10.02.2013 Aufrufe

Der japanische Monsterfilm - Medienpädagogik TU Dresden

Der japanische Monsterfilm - Medienpädagogik TU Dresden

Der japanische Monsterfilm - Medienpädagogik TU Dresden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hausarbeit<br />

Zum Thema:<br />

<strong>Der</strong> <strong>japanische</strong> <strong>Monsterfilm</strong><br />

-<br />

Entwicklung des Genres und Analyse einer Produktion des Sujets<br />

Im Seminar: „Horror! Klassik, Kult und Trash“<br />

SS 2002<br />

Seminarleiter: Prof. Dr. R. Vollbrecht / H. Schäfer (KJF)<br />

Vorgelegt von: Christian Ehrt, Studiengang Sozialpädagogik, 6. Semester<br />

Markus Heinrich, Studiengang Sozialpädagogik, 6. Semester<br />

<strong>Dresden</strong>, 03.09.2002


Gliederung<br />

Einleitung 4<br />

1. Die Geschichte des <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong>s<br />

1.1 Erste Kreaturen betreten die Leinwand 5<br />

1.2 Die Atombombe - nationales Trauma Japans 5<br />

1.3 Die Geburt eines Monsters 6<br />

1.4 Realisation 7<br />

1.5 Godzillas erster Auftritt 7<br />

1.6 Godzilla kehrt zurück 9<br />

1.7 Krieg der Monster - immer neue Kreaturen betreten die Leinwand 10<br />

1.8 Gamera, Gappa und Co.- Konkurrenz für die Toho 12<br />

1.9 Das Monster - Inkarnation der Furcht des Menschen 13<br />

2. Filmanalyse: „Rodan - Die fliegenden Monster von Osaka“<br />

2.1 Einordnung in den Kaiju Eiga 13<br />

2.2 Inoshiro Honda - <strong>Der</strong> Vater des Genres 14<br />

2.3 Die Toho-Filmgesellschaft 15<br />

2.4 Inhaltsangabe 16<br />

2.5 Konflikt 17<br />

2.6 Dramaturgie 18<br />

2.7 Erzählperspektive 19<br />

2.8 Bildsprache 20<br />

2.9 Filmmusik und –geräusche 21<br />

2.10 Spezialeffekte 22<br />

2.11 Abschließende Betrachtung 24<br />

2


Zusammenfassung 25<br />

Quellenangabe 27<br />

3


Einleitung<br />

Ich kann mich noch recht gut an die vielen Sonntagnachmittage erinnern, an denen<br />

ich wie gefesselt vor dem Fernseher saß und mir im Kabelfernsehen alte<br />

<strong>Monsterfilm</strong>e ansah. Obwohl die Handlung oft platt war und die Kostüme nur<br />

schwerlich die menschliche Gestalt des Akteurs verstecken konnten, übten diese<br />

Urweltkreaturen einen großen Reiz auf mich aus. Besonders den liebevoll gestalteten<br />

Miniaturkulissen, immer wieder zerstört und in Brand gesetzt von Godzilla, Gamera,<br />

Gappa und Co., galt meine Aufmerksamkeit. Schließlich bastelte man selbst eifrig an<br />

einer möglichst naturgetreuen Eisenbahnplatte.<br />

Denkt man an den <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong>, so schießt einem zu allererst der Name<br />

einer Kreatur in den Kopf: „Godzilla“, das wohl bekannteste und am häufigsten<br />

bemühte Wesen. Daß sich diese Arbeit, im besonderen die Filmanalyse, nicht<br />

ausschließlich mit Gojira (so der <strong>japanische</strong> Originaltitel) befaßt, ist einerseits der<br />

Tatsache geschuldet, daß es äußerst schwierig sowie kostspielig ist, Filme der ersten<br />

und interessantesten Staffel zu bekommen. Andererseits ist die Artenvielfalt der<br />

fauchenden und zerstörungswütigen Riesen so ausgeprägt, daß sich dem Leser ein,<br />

wenigstens halbwegs, umfassendes Bild nur dann bietet, wenn wir auch auf andere<br />

Kreaturen eingehen. Zudem stellt die Produktion „Rodan - Die fliegenden Monster<br />

von Osaka“ ein sehr schönes und typisches Beispiel des Genres dar, das außerdem<br />

mit einigen Besonderheiten und Neuerungen aufwarten kann.<br />

Die Vielfalt an Monstern, Filmen und Regisseuren stellte uns zunächst vor einige<br />

Probleme. Wir mußten entscheiden, welche Werke in unsere Betrachtungen<br />

einbezogen werden können und welche außen vor bleiben müssen. Letztlich<br />

entschieden wir, uns auf die Filme der Toho, einer Produktionsfirma, die den<br />

<strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong> sozusagen erfunden hat, zu beschränken.<br />

Wie im folgenden ersichtlich wird, entschlossen wir uns, die Arbeit mit einer<br />

knappen Einführung in die Entwicklung des Genres zu beginnen. So ist es ungleich<br />

leichter, in die Thematik der Filmanalyse vorzudringen, wenn man sich vorher kurz<br />

über den Verlauf der Entwicklung des <strong>Monsterfilm</strong>s informieren kann. Die Analyse<br />

selbst befaßt sich mit strukturellen und filmtechnischen Besonderheiten, versucht<br />

aber, gleichzeitig auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und eventuell<br />

anvisierten Zielsetzungen des Films zu beleuchten.<br />

4


1 Die Geschichte des <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong>s<br />

1.1 Erste Kreaturen betreten die Leinwand<br />

Auch wenn es etwas seltsam erscheinen mag: den Ursprung des Kaiju Eiga, der<br />

<strong>Monsterfilm</strong>e aus Japan, muß man in den USA suchen. Hier spielte im Verleihjahr<br />

1952 der damals bereits zwanzig Jahre alte Film „King Kong“ in der vierten<br />

Aufführungswelle noch einmal drei Millionen Dollar ein (vgl. Giesen 1999, S. 6).<br />

Beeindruckt planten zwei kleine Produktionsfirmen, die sich in der „Mutual Films of<br />

California“ zusammengeschlossen hatten, ein ähnliches Projekt. Es sollte möglichst<br />

wenig Produktionskosten verursachen, aber ein Vielfaches einspielen. <strong>Der</strong> Film trug<br />

den Titel „The Beast from 20´000 Fathoms“. Ray Harryhausen, ein Protegé des King<br />

Kong-Schöpfers Willis O´Brien, übernahm die einbildweise und sehr kostengünstige<br />

Animation der riesigen Bestie, einem allgemein als Dinosaurier bekannten<br />

„Rhedosaurus“. Dieser wurde durch eine Atomexplosion aus einem Gletscher am<br />

Nordpol geschmolzen und nimmt nun Kurs auf die Zivilisation. Er steigt im Hafen<br />

von New York an Land, um Teile von Manhattan zu verwüsten. Zu allem Überfluß<br />

ist sein Blut bakterienverseucht, so daß jeder Kontakt unweigerlich zum Tode führen<br />

muß. Nachdem sich das Ungetüm auf Coney Island im Gestänge einer Achterbahn<br />

verfängt, wird es mittels einer Atomgranate unschädlich gemacht. Dieselbe Kraft, die<br />

das Unheil heraufbeschworen hat, bannte es wieder.<br />

„Panik in New York“, wie der Film in Deutschland hieß, spielte Millionen ein und<br />

löste eine Welle ähnlicher Produktionen, nicht nur in den USA, aus.<br />

1.2 Die Atombombe – nationales Trauma Japans<br />

Mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima am sechsten und Nagasaki am<br />

neunten August 1945, wurden die <strong>japanische</strong>n Militärs zur bedingungslosen<br />

Kapitulation gegenüber den Alliierten gezwungen. Zudem wurde erstmals die<br />

drohende Gefahr eines dritten, nuklear ausgetragenen Weltkrieges greifbar. Jeder<br />

Atomversuch mußte, speziell in Japan, wie ein Nadelstich wirken. So gab - neben<br />

den amerikanischen Filmen - ein weiteres Ereignis den Anstoß zur Entstehung der<br />

<strong>Monsterfilm</strong>e (vgl. Giesen 1999, S. 6). Im März 1954 geriet das <strong>japanische</strong> Fischer-<br />

5


oot „Fukuru Maru“, was soviel heißt wie Glücksdrache, zufällig in den<br />

Wirkungsbereich eines im Bikini Atoll durchgeführten Nukleartests. Nach der<br />

Rückkehr des Bootes erkrankte die Besatzung, ein Mitglied der Crew starb sogar. In<br />

