NGG_Protokoll_Gewerkschaftstag_1949_oJ.pdf
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PROTOKOLL
über die Verhandlungen
des Vereinigungs-Gewerkschaftstages
der Industriegewerkschaft
NAHRUNG • GENUSS - GASTSTÄTTEN
für das Gebiet der
amerikanisch, britisch und französisch
besetzten Zonen Deutschlands
in München vom 24. bis 26. Mai 1949
VORWORT
Der Vereinigungsgewerkschaftstag wird am 24. Mai 1949, um 10.10 Uhr, im
Saal des Museums in München mit dem Vortrag eines Musikstückes eingeleitet.
Als zweites sang ein Freiheitschor das Lied „Auf, Freunde, laßt das Lied
erklingen!". Anschließend trug Martin Plantz den von Georg Fiederl verfaßten
nachfolgenden Prolog vor:
GELÖBNIS
Brüder! Schwestern! Gewerkschaftskollegen!
Schicksalsgefährten aus Süd, West und Nord,
die unermüdlich die Räder bewegen,
emsigen Fleißes gestalten den Segen
einer gewalt- und machthungrigen Welt!
Schwestern und Brüder aus anderen Ländern,
düstere Zukunft im Banne uns hält.
Laßt uns der Erde Antlitz nun ändern,
daß wir zur Sonne, zur Freiheit uns wenden,
wenn uns der Zweifel Nacht überfällt!
Was unsere Alten so mühsam errungen,
„Freie Gewerkschaft", dem Schwachen ein Hort.
Tausende fielen — vom Henker bezwungen,
ewiges Vorbild dem Kämpfer, dem jungen,
mit ihrer Treue beharrlichem Wort.
Laßt uns, ihr Brüder, mit Handschlag bekunden,
daß wir bewahi - en, was uns noch verblieb!
Laßt uns erhalten, was wir noch gefunden,
daß allen Opfern ein Kranz sei gewunden!
Ehrt sie in Taten! Das Wort rasch entflieht.
Ernst ist die Stunde, die heute uns bindet,
schwer die Verantwortung, die auf uns ruht.
Suchende Mißgunst stets Handhabe findet.
Kärglich die Hoffnung, die Dank uns verkündet.
Recht unsere Flamme, Treue die Glut!
Männer der Arbeit? Nein, Sklaven der Pflicht!
Schöpfer des Reichtums, hebt das Gesicht!
Erben der Zwietracht, beuget euch nicht!
Ewig sprosset und grünet die Saat.
Ewig entscheiden Bekenntnis und Tat.
Ewig der Freiheit Funke erglüht.
Ewige Sehnsucht das Herz uns durchzieht.
Greift nach dem Steuer! Ihr seid die Kraft.
Brechet die Ketten abhängiger Haft!
Tragen die Toten nicht unser Gesicht?
Kampf dem Despoten!
Nun haltet Gericht! -
1
Alsdann ergreift der Vorsitzende der bisherigen Landesgewerkschaft Nahrung
— Genuß — Gaststätten in Bayern Georg Fiederl das Wort zu
folgenden kurzen Einführungsworten:
Sehr geehrte Versammlung, liebe Ehrengäste und Behördenvertreter!
Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen
von diesseits und jenseits der heutigen deutschen Grenzen!
Ich darf in Ihrem Namen zunächst unseren Freunden und Sangesbrüdern für
ihre Mitunterstützung zur Ausgestaltung unserer heute beginnenden Tagung
danken.
Ein in der Geschichte der deutschen Gewerkschaften ebenso bedeutsamer als
hoffentlich einmaliger Anlaß ist es, der den Gegenstand der heute hier beginnenden
Tagung darstellt. Der Schlußsatz des Festgesangs von Gustav Adolf Uthmann,
unseres unvergeßlichen Komponisten hinreißender Fredheitschöre für
die wert-, recht- und pflichtbewußte, besonders aber für die Kulturschaffende und
sich ihrer Verantwortung bewußte deutsche Arbeiterschaft, ist soeben verklungen.
„Dem Völkerbund treu immerdar — ist Deutschlands Proletar", wenn wir
den Personenkreis als solchen werten, der immer im entschlossenen Abwehrwillen
all die Feindseligkeiten zu hemmen versuchte, die über die schaffende
Arbeiterschaft hereinbrechen sollten.
Wohl haben die Pioniere der deutschen Gewerkschaften in unentwegter Treue
dem Völkerbunde und Völkerfrieden zugestrebt, zugestrebt mit aller Leidenschaftlichkeit
und Überzeugungstreue der Herzen. Und dennoch mußte diese
Treue den Not- und Leidensweg gehen, der aus dem grenzenlosen Machthunger
einer deutschen Volksbetörung und aus der politischen und ökonomischen
Unzulänglichkeit eines erheblichen Teiles der deutschen Arbeitnehmer erstanden
ist.
Der Verband der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter Deutschlands, im
Jahre 1927 durch Vereinigung der Verbände der Brauer, Böttcher, Bäcker,
Fleischer und Müller zu erfolgversprechender Zusammenarbeit geschaffen, wurde
wie alle anderen Gewerkschaften von den nationalsozialistischen Machthabern
als lästiges Hindernis empfunden und in den ersten Monaten des Jahres 1933
zerschlagen.
Nach dem Zusammenbruch der nazistischen Gewaltherrschaft in mühevoller
und zäher Aufbauarbeit in den einzelnen Orten, Städten, Ländern und Zonen
wiedererstanden, war es das ehrliche Streben aller in den drei Westzonen vorhandenen
Ortsverwaltungen und Ortsgruppen der Industrie- und Landesgewerkschaften
„Nahrung — Genuß — Gaststätten", nicht nur auf Zonenbasis, sondern
auf Interzonen-, also auf Reichsbasis den ehemaligen Zustand der Einheitlichkeit
und brüderlichen Verbundenheit wiederherzustellen. Dies um so mehr,
als Rahmen und Zuständigkeit der Gewerkschaften „Nahrung — Genuß — Gaststätten"
von heute weit über das Maß von vor 1933 hinausgehen und schon in
Planung und Entstehung den Bedürfnissen einer von uns allen mit Recht erstrebten
wirtschaftlichen Reichseinheit entsprechen.
Die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen aber, soweit sie im letzten
Jahre besonders von einzelnen Besatzungsmächten angeordnet wurden, haben
die Vereinigungspläne der Westzonengewerkschaften vollständig hoffnungslos
werden lassen. Das ist der Grund, daß die Länder der Westzonen in ihrer
geschichtlichen Gegenwartsaufgabe fortfahren und, sich ihrer Verpflichtung
bewußt, im unerschütterlichen Glauben an eine baldige Vereinigung mit den
Gewerkschaftsmitgliedern der Ostzone zunächst einmal die Vereinigung der
Landesgewerkschaften innerhalb der Westzonen vollziehen, um damit den bereits
vollzogenen zentralen Maßnahmen rücksichtsloser Entrechtung der Arbeitnehmerschaft
durch das Unternehmertum im allgemeinen zu begegnen.
