Wenn Helden vom Himmel fallen - von Patrik Schneider

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– auch wenn andere dabei Schaden erleiden (Schaden durch Verhinderung). Letzte lässt sich
religiös im Sinne einer biblischen oder franziskanischen Liebe zum Wert des Leben
begründen, muss aber gegen den ersten Wert in einer reifen Gewissensentscheidung
abgewogen werden bzw. diskutabel sein. 17 Diese diskursethischen Handlungskompetenzen
sind dann in Praxisfeldern einzuüben.
Zusammenfassung
Helden sind ´in` und können für den Religionsunterricht als Zündstoff genutzt werden. Ihre
pädagogische Bedeutung liegt weniger in der bewundernden Darstellung, die zum
Nachahmen anregen soll. Vielmehr eignen sich Heroengeschichten zum Nachdenken über
persönliche Entscheidungen und geplatzte sowie geglückte Lebensentwürfe, an den Schüler
für ihr eigens leben lernen können. Tatsächlich haben die Heroengeschichten eine Art
Modellcharakter, der als personifiziertes Angebot im Unterricht Zündstoff zur weiteren
didaktischen Ausarbeitung anbietet. Im Folgenden soll dies am Fall Grass – oder wie er
anders tituliert wurde: an einem grassen Fall – angewandt und vertieft werden.
II. URTEILEN:
Günter Grass – das Bilderbuchdilemma eines gefallenen Helden
Als Theologe und Religionslehrer fällt einem der Fall Grass im Sommer 2006 fast schon in
den Schoß. Durch sein langes Schweigen über seine Zeit in der Waffen SS fiel er weit
herunter aus dem Olymp der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mit 78 Jahren beichtet Grass in
seiner neuen Autobiografie: „Beim Häuten der Zwiebel“ 18 , seine Mitgliedschaft in eben dieser
Waffen SS. Da sitzt er nun im deutschen Fernsehen und erzählt, dass er sein siebenwöchigen
Einsatz in der Waffen SS Jahrzehnte „beerdigt“ und es ihn dennoch nie losgelassen habe 19 .
Was lässt sich da an die Schüler weitergeben? Was können wir und sie aus dem tiefen Fall
des Günter Grass’ lernen.
Erinnern wir uns: 1999 erhielt Günter Grass nach Heinrich Böll als zweiter deutscher
Nachkriegsdeutsche den weltweit anerkannten Literaturnobelpreis als Krönung für sein
literarisches (nicht moralisches!) Lebenswerk. In der Laudatio des Nobelkomitees wird er,
Grass, als Autor gewürdigt, der das „vergessene Gesicht der Geschichte“ 20 in Deutschland
wachgehalten habe.
Auch andere Würdigung wurden ihm zuteil: So wurde Grass zum Ehrenbürger seiner
Geburts- und Heimatstadt Danzig ernannt– deshalb bedeutsam, weil das heutige polnische
Danzig einen Deutschen trotz der deutschen Kriegsverbrechen geehrt hat: angesichts des
schwierigen Verhältnisses zwischen Polen und Deutschland ein wichtiges Zeichen der
Aussöhnung im Nachkriegsdeutschland. Lech Walesa, selbst Ehrenbürger von Danzig, mahnt
jetzt den Dichter und deutschen Denker nach seiner Enthüllung, diese einmalige Ehrung
17 Hierzu ein zeitgeschichtlicher Hinweis. Es war der überzeugte Pazifist Joschka Fischer, der als Grüner
Bundesaußenminister den ersten Einsatzbefehl der Bundeswehr im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg
anordnete und befehligte. Das Massenelend, das die Serben im Kosovo anrichteten, ließ ihn offenbar zu der
Überzeugung gelangen, dass dieses Grauen nur mit Krieg und Waffengewalt gestoppt werden könne:
Entwicklungspsychologisch ein interessanter menschlicher Reifungsprozess, zeithistorisch ein Paradoxon.
18 G.Grass, Beim Häuten der Zwiebel, Göttingen 2006.
19 ARD , 17.8.06, 23.45 Uhr, Wickerts Bücher, U.Wickert im Interview mit Günter Grass sowie Einblendungen
aus diesem Grass-Interview mit U. Wickert bei ARD, 21.8.06 , 23.15 Uhr, Talkshow: Beckmann
20 Zitiert aus: STERN 34/2006, S. 39.