Japan löste dieser Vorfall Empörung und Panik aus.<br />

Die nationale Angst vor einer unsichtbaren Bedrohung, gegen die man sich scheinbar<br />

kaum schützen konnte und welche wie ein Damoklesschwert über der <strong>japanische</strong>n<br />

Bevölkerung hing, wurde erneut geschürt.<br />

1.3 Die Geburt eines Monsters<br />

Inspiriert durch den jüngsten Vorfall, kam der bei der Toho angestellte Produzent<br />

Tomoyuki Tanaka auf die Idee, das nationale Trauma mit den apokalyptischen<br />

Visionen der <strong>japanische</strong>n Mythologie zu kombinieren. Überzeugt von der Aktualität<br />

und mythologischen Zeitlosigkeit der in „The Beast from 20´000 Fathoms“<br />

dargestellten Thematik, schlug er dem Vorstand eine Produktion ähnlicher Machart<br />

vor. Obwohl er selbst noch keinerlei Vorstellungen vom Erscheinungsbild des<br />

Monsters hatte, war die Toho willens, das Projekt, welches zunächst den Arbeitstitel<br />

„Das große Ungeheuer aus 2´000 Meilen Tiefe“ trug, zu finanzieren.<br />

Erst als man den Kameramann Eiji Tsuburaya mit ins Boot holte, nahm das Monster<br />

Gestalt an. Tsuburaya war damals einer der führenden Spezialisten für film-<br />

technische Effekte und hatte zudem selbst Regieerfahrung. Die Produktionsfirma lud<br />

ihn ein, auf dem tokioter Studiogelände ein Specialeffectsdepartment aufzubauen,<br />

um bei aufwendigen Produktionen Geld zu sparen. Tanaka konnte den Kameramann<br />

leicht für den <strong>Monsterfilm</strong> begeistern und man entschied sich für einen<br />

Tyrannosaurus, also ein prähistorisches Reptil. Im Verlauf mehrerer Entwürfe bekam<br />

das Untier zusätzlich Attribute eines Stegosaurus (Rückenplatten) und Alligators (in<br />

mehreren Reihen stehende Zähne). Sein anfangs überdimensional großer Schädel<br />

schrumpfte auf hundeähnliches Maß.<br />

Das Exposé, mit dem Shigeru Kayama, ein professioneller Science-Fiction-Autor,<br />

beauftragt wurde, trug den Titel „G“ für Gigant. Schnell aber machte der Name<br />

„Gojira“ die Runde. Das endgültige Drehbuch schrieben Takeo Murata und<br />

Regisseur Inoshiro Honda.<br />

6


1.4 Realisation<br />

Um der Kreatur Leben einzuhauchen, entschied man sich nicht für die sehr viel<br />

Sachverstand erfordernde Stop-Motion-Technik, mit der Ray Harryhausen seine<br />

Kreaturen animierte. Statt dessen sollten Stuntmen in Gummikostümen aus den<br />

angesägte Miniaturbauten der Modelldekoration Kleinholz machen. Das war zum<br />

einen billiger, auf der anderen Seite aber war Tsuburaya davon überzeugt, daß dieses<br />

Vorgehen einen ästhetisch wirkungsvolleren Effekt erzielen würde.<br />

<strong>Der</strong> Kopf des Akteurs befand sich etwa in Halshöhe des Anzugs. Mittels einer<br />

Vorrichtung im Inneren konnte das Maul auf- und zugeklappt werden. <strong>Der</strong> Schwanz<br />

baumelte an unsichtbaren Fäden. Das erste Kostüm allerdings war so klobig und<br />

schwer, daß der Akteur nicht mehr als zehn Meter Wegstrecke zurücklegen konnte.<br />

Selbst die besseren Versionen wogen immer noch 50 Kilogramm. Zudem waren bei<br />

Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius im Inneren des Anzugs, kaum mehr als<br />

drei Minuten Dreh möglich. Um die Bewegungen des Ungetüms schwerfälliger und<br />

bedrohlicher wirken zu lassen, wurden die, in High-Speed aufgenommen Szenen<br />

später verlangsamt abgespielt und entsprechend ausgeleuchtet.<br />

Nach zwei Monaten Vorbereitung und 122 Drehtagen war es schließlich soweit: am<br />

dritten November 1954 war „Godzilla“ startklar. Die für damalige Verhältnisse<br />

extrem hohen Produktionskosten von 60 Millionen Yen (etwa 1,5 Millionen Dollar),<br />

wurden zusätzlich um 40 Millionen Yen für eine Werbekampagne aufgestockt.<br />

Neben der obligatorischen Zeitschriften- und Plakatwerbung produzierte man<br />

wöchentliche Radiohörspiele, um das Monster bekannt zu machen. Wie sich bald<br />

herausstellen sollte, rechtfertigten die enormen Einspielergebnisse diese<br />

Investitionen.<br />

1.5 Godzillas erster Auftritt<br />

Im Bikini-Atoll kommt es immer wieder zu Schiffshavarien. Überlebende eines<br />

solchen Zwischenfalls berichten zudem von einem grellen Lichtblitz. Eines nachts<br />

dann taucht ein riesiges Monstrum aus dem Meer auf und zerstört ein kleines Dorf,<br />

dessen Einwohner seit jeher an die Existenz eines sagenhaften Wesens glaubten.<br />

7


Ein auf die Insel entsandtes Forscherteam findet heraus, daß es sich um einen Saurier<br />

der Jurazeit handelt, ein Lebewesen also, das schon seit gut zwei Millionen Jahren<br />

ausgestorben ist. Godzilla hat diese Zeit in einer unterseeischen Höhle überdauert<br />

und wurde durch die neuesten Wasserstoffbombentests wiedererweckt. Das<br />

Urzeitreptil geht in der Bucht von Tokio an Land und bringt Verwüstung und Chaos,<br />

vergleichbar mit jenen des Zweiten Weltkrieges, über die Bevölkerung.<br />

Als sich zeigt, daß jeglicher Einsatz konventioneller Waffen wirkungslos bleibt,<br />

erinnert sich Emiko, die Tochter des Paläontologen Dr. Kyohei Yamane, an eine vom<br />

Chemiker Dr. Daisuke Serzawa in geheimen Versuchen entwickelte Waffe. Diese<br />

hätte, so sie im Zweiten Weltkrieg zur Anwendung gekommen wäre, sagenhaftes<br />

Grauen über den Gegner gebracht und soll nun Godzilla unschädlich machen. <strong>Der</strong><br />

Chemiker allerdings verweigert zunächst die Herausgabe des „Oxygen- Zerstörers“.<br />

Erst im Fernsehen übertragene Bilder der Verwüstungen sowie die gezeigten<br />

Bittgebete von Kindern ändern Serizawas Meinung: ein einziges Mal wird er die<br />

Waffe einsetzen. Auf einem Tauchgang bringt er die Kapsel in Stellung und<br />

durchtrennt den Luftschlauch, um gemeinsam mit Godzilla unterzugehen. Seine<br />

grausame Erfindung nimmt er mit.<br />

Allzu deutlich kann man allein anhand dieser kurzen Inhaltsangabe die Angst der<br />

Menschen vor den Gefahren der neuen Technik erkennen. Beinahe scheint es, als<br />

wolle man das Wissen um die Atombombe und deren Funktionsweise auslöschen,<br />

indem man das heraufbeschworene Unbekannte gemeinsam mit dessen Auswirkung<br />

in den Tiefen des Meeres versenkt. Dr. Serizawa bringt nicht nur Godzilla um,<br />

sondern vernichtet gleichzeitig das in seiner Person verkörperte Wissen um die Kraft<br />

des Atoms. Auffällig ist außerdem, daß die gleiche Kraft, die das Monstrum<br />

heraufbeschwor, auch zu dessen Vernichtung angewendet wird.<br />

Dieses Spiel mit der Furcht trug sicherlich erheblich zum Erfolg des Filmes bei. Die<br />

Menschen verstanden ihn nicht als ein Werk über ein Ungeheuer, sondern als einen<br />

Film über die Angst vor den unbekannten Gefahren der Radioaktivität, personifiziert<br />

in der Gestalt Godzillas und visualisiert über den aus seinem Maul schießenden<br />

Todesstrahl.<br />

Auch in den USA begeisterte die Riesenechse Millionen Zuschauer. Um dies noch zu<br />

unterstützen, fügte man in der amerikanischen Version eine Szene mit Raymond<br />

8


Burr als Reporter ein. Eine Rolle, die im Original Sachio Sakai übernahm und mit<br />

der Inoshiro Honda seinem Produkt beinahe dokumentarische Züge gab.<br />

<strong>Der</strong> Erfolg auf dem nordamerikanischen Markt kann aber nicht allein auf den Auftritt<br />

eines, später besonders durch die Serienfigur Perry Mason bekannt gewordenen,<br />

