckel. Farben, Formen, Ausschmückungen,<br />

Materialien <strong>und</strong> wer was wie tragen darf, sind in den verschiedenen Bergordnungen minutiös reglementiert.<br />

Uns soll hier nur das Berghäckel interessieren. Um Klarheit zu schaffen, sollte man davon die<br />

Bergbarte, aus <strong>der</strong> es letztlich entstanden ist <strong>und</strong> die nur im erzgebirgischen Raum <strong>und</strong> um Bodenmais<br />

heimisch ist, trennen. Die Bergbarte hat einen meist schön verzierten, oft aus Bein geschnitzten Stiel,<br />

Helm genannt. Dieser Helm hat die Länge einer großen Axt - also ca. 60 cm lang. Die Bergbarte wurde<br />

entwe<strong>der</strong> geschultert o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Hand getragen. Die Blattform <strong>der</strong> Bergbarten dürfte aus den<br />

Grubenbeilen abgeleitet sein. Das Blatt ist entwe<strong>der</strong> aus Eisen o<strong>der</strong> Silber o<strong>der</strong> sogar vergoldetem Silber.<br />

Es hat die Form eines Beiles, ist nur dünner <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Spitze ausgezogen.<br />

Ob die Bergbarte aus einer Waffe entstanden ist o<strong>der</strong> zeitweilig als Waffe diente ist möglich, <strong>der</strong> Form nach<br />

wäre sie dazu geeignet. An<strong>der</strong>s ist es beim Berghäckel, das sicher von <strong>der</strong> Bergbarte in <strong>der</strong> Form abgeleitet<br />

ist, aber immer nur Teil <strong>der</strong> Tracht war. Das Berghäckel hat einen langen Stiel, <strong>der</strong> gestattete, es wie<br />

einen Spazierstock zu benutzen. Damit kann man zumindest sagen, wer es bestimmt nicht gebrauchte -<br />

nämlich die Bergoffizianten, die bei Bergaufzügen gewöhnlich beritten waren. Diese trugen die auch viel<br />

aufwendiger gearbeitete Barte. Das Blatt des Berghäckels besteht meist aus Messingguß, ist zeitweilig auch<br />

aus Sparsamkeitsgründen <strong>und</strong> in Zinnbergwerksgegenden aus Zinn gegossen worden o<strong>der</strong> besteht auch<br />

selten aus Eisen. Berghäckel kommen im Gegensatz zu den Barten in allen Revieren vor. Das allgemein<br />

Gültige ist damit wohl schon gesagt.<br />

Will man in die Einzelheiten gehen, bleibt einem gar nichts an<strong>der</strong>es übrig, als die einzelnen Reviere zu<br />

betrachten. Die Blattform <strong>der</strong> Berghäckel scheint landschaftlich doch sehr verschieden zu sein. Auch ist es<br />

nicht ganz einheitlich geregelt, wer ein Häckel tragen darf <strong>und</strong> wann er es tragen darf. Quellen dieser<br />

Erkenntnisse sind die Bergordnungen <strong>und</strong> die evtl. den Klei<strong>der</strong>ordnungen beigegebenen Skizzen o<strong>der</strong><br />

eben Trachtenwerke, die Bergleute in ihren Trachten darstellen.<br />

Relativ gut bearbeitet ist <strong>der</strong> erzgebirgische Bereich mit Zentrum Freiberg. Trotzdem ist es gar nicht so einfach,<br />

sich durch die teilweisen Wi<strong>der</strong>sprüche durchzuarbeiten <strong>und</strong> zu versuchen das Wesentliche zu<br />

erkennen. Für den erzgebirgischen Raum stehen ab dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t reichlich Quellen zur Verfügung.<br />

Die Verodnungen <strong>und</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Aufzugstracht von 1719 <strong>und</strong> die <strong>der</strong> Paradetracht von 1768.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 14. Juni 2006<br />

23


24<br />

Berghäckel<br />

Dazu kommen als hauptsächliche Bildquellen das WEIGELsche <strong>und</strong> FEHLINGKsche Trachtenwerk, <strong>der</strong><br />

Freiberger Fries <strong>und</strong> Trachtenentwürfe von 1768. Aber auch frühere Quellen schriftlicher <strong>und</strong> bildlicher<br />

Art stehen zur Verfügung.<br />

Es ist nicht genau festzustellen, wann die Bergleute begonnen haben Häckchen zu führen. Vom Erzgebirge<br />

weiß man, daß das Berghäckchen im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t schon von den Bergleuten gebraucht wurde. Es sah<br />

damals dem Grubenbeil ähnlich, nur war es schmaler <strong>und</strong> mehr in die Länge gezogen. Die Oberkante<br />

verlief entwe<strong>der</strong> gerade <strong>und</strong> die Vor<strong>der</strong>kante senkrecht zum Stock (s.Abb.) o<strong>der</strong> die Oberkante war<br />

schwach nach unten gebogen (s.Abb.), wie man es auf einem Bild des Joachimsthaler Bergpredigers<br />

Johannes Mathesius erkennen kann, das sich im Zwickauer Museum befindet.<br />

Nach <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Bergbarte ca. 1600, hat sich die Gestalt des Häckchens im Erzgebirge an diese<br />

angelehnt. Der Übergang war sicher allmählich. Balthasar Rössler schreibt in seinem "Hellpolierten<br />

Bergbauspiegel" im Beiwörterverzeichnis 1700 (zit. nach Anacker): "Berg-Häckel/ ist eine Art von Berg-<br />

Parthen/ mit einem Stiel, dessen man sich anstatt eines Stabes bedienet." Junghans (zit. nach Anacker)<br />

schreibt 1680: "Berg-Häckel ist ein klein schmal <strong>und</strong> spitzig Beil/ mit langem Stiel o<strong>der</strong> Helm/ mit Beine<br />

schön ausgelegt/ welches die Bergleute statt eines Stabes brauchen."<br />

Das Charakteristikum des Häckchens ist die lang nach oben ausgezogene Spitze des Blattes, die meist in<br />

einem Knopf o<strong>der</strong> einer Eichel endigt. Die äußere Form ist im großen <strong>und</strong> ganzen immer gewahrt, kleinere<br />

Abweichungen sind üblich. Die Unterkante verläuft meist waagrecht, manchmal auch leicht nach<br />

unten gebogen, hat evtl. auch einen kleinen Absatz. Die Vor<strong>der</strong>kante verläuft entwe<strong>der</strong> senkrecht zum<br />

Stiel o<strong>der</strong> bogenförmig mehr o<strong>der</strong> weniger einwärts gebogen .<br />

Die meisten Häckchen sind aus Messing <strong>und</strong> vom Gelbgießer gegossen, seltener aus Eisen geschmiedet.<br />

Je nach dem Können des Handwerkers sind sie zum Teil sehr schön verziert <strong>und</strong> stellen teilweise<br />

Kunstwerke dar. Oft zeigen die Blätter schlüssellochförmige Durchbrechungen o<strong>der</strong> auch r<strong>und</strong>e, die mit<br />

Schlägel <strong>und</strong> Eisen - den Zeichen <strong>der</strong> Bergleute - ausgefüllt sind . Auf <strong>der</strong> Rückseite ist oft ein hammerartiger<br />

Ansatz.<br />

Die Flächen <strong>der</strong> Berghäckchen sind häufig mit Darstellungen aus dem bergmännischen Leben ausgefüllt.<br />

Die Stöcke sind entwe<strong>der</strong> einfach aus Holz, o<strong>der</strong> mit Einlegearbeiten o<strong>der</strong> seltener auch aus geschnitztem<br />

Hirschhorn o<strong>der</strong> sogar Elfenbein. Meist haben sie eiserne Zwingen.<br />

1923 beschreibt Borchers den Erwerb von 3 erstklassigen Berghäckchen (Steigerhäckchen), z.T. aus<br />

Hirschhorn bestehend, mit schönen Gravierungen, <strong>und</strong> 4 einfacheren Steigerhäckchen für das Freiberger<br />

Altertumsmuseum. Die Hirschhornröhren "zeigen mannigfaltige <strong>und</strong> schön gravierte Darstellungen<br />

(Szenen aus <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Berg- <strong>und</strong> Hüttenleute, Bergsänger, Rutengänger, Kurwappen usw.)"... "Als<br />

beson<strong>der</strong>s kostbare Erwerbung dürfen wir das Berghäckchen eines höheren Bergbeamten, vielleicht eines<br />

Berghauptmanns, ansehen, dessen ungewöhnlich langer Helm ganz aus Elfenbein besteht <strong>und</strong> künstlerisch<br />

schön geschnitzte Darstellungen (Berg- <strong>und</strong> Hüttenmann in Paradeuniform, auf Tonne im Schachte einfahrende<br />

Bergleute, H<strong>und</strong>estößer, Bergmann vor Ort usw.) aufweist. Auch das aus Messing bestehende<br />

Häckchen ist mit schön gravierten Darstellungen verziert. Das Berghäckchen ist ohne Jahreszahl <strong>und</strong> wird<br />

etwa aus <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts stammen. Doch gehört es nicht mehr in den Bereich <strong>der</strong> eigentlichen<br />

bergmännischen Volkskunst, son<strong>der</strong>n wird wohl auf Bestellung von einem großstädtischen Künstler<br />

angefertigt sein. Es berührt eigenartig, daß es eine Darstellung aufweist, die sich sonst aus naheliegen den<br />

Gründen in <strong>der</strong> Bergmannskunst nicht wie<strong>der</strong> findet, nämlich ein Totenkopf." ( Borchers FAV<br />

H.54/1923,5.20)<br />

Es gibt eine Abbildung, auf <strong>der</strong> zwei Bergleute - wohl Steiger - das Stadtwappen von Freiberg halten. Die beiden<br />

Bergleute stützen sich auf Berghäckel <strong>der</strong> typischen erzgebirgischen Form ( Borchers FAV H.47/1911).<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Berghäckel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

25


26<br />

Berghäckel<br />

Im Bergbaumuseum Freiberg findet sich auch ein Steigerhäckchen mit einer SchieBeinrichtung aus dem 1.<br />

Viertel des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Auch im Städtischen Museum in Zwickau befinden sich zwei solcher<br />

Steigerhäckchen. Die Schießvorrichtungen haben Batterieschloßeinrichtungen. Zum Hauen <strong>und</strong> Stechen<br />

sind diese Häckchen nicht geeignet, da sie we<strong>der</strong> eine Schneide noch eine scharfe Spitze haben. Sie sind<br />

sehr lang - zwischen 102 <strong>und</strong> 118 cm - <strong>und</strong> die Stöcke sind dünn <strong>und</strong> zusätzlich durch Einlegearbeiten<br />

geschwächt. Der Lauf ist nur wenige Zentimeter lang <strong>und</strong> gestattet kein genaues Zielen. Also sind auch<br />

diese Häckchen keine Waffen, wohl aber eine nette technische Spielerei. (Anacker, von Beilen,Barten etc.<br />

S. 72).<br />

Den erzgebirgischen Berghäckeln gleich sind wohl die im Ruhrgebiet gewesen. In <strong>der</strong> Juni-Ausgabe 1953<br />

<strong>der</strong> Zeitschrift Bergbau beschreibt Winkelmann das Ehrenhäckel des Rings ehemaliger Bergschüler. Es<br />

wurde denjenigen verliehen, die auf eine 50jährige Bergmanntätigkeit zurückblicken konnten. Winkelmann<br />

schreibt dazu: "Von den vielen überlieferten Formen wurde für die Ehrung unserer Mitglie<strong>der</strong> diejenige<br />

ausgewählt, die zum Ruhrgebiet wohl die engste Beziehung hat ..... Das schmucke Bronzeblatt läuft an <strong>der</strong><br />

Spitze in eine stilisierte Blütenknospe aus <strong>und</strong> trägt in <strong>der</strong> Ecke- ein kreisr<strong>und</strong>es Schmuckloch mit Schlägel<br />

<strong>und</strong> Eisen." AIs Beispiel für die künstlerische Ausschmückung des Blattes eines Häckels sei die Beschreibung<br />

von Winkelmann wie<strong>der</strong>gegeben. Die eine Seite "zeigt von rechts nach links einen Bergmann untertage<br />

bei einer nur schwer zu deutenden Tätigkeit, wahrscheinlich auf <strong>der</strong> Erzsuche mit einer Wünschelrute.<br />

Davor sieht man ein Stollenm<strong>und</strong>loch in einem Fichtenwald. Ein Bergmann ist soeben dabei, einen Wagen<br />

aus dem Stollen zu schieben, während ein zweiter mit seinem Wagen schon weit vor dem M<strong>und</strong>loch<br />

angelangt ist. Unterhalb des Schmuckloches mit Schlägel <strong>und</strong> Eisen sieht man das Holzgestänge, auf dem<br />

<strong>der</strong> Wagen auf die Halde hinausgefahren wird. Über dem Schmuckloch, fast als ob er auf dem um dieses<br />

gelegten Kranz säße, sitzt ein Ausschläger, <strong>der</strong> damit beschäftigt ist, die groben Erzstücke zu zerkleinern<br />

<strong>und</strong> das haltige Gut von dem tauben zu scheiden. Auf seinem Schoß hält er einen Trog mit Erz. Über ihm<br />

sieht man eine Hütte mit zwei Schornsteinen <strong>und</strong> im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> einen Ausschnitt des Wasserrades zur<br />

Bedienung des Gebläses <strong>und</strong> das waagrechte Gerinne zur Abführung des Aufschlagwassers. Die<br />

Gegenseite zeigt von links nach rechts einen Bergmann mit Schachthut <strong>und</strong> Arschle<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Schlägel<strong>und</strong><br />

Eisenarbeit. Im unteren horizontalen Teil des Blattes sieht man die Schachtför<strong>der</strong>ung durch ein<br />

Kehrrad dargestellt, <strong>und</strong> zwar erkennt man links das nur halb vorhandene Kehrrad mit Schaufeln <strong>und</strong> innerer<br />

Verstrebung. Von ihm läuft ein För<strong>der</strong>seil über drei auf einem Trägergerüst ruhende kleine Rollen <strong>und</strong><br />

eine am vor<strong>der</strong>en Gerüstende befindliche Seilscheibe in den Schacht. Dieser ist durch das obere Geviert<br />

angedeutet, das, wohl aus Schmuckbedürfnis des Künstlers, noch mit einer Lochreihe geziert ist. Am Seil<br />

hängt ein Kübel in Höhe des oberen Gevierts, unmittelbar unter <strong>der</strong> Seilscheibe. Im oberen Teil des<br />

Blattes ist eine Szene aus <strong>der</strong> Schachtför<strong>der</strong>ung in ihrer einfachsten Form, <strong>der</strong> R<strong>und</strong>bäumför<strong>der</strong>ung,<br />

gezeigt. Man sieht den Haspel mit den beiden auf dem Schachtgeviert stehenden Haspelstützen, den<br />

R<strong>und</strong>baum mit dem Seil <strong>und</strong> den Haspelhömern. Ein Haspeler dreht den R<strong>und</strong>baum, während ein an<strong>der</strong>er<br />

Bergmann auf einer Fahrte bei <strong>der</strong> Ausfahrt gezeigt ist."<br />

Der Künstler <strong>der</strong> diese eindrucksvollen Bil<strong>der</strong> aus dem Bergmannsleben geschaffen hat, ist lei<strong>der</strong> unbekannt.<br />

Bei dem Häckchen Nr.1 aus <strong>der</strong> Sammlung von Herrn Krammig scheint es sich um ein solches<br />

Ehrenhäckel aus dem Ruhrgebiet zu handeln. Die mir vorliegende Abbildung stimmt mit <strong>der</strong> Beschreibung<br />

überein. Die äußere Form gleicht dem in <strong>der</strong> Zeitschrift Bergbau abgelichteten Häckchen. Ein ähnliches<br />

Berghäckchen ist in meinem Besitz. Auf <strong>der</strong> Rückseite ist ein Silberschild aufgelötet mit dem Namen H.<br />

Maas <strong>und</strong> <strong>der</strong> Jahreszahl 1945. Auf <strong>der</strong> oberen Schmalseite befindet sich ein kleines längliches Silberschild<br />

mit den Buchstaben O.A.M.G. Ich konnte bisher die Buchstaben nicht auflösen.<br />

Von ganz an<strong>der</strong>er Form ist das Berghäckchen von Bodenmais im Bayerischen Wald. Gleich an <strong>der</strong><br />

Ortseinfahrt steht auf einem großen Steinsockel ein Bergmann im Berghabit, <strong>der</strong> in seinen Händen ein<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Berghäckel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

27


28<br />

Berghäckel<br />

Häckel hält. Er erinnert an die Zeiten, als das Bergwerk in Bodenmais noch von Bergleuten befahren<br />

wurde - heute tummeln sich da die Touristen. Zwei ähnliche Häckel hängen in <strong>der</strong> Eingangshalle des<br />

"Bergknappenhofes" in Bodenmais.<br />

Das Blatt dieser Häckel scheint aus Eisen geschmiedet zu sein. Die Vor<strong>der</strong>kante ist halbmondförmig. Wie<br />

bei einer Hellebarde ist das Blatt oben <strong>und</strong> unten spitz ausgezogen. In den spitzen Anteilen ist oben <strong>und</strong><br />

unten je ein vierblättriges Kleeblatt eingeschnitten, in <strong>der</strong> Mitte ein “B”, davor eine 18, dahinter 86. “B” für<br />

Bodenmais <strong>und</strong> die Jahreszahl. Auf <strong>der</strong> Rückseite befindet sich ein kurzer pfeilförmiger Fortsatz. Der<br />

eigentliche Stock besteht aus Holz.<br />

Aus einer mir vorliegenden Zeichnung Joachimsthaler Bergleute (Egerland) geht hervor, daß sie Häckel<br />

trugen, die in <strong>der</strong> Form denen im Freiberger Raum ähneln. Sie haben noch einen nach bodenwärts zeigenden<br />

Sporn, (s.Köhler) Diese Berghäckel könnte man als eine Übergangsform zwischen den erzgebirgischen<br />

<strong>und</strong> denen aus dem Bayerischen Wald ansehen. In einer weiteren Abbildung in dem Artikel von<br />

Köhler läßt sich allerdings dieser nach unten zeigende Sporn nicht nachweisen.<br />

Anacker (Von Beilen, Barten etc. S. 139) bildet noch den Umriß eines schwedischen Häckchens, datiert<br />

1747, ab. Nach Schweden kamen sehr früh schon -1280 - Bergleute aus Deutschland vom Rammelsberg,<br />

in größerem Umfang dann 1540 bis 1550 unter König Gustav Wasa. Im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t kamen dann auch<br />

nach Norwegen Bergleute aus Deutschland, vorwiegend aus Sachsen. In Schweden findet man häufig<br />

Häckchen <strong>der</strong> alten Form, die sich wohl dort lange gehalten hat, in Norwegen die neuere <strong>der</strong> Barte nachempf<strong>und</strong>ene<br />

Form. Völlig abweichend von den bisher beschriebenen Berghäckchen ist das aus Bad<br />

Friedrichshall. Hier wird Salz abgebaut. Dieses Häckchen gleicht mehr einem Zimmermannshammer. Es<br />

dient auch weniger als Schmuck o<strong>der</strong> Beiwerk zur Tracht, son<strong>der</strong>n wird bis heute noch teilweise benutzt<br />

um Proben abzuschlagen.<br />

Es ist nicht immer leicht. forstwirtschaftliche Werkzeuge <strong>und</strong> Waldäxte von Steigerhäckchen zu unterscheiden.<br />

Anacker schreibt: "Die Ähnlichkeit von forstlichen <strong>und</strong> bergmännischen Geräten ist bei den engen<br />

Beziehungen, die zwischen diesen beiden Wirtschaftsgebieten vom Mittelalter bis zur Neuzeit bestanden,<br />

nicht verwun<strong>der</strong>lich."<br />

In einer Zeit, in <strong>der</strong> vieles viel mehr reglementiert war als heute, <strong>und</strong> wir stöhnen doch gewiß darunter,<br />

war auch genau festgelegt wer ein Berghäckel tragen darf <strong>und</strong> wann er es tragen darf. Ob diese obrigkeitlichen<br />

Vorschriften immer so genau eingehalten worden sind, darf tunlichst bezweifelt werden, denn die<br />

Bergleute waren arm <strong>und</strong> ein Berghabit konnte bis zu zwei Jahresverdiensten kosten. Dies wie<strong>der</strong>um<br />

hatte zur Folge, daß keineswegs je<strong>der</strong> Bergmann alle Trachtenteile im Eigentum besaß. Auch wurden die<br />

Teile weitervererbt o<strong>der</strong> an jüngere Bergleute verkauft, so daß Übergänge von einer Form zur an<strong>der</strong>en<br />

nur sehr langsam erfolgten <strong>und</strong> neben neueren Stücken auch viele alte gebraucht wurden. So muß man<br />

auch einige Trachtenbil<strong>der</strong> deuten, selbst wenn sie am Modell gezeichnet wurden, wenn trotz neuer<br />

Verordnung noch ältere Teile abgebildet wurden. Auch die den Verordnungen teilweise beigegebenen<br />

Zeichnungen stellen oft mehr Wunschvorstellungen dar, verglichen mit dem, was dann wirklich am Ort<br />

des Geschehens war. So schreibt Haller zu den Bil<strong>der</strong>n, die <strong>der</strong> Trachtenordnung von 1794 für Bodenmais<br />

beigefügt wurden: "...sind entgegen an<strong>der</strong>slautenden Deutungen mit Bestimmtheit nicht als eine lokalgeb<strong>und</strong>ene<br />

Festtracht, son<strong>der</strong>n als bildhafte Transponierung <strong>der</strong> schriftlichen Verordnungen zu interpretieren,<br />

also <strong>der</strong> gesamtbayerischen Berg- <strong>und</strong> Hüttentracht im letzten Dezenium des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts."<br />

Wenig schreibt Winkelmann in seinem Artikel darüber, wer das Häckel im Ruhrgebiet getragen hat. "Es<br />

wurde auch bei uns früher von den Grubenbeamten bei festlichen Anlässen gerne getragen." Dies ist alles.<br />

Haller schreibt über Bodenmais: "Auf Befehl des Bergwerkkollegiums vom 25 .Februar 1780 wurde für<br />

die Bergleute von Bodenmais, Bodenwöhr, Amberg <strong>und</strong> Fichtelberg ein neuer, gleicher Paradehabit ange-<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Berghäckel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

29


schafft. .... Ein Berghäckel war nur dem Steiger zugedacht."<br />

30<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Berghäckel<br />

Durch die Entschließung vom 19.September 1793 wurde die Bodenmaiser Bergmannstracht jener <strong>der</strong><br />

übrigen churbayerischen Bergorte gleichgestellt. In diesem Regulativ sind aber keine Berghäckel erwähnt,<br />

son<strong>der</strong>n nur Bergbarten. Auch in <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>ordnung von 1795 zu den Berguniformen sind namentlich<br />

nur Bergbarten erwähnt. Allerdings werden mehrmals Stöcke genannt. Ob es sich dabei um Berghäckel<br />

handelt, kann zurZeit nicht entschieden werden. Die vorher schon erwähnten 7 Abbildungen aus<br />

Bodenmais von 1794, die <strong>der</strong> ersten Verordnung beigegeben waren, zeigen 2 Bergleute mit Häckel <strong>und</strong><br />

einen mit einer Bergbarte. So kann unter Stock wohl schon ein Häckel verstanden worden sein.<br />

Anacker geht für den erzgebirgischen Raum etwas näher auf das Tragen des Häckchens ein. Er meint, daß<br />

schon das Häckchen alter Form spätestens im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t keine Waffe mehr war - wenn es überhaupt<br />

jemals eine gewesen sei - son<strong>der</strong>n ein Standesabzeichen <strong>der</strong> Bergleute. Es wird öfters erwähnt, daß sich<br />

Bergleute des Häckchens statt eines Stockes bedienten. Deshalb hätte es auch öfters eine eiserne Spitze<br />

(gemeint ist die Zwinge). Junghans (zit. nach Anacker) spricht 1680 ganz allgemein davon, daß<br />

Berghäckchen von Bergleuten geführt wurden. Erst 1721 gibt Weigel (zit. nach Anacker) das Häckchen<br />

nur den "Bergoffizianten vom höchsten bis zum niedrigsten", nicht aber dem "gemeinen Berg-Knappen"<br />

<strong>und</strong> Zeisig (zit.nach Anacker) sagt 1730 genauer: "Berg-Häckel, ist eine Art von Berg-Parthen, o<strong>der</strong> ein<br />

kleines spitzig <strong>und</strong> schmales Beil, mit einem langen <strong>und</strong> zierlich von Helffenbein eingelegtem Stile, mit allerhand<br />

Berg-Figuren, welche die Ober- <strong>und</strong> Untersteiger als ein son<strong>der</strong>liches Bergzeichen o<strong>der</strong> Insigne ihres<br />

Beruffs zu tragen pflegen." Vom 18. Jahrhun<strong>der</strong>t an beschränkt sich <strong>der</strong> Gebrauch des Häckchens also auf<br />

die Bergbeamten. In den Revieren, in denen Besatz <strong>und</strong> Knöpfe golden waren, sollten auch vergoldete<br />

Häckchen getragen werden <strong>und</strong> wo Besatz <strong>und</strong> Knöpfe silbern waren, versilberte. Eine Ausnahme gab es<br />

von <strong>der</strong> Regel, daß <strong>der</strong> Träger eines Häckchens mindestens Steiger sein müsse, das war <strong>der</strong><br />

Knappschaftsälteste; er war kein Beamter, ihm wurde das Häckchen als Ehrenzeichen zugestanden.<br />

Letztlich war es doch ein beschränkter Personenkreis, <strong>der</strong> Berghäckel gebrauchte o<strong>der</strong> gebrauchen durfte<br />

<strong>und</strong> es ist deshalb nicht verwun<strong>der</strong>lich, wenn es nicht sehr viele gibt Zudem wurden sie oft von<br />

Generation zu Generation weitervererbt.<br />

Wörterbücher haben es an sich, kurz <strong>und</strong> prägnant das Wesentliche zu sagen; deshalb sei auch zum<br />