Einig im Ringen um den Wirtschafts-, Arbeits- und Völkerfrieden mit allen
Menschen, die ehrlichen Willens sind, der Not eine Schranke zu setzen, reichen
wir ihnen vertrauensvoll die Bruderhand.
TAGESORDNUNG
1. Konstituierung des Gewerkschaftstages (Kollege Fiederl, München).
a) Wahl des Präsidiums.
b) Wahl der Mandatsprüfungskommission.
c) Wahl der Pressekommission.
2. Begrüßungsansprachen.
3. Berichterstattung des gemeinsamen Arbeitsausschusses für die
Trizone.
4. Antrag auf Vereinigung der Industriegewerkschaften Nahrung —
Genuß — Gaststätten.
5. Beratung und Beschlußfassung über die Satzung der neuen
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten.
6. Besondere Anträge.
7. Wahlen.
a) Wahl des Vorstandes der neuen Industriegewerkschaft.
b) Wahl des Vorsitzend«n des Gewerkschaftsausschusses.
c) Wahl des Gewerkschaftsbeirates.
d) Wahl der Delegierten zum Gründungskongreß des neuen
Gewerkschaftsbundes.
e) Wahl der Delegierten zur Berufs-Internationale.
8. Schlußwort (ausgeführt vom neugewählten ersten Vorsitzenden
der Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten).
GESCHÄFTSORDNUNG
I. Stimmberechtigung
1. Stimmberechtigte Mitglieder des Vereinigungs-Gewerkschaftstages sind die
in den Ortsgruppen bzw. Bezirken der Länder gewählten Delegierten der
amerikanischen, der britischen und der französischen Zone.
2. Stimmberechtigt sind die gewählten Delegierten zum Vereinigungs-Gewerkschaftstag,
wenn die Beiträge für den Monat April 1949 entrichtet und im
Mitgliedsbuch entwertet sind.
3. Stimmberechtigt sind die gewählten Delegierten, wenn sie durch die Mandatsprüfungskommission
anerkannt und durch den Vereinigungsgewerkschaftstag
bestätigt werden.
4. Stimmberechtigt sind die ordentlichen Mitglieder des gemeinsamen Arbeitsausschusses
für die Trizone.
II. Beschlußfähigkeit
'
1. Der Verednigungs-Gewerkschaftstag ist beschlußfähig, wenn mindestens die
. Hälfte der stimmberechtigten Teilnehmer des Vereinigungs-Gewerkschaftstages
sich an der Abstimmung beteiligt.
2. Die Beschlüsse des Vereinigungs-Gewerkschaftstages werden mit einfacher
Stimmenmehrheit gefaßt.
3. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.
%
HI. Wahlen
1. Die Wahlen zu den Körperschaften der neuen Industriegewerkschaft Nahrung
— Genuß — Gaststätten erfolgen durch geheime Abstimmung.
2. Ist nur ein Wahlvorschlag vorhanden, so kann die Wahl auch durch Erheben
der Delegiertenkarte vorgenommen werden.
3. Gewählt ist, wer die einfache Stimmenmehrheit auf sich vereinigt.
IV. Redezeiten
1. Die Vorsitzenden < dieses Vereinigungs-Gewerkschaftstages,
2. die ordentlichen Mitglieder des gemeinsamen Arbeitsausschusses für die
Trizone,
3. die Berichterstatter der Kommissionen
sind an eine bestimmte Redezeit nicht gebunden.
4. Die Redezeit der Diskussionsredner beträgt höchstens 10 Minuten.
5. Die Redezeit der Sprecher zur Geschäftsordnung beträgt höchstens 5 Minuten;
V. Wortmeldungen
1. Die Diskussionsredner müssen sich schriftlich zu Wort melden.
2. Die Diskussionsredner erhalten in der Reihenfolge der- abgegebenen Wortmeldungen
das Wort erteilt.
3. Sprecher zur Geschäftsordnung erhalten außerhalb der Reihenfolge der
eingetragenen Wortmeldungen das Wort erteilt.
4. Diskussionsredner und Sprecher zur Geschäftsordnung können nur einmal
zur gleichen Sache das Wort erhalten.
5. Den unter Punkt IV (Redezeit) zu 1, 2 und 3 genannten Personen ist es
gestattet, aufklärend außerhalb der Reihenfolge der gemeldeten Diskussionsredner
in die Debatte einzugreifen.
6. Die Diskussionsredner und Sprecher zur Geschäftsordnung haben nach Aufruf
vom Rednerpult des Vereinigungs-Gewerkschaftstages zu sprechen.
VI. Anträge
1. Anträge, die erst während des Vereinigungs-Gewerkschaftstages gestellt
werden, sollen unter den entsprechenden Tagesordnungspunkten, für die
diese Anträge zuständig sind, behandelt werden.
2. Anträge, die während des Vereinigungs-Gewerkschaftstages gestellt werden,
können nur dann behandelt werden, wenn diese von je 10 stimmberechtigten
Delegierten der amerikanischen und der britischen und fünf stimmberechtigten
Delegierten der französischen Zone unterzeichnet sind.
3. Anträge auf Schluß der Diskussion können nur dann gestellt werden, wenn
der Antragsteller selbst in der Diskussion und zur Sache nicht gesprochen
hat.
VII. Anträge zur Geschäftsordnung
1. Anträge zur Geschäftsordnung können mündlich gestellt werden und bedürfen
einer Unterstützung durch stimmberechtigte Delegierte nicht,
2. Geschäftsordnungsanträge müssen sofort zur Verhandlung kommen.
3. Anträge zur Geschäftsordnung werden, nachdem ein Redner für und ein
Redner dagegen gesprochen hat, zur Abstimmung gebracht.
VIII. Persönliche Bemerkungen und Richtigstellungen
Persönliche Bemerkungen und Richtigstellungen der stimmberechtigten Delegierten
sind nur am Schluß der Debatte und nur zur Sache zulässig.
A N T R A G
Überführung der Mitglieder, aller Werte und Verträge der bisherigen Zonenund
Länder-Industriegewerkschaften in den Gebieten der amerikanisch, britisch
und französisch besetzten Zone Deutschlands,
vertreten durch ihre Vorsitzenden:
a) britische Zone, Herrn G. Pufal, Hamburg
b) amerikanische Zone, Herrn G. Fiederl, München
c) amerikanische Zone, Herrn A. Remppel, Stuttgart
d) amerikanische Zone, Herrn H. Wiegand, Frankfurt
e) französische Zone, Herrn A. Basting, Mainz
I) französische Zone, Herrn Cl. Weber, Freiburg
g) französische Zone, Herrn J. Wörner, Schwenningen a. N.
und die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands.