Schauspielers zurückgeführt werden. Die Kinobesucher hatten Gefallen an Filmen<br />

gefunden, deren Hauptfiguren der Phantasie entsprungene Kreaturen waren. Frühere<br />

Produktionen (siehe 1.1) hatten das Publikum mit dem Sujet vertraut gemacht und<br />

die Lust am Grauen geweckt. Godzilla reihte sich ein in die Riege der Monster und<br />

Fabelwesen, begeisterte nach King Kong und dem Rhedosaurus von Ray<br />

Harryhausen wieder die Zuschauer und setzte somit den Erfolg eines gerade ent-<br />

stehenden Genres fort.<br />

Meiner Meinung nach kann man also die Begeisterung in Nordamerika nicht direkt<br />

mit der Thematik Atombombe und eines damit verbundenen konkreten Ereignisses<br />

in Beziehung setzten. Indirekt aber bedrohte und bedroht diese Kraft natürlich den<br />

ganzen Planet. Schließlich wußte man, daß es anderen Regierungen und Staaten auch<br />

möglich ist, eine vergleichbare Waffe zu entwickeln und diese gegen die USA<br />

einzusetzen.<br />

1.6 Godzilla kehrt zurück<br />

<strong>Der</strong> Erfolg des ersten Filmes drängte die Produzenten hastig eine Fortsetzung<br />

nachzuschieben. Dabei blieb die düstere Atmosphäre des Vorgängers, sicherlich<br />

begünstigt durch die Schwarz-Weiß-Technik, weitgehend erhalten. Auch den<br />

meisten Hauptdarstellern begegnet der Zuschauer wieder. Neu hingegen ist ein<br />

riesiges, einem Igel ähnelndes Tier: Angilas. Dieses entpuppt sich recht bald als<br />

Godzillas Rivale. Die beiden treffen schließlich in Osaka aufeinander und tragen<br />

mitten im Zentrum einen erbitterten Kampf aus, an dessen Ende Godzilla seinem<br />

Widersacher die Kehle durchbeißt. Am nächsten Morgen gleicht Osaka einer, von<br />

einer Atombombe getroffenen Geisterstadt, Godzilla aber ist verschwunden.<br />

Auf der Eisinsel Schinko entdecken zwei Militärpiloten später das Urzeitreptil, das<br />

sich nach dem Gefecht scheinbar etwas ausruhen muß. Alle Versuche, es zu töten<br />

mißlingen, bis eine, von Godzillas radioaktivem Strahl getroffene Maschine auf die<br />

9


Insel stürzt und eine Eislawine auslöst. Andere eilig herbeigerufene Piloten beginnen<br />

Raketen auf die Gletscher zu feuern. Schließlich wird das Monstrum unter einer<br />

wahren Flut von Eislawinen begraben.<br />

Auffällig ist, daß der Urzeitgigant diesmal nicht durch die Kraft des Atoms, sondern<br />

der vom Mensch entfesselten Naturgewalt getötet wird. <strong>Der</strong> Regisseur Motoyoshi<br />

Oda entdeckt eine neue Thematik: die Furcht vor den Naturkräften. Ein Novum, das<br />

in späteren Produktionen noch oft auftauchen sollte.<br />

Zudem zeichnet sich dieser, nur ein Jahr nach dem Original in die Kinos gebrachte,<br />

Film durch einen sehr ungewöhnlichen Plot aus: Angilas stirbt schon in der ersten<br />

Hälfte. <strong>Der</strong> zweite Teil widmet sich ausschließlich Godzilla, der hier erstmals<br />

bewegliche Augen besitzt.<br />

Dieses Werk ist darüber hinaus auch insoweit interessant, als Godzilla hier das erste<br />

Mal auf ein anderes Monster trifft. Die Familie der Ungeheuer begann also zu<br />

wachsen und wie sich zeigen wird, sollte die Phantasie der Kostümdesigner noch<br />

reiche Früchte tragen.<br />

1.7 Krieg der Monster - immer neue Kreaturen betreten die Leinwand<br />

Während die ersten beiden Streifen der Toho noch wie aus einem Guß wirkten, was<br />

zum einen am kaum veränderten Team lag und zum anderen sicher der Schwarz-<br />

Weiß-Technik zu verdanken ist, veränderten sich mit den folgenden Filmen<br />

schrittweise Aussage und Charakter. Eine entscheidende Zäsur stellt hierbei die<br />

Einführung der Farbe dar. Als erstes Monstrum, welches der Zuschauer nicht nur in<br />

verschiedenen Grautönen bewundern konnte, erschien Radon, ein riesiger<br />

Flugsaurier, auf den in Kapitel 2 noch umfassend eingegangen wird. Das Spiel mit<br />

der Farbe und die Lust am Umgang mit pyrotechnischen Effekten verleitete die<br />

Produzenten immer öfter zu märchenhaften Interpretationen des Sujets, so daß die<br />

Filme ein immer jüngeres Publikum anzusprechen begannen. Dieser Tatsache ist es<br />

wahrscheinlich auch zu verdanken, daß die Grausamkeiten abnehmen. Während die<br />

Protagonisten in den frühen Filmen noch miteinander rangen, gingen sie später eher<br />

auf Abstand und lieferten sich fast ausschließlich Strahlenduelle.<br />

10


Immer neue Monster betraten die Leinwand. Bald wurde die Vielfalt so groß, daß es<br />

nur noch schwerlich möglich war, Mosura, Mothra, Ghidorah und den Rest der<br />

Bande auseinanderzuhalten. Als Folge dessen und aus dem Bestreben heraus, den<br />

Erfolg des vorherigen Werkes zu wiederholen, trugen oftmals völlig verschiedene<br />

Kreaturen in verschiedenen Filmen den gleichen Namen. So benannte der deutsche<br />

Verleih „Alois Brümmer - München“ eine mechanische, roboterähnliche Version<br />

Godzillas (im Original „Mechagodzilla“), die in „King Kong gegen Godzilla“ von<br />

1973/74 auftrat, einfach in „King Kong“ um. Ziel war es, an den Erfolg der frühen<br />

King Kong-Filme Mitte der 60er Jahre anzuknüpfen.<br />

Die betont naiven Drehbücher mit immer fiktiveren Geschichten und beinahe<br />

unvorstellbaren Absurditäten führten schließlich zum Rückzug der internationalen<br />

Verleihe, die sich nur noch recht zögernd der Produktionen annahmen. Hinzu kam<br />

der durch die Sparpolitik der Toho verursachte Qualitätsverlust. Die Kostüme<br />

wirkten zum Teil eher lächerlich als angsteinflößend. Zudem wurden immer öfter<br />

Teile aus älteren Produktionen in die entstehenden Filme einkopiert. Ausreichend<br />

Beispiele hierfür bietet „Befehl aus dem Dunkel“ von 1965. Den endgültigen Abstieg<br />

der Toho begründete schließlich der allmähliche Rückzug Tsuburayas, der sich<br />

stärker seine Fernsehserie zuwendete. Die Nachfolge in der Spezialeffekt-Abteilung<br />

trat nach kurzer Lehrzeit beim Altmeister Teruyoshi Nakano an.<br />

Mehr und mehr wurden die Filme zu einer Monsterjagd ohne die sozialkritische<br />

Aussage der ersten Werke. Waren in den frühen Produktionen noch die Atombombe<br />

und die zunehmende Umweltzerstörung bestimmend - wobei man die Kreaturen als<br />

eine Art später Rache der Natur sehen kann - bemühte man sich später, zunehmend<br />

die Brisanz zu verringern. Dies geschah einerseits, wie schon erwähnt, durch immer<br />

märchenhaftere Geschichten, andererseits verlegten die Produzenten die Handlung an<br />

ferne Schauplätze. So wüteten die Monster auf weit vom <strong>japanische</strong>n Festland<br />

entfernten Inseln oder gar in fremden Galaxien.<br />

Nach den Auftritten einer Vielzahl kurioser Monster schien die Thematik 1975<br />

vorerst erschöpft. Dies lag zum einen an der veränderten Situation der <strong>japanische</strong>n<br />

Kinoszene, zum anderen aber auch an der Ermüdung der Zuschauer. Den Endpunkt<br />

der ersten Staffel markierte schließlich „Konga-Godzilla-King Kong: Die Brut des<br />

Teufels“ von Inoshiro Honda.<br />

In der Folgezeit mußte Godzilla für eine Reihe von Kuriositäten herhalten.<br />

Beispielsweise zeichneten die Trickfilmproduzenten Hanna und Barbera, initiiert von<br />