Abschluß das Bergmännische Wörterbuch von 1778 zitiert: "Berghäckel, ein Stück <strong>der</strong> bergmännischen<br />

Tracht, besteht aus einem Blättgen von Meßing, mit einer schmal zulaufenden Spitze <strong>und</strong> einem Helm,<br />

welcher so lang <strong>und</strong> stark ist, daß man das Hackgen statt eines Stockes gebrauchen kann. Daher es<br />

sowohl als Ehrenzeichen <strong>und</strong> zur Zierde als zur Gemächlichkeit dient. Dieses darf kein Bergmann, <strong>der</strong><br />

geringer ist als Steiger, tragen."<br />

Altes Stdtwappen von Freiburg<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Berghäckel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

Häckchen aus <strong>der</strong> Sammlung von<br />

Herrn R. Krammig<br />

Abb. 1<br />

Dieses Häckchen entspricht dem<br />

beschriebenen Ehrenhäckel aus<br />

dem Ruhrgebiet.<br />

Abb. 2<br />

Abb. 3<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

31


32<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Berghäckel<br />

Häckchen aus <strong>der</strong> Sammlung von<br />

Herrn R. Krammig<br />

Abb. 4<br />

Abb. 5<br />

(Dies ist eine Goralenaxt, Anmerkung15.<br />

Juni 2006 von D. B.)<br />

Abb. 6<br />

Dieses Häckchen ist dem Häckchen<br />

aus dem Salzrevier von Bad Friedrichshall<br />

ähnlich<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Berghäckel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

Häckchen aus <strong>der</strong> Sammlung von<br />

Herrn R. Krammig<br />

Abb. 7<br />

Sicher keinen Steigerhäckchen, da<br />

Berge-, Wald- <strong>und</strong> Wildmotiv.<br />

Abb. 8<br />

Es handelt sich um eine Waldaxt,<br />

wie sie vom Mittelalter bis zur<br />

Neuzeit von herrschaftlichen <strong>und</strong><br />

landesherrlichen Forstbeamten<br />

benutzt wurden, um das zu fällende<br />

Holz anzuschlagen. Sie tragen<br />

manchmal auf <strong>der</strong> Rüclseite eine<br />

Waldnummer o<strong>der</strong> ein Hoheitszeichen<br />

zum Zeichnen des Holzes.<br />

Aus <strong>der</strong> eigenen Sammlung stammt<br />

dieses Häckchen. Ich habe es als<br />

Wan<strong>der</strong>stock eines Geologen<br />

gekauft, <strong>der</strong> damit Gesteinsproben<br />

abgeschlagen haben soll. Der Stock<br />

hat eine Bergzwinge. Möglicherweise<br />

handelt es sich auch um eine<br />

kleine Waldaxt eines Forstbeamten.<br />

(Anmerkung 15. Juni 2006. Mit ziemlicher<br />

Sicherheit ist es ein Schweinehirtenstock<br />

aus Ungarn. D. B.)<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

33


34<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

LITERATURANGABEN<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Berghäckel<br />

Anacker, Heinrich: Von Beilen, Barten <strong>und</strong> Häckchen, Freiberger Forschungshefte<br />

D 31, Akademie-Verlag, Berlin 1960<br />

Borchers: Über Bergbarten, Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins,<br />

Heft 47, 1911.<br />

Ursprung <strong>und</strong> Zweck <strong>der</strong> Bergbarte, Mitteilungen des Freiberger Al tertumsvereins,<br />

Heft 51, 1916.<br />

Bergbarten, Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins, Heft 54, 1923.<br />

Haller, Reinhard: Berg- <strong>und</strong> hüttenmännisches Leben in <strong>der</strong> Hofmark Bodenmais<br />

1580 - 1820. Inaug. Diss.München 1970, <strong>Dr</strong>uck: Verlag Josef Dötsch, Zwiesel.<br />

Fritzsch, Karl-Ewald <strong>und</strong> Sieber, Friedrich: Bergmännische Trachten des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts im<br />

Erzgebirge <strong>und</strong> Mansfeidischen, Akademie-Verlag, Berlin, 1057.<br />

Köhler, Rud.: Sitte, Brauch <strong>und</strong> Tracht <strong>der</strong> Bergleute in alter Zeit, in "Unser Egerland" 29. Jahrg.<br />

Heft 2, S.14 ff. 1925.<br />

Müller, Paul: Zierbarten in Privatbesitz, Freiberger Forschungshefte D 11, Akademie-Verlag,<br />

Berlin 1955.<br />

Rieß: Über den Ursprung <strong>der</strong> Bergbarte, Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins,<br />

Heft 51, 1916.<br />

Über den Ursprung <strong>der</strong> Bergbarte , Nachträge zu Heft 51, Mitteilungen des<br />

Freiberger Altertumsvereins, Heft 52, 1917.<br />

Wartusch, Rudolf <strong>und</strong> Wohlgemuth, Otto: Glück auf! Allerlei vom Bergmannsleben,<br />

Friedrich Floe<strong>der</strong> Verlag, Düsseldorf, 1927. Winkelmann: Bergbau, 1953, S, 84.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Nachtrag 2011


Bildarchiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Schweinsbergstrasse 36<br />

74074 Heilbronn<br />

Tel . 07131 / 17 19 02<br />

Die Bil<strong>der</strong> dieses Berghäckels bekam ich am 23.2.2011 von Herrn<br />

Michael Jess. Die Originalbil<strong>der</strong> habe ich augearbeitet. Er konnte dazu<br />

nur sagen, dass das Häckel sehr wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet<br />

stammt <strong>und</strong> etwa in die Zeit um 1900 einzuordnen ist.<br />

Es dürfte sich um eine Paradehäckel mit einem Messingblatt handeln.<br />

Die typischen Bergbauzeichen Hammer <strong>und</strong> Schlägel sind vorhanden<br />

<strong>und</strong> ein Reichsadler. Auf einer Seite glaubt man die Zahl 40 zu er<br />

kennen. Die Konturen aus verschlungenen Bän<strong>der</strong>n sind ver<br />

schwommen. Szenen aus dem Bergbaubetrieb, wie sonst oft üblich,<br />

sind keine vorhanden. Zu welchem Bergwerk das Häckel gehört ist<br />

bisher unbekannt.<br />

Zuletzt bearbeitet am: 3. März 2011<br />

36<br />

Bild Nr:2.3.2. 006 Michael Jess 01


Bil<strong>der</strong>archiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>, Schweinsbergstrasse 36, 74074 Heilbronn. Nr.:2.3.2.-006_Michael Jess_01<br />

37


Bildarchiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Schweinsbergstrasse 36<br />

74074 Heilbronn<br />

Tel . 07131 / 17 19 02<br />

Die Bil<strong>der</strong> dieses Berghäckels habe ich am 23. Februar 2011 von<br />

Herrn Micheal Jess erhalten <strong>und</strong> aufgearbeitet. Er konnte dazu nur<br />

sagen, dass das Häckel wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet ist <strong>und</strong><br />

etwa um 1900 zu datieren sei.<br />

Typisches Berghäckel für die Parade mit Hammer <strong>und</strong> Schlägel aus<br />

Bronze? o<strong>der</strong> Messing? Auf dem Blatt sind beidseitig Szenen aus dem<br />

Bergwerksleben unter Tage. Das Häckel endet mit einer Eichel.<br />

Das Bergwerk o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bezirk dem es zuzuordnen ist, sind bisher<br />

unbekannt.<br />

Zuletzt bearbeitet am: 3. März 2011<br />

38<br />

Bild Nr:2.3.2. 007 Michael Jess 03


Bil<strong>der</strong>archiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>, Schweinsbergstrasse 36, 74074 Heilbronn. Nr.:2.3.2.-007_Michael Jess_02<br />

39


Bildarchiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Schweinsbergstrasse 36<br />

74074 Heilbronn<br />

Tel . 07131 / 17 19 02<br />

Bil<strong>der</strong> dieses Stockes habe ich am 23. Febr. 2011 von Herrn Michael<br />

Jess erhalten <strong>und</strong> aufgearbeitet. Er wollte wissen um was für einen<br />

Stock es sich handelt.<br />

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es ein Berghäckel, allerdings aus<br />

einem Salzbergwerk. Möglicherweise handelt es sich sogar um ein<br />

Original Arbeitswerkzeug. Unter Tage wurde solche Häckel vom<br />

Steiger benutzt, um zu prüfen wie fest <strong>der</strong> Salzstock ist. Der im obe<br />

ren Anteil gedrechselte Schuss spricht allerdings dagegen. Das ei<br />

gentliche Häckel ist sorgfältig aus Eisen geschmiedet.<br />

Die Gegend o<strong>der</strong> das Salzbergwerk wo <strong>der</strong> Stock herkommt sind<br />

bisher ungekannt.<br />

Zuletzt bearbeitet am: 3. März 2011<br />

40<br />

Bild Nr:2.3.2. 008 Michael Jess 03


Bil<strong>der</strong>archiv <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>, Schweinsbergstrasse 36, 74074 Heilbronn. Nr.:2.3.2.-008_Michael Jess_03<br />

41


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

BERGHÄCKEL - WALDÄXTE - HIRTENBEILE<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Ein Berghäckel (Steigerhäckel, Steigerhacke) durfte vom Steiger (im Bergwerk) an aufwärts als<br />

Ehrenzeichen zur Bergmannstracht getragen werden. Es diente zur Zierde <strong>und</strong> war so lang, dass es als<br />

Stock gebraucht werden konnte. Das Blatt bestand meist aus Messing, selten aus Eisen o<strong>der</strong> Zinn -in<br />

Zinnbergwerken. Seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t werden Berghäckel erwähnt <strong>und</strong> die Form des Blattes (Griffes)<br />

machte seither verschiedene Formwandlungen durch. Die Gr<strong>und</strong>form ist aus naheliegenden Gründen die<br />

des Grubenbeiles. Das Blatt <strong>der</strong> Berghäckel waldelte sich nicht nur im Laufe <strong>der</strong> Zeit, son<strong>der</strong>n war auch<br />

in den einzelnen Revieren unterschiedlich ausgeformt. Das typische Blatt <strong>der</strong> Steigerhäckchen aus dem<br />

Erzgebirge ist aus Messing gegossen <strong>und</strong> hat eine lang nach oben ausgezogene Spitze, die in einem Knopf<br />

o<strong>der</strong> einer Eichel endigt. Die Unterkante verläuft meist waagrecht, hat eventuell auch einen kleinen<br />

Absatz. Die Vor<strong>der</strong>kante steht entwe<strong>der</strong> senkrecht zum Holm — wie <strong>der</strong> Stiel hier genannt wird — o<strong>der</strong><br />

ist bogenförmig mehr o<strong>der</strong> weniger einwärts geschwungen. Das Blatt ist mit Szenen aus dem Bergmannsleben<br />

verziert <strong>und</strong> zeigt in einem r<strong>und</strong>en Durchbruch "Schlägel <strong>und</strong> Eisen" - das Zeichen <strong>der</strong> Bergleute.<br />

Rückseitig findet sich oft ein hammerartiger Absatz. Der Holm besteht aus Holz <strong>und</strong> ist manchmal mit<br />

Einlegearbeiten verziert; selten ist er aus Bein gearbeitet. In an<strong>der</strong>en Revieren ähneln die Berghäckel mehr<br />

Hellebarden o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>norts mehr kleinen Beilen. Sie waren trotzdem wohl nie Waffen. Im Salzbergwerk<br />

in Bad Friedrichshall wird von den Aufsichtspersonen heute noch ein Stock mit eisernem Griff in T-Form<br />

benutzt. Der Griff läuft vorn spitz zu <strong>und</strong> ist hinten wie ein run<strong>der</strong> Hammer ausgebildet. Er dient zum<br />

Abklopfen des Salzstockes.<br />

Das Blatt <strong>der</strong> Waldäxte besteht meist aus Eisen <strong>und</strong> sieht vorn wie eine kleine Axt aus. Hinten befindet<br />

sich ein hammerartiger Fortsatz mit eingelassener/ Zahl o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en Kennzeichen. Mit diesem<br />

rückwärtigen Teil wurde vom Forstbeamten o<strong>der</strong> vom Waldbesitzer das geschlagene Holz gekennzeichnet.<br />

Das Beilchen diente zum oberflächlichen Ankerben <strong>der</strong>jenigen Stämme, die geschlagen werden sollten.<br />

Der Griff ist spazierstocklang <strong>und</strong> mit eiserner Zwinge versehen. Das ganze wurde dann auch als<br />

Stock benutzt. Die Waldäxte dienten als Ausweis <strong>und</strong> gingen oft beim Verkauf des Waldes auf den neuen<br />

Besitzer über.<br />

In Ungarn findet man die Hirtenaxt (Fokos). Sie wurde <strong>und</strong> wird von den Hirten - seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nur noch von den Schweinehierten - als Hütewerkzeug <strong>und</strong> als Waffe benutzt. Es handelt sich um kleine<br />

Beilchen verschiedener Form, oft mit hammerartiger Rückseite. Für den täglichen Gebrauch besteht das<br />

Blatt meist aus Eisen. Es hat nahe <strong>der</strong> scharfgeschliffenen Schneide oft ein o<strong>der</strong> zwei Löcher. Hier konnte<br />

bei Nichtgebrauch mit Flügelschrauben ein Schutzblech über <strong>der</strong> Schneide befestigt werden. Oft findet<br />

man auch eine kleine R<strong>und</strong>ung o<strong>der</strong> einen Absatz an <strong>der</strong> Unterseite des Blattes. Hier kann die Hirtenaxt<br />

an einem Nagel so aufgehängt werden, dass <strong>der</strong> spazierstocklange Stiel genau senkrecht hängt. Der Stock<br />

hat oft unten eine eiserne Zwinge. Für festliche Gelegenheiten wurden Äxte aus Messing o<strong>der</strong> Bronze<br />

benutzt. Das Blatt kann mehr o<strong>der</strong> weniger graviert sein. Der Stock ist oft mit Schnitzereien aus dem<br />

Hirtenleben verziert. Hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> findet man auch schöne Einlegearbeiten.<br />

Von <strong>der</strong> Hirtenaxt (Focos) ist das Hirtenbeil (Balta) zu unterscheiden. Dieses hat ein größeres Blatt <strong>und</strong> ist<br />

fast immer aus Eisen. Auch hier finden wir einen spazierstocklangen oft schön verzierten Holm mit eiserner<br />

Zwinge. Auch das Hirtenbeil ist Werkzeug <strong>und</strong> Waffe zugleich. Es dürfte weitgehend von den Betyaren<br />

benutzt worden sein. Betyaren waren oft Hirten, die in die Wäl<strong>der</strong> <strong>und</strong> Sümpfe Ungarns flüchteten.<br />

Geflohen sind sie vor den drakonischen Strafen des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts auch bei kleinen Vergehen. Die<br />

Übergänge zwischen <strong>der</strong> Hirtenaxt (Focos) <strong>und</strong> dem Hirtenbeil (Balta) sind fließend.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

43


44<br />

BERGHÄCKEL WALDÄXTE HIRTENBEILE<br />

Links Waldaxt aus <strong>der</strong> Sammlung R. Krammig. Sie besteht aus Eisen. Vorn befindet sich die kleine Axt <strong>und</strong><br />

hinten in dem hammerartigen Fortsatz ist einem Siegel gleich das Besitzerzeichen eingelassen. Mitte<br />

Schweinehirtenaxt (Fokos) aus Messing <strong>und</strong> rechts Hirtenbeil (Balta) aus Bronze. Die Blätter haben noch<br />

Gravuren. Sie stammen beide aus Ungarn <strong>und</strong> sind neueren Datums. Beide aus <strong>der</strong> Sammlung D.B.<br />

Typisches aus Bronze gegossenes Berghäckel wie es bei Bergparaden o<strong>der</strong> Umzügen <strong>der</strong> Bergleute benutzt wurde. Neben Hammer <strong>und</strong> Schlägel,<br />

den <strong>Symbole</strong>n <strong>der</strong> Bergleute, in diesem Falle in einem Zahnrad, sind auf beiden Seiten Szenen aus dem bergmännischen Leben dargestellt. Man<br />

sieht einen För<strong>der</strong>tum, ein För<strong>der</strong>band, Arbeiten im Stollen <strong>und</strong> das Schieben einer Lore. Auf <strong>der</strong> hammerartigen Seite des Häckels befindet sich<br />

eine silberne Platte mit dem Namen H. Maas <strong>und</strong> <strong>der</strong> Jahreszahl 1945. Auf <strong>der</strong> Unterseite unter dem großen Zahnrad ist ebenfalls eine<br />

Silberplatte anghebracht mit den Buchstaben Ö.A.M.G. (Vielleicht Österreichische ? Minen Gesellschaft.) Das Häckel wurde zwar in England erwor<br />

ben, aber in <strong>der</strong> englischen Sprache gibt es kein „Ö“. Die Größe des Blattes beträgt 10,5 x 9 cm. Einfacher schwarz lackierter Holzstock als „Holm“<br />

(Hackenstiel) gearbeitet. Gesamthöhe 93,5 cm. Als Abschluss nach unten befindet sich eine abgelaufene Eisenzwinge, was auf häufigen Gebrauch<br />

schließen lässt. Es handelt sich möglicherweise um ein einem verdienstvollen Bergwerksarbeiter o<strong>der</strong> angestellten überreichtes Ehrenhäckel.<br />

Gravierungen auf Häckeln sind sehr selten.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


BERGHÄCKEL WALDÄXTE HIRTENBEILE<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Berghäckel aus Bronze. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Nachguss. Das<br />

Original könnte aus dem 17. o<strong>der</strong> 18. Jahrhun<strong>der</strong>t stammen. Neben Hammer<br />

<strong>und</strong> Schlegel, also die typischen <strong>Symbole</strong> <strong>der</strong> Bergleute, sind Szenen aus <strong>der</strong><br />

Bergmannsarbeit unter Tage dargestellt. Man erkennt das Einsteigen in den<br />

Schacht, das Herausschlagen von Kohle o<strong>der</strong> Erz <strong>und</strong> das Wegfahren mit <strong>der</strong><br />

Lore. Diese Prunkhäckel aus edlem Metall entsprechen den einfachen Häckeln,<br />

die die Steiger unter Tage als Werkzeug benutzten. Die Prunkhäckel wurden,<br />

<strong>und</strong> werden noch heute, bei Festlichkeiten <strong>und</strong> Aufzügen in <strong>der</strong> Hand getragen<br />

o<strong>der</strong> als Stock benutzt. Der Schuss (Holm) ist aus hellem Holz, gebeizt <strong>und</strong> lackiert,<br />

oben viereckig <strong>und</strong> sich nach unten verjüngend <strong>und</strong> r<strong>und</strong>. Die Zwinge<br />

besteht aus gegossener Bronze. Nach oben hin ist das Häckel mit einer<br />

Bronzeplatte mit Adler verschlossen. Gesamtlänge des Berghäckels 96 cm.<br />

Griffhöhe 89 cm. Ausladung des Griffes (Beilblatt) 11 cm. Das Berghäckel<br />

kommt aus Polen. Dazu paßt auch <strong>der</strong> Adler.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

45


46<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

BERGHÄCKEL WALDÄXTE HIRTENBEILE<br />

Schwe neh rtenäxte aus ungar schen H rtenmuseen<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


BERGHÄCKEL WALDÄXTE HIRTENBEILE<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

H rtenbe e aus ungar schen Museen<br />

47


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

BISCHOFSSTAB - ABTSSTAB<br />

Ulrich Klever schreibt in seinemBuch "Stöcke" über die Bischof- o<strong>der</strong> Abtstäbe: "Als Spazierstock-Purist<br />

zähle ich sie nicht zu einer Sammlung gehörig." Wenn man eine Spazierstocksammlung haben will, ist dies<br />

sicher richtig, denn zum Spazierengehen sind sie völlig ungeeignet. Sammelt man aber Stöcke <strong>und</strong> vielleicht<br />

auch noch Stäbe , so gehören sie meiner Meinung sehr wohl dazu. Die Bischofstäbe sind ein typisches<br />

Beispiel eines <strong>Macht</strong>- <strong>und</strong> Amtssymbols. Entstanden aus den Hirtenstäben. Womit die Tätigkeit als<br />

Hirte - <strong>der</strong> christlichen Gemeinde - demonstriert werden soll. Der Bischof trägt die Krümme (Volute) nach<br />

außen. Damit soll angedeutet werden, daß er nach außen hin, zur Gemeinde hin, regiert. Der Abt trägt<br />

die Krümme nach innen. Er regiert nach innen, steht dem Kloster vor.<br />

Dies nur als Einleitung zu einer Erwerbung von Herrn Krammig, Hanau-Steinheim, die zunächst einiges<br />

Kopfzerbrechen machte. Es handelt sich um die abgebildete silberne Krücke mit dem <strong>Dr</strong>achenkopf,<br />

<strong>der</strong> zunächst an Darstellungen <strong>der</strong> Wikinger denken läßt. Ein armenischer Text, kyrillisch geschrieben,<br />

befindet sich beidseits <strong>der</strong> Krümmung. Herr Krammig hat sich um die Übersetzung des Textes bemüht.<br />

Ein ganzer Ausschuß armenischer Schriftgelehrter hat sich des in archaischer Schrift <strong>und</strong> archaischer<br />

Sprache abgefaßten Textes angenommen. Er lautet:<br />

DEM HOCHWÜRDIGEN HERRN EM RETI M.K. BISCHOF TINIRYE ZUM GUTEN DIENST VOM WANER PETROS.<br />

Gleb Rahr, <strong>der</strong> Gewährsmann von Herrn Krammig, schreibt weiter in seinem Brief zu diesem Text. “EM<br />

RETI ist scheinbar eine Ortsbezeichnung, also etwa dem Herrn von Em Reti o<strong>der</strong> aus Em Reti. M.K. dürfte<br />

die Abkürzung einer geistlichen Titulatur sein, etwa Seine Exzellenz. ZUM GUTEN DIENST müßte vielleicht<br />

sinngemäß - damit er wohlgefällig diene - o<strong>der</strong> Gott wohlgefällig diene - übersetzt werden.”<br />

“...Die Stadt Wan ist die alte Hauptstadt Armeniens. In <strong>der</strong> ersten amateurhaften Übersetzung wurde<br />

angenommen, daß es sich um einen Bischof o<strong>der</strong> Patriarchen von Wan handelt. Das ist nicht richtig. Nicht<br />

<strong>der</strong> Beschenkte, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Stifter ist ein Waner also aus Wan o<strong>der</strong> von Wan."<br />

"...Petros ist die armenische Form von Peter. Ob<br />

das nun auch ein geistlicher Herr ist, kann nicht festgestellt<br />

werden. Eine Datierung erscheint anhand<br />

des Textes unmöglich, es sei denn, es kann festgestellt<br />

werden, wann Bischof Tinirye gelebt hat." In<br />

<strong>der</strong> ersten Übersetzung war <strong>der</strong> Text so ausgelegt<br />

worden:<br />

DEM PATRIARCHEN ZU WAN VON MADRAS FÜR<br />

GUTES DIENEN.<br />

Da es aber seit über dreihun<strong>der</strong>t Jahren den Titel<br />

des Patriarchen zu Wan nicht mehr gibt- er hieß<br />

seither zu Stadt Kiliku - wurde zunächst die<br />

Krümme auf mindestens über 300 Jahre alt<br />

geschätzt. Jetzt ist wie<strong>der</strong> alles offen. Aber interessant<br />

kann es schon sein, seinen Schätzen nach zu<br />

forschen <strong>und</strong> man lernt so nebenbei auch noch<br />

Geschichte. D. B.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18. Juni 2006<br />

49


50<br />

geschrieben<br />

Dezember 1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18. Juni 2006<br />

Bischofsstab Abtsstab<br />

Oben links:<br />

Volute eines Abtsstabes aus Holz. Gesehen im<br />

Kloster MauIbronn.<br />

0ben rechts:<br />

Volute eines Bischofsstabes aus dem Verkaufskatalog<br />

<strong>der</strong> Gallerie Koller, Zürich, Oktober-<br />

November 1980.<br />

Unten links:<br />

Volute eines Bischofsstabes, gesehen auf einer<br />

Antiquitätenausstaellung in Paris, Februar 1980.<br />

Der verlangte Preis 14 000 ffr.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


E<br />

igentlich sind die kirchlichen Stäbe, zu denen auch die<br />

Bischofs stäbe <strong>und</strong> Abtsstäbe gehören, keine wirklichen<br />

Spazierstöcke, wenngleich sie sicher auch teilweise als<br />

Stütze gebraucht wurden <strong>und</strong> werden. Die<br />

Kirchengewän<strong>der</strong> sind schwer <strong>und</strong> die Würdenträger oft in<br />

höheren Jahren. In <strong>der</strong> Tat sieht man in so mancher<br />

Spazierstocksammlung auch einen sol chen Stab. Wo findet<br />

man nun so ein Stück <strong>und</strong> wie kommen sie in den Handel?<br />

Zunächst einmal sind ein Bischofs stab <strong>und</strong> ein Abtsstab vom<br />

äußerlichen Erscheinungsbild nicht zu un terscheiden.<br />

Neben dem Stab <strong>und</strong> einer Handhabe haben sie oben die<br />

Krümme, lateinisch curva. Dies stimmt zumindest seit dem<br />

13. Jahr hun<strong>der</strong>t. Diese Stäbe verleugnen nicht ihre<br />

Herkunft von den Schäferstecken. Der Bischof <strong>und</strong> auch <strong>der</strong><br />