Der konstituierende Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung —
Genuß — Gaststätten für die amerikanisch, britisch und französisch besetzte
Zone Deutschlands beschließt:
Mit dem Inkrafttreten dieser Industriegewerkschaft hört das Wirken der
Zonen- bzw. Landesgewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten, wie folgt:
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das britisch
besetzte Gebiet Deutschlands, Sitz Hamburg
Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch
besetzte Gebiet Bayern (Deutschland), Sitz München
Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch
besetzte Gebiet Württemberg-Baden (Deutschland), Sitz Stuttgart
Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch
besetzte Gebiet Hessen (Deutschlacd), Sitz Frankfurt a. M.
Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch
besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz (Deutschland), Sitz Mainz a. Rh.
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch
besetzte Zone Baden (Deutschland), Sitz Freiburg
Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das Gebiet der
französisch besetzten Zone Württemberg (Deutschland), Sitz Schwenningen
a. N.
auf.
Die Mitglieder der vorgenannten Industriegewerkschaften, wie aufgeführt,
werden in die Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands mit dem
Sitz in
mit allen Rechten und Pflichten hiermit aufgenommen.
Die Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften, wie vorstehend im einzelnen
aufgeführt, gelten damit als aufgelöst.
Alle Aktiven und Passiven und die noch zu erwartenden Vermögenswerte
sowie alle Einrichtungen dieser bisherigen Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften
gehen in die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gast-
8
Stätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands
mit dem Sitz in
über; desgleichen alle in diesen Gebieten vorhandenen Tarifverträge, sonstige
vertragliche Rechte und Verpflichtungen aller Art.
Alle in den bisherigen Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften tätigen
Angestellten und Hilfskräfte werden unter Anrechnung ihrer in diesen
Gewerkschaften geleisteten Dienstzeiten mit den bisherigen Rechten und
Pflichten von der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten
für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet mit dem Sitz in
übernommen.
Die Gewerkschaftsangestellten und Hilfskräfte werden nach den geltenden
Richtlinien der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten
für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands neue
Anstellungsverträge erhalten.