11


Tohos amerikanischem Verleiher Henry G. Saperstein, die „Godzilla Power Hour“.<br />

1980 diskutierte man ein Skript zur Rückkehr der Riesenechse, um den Verkauf von<br />

Fanartikeln erneut anzukurbeln. Auf Wunsch der Fans sollte das Ungetüm, nachdem<br />

es zwischenzeitlich einige Male die Fronten gewechselt und die Menschheit wie in<br />

„Befehl aus dem Dunkel“ von 1965, beispielsweise vor Außerirdischen beschützt<br />

hatte, nun wieder das Böse verkörpern. 1984 ist es endlich soweit: „Godzilla - Die<br />

Rückkehr des Monsters“ läuft in den Kinos an. Die Geschichte ähnelt sehr stark der<br />

des Originals, der Comedy-Charakter ist verschwunden und das Reptil zeigt wieder<br />

Zähne. Die Einspielergebnisse waren vielversprechend, weitere Filme wurden<br />

produziert.<br />

1.8 Gamera, Gappa und Co. - Konkurrenz für die Toho<br />

<strong>Der</strong> Erfolg der Reihe rief natürlich auch eine Reihe von Konkurrenten hervor.<br />

Andere Produktionsfirmen schufen eigene Monster und überschwemmten den Markt.<br />

Da Quantität aber keineswegs immer auch mit Qualität einhergeht, entstanden eine<br />

Vielzahl Filme, deren ärmliche Spezialeffekte und teilweise lächerliche Kostüme nur<br />

selten eine Bereicherung des Genres darstellten. Zudem glichen auch die<br />

Geschichten und die Thematik denen der vorangegangen Produktionen aus dem<br />

Hause Toho.<br />

Als vielleicht bekannteste Adaption ist hier „Gamera“ zu erwähnen. Die Daiei<br />

Motion Pictures entwarf eine riesige Schildkröte. Bewaffnet mit überdimensionalen<br />

Zähnen fliegt, taucht und läuft sie feuerspeihend durch die Modellandschaften.<br />

Insgesamt entstehen von 1965 bis 1996 zehn Filme.<br />

Jürgen Menningen sieht im Kampf der Riesenmonster gleichsam die Konkurrenz der<br />

großen Pruduktionsfirmen. So betreten die Kreaturen die Leinwand nicht allein um<br />

sich gegen einen Widersacher oder die gesamte Menschheit zu behaupten, sondern<br />

auch die Filme anderer Studios in den Hintergrund zu drängen und an Zerstörung<br />

(um ein Vielfaches) zu übertreffen (vgl. Giesen 1999, S. 14).<br />

12


1.9 Das Monster - Inkarnation der Furcht des Menschen<br />

Insgesamt entstanden seit dem Jahre 1954 in Japan mehr als 50 Filme, in denen<br />

Monster die Hauptrolle spielen. Sie personifizierten die Furcht der Menschen vor der<br />

freigesetzten Dämonie der Naturkräfte und illustrierten gleichzeitig die<br />

Auswirkungen des Terrors. Verdeutlicht wurde über jene Wesen auch eine<br />

gesellschaftliche Grundsituation, in der durch Zivilisation und Technik eingeengte<br />

Triebkräfte hervorbrechen und in mythologischen Figuren verpackt, den geordneten,<br />

sozialen Raum gefährden (vgl. Buttgereit 1998, S. 8).<br />

2. Filmanalyse: „Rodan - Die fliegenden Monster von Osaka“<br />

2.1 Einordnung in den Kaiju Eiga<br />

26. Dezember 1956: Nachdem die ersten beiden Filme des Kaiju Eiga, in denen<br />

Godzilla die Hauptrolle gespielt hatte, das Publikum im besonderen durch die düstere<br />

Grundstimmung und die sozialkritische Aussage fesselten, setzte die Toho mit<br />

Einführung der Farbe nun stärker auf tricktechnische Brillianz. In „Sora no daikaiju<br />

Radon“, so der <strong>japanische</strong> Originaltitel, stellten die Produzenten das zweite Monster<br />

vor, dem ein Eigenleben gestattet wird. Radon, der seinen europäischen Namen<br />

„Rodan“ einem Übersetzungsfehler des US-amerikanischen Verleihs verdankt,<br />

erscheint als erster Urzeitgigant in Farbe. Auch an der deutschen Übersetzung des<br />

Filmtitels läßt sich erkennen, daß es die Verleiher mit der Genauigkeit nicht immer<br />

so ernst nehmen. So spielt Osaka im Film überhaupt keine Rolle. Wahrscheinlich<br />

versuchte der RKO Filmverleih Frankfurt am Main das Publikum mit dem Verweis<br />

auf den Handlungsort des letzten Godzilla-Streifens in die Kinos zu locken.<br />

Die Einführung der Farbe stellte eine entscheidende Zäsur dar. Dem schon aus den<br />

ersten beiden Produktionen bekannten Special-Effects-Team um Tsuburaya<br />

eröffneten sich völlig neue Perspektiven, die es bereits in diesem dritten Teil der<br />

Reihe auszuloten begann. Das Drehbuch stammte von Takeshi Kimura, der fortan<br />

eher für die düsteren, seriöseren Stoffe verantwortlich zeichnete. Wie schon bei den<br />

Godzilla-Filmen war Akira Ifukube für die Musik zuständig. Als Produzent<br />

beauftragte die Toho Tomoyuki Tanaka. Dem geneigten Publikum dürfte ebenfalls<br />

13


aufgefallen sein, daß eine Vielzahl der Akteure der ersten beiden Filme auch hier zu<br />

sehen sind. Regie führte kein Geringerer als Inoshiro Honda, dessen Arbeit Maßstäbe<br />

für den <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong> setzte.<br />

2.2 Inoshiro Honda - <strong>Der</strong> Vater des Genres<br />

Inoshiro Honda, mit bürgerlichem Namen Ishiro, wurde am 7. Mai 1911 in der<br />

Präfektur Yamagata in Japan geboren (vgl. www.Epilog.de). Bereits als Jugendlicher<br />

zeigte er großes Interesse für das Kino. 1931 beginnt er ein Studium an der Nippon<br />

Universität Tokio (vgl. Buttgereit 1998, S. 9). Noch vor seinem Abschluß trat Honda<br />

der Regieabteilung der P.C.L. (siehe 2.3.) bei. Hier begegnete er Akira Kurusawa,<br />

der heute als eine der bedeutendsten Personen des <strong>japanische</strong>n Kinos gilt. Beide<br />

arbeiteten fortan als Regieassistenten, Honda begann außerdem Dokumentationen zu<br />

realisieren.<br />

<strong>Der</strong> Zweite Weltkrieg allerdings unterbrach seine cineastische Laufbahn. Länger als<br />

ein Jahr befand sich der aufstrebende Regieassistent in chinesischer<br />

Kriegsgefangenschaft (vgl. Buttgereit 1998, S. 9). Die Angst vor dichtgedrängten<br />

Menschenmassen, die er später in seinen Filmen immer wieder thematisierte, geht<br />

auf ein Schlüsselerlebnis dieser Zeit zurück. Nach dem Krieg setzte er seine Arbeit<br />

fort und assistierte dem aufstrebenden Regietalent Akira Kurusawa.<br />

Nach Inoshiro Hondas Regiedebüt „Aio Shinju“ (für welches er eine spezielle<br />

Unterwasseraufnahmetechnik entwickelte) und dem Kriegsfilm „Taiheyo no washi“,<br />

entstand 1954 „Godzilla“, der ihn auf einen Schlag berühmt machen und seine<br />

weitere Karriere entscheidend beeinflussen sollte. Bis 1960 war Honda fast der<br />

alleinige Monsterregisseur der Toho. Nebenbei realisierte er ein Reihe trivialer<br />

Science-Fiction-Filme - allerdings auf hohem technischen Niveau.<br />

Nach dem Abflauen der Monsterwelle in den 70er Jahren zog sich Honda vom<br />

aktiven Filmemachen zurück und fungierte fortan als Kurusawas Assistent, Berater,<br />

künstlerischer Mitarbeiter und Freund. Daneben stand er sehr selten für kleinere<br />

Rollen vor der Kamera.<br />

Die Arbeit Inshiro Hondas setzte Maßstäbe für alle <strong>Monsterfilm</strong>e. Sein<br />

inszenatorischer Einfallsreichtum, die exzentrische Farbgebung und der perfekte<br />