Abt wollen ja die Hirten ihrer Gemeinde sein. Der<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Bischofsstab - Abtsstab II.<br />

von <strong>Dieter</strong> <strong>Banzhaf</strong>.<br />

geschrieben<br />

1991<br />

Bischofstab Abstab<br />

Abtsstab. Wahrscheinlich süd deutsch aus<br />

<strong>der</strong> Umgebung des Tegernsees. die Zeit<br />

ist schwer zu betimmen möglicherweise<br />

18./19. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Der eigentliche Stab ist aus ei nem schw<br />

eren dreiteiligen Silberrohr, dessen<br />

einzelne Teile auseinan<strong>der</strong> geschraubt<br />

werden können. Es folgt eine breite<br />

kugelig gebogene Silbermanschette. Der<br />

untere Anteil <strong>der</strong> ebenfalls abschraub<br />

baren Kurvatur ist aus schwerem ver<br />

goldeten Messing. Bei <strong>der</strong> Krümme selb<br />

st handelt es sich ebenfalls um einen<br />

Messingcorpus mit ver goldeten aufgeni<br />

eteten Beschlägen. Im Zentrum <strong>der</strong><br />

“curva” befindet sich Jesus als <strong>der</strong> gute<br />

Hirte mit einem Lamm auf <strong>der</strong> Schulter.<br />

Auch diese Figur ist abschraubbar <strong>und</strong><br />

feuerver goldet.<br />

Hirtenstab heißt dann mei stens “cambuta”. Der Bischofsstab<br />

wurde nun mit <strong>der</strong> Krümme nach außen offen getragen<br />

vom Träger weg <strong>und</strong> symbolisierte so die <strong>Macht</strong> nach<br />

außen, zur Gemeinde. Der Absstab wurde mit <strong>der</strong><br />

Krümme zum Träger hin offen getragen <strong>und</strong> symbolisierte<br />

die <strong>Macht</strong> nach innen, also dem Kloster. Hat man also solch<br />

einen Stab in <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> weiß nicht wer ihn getragen<br />

hat, kann man einen Bischofsstab von einem Abtsstab nicht<br />

unterscheiden.<br />

Bischofsstäbe <strong>und</strong> Absstäbe sind etwa ab dem 7.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t erwähnt <strong>und</strong> in Gebrauch. Stab <strong>und</strong> Ring wur<br />

den bei <strong>der</strong> feierlichen Einsetzung als Bischof o<strong>der</strong> Abt über<br />

reicht. Trotz dem hat <strong>der</strong> Stab wenig liturgische Bedeutung<br />

gehabt <strong>und</strong> war vorzugswei se ein Zeichen für die Jurisdik<br />

tionsgewalt <strong>und</strong> die Hirtenaufgabe über eine bestimmte<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 9. Juli 2010<br />

51


Kirche. Vorwie gend bei Prozessionen wurde <strong>der</strong> Hirtenstab<br />

getragen. Natürlich fin den wir die Stäbe auch als Insignien<br />

<strong>der</strong> <strong>Macht</strong> auf allen Abbildungen o<strong>der</strong> figürlichen<br />

Darstellungen <strong>der</strong> Äbte o<strong>der</strong> Bischöfe.<br />

Diese Stäbe sind also normalerweise nicht mit <strong>der</strong> Kirche<br />

verb<strong>und</strong>en son <strong>der</strong>n Eigentum des Bischofs o<strong>der</strong> Abtes<br />

o<strong>der</strong>, man sollte dies nicht vergessen, auch einer Äbtissin.<br />

Somit könnten sie nach dem Ausscheiden aus dem Amt<br />

weitergegeben o<strong>der</strong> auch nach dem Tode vererbt werden.<br />

Vielleicht ist bei Kriegen <strong>und</strong> den damit ver b<strong>und</strong>enen<br />

Plün<strong>der</strong>ungen auch <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Stab geraubt wor<br />

den. Sind sie erst einmal aus <strong>der</strong> Kirche o<strong>der</strong> dem Kloster<br />

heraus, so tauchen sie auch früher o<strong>der</strong> später im Anti<br />

quitätenhandel auf.<br />

W<br />

ie so oft in den ersten Jahren, als ich mich<br />

entschlossen hatte Spazier stöcke zu sammeln, schaute ich in<br />

jeden erreichbaren Antiquitätenla den hinein. Diesmal war<br />

es während eines Kurzurlaubes ein Laden in Bad Wiessee,<br />

in dem ich schon in früheren Jahren ein paar Stöcke<br />

erstanden hatte. Der Besitzer sagte mir gleich beim<br />

Eintreten, er habe nichts für mich, aber vielleicht würde mir<br />

o<strong>der</strong> meiner Frau irgend etwas an<strong>der</strong>es gefallen, wir sollten<br />

uns doch ein fach umsehen. Antiquitätenläden sind immer<br />

interessant <strong>und</strong> so gingen wir von Schrank zu Schrank <strong>und</strong><br />

zu den Vitrinen. Plötzlich stieß mich meine Frau an <strong>und</strong><br />

zeigte auf einen langen Stab <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Wand hing. Dies sei<br />

doch auch ein Stock. Nun, mich konn te das nicht so recht<br />

überzeugen, dass dieses Gebilde in meine Sammlung<br />

passte. Wir fragten den Händler woher <strong>der</strong> Stab käme. Es<br />

sei ein Abtsstab aus einem Kloster <strong>der</strong> Umgebung <strong>und</strong> sei<br />

während <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Säkularisa tion in weltlichen Besitz<br />

gekommen. Er nannte auch einen stolzen Preis, <strong>und</strong> da<br />

wußte ich genau, daß dieser Abtsstab nicht in meine<br />

Spazier stocksammlung passte. Wir gingen aus dem Laden<br />

<strong>und</strong> setzten uns in unser Auto zu einer R<strong>und</strong>fahrt um den<br />

Tegernsee.<br />

Wir waren kaum losgefahren, da kamen mir Bedenken ob<br />

ich den Stab nicht doch hätte mitnehmen sollen. Aber nein,<br />

er war für mich viel zu teuer. Aber vielleicht könnte man ein<br />

Ge schäft machen mit einem potenten Stocksammler? Bis<br />

dahin hatte ich noch keinen Bischofsstab o<strong>der</strong> Abtsstab in<br />

einer Sammlung gesehen. Nach einigen weiteren 100<br />

Metern Fahrt: "ja eigentlich hätten wir sollen". Jetzt waren<br />

wir aber schon fast um den halben See herum <strong>und</strong> es war<br />

später Samstagabend <strong>und</strong> ob <strong>der</strong> Laden noch geöffnet<br />

hatte, war unge wiss. Da sahen wir in Gm<strong>und</strong> ein<br />

Telefonhäuschen <strong>und</strong> kurz entschlos sen riefen wir den<br />

Händler in Wiessee an, er möge uns das Stück bis zum<br />

Sonntagmorgen zurücklegen, wir woll ten uns den Kauf<br />

noch einmal in Ruhe in den nächsten St<strong>und</strong>en überlegen.<br />

Damals gab es noch Leute die sonntags arbeiteten <strong>und</strong> wir<br />

wussten, unser Händler gehörte dazu.<br />

Na, den Schluss <strong>der</strong> Geschichte können Sie sich denken. Ich<br />

kaufte den Abtsstab am Sonntagmorgen mit dem festen<br />

52<br />

Bischofsstab Abtsstab<br />

geschrieben<br />

1991<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 9. Juli 2010<br />

Vorsatz ihn mit Gewinn weiter zu verkaufen. Aber vom<br />

Tegernsee bis nach Heilbronn fährt man doch einige<br />

St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bis ich zu Hause war hatte ich das Gefühl, so<br />

schlecht passt ein solches Stück doch nicht in eine<br />

Spazierstocksammlung.<br />

Zumindest einen Sammler von Spazier stöcken kenne ich,<br />

<strong>der</strong> war von mei nem Abtsstab so fasziniert, dass er nicht<br />

ruhte bis er selbst circa ein halbes Dutzend Bischofs <strong>und</strong><br />

Abts stäbe hatte. In <strong>der</strong> Zwischenzeit habe ich in einigen<br />

Sammlungen solche Stäbe gesehen <strong>und</strong> man bekommt sie<br />

auch hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> auf Antiquitä tenmessen angeboten.<br />

LITERATUR:<br />

SALMON, PIERRE, Mitra <strong>und</strong> Stab, Die Pontifikalinsignien im römischen<br />

Ritus. Mathias Grünewald Verlag. Mainz 1960.<br />

Mittelteil <strong>der</strong> Kurvatur. Man er kennt deutlich, dass die Figur<br />

des HERRN mit dem Lamm auf dem Rücken separat gefer<br />

tigt <strong>und</strong> aufgeschraubt ist. Die Mittelfigur besteht aus<br />

feuervergoldetem Messing. Es ist eine relativ grobe Arbeit.<br />

Nachtrag:<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit weiß ich, dass es sicher nicht (immer)<br />

stimmt, dass <strong>der</strong> Bischof die Krümme von ihm abgewandt<br />

offen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abt die Krümme ihm zugewandt offen trägt.<br />

Zahlreiche Abbildungen, Grabplatten <strong>und</strong> Figuren sprechen<br />

eine an<strong>der</strong>e Sprache.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Botenstäbe<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Aus meinem Artikel über Stöcke in Finnland, <strong>der</strong> in DER STOCK<br />

SAMMLER Nr. 3, 1980, erschienen ist, zitiere ich zunächst die<br />

Einlei tung ..”Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.<br />

So steht's in »Urians Reise um die Welt von Claudius« <strong>und</strong> wurde<br />

zum geflügelten Wort erhoben. Auch ein Stocksammler kann von<br />

seinen Reisen erzählen, natürlich von Stöcken, wenn er seine Augen auf<br />

macht. Gerade über den Weg laufen sie einem nicht.”<br />

Dies gilt auch heute noch. Bei einem kurzen Abstecher in den<br />

Bayerischen Wald besuchte ich im Nationalpark das<br />

Freigehege <strong>und</strong> das dazugehörige Hans Eisenmann Haus.<br />

Hier fand ich in einem Schaukasten in einer Ecke versteckt<br />

einen Botenstab aus St. Oswald im Bayerischen Wald.<br />

Lassen Sie mich aber zu nächst noch einmal aus obigem<br />

Artikel zitieren.<br />

“Es seien noch die Botenstäbe erwähnt, weil ich zwei<br />

davon in Helsinki neben den Stäben <strong>der</strong> Dorfältesten fand.<br />

Sie sind beide deutlich kürzer als die Gehstöcke. Es handelt<br />

sich also um reine Symbolstöcke. Der eine keu lenförmig<br />

gedrechselt mit eingeritzten Zei chen, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nur mit<br />

schön gedrechsel tem Griff, sonst aus einem knorrigen,<br />

dicken Koniferenstamm bestehend. Botenstäbe dienten<br />

zwei Aufgaben. Um diese Aufgaben zu verstehen muss<br />

man wissen , dass die ein zelnen Anwesen früher oft weit<br />

auseinan<strong>der</strong> lagen <strong>und</strong> Rückfragen nicht so leicht möglich<br />

waren. Erstens diente <strong>der</strong> Botenstab als Aus weis, dass <strong>der</strong><br />

Bote sozusagen als Amtsperson kam. Zweitens wurden<br />

Botenstäbe aber auch als Kontrollmittel benutzt, wenn<br />

durch eine Botschaft zum Beispiel alle Dorfmitglie<strong>der</strong> zu<br />

einer Versammlung einberufen werden soll ten. Der Stab<br />

ging dann mit <strong>der</strong> Botschaft einen genau vorgeschriebenen<br />

Weg von ei nem zum an<strong>der</strong>en, bis er wie<strong>der</strong> beim Aus<br />

gangspunkt dem Dorfältesten zurückgegeben wurde.<br />

Dieser wusste jetzt, daß je<strong>der</strong> benachrichtigt wurde.”<br />

Der jetzt im Bayrischen Wald von mir ent deckte<br />

Botenstab hat ebenfalls eine skurrile <strong>und</strong> damit einmalige<br />

Form. Er unterscheidet sich aber von den oben<br />

beschriebenen finni schen Botenstäben insofern, dass die<br />

Bot schaft in schriftlich fixierter Form in den “Griff”<br />

eingeschoben wurde. Dies setzt aller dings voraus, dass<br />

<strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Empfänger des Lesens mächtig waren. Ich<br />

habe das Wort Griff in Anführungsstriche gesetzt, da <strong>der</strong><br />

Stock zum Gebrauch als Stütze deutlich zu kurz ist. Die<br />

Gesamtlänge dürfte so um 50 cm sein. Es besteht natür<br />

lich die Möglichkeit, dass unten ein Stück abgebrochen<br />

ist. Wahr scheinlicher aber ist, auch im Vergleich mit den<br />

finnischen Botenstäben, dass <strong>der</strong> Stock nie länger war<br />

<strong>und</strong> eben nur als “Ausweis” für die Richtigkeit <strong>der</strong><br />

Botschaft diente. Der Stab ist in seinem oberen Anteil<br />

deutlich dicker als in seinem unteren. Dies läßt vermuten,<br />

dass man ihn ganz bewusst gezüchtet hat, indem man<br />

den untersten Zweig eines Schössßlings zur Schlinge bog,<br />

ihn fixierte, <strong>und</strong> den Schössling noch ein bis zwei Jahre<br />

weiter wachsen ließ.<br />

geschrieben<br />

1996<br />

Stockbibliothek Nr. S.1.2.6.1. 005<br />

2 Botenstäbe aus Finnland, die ich<br />

1980 in Helsinki im Museum fotogra<br />

fiert habe<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am am 5. September 2010<br />

53


Zum Einschieben <strong>der</strong> Botschaft wurde <strong>der</strong><br />

überstehende Anteil gespalten.<br />

Mit dem Stab wurde also auch die Autorität<br />

weitergegeben <strong>und</strong> auch die Verpflichtung<br />

ihn weiterzureichen. Er durfte nicht liegen<br />

bleiben. Noch heute kennt man den Ausdruck<br />

den Stab (an seinen Nachfolger Erben ) weiter<br />

reichen, weitergeben o<strong>der</strong> übergeben. Ich meine<br />

auch, dass <strong>der</strong> Stafetten o<strong>der</strong> Staffel lauf o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stablauf mit<br />

dem alten Boten stab zusammenhängt. Der Stab muss richtig<br />

übergeben <strong>und</strong> ins Ziel gebracht werden.<br />

54<br />

Botenstäbe<br />

geschrieben<br />

1996<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 5. September 2010<br />

Literatur:<br />

BANZHAF, DIETER: Finnlandreise o<strong>der</strong> von<br />

Runen <strong>und</strong> Botenstäben <strong>und</strong> Birkenrindenstök<br />

ken, DER STOCKSAMMLER Nr. 3, 1980.<br />

Ausführliche Untersuchungen über Ältesten<br />

stabe, Botenstäbe etc. in: KARL von AMIRA,<br />

Der Stab in <strong>der</strong> germanischen Rechtssymbolik.<br />

Abhandlun gen <strong>der</strong> Königlich Bayerischen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften Philosophisch<br />

philologische <strong>und</strong> historische Klasse XXV. Band,<br />

1. Abhandlung, München 1909.<br />

RITZ, J. M.: Jahrbuch des Bayerischen<br />

Landesvereins für Heimatschutz. München<br />

1937.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


E igentlich hatte ich geglaubt, dass das<br />

Stockmacherhand werk vor circa 10 Jahren mit<br />

Herrn Egle, dem letzten Stockmachermeister in<br />

Deutschland, <strong>der</strong> in Kaufbeuren lebte, ausgestorben sei. Bei<br />

meinem Besuch in Lindewerra wurde ich eines besseren<br />

belehrt. Dort stehen nicht nur alte Maschinen im<br />

Stockmuseum, son<strong>der</strong>n sie werden durchaus auch<br />

noch in den einzelnen Kleinwerkstätten benutzt.<br />

Wenn ich in diesem Zusammenhang vom<br />

Stockmacher handwerk rede, so meine ich die<br />

Herstellung eines Spazier stockes aus einem<br />

Schössling o<strong>der</strong> einem Ast. Die Schüsse für die wert<br />

vollen Stöcke mit Elfenbein , Silber o<strong>der</strong> Goldknauf<br />

wurden entwe<strong>der</strong> aus exotischen Rohren wie<br />

Malakka herge stellt o<strong>der</strong> aus massivem mehr o<strong>der</strong><br />

weniger edlem Holz gedrechselt.<br />

Lindewerra war nie ein reiches Dorf gewesen. Die<br />

Bewohner lebten vorwie gend von <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft. Daneben gab es kleine<br />

Bauernwäl<strong>der</strong>, meistens “Eichenschälwäl<strong>der</strong>”.<br />

Sobald die Bäu me eine gewisse Stärke erreicht hat<br />

ten, wurden sie im Mai, zur Zeit <strong>der</strong> stärksten<br />

Saftbildung geschlagen <strong>und</strong> geschält. Die Eichenrinde<br />

wurde zu Lohe verarbeitet, die man zum Gerben<br />

von Le<strong>der</strong> benutzte. Die stehengebliebenen<br />

Stumpen schlugen wie<strong>der</strong> aus, <strong>und</strong> diese Schößlinge<br />

konnten nach einigen Jahren zu Spazierstöcken ver<br />

arbeitet werden. Entwe<strong>der</strong> schnitt man die<br />

Schösslinge, wenn sie im unteren Anteil einen<br />

Durchmesser von 2 bis 2,5 cm erreicht hatten ab<br />

o<strong>der</strong> man schlug sie mit <strong>der</strong> stumpfen Seite <strong>der</strong> Axt<br />

zusammen mit einem breiten Stück Holz aus dem<br />

Stubben (Stumpf). Aus diesem Teil ließ sich dann<br />

später <strong>der</strong> Griff herausarbeiten. Aber auch das um<br />

die Stämme wuchernde wilde Holz ließ sich gut für<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Stöcke verarbeiten. Die Eichenschösslinge, die auf <strong>der</strong><br />

Südseite <strong>der</strong> Hänge wuchsen, ließen sich frühestens nach<br />

vier Jahren schlagen, die auf <strong>der</strong> Nordseite wach senden erst<br />

nach neun bis zehn Jahren. Durch das langsamere<br />

Wachstum bekam das Material eine außerordentliche<br />

Festigkeit.<br />

Waren es zunächst vorwiegend Eichen schösslinge, aus<br />

denen in Lindewerra Spazierstöcke hergestellt wurden, so<br />

sind später vom Balkan einfache o<strong>der</strong> auch gezwickte<br />

Kastanienschösslinge (letztere mit dem Handelsnamen<br />

Kongo) <strong>und</strong> in kleinerer Zahl auch an<strong>der</strong>e ein heimische<br />

Hölzer, wie zum Beispiel Ahorn <strong>und</strong> Eschenholz, dazuge<br />

kommen.<br />

Beim Einkauf kostete 1935 Kastanie 32 bis 38 Rpf<br />

(Reichspfennig) das Stück. Eiche 50 bis 60 Rpf <strong>und</strong> ein schon<br />

vorgearbeiteter Weichselstock l,00 1,50 RM (Reichsmark).<br />

Zunächst müssen die Schösslinge trock nen. Dies dauert<br />

ungefähr ein viertel bis ein halbes Jahr. Aber sie sollen auch<br />

nicht zu sehr ausgetrocknet sein, da das Holz sonst gewisse<br />

Verän<strong>der</strong>ungen erfährt <strong>und</strong> durch das Dämpfen nicht genü<br />

gend aufgeschlossen werden kann.<br />

Sogenannter Dämpfer zum Weichmachen <strong>der</strong> Stöcke.<br />

geschrieben<br />

1991<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18.08.2010<br />

55


56<br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

Im oberen Bild sieht man den Biegevorgang mit dem “Planchet”.<br />

Unten erkennt man die Planchetrolle, um die <strong>der</strong> Stock, gebogen wird.<br />

geschrieben<br />

1991<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18.08.2010<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

Der “Bachofern”<br />

Wenn man einen Holzstab biegt, bricht<br />

er früher o<strong>der</strong> später an <strong>der</strong><br />

Außenkante. Dies hängt damit zusam<br />

men, dass sich die an <strong>der</strong> Außenkante<br />

befindenden Längsfasern des Holzes<br />

nicht dehnen lassen <strong>und</strong> zerreißen. Will<br />

man also Holz biegen, muss man die an<br />

<strong>der</strong> Innenseite des Bogens liegenden<br />

Holzfasern einstau chen. Um nun die<br />

Stöcke im Bereich des R<strong>und</strong>hakens stau<br />

chen zu können, muss man sie durch<br />

Dampf von etwa 105 bis 115 Grad<br />

Celsius erweichen. Ein höhe rer<br />

Dampfdruck ist dazu nicht erfor <strong>der</strong>lich,<br />

eine 1/2 Atm. Überdruck reicht dazu<br />

völlig aus. Bei 140 Grad Hitze verfärbt<br />

sich schon das Holz.<br />

Im Museum steht ein solcher einfach ster<br />

Dämpfer. Ein Wasserkessel wird mit<br />

dem Abfallholz befeuert. Die zu dämp<br />

fenden Stöcke liegen auf einem Rost.<br />

Der Kessel fasst 30 40 Stöcke. Das<br />

Teil, das zum R<strong>und</strong>haken gebogen wer<br />

geschrieben<br />

1991<br />

den soll, liegt hinten. Die Dauer des<br />

Dämpfens ist Erfahrungssache <strong>und</strong> hängt<br />

auch von <strong>der</strong> Holzart <strong>und</strong> <strong>der</strong> Dicke des<br />

Holzes ab. Es werden so Zeiten um 10<br />

Minuten angegeben.<br />

Biegewerkzeug ist das “Planchet”.Es han<br />

delt sich dabei um ein 70 cm lan ges<br />

Stahlband, das an einem 50 bis 65 cm lan<br />

gen Holzgriff befestigt ist. Wichtig ist <strong>der</strong><br />

Winkel am Ende des Stahlbandes als<br />

Anschlag für den zu biegenden Stock,<br />

damit er nicht ausweichen kann. Auf <strong>der</strong><br />

Innenseite des Stahlbandes liegt ein Papp<br />

o<strong>der</strong> Schmirgelstreifen, <strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>n<br />

soll, dass durch den <strong>Dr</strong>uck des Stahl bandes<br />

<strong>der</strong> Stock schwarze Flecken bekommt.<br />

Zum Biegen wird <strong>der</strong> Stock in einen<br />

Schraubstockgespannt. Der Griff wird<br />

dann über <strong>der</strong> “Planchetrolle” gebogen.<br />

Eine aufgesetzte Eisenklam mer, <strong>der</strong><br />

“Planchethaken”, verhin<strong>der</strong>t das<br />

Zurückspringen des Stockes. Jetzt wird <strong>der</strong><br />

Stock aus dem Schraubstock genommen<br />

<strong>und</strong> nach einer halben St<strong>und</strong>e ist er soweit<br />

erkaltet <strong>und</strong> fixiert, dass Klammer <strong>und</strong><br />

Planchet abgenommen <strong>und</strong> durch einen<br />

Bindfaden ersetzt werden kann. Machmal<br />

erkennt man an so gebogenen R<strong>und</strong>haken<br />

an <strong>der</strong> Unterseite die durch das<br />

Einstauchen enstandenen Runzeln.<br />

Der Biegegiebel mit den Biegepflöcken<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18.08.2010<br />

57


Der “Backofen” gehört auch in die Stockmacherwerk statt.<br />

Er dient zum endgültigen Austrocknen <strong>der</strong> Stöcke. Er ist<br />

aber auch wich tig zum Erwärmen des Holzes, damit die<br />

Schüsse nach dem Biegen des R<strong>und</strong>ha kens am Biegegie -<br />

bel, zwischen den Biegepflöcken gera de gerichtet werden<br />

können. In <strong>der</strong> Ab bildung ist <strong>der</strong> Vorgang deutlich zu erken<br />

nen. Der Ar beitsgang des Trock nens im Backofen <strong>und</strong><br />

Geradebiegens am<br />

Biegegiebel wird mehr<br />

mals wie<strong>der</strong>holt bis <strong>der</strong><br />

Stock wirklich trocken<br />

<strong>und</strong> garade <strong>und</strong> formsta<br />

bil ist. Jetzt kann auch die<br />

Schlinge am Griff ent<br />

fernt werden.<br />

Nun braucht man die<br />

nächste Maschine. Mit<br />

einer kleinen Kreissäge<br />

werden die Stöcke auf<br />

die richtige Länge<br />

gebracht <strong>und</strong> das über<br />

schüssige Holz am<br />

R<strong>und</strong>haken entfernt. Mit<br />

<strong>der</strong> Kreis raspel werden<br />

die Äste entfernt <strong>und</strong><br />

anschließend mit <strong>der</strong><br />

Schmirgelscheibe die<br />

Astansätze geglättet. Am<br />

58<br />

Kreissäge mit Holzfräse als Kombiwerkzeug<br />

geschrieben<br />

1991<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18.08.2010<br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

Anfang <strong>der</strong><br />

Stockmacherei<br />

musste dies alles<br />

mit dem kurzen<br />

Schnitzmesser,<br />

<strong>der</strong> Handraspel<br />

<strong>und</strong> Schmirgel<br />

leinen gemacht<br />

werden. Eine<br />

Arbeit die oft die<br />

Frauen <strong>und</strong> Kin<br />

<strong>der</strong> dem Stock<br />

macher abnah<br />

men.<br />

Als nächstes<br />

müssen noch<br />

die Bruch stellen<br />

die beim Biegen<br />

des Hakens<br />

o<strong>der</strong> Gera<br />

<strong>der</strong>ichtens des<br />

Schusses ent<br />

standen sind<br />

geleimt werden.<br />

Mit dem Pinsel<br />

wird Le<strong>der</strong>leim<br />

unter die Bruch<br />

stellen gestri<br />

chen <strong>und</strong> das ganze mit Schnur umwickelt. Nach ca. 12<br />

St<strong>und</strong>en kann diese Bandage entfernt <strong>und</strong> die Bruchstelle<br />

mit Schmirgel ge glättet werden. Die Risse im Holz werden<br />

aus einer Mischung von Leim, Holzmehl <strong>und</strong> Weizenmehl<br />

gefüllt<br />

Maschine mit Kreisraspel auf die auch eine Schleifscheibe gespannt werden kann<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Das Stockmacherhandwerk<br />

Je nach Wunsch des Auftraggebers werden die Stöcke nun<br />

geschliffen, gebeizt <strong>und</strong> lackiert. Zum Beizen wurden ver<br />

schiedene Konzentrationen von doppelchromsaurem Kali<br />

<strong>und</strong> Pyrogallussäure verwandt. Lackiert wurde mit<br />

Spirituslack <strong>und</strong> anschließend mit Schellackpolitur mattiert.<br />