Delegierte zum Verbandstag in Mönchen
vom 24. bis 26. Mas 1949
Nordrhein-Westfalen — 39 Delegierte
1. Peter Lindemann, Aachen
2. Hermann Losch, Bielefeld
3. Emil Bückner, Bochum
4. Heinrich Schäfer, Bochum
5. Heinrich Spilker, Bünde
6. Kunigunde Bechtloff, Bünde
7. Fritz Wiese, Detmold
8. Else Schröder, Dortmund
9. Wilhelm Boos, Dortmund
10. Paul Böttcher, Düsseldorf
11. Eugen Ruff, Düsseldorf
12. Willi Benczek, Duisburg
13. Franz Pakschies, Duisburg
14. Günther Vermassen, Duisburg
15. Gottfried Lengsdorg, Paderborn-
16. Aloys Fehlings, Essen [Elsen
17. August Weyers, Essen
18. Franz Imberg, Gelsenkirchen-Buer
19. Artur Teubler, Hagen
20. Hermann Eickmeier, Herford
21. Wilhelm Ullrich, Iserlohn
22. Konrad Lübeck, Kleve
23. Karl Langenbach, Köln
24. Gerhard Mager, Köln
25. Gerhard Donnagen, Köln
26. Ferdinand Kiefer, Köln
27. Ludwig Meetz, Krefeld
28. Koll. Mengeringhausen, Lippstadt
29. Wilhelm Althoff, Lübbecke
30. Fritz Rathert, Minden i. W.
31. Franz Peschken, M.-Gladbach
32. Michael Preisser, Münster
33. Friedrich Holler, Neuß
34. Benner, Recklinghausen
35. Willi Borchard, Rehme
36. Willi Hahn, Remscheid
37. Karl Schröder, Solingen
38. Hans Treuheit, Wuppertal
39. Emil Geilenkausen, Wuppertal
Schleswig-Holstein — 22 Delegierte
40. Willy Wfegner, Elmshorn
41. Hans Will, Flensburg
42. Gertrud Albers, Hamburg
43. Eugen Fölber, Hamburg
44. Adolf Geistmann, Hamburg
45. Walfried Jackobsen, Hamburg
46. Karl Junge, Hamburg
47. Josef Mares, Hamburg
48. Eduard Reichenbach, Hamburg
49. Ludwig Selpien, Hamburg
50. Otto Sonntag, Hamburg •
51. Franz Schildknecht, Hamburg
52. Alfred Schleicher, Hamburg
53. Herbert Stadelmaier, Hamburg
54. Hans Vize, Hamburg
55. Heinrich Schubert, Harburg
56. Adolf Gielke, Heide
57. Emil Petersen, Kiel
58. Walter Honnebeck, Kiel
59. Friedrich Zander, Kiel
60. Hermann Kaping, Lübeck
01. Albert Kobbe, Lübeck
10
Nieder Sachsen — 22 Delegierte
62. Paul Schliesser, Braunschweig
63. Rudolf Striepe, Braunschweig
64. Christian Blome, Bremen
65. Ferdinand Husung, Bremen
66. Erich Hesse, Bremen
67. Carl Heumann, Bremen
68. Erich Bertram, Celle
69. Hanshinrich Claussen, Cuxhaven
70. Franz Gerke, Göttingen
71. Fritz Lenke, Göttingen
72. August Steding, Hameln
73. Rudolf Krautter, Hannover
74. Richard Heimberg, Hannover
75. Wilhelm Vollert, Hannover
76. Franz Jorek, Hannover
77. Hans Keil, Helmstedt
78. Heinrich Mäkeier, Hüdesheim
79. Paul Wehlau, Lebenstedt
80. Toni Frey, Leer
81. Hans Bonow, Lüneburg
82. Herbert Chudalla, Oldenburg
83. Heinrich Balshüsemann, Osnabrück
Bayern — 26 Delegierte
84. Ernst Schopper, Mittellranken
85. Georg Brunner, Mittelfranken
86. Rudolf Grieser, München
87. Albert Mohr, München
88. Johann Schlaghaufer, München
89. Josef Riedl, München
90. Cilly Kneissl, München
91. Josef Stebich, München
92. Johann Bruckmüller, Niederbayern
93. Peter Birkenseher, Niederbayern
94. Georg Eimer, Nürnberg
95. Hans Nätscher, Nürnberg
96. Georg Tausend, Nürnberg
97. Ludwig Knoll, Oberbayern
98. Anton Bräu, Oberbayern
99. Robert Ziegler, Oberbayern
100. Georg Gräbner, Oberfranken
101. Johann Ziegenthaler, Oberfranken
102. Max Becher, Oberfranken
103. Josef Bauer, Oberpfalz
104. Josef Rückl, Oberpfalz
105. Franz Gail, Unterfranken
106. Heinrich Altehage, Unterfranken
107. Josef Hagspiel, Schwaben
108. Kollege Jansen, Schwaben
109. Lorenz Schupper, Schwaben
Rheinland-Pfalz — 7 Delegierte
110. Karl Eichhorn, Hof heim beiWorms
111. Hans Dahl, Koblenz
112. Hanni Mohr, Koblenz
113. Hans Langmantel, Ludwigshafen
114. Georg Schüler, Mainz a. Rh.
115. Kollege Beyersdörfer, Pirmasens
116. Friedrich Drumm, Trier
Württemberg-Baden — 19 Delegierte
117. Karl Bauer, Heidelberg
118. Willi Drexler, Trösel bei Weinheim
119. Rudolf Ernst, Stuttgart
120. Ernst Gönner, Ulm
121. Heinr. Heller, Kirrlach b. Bruchsal
122. Adolf Herrmann, Heilbronn
123. Elsa Koch, Stuttgart
124. Franz Kretzschmar, Hockenheim
.125. Fritz Krauss, Stuttgart
126. Ernst Lang, Heilbronn
127. Wilhelm Lindörfer, Gerabronn i. W.
128. August Locherer, Mannheim
129. Jakob Mendel, Heidelberg
130. Hans Neumeister, Heidelberg
11
W ü,r ttemberg-Baden
(Fortsetzung)
131. Ernst Pulley, Stuttgart
132. Max Keichelt, Mannheim
133. Raphael Teufel, Stuttgart
134. Koll. Eimmelspacher, Karlsruhe
135. Karl Seib, Karlsruhe
Süd-Württemberg und Hohenzollern — 1 Delegierter
~~ 136. Koll. Wörner, Schwenningen a. N.
137. Gustav Behnert, Kassel
138. Eugen Dengel, Wiesbaden
139. Karl Eichholz, Eschwege
140. Christoph Föller, Bad Homburg
141. Josef Kaschel, Kassel [v. d. H.
Hessen — 10 Delegierte
142. Alfred Kiel, Butzbach in Hessen
143. Ernst Langendorf, Gräfenhausen
144. Karl Lenderoth, Kassel
145. Josef Schnellbögl, Frankfurt a. M.
146. Georg Späth, Aisbach a. d. Bergstr.
Baden — 2 Delegierte
147. Karl Glockner, Freiburg 148. Johann Susin, Singen
Die Mitglieder des vorbereitenden Ausschusses
Gustav Pufal, Hamburg
Ferdinand Warnecke, Hamburg
Hans Maack, Lübeck
Wilhelm Weber, Hannover
Josef Dozier, Düsseldorf
Hans Wiegand, Frankfurt
Albert Remppel, Stuttgart
Georg Fiederl, München
Anton Basting, Mainz a. Rh.
12
PROTOKQLL DES GEWERKSCHAFTSTAGES
Eröffnungsrede des Kollegen Georg Fiederl, München
Sehr geehrte Versammlung!
Es ist mir die ehrenvolle Aufgabe zugeteilt, im Namen der drei Westzonen
zur Eröffnung dieser bedeutungsvollen Tagung als Gäste zu begrüßen:
Zunächst für heute einmal Mr. Stark von der amerikanischen Militärregierung,
der, -weil Mr. Loriaux, Mr. Crämer, Mr. Fiebach für heute verhindert
sind, aber morgen wahrscheinlich erscheinen werden, die Vertretung
übernommen hat. Ich darf Mr. Stark unseren Dank für sein Erscheinen aussprechen
und dabei zum Ausdruck bringen, daß wir in Bayern mit den befreundeten
Offizieren der Wirtschaf tsver waltung bisher eine nach jeder Richtung hin
befriedigende und erfreuliche Erfahrung gemacht haben.
Ich darf weiterhin für das Bayrische Arbeitsministerium Herrn Oberregierungsrat
Schaumann begrüßen, ferner für das Landesarbeitsamt den
Regierungsrat Dr. Eiewel. Besonderes Erlebnis aber ist es uns, eine ganze
Reihe ausländischer Kollegen bei unserer Tagung begrüßen zu können, die als
Beauftragte der uns befreundeten Brudergewerkschaften von jenseits der deutschen
Grenzpfähle, ja sogar von jenseits des Ozeans anwesend sind. Die
Delegation der Schweizer Kollegen, die unter Führung unseres Kollegen Hermann
Leuenberger unterwegs ist, kann erst heute abend eintreffen.
Wir haben deshalb damit zu rechnen, daß wir im Laufe des morgigen Tages
noch einzelne Begrüßungen entgegennehmen und sie tätigen werden. Der
Kollege Charlott aus Frankreich ist ebenfalls unterwegs und konnte bis
heute noch nicht eintreffen. Die Kollegen Julius Schmidt und Dirk N a k
vom Dänischen Tabakarbeiterverband, Kollegen Henry Petersen vom Dänischen
Zucker- und Schokoladenarbeiterverband, den Kollegen Oskar Ryssel
vom Dänischen Schlachterverband, den Kollegen Vald. Aggerholm und
Kollegen Fritz Hansen vom Bäcker- und Konditorenverband sowie den
Kollegen Kaj Petersen vom Dänischen Brauerei-, Brennerei- und Mineralwasserarbeiterverband
möchte ich im Auftrag der Versammlung herzlich
begrüßen. (Beifall.)
Wir begrüßen weiterhin die schwedischen Kollegen Erik Rundlöv und
Tage Nilsson, Stockholm, vom Schwedischen Lebensmittelarbeiterverband,
ferner die Kollegen Arno A s k und Arne Barlie vom Norwegischen
Nahrungsmittel- und Getränkearbeiterverband. Es ist uns eine besondere Freude,
daß diese Kollegen, die nicht die deutsche Sprache beherrschen, zu uns gekomme»
sind. Wir werden die Kollegen durch einen gesonderten Dolmetscher
der skandinavischen Sprachen in die Lage versetzen, sich mit uns in der von
ihnen gewünschten Art zu unterhalten. Ich begrüße sie besonders. (Beifall.)
Es ist uns ferner der Verbindungsmann der AFL Mr. R u t z als Gast für
heute bestimmt. Ich nehme an, daß er im Laufe des Vormittags noch anwesend
sein kann. Darüber hinaus möchte ich den Kollegen Hugo Ernst, Cinclnnati
(Ohio), als Gast unserer Tagung recht herzlich begrüßen. Wir freuen uns,
daß unsere Kollegen jenseits des Ozeans sich die Mühe genommen haben,
zur Bekundung ihrer inneren Verbundenheit sich nach hier zu bemühen und
die Beschwernisse einer Reise auf sich zu nehmen.
Wir begrüßen weiterhin die Kollegen Carl Bengtsson und Henry
S j ö h, Stockholm, für die schwedischen Hotel- und Restaurantangestellten.
Wir begrüßen die Kollegen Oosterhuis und Erich Schrauwen für die
13
holländischen Fabrikarbeiter. Wir begrüßen die Kollegen Klomp und Nordberg,
Amsterdam, für die niederländischen Nahrungs- und Genußmittelarbeiter.
