Dr. Gisela Felten - ID55
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<strong>ID55</strong> ANDERS ALT WERDEN<br />
ETWAS TUN,<br />
DAS SINN MACHT<br />
Weit weg oder vor der Haustür – vom Spaß am<br />
bürgerschaftlichen Engagement in den besten Jahren<br />
Von Ulrike Wahl<br />
Fotos: Robert Freise, Jaroslaw Piotrowski,<br />
Iris und Wolfgang Stiller<br />
Erst in die Rente, dann auf die Resterampe?<br />
Für die aktive Generation<br />
50plus ist das kein<br />
erstrebenswertes<br />
Ziel. Immer mehr<br />
Frauen und Männer<br />
in den besten Jahren<br />
engagieren sich freiwillig<br />
für Bildung,<br />
Familien, Kultur<br />
oder die Länder des<br />
Südens. Zusammen<br />
mit Gleichgesinnten<br />
wollen sie der<br />
Gesellschaft etwas<br />
zurückgeben und an<br />
der Gestaltung der<br />
Zukunft mitwirken.<br />
Dabei stellen sie mit<br />
Freude fest, wie gut<br />
die Tatsache des<br />
Gebrauchtwerdens<br />
dabei hilft, das eigene Älterwerden positiv<br />
zu erleben. <strong>ID55</strong>-Autorin Ulrike Wahl<br />
stellt drei Beispiele aus Herne vor.<br />
Ich gehe auf die Leute zu<br />
<strong>Gisela</strong> Lasek lächelt: „Ich habe viel Glück<br />
im Leben gehabt. Das kann ich doch nicht<br />
alles für mich behalten.“ Die Herzlichkeit<br />
der pensionierten Lehrerin für Seh- und<br />
Lernbehinderte überträgt sich auf ihr<br />
Gegenüber und macht sicher manches<br />
einfacher.<br />
Denn leicht ist das, was sie sich vorgenommen<br />
hat, nicht. <strong>Gisela</strong> Lasek kümmert<br />
sich um Kinder aus Migrantenfamilien,<br />
die im Wohnkomplex an der<br />
Emscherstraße in Herne zu Hause sind.<br />
200 Kinder aus 32 Nationen leben hier,<br />
die meisten Familien<br />
bekommen<br />
staatliche Unterstützung.<br />
Türken<br />
neben Kurden,<br />
Libanesen neben<br />
Russen, da sind<br />
Konflikte an der<br />
Tagesordnung.<br />
In dem tristen<br />
Wohnkomplex,<br />
einem sozialen<br />
Wohnungsbau<br />
aus den 70er<br />
Jahren mit<br />
Waschbetonfronten<br />
und dunklen<br />
Hauseingängen,<br />
hat die Stadt eine<br />
Wohnung angemietet und zu einem<br />
Bewohnertreffpunkt umgestaltet. Die<br />
Evangelische Kirche und andere freie<br />
Träger sind ebenso wie die städtischen<br />
Sozialarbeiter vom Sozialraumteam<br />
Wanne mit Spiel- und Beratungsangeboten<br />
regelmäßig vor Ort. Die Haustüren<br />
und Fenster sind frisch renoviert, im<br />
Innenhof laden ein Sandkasten und ein<br />
neues Klettergerüst zum Spielen ein.<br />
„Die Situation hat sich verbessert“, sagt<br />
<strong>Gisela</strong> Lasek. „Früher gab es mehr Zoff,<br />
<strong>Dr</strong>ogenprobleme und Prostitution waren<br />
an der Tagesordnung.“<br />
Nationen respektieren das Alter<br />
Abschrecken ließ sich <strong>Gisela</strong> Lasek davon<br />
nie. „Jede Nation achtet mich, weil ich eine<br />
ältere Deutsche und Lehrerin bin.“ Aber<br />
nicht nur als Pädagogin hat sich die resolute<br />
Powerfrau in ihrem bewegten Leben Respekt<br />
verschafft. Sie war in der Erziehungsberatung<br />