Mit einer Holzfräse werden die Schüs se anschließend unten<br />

konisch gefräst <strong>und</strong> die Zwingen aufgeschlagen. Diese<br />

Zwingen wurden früher ebenfalls in Heimarbeit hergestellt,<br />

später aber dann aus Lüdenscheid, Solingen o<strong>der</strong><br />

Schmalkalden bezogen.<br />

Es steckt also sehr viel Arbeit in <strong>der</strong> Herstellung eines sol<br />

chen '”einfa chen” Gebrauchsstockes. Wenn man dies weiß,<br />

sieht man ihn vielleicht mit ganz an<strong>der</strong>en Augen an. 4 bis 5<br />

Tage sind für die Herstellung eines Stockes erfor<strong>der</strong>lich <strong>und</strong><br />

er muß ungefähr 40 mal in die Hand genommen werden<br />

bis er fertig ist. Das Arbeitspensum eines geschickten<br />

Stockmachers be trug pro Woche etwa 20 bis 25 Dutzend<br />

Stöcke.<br />

Der Originalität wegen möchte ich im Original wie<strong>der</strong>ge<br />

ben, was Kurt Pieper <strong>und</strong> Adolf Ruhe über den Absatz <strong>der</strong><br />

Spazier stöcke in Lindewerra 1935 schrieben:<br />

“In den letzten Vorkriegsjahren verließen r<strong>und</strong> 150 000<br />

Stück Fertigwaren Lindewerra. Dagegen stieg <strong>der</strong> Absatz in<br />

Dieser “Einkaufsstock”, ein sogenannter Marktroller, hängt im Museum an <strong>der</strong><br />

Wand. Man konnte sein Gepäck an einen Haken hängen.<br />

<strong>der</strong> Nachkriegszeit gewaltig; in den Jahren um 1928 bezif<br />

ferte sich <strong>der</strong> Umsatz auf 300000 bis 500000 Stöcke <strong>und</strong><br />

mehr, während sich heute die Zahl wie<strong>der</strong> dem Stand <strong>der</strong><br />

Vor kriegszeit nähert. Sicherlich lassen sich zum Teil die<br />

hohen Absatzziffern um das Jahr 1928 auf die<br />

Notwendigkeit des poli tischen Tageskampfes zurückfüh<br />

ren.”<br />

Wir sind doch zweifellos ein friedfertiges Volk geworden,<br />

wenn bei uns die Stöcke wirklich nur noch zum Wan<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> als Stütze im Alter be nutzt werden.<br />

Literatur:<br />

geschrieben<br />

1991<br />

Verschiedene Formen von Zwingen,<br />

teils mit Gummi- o<strong>der</strong> Eisenabsatz<br />

KURT PIEPER <strong>und</strong> ADOLF RUHE. Die Stockmacherel als Hausgewerbe im Werra<br />

-Leine-Gebiet. Schriftenreihe des Hochschulkreises Nie<strong>der</strong>sachsen, Göt tingen 1935.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 18.08.2010<br />

59


Stockhändler


E<br />

ines Tages erwarb ich einen einfachen Spazier<br />

stock mit einem eiser nen Knauf. Und genau wegen dieses<br />

eisernen Knaufes habe ich ihn erworben, da ich bis dahin<br />

noch keinen solchen hatte.<br />

Dargestellt ist ein fröhlich<br />

lachen<strong>der</strong> Mann in mittle<br />

ren Jahren, dem man die<br />

Lebensfreude ansieht.<br />

Verschmitzt sehen einen<br />

zwei Augen unter einer<br />

r<strong>und</strong>en Kappe an. Tiefe<br />

Lachfalten in den Augen<br />

<strong>und</strong> M<strong>und</strong>winkeln. Die<br />

Nase ist etwas lang, das Kinn<br />

spitz, stören aber nicht den<br />

sympathischen Gesamtein<br />

druck.<br />

In einer Stocksammlung in<br />

Hanau Steinheim sah ich<br />

einen weiteren Stock mit<br />

demselben Motiv, nur <strong>der</strong><br />

Knauf war aus Bronze. Au<br />

ßerdem besaß <strong>der</strong> Sammler<br />

auch noch die Gussform. Er<br />

erzählte mir vor Jahren, es<br />

solle sich um den Lach hannes<br />

handeln, ein Frankfurter Ori<br />

ginal.<br />

Ich hatte das alles wie<strong>der</strong> ver<br />

gessen, als mir beim Stöbern<br />

in alten Zeitschriften eine<br />

Randbemerkung auffiel. In<br />

den Mannheimer Geschichts<br />

blättern vom September<br />

1912 fand ich unter <strong>der</strong> Ru<br />

brik Neuer werbungen <strong>und</strong><br />

Schenkungen folgenden Ver<br />

merk: „Spazierstock aus<br />

spani schem Rohr. Als Griff<br />

knopf lachen<strong>der</strong> Männerkopf<br />

aus Eisenguss, an dem eine<br />

lange schmale Dolchklinge<br />

befestigt ist; diese ist graviert<br />

<strong>und</strong> trägt die Inschrift: Du<br />

sollst nicht töten. Ca. 1800.<br />

Lg.93cm. (Aus dem Nachlaß<br />

von Prof. <strong>Dr</strong>. Claasen, ge<br />

schenkt von Frl. Claasen)“.<br />

Da war er wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> la<br />

chende Männerkopf <strong>und</strong> wie<br />

<strong>der</strong> im Großraum Frankfurt.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Der Lachhannes<br />

Der Lachhannes<br />

War es <strong>der</strong> Frankfurter Lachhannes? Und wer war <strong>der</strong> Lach<br />

hannes? Und wann hatte er gelebt? Und warum wurde er<br />

auf einem Stock verewigt? Langsam begann mich dieser<br />

Lachhannes zu interessieren.<br />

Ich schrieb also zunächst einmal an das Archiv <strong>der</strong> Stadt<br />

Frankfurt, wer denn <strong>der</strong> Lachhannes eigentlich gewesen sei.<br />

Ich bekam eine über raschende Antwort: Ein Brunnendenk<br />

mal <strong>und</strong> keine bekannte historische Person. Weitere Nach<br />

fragen ergaben, dass es diesen Brunnen noch gibt <strong>und</strong> dass<br />

er nach dem letzten Krieg an<br />

ähnlicher Stelle wie früher, in<br />

den Taunusanlagen aufge<br />

stellt sei.<br />

geschrieben<br />

1990<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 26. Januar 20011<br />

Es gibt einen kleinen Artikel<br />

Autor unbekannt aus<br />

dem Jahre 1911 in <strong>der</strong><br />

SBB Zeitung über: DER<br />

WINZERBRUNNEN am<br />

Goldfischweiher in <strong>der</strong> Tau<br />

nusanlage zu Frankfurt a.M.<br />

Hier erfährt man, dass <strong>der</strong><br />

Frank furter Bildhauer Profes<br />

sor Zwerger im Jahre 1859<br />

diesen Brunnen geschaffen<br />

hat, <strong>der</strong> im Volksm<strong>und</strong> „Lach<br />

hannes“ genannt wird. Auf<br />

dem Brunnensockel stehe die<br />

mit Weinlaub bekränzte Büste<br />

eines Man nes, von dem man<br />

nicht genau wisse, ob es sich<br />

um einen Winzer o<strong>der</strong> nur<br />

um die Darstellung eines<br />

Verehrers des edlen Reben<br />

saftes handele.<br />

Beschreibungen regen zwar<br />

die Fantasie an, aber besser<br />

ist es schon, wenn man eine<br />

solche Figur selber gesehen<br />

hat, um einen eigenen Ein<br />

druck zu bekommen. Also<br />

fuhr ich eines Sonntags mit<br />

Fotoapparat bewaffnet nach<br />

Frankfurt, suchte die Taunus<br />

anlagen <strong>und</strong> stand dann am<br />

Brunnen. Zwei Dinge fielen<br />

mir sofort auf. Der Stock<br />

Lachhannes hat eine randlose<br />

Kappe auf, <strong>der</strong> Brunnen<br />

Lachhannes einen kugeligen<br />

Hut mit r<strong>und</strong>um aufgeworfe<br />

ner Krempe. Letzterem<br />

schauen auch noch ein Bü<br />

schel gelockter Haare links<br />

<strong>und</strong> rechts vor den Ohren<br />

unter dem Hut hervor. Auch<br />

sind die ganzen Gesichtszüge<br />

r<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> weicher. Und<br />

61


<strong>der</strong> zweite spontane Eindruck war: Dies könnte ein typi scher<br />

knitzer Wengerter (Weingärtner) aus dem Schwarzwald sein.<br />

Wie kommt <strong>der</strong> nach Hessen?<br />

Nun ich habe zuerst einmal fotografiert <strong>und</strong>, nachdem ich<br />

die Bil<strong>der</strong> vor mir liegen hatte, dem Brunnen Lachhannes mit<br />

<strong>der</strong> Schere die Krempe vom Hut <strong>und</strong> das Weinlaub vom<br />

Hals geschnitten <strong>und</strong> siehe da, <strong>der</strong> Unterschied zum Stock<br />

Lachhannes war nicht mehr so groß. Unter schiede blieben.<br />

Der Stock Lachhannes ist also sicher keine Kopie <strong>der</strong> Brun<br />

nenfigur von Prof. Zwerger, aber wohl eine gelungene Nach<br />

schöpfung. Auch umgekehrt wär’s möglich <strong>und</strong> die<br />

Brunnenfigur ist eine Nachschöpfung, wenn die Angaben in<br />

den Mannheimer Geschichtsblättern stimmen, dass <strong>der</strong> dort<br />

erwähnte Stock mit lachendem Männer kopf von circa 1800<br />

sei. Solche circa Zahlenangaben sind aber immer fraglich.<br />

Johann Nepomuk Zwerger, <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Brunnenfigur,<br />

wurde am 28. April 1796 in Donaueschingen, also im südli<br />

chen Schwarzwald, geboren. Zuerst arbeitete er als Schüler<br />

des Bildhauers Dannecker in Stutt gart, bevor er sich nach<br />

Rom begab <strong>und</strong> seit 1829 in Frankfurt a.M. als Lehrer <strong>der</strong><br />

Bildhauerkunst <strong>und</strong> Professor am Städelschen Kunstin stitut<br />

arbeitete. Nach seiner Pensionierung siedelte er 1866 wie<br />

<strong>der</strong> ins Schwabenland nach Cannstatt über. Die Idee, dass<br />

das Vorbild des schelmischen Brunnen Lachhannes ein ver<br />

schmitzter Schwarzwäl<strong>der</strong> Weinbauer war, ist also aus <strong>der</strong><br />

Lebensgesschichte ihres Schöpfers nicht so abwegig.<br />

Auf <strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong> Büste <strong>und</strong> auf einer Steintafel am So<br />

ckel es handelt sich hier nicht um das Original steht fol<br />

gen<strong>der</strong> Spruch:<br />

62<br />

Der Lachhannes<br />

geschrieben<br />

1990<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 26. Januar 2011<br />

Dieser Spruch stammt vom langjährigen Leiter des Frankfur<br />

ter Irren hauses <strong>Dr</strong>. Heinrich Hoffmann, besser bekannt als<br />

<strong>der</strong> Verfasser des „Struwwelpeter“.<br />

Der Brunnen soll früher vorzügliches Trinkwasser gehabt<br />

haben <strong>und</strong> viele angesehene Frankfurter Bürger sollen ihn all<br />

morgendlich aufgesucht haben, um sich an dem frischen<br />

Trunke zu erquicken.<br />

Der Stock aus dem Mannheimer Reiss Museum ist in den<br />

Wirren des letzten Krieges verloren gegangen. Auch ein Bild<br />

davon ist nicht vorhanden. Es lässt sich also nicht mit Sicher<br />

heit sagen, wie <strong>der</strong> Stockknauf nun wirklich ausgesehen hat.<br />

Die Museumsleitung wies auch darauf hin, dass die Jahres<br />

angaben nicht immer zuverlässig seien.<br />

Ein dem meinen sehr ähnlichen Spazierstockgriff fand ich in<br />

einer Baseler Sammlung. Es handelte sich um einen silbernen<br />

Knauf, <strong>der</strong> eine Punzen von Augsburg um 1880 hat. Siehe<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


ei nebenstehendem Bild die Traube. Der Schwan ist ein französischer Einfuhr<br />

stempel von 1893. Der Stock wurde also wohl von Augsburg nach Frankreich<br />

ausgeführt. Gekauft wurde er von dem Baseler Stockbesitzer in Lausanne. Eine<br />

am Stock noch vorhandene Silbermanschette ist wohl neueren Datums <strong>und</strong> mit<br />

„800“ gestempelt.<br />

Der Lachhannes auf dem Brunnen wäre also älter als dieser Stockgriff <strong>und</strong><br />

könnte durchaus als Vorlage gedient haben.<br />

Es ist in <strong>der</strong> Hanauer Stocksammlung auch eine Gussform des Kopfes gewesen<br />

<strong>und</strong> ein Stock mit einem bronzenen Stockgriff. Zeitlich sind diese beiden Stücke<br />

nicht genau einzuordnen.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Gussform für einen Stockgriff<br />

geschrieben<br />

1990<br />

Der Lachhannes<br />

Silberner Stockgriff aus einer Baseler Sammlung<br />

mit Augsburger Punze von 1880<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 26. Januar 2011<br />

63


In einer Münchener Stocksammlung befindet sich, o<strong>der</strong> zu<br />

mindest befand sich, ein Stockgriff aus Zinn, <strong>der</strong> dem Lach<br />

hannes <strong>der</strong> Brunnenfigur mit dem r<strong>und</strong>en Hütchen direkt<br />

nachempf<strong>und</strong>en ist.<br />

In <strong>der</strong> Hanauer Sammlung gab es einst auch einen Lachhan<br />

nes mit r<strong>und</strong>em Hut <strong>und</strong> einem Kragen aus Trauben, <strong>der</strong> aus<br />

Holz geschnitzt war.<br />

Sehen Sie, dies ist für mich immer wie<strong>der</strong> faszinierend, was<br />

man durch ein Hobby wie das Spazierstocksammeln erfahren<br />

kann. Das Wort erfahren im doppelten deutschen Sinn, denn<br />

ich lege auch so manchen Kilometer auf <strong>der</strong> Landstraße zu<br />

64<br />

Der Lachhannes<br />

Stockgriff des Lachhannes aus Bronze Stockgriff aus Zinn<br />

Dieser Stockgriff des Frankfurter Lachhannes ist aus Holz geschnitzt<br />

geschrieben<br />

1990<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 26. Januar 2011<br />

rück, um zu meinen Bil<strong>der</strong>n zu kommen. Man lernt so ne<br />

benbei auch noch Land <strong>und</strong> Leute kennen <strong>und</strong> manchen<br />

guten Tropfen Wein. Da halte ich es wie <strong>der</strong> Lachhannes.<br />

Ich werde mir noch überlegen, ob ich den Stock nicht zu<br />

meinem Lieblingsstock mache.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


D<br />

R.<br />

D<br />

I<br />

E<br />

T<br />

E<br />

R<br />

W.<br />

B<br />

A<br />

N<br />

Z<br />

H<br />

A<br />

F<br />

Der Meister <strong>und</strong> sein Werk<br />

Diesen Stock, <strong>der</strong> aus dem schwäbischen Oberland<br />

stammt, habe ich den<br />

Taubenstock genannt. Von<br />

den 26 dargestellten Tieren<br />

auf dem Stock ist nur eins eine<br />

Taube, aber sie ist die größte <strong>und</strong><br />

sitzt obenauf. Der Schnitzer hat sich<br />

selbst zweimal dargestellt. Ich habe<br />

ihn auch erst einige Tage nachdem ich<br />

den Stock erworben habe in einer klei<br />

nen Tierherde entdeckt. Auch die zwei<br />

te Selbstdarstellung entdeckte ich erst<br />

beim Fotografieren <strong>der</strong> einzelnen<br />

Tiere. Ganz unten am Stock hat er sich<br />

noch einmal zwischen seinen Tieren<br />

dargestellt <strong>und</strong> um das Erkennen zu<br />

erschweren, hat er sich noch ein Paar<br />

Hörner aufgesetzt. So glaubte ich zu<br />

nächst.<br />

Aber vielleicht sollte ich erst <strong>der</strong> Reihe<br />

nach den Stock beschreiben. Ganz<br />

oben sitzt also ein Vogel, den ich als<br />

Taube identifiziert habe. Die ganze<br />

Haltung, die Flügel <strong>und</strong> die Schwanz<br />

partie sprechen dafür. Die Taube<br />

ist <strong>der</strong> eigentliche Griff des<br />

Stockes. Die Form liegt<br />

sehr gut in <strong>der</strong> Hand.<br />

Die Schwanzpartie, auf <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> meiste <strong>Dr</strong>uck liegt ist<br />

mindestens einmal, wenn nicht<br />

mehrmals, abgebrochen, denn sie<br />

ist mit drei Schrauben fixiert. Sie sind<br />

aber sehr geschickt angebracht, so<br />

dass es kaum auffällt.<br />

geschrieben 2006<br />

65


Unterhalb des Griffes sind in 9<br />

Segmenten die Tiere dargestellt.<br />

Im ersten<br />

Segment<br />

erkennt man<br />

eine Schlan<br />

ge <strong>und</strong> eine Katze.<br />

Die Katze liegt flach auf<br />

dem Bauch <strong>und</strong> hat die<br />

Vor<strong>der</strong>pfoten ausgestreckt.<br />

Bei <strong>der</strong> Schlange ist <strong>der</strong> Kopf<br />

auffällig. Er erinnert an den<br />

Kopf eines Fuchses. O<strong>der</strong><br />

soll es gar keine Schlange,<br />

son<strong>der</strong>n ein <strong>Dr</strong>ache sein?<br />

Wir werden noch sehen,<br />

dass die hinterlistige <strong>und</strong><br />

verführende Schlange sehr<br />

wohl eine Rolle in unserer<br />

Geschichte spielt. Vielleicht listig<br />

wie ein Fuchs.<br />

Im nächsten Abschnitt erkennt man zwei H<strong>und</strong>e, <strong>der</strong>en Vor<strong>der</strong>körper aus dem Schuss<br />

herausblicken. Der eine hat die Ohren weit nach hinten angelegt. Wahrscheinlich sind<br />

Hüteh<strong>und</strong>e dargestellt.<br />

66


Im dritten Segment ist ein Rehbock <strong>und</strong> ein Reh dargestellt. Irgendwie scheinen die<br />

Tiere alle zu grinsen, zu schmunzeln o<strong>der</strong> sogar zu lachen. Über was wohl?<br />

In <strong>der</strong> nächsten Gruppe ist ebenfalls ein Rehbock mit seiner Herde zu sehen. Auch hier<br />

scheinen sich die Tiere wie<strong>der</strong> zu freuen, so als wüßten sie<br />

etwas was an<strong>der</strong>e o<strong>der</strong> ein An<strong>der</strong>er nicht weiß. Es ist schon<br />

interessant, sich die einzelnen Tiere genau er anzusehen<br />

<strong>und</strong> ihre Physiognomie zu studieren.<br />

67


In <strong>der</strong> nächsten<br />

Reihe folgt ein<br />

prächtiger<br />

Ziegenbock mit<br />

zwei Begleittie<br />

ren. Eines davon<br />

ist sicher eine<br />

Ziege, aber das<br />

zweite sieht ver<br />

dächtig nach<br />

einem Schaf aus.<br />

Es läßt ganz un<br />

schuldig beide<br />

Ohren hängen.<br />

In <strong>der</strong> sechsten<br />

Gruppe kommt jetzt endlich <strong>der</strong> Schnitzer, versteckt zwischen zwei Schafen. Er streckt<br />

weit den Unterkiefer vor <strong>und</strong> nähert sich damit dem Aussehen seiner Tiere an. Als<br />

Mensch ist er aber deutlich an den seitlichen Ohren<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> markanten Nase zu erkennen. Der<br />

Oberkörper ist unbedeckt. Der M<strong>und</strong> ist weit zu<br />

einem Schrei geöffnet. Er macht keinen sehr glük<br />

klichen Eindruck. Das Schaf zu seiner Linken macht<br />

mit den zwei herabhängenden Ohren <strong>und</strong> dem leicht<br />

schräg gehaltenen Kopf den Eindruck eines<br />

„Unschuldslammes“. Herausgehoben ist das Schaf<br />

durch die Fellzeichnung mit den schwarzen Flecken<br />

<strong>und</strong> Streifen.<br />

68


Darunter sieht man noch einmal eine Gruppe von 3 Schafen. Wie<strong>der</strong> leicht vor sich hin<br />

lächelnd. Eines davon mit einem hängenden <strong>und</strong> einem stehenden Ohr scheint<br />

beson<strong>der</strong>s hämisch zu grinsen.<br />

Das Leittier <strong>der</strong> vorletzten Serie hat auffällig lange<br />

Hörner. Es ist schwer zu entscheiden, ob es ein<br />

Rehbock o<strong>der</strong> ein Ziegenbock sein soll. <strong>Dr</strong>ei<br />

weitere Tiere gehören zu <strong>der</strong> kleinen Herde.<br />

Das Tier links neben dem Leittier liegt im Gras.<br />

Bei dem rechts stehenden scheinen die Ohren<br />

heruntergeklappt zu sein.<br />

69


Im letzten Abschnitt sehen wir wie<strong>der</strong><br />

unseren Schnitzer inmitten seiner kleinen<br />

Viehherde versteckt. Diesmal eindeutig<br />

mit Hörnern. Als Mensch an den seitlichen<br />

Ohren <strong>und</strong> <strong>der</strong> Nase erkennbar. Der<br />

M<strong>und</strong> ist jetzt weitgehend geschlossen.<br />

Jetzt muß die Geschichte nur noch richtig<br />

gedeutet werden. Ich glaube, dass dem<br />

Hirten, <strong>der</strong> sich hier selbst darstellt ein<br />

Schaf aus seiner Herde, <strong>und</strong> zwar das mit<br />

<strong>der</strong> Unschuldsmiene <strong>und</strong> den schwarzen<br />

Flecken <strong>und</strong> Streifen, zum Ziegenbock<br />

gelaufen ist. Deshalb <strong>der</strong> Aufschrei <strong>und</strong><br />

später die aufgesetzten Hörner. Die ande<br />

ren Tiere hatten das schon lange vor ihm<br />

erkannt <strong>und</strong> deshalb ihr hämisches<br />

Grinsen <strong>und</strong> schadenfrohes Lachen.<br />

Vermutlich ist das ganze als Parabel aufzu<br />

fassen <strong>und</strong> im wirklichen Leben ist dem<br />

Hirten seine Frau davongelaufen. Zum<br />

Schluss steht unser Viehhirte <strong>und</strong><br />

Schnitzer traurig da mit aufgesetzten<br />

Hörnern, geschlossenen Augen <strong>und</strong> sieht<br />

sich dem Spott seiner Mitmenschen aus<br />

gesetzt.<br />

70


Vielleicht macht jetzt<br />

auch noch die Taube<br />

einen Sinn als<br />

Friedenstaube. Als<br />

Angebot an das<br />

gefleckte Schaf wie<br />

<strong>der</strong> zurück zu kom<br />

men.<br />

Jedenfalls steht <strong>der</strong><br />

Mensch zunächst<br />

verwirrt da inmitten<br />

seiner Tiere, so wie<br />

ich es mit <strong>der</strong> farbverfälschten Aufnahme versucht habe darzustellen.<br />

Folklorestöcke erzählen mit ihren Bil<strong>der</strong>n oft ganze Geschichten. Sie erinnern dabei an<br />

die keltischen Bil<strong>der</strong>kreuze auf den irischen Friedhöfen, die Teile <strong>der</strong> biblischen<br />

Geschichte erzählen. Richtig verstehen<br />

kann man sie nur wenn man die Bibel<br />

kennt.<br />

Eine Eigenart <strong>der</strong> Folklorestöcke ist,<br />

dass man selten weiß wie alt sie sind.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Stilart ist in <strong>der</strong><br />

Schnitzerei meist nicht zu erkennen.<br />

Bei dem vorliegenden Stock glaube ich,<br />

dass er mindestens aus dem 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t stammt, wenn er nicht viel<br />

älter ist. Die dargestellten H<strong>und</strong>e schei<br />

nen mir früheren Hüteh<strong>und</strong>en zu glei<br />

chen. Auch die Stockfarbe, ein rötliches<br />

Braun, wurde früher durch das etwa<br />

einjährige Einbringen in eine Jauche<br />

grube o<strong>der</strong> einen Misthaufen mit nach<br />

folgen<strong>der</strong> Bearbeitung mit einer<br />

Schweineschwarte erreicht.<br />

Der Stock ist 92cm hoch. Er befindet<br />

sich so weit man das beurteilen kann im<br />

Originalzustand. Er hat eine unten offe<br />

ne Eisenzwinge. Ich halte ihn für die<br />

typische Arbeit eines Hirten.<br />

71


DER RIESENKOHL VON JERSEY.<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Wenn<br />

einer eine<br />

Reise tut, na ja Sie wissen schon,<br />

dann kann er was erzahlen. Meine<br />

Urlaubsreise ging diesmal nach<br />

Jersey. Also auf eine <strong>der</strong> Kanalinseln<br />

vor <strong>der</strong> Normandie. Als<br />

Spazierstocksammler hat man natürlich<br />

immer irgendwie die Stöcke im<br />

Hinterkopf <strong>und</strong> so war es natürlich<br />

kein Zufall, dass ich mich nach den<br />

Stöcken aus dem Jersey Giant<br />

Cabbage umsah. Ich wurde auch<br />

sehr schnell fündig, denn<br />

Jersey ist nicht sehr groß <strong>und</strong> dieser<br />

eigenartige Riesenkohl<br />

zählt zu den Sehenswürdigkeiten, die<br />

man dem Inseltouristen unbedingt<br />

zeigen will<br />

.<br />

Wann <strong>der</strong> Kohl, Brassica oIeracea<br />

Iongata, nach Jersey kam, ist nicht<br />

genau bekannt. Jedoch schrieb Mr.<br />

John Murray in “The Farmers<br />

Magazine” 1836, dass er den Giant<br />

Cabbage fast in jedem Garten in<br />

Jersey gesehen habe.<br />

Meine Frau <strong>und</strong> ich sind 14 Tage lang<br />

an den Küsten, durch die Dörfer <strong>und</strong><br />

das Landesinnere gewan<strong>der</strong>t <strong>und</strong><br />

haben keinen Cabbage gef<strong>und</strong>en. Im<br />

Woodcrafts Zentrum haben wir die<br />

abgeschnittenen <strong>und</strong> auch schon<br />

zugerichteten Schösslinge des<br />

Kohls gesehen. Sie sollen bis zu zehn<br />

<strong>und</strong> zwölf Fuß, also über 3 Meter<br />

ang werden. Rohlinge dieser Art<br />

waren in <strong>der</strong> Holzwerkstatt von<br />

Létacq.<br />

geschrieben<br />

1994<br />

Der Riesenkohl von Jetrsey<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 25. August 2010<br />