Die holländischen Gäste, vier Kollegen an der Zahl, sind schon vor
zwei Tagen hier eingetroffen. Die Holländer sind nun einmal unsere nächsten
Nachbarn und auch in der Sprache unsere nächsten Verwandten. Wir freuen
uns ganz besonders, daß sie in unseren Reihen sind und daß wir damit die
Hoffnung hegen dürfen, daß über die hermetische Abgeschlossenheit einer bitteren
Vergangenheit hinweg in Zukunft die organisierten Arbeitnehmer diesseits
und jenseits der Grenzen sich wiederum die Hände zu neuer gemeinsamer friedlicher
Zusammenarbeit reichen wollen. (Beifall.)
Wir begrüßen weiterhin, so sonderbar es auch klingen mag, unsere österreichischen
Kollegen und Brüder, die Kollegen Karl Mantler und Heinrich
Schrammel aus Wien, als ausländische Gäste. (Beifall.)
Wir begrüßen im Anschluß an die Begrüßung von Kollegen jenseits von
längst überflüssig gewordenen Landes- und Reiohsgrenzen den Präsidenten des
Gewerkschaftsbundes der britischen Zone, unseren Kollegen Dr. h. c. Hans
B ö c k 1 e r. Der Präsident des Bayrischen Gewerkschaf tsbundes, der Kollege
Lorenz Ha gen, ist durch eine wichtige Sitzung am Bayrischen Landtag
abgehalten, hier zu erscheinen. Der Kollege Schiefer hält sich augenblicklich
noch im Stadtrat auf, wo über den Sanistagnachmittag-Ladenschluß verhandelt
wird. Der Kollege Böckler wird, bis diese Kollegen erscheinen können,
sowohl die Vertretung des Gewerkschaftsbundes der britischen Zone wie auch
des Bayrischen Gewerkschaftsbundes übernehmen. Sie wissen ja, liebe Freunde,
daß im Augenblick das Bonner Staatsgrundgesetz eine besondere Rolle spielt.
Es ist Ihnen vielleicht auch die Haltung der Bayrischen Staatsregierung und
der heute in Bayern bestimmenden Partei, der CSU, im Zusammenhang mit
der Bayernpartei bekannt. In den letzten Tagen hat sich ein Ringen um die
Begründung der Ablehnung im Bayrischen Landtag vollzogen. Dieses Ringen
verhindert unsere Kollegen noch im Augenblick, pünktlich zu unserer Tagung
zu erscheinen. •
Wir begrüßen ferner die Vertreterin des Bayrischen Genossenschaftsverbandes
Frau Maria Günzel. Wir begrüßen den Vertreter des Konsumvereins
München, Herrn FranzWerk.
Unser Gruß gilt den Sekretariats- und Bezirksleitern des Bayrischen Gewerkschaftsbundes
und den erschienenen Vorsitzenden der übrigen 13 Landesgewerkschaften.
Unser besonderer Gruß aber soll zugleich aufrichtiger Dank sein an jene
Pioniere und Mitarbeiter aus den Jahren vor 1933, an unsere Altkollegen, denen
es gegönnt ist, heute und in den nächsten Tagen in München die Wiedererrichtung
der von ihnen mitgeschaffenen und mit aller Treue bewahrten und
nun doch von nazistischer Willkür zerstörten Gewerkschaftseinheit wenigstens
für Westdeutschland mitzuerleben. (Beifall.)
Sehr geehrte Versammlung! Wir haben nun eine Reihe Freunde, die anwesend
sind, begrüßt. Nun lassen Sie uns der Toten gedenken. (Die Versammlungsteilnehmer
erheben sich von ihren Sitzen.) Lassen Sie uns aller jener
Kollegen und Kolleginnen in Trauer und Dankbarkeit gedenken, die in unwandelbarer
Treue und Beharrlichkeit alle Leiden der Vergangenheit ertrugen,
die durch die KZ gingen und unerschüttert im Glauben an den Morgen der
Auferstehung des Rechtes und der Freiheit den Tod als Trost hinnahmen. Mögen
die gegenwärtigen und zukünftigen Erben solcher Vorfahren sich solchen Opfers
und Vorbildes würdig erweisen! Ihrer stets in Würde zu gedenken, sei unser
aller Gelöbnis. Ich danke Ihnen.
Und nun lassen Sie mich im Namen der Solidarität und Brüderlichkeit die
verantwortlichen und berufenen Träger dieser Tagung, dieses Vereinigungs-
Gewerkschaftstages begrüßen. Die Delegierten und Jugendkolleginnen und
-kollegen aois den drei Zonen Westdeutschlands und mit ihnen die fünl Vertreter
der UGO Berlin (Beifall), die unter Führung des Kollegen
14
Rother mit noch einer Anzahl alter Kollegen unter uns weilen, um sich an
unserer Zusaminenschlußtagung zu beteiligen.
Liebe Freunde! Mancher unter uns, nein, viele unter uns mögen angesichts
der gegenwärtigen und zu erwartenden politischen und vor allem wirtschaftlichen
Erscheinungen in Gesamtdeutschland zögernd und von Hemmungen
belastet sein. Alle aber beseelt der Wunsch, wieder aus der gemeinsamen Not
herauszukommen, den Schutt der Vergangenheit und Gegenwart zu beseitigen
und eine neue bescheidene, aber auch würdige Zukunft zu bauen. & sind
neue Wege, neue Begriffe und neue schöpferische Wertmaße dazu notwendig.
Mögen alle mit verantwortlichem Auftrag nach München entsandten Delegierten
frei von Nebenabsichten und Eigensucht an der Schaffung der Einheit
unserer Gewerkschaft sich beteiligen, weil immer Verzichte und Opfer des einen
Teiles hingenommen werden müssen, um, den Rechten des anderen Teiles
Rechnung tragend, die Grundlage der Einheitlichkeit zu schaffen, damit Freiheit
und Gleichheit erstehen können.
In diesem Sinne sollen die Hoffnungen aller Unvoreingenommenen sich
erfüllen.
In dieser Hoffnung begrüßen wir die genannten und nicht persönlich genannten
Gäste, Jubilare, Delegierten; und besonders den Jugendkollegen rufen wir
zu: Vergeßt nie, daß Schöpfen und Schaffen Kampf ist! Schaffen ist Kampf,
Kampf aber ist Glück und Freude, Freude der Dampf, der unsere Räder bewegt.
Damit eröffne ich diesen geschichtlich bedeutungsvollen Vereinigungs-Gewerkschaftstag
und jage mit Rückert:
„Stell dich in Reih und Glied, das Ganze zu verstärken!
Mag auch, wer 's Ganze sieht, dich nicht darin bemerken.
Das Ganze wird, und doi bist drin mit deinen Werken."
Damit danke ich Ihnen. (Beifall.)
Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich als Vertreter Bayerns
in den einzelnen Landesgewerkschaften die Tagung eröffnen und zunächst
einmal die Wahl des Präsidiums vornehmen. Wir haben zur Leitung der
Tagung ein Präsidium von drei Vorsitzenden zu wählen. Sie werden verstehen,
daß eine neue zueinander strebende Körperschaft nicht immer mit
voller Kompetenz des gesamten Mitgliederkreises zu arbeiten beginnt und
daß sie sich manchmal zu Improvisationen bequemen muß, wenn sie es auch
widerwillig tut. Denn der Gesichtspunkt der Milbestimmung und der Parität
ist nun einmal unser wichtigster. In diesem Sinne möchten wir als Präsident
für die Tagung vorschlagen als ersten Vorsitzenden den Kollegen Wilhelm
Weber, gegenwärtigen Oberbürgermeister von Hannover, ferner für Bayern
den Kollegen Hans Nätscher, Nürnberg, Organisationsleiter des Konsumvereins
und als dritten Vorsitzenden den Kollegen Anton Basting, Mainz, für die
französische Besatzungszone. Auch dieses Wort müssen wir in absehbarer
Zeit aus unserem Lexikon streichen.
Hat jemand einen anderen Vorschlag? Wenn dies nicht der Fall ist, nehmen
wir an, daß wir zur Wahl des Präsidiums durch Handaufnahme abstimmen
können. Wer mit dem von mir gemachten Vorschlag, daß die Kollegen Wilhelm
Weber, Hans Nätscher und Anton Basting als die drei Vorsitzenden unserer
Tagung fungieren, den bitte ich um Handaufnahme. — Ich danke. Die Gegenprobe!
— Ich stelle Einstimmigkeit fest und bitte, dies im Protokoll festzuhalten.
Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir eine Mandatsprüfungskommission
zu wählen, die zugleich als Wahlkommission vorgesehen ist. Hierfür
sind vorgeschlagen der Kollege Fritz Trumm, Trier, der Kollege Otto
Sonntag, Hamburg, der Kollege Rudolf Ernst, Stuttgart. Werden andere Vorschläge
beliebt? Es ist das nicht der Fall. Dann nehme ich Ihr Einverständnis
an und bitte, die stimmberechtigten Kolleginnen und Kollegen, die dafür sind,
die Hand zu erheben. — Ich danke. Die Gegenprobe! — Ich konstatiere wiederum
Einstimmigkeit.
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Weiterhin haben wir eine Antragsprüfungskommission zu wählen, die zugleich
als Pressekommission fungieren soll. Bei dieser Gelegenheit darf ich
die Presse in unseren Reihen recht herzlich begrüßen. Wir haben sie erst
gestern eingeladen, weil wir uns über die Entschlüsse erst gestern völlig
geeinigt haben. Ich darf wohl annehmen, daß die anwesende Presse sich mit
unserer Pressekommission ins Benehmen setzt und die Berichte unserer Tagung
so gestaltet, daß sie friedens- und gemeinschaftsfördernd wirken können. loh
schlage als Mitglieder dieser Kommission vor den Kollegen Fritz Holler, Neuß,
den Kollegen Emil Geiling, Heilbronn, und den Kollegen Emil Petersen, Kiel.
Macht jemand einen anderen Vorschlag? Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wer daher damit einverstanden ist, daß diese drei Kollegen als Antragprüfungs-
und Pressekommission fungieren, den bitte ich um Handaufnahme.
— Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe! —• Ich stelle Einstimmigkeit fest.
(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)
Do r magert (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Ich vermisse, wie es sonst
auf den Verbandstagungen üblich war, die Ernennung einer Statutenfoeratungskomimission.
Ich will damit den Punkt 5 der Tagesordnung festigen. Ich habe
erfahren — und das ist auch richtig —, dlaß vom beratenden .Vorstand oder
Ausschuß Kollegen genannt worden sind 1 , die in tagelanger und nächtelanger
mühevoller Arbeit die Satzungen beraten haben. Ich bitte die Delegierten und
stelle den Antrag, diese Komimission de facto zu wählen, damit dann der Vorsitzende
dieser Kommission zu Punkt'5 in def Zusammenfassung der Anträge
Stellung nehmen kann. <
Fiederl, Georg (München): Kollege Dormagen, ich darf dir aufklärend,
mitteilen, daß wir soeben in der Wahl des Präsidiums begriffen sind und daß
das gewählte Präsidium dann die Tagung offiziell eröffnen und zur Geschäftsordnung
und 1 Tagesordnung Stellung nehmen wird. Dein Antrag möchte
nach der Übernahme der Leitung durch die drei neugewählten Vorsitzenden
zur Behandlung gestellt werden. Bist du damit einverstanden? (Dormagen:
Damit bin ich einverstanden!) Gut also.
Damit, Kolleginnen und Kollegen, treten wir in die offizielle Eröffnung
der Tagung ein. Ich bitte euch, sich mit voller Verantwortlichkeit analog des
Ihnen gewordenen Auftrages durch die Mitgliedschaft an der Tagung zu
beteiligen. Ich wünsche im Namen Bayerns Ihnen allen während der Zeit
dieser Tagung ein möglichst befriedigendes Anwesendsein in München, und
ich wünsche im Namen der Landesgewerkschaft der Tagung den Erfolg, um
dessentwillen sie einberufen worden ist und den wir alle mit heißem Herzen
herbei wüns chen.
Damit übergebe ich das Präsidium an die Kollegen Weber, Nätscher und
Basting und gebe den offiziellen Beginn der Tagung bekannt.
(Wilhelm Weber, Hannover, übernimmt den Vorsitz der Tagung.)
Vorsitzender (Wilhelm Weber, Hannover): Kolleginnen und Kollegen!
Für die Wahl zum Vorsitzenden des heutigen Verbandstages und für das dadurch
ausgesprochene Vertrauen danke ich Ihnen im Namen des Präsidiums.
Ich brauche zu dem, was der Kollege Fiederl gesagt hat, keine großen besonderen
Ausführungen zu machen. Ich möchte nur mit ein oder zwei Sätzen
sagen: Die breite Masse, die an sich in unserer Gewerkschaft Nahrung — Genuß.
— Gaststätten organisiert ist, und diejenigen Kreise, die wir noch zu gewinnen
notwendig haben, sind der mächtigste Faktor bei der Willensbildung und
Formung unserer gesellschaftlichen Einrichtungen. Darum müssen wir In
unseren Statutenberatungen ein besonderes Augenmerk darauf richten, daß
unsere Satzungen so gestaltet werden, daß sie diesen Erfordernissen nach
Möglichkeit irgendwie Rechnung tragen. Die Arbeit ist das Herzstück jeder
Kultur. Die Arbeit kann nur dann eine Kraftquelle für den einzelnen wie für
die Gemeinschaft sein, wenn sie zur Teilhaberschaft an der Kultur führt, wenn
sie den Menschen in seinen wichtigsten Bedürfnissen befriedigt. Der Mensch
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darf mit seinem Lohn-
Kommission wird es ja sehen. (Zuruf: Die Delegierten geben nur ihre Mitgliedskarte
ab!) Ja, richiig, die Delegierten geben nur ihre Mitgliedskarte ab.
Die Delegiertenkarte -sollen sie wegen der Abstimmung nicht abgeben.