tätig, als Presbyterin in der evangelischen<br />
Kirchengemeinde Wanne-Nord aktiv,<br />
viele Jahre Schöffin und im Rat der Stadt<br />
Herne. Schon als Studentin gab <strong>Gisela</strong> Lasek<br />
Kindern in der Odachlosensiedlung Buschkampstraße<br />
kostenlos Nachhilfe.<br />
Immer schon für Verbesserung<br />
eingetreten<br />
Das Haus an der Emscherstraße kennt sie<br />
seit ihrer Lehrtätigkeit an der Schule an der<br />
Dorneburg. „Meine Schulkinder wohnten<br />
hier. Ist doch klar, dass man als Lehrerin<br />
hilft.“ Ihr eigenes Heim steht gleich um die<br />
Ecke. Der Stadtteil, bis heute geprägt von<br />
den Hinterlassenschaften des Bergbaus,<br />
und seine Bewohner haben sie seit jeher<br />
interessiert. „Ich wollte immer schon etwas<br />
hier verbessern.“ Sie hat Müllsammelaktionen<br />
rund um die Wohnanlage gestartet<br />
und mit Unterstützung der städtischen Jugendförderung<br />
ein Kinderfest auf die Beine<br />
gestellt. Sie berät die Familien, die von irgendwo<br />
neu angekommen sind, die Sprache<br />
nicht kennen und nicht wissen, an wen sie<br />
sich wenden können. „Ich gehe auf die Leute<br />
zu und erkläre ihnen, wo die Schule ist<br />
oder das Sozialamt“, berichtet <strong>Gisela</strong> Lasek.<br />
10<br />
<strong>Gisela</strong> Lasek kümmert sich um Kinder aus<br />
Migrantenfamilien.<br />
Derzeit organisiert sie ein Kennenlernen der<br />
Mütter mit gemeinsamem Teetrinken. „Es<br />
wäre schön, wenn die Mütter den Bewohnertreffpunkt<br />
als ihr Refugium ansehen<br />
würden“, sagt <strong>Gisela</strong> Lasek. Der soziale Kontakt<br />
untereinander und über die Kulturen<br />
hinweg ist der erste Schritt, damit sich die<br />
Frauen verantwortlich fühlen, nicht nur für<br />
ihre eigene Wohnung, sondern auch für den<br />
Hausflur und die Flächen rund ums Haus.<br />
Herzensangelegenheit Deutschkurs<br />
Bald will <strong>Gisela</strong> Lasek einen Deutschkurs<br />
in der Emscherstraße einrichten. Chancengleichheit<br />
und Gerechtigkeit für die<br />
nachwachsende Generation liegen ihr besonders<br />
am Herzen: „Kein Kind darf außen<br />
vor bleiben, nur weil es eine andere Muttersprache<br />
spricht und die deutsche Sprache<br />
nicht perfekt beherrscht. Integration<br />
kann nur über Bildung funktionieren.“ Die<br />
ersten Erfolge spornen sie weiter an: 11<br />
von 16 Kindern mit ausländischen Wurzeln<br />
aus der Wohnanlage Emscherstraße<br />
haben mit Hilfe von <strong>Gisela</strong> Lasek schon an<br />
der Realschule Fuß gefasst und kommen<br />
gut im Unterricht mit. Nun hat sie den<br />
Förderunterricht auf die Michael- und die<br />
Josefschule ausgeweitet. Dort macht sie 60<br />
Mädchen und Jungen in deutscher Grammatik<br />
fit. Für ihren Unterricht erhält sie<br />
nun sogar ein kleines Honorar – anfangs<br />
aus dem Förderprogramm zur Stadtteilentwicklung<br />
von Bickern/Unser Fritz, heute<br />
über die Herner Sparkasse. Die Kinder,<br />
die davon profitieren, werden wohl die<br />
gleichen Startchancen wie ihre deutschen<br />
Altersgenossen haben. Dank <strong>Gisela</strong> Lasek.