73


Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t gehörte <strong>der</strong> Riesenkohl zu einer typis<br />

chen Mittagsmahlzeit in Jersey. Zusammen mit Kartoffeln<br />

<strong>und</strong> Schweineschmalz <strong>und</strong> manchmal etwas Fleisch o<strong>der</strong><br />

74<br />

Der Riesenkohl von Jetrsey<br />

geschrieben<br />

1994<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 25. August 2010<br />

Rüben wurde er zur “soupe aux Choux” gekocht. Damals<br />

sprach man in Jersey vorwiegend französisch. Aber auch<br />

sonst wurden die Blätter im täglichen Leben gebraucht. Als<br />

Schattenspen<strong>der</strong> auf dem Kopf, nach dem Brotbacken<br />

wurde dieses darin eingewickelt, außerdem konnte man die<br />

Blätter im Ofen wärmen <strong>und</strong> als “Wärmflasche” in die<br />

Betten legen.<br />

Die Strünke, von den Einheimischen Long Jacks genannt,<br />

wurden unter an<strong>der</strong>em vorwiegend zu Spazierstöcken ver<br />

arbeitet. Zu einer Zeit als noch kaum Touristen nach Jersey<br />

kamen, also so um die Wende des 19. zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

herum, wurden<br />

in <strong>der</strong><br />

Hauptstadt St.<br />

Helier 500 bis<br />

600 Stöcke pro<br />

Jahr verkauft<br />

Wenn die<br />

Strünke die<br />

gewünschte<br />

Höhe erreicht<br />

haben, werden<br />

sie mit <strong>der</strong><br />

Wurzel ausge<br />

graben. Die<br />

restlichen<br />

Kohlblatter<br />

werden sauber<br />

abgeschnitten.<br />

Die Stengel<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Der Riesenkohl von Jetrsey<br />

werden senkrecht stehend 4 bis 5 Wochen im Freien<br />

getrocknet. Die weitere Trocknung findet dann auf einem<br />

luftigen Dachboden statt. Wenn sie ganz durchgetrocknet<br />

sind, werden sie auf die richtige Lange zugeschnitten, die<br />

Wurzel zu einem Knauf verarbeitet, <strong>und</strong> lackiert.<br />

geschrieben<br />

1994<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 25. August 2010<br />

75


Der Riesenkohl von Jersey wächst auch in<br />

Deutschland. Da uns die Stöcke in Jersey für ihre<br />

mäßige Verarbeitung zu teuer waren <strong>und</strong> wir<br />

nicht unbedingt noch einen zusätzlichen Stock mit<br />

unserem Gepäck im Flugzeug mitnehmen woll<br />

ten, haben wir Samen gekauft.<br />

Diesen haben wir im Herbst 1994 im Topf aus<br />

gesät. Im nächsten Frühjahr haben wir circa 10 cm große<br />

Pflanzchen im Freibeet ausgepflanzt. Die obigen Aufnahmen<br />

sind im Oktober 1995 gemacht. Einige Zeit später wurden<br />

die Strünke geernetet. Für die Blätter hatten wir keine<br />

Verwendung.<br />

76<br />

Der Riesenkohl von Jetrsey<br />

geschrieben<br />

1994<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 25. August 2010<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Durchbrucharbeiten bei silbernen Stockgriffen<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Vor einiger Zeit habe ich nebenstehenden Arztstock<br />

erworben. Das Gr<strong>und</strong>gerüst<br />

des Griffes ist die<br />

Spros-se eines<br />

Rehgeweihes<br />

mit <strong>der</strong> dazugehörigen<br />

Rose.<br />

D i e<br />

Sprosse ist<br />

durchbrochen mit Sterlingsilber überzogen.<br />

Eine entsprechende Punze ist vorhanden. Um den<br />

Griff windet sich zweimal eine silberne Schlange, die den<br />

Kopf nach oben <strong>und</strong> vorn hält. Diese Schlange ist angelötet. Der Griff hat eine<br />

Ausladung von circa 11,5 cm. Was bei diesem Stock zunächst einmal auffällt, ist<br />

die sehr genaue Anpassung des silbernen Überzuges an die unregelmäßige<br />

Oberfläche des Geweihes. Sie ist auch ohne Unterschneidungen angepasst.<br />

Dazu nachher noch mehr. Der Schuss besteht aus Palisan<strong>der</strong>holz <strong>und</strong> hat einen<br />

dunklen Echthornabsatz. Gesamtlänge 94 cm. In <strong>der</strong> Ausschnittsvergrößerung<br />

ist diese Anpassung des silbernen Überzuges noch deutlicher zu erkennen.Es ist<br />

erstaunlich wie gut hier gearbeitet wurde.<br />

Wie das nun mal so beim Sammeln ist, manchmal kommen ähnliche o<strong>der</strong> fast<br />

gleiche Stücke zusammen. So war es bei diesem Stock auch, denn ich hatte<br />

schon vor über einem Jahrzehnt einen sehr ähnlichen Stock erworben. Wenn<br />

man die Machart <strong>und</strong> vor allem die Darstellungen <strong>der</strong> Schlangen <strong>und</strong> hier vor<br />

allem die Schlangenköpfe betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass die beiden<br />

Stockgriffe aus <strong>der</strong> selben Werkstatt stammen müssen. Beide Stöcke kommen<br />

aus Nordamerika <strong>und</strong> dürften in die Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts einzuordnen<br />

sein.. Bei dem umseitigen Stock besteht <strong>der</strong> Griff aus einem unregelmäßigen<br />

Wurzelstück, dessen Oberfläche mit Silberblech überzogen ist. Hier kann man<br />

mit einer feinen Sonde unter das Silberblech kommen. Es liegt nicht immer ganz<br />

plan auf. Der Silberüberzug ist mit edelweißartigen Blüten verziert <strong>und</strong> an einem<br />

schlaufenähnlichen Stück steht erhaben in Schreibschrift “Geo”.<br />

Auch hier ist eine umlaufende Schlange aufgelötet. Der<br />

Schuss besteht aus<br />

e i n e m<br />

Eichenschössling<br />

<strong>und</strong> hat eine<br />

Hornzwinge.<br />

D i e<br />

Gesamtlänge<br />

des Stockes beträgt 91 cm, <strong>der</strong> Griff ist 9 cm<br />

breit. Bei diesem Stock scheint die Ummmantelung<br />

77


in Streifen aufgehämmert <strong>und</strong> verlötet zu sein, dafür<br />

sprechen die Unterschneidungen, während bei dem<br />

vorseitigen Stock <strong>der</strong> Silberüberzug auf die<br />

Gehörnsprosse wahrscheinlich, zumindest teilweise<br />

galvanisch, deshalb auch dicht anliegend, aufgebracht<br />

wurde.<br />

Links unten ist ein silberner Jugendstilgriff in einer ganz an<strong>der</strong>en Machart abgebildet.<br />

Es handelt sich um einen 18,5 cm langen <strong>und</strong> etwas über 7 cm ausladenden<br />

angedeuteten T-Griff. Der obere Teil ist massiv <strong>und</strong> mit typischen Jugendstilran-ken<br />

verziert. Es ist eine <strong>Dr</strong>uchbrucharbeit vorgetäuscht die je nachdem wie man das Silber<br />

putzt recht echt wirkt, wenn die Vertiefungen mehr o<strong>der</strong> weniger schwarz bleiben.<br />

Der gerade Anteil hingegen ist tatsächlich durchbrochen <strong>und</strong> auf Ebenholz aufgezogen.<br />

Hier dürfte es sich um eine weitere Variante von durchbrochenen Silbergriffen handeln.<br />

Es wurde hier als Ausgangsmaterial ein Silberrohr von entsprechen<strong>der</strong> Stärke benutzt<br />

<strong>und</strong> die Muster zunächst ausgesägt. Anschließend wurde <strong>der</strong> Kern aus Ebenholz eingeführt.<br />

78<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 1. Mai 2006<br />

Durchbrucharbeiten bei silbernen Stockgriffen<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


E<br />

s ist meist unmöglich festzustellen wo ein<br />

Spazierstock herkommt, noch schwieriger ist es<br />

die Lebensgeschichte eines Bischofsstabes zu<br />

erfahren. Ich halte es deshalb schon für mitteilungswert<br />

von diesem<br />

kirchlichen<br />

Stab zu berichten.<br />

Herr Günther<br />

Dietrich aus<br />

Saarbrücken ist <strong>der</strong><br />

Besitzer des Stabes<br />

<strong>und</strong> er gab mir<br />

auch das<br />

Dokument zur<br />

Auswertung.<br />

Nachfolgend nun<br />

die Übersetzung<br />

aus dem<br />

Französischen.<br />

“Ste. Geneviéve<br />

des Bois, den<br />

20.12.80<br />

Ich, die unterzeichnete<br />

Laure<br />

GABRIELS, Ehefrau<br />

des Raphaél VAN<br />

DEN DAELE,<br />

wohnhaft Nr.12<br />

avenue Georges<br />

Pétard in Ste.<br />

Genevieve des<br />

Bois 91, bescheinige<br />

dem Käufer dieses<br />

Bischofsstabes,<br />

dass er mir von<br />

meinem Vater<br />

Fabien GABRIELS, verstorben am 13. Oktober<br />

1935 in CHANTILLY (Oise), vermacht worden<br />

ist. Ursprünglich wurde dieser Stab von <strong>der</strong><br />

Familie GABRIELS dem geistlichen Herrn HENRI<br />

GABRIELS anlässlich seiner Ernennung zum<br />

Bischof geschenkt, <strong>der</strong> am 6. 0ktober 1838 in<br />

Wanegem (Belgien) geboren wurde <strong>und</strong> <strong>der</strong> in<br />

OGDENBURG (N.Y.) in den USA starb, wo er<br />

seit Ende des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts Bischof<br />

war. Nach seinem Tode brachte seine Schwester,<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

1991<br />

Bischofsstab<br />

EIN BISCHOFSSTAB MIT HERKUNFTSNACHWEIS<br />

Mitgeteilt von <strong>Dieter</strong> <strong>Banzhaf</strong><br />

Der Blschofstab In seinem Originalkasten, so wie ihn<br />

Herr Dietrich bekommen hat.<br />

Fräulein Elsabete GABRIELS, dieses Erbstück wie<strong>der</strong><br />

in die Heimat nach Belgien zurück, wo sie es<br />

seinen Neffen gleichen Namens schenkte, nämlich<br />

HENRI FIRMIN <strong>und</strong> JULIEN GABRIELS, meinem<br />

Vater <strong>der</strong><br />

allein es mir vermachen<br />

konnte.<br />

Infolgedessen trete<br />

ich mit diesem<br />

Schreiben alle<br />

ursprünglichen<br />

Eigentumsrechte<br />

an den Käufer dieses<br />

Bischofsstabes<br />

ab. Der heute in<br />

dem Zustand in<br />

dem er sich befindet<br />

verkauft<br />

wurde.<br />

Ausgefertigt in Ste.<br />

Geneviéve des<br />

Bois, den<br />

20.12.80. gez. L.<br />

GABRIELS verheiratete<br />

van den<br />

D A E L E .<br />

Personalausweis<br />

Nr.24064 ND<br />

8 0 8 9 3<br />

Souspréfecture<br />

von Palaiseau<br />

(Essoune)”<br />

Eigentlich wird ein<br />

s o l c h e r<br />

Bischofsstab erst<br />

durch seinen<br />

Lebenslauf zu<br />

etwas Eigenständigem. Er nimmt Leben an, er<br />

strahlt eine Aura aus. Jetzt ist er erst wirklich.<br />

Sicher kann man mit Phantasie auch seine an<strong>der</strong>en<br />

Stöcke zu einem individuellen Leben erwecken,<br />

es ist nur viel schwieriger <strong>und</strong> setzt eben<br />

Einbildungskraft voraus.<br />

Veröffentlicht in DER STOCKSAMMLER Nr. 13/1991<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 9. Juli 2010<br />

79


W Wer Spaß am Holz seiner Stöcke hat, wird sich<br />

er auch einmal auf die Idee kommen, selbst<br />

einen Stock herzustellen, auch wenn er keine<br />

Tiere o<strong>der</strong> Men<br />

schenköpfe in den<br />

Knauf schnitzen kann.<br />

Es sollte dann aber<br />

schon etwas be<br />

son<strong>der</strong>es sein, was<br />

nicht je<strong>der</strong> hat. Hier<br />

genügt es also nicht,<br />

einen Stock aus dem<br />

Ast einer Silberesche,<br />

Kastanie o<strong>der</strong> Weich<br />

selkirsche zu machen.<br />

Es sollte so etwas sein<br />

wie die Stöcke, die aus<br />

dem Strunk des<br />

Riesenkohls (giant cab<br />

bage) ge macht wer<br />

den, wie man sie auf<br />

den Kanalinseln findet.<br />

Diese urigen Knüttel<br />

haben mich fasziniert.<br />

In Deutschland wächst<br />

<strong>der</strong> Kohl aber nicht so<br />

hoch. Aber die<br />

Königskerze wächst in<br />

meinem Garten, <strong>und</strong><br />

Verbascum olympicum<br />

er reicht eine Höhe<br />

von über zwei Meter;<br />

sie hat dann im<br />

Wurzelbereich einen<br />

Umfang von 15 Zenti<br />

meter <strong>und</strong> mehr.<br />

Ich möchte nun heute<br />

schil<strong>der</strong>n wie man aus<br />

solch einer Königs<br />

kerze einen bewun<strong>der</strong>ungswürdigen, leichten <strong>und</strong> doch<br />

sehr stabilen Wan<strong>der</strong>stock herstel len kann.<br />

Königskerzen sind im allgemeinen zweijährige Pflanzen. Sie<br />

haben deshalb keine großen Wurzelknollen. Hierin, wie<br />

auch in dem röhrenförmi gen Aufbau, gleichen sie den ver<br />

schiedenen Bambussorten. Im Herbst, wenn die<br />

Königskerze abgeblüht ist, beginnt die Ernte. Man sucht sich<br />

ein schönes, gerade gewachsenes Exemplar von <strong>der</strong><br />

gewünschten Stockdicke aus. Jetzt muss die Pflanze<br />

zunächst mit dem Wurzelknollen dieser ergibt später den<br />

Stock knauf ausgegraben werden. Man kürzt jetzt gleich die<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

1994<br />

Ein Stock aus Königskerze<br />

EIN STOCK AUS KÖNIGSKERZE<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>.<br />

Der Autor beim Ausgraben einer Königskerze<br />

Bild von <strong>Dr</strong>. Julius Beeser<br />

Wurzelfasern soweit ein, dass man die ungefähre Form des<br />

Knaufs hat. Auch in <strong>der</strong> Länge kann man jetzt gleich<br />

einkürzen. Die im Herbst meist welken <strong>und</strong> zum Teil abge<br />

storbenen Blätter kann man nun mit <strong>der</strong> Hand leicht<br />

abstreifen. Es bleibt<br />

da bei ein kleiner<br />

Knoten am Blattansatz<br />

tehen. Diesen glättet<br />

man vorsichtig mit<br />

dem Messer ohne<br />

dass man ihn zu weit<br />

einebnet. Diese<br />

Blattansätze machen<br />

nämlich später zu<br />

ammen mit dem<br />

tark profilierten<br />

Schaft den eigentli<br />

chen Reiz des fertigen<br />

Stockes aus.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 24. August 2010<br />

Der so erhaltene<br />

Rohling muss jetzt<br />

gereinigt werden.<br />

Zunächst spült man<br />

die Erde aus dem<br />

Wurzelknollen. Mit<br />

einer Bürste <strong>und</strong> viel<br />

Wasser werden dann<br />

die zahlreichen<br />

kleinen Härchen am<br />

Schaft entfernt. Die<br />

efen Rillen <strong>und</strong> die<br />

braun grüne Eigen<br />

arbe <strong>der</strong> Königs<br />

kerzen sind nun gut<br />

zu erkennen.<br />

Die Arbeit ist zunächst<br />

einmal beendet. Der<br />

o vorbereitete Stock<br />

muss erst einmal<br />

ichtig durchtrocknen.<br />

Dies dauert 1 2 Jahre. Nach dieser Zeit hat er seine volle<br />

Festigkeit erreicht. Der hölzerne Anteil ist jetzt sehr stabil<br />

<strong>und</strong> fest. Da auch <strong>der</strong> markige Anteil gut getrocknet ist, hat<br />

<strong>der</strong> Stock viel an Gewicht verloren <strong>und</strong> ist jetzt für seine<br />

Größe erstaunlich leicht. Die Endfertigung kann jetzt begin<br />

nen. Die Höhlen <strong>und</strong> Zwischenräume des Knau fes werden<br />

mit flüssigem Holz o<strong>der</strong> einem Zweikomponentenkleber<br />

ausgegossen. Die Festigkeit nimmt dadurch zu <strong>und</strong> die<br />

Oberfläche wird glatter <strong>und</strong> liegt dadurch besser in <strong>der</strong><br />

Hand. Ist die Ausfüllmasse verfestigt, kann <strong>der</strong> Knauf mit <strong>der</strong><br />

Raspel <strong>und</strong> mit Schmirgelpapier in die endgültige Form<br />

gebracht <strong>und</strong> geglättet werden. Der Schuss wird auf die<br />

81


gewünschte Länge gebracht. Am unteren Ende<br />

muss jetzt eine Zwinge angepasst werden, die<br />

man sich, damit das ganze auch zünftig<br />

aussieht, am besten aus Messing Kupfer<br />

o<strong>der</strong> Eisenblech selbst herstellt. Ein<br />

entsprechend breiter <strong>und</strong> langer Strei fen<br />

des Materials wird zum Ring gebogen<br />

<strong>und</strong> verlötet. Nachdem dieser erste<br />

Teil <strong>der</strong> Zwinge hergestellt <strong>und</strong> auf<br />

82<br />

Ein Stock aus Königskerze<br />

Links<br />

Rohling. In <strong>der</strong><br />

Mitte halbfertiger<br />

Stock. Rechts ferti<br />

ger Stock. Aus <strong>der</strong><br />

Wurzel wurde ein<br />

Vogelkopf geformt<br />

mit eingelegten<br />

Glasaugen.<br />

geschrieben<br />

1994<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 24. August 2010<br />

den unteren Teil des Stockes wie ein Fassreifen aufgezogen<br />

worden ist,wird einige Zentimeter tief das Mark aus dem<br />

unteren Stockende gekratzt. Hier wird jetzt eine dem<br />

Stockdurchmesser entsprechende Schlossschraube<br />

eventuell zusammen mit einer Unterleg scheibe mit<br />

Zweikomponentenkleber eingeklebt. Jetzt besitzt <strong>der</strong> Stock<br />

eine große Belastbarkeit <strong>und</strong> kann auch auf schlechten<br />

Wegen benutzt werden. Durch Bearbeiten mit reichlich<br />

Bienenwachs, eventuell mit Beimengung von etwas rötlich<br />

brauner Beize o<strong>der</strong> Ölfarbe bekommt <strong>der</strong> Stock jetzt sein<br />

end gültiges, unverwechselbares Aussehen.<br />

Jetzt ist man endlich Besitzer eines orig<br />

inellen <strong>und</strong> stabilen Spazierstockes<br />

den man vorzeigen kann <strong>und</strong><br />

über den es sich trefflich<br />

diskutieren lässt.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


A Walking-Stick Made of Mullein,<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

by <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Those who love the wood of their walking sticks will, one<br />

day, get the idea of making a stick by themselves, even if<br />

they are not able to carve a handle with animals or human<br />

heads. But in this case it should be something special, that<br />

nobody else has. It is not sufficient to make a stick out of the<br />

branch of a silver ash, of a chestnut or of morello. It should<br />

be something like the sticks one finds on the Channel<br />

Islands, made of cabbage stalks. These original clubs fasci<br />

nated me. But in Germany cabbage does not grow that<br />

high. In my garden, however, I have mulleins (Verbascum<br />

olympicum) which grow to a hight of more than two meters<br />

(7 feet) and to a circumference of 15 centimeters and more<br />

(6 inches) in their lower parts.<br />

To day I want to describe how one can rnake an admirable,<br />

light though stable walking stick from such a mullein.<br />

Normally mulleins grow for two years and that's why they<br />

do not have very big roots. In this as well as in their tubular<br />

structure they resemble some kinds of bamboo. In autumn,<br />

when the mullein has ceased blooming, we can start the<br />

harvest. We look for a beautiful and straight plant of the<br />

desired size. At first we have to dig out the plant with its<br />

root this will later make the knob. We can now also short<br />

en the plant to the desired length. The leaves, mostly dry<br />

and dead in autumn, are easily stripped off by hand. A little<br />

knot will stay where the leaf came out of the stem. These<br />

knots are carefully smoothed with a knife without making<br />

them too even. For these knots will later, together with the<br />

strongly profiled shaft, make the actual charme of the final<br />

walking stick.<br />

This raw stick must be cleaned now. At first, all the earth has<br />

to be washed out of the root. Then, with a brush and a lot<br />

geschrieben<br />

1994<br />

Ein Stock aus Königskerze<br />

of water, the numerous little hairs are scrubbed from the<br />

shaft. Now we can see well the deep furrows and the orig<br />

inal brown green colour of the mullein.<br />

For this year, our work is done. The stick prepared so far<br />

has to dry thoroughly, which takes one to two years. After<br />

this time it has gained its full stability. The wooden part is<br />

now very firm and strong. As the marrow part has also dried<br />

well, the stick has lost a lot of its weight and is now surpris<br />

ingly light for its size. Now we can start the finishing. The<br />

hollows and intermediate spaces of the knob are filled with<br />

liquid wood or with a two component glue. Thus the firm<br />

ness is increased, the surface becomes more even and con<br />

sequently it fits better in your hand. When the filling has<br />

completely dried we can give the handle its final shape and<br />

smoothness with a rasp and with emery paper. We then<br />

give the stick the desired length.<br />

The lower part must now be furnished with a ferrule which,<br />

to make the whole thing really skilled, we can make by our<br />

selves out of brass, copper, or iron sheet. A strip of the<br />

material of adequate length and width is bent to a ring and<br />

sol<strong>der</strong>ed together. After this first part of the ferrule is ready<br />

and fitted on the lower part of the stick like a barrel hoop,<br />

the marrow is scratched out of the end of the stick on some<br />

centimeters. Now a big bolt fitting the diameter of the stick<br />

and if you want a washer are f ixed into this hole with a two<br />

component glue. Now the walking stick is very strong and<br />

can be used even on bad roads.<br />

By finishing the stick with a lot of bees wax, mixed with a bit<br />

of redbrown stain if you like, it will attain its final unmistak<br />

able appearance.<br />

At last you are the owner of an original and stable walking<br />

stick, which can very well be shown aro<strong>und</strong> and which will<br />

become the topic of many discussions.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 24. August 2010<br />

83


Horus


enn jemand eine<br />

Reise tut, so kann er was<br />

erzählen. So stehts in “Urians<br />

Reise um die Welt” von Claudius<br />

<strong>und</strong> wurde zum geflügelten Wort<br />

erhoben. Auch ein Stöckesammler<br />

kann von seinen Reisen erzählen,<br />

natürlich von Stöcken, wenn er<br />

seine Augen aufmacht. Gerade<br />

über den Weg laufen sie einem<br />

nicht.<br />

Meinen Urlaub verbrachte ich dies<br />

mal in Finnland. Zumindest in Süd<br />

<strong>und</strong> Mittelfinnland benutzen nur<br />

kranke <strong>und</strong> gebrechliche Leute<br />

einen Stock, eben so, wie an<strong>der</strong>s<br />

wo auch. Auf <strong>der</strong> Straße begegnet<br />

man des halb nur selten jemandem<br />

mit einem Spazierstock, <strong>und</strong> sich<br />

danach umdrehen lohnt selten. In<br />

dem gut halben Dutzend Antiqui<br />

tätengeschäften in Helsinki sahen<br />

meine Frau <strong>und</strong> ich gerade drei<br />

Stöcke. Zwei davon haben wir mit<br />

gebracht, doch davon später.<br />

Auch in den Museen muss man suchen, um einen Stock zu<br />

entdecken,obwohl es von ihnen eine gan ze Anzahl gibt. Es<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Finnlandreise<br />

Stockbibliothek Nr. 7.3.1. 050<br />

o<strong>der</strong><br />

von Runen- <strong>und</strong> Botenstäben <strong>und</strong> Birkenstöcken<br />

handelt sich oft um Heimatmuseen, nicht so<br />

sehr groß, aber mit viel Liebe eingerichtet.<br />

Finnland ist das Land <strong>der</strong> Seen <strong>und</strong> Wäl<strong>der</strong>.<br />