Dormagen (Köln): Noch eine Bitie halte ich vorzutragen. Es wäre bei
dieser Gelegenheit auch einmal zweckmäßig, festzustellen, wie viele von den
Delegierten Sekretäre sind und wie viele aus dem Arbeitsverhältnis stammen.
(Sehr richtig!)
Vorsitzender: Darf ich annehmen, daß der Verbandstag der von mir
in Ergänzung des Kollegen Dormagen vorgetragenen Anregung stattgibt? Widerspruch
erhebt sich nicht. Dann ist es so beschlossen.
Ich halte es nun für erforderlich, die Glückwunschschreiben bekanntzugeben,
die dem Präsidium übergeben worden sind. Ich nehme an, daß im Anschluß
daran unsere Ehrengäste den Wunsch haben, zu sprechen. Soweit wir uns
dann hernach zu der Geschäftsordnung zu entscheiden haben, so kann dazu
noch gesprochen werden. Ich möchte dann dazu auch noch etwas sagen.
Ich darf Ihr Einverständnis annehmen, wenn ich zunächst einmal so verfahre.
Als erstes Glückwunschschreiben liegt uns ein Schreiben des Nahrung- und
Genußmittel-Arbeiterverbandes Belgien vor, unterzeichnet von unserem alten
Freund Lauwers. Das nächste Schreiben stammt von der Irischen Bäckerund
Konditor-Gewerkschaft in Dublin, das dritte Schreiben von dem Norwegischen
Bäcker- und Konditorenverband in Oslo, ein weiteres Schreiben vom
Luxemburgischen Arbeiterverband, ein Schreiben vom Schwedischen Tabakindustriearbeiter-Verband,
ein Schreiben von dem Generalsekretariat der
Vereinigten Arbeitergewerkschaft in Manchester, dann ein Schreiben aus
Oslo von der Norwegischen Fleischer-Industriegewerkschaft; ferner haben ein
Schreiben an uns gerichtet der Schwedische Brauerei- und Industriearbeiter-
Verband, die Internationale Bäcker- und Konditoren-Gewerkschaft von Amerika,
der Müllerverband in Kopenhagen, der Gewerkschaftsbund Württemberg/Baden,
unterzeichnet Bundesvorstand Schleicher.
Der Ministerpräsident des Landes Hessen schreibt:
Im Auftrage des Herrn Ministerpräsidenten darf ich Ihnen für die
ihm zugegangene Einladung zum Vereinigungs-Gewerkschaftstag der
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten in München danken.
Zu seinem Bedauern ist es dem Herrn Ministeiprätidenten bei seiner
großen dienstlichen Inanspruchnahme nicht möglich, diese Einladung
anzunehmen. Er wünscht der Veranstaltung einen guten Verlauf.
Dann sind noch zwei Glückwunschschreiben da, und zwar zunächst eines
vom alten Kollegen Eduard Backert. (Beifall.) Das Schreiben hat folgenden
Wortlaut:
Werte Kollegen, Delegierte und Gäste! Gern hätte ich Ihnen zum
heutigen Delegierten!ag einige Worte der Begrüßung mündlich dargeboten,
aber die Verhältnisse der Zeit, vor allem das Bestehen von Zonengrenzen
verbieten dies. Noch als der zweite Weltkrieg tobte, habe dch mich
mit dem Wiedererstehen von Gewerkschaften stark beschäftigt. Das war
zur Zeit, wo mit einem Totalzusammenbruch und einer Totalbesetzun.g
Deutschlands noch nicht gerechnet zu werden brauchte. Dabei wähnte
ich, daß evtl. mit einem föderativen Aufbau der kommenden Gewerkschaften
gerechnet werden müßte. Ich machte folglich neben anderen
auch Pläne zu einem solchen Aufbau. Die Schwierigkeiten der Wiedererrichtung
von Gewerkschaften lagen 1945 aber auf einem völlig anderen
Gebiet, wie ich damals rechnete. Es würden manche jetzt überwundene
Schwierigkeiten und Hindernisse beim Aufbau der Gewerkschaften nicht
zu überwinden gewesen sein, wenn nicht vier Mächte, sondern nur
eine solche Deutschland besetzt hätte.
In jedem der vier Länder, denen die Besatzungsbehörden entstammen,
ist die Konstruktion der Gewerkschaften ja anders. Keine von ihnen
18
ähnelt voll den gewesenen deutschen Gewerkschaften, keine von ihnen
paßt — streng genommen — zur deutschen Mentalität. Das waren die
Hauptgründe, weshalb seit 1945 bis jetzt in dem zusammengebrochenen
Deutschland ein verschiedener Aufbau der Gewerkschaften erfolgie.
Vielleicht war es auch ein Mangel, daß nicht genügend Instrukteure
aus der Schule von vor 1933 mitwirken konnten.
Es war schon 1947 schwer, Ihre Gewerkschaft im Bereich der englisch
besetzten Zone als Ganzes zusammenzubringen. Mir lag damals viel
daran, daß diese den ihr zugrunde gelegten Aufbau erhielt. Dadurch ist der
hier in Müncnen vorzunehmende Akt leichter zu vollziehen, wenn ich
durchaus nicht verkenne, daß Sie bei den Vorarbeiten hierzu auch
manches zähe Gebiet haben zurechtbiegen müssen, um volle Gewähr
zu einem glattlaufenden Apparat zu bekommen. Ich kenne all die
Schwierigkeiten von den Verhandlungen der Jahre 1926 her und weiß,
daß oft weniger Belangvolles hoch und Grundsätzliches überhaupt nicht
bewertet wird, je nachdem, unter welchem Apparat die Verhandlungsteilnehmer
bisher zu arbeiten gewöhnt waren.
Verübeln Sie es mir bitte nicht, wenn ich auch an dieser Stelle wieder
betone, daß Sie, entgegen dem Aufbauen von Ende der achtziger Jahre,
in vielem im Vorteil sind, so z. B. in der Einstellung zu den Gewerkschaften
von Seiten der Arbeitgeber und der Vorgesetzten, seitens der Behörden
und von Seiten der Arbeiter selbst, nicht zuletzt aber auch durch die
inzwischen sehr anders gewordene Vereins- und Versammlungsgesetzgebung.
Wir waren jedoch im Vorteil, indem wir mit der Gewerkschaftsbewegung
gewachsen sind und von vornherein im Kampf gehärtet wurden.
Einen nicht zu unterschätzenden Gewinn bedeutet für die neuen Gewerkschaften
die Einheit in der Gewerkschaftsrichtung und die von vornhex-ein
möglich gewesene richtige Wahl der Organisationsform. Viel Zeit, Arbeit
und Geld mußten wegen Fehlens dieser Einheit nutzlos vertan werden,
weil diese damals eben anders gewesen ist.
Vor einer besonderen Entscheidung stehen die von den Arbeitnehmern
der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und -Industrien hierher entsandten
Delegierten nicht; sie können im Interesse dieser Arbeitergruppen keine
bessere Wahl treffen, als sich im vorgesehenen Maßstab zu vereinen.
