Das Ich im Anderen - Mirna Funk
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Einleitung<br />
„<strong>Das</strong> <strong>Ich</strong> <strong>im</strong> <strong>Anderen</strong> – Zur Problematik projektiver Liebe“ von <strong>Mirna</strong> <strong>Funk</strong><br />
Kolloquium von Prof. Dr. Volker Gerhardt<br />
Philosophische Fakultät der Humboldt Universität Berlin<br />
In der folgenden Arbeit „<strong>Das</strong> <strong>Ich</strong> <strong>im</strong> <strong>Anderen</strong> – Zur Problematik projektiver Liebe“ werde ich<br />
mich mit der Frage beschäftigen, in wieweit die Projektion ein wichtiger Bestandteil der<br />
symbiotischen Liebe ist und warum diese Liebe sich nicht zur Begegnung eignet.<br />
Anhand von Hegels Zitat „Der Geliebte ist nicht entgegengesetzt, er ist eins mit unserem<br />
Wesen; wir sehen uns in ihm, und dann ist er doch wieder nicht wir – ein Wunder, das wir<br />
nicht zu fassen vermögen“ 1 aus „Entwürfe über Religion und Liebe“ werde ich auf diesen<br />
tiefen Wunsch nach Objektauflösung und Symbiose <strong>im</strong>mer wieder zu sprechen kommen.<br />
<strong>Das</strong> Thema des Vortrags ist so umfangreich und elementar, dass 15 Seiten zur Ausarbeitung<br />
dieser Problemstellung kaum ausreichend erscheinen. Dementsprechend soll diese Analyse<br />
als ein Versuch der Beleuchtung und einer essayistischen Annäherung an ein hoch komplexes<br />
Thema verstanden werden.<br />
Der Wunsch nach symbiotischer Liebe findet sich schon in Platons Gastmahl und der<br />
Geschichte der Kugelwesen. Dort wird der Mensch als gespalten beschrieben; stetig auf der<br />
Suche nach seiner zweiten Hälfte - nach dem fehlenden Teil - dessen Finden unser<br />
Getrenntsein auflösen soll. Am Ende dieser Suche steht die Rückkehr zu einem Ganzen. Auch<br />
<strong>im</strong> Umgangssprachlichen finden sich Splitter dieser Vorstellung nach dem fehlenden<br />
<strong>Anderen</strong>. Zu jedem Topf ließe sich ein passender Deckel finden, so sagt man. Betritt man<br />
einen Raum, ohne seinen Partner, wird nach der besseren Hälfte gefragt. In diesen<br />
Fragmenten der Alltagssprache lässt sich noch nicht das Projektive erahnen, das die<br />
Vorstellung von einem Ganzen, bestehend aus zwei Menschen, beinhaltet.<br />
Diesem Projektiven möchte ich in meinem Vortrag auf die Spur kommen - dem Vermischen<br />
von innerer und äußerer Realität. Ziel ist es, sich der Frage zu widmen, weshalb der Mensch<br />
sich so selten allein als Ganzes betrachtet und warum das Getrenntsein <strong>im</strong> Allgemeinen als<br />
schmerzhaft erlebt wird.<br />
Was ist das „<strong>Ich</strong>“ und was ist der „Andere“? Welche Formen der Liebe gibt es und warum<br />
spielt Projektion in unserer Vorstellung von romantischer Liebe so eine wichtige Rolle?<br />
In dieser Arbeit werde ich versuchen, den Irrtum aus dem Weg zu räumen, dass sich<br />
wahrhaftige Liebe nur objektauflösend und symbiotisch zeigt. <strong>Ich</strong> werde vielmehr<br />
herauskristallisieren, dass die Akzeptanz des Getrenntseins und die Begegnung als ein „Du“<br />
1 G. W. F. Hegel, „Entwürfe über Religion und Liebe“ in Frühe Schriften, S.244.<br />
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