Letztere sind Mischwäl<strong>der</strong> aus Birken<br />

<strong>und</strong> Nadelhölzern. Und dieses Material<br />

ist es dann auch, das den Finnen zur<br />

Herstellung ihrer Spazierstöcke dien te.<br />

Birkenrinde ist in ganz Finnland ein beliebter<br />

Ausgangsstoff für alle möglichen Gebrauchs<br />

gegenstände. Man kann damit Körbe her<br />

stellen, aber genauso gut Schuhe, Taschen,<br />

Kästchen, Becher, das berühmte finnische<br />

Blashorn <strong>und</strong> eben auch Spazierstöcke. Die<br />

Birkenrinde wird dazu in schmale Streifen<br />

geschnitten <strong>und</strong> über dünne Weiden<br />

zweige geflochten. �<br />

Rechts ein bemerkenswerter Spazierstock <strong>der</strong><br />

Volkskunst aus dem Museum Lahti. Der<br />

Schössling o<strong>der</strong> besser gesagt die zwei<br />

Schösslinge aus denen <strong>der</strong> Stock hergestellt<br />

wurde sind über Jahre hinweg an ihrem<br />

Standort sorgfältig bearbeitet worden.<br />

Voraussetzung war, dass die Koniferenschöss<br />

linge nicht zu weit auseinan<strong>der</strong> standen.<br />

Sorgfältig wurden Nebenzweige entfernt so<br />

dass mit <strong>der</strong> Zeit dicke Wülste entstanden. Im<br />

unteren Anteil wurden zweimal von jedem<br />

Schössling ein kurzes Aststück so verb<strong>und</strong>en,<br />

dass diese zusammenwuchsen. Im oberen Anteil<br />

wurde an <strong>der</strong> Innenseite <strong>der</strong> Schösslinge ein Teil<br />

<strong>der</strong> Rinde entfernt <strong>und</strong> sie dann zusammenge<br />

b<strong>und</strong>en, damit sie ebenfalls miteinan<strong>der</strong> ver<br />

wuchsen. Wo jetzt <strong>der</strong> verbindende Griff ist,<br />

waren ursprünglich die Wurzeln.<br />

geschrieben<br />

1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

85


� Es entsteht ein korbartiger Effekt. Schmale Streifen von<br />

Birkenrinde lassen sich aber auch wie eine “Hexentreppe”<br />

flechten <strong>und</strong> falten <strong>und</strong> über einen Stock deko rieren. Er<br />

bekommt dadurch ein hübsches bizarres Aussehen. Einen<br />

solchen Stock konnte ich auf meiner Rückreise in einem<br />

Antiquitätenladen in Helsinki erwerben. Seines schon etwas<br />

höheren Alters wegen ist er leicht verletzlich <strong>und</strong> nur noch<br />

zum Ansehen. Wie er gemacht ist, kann man auf dem rechts<br />

stehenden Bild sehen.<br />

Koniferen, also Nadelhölzer, wachsen wenn sie Wind <strong>und</strong><br />

Wetter ausgesetzt sind <strong>und</strong> wenn man sie vielleicht noch<br />

zusätzlich an <strong>der</strong> Rinde mit einem Messer einschneidet <strong>und</strong><br />

Nebenäste stark einkürzt, im Lauf <strong>der</strong> Jahre mit sehr knor<br />

rigen Auswüchsen. Aus diesen knorrigen <strong>und</strong> knotigen<br />

Stecken lassen sich recht urige Wan<strong>der</strong>stöcke <strong>und</strong> Knüppel<br />

herstellen. Manchmal haben sie eine Krücke, wenn das<br />

Holz eben so gewachsen ist. Selten wird ein Griff ange<br />

setzt. Beson<strong>der</strong>s nach gearbeitet sind diese Naturstöcke<br />

nicht. Auch Schnitzwerk fand ich an diesen Stöcken nicht.<br />

Sie wurden höchstens in Jauche o<strong>der</strong> einem Misthaufen<br />

rötlich eingefärbt <strong>und</strong> mit einer Speckschwarte eingefettet<br />

<strong>und</strong> poliert. Es waren offensichtlich Gebrauchsgegenstände<br />

für Feld <strong>und</strong> Flur <strong>und</strong> Sumpf <strong>und</strong> Wald <strong>und</strong> im Winter im<br />

Schnee. Sicher dienten sie auch als Waffe gegen Wölfe <strong>und</strong><br />

Bären, die es heute noch in Karelien gibt. Sie passen in die<br />

Land schaft <strong>und</strong> wurden früher anscheinend viel benutzt,<br />

denn man findet immer wie<strong>der</strong> Exemplare davon in den<br />

verschiedenen Heimatmuseen.<br />

86<br />

Finnlandreise<br />

Gegenstände die aus Birkenrinde geflochten sind. In <strong>der</strong> Mitte ein<br />

über Weidenschösslinge geflochtener Birkenrindenstock.<br />

geschrieben<br />

1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Urige Holzstöcke, meist nur wenig nachge<br />

arbeitet im Museum von Lieksa<br />

geschrieben<br />

1989<br />

Finnlandreise<br />

Im Museum in Lahti sahen wir auch einen Stock aus ein<br />

fachem hellen Flintglas. Es wurde uns gesagt, dass<br />

Glasstöcke in Finnland hergestellt worden seien. Ich konnte<br />

dies bisher nicht bestätigt finden, aber glaubhaft ist es schon,<br />

denn es gibt ja in Finnland Glasbläsereien.<br />

Der zweite Stock, den ich in Helsinki erworben habe,<br />

dürfte ebenfalls eine typische finnische Arbeit sein. Der Griff<br />

ist aus einem Stück Hirschgeweih gearbeitet. Aus <strong>der</strong><br />

“Rose” des Ge weihs schaut ein pfiffiger H<strong>und</strong>e kopf. Der<br />

restliche H<strong>und</strong>ekörper ist aus dem Griff herausgeschnitzt<br />

<strong>und</strong> zwar so, dass man den Eindruck hat, das Tier habe sich<br />

durch einen zum Teil verwitterten <strong>und</strong> hohlen Baum stamm<br />

hindurchgezwängt <strong>und</strong> schaue vorn wie<strong>der</strong> heraus. Es ist<br />

ein typi scher Husky, also ein Schlitten h<strong>und</strong>, dargestellt <strong>und</strong><br />

die Angabe des Verkäufers, <strong>der</strong> Stock sei aus Lapp land, also<br />

durchaus glaubhaft.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

87


Kombination eines Schnee <strong>und</strong> Eisstockes. Oben sieht<br />

man die lange eiserne Spitze unten den geflochtenen<br />

Schneeteller Museum Helsinki<br />

88<br />

Finnlandreise<br />

geschrieben<br />

1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

Zweimal habe ich in Stadtwappen in Finn land einen Stock<br />

gesehen. Beides sind zwar keine Spazierstöcke. Das eine<br />

Mal <strong>der</strong> ursprüngliche brutale Knüppel als unübersehbares<br />

Zeichen des Stärkeren, <strong>der</strong> seinen Arm verlängert <strong>und</strong> die<br />

kine tische Kraft verstärkt. Das an<strong>der</strong>e Mal die kultiviertere<br />

Form <strong>der</strong> <strong>Macht</strong>demon stration in Form des<br />

Marschallstabes.<br />

Die Keule des wilden Mannes in Lappeenranta ist tat<br />

sächlich eigentlich im Harz gewachsen. Nach den<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Bergleute dort durchstreifte <strong>der</strong> halbnack<br />

te wilde Mann die Wäl<strong>der</strong> des Harzes. Die Poeten <strong>der</strong><br />

Hoftheater machten aus ihm einen Dummen August. Mit<br />

den Bergleuten gelangte die Figur über Stockholm nach<br />

Finnland. Hier erlebte er eine neue Metamorphose. Aus<br />

dem belachten Tölpel wurde wie<strong>der</strong> ein Wil<strong>der</strong> mit vollem<br />

Bart <strong>und</strong> nur mit Lendenschurz bekleidet. Als solcher<br />

gelangte er dann in das Stadtwappen. Darf ich in diesem<br />

Zusammenhang auch daran erinnern, dass mit den<br />

Bergleuten aus Deutschland auch die Berghäckel ihren Weg<br />

nach Skandinavien gef<strong>und</strong>en haben. In Finnland habe ich<br />

allerdings keine gesehen.<br />

Mikkeli führt zwei gekreuzte Marschallstäbe <strong>und</strong> das<br />

Freiheitskreuz in seinem Wappen. Beides geht auf den<br />

Marschall C.G. Mannerheim zurück. Dieser hatte gegen<br />

Ende des Bürgerkrieges 1918, dann im Winterkrieg<br />

1939/40 <strong>und</strong> im sogenannten Fortsetzungskrieg 1941/44<br />

sein Hauptquartier in Mikkeli.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Den Stock als <strong>Macht</strong>symbol stellen auch die<br />

Dorfältestenstäbe (al<strong>der</strong>man) aus Westfinnland dar. Meist<br />

sind dies vierkantige Stöcke mit schön gedrechseltem Griff<br />

<strong>und</strong> teilweise auch gedrechselter Zwinge. Unten auf <strong>der</strong><br />

Seite sind drei aus dem Museum Helsinki abgebildet. Die<br />

Beschriftung ist oft auf allen vier Längsseiten teils in lateini<br />

schen Buchstaben <strong>und</strong> arabischen Zahlen, teilweise aber<br />

auch in Runen. Letztere wi<strong>der</strong>stehen für den Uneingeweih<br />

ten aber wohl oft auch für den K<strong>und</strong>igen einer Entzif<br />

ferung. Aber auch sonst kann man bestenfalls einen Namen<br />

<strong>und</strong> eine Jahreszahl entziffern. Der Größe nach <strong>und</strong> auch<br />

den Gebrauchsspuren an den Spitzen nach sind diese<br />

Stöcke auch als Gehstöcke benutzt worden.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

In Helsinki im<br />

Museum hing in <strong>der</strong><br />

Nähe von drei<br />

Dorfältestenstäben<br />

ein weiterer sechs<br />

kantiger Stab von<br />

etwa gleicher Länge<br />

<strong>und</strong> ähnlichem<br />

Aussehen. Wenn es<br />

nicht danebenge<br />

standen hätte, hätte<br />

ich es nicht erkannt,<br />

es handelte sich um<br />

einen Stab zum<br />

Schneemessen.<br />

Also letztlich ein<br />

Maßstab ähnlich<br />

einer Elle, die ich<br />

auch schon in solch<br />

er Länge gesehen<br />

habe, dass man sich<br />

gut vorstellen kann,<br />

dass diese von den<br />

Schnei<strong>der</strong>gesellen<br />

auf <strong>der</strong> Walz als<br />

Wan<strong>der</strong>stecken<br />

benutzt worden<br />

sind.<br />

Noch eine weitere<br />

Sorte von Stäben<br />

findet man in den<br />

finnischen Museen:<br />

den Kalen<strong>der</strong>stab.<br />

Auch dieser vier<br />

o<strong>der</strong> sechskantig mit<br />

oft gedrechseltem<br />

Griff <strong>und</strong> auch schon<br />

einmal mit eiserner<br />

Spitze, also sicher<br />

auch als Spazier stock<br />

gebraucht. <strong>Dr</strong>. J. M.<br />

Ritz schreibt in seinem<br />

Artikel “Stock <strong>und</strong> Stab”<br />

Finnlandreise<br />

1937, “... <strong>und</strong> von Gustav I.<br />

Wasa ( 1523 60 ) wird<br />

berichtet, dass er einen mit<br />

Gold eingelegten<br />

Kalen<strong>der</strong>stab als Spazierstock<br />

benutzt habe.” Die Kalen<br />

<strong>der</strong>stäbe gehören zu den<br />

Runenstäben. Ein komplet<br />

ter Runenkalen<strong>der</strong> hat drei<br />

Säulen: Eine für die<br />

Wochentage, eine für die<br />

feststehenden Festtage <strong>und</strong><br />

die letzte als Hilfe zum<br />

Ausrechnen <strong>der</strong> beweglichen<br />

Festtage. Kalen<strong>der</strong>stäbe<br />

waren auch für die<br />

Wettervorhersage wichtig.<br />

Es seien noch die<br />

Botenstäbe erwähnt, weil<br />

ich zwei davon in Helsinki<br />

neben den Stäben <strong>der</strong><br />

Dorfältesten fand. Sie sind<br />

beide deutlich kürzer als die<br />

Gehstöcke. Es handelt sich<br />

also um reine Symbolstöcke.<br />

Der eine keulenförmig<br />

gedrechselt mit eingeritzten<br />

Zeichen, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nur mit<br />

schön gedrechseltem Griff,<br />

sonst aus einem knorrigen,<br />

dicken Koniferenstamm<br />

bestehend. Botenstäbe dien<br />

ten zwei Aufgaben. Um<br />

diese Aufgaben zu verstehen<br />

muss man wissen, dass die<br />

einzelnen An wesen früher<br />

oft weit auseinan<strong>der</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Rückfragen nicht so<br />

leicht möglich waren. Erstens<br />

diente <strong>der</strong> Botenstab als<br />

Ausweis, dass <strong>der</strong> Bote<br />

sozusagen als Amtsperson<br />

kam. Zweitens wurden<br />

Botenstäbe aber auch als<br />

Kantrollmittel benutzt, wenn<br />

durch eine Botschaft zum<br />

Beispiel alle Dorfmitglie<strong>der</strong><br />

zu einer Versammlung ein<br />

berufen werden sollten. Der<br />

Stab ging dann mit <strong>der</strong><br />

Botschaft einen genau<br />

vorgeschriebenen Weg von<br />

einem zum an<strong>der</strong>en, bis er<br />

wie<strong>der</strong> beim Ausgangspunkt<br />

dem Dorfältesten zurück<br />

gegeben wurde. Dieser<br />

wusste jetzt, dass je<strong>der</strong><br />

benachrich tigt wurde.<br />

geschrieben<br />

1980<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

89


Stock zur<br />

Schneehöhe messen<br />

Museum Helsinki<br />

90<br />

Finnlandreise<br />

geschrieben<br />

1980<br />

Runenstab Museum Helsinki<br />

Zwei Botenstäbe<br />

Museum Helsinki<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

Kalen<strong>der</strong>stäbe, untere Abschnitte rechts<br />

vergrößert Museum Kuopio<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Runenstab<br />

Museum Kuopio<br />

1 <strong>und</strong> 2 Runenstäbe<br />

3 Kalen<strong>der</strong>stab<br />

Museum Helsinki<br />

geschrieben<br />

1989<br />

Finnlandreise<br />

Runenstab aus dem Museum Lahti<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

91


Ich weiß, dass ich mit den Runenstäben, Kalen<strong>der</strong>stäben,<br />

Ältestenstäben <strong>und</strong> Botenstäben ein Kapitel angeschnitten<br />

habe, dass denjenigen nicht interessieren wird, <strong>der</strong><br />

Spazierstöcke aus aesthetischen Gesichtspunkten heraus<br />

sammelt. Bei <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> Stöcke <strong>und</strong> ihrer<br />

Geschichte sollte man sie dennoch nicht vergessen.<br />

<strong>Dieter</strong> <strong>Banzhaf</strong><br />

92<br />

Finnlandreise<br />

Runen <strong>und</strong> Kalen<strong>der</strong>stäbe im<br />

Museum Kuopio<br />

wie sie ausgestellt wurden<br />

geschrieben<br />

1980<br />

Schöner schmiedeeiserner Stock <strong>und</strong><br />

Schirmstän<strong>der</strong> aus dem Museum von<br />

Kuopio.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 10. September 2010<br />

Literatur:<br />

Reinhold Dey, DuMont Kunst Reiseführer Skandinavien<br />

1979.<br />

National Museum of Finland-Guide, National Board of<br />

Antiquities and Historical Monuments.<br />

J.M. Ritz, Jahrbuch des Bayerischen Landesvereins für<br />

Heimatschutz, München 1937.<br />

Ausführliche Untersuchungen über Ältestenstäbe,<br />

Botenstäbe etc. in:<br />

Karl von Amira, Der Stab in <strong>der</strong> germanischen<br />

Rechtssymbolik. Abhandlungen <strong>der</strong> Königlich Bayerischen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften Philosophisch philologi<br />

sche <strong>und</strong> historische Klasse, XXV. Band, I. Abhand lung.<br />

München 1909.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

FOTOGRAFIEREIM VON SPAZIERSTÖCKEN.<br />

Will man an<strong>der</strong>e Mitmenschen an seinen Schätzen teilhaben lassen, muss man sie ihnen zeigen o<strong>der</strong> wenn<br />

dies aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, ihnen ein Bild schicken. Eigentlich ist dies ja ganz einfach.<br />

Man nehme einen Fotoapparat <strong>und</strong> mache ein Bild. Aber so ein paar Beson<strong>der</strong>heiten sind beim<br />

Fotografieren von Spazierstöcken dann doch dabei. Es handelt sich um relativ kleine Objekte - zumindest<br />

wenn man an den Griff denkt - <strong>und</strong> je nach Materialbeschaffenheit oft nur mit mäßigen Kontrasten.<br />

Trotzdem sollte es mit jedem einigermaßen ordentlichen Fotoapparat bei Beachtung einiger weniger<br />

gr<strong>und</strong>sätzlicher Bedingungen gelingen, ausreichend gute Bil<strong>der</strong> zu erstellen.<br />

1. Regel: So nahe heran wie möglich.<br />

2. Regel: So weit abblenden wie möglich.<br />

3. Regel: Möglichst diffuses Licht.<br />

'Zu Regel 1. So nahe heran wie möglich. Hier kommt es zunächst auf den Fotoapparat an, wie nahe<br />

man an das Objekt herangehen kann. Bei guten mo<strong>der</strong>nen Kleinbildapparaten kommt man bis 35 - 50 cm<br />

an das Objekt heran. Das genügt schon meist, um einen Stockgriff ausreichend groß abzubilden. Es besteht<br />

auch die Möglichkeit mit einfachen Vorsatzlinsen den Abbildungsmaßstab zu vergößern. Wer eine<br />

Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven hat, kann Zwischenringe benutzen. Zwischenringe <strong>und</strong><br />

Varioobjektive geben die optimale Lösung, da man damit praktisch jeden Ausschnitt aufs Bild bannen kann.<br />

Makroobjektive haben einen Zwischenring eingebaut <strong>und</strong> sind eine elegante Variante. Es muss von einem<br />

Stativ aus fotografiert werden, denn sonst ist eine ausreichende Scharfeinstellung bei großem Abbildungsmaßstab<br />

nur sehr schwer möglich. Ein normales Fotostativ genügt, wenn man den Stock an die Wand stellt<br />

o<strong>der</strong> ein Reprostativ, wenn man den Stock legen will. Die Scharfeinstellung erfolgt je nach Apparat über<br />

die Mattscheibe, den Entfernungsmesser o<strong>der</strong> mit dem Maßband.<br />

Zu Regel 2. So weit abblenden wie möglich. Wie möglich heißt in diesem Zusammenhang, die kleinste<br />

Blende des Fotoapparates wählen. Dies dürfte in <strong>der</strong> Regel die Blende 16 o<strong>der</strong> 22 sein. Daraus ergibt<br />

sich je nach den Lichtverhältnissen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Filmsorte eine mehr o<strong>der</strong> weniger lange Belichtungszeit.<br />

Zumindest immer zu lange, um aus <strong>der</strong> freien Hand zu fotografieren. Siehe oben: Stativ benutzen. Zum<br />

verwacklungsfreien Auslösen benötigen wir jetzt noch einen <strong>Dr</strong>ahtauslöser. Die Belichtungszeit muß sich<br />

also nach <strong>der</strong> Blende richten <strong>und</strong> nicht umgekehrt, da wir durch möglichst weites Abblenden die größtmögliche<br />

Tiefenschärfe bekommen. Bei so kleinen Objekten reagieren oft die automatischen Belichtungsmesser<br />

nicht ausreichend gut. Es ist deshalb zu empfehlen, immer noch zusätzlich eine Aufnahme mit<br />

einer kürzeren <strong>und</strong> eine mit einer längeren Belichtungs zeit zu machen.<br />

Zu Regel 3. Möglichst diffuses Licht. Für Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist die Frage <strong>der</strong> Lichtquelle nicht so<br />

wesentlich. Es kann gleichmäßiges Tageslicht sein o<strong>der</strong> Kunstlicht von Neonröhren o<strong>der</strong> normalen<br />

Glühlampen. Bei Farbaufnahmen nimmt man am besten Nitraphot-Lampen. Gebraucht man einen<br />

Kunstlichtfilm kann man nun so fotografieren; benutzt man hingegen einen Tageslichtfilm, ist zusätzlich ein<br />

Blaufilter ( B 12 ) nötig, um keine Farbverschiebungen zu bekommen. Silbergriffe würden ohne Filter wie<br />

Goldgriffe aussehen. Ich ziehe Kunstlicht vor, da man dann immer gleich bleibende Bedingungen hat. Um<br />

ein möglichst schattenfreies Licht zu bekommen, sollte man sich den Luxus leisten, zwei weiße Schirme<br />

in einem Fotogeschäft zu kaufen, die man vor den links <strong>und</strong> rechts vom Objekt aufgestellten Lampen befestigt.<br />

Dieses gleichmäßige schattenfreie Licht ist vor allem bei Silbergriffen wichtig, da man sonst vor lauter<br />

Reflexen keine Einzelheiten erkennen kann. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist auch Blitzlicht ungeeignet. Will man die<br />

Kontraste von Ornamenten <strong>und</strong> Verzierungen steigern, kann man eventuell die eine Lampe etwas weiter<br />

wegstellen o<strong>der</strong> von einer Seite zwei Lampen <strong>und</strong> von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite nur eine Lampe beleuchten lassen.<br />

Als Hintergr<strong>und</strong> kann man leicht getöntes farbiges Zeichenpapier o<strong>der</strong> einen glatten Stoff nehmen.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. August 2006<br />

93


94<br />

FOTOGRAFIEEN VON SPAZIERSTÖCKEN<br />

Für Schwarz-Weiß-Aufnahmen eignet sich am besten ein leichtes Grau, für die Farbaufnahmen je nach<br />

Material <strong>der</strong> Griffe <strong>und</strong> Stöcke ein Grün- o<strong>der</strong> Blauton.<br />

Wenn man die Aufnahmen auf einem Diafilm anfertigt, ist die Auswertung beson<strong>der</strong>s einfach, da man das<br />

Bild in einem Betrachtungsgerät sofort beurteilen kann <strong>und</strong> keine unnötigen - schlechten - Papierbil<strong>der</strong><br />

anfertigen lassen muß. D. B.<br />

Bemerkungen am 9. August 2006.<br />

Es sind 25 Jahre her seit ich diesen Artikel über das Fotografieren von Spazierstöcken schrieb. Aus heutiger<br />

Sicht muss man da einige Korrekturen anbringen. Fotografiert wird jetzt mit Digitalkameras. Sie sind<br />

meist so ausgerüstet, dass man bis auf wenige Zentimeter an das Objekt herangehen kann. Es ist also ohne<br />

Schwierigkeit möglich auch die Punzen bei Silbergriffen zu fotografieren. Allerdings gilt nach wie vor so weit<br />

Abblenden wir möglich <strong>und</strong><br />

ein Stativ benutzen. Es gibt<br />

eigentlich nur noch Farb-aufnahmen.<br />

Farbige Hintergründe<br />

haben sich nicht bewährt,<br />

da sie sehr oft ungleichmäßig<br />

werden. Ein weißer Zeichenkarton<br />

als Hintergr<strong>und</strong><br />

erscheint optimal. Kunstlicht<br />

ist nach wie vor geeignet,<br />

ebenso wie diffuses<br />

Tageslicht. Filter braucht man<br />

keine mehr. Wenn möglich<br />

sollte man im RAW-Format<br />

fotografieren.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 9. August 2006<br />

Die Hauptarbeit beginnt<br />

heute nach dem<br />

Fotografieren am Computer<br />

mit einem Bildbearbeitungsprogramm.<br />

Jetzt können die<br />

Fehlfarben entfernt werden.<br />

Das Objekt kann Freigestellt<br />

<strong>und</strong> ihm später wenn<br />

gewünscht ein gleichmäßiger<br />

Hintergr<strong>und</strong> gegeben werden.<br />

Kleine Belichtungsfehler<br />

können leicht ausgeglichen<br />

werden. Mehrere Aufnahmen<br />

können leicht zu einem<br />

Bild zusammengestellt werden,<br />

wie zum Beispiel Umschriften<br />

auf Griffen.<br />

D. B.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Wenn wir auch heute nicht<br />

mehr an jedem Weiher <strong>und</strong><br />

jedem Tümpel auf Frösche<br />

tref fen, so selten sind sie nun<br />

auch nicht <strong>und</strong> je<strong>der</strong> glaubt<br />

Frösche zu ken nen. Kennen<br />

wir die Frö sche aber wirk<br />

lich? Beim Studium ver<br />

schiedener Stockknäufe mit<br />

<strong>der</strong> Darstellung von Frö<br />

schen hatte ich so meine<br />

Bedenken.<br />

Da ist <strong>der</strong> eine Frosch mit<br />

den deutlich erkennbaren<br />

fünf Zehen an den<br />

Vor<strong>der</strong>iäufen. Bei dem<br />

an<strong>der</strong>en Frosch sieht man an<br />

den Vor<strong>der</strong>läufen <strong>und</strong> an<br />

den Hinterläufen vier<br />

Zehen, Und da gibt es noch<br />

den sehr schönen Stock<br />

knauf von Fabergé mit dem<br />

Frosch, <strong>der</strong> hat vorn vier<br />

<strong>und</strong> hinten fünf Zehen.<br />

Sind die Frösche anatomisch<br />

so unterschiedlich gebaut<br />

o<strong>der</strong> haben die Künstler <strong>der</strong><br />

Skulpturen, Schmuckstücke<br />

<strong>und</strong> Bil<strong>der</strong> schlicht schlecht<br />

beobachtet?<br />

Mein Hauptnachlagewerk<br />

ist in solchen Fällen DER<br />

GROSSE BROCKHAUS.<br />

Dort steht über Frosch<br />

lurche, zu denen die<br />

Frösche, Kröten, Kröten<br />

frösche, Laubfrösche <strong>und</strong><br />

Nasenfrösche gehören, sie<br />

hätten vierzehige Vor<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> fünfzehige Hinterglied<br />

maßen.<br />

Es ist also offensichtlich viel<br />

künstlerische Freiheit bei<br />

<strong>der</strong> Darstellung von Tieren<br />

zu erwarten. Unser lei<strong>der</strong><br />

viel zu früh verstorbener<br />

Stocksammter <strong>und</strong> Stock<br />

macher Theo Fossel, <strong>der</strong><br />

selbst auch Tierköpfe als<br />

Griffe schnitzte, vor allem<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

