Recenzenci / Gutachter Marek Hałub, Lucyna Wille Projekt okładki i ...
Recenzenci / Gutachter Marek Hałub, Lucyna Wille Projekt okładki i ...
Recenzenci / Gutachter Marek Hałub, Lucyna Wille Projekt okładki i ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
260<br />
Wolfgang Drost<br />
dieses Entschlusses, indem sie ihm die katastrophalen Folgen für sich und<br />
seine Familie vor Augen stellten.<br />
Die Aufbruchsstimmung der 1930er Jahre hat auch einen überzeugten<br />
Humanisten und Ästheten wie Willi Drost erfaßt, der unversehens nationalsozialistisches<br />
Gedankengut vertrat. So sagte er in einem Vortrag über<br />
die „Plastik der Gegenwart“ im Danziger Kunstverein 1939, daß „die besten<br />
Kräfte für die lebensnotwendigsten Aufgaben des Aufbaus und der Wehrhaftigkeit<br />
des vor 20 Jahren entwaffneten Volkes zugeführt werden“ (II, 344)<br />
und gab pathetisch seiner Begeisterung für die neue Kunst Ausdruck, die<br />
„in strahlend köstlicher Reinheit eine neue Welt erschaffen“ hat (II, 344).<br />
Insofern war Drost kein Unpolitischer, obwohl er an keinen spezifisch politischen<br />
Aktivitäten teilnahm, kein Parteiamt bekleidete, hingegen bis an das<br />
Kriegsende Kirchenältester in Sankt Marien blieb. Doch bereits durch die<br />
Tatsache, daß er als Denkmalpfleger, Museumsdirektor und Hochschullehrer<br />
an herausragender Stelle im Danziger Leben wirkte, unterstützte er die nationalsozialistische<br />
Parteiführung, die die scheinbar unpolitische Domäne<br />
der Kultur zu ihren Zwecken missbrauchte. Nur einmal formuliert er im<br />
Kunstverein am 13. Januar 1939 seine „Bedenken“: „noch viele (durchgestrichen<br />
und handschriftlich ersetzt durch: mancher) von uns, besonders von<br />
uns Älteren, [sind] durch die neuen Einstellungen und die Fülle ihrer Folgen<br />
bedrängt und beunruhigt“ (II, 344).<br />
Aber diese Sorge mündet in keiner aktiven Kritik am Nationalsozialismus.<br />
Willi Drost hat dieses Manko nach dem Kriegsende, als die Verbrechen des<br />
Regimes in ihrem ganzen Umfang bekannt wurden, als Schuld empfunden.<br />
Was er in Gesprächen mir gegenüber durchblicken ließ, können wir an seinem<br />
Exemplar von Thomas Manns Adel des Geistes ablesen. In dem Essay über<br />
„Leiden und Größe Richard Wagners“, das der emigrierte Dichter 1933 verfaßt<br />
hatte, markierte Drost eine Stelle mit einem Ausrufungszeichen und trug im<br />
hinteren Buchdeckel als Stichwort ein: „Man muß politisch sein! S. 402“. Das<br />
Wort, auf das er sich bezog, ist ein von Thomas Mann angeführtes Zitat Richard<br />
Wagners: „Wer sich unter der Politik wegstiehlt, belügt sich selber!“ Das diesem<br />
Satz folgende Urteil Thomas Manns wird Willi Drost als Vorwurf empfunden<br />
haben: „Ein so lebendiger und radikaler Geist [wie Wagner] war sich selbstverständlich<br />
der Einheit des humanen Problems, der Untrennbarkeit von Geist<br />
und Politik bewußt; er hat nicht der bürgerlichendeutschen Selbsttäuschung<br />
angehangen, man könne ein unpolitischer Kulturmensch sein – diesem Wahn,<br />
der Deutschlands Elend verschuldet hat.“ 29<br />
***<br />
Ein kleiner Nachtrag sei gestattet. Für mich war die Lektüre der Rundfunkreden<br />
meines Vaters eine Überraschung. Denn die dort geäußerten<br />
regimefreundlichen Aussagen standen in krassem Widerspruch zu seinen<br />
Äußerungen im Kreise der Familie. Das bestätigt auch meine Schwester, Eva<br />
29 Thomas Mann: Adel des Geistes, Berlin, AufbauVerlag, 1956, S. 402.