14


Umgang mit dem Cinemascope-Format blieben einzigartig. Gemeinsam mit Eiji<br />

Tsuburaya, dem Trickspezialisten der Toho, gilt er als Vater des Genres. Stets<br />

vermochte er es, sich in ein Team zu integrieren, und alle Toho-Produktionen wie<br />

aus einem Guß wirken zu lassen. Dies ist das Ergebnis einer über Jahre hinweg<br />

eingespielten Truppe, von ihm geeint. Mit seinen über zwanzig spektakulären<br />

Produktionen begründete und beherrschte er zwei Jahrzehnte lang das <strong>japanische</strong><br />

Unterhaltungskino.<br />

Am 28. Februar 1993 starb Inoshiro Honda in Tokio.<br />

2.3 Die Toho - Filmgesellschaft<br />

Die größte und bedeutendste Produktionsfirma Japans ging aus dem Studio P.C.L.<br />

hervor, das 1935 in Tokio eine eigene Filmgesellschaft - die Toho - gründete.<br />

Zunächst wurden vor allem Kriegsfilme produziert, ein eigener Verleih organisiert<br />

und ein dichtes Netz firmeneigener Kinos im Land aufgebaut. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg wagte man den Sprung auf den internationalen Markt und lancierte die<br />

Überraschungserfolge „Die sieben Samurai“ (Akira Kurusawa) und „Godzilla“.<br />

Damit war die Toho gleichzeitig mit anspruchsvollen Filmen und reiner<br />

Unterhaltungsware, wie den vielen Monsterepen, vertreten. <strong>Der</strong> finanzielle Erfolg<br />

des Kaiju Eiga ermöglichte es der Geschäftsführung zudem überhaupt erst, sich<br />

Kurusawas nicht gerade kommerziell erfolgreiche und teilweise sehr kostenintensive<br />

Produktionen leisten zu können. In den 60er Jahren stieß die Toho außerdem mit<br />

Superheldenserien wie „Urotoroman“ (vgl. www.Epilog.de) auf den <strong>japanische</strong>n<br />

Fernsehmarkt vor.<br />

Ein wichtiges Betätigungsfeld aber stellen bis heute Filme dar, in denen Monster die<br />

Hauptrolle spielen. Allein die Anzahl der auf dem Filmgelände zum Leben<br />

erweckten Kreaturen, spricht eindeutig dafür, daß keine andere Filmgesellschaft eine<br />

so entscheidende Rolle für die Entwicklung dieses Genres gespielt hat. Auch der<br />

riesige, braune Flugsaurier namens Radon, beziehungsweise Rodan, erblickte bei der<br />

Toho das Licht der Welt. Er soll im Mittelpunkt der folgenden Analyse stehen.<br />

15


2.4 Inhaltsangabe<br />

In einem Bergwerk in der Nähe von Kyushu ist ein Stollen überflutet. <strong>Der</strong> Ingenieur<br />

Shigeru entdeckt am Ort der Katastrophe die blutüberströmte und schreckliche<br />

Wunden aufweisende Leiche eines Bergmanns. <strong>Der</strong> Tatverdacht fällt zunächst auf<br />

den jähzornigen Goro. Allein Shigeru ist von seiner Unschuld überzeugt; er ist<br />

nämlich in dessen Schwester Kiyo verliebt. Ein Trupp von Bergarbeitern wird<br />

beauftragt den Mordfall zu untersuchen. Auf ihrer Expedition entdecken sie Goros<br />

Leiche. Zudem werden sie von gepanzerten Riesenlarven – Meganurons – ange-<br />

griffen. Als eilig herbeigerufene Soldaten, zusammen mit einigen Arbeitern gegen<br />

die Kreaturen vorgehen, gerät Shigeru in eine unbekannte Höhle und verliert das<br />

Bewußtsein. Ein kurz darauf ausbrechendes Erdbeben befreit ihn aus seinem dunklen<br />

Gefängnis. Allerdings kann er sich im Krankenhaus an nichts mehr erinnern. Selbst<br />

die Frau, die er liebt, erkennt Shigeru nicht wieder.<br />

Als sein Blick später aber auf ein schlüpfendes Vogeljunges fällt, erlebt er das<br />

Trauma des Unglückstages erneut. Ein gigantisches Ei, aus dem ein urzeitliches<br />

Flugungeheuer schlüpfte, ist in der Höhle gewesen. Befreit aus der Schale,<br />

verschlang es überall herumkrabbelnde Würmer, die Meganurons.<br />

<strong>Der</strong> Wissenschaftler Dr. Kashiwagi identifiziert den Flugdrachen als Pteranodon von<br />

unglaublichen Ausmaßen und nennt diese Art Radon. Immer wieder werden in der<br />

Folgezeit Flugzeugunglücke gemeldet. Als Radarschirme ein unbekanntes<br />

Flugobjekt entdecken, das sich mit zweifacher Schallgeschwindigkeit bewegt, starten<br />

Militärflugzeuge, um Radon, der sich unaufhaltsam der Stadt Sasebo nähert, zu<br />

bekämpfen. Allerdings ist ihr Einsatz wenig erfolgreich. Mit konventionellen Waffen<br />

läßt sich das Monstrum nicht stoppen.<br />

Angekommen in Sasebo, legt Radon durch den aufgrund seiner hohen<br />

Geschwingigkeit verursachten Sturm die Stadt in Schutt und Asche. Im selben<br />

Moment erscheint ein zweites Pteranodon. Wissenschaftler und Militärs rechnen mit<br />

dem Nestbautrieb der Tiere und lokalisieren ihre Brutstätte am Rande des Vulkans<br />

Mount Aso. Das Militär bombardiert das Nest. Als die Radons zu entkommen<br />

versuchen, bricht der Vulkan aus. Einer der Flugdrachen stürzt in die Lava. <strong>Der</strong><br />

zweite, allein offensichtlich nicht mehr lebenswillig, tut es ihm gleich.<br />

16


2.5 Konflikt<br />

Beim ersten Betrachten des Filmes sticht natürlich sofort der Widerstreit zwischen<br />

der zerstörerischen Kraft des Monsters und dem Bestreben der Menschen dieser<br />

entgegenzutreten ins Auge. Sie versuchen, ein Monster zu bekämpfen, das sie selbst<br />

zum Leben erweckt haben. Zum einen hat die durch Atombombenversuche<br />

verursachte Erwärmung der unteren Erdschichten überhaupt erst die Grundlage<br />

gegeben, daß die vor Jahrmillionen gelegten Eier ausgebrütet werden konnten.<br />

Andererseits begünstigte die enorme Tiefe der Stollen das Schlüpfen der Radons.<br />

Beide Aspekte werden im Film von den verantwortlichen Personen deutlich zur<br />

Sprache gebracht. Dr. Kashiwagi, der Wissenschaftler, erklärt den Zusammenhang<br />

mit der Kernenergie und Shigeru, ein Bergmann, äußert: „Wir waren es, die zu tief<br />

gegraben haben.“<br />

Betrachtet man die Kreaturen also als Produkte des Menschen, der durch den<br />

verantwortungslosen Umgang mit der Natur Kräfte entfesselt hat, die er nur sehr<br />

schwer wieder zügeln kann, kristallisiert sich ein Konflikt zwischen Umwelt und<br />

Technologie, Natur und Zivilisation heraus. Am Ende siegt zwar der Mensch,<br />

allerdings nicht ohne die Hilfe eines katastrophalen Naturereignisses. Ein Schluß, bei<br />

dem beide Seiten, Natur und Mensch, sowohl verlieren als auch gewinnen.<br />

Sieht man etwas genauer hin, läßt sich, zumindest andeutungsweise, ein weiterer<br />

Konflikt erkennen. Nämlich der zwischen Wissenschaft und Militär. Während die<br />

Soldaten alles erdenkliche versuchen um die Monstren zu vernichten, versucht Dr.<br />

Kashiwagi zwischenzeitlich das Militär von seinem Plan abzuhalten. Er möchte aus<br />

der Erforschung jener Lebewesen einen Nutzen für die Menschheit ziehen und „das<br />

Geheimnis ihres langen Lebens zum Wohl der Menschheit lösen.“ Obwohl sie also<br />

eine akut lebensbedrohliche Gefahr darstellen, ist er von diesem völlig neuen<br />

Forschungsgebiet begeistert. <strong>Der</strong> wissenschaftliche und damit auch technologische<br />

Fortschritt steht somit der Sicherheit der Bevölkerung gegenüber. Wie die<br />

Bedrohung durch die Erforschung der Kernenergie und der damit in Verbindung<br />

stehenden Entwicklung der Atombombe der realen Welt, birgt auch in der Filmwelt<br />

die Wissenschaft große Gefahren für die Gesellschaft.<br />

Umgestimmt aber durch die von Radon angerichteten Zerstörungen in Sasebo ändert<br />

der Forscher seine Haltung. Schließlich kooperiert er mit dem Militär und hilft den<br />