1997<br />

Stockbibliothek Nr. S.3.9.2.2. 001<br />

Hat <strong>der</strong> Frosch nun vier o<strong>der</strong> fünf Zehen?<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Enten, hatte immer als<br />

Referenzmodell ein o<strong>der</strong><br />

zwei Entenköpfe in <strong>der</strong><br />

Tiefkühltruhe. Er erzählte mir<br />

einmal, dass er, wenn er sich<br />

nicht ganz im Klaren sei wie<br />

er seinen Enten kopf schnitzen<br />

sollte, sich einen solchen<br />

tiefgefro renen Kopf zum<br />

Studium <strong>der</strong> Formen hervor<br />

hole <strong>und</strong> ihn genau anschaue,<br />

bevor er in seiner Arbeit fort<br />

fahre.<br />

Spazierstöcke sind immer<br />

wie<strong>der</strong> für eine Überra<br />

schung gut. Man darf sie nicht<br />

einfach in einen Stän<strong>der</strong><br />

stellen, son<strong>der</strong>n sie sich<br />

immer genau an schauen <strong>und</strong><br />

vielleicht auch ein wenig<br />

darüber meditieren<br />

Unten eine silberne<br />

Anstecknadel die bewusst<br />

etwas verzerrt aufgenommen<br />

wurde, um die richtige Anatomie<br />

dieser Darstellung zu zeigen.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. September 2010<br />

95


96<br />

Hat <strong>der</strong> Frosch nun vier o<strong>der</strong> fünf Zehen?<br />

geschrieben<br />

1997<br />

Oben links <strong>und</strong> unten<br />

rechts Spazierstockgriffe aus<br />

Elfenbein.<br />

Links Spazierstockgriff aus Silber.<br />

Der Frosch hat eingelegte<br />

Glasaugen<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 8. Sebtember 2010<br />

Froschskelett<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Schäfer mit Schäferstecken.<br />

Ungarische Hirtenschnitzerei aus dem Heimatmuseum in Buzsak.<br />

HIRTENSTÖCKE<br />

Als <strong>der</strong> Mensch anfing Tiere zu halten, legte er sich speziell geformte Stöcke als Hilfe beim Hüten <strong>und</strong> als<br />

Waffe gegen wilde Tiere zu. Ältester uns auf Abbildungen überlieferter Hütestock ist ein Stachelstab aus<br />

dem alten Ägypten. Er hat neben einem Haken zum Einfangen von Tieren vorn eine Spitze zum<br />

Antreiben. Es läßt sich nicht ohne weiteres klären, ob es sich in <strong>der</strong> Urform um einen Stab <strong>der</strong> Kamelo<strong>der</strong><br />

Eseltreiber handelte, o<strong>der</strong> ob er dem pflügenden Bauern beim "Anstacheln" <strong>der</strong> vor den Pflug<br />

gespannten Pferde o<strong>der</strong> Ochsen diente, o<strong>der</strong> Gebrauchsstock <strong>der</strong> Schaf- <strong>und</strong> Ziegenhirten war. Wenn<br />

man sich diesen Stock mit <strong>der</strong> Spitze vorn anschaut <strong>und</strong> an seinen Gebrauch denkt, versteht man leicht,<br />

was gemeint ist mit "wi<strong>der</strong> den Stachel löcken" (Apostelgeschichte 9,5).<br />

Aus diesen Stachelstöcken ging die eine Form <strong>der</strong> ägyptischen Königszepter hervor. Der Krummstab hingegen<br />

ist in seiner Urform <strong>der</strong> Stab <strong>der</strong> Schafhirten des Ostdeltas gewesen. Später betrachteten sich auch<br />

die christlichen Bischöfe als Hirten ihrer Gemeinde <strong>und</strong> wählten ebenfalls den Krummstab als<br />

Statussymbol. Die Bezeichnung Pastor (=lat. Hirte) läßt diesen Ursprung noch deutlich erkennen.<br />

Nach diesem kurzen geschichtlichen Ausflug zu den Hirten im vor<strong>der</strong>en Orient sollten wir wie<strong>der</strong> in die<br />

Gegenwart zurückkehren, denn altägyptische Hirtenstöcke gibt es nicht zu kaufen, man kann sie allenfalls<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

97


Ägyptischer Hirtenstab. Im Grab des<br />

Ipi in Theben ist ein Hirte mit einem<br />

solchen Stab abgebildet.<br />

98<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

Hirtenstöcke<br />

in Museen o<strong>der</strong> auf Bil<strong>der</strong>n betrachten. Wenn man mehr über<br />

Hirtenstöcke, die eventuell auch noch zu erwerben sind, erfahren<br />

will, sollte man sich in einem traditionellen Hirtenland<br />

umsehen. In Europa bietet sich da Ungarn an, wo es auch<br />

heute noch die verschiedensten Hirten gibt. Wir finden da<br />

Pferde- <strong>und</strong> Rin<strong>der</strong>hirten, Schaf- <strong>und</strong> Schweinehirten <strong>und</strong><br />

Gänsehirten. In an<strong>der</strong>en Balkanlän<strong>der</strong>n gibt es auch noch<br />

Ziegenhirten.<br />

Je nach Tierart benutzen nun die Hirten verschiedene<br />

Hirtenstöcke (Hütestöcke). Dies ist auch durchaus verständlich,<br />

da sich die einzelnen Tierarten verschieden verhalten <strong>und</strong> eine<br />

unterschiedliche Vitalität aufweisen. Auf die Ausbildung <strong>der</strong><br />

Hütestöcke hat aber auch die Landschaft, in <strong>der</strong> die Tiere<br />

gehalten werden, <strong>und</strong> die verschiedenartige Anpassung <strong>der</strong><br />

Tiere an diese Landschaft einen Einfluss. Als Beispiel mögen die<br />

Flachland- <strong>und</strong> die Bergschafe dienen.<br />

Einen Beinhaken nimmt man für Flachlandschafe. Diese wolligen<br />

Tiere haben feste stämmige Beine. Gebirgsschafe dagegen<br />

erfor<strong>der</strong>n einen Nackenhaken. Die Gebirgsschafe sind dickschädelig,<br />

aber sie haben dünne Beine; diese würden durchbrechen,<br />

wenn man mit einem Haken daran zöge. Bei den<br />

Nackenhaken handelt es sich meist um längere Stöcke, die<br />

Stöcke <strong>der</strong> Beinhaken dagegen sind kürzer <strong>und</strong> gefälliger. Für den eigentlichen Beinhaken liegen zumindest<br />

in England die Maße fest: "Der Durchmesser eines alten Penny in <strong>der</strong> Schlinge <strong>und</strong> <strong>der</strong> Durchmesser eines<br />

alten 1/2 Penny unterhalb <strong>der</strong> Krümmung". In Transdanubien (Ungarn) war <strong>der</strong> Haken so bemessen, dass<br />

das Bein des Schafes genau am Knie hineinpasste. In an<strong>der</strong>en Gegenden Ungarns entsprach er dem<br />

Knöchelmaß.<br />

Jetzt sind wir schon mittendrin in den Schäferstecken. In<br />

unseren Breiten ist <strong>der</strong> alleinige R<strong>und</strong>haken nicht so<br />

häufig, meist ist er in Verbindung mit einer Schippe<br />

geschmiedet. Fragt man nun nach <strong>der</strong> Bedeutung einer<br />

solchen kleinen Schaufel - übrigens manchmal auch am<br />

Stockende - so bekommt man in <strong>der</strong> Lüneburger<br />

Heide zur Antwort: "um damit etwas Sand nach einem<br />

ausbrechenden Schaf zu werfen", in Schottland: "um<br />

damit etwas Torf nach einem Schaf zu werfen." In an<strong>der</strong>en<br />

Gegenden sind es vielleicht Lehmbrocken o<strong>der</strong> einfach<br />

etwas Erde. Je nach Bodenart ist deshalb die<br />

Schippe auch etwas größer o<strong>der</strong> kleiner, vorn etwas<br />

mehr r<strong>und</strong> o<strong>der</strong> spitz zulaufend.<br />

So wird aus einem Schössling<br />

ein Spazierstock gemacht<br />

Im Hirtenmuseum in Hersbruck bei Nürnberg ist ein<br />

Schäferstecken mit einem beson<strong>der</strong>s langen Schuss<br />

ausgestellt, den Schafhirten in <strong>der</strong> Camargue benutzen.<br />

Diese verrichten nämlich ihre Hütearbeit des moorigen<br />

Bodens wegen auf Stelzen. Auf dem langen Stock stützen<br />

sie sich dann ab.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Hirtenstöcke<br />

Es gibt nun die verschiedensten Möglichkeiten für die Schäfer, zu ihren Stöcken zu kommen. Die Krümme<br />

kann aus Eisen geschmiedet sein. Je älter sie ist, umso schöner ist die handwerkliche Arbeit des Schmiedes.<br />

Sie kann aber auch, wie ich es in ungarischen Hirtenmuseen häufig sah, aus Kupfer o<strong>der</strong> Messing gegossen<br />

sein, mit ornamentalen o<strong>der</strong> figurativen Verzierun-gen <strong>und</strong> nach dem Guss ziseliert <strong>und</strong> poliert. Die<br />

Schippen, eventuell mit Bein- o<strong>der</strong> Nackenhaken, sind<br />

aus Eisenblech vom Schmied gefertigt. In allen diesen<br />

Fällen dient dann als Schuss ein Hasel-, Eichen- o<strong>der</strong><br />

Weißdornstecken, den sich <strong>der</strong> Schäfer selbst schneidet<br />

<strong>und</strong> einpasst.<br />

Schäferstecken mit Schippen aus Frankreich. Die beiden<br />

Originale stehen im Hirtenmuseum in Hersbruck.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Der Krummstab kann aber auch vom Schäfer selbst<br />

hergestellt werden. Er hat zwei gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Möglichkeiten. Entwe<strong>der</strong> wird <strong>der</strong> Stock aus einem<br />

Stück hergestellt o<strong>der</strong> Schuss <strong>und</strong> Krümme extra gearbeitet.<br />

Letzteres ist dann <strong>der</strong> Fall, wenn <strong>der</strong><br />

R<strong>und</strong>bogen aus Horn hergestellt wird. Das geeignete<br />

kräftige Horn findet <strong>der</strong> Schäfer auf seiner Weide.<br />

Wenn er es etwa zwei St<strong>und</strong>en kocht, kann er es biegen<br />

<strong>und</strong> in die richtige Form bringen. Mit <strong>Dr</strong>aht wird<br />

die Krümmung bis zum Erkalten fixiert. Mit Feile <strong>und</strong><br />

Messer werden dann die Feinarbeiten durchgeführt.<br />

Verzierungen <strong>und</strong> Schnitzarbeiten sind möglich <strong>und</strong><br />

wurden <strong>und</strong> werden häufig vorgenommen. Der<br />

Schäfer hat ja meist viel Zeit, wenn die Herde weidet.<br />

Den Schuss holt er sich wie<strong>der</strong> aus dem nächsten<br />

Gebüsch.<br />

Will man Schuss <strong>und</strong> R<strong>und</strong>haken aus einem Stück haben, so kann man zwar gr<strong>und</strong>sätzlich unsere heimischen<br />

Hölzer, wenn man sie kocht, biegen <strong>und</strong> sie behalten dann nach dem Erkalten ihre Form. Dies ist<br />

jedoch ein wohl nur selten von Schäfern angewandtes Verfahren. Erstens fehlen die großen Bottiche,<br />

zweitens lässt sich freihändig ein Stock nur sehr schwer in eine R<strong>und</strong>ung biegen <strong>und</strong> drittens flacht er, wenn<br />

nicht beson<strong>der</strong>e Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, im Bereich <strong>der</strong> R<strong>und</strong>ung leicht ab. Einfacher ist<br />

es dann schon, sich einen Stock mit einem entsprechend geformten Wurzelausläufer zu suchen <strong>und</strong> mit<br />

dem Messer <strong>der</strong> endgültigen Form nachzuhelfen. Man ist aber in diesem Fall auf den Zufall <strong>und</strong> die Launen<br />

<strong>der</strong> Natur angewiesen. Am häufigsten wird man wohl einen Schössling nehmen, <strong>der</strong> nach dem Fällen des<br />

Baumes seitlich aus dem Stumpf herausgewachsen ist. Zusammen mit einem Teil des Baumstumpfes wird<br />

er mit <strong>der</strong> flachen Seite des Beiles abgeschlagen. Ist es nur ein relativ kleiner Baumstumpf, kann man auch<br />

unterhalb des Astes den Stumpf absägen. Nun wird mit <strong>der</strong> Säge ein Brett aus dem Stumpf herausgeschnitten<br />

<strong>und</strong> aus diesem Brett die Krümme. Nachgearbeitet wird wie<strong>der</strong> mit Feile <strong>und</strong> Messer.<br />

Wenn man sich seine Stöcke aus dem Wald holt, hat man auch die Möglichkeit, schon vor <strong>der</strong> Ernte auf<br />

das Wachstum einzuwirken. Man kann zum Beispiel die seitlichen Äste des Schusses im Frühjahr abschneiden,<br />

so dass sie bis zum Herbst vernarben <strong>und</strong> schöne Knoten geben. Auch lassen sich mit <strong>der</strong> Ahle o<strong>der</strong><br />

dem Messer Einkerbungen anbringen, die dann von <strong>der</strong> Rinde in ein, zwei o<strong>der</strong> drei Jahren wie<strong>der</strong> überwuchert<br />

werden <strong>und</strong> ebenfalls schöne Narben ergeben. Entrindet werden die Stöcke, nachdem man sie<br />

über dem offenen Feuer erhitzt hat. Die Krümme aus Massivholz wurde häufig beschnitzt. Der entrindete<br />

<strong>und</strong> fertig geschnitzte Stock wurde sodann mit gelöschtem Kalk eingerieben o<strong>der</strong> eine zeitlang in einer<br />

Jauchegrube versenkt. Nach dem Abwaschen von Kalk o<strong>der</strong> Jauche hatte er eine schöne dunkelrote<br />

Färbung, die durch Einreihen mit Fett noch vertieft wurde.<br />

Um die alte Tradition <strong>der</strong> Schäfer, sich solche Schäferstecken herzustellen, nicht in Vergessenheit geraten<br />

zu lassen, haben die beiden Englän<strong>der</strong> David Grant <strong>und</strong> Edward Hart 1972 in ihrem Büchlein “Shepherds’<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

99


100<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

Hirtenstöcke<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Hirtenstöcke<br />

Crooks and Walking Sticks" diese Technik beschrieben. Man findet die gleichen Angaben auch, wenn man<br />

sich mit <strong>der</strong> deutschen bäuerlichen Handwerkskunst beschäftigt. Im allgemeinen hat o<strong>der</strong> hatte je<strong>der</strong> Hirte<br />

<strong>der</strong> etwas auf sich hält mehrere Stöcke. Die einfachen benutzte er zum Hüten, die schönen, oft reich verzierten,<br />

gehörten zur Tracht, mit denen ging man in die Stadt, auf ein Amt, zum Markt o<strong>der</strong> ins Wirtshaus.<br />

Bei den Schäfern wurde am Ende <strong>der</strong> Krümme oft ein Wid<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ein Wid<strong>der</strong>kopf dargestellt. Der<br />

Schäfer bildete eventuell auch sich selbst, manchmal zusammen mit einem Tier, ab. In England wurde aus<br />

den Schafhorngriffen oft ein Tier geschnitzt, das <strong>der</strong> Schäfer beim täglichen Gang durch die Fluren beobachtete.<br />

Forellen <strong>und</strong> Lachse, Wasserläufer <strong>und</strong> Eisvogel o<strong>der</strong> auch ein Reiher wurden dargestellt. Oft<br />

wurden die Tierszenen auch den eigentlichen Stock weiter hinab geschnitzt. Manchmal wurden diese<br />

Tierbil<strong>der</strong> auch eingefärbt.<br />

In Ungarn findet man einen typischen Hirtenstock, bei dem das obere Ende deutlich dicker ist. Aus <strong>der</strong><br />

verschiedenartigen Bezeichnung für diesen Stock geht teilweise <strong>der</strong> Verwendungszweck hervor, manch-<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Oben links: Stock aus Schottland.Der Griff ist aus Horn geschnitzt. Es ist die schottische Diestel dargestellt.<br />

Der Schuss ist aus einem Ochsenziemer. Samml. D. B. Oben rechts: 2 griechische Stockgriffe von<br />

Hirtenstöcken. Sie wurden im Hirtenmuseum in Hersbruck aufgenommen. Auf dem unteren Bild erkennt<br />

man neben einem geschnitzten fränkischen Schäferstecken einen Dachsstecher. Auch diese Stöcke wur<br />

den im Hirtenmuseum in Hersbruck aufgenommen.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

101


102<br />

Hirtenstöcke<br />

mal wird nur die Form beschrieben. Er wird entwe<strong>der</strong> einfach als Hirtenstock bezeichnet o<strong>der</strong> als<br />

Schweinehirten- o<strong>der</strong> Pferdehirtenstock, als Betyarenstock, als Prügel, Knotenstock o<strong>der</strong> auch als Bleistock<br />

o<strong>der</strong> Schläger. Das dickere Ende ist oft leicht gebogen. Die alten Hirten benutzten diese Stöcke zum<br />

Antreiben <strong>der</strong> Tiere, sie warfen sie auch einmal nach den Tieren, wenn diese ausbrechen wollten. Einen<br />

solchen Stock benutzten sie zum Abstützen. Aber man konnte sich auch darauf setzen. Kleinere Tiere, wie<br />

zum Beispiel Hasen, konnte man bequem damit totschlagen <strong>und</strong> hatte dann einen Braten. Ein solcher<br />

Stock spielte eine Rolle bei den Hirtentänzen <strong>und</strong> diente gelegentlich auch als Waffe. Bis 190 cm lang sind<br />

diese Stöcke, meist sind sie aber nur von Spazierstocklänge, also etwa 90 cm. Sie sind aus dem Holz <strong>der</strong><br />

Komelkirsche, vom H<strong>und</strong>sbeerstrauch, aus Weißdorn, Wildbirne, Eisbeere <strong>und</strong> natürlich aus Eiche, seltener<br />

aus Weidenholz. Im vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>t benutzten die ungarischen Hirten Stöcke, <strong>der</strong>en dickeres<br />

Ende mit Zinnguß verziert <strong>und</strong> beschwert war. Mit einem solchen Stock konnte man beim Werfen<br />

besser zielen. In <strong>der</strong> Hortobágy Puszta besaßen die Rin<strong>der</strong>hirten die dicksten <strong>und</strong> knorrigsten Stöcke. Die<br />

Pferdehirten hatten dünnere <strong>und</strong> die Schweinehirten die dünnsten, oben gebogenen Stöcke. Durch diese<br />

Biegung sollte verhin<strong>der</strong>t werden, dass man die Schweine verletzte, wenn man nach ihnen warf. Der<br />

Zinnguss wurde übrigens so ausgeführt, dass man zunächst mit dem Messer das spätere Muster aus dem<br />

Stock herausschnitzte. Das Muster mußte überall zusammenhängend sein. Anschließend wurden mehrere<br />

Lagen Zeitungspapier fest um das Stockende gewickelt <strong>und</strong> zwar so, dass oben ein Trichter offen blieb.<br />

In diesen Trichter goss man dann das flüssige Zinn, das alle in den Stock geschnittenen Vertiefungen ausfüllte.<br />

Mit Feile <strong>und</strong> Schmirgel wurde nachgearbeitet.<br />

In an<strong>der</strong>en Gegenden Ungarns wurden - beson<strong>der</strong>s von den Pferdehirten - nach 1900 Stöcke mit<br />

Messingbeschlag <strong>und</strong> Einlegearbeiten aus Metall, Hom, Bein <strong>und</strong> Kautschuk gefertigt. Oft wurde dann<br />

noch über das dickere Ende des Stockes ein Ring aus den Röhrenknochen des Rindes gearbeitet. Im<br />

Hirtenmuseum in <strong>der</strong> Hortobágy Puszta stehen solche Stöcke. Zwei davon seien beschrieben. Bei dem<br />

einen ist oben ein Pferd eingelegt. Von oben nach unten umlaufend sind dann in Einlegearbeit <strong>der</strong> Name,<br />

Blumen, ein Gewehr, ein Wappen <strong>und</strong> ein Haus zu sehen. Weiterhin die Jahreszahl 1934, ein Schäfer, ein<br />

Ziehbrunnen, ein Kessel <strong>und</strong> ein Weinkrug. Eine Reihe tiefer eine Kirche, ein Baum, eine Mühle <strong>und</strong> darauf<br />

ein Storch <strong>und</strong> daneben Bäume. Bei dem zweiten Stock sieht man oben auf dem Knauf einen achtzackigen<br />

Stern in den Farben weiß, rot <strong>und</strong> gelb. Umlaufend Blumen <strong>und</strong> Rankenmuster, einen Storch <strong>und</strong><br />

einen Reiter, einen Ziehbrunnen <strong>und</strong> ein Haus, kreuzförmige Blumen <strong>und</strong> Tulpenmotive.<br />

In Ungarn findet man noch ein typisches Hirtenutensil - die Hirtenaxt. Sie wurde als Hütewerkzeug <strong>und</strong><br />

gleichzeitig als Waffe benutzt. Das Blatt wurde vom Schmied angefertigt <strong>und</strong> bestand gewöhnlich aus Eisen,<br />

für festliche Gelegenheiten auch aus Messing o<strong>der</strong> Bronze. Das eiserne Blatt ist oft schön ziseliert <strong>und</strong><br />

geschärft. Die Schneide ist manchmal durch ein darübergezogenes Blech geschützt. Dieses Blech wurde<br />

mit einer Flügelschraube, die durch ein Loch in <strong>der</strong> Axt geführt wurde, befestigt. Die Hirtenäxte waren in<br />

Ungarn als gefährliche Waffen mehrmals verboten worden; vielleicht wollte man diese Verbote damit<br />

umgehen. Die aus Messing o<strong>der</strong> Bronze hergestellten Blätter hatten oft bereits durch den Guss eine<br />

Verzierung erhalten <strong>und</strong> sind eventuell nachziseliert worden. Nur die eisernen Äxte dienten zum Hüten,<br />

die an<strong>der</strong>en waren wie<strong>der</strong> Standesabzeichen <strong>und</strong> für den Ämter- o<strong>der</strong> Kirchgang o<strong>der</strong> für den Markt<br />

bestimmt. Der Holm - <strong>der</strong> eigentliche Stock dieser Beile - wurde von den Hirten selbst gefertigt <strong>und</strong> verziert.<br />

Die Verzierungen bestanden in Schnitzereien o<strong>der</strong>, wie bei den weiter oben beschriebenen<br />

Hirtenstöcken, in Einlegearbeiten. Hier gab es auch Ornamente aus Messingblech o<strong>der</strong> aus Messing- o<strong>der</strong><br />

Silberdraht eingelegt. Im vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t wurden diese Äxte eigentlich nur von den Schweinehirten<br />

benutzt, deshalb nannte man sie auch Schweinehirtenäxte. Das Blatt wurde im Laufe <strong>der</strong> Zeit etwas zierlicher<strong>und</strong><br />

kleiner. Es hat oft am unteren Blattrand eine kleine Ausbuchtung. Wenn man an dieser Stelle die<br />

Axt an einen Ast o<strong>der</strong> einen Nagel hängt, zeigt <strong>der</strong> Stock genau senkrecht nach unten. Der Nutzen dieser<br />

Axt wird von Janos Manga (Ungarische Hirtenschnitzereien) so beschrieben: "Blieb ein Tier mit dem<br />

Bein in den Wurzeln hängen, so befreite es <strong>der</strong> Hirt mit <strong>der</strong> Axt. Mit seiner Axt hieb er die schönsten Äste<br />

für die Hirtenstöcke ab, mit ihr verteidigte er sich gegen wildgewordene Eber, Wildschweine, Wölfe <strong>und</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Hirtenstöcke<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

H rtenstöcke aus ungar schen H rtenmuseen.<br />

L nks e nfacher geschn tzter Stock. Daneben zwe Stöcke m t E n egearbe ten aus versch edenfarb gen<br />

Mater a en. Es fo gen zwe Stöcke m t Verz erungen aus Z nn. E nfacher geschn tzter Schäferstecken <strong>und</strong> ganz<br />

rechts außen Schäferstecken Gr ff aus Mess ng gegossen m t e ngebrannter nschr ft m Schuss.<br />

103


104<br />

H rtenäxte aus dem H rtenmuseum<br />

n <strong>der</strong> Hortobágy Puszta n Ungarn<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

Hirtenstöcke<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Hirtenstöcke<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

Hirtenstöcke aus <strong>der</strong> eigenen Sammlung.<br />

Oben links englischer Schäferstecken mit<br />

einem aus Eisen geschmiedeten Haken.<br />

Daneben zwei ungarische Schäferstecken<br />

mit Messingkrümme.<br />

Links außen ungarischer Schweinehirten<br />

stock mit einer Zinnverzierung <strong>und</strong> be<br />

schwerung.<br />

Daneben ein geschnitzter Stock,<br />

Süddeutschland, mit Bartmann (Schäfer )<br />

<strong>und</strong> Wid<strong>der</strong>darstellung.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

105


106<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

Hirtenstöcke<br />

Oben zwei ungarische Schweinehirtenäxte. Links aus <strong>der</strong><br />

Sammlung D. B. rechts aus <strong>der</strong> Sammlung Krammig.<br />

Links eine Goralenaxt aus <strong>der</strong> Sammlung Krammig.Es<br />

handelt sich um eine sogenannte "Ciupaga". Der Stiel ist<br />

mit Metallringen <strong>und</strong> beschlägen verziert. Das Blatt<br />

besteht aus Messing mit eingeritzten Mustern. Die<br />

"Ciupaga" gehört zur Tracht <strong>der</strong> Goralen. Goralen sind<br />

die Bergbewohner <strong>der</strong> Westkarpaten, vorwiegend<br />

Viehzüchter.<br />

Literatur: Irena Czamecka,Polnische<br />

Volkskunst.Polonia/Warszawa 1957,3.182.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Hirtenstöcke<br />

