THEMAMegacoole <strong>Stein</strong>bildhauerinCHRISTIANE WEISHAUPTAls talentierte Nachwuchsbildhauerin gewann Melanie Sterba aus Bassersdorfvor zwei Jahren den ersten Preis eines Wettbewerbs im Rahmen der MesseStone+tec in Nürnberg. Inzwischen hat die 20-Jährige ihre Ausbildung zur<strong>Stein</strong>bildhauerin beendet und bildet mit ihrem Lehrmeister Ralph Höck einTeam, das sich auf figürliche Bildhauerei spezialisiert hat.In lederner Zunftkleidungsteht Melanie Sterba vor ihrerArbeitsstätte in Oberwil beiNürensdorf im Kanton Zürich.Ihr kurzes, rötlichbraunes Haarist grösstenteils unter einemHut verborgen. Sie trägt Ohrsteckerund eine dicke Halskettemit zwei auffallend grossenAnhängern. «Das Kreuz ausMessing ist ein Familienerb-stück aus Tschechien und stehtals Symbol für den Widerstandim Zweiten Weltkrieg», erklärtMelanie. «Der Ring mit dem Löwenkopfist ein Geschenk voneinem afrikanischen Flüchtling,der mit dem Ring wenigstenseinen Teil von sich in Europaweiss.» Nordafrika kennt die20-Jährige von Reisen mit demLand Rover. Beim Gesprächsteht sie kurz vor der Abreise zueinem vierwöchigen Trip nachMarokko. Mit ihr werden sichRalph Höck und Karin Fiechterauf den Weg machen, und damitdie gesamte Crew des Bildhauerateliers,das Höck 1993 inder ehemaligen Schmiede inOberwil an der Brüttenerstrasseeingerichtet hat. Bei ihm hatMelanie gelernt. Seit Januarwird auch Karin Fiechter ausgebildet.«Karin ist handwerklichschon fast genial und machtDinge, die eigentlich niemandkann», lobt Höck die 28-Jährige.Auch Melanie Sterba istein Ausnahmetalent. Wäre esnicht so, hätte sie wohl keineChance gehabt, bei Höck in dieLehre zu gehen. Der 49-Jährigearbeitete gerne alleine,Links: Grosse Aufträge wie dieGrabskulptur mit einer liegendenFrau aus Carrara-Marmor erledigenRalph Höck und Melanie Sterbagemeinsam. (Foto: Melanie Sterba)Rechts: «Handwerkszeug»von Melanie Sterba undRalph Höck im Atelier.(Fotos: Christiane Weishaupt)123/2015
hatte sein Auskommen mitpersonenbezogenen Grabmalen,Zweitschriften und figürlicherBildhauerei, die ihre Zeitbraucht, um seinen Ansprüchenzu genügen. Einen Lehrling zubeschäftigen, wäre ihm nie inden Sinn gekommen. Bis einesTages das Telefon klingelte. Einejunge Stimme fragte nacheiner Schnupperlehre und liessauch dann nicht locker, alsHöck unverblümt sagte, dass ermit Kindern und Jugendlichennichts anfangen kann. FürMädchen habe er weder eineKantine noch ein WC. Kein Problem,signalisierte Melanie undinsistierte: «Mich interessiertkörperliche Arbeit. Ich kannzeichnen und bin nicht kompliziert.»Höck kapitulierte undliess Melanie schnuppern.Feuertaufe an einerEngelsfigurFür die damals 14-Jährige wardie Schule eine Last. Sie wollteetwas Kreatives machen, dachtezuerst an Grafik und verwarfdiese Idee – zuviel Computerarbeit,zu wenig Bewegung.«<strong>Stein</strong>bildhauerei verkörpertalles, was ich brauche», fanddie Bassersdorferin und suchtefür ein Praktikum einen Bildhauerin der Nähe. Das warRalph Höck. «Hast du überlegt,was du machen willst?»,fragte er am ersten Schnuppertag.Melanie hatte klare Vorstellungen:«Ein Relief.» DieZeichnung war schnell fertig,der Ton fürs Modell noch garnicht bestellt, das Abformen inGips «megacool», sagt Melanie.Höck besorgte ein Bruchstückaus griechischem Marmor. Melaniebearbeitete es mit Spitzeisenund Fäustel, holte sicheine dicke Blase an der Handund fertigte einen Phantasiekopf,der später einen Käuferfand. Höck, inzwischen vomTalent und DurchhaltewillenMelanies überzeugt, zeigte derSchülerin den Umgang mit demPunktiergerät an einer Engelsfigur,an der sie kurzerhandweiterarbeiten sollte. «Beim<strong>Stein</strong> hast du keinen zweitenVersuch. Du darfst nichts falschmachen», erinnert sich Melaniean die Feuertaufe. Die Arbeitan der schwierigsten Stelle zwischenHals und Flügel glückte.Höck, nun restlos vom Talentdes Mädchens überzeugt, gabihr die gewünschte Lehrstelle.Die vierjährige Ausbildungzur <strong>Stein</strong>bildhauerin trat Melaniemit 15 an. Ein halbes Jahrfrüher, als geplant, weil sie dieSchule abgebrochen hatte. DieBerufsschule in St. Gallen besuchtesie gerne. Die berufsbezogenenFächer interessiertensie und im Zeichnen und Punktierenerzielte sie Bestnoten.Highlight ihrer Lehrzeit, warein Auftrag eines Geschäftsmannesaus Deutschland, derLinks: Für eine Gartenskulpturfertigte Melanie drei Modellefür eine Stele mit Januskopf ausbeigem Kalkstein.Mitte: «Betriebsausflug» im LandRover: Melanie am Lenkrad mitKarin Fiechter und Ralph Höck vorder Fahrt nach Marokko.Rechts: Die zeichnerischeBegabung von Melanie zeigt sichim Bild mit steigendem Pferd.(Foto: Melanie Sterba)sich eine Grabskulptur mit einerliegenden Frau aus Carrara-Marmor wünschte. Höck warihm empfohlen worden. DerBildhauer zögerte. «Wir habennoch nie eine so grosse Arbeitgemacht.» Ohne Melanie hätteHöck diesen Auftrag nichtangenommen. Mit Unterbrechungenwar die monolithischeSkulptur aus einem dreiTonnen schweren Block nacheinem halben Jahr fertig undder Kunde vom Ergebnis begeistert:Eine junge Frau liegttrauernd auf einem Sarkophag,der Körper von einem faltenwerfendenTuch verhüllt, dieArme schlank, aber muskulös,den Kopf mit dem Gesicht nachunten auf einem Unterarm gebettet.Von Melanies Talent überzeugt,war auch die Jury des erstenNachwuchswettbewerbs imRahmen der Messe Stone+tec3/2015 13