Aufenthaltsort der Flugsaurier zu finden. Gemeinsam sind sie entscheidend daran<br />

17


eteiligt, die Welt von Radon zu befreien: der durch das Bombardement ausgelöste<br />

Vulkanausbruch bedeutet seinen Tod.<br />

Eine, eher am Rande stattfindende Liebesgeschichte, trägt keinen konfliktbehafteten<br />

Charakter.<br />

2.6 Dramaturgie<br />

Eine Besonderheit dieses Filmes stellt der ungewöhnliche Plot dar. Die erste Hälfte<br />

der Handlung wird ausschließlich den Meganurons gewidmet. <strong>Der</strong> zentrale<br />

Schauplatz ist das Bergwerk, in dem sich die Todesfälle häufen. Während anfangs<br />

dem Zuschauer noch keinerlei Hinweise auf die Ursache dieser Todesfälle gegeben<br />

werden, deuten - beim Zusammentreffen der Riesenlarven mit der Expedition -<br />

furchteinflößende Schatten, von lautem Gezwitscher begleitet, auf eine riesenhafte<br />

Gefahr hin. Obwohl man noch nicht eindeutig erkennen kann, was diese Schatten<br />

verursacht, ist doch leicht zu erahnen, daß sie Abbilder einer schrecklichen<br />

Bedrohung sind. Erst als das Militär anrückt, sind die Meganurons zu sehen. Die<br />

Handlung steigt also schnell an und hat mit diesem ersten Zusammentreffen von<br />

Urweltgiganten und Militär ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Das hohe Tempo<br />

der Story läßt sich auch dadurch belegen, daß bereits nach den ersten 8 Minuten drei<br />

Todesopfer zu beklagen sind.<br />

Nach einer kurzen Ruheperiode, in der Shigerus Gedächtnisverlust das Szenario<br />

bestimmt, wechselt der Handlungsort ins Freie und Radon betritt die Leinwand.<br />

Zuerst bekommt der Zuschauer allerdings nur einen gewaltigen Kondensstreifen zu<br />

sehen. Zudem ertönt ein Geräusch, das wohl am ehesten mit dem eines Düsenjägers<br />

vergleichbar ist. Nachdem es zwei Touristen gelang, das Monstrum unter Einsatz<br />

ihres Lebens zu fotografieren und diese Fotos es den Wissenschaftlern ermöglichten,<br />

das Ungetüm zu identifizieren, tritt der braune Flugdrache zu einem Luftkampf<br />

gegen das Militär an.<br />

Auf die gleiche Weise wie schon im ersten, den Meganurons gewidmetem Teil der<br />

Produktion, gelingt es Honda Spannung aufzubauen. Zudem führt er etwa in der<br />

Mitte des Filmes die beiden Handlungsstränge zusammen. So stellen die riesigen,<br />

menschenanfallenden Larven Radons Leibspeise dar. Dem Betrachter erschließt sich<br />

18


das, als Radon eine Reihe Meganurons frißt. Den Höhepunkt der Handlung markiert<br />

Radons Angriff auf Sasebo. Ein aufwendig in Szene gesetztes Spektakel, nach dessen<br />

Abklingen die Stadt aussieht, als wäre sie von einer Atombombe getroffen wurden.<br />

Anschließend folgt die Konfliktlösung: Radons Tod.<br />

<strong>Der</strong> Spannungsbogen steigt also steil an bis Radon Sasebo wieder verläßt. Allerdings<br />

erleidet er einen kleinen Knick, kurz bevor der Flugsaurier in Erscheinung tritt. Die<br />

Szenen reihen sich chronologisch aneinander, so daß der Zuschauer leicht den<br />

Überblick behalten kann. Die einzige Ausnahme stellt eine kurze Traumsequenz dar.<br />

Eine weiche Überblendung und verträumte Musik markieren, auf diese Weise leicht<br />

erkennbar, den Moment, in dem Shigeru sein Gedächtnis wiedererlangt.<br />

Die gerade Linienführung der Handlung und das hohe Tempo - die Ereignisse<br />

überschlagen sich förmlich - lassen den Film teilweise wie eine Dokumentation<br />

wirken. Offenbar wollte Honda auf diese Weise dem fantastischen Stoff eine gewisse<br />

Authentizität verleihen.<br />

2.7 Erzählperspektive<br />

<strong>Der</strong> dokumentarische Charakter des Films wird auch durch die Erzählperspektive<br />

unterstützt. So führt Shigeru, der Hauptakteur, den Zuschauer mittels eines kurzen,<br />

aber informativen Monologs zu Beginn in die Geschichte ein. Er stellt eine Reihe<br />

von Personen und den Schauplatz der Handlung vor. Geschuldet ist dies sicherlich<br />

dem hohen Tempo und den vielen Ereignissen, die man in der knappen Zeit (die uns<br />

vorliegende Fassung dauert nur etwa 65 Minuten) unterbringen wollte.<br />

Fortan begleiten die Kameras Shigeru auf seinem Kampf gegen die Ungetüme. <strong>Der</strong><br />

Erzähler ist also gleichzeitig eine handelnde Person, die sich, als wolle sie über<br />

Erlebtes berichten, insgesamt drei Mal an den Betrachter wendet.<br />

Stets werden die Monologe an wichtigen Stellen platziert. So spricht er das zweite<br />

Mal, als das Rätsel um Rodans Herkunft aufgeklärt werden konnte. Er ist es auch,<br />

der die Schuld an der Katastrophe den Menschen gibt. Sie treiben immer tiefere<br />

Stollen in den Berg und beschwören derartige Ereignisse mit ihrem Handeln förmlich<br />

herauf. Seine Schilderungen beziehen sich aber nicht ausschließlich auf Fakten. So<br />

spricht er auch offen über Gefühle. Dies zeigt sich besonders deutlich im<br />

19


Schlußmonolog. Ergriffen kommentiert Shigeru den Untergang der Radons, mit<br />

denen er trotz der von ihnen zu verantwortenden Zerstörung, Mitleid empfindet: „Sie<br />

mußten gemeinsam sterben, weil keiner allein weiterleben wollte. Ich zweifle, ob ich,<br />

ein Mensch des 20. Jahrhunderts, je hoffen könnte, so zu sterben.“<br />

Honda hat diese Form des Erzählens klug gewählt. Trotz der Dynamik des Films<br />

gelingt es dem Zuschauer, über Shigeru einen Weg in den Film zu finden. Fast<br />

scheint es, als nehme der junge Bergmann, gespielt von Kenji Sahara, den Betrachter<br />

an die Hand und lotse ihn geschickt durch die Handlung.<br />

2.8 Bildsprache<br />

„Rodan - Die fliegenden Monster von Osaka“ war der erste Farbfilm des Kaiju Eiga.<br />

Die veränderten technischen Gegebenheiten und sich damit eröffnenden<br />

Möglichkeiten, veränderten auch die Atmosphäre in den Filmen. Es scheint, als<br />

vollführten Beleuchter und Regisseur eine Gradwanderung zwischen der düsteren<br />

Stimmung der ersten beiden Godzilla-Filme und dem farbenfrohen, eher<br />

märchenhaften Charakter der folgenden Produktionen.<br />

Die Zweiteilung der Handlung läßt sich auch durch die Stimmung der jeweils<br />

verwendeten Bildersprache belegen. Im ersten Teil des Filmes wirken die nur<br />

spärlich ausgeleuchteten Szenen im Bergwerk bedrohlich. Selbst einige mit<br />

Gegenlicht gedrehte und somit recht dunkle Außenaufnahmen, lassen eine<br />

beklemmende Atmosphäre aufkommen. Da die Meganurons nur nachts den<br />

schützenden Stollen verlassen, sind sie ausschließlich im Dunkeln zu bewundern. Es<br />

lassen sich also klassische Stilmittel des Gruselfilms erkennen. Besonders deutlich<br />

wird dies, als sich gräßliche Schatten an den Wänden des Stollens abzeichnen und<br />

Honda, ohne das Monster zu zeigen, genau diese Schatten zwei Bergleute töten läßt.<br />

Als Radon die Leinwand betritt, ändert sich die Stimmung. <strong>Der</strong> düstere Charakter<br />

verschwindet, was unter anderem damit zusammenhängt, daß der Flugsaurier<br />

tagaktiv ist. Neutral ausgeleuchtete Kulissen ohne beachtenswertes Schattenspiel und<br />

bunte Modellandschaften lassen den Betrachter schnell vergessen, daß man sich<br />

eigentlich einen Gruselfilm ansieht.<br />

20


Vielleicht versucht das Produktionsteam mit Hilfe der oben genannten Mittel auch<br />

die unterschiedlichen Charaktere der beiden Monsterarten auszudrücken. Denn<br />

während die Riesenlarven - ständig aktiv - Menschen angreifen und töten, bringt<br />