Schlangen. Um die Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts waren zahlreiche Schweinehirten so geschickt im<br />

Axtwerfen, dass sie aus einer Entfernung von fünfunzwanzig bis dreißig Schritt das Schwein genau hinter<br />

das Ohr trafen <strong>und</strong> es sofort zusammenbrach. Bei den Schweinehirtentänzen fochten sie mit ihrem Beil,<br />

dass die Funken stoben, <strong>und</strong> zum Schluss warfen sie es nach einem Balken, wo es mit <strong>der</strong> Schneide im<br />

Holz steckenblieb. Mitunter wurde es natürlich auch bei Schlägereien benutzt, weshalb die Behörden den<br />

Gebrauch dieser gefährlichen Waffen immer wie<strong>der</strong> verboten."<br />

Im Hirtenmuseum Hersbruck sind noch zwei an<strong>der</strong>e Arten von Hirtenstöcken ausgestellt. Das eine ist ein<br />

Dachsstecher. An einem gezwickten Schuss befindet sich unten eine lange eiserne Spitze. Damit sollen die<br />

Hirten früher die Dachse getötet haben, <strong>der</strong>en Fett sie für allerlei Heilmittel - für Mensch <strong>und</strong> Tier -<br />

gebrauchten. Das zweite sind Kettenstöcke o<strong>der</strong> Stöcke, bei denen eiserne Ringe angebracht waren.<br />

Wollte <strong>der</strong> Hirte die Tiere treiben, so rasselte er mit solch einem Stock o<strong>der</strong> warf ihn auch einmal nach<br />

einem ausbrechenden Tier. Gänsehirten o<strong>der</strong> -hirtinnen kommen mit einem einfachen Stecken aus, an<br />

dem oft vorn noch ein paar Blätter sind.<br />

In bestimmten Gegenden Deutschlands galt <strong>der</strong> Hirtenstab auch als Ausweis <strong>und</strong> als Standeszeichen für<br />

das Hirtenamt <strong>und</strong> er konnte deshalb auch gepfändet werden. Um seine Unschuld beim Verlust eines<br />

Tieres zu beweisen, konnte ein Hirte auch beim Fehlen von Zeugen auf den Hirtenstab schwören. In<br />

manchen Gegenden sprach <strong>der</strong> Hirte über seinem Stock einen Segen, damit, wenn er denselben in <strong>der</strong><br />

Mitte <strong>der</strong> Herde in den Boden steckte, sich kein Tier weiter als einen "Roßlauf o<strong>der</strong> eine Ackerlänge" entfernte.<br />

Begehrt ist auch ein Stock mit neun Krümmungen, denn er soll ebenfalls die Herde zusammenhalten,<br />

wenn man ihn mitten in <strong>der</strong> Herde in den Boden steckt. Herr <strong>Dr</strong>. Huschens aus Aachen schrieb mir von<br />

den Pigsticks - den Schweinestäben - aus Burma. "Es handelt sich um 60 cm lange Stäbe von etwa kleinfingerstärke,<br />

die aus Hartholz bestehen <strong>und</strong> mäßig stark verzierend geschnitzt sind. Im unteren Anteil sind<br />

sie dabei speerhaft zugespitzt, damit man sie in den Boden stecken kann, <strong>und</strong> zwar im Bereich von etwa<br />

10-12 cm lang. Im oberen Anteil ist eine immer wie<strong>der</strong>kehrende <strong>und</strong> sich ähnelnde Figur dargestellt, die<br />

ein Ahne sein soll. Da diese Ahnen anscheinend nichts mehr zu tun haben, werden sie veranlaßt, auf die<br />

Schweine aufzupassen, die an diesem in den Boden gesteckten Stab angepflockt werden. Das Gesicht dieser<br />

hockenden Ahnenfigur muss dabei zum Meer gerichtet sein, da vom Meer her alles Böse nach den<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Burmesen kommt." Dieses Aufpassen soll vorzüglich vonstatten gehen.<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Hirtenmuseen.<br />

Deutsches Hirtenmuseum in Hersbruck bei Nürnberg.<br />

2 Hirtenmuseen in <strong>der</strong> Hortobagy Puszta in Ungarn.<br />

Hirtenmuseum in <strong>der</strong> Bugac Puszta in Ungarn.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Weiterführende Literatur.<br />

Der gemeine Hirte, Rainer G.Schöller, 1973, Verl.Korn u.Berg, Nürnberg.<br />

Deutsches Hirtenmuseum Hersbruck, Ernst Pflaumer, 1978, Karl Pfeiffer's Buchdruckerei <strong>und</strong> Verlag, Hersbruck.<br />

Ungarische Hirtenschnitzereien, Janos Manga.<br />

Der Stab in <strong>der</strong> germanischen Rechtssymbolik, Karl v.Amira, 1909, München.<br />

Stöcke <strong>und</strong> Stäbe im Pharaonischen Ägypten, Ali Hassan, 1976, Deutscher Kunstverlag, München.<br />

Shepherds’ Crooks and Walking Sticks, David Grant and Edward Hart, 1976, Dalesman Book.<br />

geschrieben<br />

Dezember 1981<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 6. August 2006<br />

107


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Jona <strong>und</strong> Tobias<br />

Vorzüglich geschnitzter 10,5 cm hoher<br />

Elfenbeinknauf mit <strong>der</strong> Darstellung eines<br />

Mannes dessen Kopf von einem großen<br />

Ungeheuer gepackt wird. Auffallend sind<br />

links <strong>und</strong> rechts des Kopfes Schläfenlocken<br />

wie bei einem gläubigen Juden. Bei<br />

genauerem Hinschauen erscheint auch das<br />

Gesicht das eines Juden zu sein. Das Tier<br />

hat einen sehr großen Kopf mit langen<br />

Zähnen <strong>und</strong> großen Schuppen <strong>und</strong> endet in<br />

einem langen dünnen Schwanz <strong>der</strong> sich<br />

unter den Füßen des Mannes bis zu dessen<br />

linker Hand erstreckt. Eine Schwanzflosse ist<br />

nicht zu erkennen. Was wie ein großes Ohr<br />

des Ungeheuers aussieht, könnte eine<br />

Kiemenflosse sein. Über dem rechten Auge<br />

erkennt man eine kräftige "Augenbraue".<br />

Über dem linken Auge ist diese<br />

"Augenbraue" ausgeklappt <strong>und</strong> sieht wie ein<br />

großes Blatt aus. Die Figur steht auf einem<br />

kleinen Sockel. Hinter dem Mann sind<br />

große Wellen zu erkennen. Es dürfte sich<br />

um eine flämische Arbeit aus dem 17.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t handeln. Der Schuss ist aus fein<br />

geflammten Schlangenholz <strong>und</strong> hat einen<br />

Hirschhornabsatz. Die Gesamtlänge des<br />

Stockes beträgt 99 cm.<br />

Jona <strong>und</strong> Tobias haben im alten Testament beide etwas mit<br />

einem Fisch zu tun. Die wesentlichen Textpassagen sind im<br />

folgenden nachzulesen. Zunächst erscheint es gar nicht so<br />

einfach, den vorliegenden Stockgriff dem einen o<strong>der</strong> dem<br />

an<strong>der</strong>en zuzuweisen. Einmal ganz numerisch betrachtet ist<br />

Jona in <strong>der</strong> darstellenden Kunst deutlich öfter vertreten als<br />

Tobias. Dies allein besagt natürlich noch nicht sehr viel.<br />

Tobias Kapitel 6.<br />

Tobias fängt im Fluß Tigris einen son<strong>der</strong>lichen Fisch.<br />

1. Und Tobias zog hin, <strong>und</strong> sein Hündlein lief mit ihm. Und die<br />

erste Tagereise blieb er bei dem Wasser Tigris.<br />

2. Und er ging hin, dass er seine Füße wüsche; <strong>und</strong> siehe, ein gro<br />

ßer Fisch fuhr heraus, ihn zu verschlingen.<br />

3. Vor dem erschrak Tobias <strong>und</strong> schrie mit lauter Stimme <strong>und</strong><br />

sprach: “O Herr, er will mich fressen!”<br />

4. Und <strong>der</strong> Engel sprach zu ihm: “Ergreife ihn bei den Floßfe<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> ziehe ihn heraus!”<br />

5. Und er zog ihn aufs Land; da zappelte er vor seinen Füßen.<br />

6. Da sprach <strong>der</strong> Engel: “Haue den Fisch voneinan<strong>der</strong>: das Herz,<br />

die Galle <strong>und</strong> die Leber behalte dir, denn sie sind sehr gut zu<br />

Arznei.”<br />

7. Und Tobias tat, wie ihm <strong>der</strong> Engel gesagt hatte; den Fisch aber<br />

geschrieben<br />

vor 2004<br />

Jona <strong>und</strong> Tobias<br />

brieten <strong>und</strong> aßen sie. Und sie reisten weiter miteinan<strong>der</strong>, bis sie<br />

kamen nahe zu Ekbatana.<br />

Prophet Jona.<br />

Über den Prophet Jona wird geschrieben, dass er von Gott den<br />

Auftrag bekam gegen Ninive zu ziehen "<strong>und</strong> predige wi<strong>der</strong> sie!<br />

denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich." Er aber flüchte<br />

te auf einem Schiff in Richtung Tharsis. Da schickte Gott einen<br />

schweren Sturm <strong>und</strong> <strong>der</strong> beruhigte sich erst, als die Seeleute, die<br />

von <strong>der</strong> Verfehlung des Jona wußten, ihn ins Meer warfen. "Aber<br />

<strong>der</strong> Herr verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen.<br />

Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage <strong>und</strong> drei Nächte."<br />

Jona betete <strong>und</strong> bereute. "Und <strong>der</strong> Herr sprach zum Fische, <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> spie Jona aus ans Land."<br />

Bei Tobias <strong>und</strong> auch bei Jona ist von einem "großen Fisch"<br />

die Rede. Um was für einen Fisch es sich handelt wird nicht<br />

gesagt. Von einem Walfisch ist hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> die Rede.<br />

Nun im Tigris sicher nicht. Vermutlich dürfte <strong>der</strong> größte dort<br />

vorkommende Fisch ein Stör o<strong>der</strong> vielleicht auch ein Waller<br />

gewesen sein.<br />

Wenn man sich mit <strong>der</strong> darstellenden Kunst etwas näher<br />

befaßt, stellt man fest, dass zwar <strong>der</strong> Fisch ein Attribut des<br />

Tobias ist, aber es ist fast immer ein kleiner Fisch. Also kann<br />

man Tobias zunächst einmal bei dem Erklärungsversuch,<br />

wer <strong>und</strong> was auf dem Stockgriff dargestellt ist, ausscheiden.<br />

Bei Jona wird das Geschöpf, das ihn verschlingt <strong>und</strong> später<br />

wie<strong>der</strong> ausspeit in <strong>der</strong> griechischen Übersetzung ketos<br />

genannt. Ein ketos ist aber kein Fisch, son<strong>der</strong>n ein<br />

Meeresdrache. Und dieser wird als ein Mischwesen<br />

beschrieben mit <strong>der</strong> Brust <strong>und</strong> den Pranken eines Löwen<br />

<strong>und</strong> dem Leib einer gew<strong>und</strong>enen Schlange, <strong>der</strong>en Schwanz<br />

in einer Fischflosse endet. Das auf einem langen Hals sitzen<br />

de furchterregende Haupt kann von wechseln<strong>der</strong> Gestalt<br />

sein. Im jüdischen Bereich entspricht <strong>der</strong> Leviathan dem<br />

griechischen ketos.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 23. November 2006<br />

Darstellung eines<br />

Ketos auf einer<br />

griechischen Vase<br />

aus <strong>der</strong> Univesity<br />

Collection in<br />

Zürich. Perseus<br />

tötete den<br />

Fischdrachen.<br />

Auf vielen frühchristlichen Darstellungen sieht man Jona, wie<br />

er mit dem Kopf voraus <strong>und</strong> mit ausgestreckten Armen von<br />

dem Meerdrachen ausgespien wird. Jona wurde zu einem<br />

Symbol <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>auferstehung für die Christen. Deshalb<br />

auch die häufige Darstellung auf frühchristlischen<br />

Sarkophagen.<br />

109


Wo aber kommt <strong>der</strong> später immer wie<strong>der</strong> erwähnte<br />

Walfisch her? Der hl. Augustin (354 430) hat, als er das<br />

Gerippe eines Walfisches sah, seine Zuhörer darauf auf<br />

merksam gemacht, dass in einem Wal mehrere Personen<br />

Platz hätten <strong>und</strong> die Künstler bei <strong>der</strong> Jona Darstellung statt<br />

<strong>der</strong> Ungeheuer <strong>und</strong> <strong>Dr</strong>achen ruhig auch einen Walfisch dar<br />

stellen könnten. Und so geschah es. Dass <strong>der</strong> Schl<strong>und</strong> eines<br />

Walfisches für einen Menschen viel zu eng ist, hat damals<br />

niemanden interessiert.<br />

Wenn man sich die Figur des Stockknaufes genauer<br />

anschaut, erkennt man , dass sich über die rechte Hüfte <strong>der</strong><br />

Ast einer Pflanze hinzieht <strong>und</strong> das letzte Blatt das Genitale<br />

bedeckt. Auch dies dürfte eine Allegorie sein. Jona ist oft<br />

unter einem Baum dargestellt. Dieser biblische Baum ist im<br />

Hebräischen <strong>der</strong> Rizinus (kikajon), in <strong>der</strong> griechischen Über<br />

setzung <strong>der</strong> Kürbis (kolokunte) <strong>und</strong> schließlich machte<br />

Hieronymus in seiner lateinischen Übersetzung daraus den<br />

Efeu (he<strong>der</strong>a). Die Blätter die hier dargestellt sind können<br />

nur schwer gedeutet werden. Rizinus ist es sicher nicht, da<br />

viel größer, dies gilt auch für den Kürbis. Efeublätter in ihrer<br />

Altersform könnten es sein.<br />

110<br />

Jona <strong>und</strong> Tobias<br />

geschrieben<br />

vor 2004<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 23. November 2006<br />

Bleibt zum Schluss zu sagen: alles deutet darauf hin, dass<br />

Jona dargestellt wurde, wie er gerade vom Walfisch gefres<br />

sen wird.<br />

Jona ist immer wie<strong>der</strong> einmal auf Stockgriffen dargestellt<br />

worden, jedoch meist wie er Kopf voraus von einem<br />

Ungeheuer o<strong>der</strong> Fisch ausgespien wurde.<br />

Elfenbeinknauf eines russischen Stockgriffes aus <strong>der</strong> ersten<br />

Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Größe 10,5 mal 3,5 cm.<br />

Dargestellt ist Jona im Schl<strong>und</strong> des Walfisches.<br />

Aufgenommen im Deutschen Elfenbeinmuseum in Erbach<br />

bei einer Son<strong>der</strong>ausstellung 1987.<br />

Hier noch ein vergoldeter silberner Stockgriff mit <strong>der</strong><br />

Darstellung des Jona wie er vom Walfisch ausgespien wird.<br />

Auch hier sind die großen Kiemenflossen zu erkennen. Jona<br />

hat eine Fe<strong>der</strong>krone auf dem Kopf. Die Krücke hat eine<br />

Länge von 12 cm <strong>und</strong> Höhe von 8 cm. Der Schuss ist aus<br />

Zebranoholz. Der Stock ist in einer Privatsammlung.<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

<strong>Dr</strong>. med <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Kaiser-Wilhelm-Platz 5, 7100 Heilbronn<br />

Jugertstilstockgriff<br />

Als ich diesen Griff mit <strong>der</strong> schönen<br />

Meermaid erwarb, nahm ich zwar<br />

an, daß es sich um ein Jugendstilstück<br />

handelte, aber so sicher war<br />

ich mir nun auch nicht. Auf dem<br />

Griff stand ALPAKA. In dem Griff<br />

verborgen war ein kleines Schildchen.<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite stand: "la<br />

Alpacca, versilbert”. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite war handschriftlich <strong>der</strong><br />

Vermerk: “No 99" angebracht. Ich<br />

nahm an, daß es sich um eine<br />

Katalognummer handeln müsse.<br />

Dies hat sich später bestätigt.Einige<br />

Zeit nach dem Erwerb des Griffes<br />

entdeckte ich auf einer Antiquitätenausstellung<br />

einen dem meinen entsprechenden<br />

Griff. Auf ihm entdeckte<br />

ich die Firmenpunz “ JP “in einem<br />

Sonnenrad. Jetzt wußte ich wo <strong>der</strong><br />

Griff ursprünglich herkam. Es war<br />

die Firma Josef Pauser aus Schwäbisch-<br />

Gmünd.<br />

Wie<strong>der</strong> einige Zeit später fiel mir ein handgezeichnetes Musterbuch <strong>der</strong> Firma Josef Pauser in die Hände.<br />

Als Nummer 99 fand ich meine Schöne vom Stockgriff, lediglich das Schuppenkleid auf dem Unterleib<br />

fehlte. Das Entstehungsdatum läßt sich einigermaßen genau ermitteln. In einer alten einschlägigen<br />

Zeitschrift fand ich den Hinweis, daß Josef Pauser am 24. Mai 1904, vormittags 10 Uhr, im Königlichen<br />

Amtsgericht von Gmünd, verschiedene Stock- <strong>und</strong> Schirmgriffe zum Musterschutz angemeldet hat.Die<br />

niedrigste Stockgriffnummer war 259. Man darf also mit Recht annhmen, daß <strong>der</strong> Entwurf meines<br />

Stockgriffs mit <strong>der</strong> Nummer 99 vor dem Jahre 1904 zu datieren ist. Es handelt sich also tatsächlich um<br />

einen Jugendstilgriff.<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

111


112<br />

geschrieben<br />

Dezember 1979<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 15. Juni 2006<br />

Jugendstilgriff<br />

Oben: Seite aus dem handgezeichneten<br />

Musterbuch <strong>der</strong> Firma Pauser.<br />

Links: Aus “Die Schirm Industrie”<br />

Nr. 12 von 1904, Seite 244<br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>


Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

geschrieben<br />

November 1983<br />

LE MAKILA<br />

Wenn einer eine Reise tut ..... Natürlich war es nicht ganz<br />

<strong>der</strong> reine Zufall, dass ich in das Musée Basque ging, als ich<br />

auf meiner diesjährigen Ferienreise durch Frankreich nach<br />

Bayonne kam. Museen ziehen mich immer magisch an <strong>und</strong><br />

wenn man sie gezielt besucht, findet man auch immer<br />

irgend etwas Interessantes. Und in diesem Museum stand<br />

ich plötzlich in einem kleinen Raum, in dem sich eine grö<br />

ßere Anzahl Makilas befanden.<br />

Der Makila (im Französischen heißt er le Makila o<strong>der</strong> le<br />

Makhila) ist ein typisch baskischer Stock <strong>und</strong> die Basken sind<br />

so stolz auf ihren Makila, dass sie ihn als Ehrengabe an hoch<br />

gestellte Persönlichkeiten verleihen. Bei <strong>der</strong> Ehren Makila ist<br />

<strong>der</strong> Griff meist aus Silber o<strong>der</strong> Neusilber. Diese Kleinode<br />

<strong>der</strong> baskischen Handwerkskunst sind zum Beispiel den<br />

Päpsten Benedikt XV <strong>und</strong> Pius X, dem Zar von Russland,<br />

den Marschällen Joffre, Foch, Petain, Montgommery,<br />

General de Gaulle, König Boris von Bulgarien, Königin<br />

Wilhelmine <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande <strong>und</strong> Präsident Pompidou ver<br />

ehrt worden. An an<strong>der</strong>er Stelle finden sich noch die Namen<br />

von Napoleon III., Poincare <strong>und</strong> des Marschall Clemenceau<br />

<strong>und</strong> aus neuerer Zeit Stalin, Churchill, Sheila, Mireille<br />

Mathieu <strong>und</strong> Andre Dassary als Besitzer von Ehren Makilas.<br />

Aber jetzt habe ich doch von hinten angefangen. Was ist nun<br />

eigentlich ein Makila? Es ist zunächst einmal ein Spazierstock.<br />

Aber es ist auch eine Waffe mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> Baske seine Ehre,<br />

die Ehre seiner Familie <strong>und</strong> die seines Dorfes verteidigt. Er<br />

ist für ihn wie ein Kavaliersschwert. Er ist, wie wir noch<br />

sehen werden, eine fürchterliche Schlag <strong>und</strong> Hiebwaffe, die<br />

in früheren Zeiten überallhin mitgenommen wurde. Man<br />

führte ihn, sowohl auf <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>schaft, als auch beim<br />

Besuch des Marktes, beim Gang zum Ballhaus o<strong>der</strong> sogar<br />

beim Gang zur Kirche mit sich. Man sagte "es war auf dem<br />

Markt langweilig" wenn man sich nicht trotz <strong>der</strong> Verbote<br />

dort geprügelt hatte. Der Marquis d'Arcangues hatte im<br />

Jahre 1820 das Tragen von eisenbeschlagenen Stöcken ver<br />

boten. Auch <strong>der</strong> zweite Waffenteil des Makila, <strong>der</strong> eisenge<br />

schmiedete Spieß, wurde immer wie<strong>der</strong> verboten. 1900 in<br />

Bayonne <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Städten.<br />

Für den Namen Makila gibt es verschiedene Erklärungen.<br />

Die einen leiten es von dem hebräischen Wort Makel<br />

Stock ab, die an<strong>der</strong>en wollen in dem lateinischen baculus<br />

Stock, den Wortursprung sehen. Die Basken denken natür<br />

lich auch an ihre eigene Sprache <strong>und</strong> da gibt es das Wort<br />

Emakhila was so viel wie den Tod geben bedeutet. Im<br />

Hinblick auf die Gefährlichkeit <strong>der</strong> Waffe eine durchaus<br />

glaubhafte Erklärung. Wahrscheinlich wäre dann die Über<br />

setzung mit "Totschläger" die treffendste. Die Gefährlichkeit<br />

dieser Stich <strong>und</strong> Schlagwaffe wird noch deutlicher, wenn<br />

man den Artikel von U. Klever über den Stock als Waffe in<br />

DER STOCKSAMMLER Nr. 5 gelesen hat.<br />

Aber jetzt muss ich doch erklären, wie so ein Stock traditio<br />

nell gefertigt wird <strong>und</strong> aus was für Teilen er besteht. In dem<br />

"Führer für Pilger nach St. Jaques de Compostella" von<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 14. August 2006<br />

113


Aymeri Picaud wird schon 1160 <strong>der</strong> Makila beschrieben,<br />

später in Schriften des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts. In <strong>der</strong> heutigen<br />

Form wird er etwa seit 1900 hergestellt. Der Schuss<br />

besteht aus einem Schössling <strong>der</strong> wilden Mispel, Kastanie,<br />

wil<strong>der</strong> Quitte o<strong>der</strong> wil<strong>der</strong> Haselnuss. Noch am grünen<br />

Holz, wenn <strong>der</strong> Saft steigt, werden von den Handwerkern<br />

mit dem Messer Linien <strong>und</strong> Kerbmuster in <strong>der</strong> Rinde ange<br />

bracht. Übers Jahr haben sich dann an diesen Stellen leicht<br />

erhöhte Narben gebildet, die nach dem Ernten <strong>der</strong> Stöcke<br />

<strong>und</strong> dem Entfernen <strong>der</strong> Rinde zum Vorschein kommen.<br />

Nach Geheimrezepten werden die Schüsse dann einge<br />

färbt. Den Abschluss nach unten bildet eine gravierte o<strong>der</strong><br />

auch fein getriebene Metallhülse,die mit Blei gefüllt <strong>und</strong><br />

beschwert ist. Dadurch erhält <strong>der</strong> Makila seine Wirkung als<br />

Schlagstock. Es folgt ein in <strong>der</strong> Mitte durchbohrtes<br />

Geldstück <strong>und</strong> die eigentliche vierflügelige eiserne Spitze.<br />

Im oberen Teil des Schusses ist eine handgeschmiedete<br />

eiserne Spitze eingeschraubt. Sie ist unter dem aufge<br />

schraubten Griff verborgen. Dieser Griff besteht aus einer<br />

mit Le<strong>der</strong> bezogenen Metallhülse. Das Le<strong>der</strong> wird nach<br />

114<br />

LE MAKILA<br />

Auf dieser Abbildung kan man die schön genarbten Schüsse<br />

<strong>und</strong> die fein gravierten Abschlussbleche mit den Münzen<br />

<strong>und</strong> den verschiedenen Spitzen erkennen. Diese Makilas<br />

sind im Museum von Bayonne zu sehen.<br />

geschrieben<br />

November 1983<br />

zuletzt bearbeitet<br />

am 14. August 2006<br />

eifersüchtig vom Künstler gehütetem Geheimnis <strong>und</strong> nach<br />

<strong>der</strong> Familientradition in speziellen Mustern geflochten. Der<br />

Griff endet in einem Knauf aus hartem Büffelhorn, <strong>der</strong> eine<br />

Baskenmütze symbolisiert. Unterhalb des Knaufes ist die<br />

Metallhülse nicht mit Le<strong>der</strong> umflochten <strong>und</strong> hier findet man<br />

oft kurze Inschriften o<strong>der</strong> den Namen des Besitzers o<strong>der</strong><br />

des Künstlers <strong>der</strong> den Stock hergestellt hat.<br />

Folgende Worte kann man eingraviert finden: "HITZA HITZ"<br />

ein Wort ist ein Wort; "ENE BIDEKO LAGUNA" mein<br />

Weggefährte; "NEREKIN NEHOREN BELDUR" mit mir vor<br />

niemand Angst; "NEREKIN BETI XUXEN" mit mir, immer<br />

geradeaus.<br />

Am Griff ist ein geflochtenes Le<strong>der</strong>band befestigt, damit<br />

kann man den Makila am Handgelenk tragen. Damit ist es<br />

auch möglich mit <strong>der</strong> Makila jene schrecklichen<br />

<strong>Dr</strong>ehbewegungen zu machen, die ihn zu einer so fürchter<br />

lichen Schlagwaffe machen.<br />

<strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong><br />

Artikelsammlung von<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> W. <strong>Banzhaf</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!