Radon, allein durch seine Größe, Zerstörung und Verwüstung über die Bevölkerung.<br />

Ob dies wirklich sein Ziel ist läßt sich nicht eindeutig belegen. Aber dazu später<br />

mehr.<br />

Die Kamera ist größtenteils starr. Nur selten folgt sie in langsamer Fahrt den<br />

Schauspielern. Eine Ausnahme stellen die Einstellungen mit Radon dar. Allerdings<br />

gelingt es der Kamera nicht, die Dynamik seines Fluges einzufangen. Gerade als die<br />

Kreatur Verwüstung über Sasebo bringt, vermag es der Kameramann Eiji Tsuburaya<br />

nicht, den Zuschauer wirklich in den Bann der Katastrophe zu ziehen. Von den<br />

Möglichkeiten des Zooms wird kaum Gebrauch gemacht. Nur einige wenige Szenen,<br />

in denen die Handlungsträger zu bedeutenden Erkenntnissen oder Einsichten<br />

gelangen, weisen leichte Zoomeffekte auf.<br />

Die vorherrschenden Einstellungsgrößen „Halbtotal“ und „Halbnah“ lassen eine<br />

gewisse Distanz zum Betrachter entstehen. Es scheint, als beobachte man die<br />

Geschehnisse aus sicherer Entfernung. Dies erschwert zwar teilweise den Zugang zur<br />

Handlung, läßt den Film aber gleichzeitig fast dokumentarisch wirken. Die wenigen<br />

Großaufnahmen zeigen häufig angsterfüllte Gesichter von Menschen, wenn diese mit<br />

den Urzeitkreaturen konfrontiert werden. Erneut läßt sich hier ein klassisches<br />

Stilmittel des Horrorfilmes erkennen. Die Angst wird über die Mimik der<br />

Schauspieler in den Zuschauerraum transportiert. In Groß- und Detaileinstellungen<br />

werden zudem auch die Monster gezeigt. Allerdings erreicht man über die eher<br />

amüsante Gestaltung der Kostüme oft nicht die beabsichtigte Wirkung einer<br />

Spannungsintensivierung. Dies vermögen einzig einige Detailaufnahmen, in denen<br />

gezeigt wird, wie beispielsweise die Scheren an den Armen der Meganurons den<br />

Bergarbeitern schwer zusetzen.<br />

2.9 Filmmusik und –geräusche<br />

Die soeben beschriebene - und andere - Szenen, in denen das Böse in Form der<br />

Ungetüme in Erscheinung tritt, werden stets durch bedrohliche Musik untermalt.<br />

21


Schwere, düstere Klänge kündigen Gefahren an und illustrieren geschickt die Bilder.<br />

Ansonsten hält sich Akira Ifukube, bekannt durch seine martialischen Märsche und<br />

den von ihm geschaffenen, unverkennbaren Schrei Godzillas, eher zurück.<br />

Eine wichtigere Rolle spielen die vielen Geräusche, die ebenfalls vor der Bedrohung<br />

warnen und dem Zuschauer signalisieren, daß gerade etwas Schreckliches passiert<br />

oder passieren wird. So untermalt er die schon erwähnten Meganuronschatten im<br />

Bergwerk mit einem schallenden Zwitschern, das die gesamte Einstellung beherrscht<br />

und sie überhaupt erst so mysteriös erscheinen läßt. Besonders wichtig ist die richtige<br />

Geräuschkulisse natürlich bei den vielen Szenen, die in einer Modellandschaft<br />

entstanden sind. Ein nachgestelltes Erdbeben, beispielsweise, erscheint durch das<br />

eingespielte gewaltige Grollen beinahe real. Man könnte also sagen, daß eine Reihe<br />

von Tönen verwendet werden, die allein durch ihren Charakter Gefahr signalisieren.<br />

So ertönen bei Radons Flug über Sasebo zahlreiche Sirenen, ein Geräusch, das wohl<br />

jedem Menschen bekannt ist und vom Zuschauer sehr schnell mit einer Bedrohung in<br />

Verbindung gebracht wird, vielleicht sogar Angst auslöst.<br />

Interessant ist auch, daß die Klänge nicht allein für das Kinopublikum eine wichtige<br />

Informationsquelle darstellen. Als Radon auf die Stadt zufliegt, vernehmen die<br />

Bewohner lange, bevor sie ihn sehen können, sein Pfeifen, das wohl am ehesten mit<br />

dem eines Düsenflugzeuges vergleichbar ist, und fliehen vor der nahenden Gefahr.<br />

2.10 Spezialeffekte<br />

Wie zu erwarten, spielen Spezialeffekte eine bedeutende Rolle. Im besonderen fallen<br />

natürlich die großzügig angelegten Modellandschaften und die von Schauspielern<br />

getragenen Monsterkostüme auf, für die der <strong>japanische</strong> <strong>Monsterfilm</strong> ja geradezu<br />

berühmt ist. Ohne große Mühe lassen sich die Akteure unter den Anzügen erkennen,<br />

und so wirkt die Art der Fortbewegung der Meganurons eher unbeholfen. Auch<br />

Radon kann sein „Innenleben“ nur unzureichend verheimlichen. Die großen Flügel<br />

scheinen sich von Haruo Nakajima, dem Darsteller, der auch schon Godzilla zum<br />

Leben erweckte, nur schwer unter Kontrolle bringen zu lassen und hängen teilweise<br />

so schlaff an den Armen der Kreatur herunter, als gehörten sie gar nicht zu ihr. Die<br />

Kostüme selbst gehören zweifelsohne zu den besseren der Serie. So gestaltete man<br />

22


die Meganurons mit sehr viel Liebe für Details und auch Radon macht, sieht man<br />

einmal von den Problemen mit seinen Schwingen ab, eine relativ gute Figur. Gerade<br />

für Detailaufnahmen war es natürlich wichtig, die Ungetiere nicht zu lächerlich<br />

wirken zu lassen. Teilweise verwendete man auch Miniaturexemplare der Giganten.<br />

Als die beiden Radons zum Schluß sterben, sieht man sehr deutlich, daß sich nur<br />

wenige Zentimeter große Kunststoffmodelle in die Lava stürzen.<br />

Sehr überzeugend hingegen wirken die Modellbauten. Zwar können sie nicht immer<br />

den Eindruck erwecken, als handle es sich um echte Gebäude oder Landschaften,<br />

Anerkennung und Respekt aber verdienen sie allemal. Als beispielsweise die Erde zu<br />

beben beginnt und Radon aus seinem Ei schlüpft, sieht man wie in einer Landschaft<br />

plötzlich die Erde aufreißt und riesige Schluchten entstehen. Einzig die schnell<br />

verfliegenden Rauchwolken lassen erkennen, daß es sich hier lediglich um eine aus<br />

der Nähe fotografierte Naturkatastrophe auf der Eisenbahnplatte handelt. Auch die<br />

Zerstörung von Sasebo findet in einer Modellkulisse statt. Autos und Häuserteile<br />

fliegen überall herum, Feuer bricht aus und Gebäude fallen in sich zusammen.<br />

Obwohl auch hier die Stadt recht detailliert gestaltet wurde, wirkt diese Szene nicht<br />

sehr real. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen und anhand der kleinen Feuerchen<br />

ist für den Zuschauer leicht festzustellen, daß es sich um Miniaturbauten handelt.<br />

Durch die Verlangsamung der Einstellungen, in denen man den Flugdrachen über<br />

Sasebo kreisen sieht, versucht man die an unsichtbaren Fäden hängende Kreatur<br />

größer erscheinen zu lassen. Wirklich real aber wirkt sie auch dadurch nicht. Zudem<br />

fällt auf, daß es fast keine Aufnahmen gibt, in denen Radon und Menschen<br />

gemeinsam zu sehen sind. Gerade ein Mal fügten die Tricktechniker seinen Kopf in<br />

das Bild einer Menschengruppe ein. Es erscheint in den Fensterscheiben eines<br />

Hochhauses, wurde aber so schlecht einkopiert, daß der Betrachter die technische<br />

Spielerei sofort durchschaut.<br />

Recht gut hingegen gelingt die Integration gemalter Filmhintergründe in die<br />

Produktion. So entpuppt sich zum Beispiel die Steinwüste, aus der Shigeru nach dem<br />

Erdbeben seinen Rettern entgegenläuft, erst beim zweiten Hinsehen als unecht.<br />

Leichter zu erkennen, aber dafür ungleich spektakulärer sind die pyrotechnischen<br />

Effekte, an denen es dem Film nicht mangelt. Besonders beim Angriff Radons auf<br />

Sasebo kommt es zu zahlreichen Explosionen, gekappte Energieleitungen schlagen<br />

Funken und Häuser beginnen zu brennen. Ein wahres Feuerwerk aber veranstalten<br />

die Trickspezialisten am Ende der Produktion, als Radons Nest bombardiert wird.<br />

23


Dabei läßt sich auch gut die bereits beginnende Sparpolitik der Toho erkennen.<br />

Einige Explosionen kann der aufmerksame Zuschauer nämlich mehrere Male<br />

bewundern.<br />

2.11 Abschließende Betrachtung<br />

„Rodan - Die fliegenden Monster von Osaka“ ist zweifelsfrei ein klassisches Beispiel<br />

für den <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong>. Als erster Farbfilm der Toho könnte man ihn<br />

vielleicht sogar als Bindeglied zwischen den beiden ersten, sehr sozialkritischen<br />

Godzilla-Filmen und den im weiteren Verlauf der Serie eher fantasylastigen Stoffen<br />

bezeichnen. Es lassen sich eine Vielzahl typischer Merkmale des Kaijiu Eiga<br />

erkennen. Dies sind zum einen äußere und filmtechnische Besonderheiten:<br />

Monsterkostüme, Aufnahmen in Modellandschaften und pyrotechnische Effekte; auf<br />

der anderen Seite aber begegnet man der bereits aus den vorangegangenen Filmen<br />

bekannten Thematik wieder. Auch hier ist es das Experimentieren mit der Atomkraft,<br />

das die Kreaturen zum Leben erweckt. Neu hingegen ist, daß diese bedrohliche Kraft<br />

nicht allein für Radons Erwachen zuständig ist.<br />

Auch andere Formen der rücksichtslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch<br />

den Menschen, haben diese späte Rache der Natur, symbolisiert durch die Radons,<br />

heraufbeschworen. Zum ersten Mal wird nicht ausschließlich auf das <strong>japanische</strong><br />

Trauma der Atombombe eingegangen. Man erweitert die Thematik um Risiken und<br />

Bedrohungen, die durch die Umweltzerstörung auftreten. Natürlich darf hierbei die<br />

Gefahr nicht mit den Monstern gleichgesetzt werden. So ist es relativ<br />

unwahrscheinlich, daß durch einen zu tief gegrabenen Stollen ein urzeitliches Fossil<br />

zu neuem Leben erweckt werden kann. Im Film aber lassen die Kreaturen die<br />

Bedrohung real erscheinen. Sie geben der Gefahr eine Gestalt, machen sie daher für<br />

den Betrachter faßbar und lenken dessen Aufmerksamkeit auf die Thematik. Leider<br />

haben viele Menschen, die sich diese Art von Filmen ansehen, für jenen, durchaus<br />

gehaltvollen und kritischen Aspekt, keinen Blick. Man sieht sich die herumtobenden<br />

Monster an, freut sich über die schönen Landschaften, die auf der heimischen<br />

Eisenbahnplatte wahrscheinlich auch recht gut zur Geltung kommen würden und<br />

belächelt die oft hastig erzählte Geschichte.<br />

24


Ein Novum in dieser Produktion stellt die beinahe tragische Charakteristik Radons<br />

dar. Zwar ist er zweifelsfrei für Zerstörungen, deren Ausmaß denen des Zweiten<br />

Weltkrieges gleichen, verantwortlich, verursacht aber wurden sie nicht durch einen<br />

gezielten Angriff. So verwüstet das Urzeitmonster die Stadt Sasebo allein aufgrund<br />

seiner Größe und der hohen Geschwindigkeit, mit der er sie überfliegt. Fast scheint<br />

es, als würde auch Shigeru dies bemerken. Im Schlußmonolog läßt sich sogar Mitleid<br />

mit den Radons erkennen. Sie müssen sterben, weil ihre Größe eine Gefahr für die<br />

Menschheit darstellt. Ob sie wirklich bösartig sind, spielt hierbei keine Rolle. <strong>Der</strong><br />

Mensch muß sie töten um die Bedrohung zu beseitigen, die er selbst<br />

heraufbeschworen hat. <strong>Der</strong> Zuschauer erhält fast den Eindruck, es täte den<br />

Handelnden leid und sie wüßten von dem, durch sie angerichteten Unrecht. Hat die<br />

Menschheit daraus etwas gelernt? Wahrscheinlich nicht denn schon kurze Zeit später<br />

sollten weitere Filme ähnlichen Inhalts in die Kinos kommen.<br />

Zusammenfassung und Schluß<br />

Vielleicht erscheint es nicht gerade leicht, die in Kapitel 1 dargestellte Entwicklung<br />

des <strong>japanische</strong>n <strong>Monsterfilm</strong>s mit der Analyse des zweiten Teiles in Verbindung zu<br />

bringen. So spielt Godzilla in der besprochenen Produktion nicht einmal eine<br />

Nebenrolle. Als bekanntestes Monster Japans hat diese Figur aber einen<br />

entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung des Genres, gerade in den frühen<br />

Jahren, ausgeübt. Es ist also wichtig, einiges über die Riesenechse zu wissen, denn<br />

obwohl sich die Kreaturen oft nicht besonders ähnlich sehen, haben sie doch eine<br />

Vielzahl an Gemeinsamkeiten.<br />

Radon ist, wie Godzilla, ein Geschöpf der Atombombe. Dies wird bereits an seinem<br />

Namen erkennbar, der einen deutlichen Hinweis für dessen radioaktive Herkunft<br />

gibt. Zudem erscheint auf der Kinoleinwand der Titel des Film vor dem Foto einer<br />

riesigen Atomexplosion. Eine weitere Gemeinsamkeit ist in der Tatsache zu sehen,<br />

daß beide ihre Gestalt den Tricktechnikern und Kostümbildnern der Toho verdanken.<br />

Man könnte sogar sagen, daß Godzilla, Radon und die Meganurons aus einer Familie<br />

stammen, geeint durch die Väter des Kaiju Eiga: Kameramann und Trickspezialist<br />

Eiji Tsuburaya und Regisseur Inoshirio Honda.<br />

25


Wir hoffen, es ist uns gelungen mit dieser Arbeit zu zeigen, daß hinter dem<br />

Komödienpotential der <strong>Monsterfilm</strong>e aus Japan, durchaus eine ernste, sozialkritische<br />

Aussage steckt. Die Bedrohungen durch Atomkraft und Umweltzerstörung sind stets<br />

präsent, auch wenn ihre Bedeutung im Verlauf der folgenden Filme allmählich<br />

verlorenging und die Drehbücher eher ins Fantastische abdrifteten. Auch die<br />

tricktechnischen Leistungen verdienen Respekt. Es läßt sich zwar oftmals leicht<br />

erkennen, daß die Monster durch angesägte Sperrholzhäuschen toben, eine Technik<br />

aber, mit der man die heutige Qualität von Tricksequenzen erreichen konnte<br />

existierte damals noch nicht.<br />

Vielleicht ist es ja auch gerade das, was die Faszination dieser Filme ausmacht. So<br />

legt in Roland Emmerichs Adaption von 1997/98 zwar ein perfekt animiertes<br />

Ungeheuer New York in Schutt und Asche, die liebevoll gestalteten<br />

Modellandschaften des Originals sucht man aber vergebens. Konnte der Zuschauer<br />

im Original noch die oft unbeholfen erscheinenden Bewegungen der kostümierten<br />

Akteure verfolgen, so blickt er jetzt auf ein brillant animiertes Muskelspiel des<br />

Giganten. So perfekt, daß es denen aller anderen aktuellen Kinomonster gleicht und<br />

den Betrachter nur schwerlich faszinieren kann.<br />

26


Quellenangabe<br />

Claus, Detlef/ Giesen, Rolf: Godzilla, Gamera, Gappa, Berlin: Schwarzkopf &<br />

Schwarzkopf, 1999<br />

Buttgereit, Jörg (und Freunde): Monster aus Japan greifen an - Godzilla, Gamera &<br />

Co. 2. Auflage, München: Belleville, 1998<br />

Monaco, James: Film verstehen. 3. Auflage, Reinbeck bei Hamburg: Rohwolt, 2001<br />

www. .Mechagodzilla. de<br />

www. Epilog. de<br />

„Rodan - Die fliegenden Monster von Osaka“, Regie: Inoshiro Honda,<br />

Produktion: Toho - Japan, 1957. Deutscher Videoverleih: Starlight Film,<br />

Bochum<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!