Noch liegt ein Teil Aufbau, dann aber der Ausbau der Gewerkschaft
vor Ihnen. Zur Zeit haben Sie nicht mit ernsten umfangreichen Kämpfen
zu rechnen. Sie werden aber bestimmt kommen; dazu bedarf es jetzt
schon der Vorbereitungen dergestalt, daß Sie die Mitglieder entsprechend
schulen und zur Solidarität erziehen.
Ich war, was Gewerkschaftsbewegung anlangt, während meines jahrzehntelangen
Wirkens darin ein ausgesprochener Zentralist, ohne daß ich
jedoch die notwendige Bewegungsfreiheit in den untersten Gewerkschaftsorganen
irgendwie eingeengt wissen wollte.
Darum sehmerzt mich sehr, daß die Verhältnisse den Zusammenschluß
unserer Berufs- und Industrieangehörigen in ganz Deutschland leider noch
nicht gestatten. Ich stehe zwar abseits vom Hauptgeschehen der Gewerkschaften,
fühle mich jedoch noch arbeitsfähig und arbeitsbereit genug,
ja sogar noch als notwendig, um den mir möglichen Teil zum Werden einer
Gewerkschaft für ganz Deutschland herbeiführen zu helfen.
Sofern ich das noch erleben darf, dann bestehen keine Zonengrenzen
mehr und kann ich dann an diesem konstituierenden Verbandstag bestimmt
teilnehmen.
Ihr Verbandstag leistet zur vereinten Gewerkschaft für ganz Deutschland
einen wichtigen Beitrag. Alle Mitglieder der früheren Verbandsfunktionäre
richten heute ihre Augen und ihr Gehör nach München. Zu diesem wich-
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tigen Akt — vor solchen ich bis 1933 öfter gestanden habe — wünsche
ich im Interesse der Gesamtkollegenschaft im ganzen Deutschen Reiche
einen vollen Erfolg. Herzliche Grüße! Backert. (Beifall.)
Wenn sich der Kollege Backert in einem so ausführlichen Schreiben äußert,.
so mögen Sie daran erkennen, wie unser alter Zentralvorsitzender noch mit
jeder Faser seines Herzens in der Sache steht und es sehr bedauert, daß er
nicht aktiv an diesen Dingen teilnehmen kann.
Dann liegt ein Schreiben vor des Kollegen Hensel, Berlin:
Herzlich gern wäre ich an diesen verantwortungsvollen Tagen als Gast
und Veteran, als ehemaliger Vorsitzender des Zentral Verbandes der Fleischer
und Berufsgenossen, späteres Vorstandsmitglied und Reichssektionsleiter
der Fleischer im Verband der Nahrungs- und Getränfcearbeiter in Eurer
Mitte. Infolge meines Krankheitszustandes ist mir ärztlicherseits von der
Reise nach München dringend abgeraten worden. Ich werde an diesen
Tagen trotz alledem mit ganzem Herzen und vollen Gedanken bei Euch
weilen und wünsche Eurer Tagung den denkbar größten Erfolg. Hensel.
(Beifall.)
Liebe Freunde und meine lieben Gastkollegen aus den Bruderorganisationen
des Auslandes! Wenn ich die Glückwunschschreiben der ausländischen Bruderorganisationen
nicht alle im einzelnen verlesen habe, so habe ich das mit Absicht
getan, um Zeit zu sparen. Vertreter des Auslandes werden zu uns sprechen.
Der Sinn und Inhalt aller Schreiben ist: Mit jedem Gedanken sind die Bruderorganisationen
des Auslandes heute bei uns und wünschen uns allen den allerbesten
Erfolg. Sie wünschen, daß wir uns gemeinsam mit ihnen in eine Kampffront
stellen, um das Herzstück der Arbeit, die Kultur, zu schaffen. (Beifall.)
Nun darf ich fragen, wer von den Gästen das Wort nehmen will.
Es spricht zunächst Herr Bengtsson aus Schweden vom Hotel- und Gaststättenarbeiter-Verband.
Ihm folgt nachher Herr Nilsson vom Schwedischen
Lebensmittelarbeiter-Verband.
Carl Bengtsson (Stockholm, Schwedischer Hotel- und Restaurantpersonalverband):
(Übersetzung). Sehr geehrte Kongreßmitglieder! Im Namen des
Schwedischen Hotel- und Restaurantpersonalverbandes danke ich Ihnen verbindlichst
für Ihre freundliche Einladung zu Ihrem Kongreß. Ich möchte ihnen
meinen herzlichen Dank und auch den meines schwedischen Kollegen Henry
Sjöh, der hier zugegen ist, dafür aussprechen, daß Sie uns die Gelegenheit
geboten haben, den Beratungen Ihres Kongresses beizuwohnen. Gleichzeitig
überbringe ich Ihnen die Grüße der schwedischen Hotel- und Restaurantangestellten
mit dem Wunsch, daß die Arbeit, die Sie auf diesem Kongreß
ausführen werden, nicht nur zum Nutzen und zur Freude der deutschen
Kollegen ausfällt, sondern auch als Vorbild für den demokratischen Wiederaufbau
der organisierten Arbeiterbewegung in der ganzen Welt dienen möge.
Der schwedische Verband, den ich vertrete, hat früher sehr gute kollegiale
Verbindungen mit dem organisierten deutschen Hotel- und Restaurantpersonal
gehabt. Diese Zusammenarbeit ergab sich aus dem Wirken der in unserer
Branche arbeitenden Berufsinternationalen, nämlich der Internationalen Union
der Hotel-, Restaurant- und Cafe-Angestellten. In dieser Union spielte der
damalige deutsche Zentralverband der Hotel-, Restaurant- und Cafe-Angestellten
eine bedeutende Rolle, da er der stärkste Verband in unserer Internationalen
war. Die Berufsinternationale wurde im Jahre 1920 in Amsterdam ins Leben
gerufen. Zur Zeit der Machtübernahme Hitlers hatte das Sekretariat seinen Sitz
in Berlin. Die Kasse und die Akten der Union wurden von dem Hitlerregime
sofort beschlagnahmt, und die Tätigkeit des Sekretariates wurde verboten und
mußte eingestellt werden. Das Sekretariat wurde dann zuerst nach Amsterdam
und später, zufolge eines Kongreßbeschlusses in Paris im Jahre 1937, nach
Stockholm verlegt, wo die Union seitdem ihren Sitz gehabt hat. Die Union ist
niemals so stark gewesen, wie es der Bedarf eigentlich erfordert hätte. Dies ist
20
auf die Tatsache zurückzuführen, daß es in vielen Ländern nur schwach entwickelte
Berufsverbände gab, und dazu kommt noch, daß diese Verbände in der
Praxis kein besonders großes Verständnis für internationale Zusammenarbeit
an den Tag gelegt haben. Während des letzten Weltkrieges hörte die Wirksamkeit
der Union ganz und gar auf, nur der schwedische Verband hat die festgesetzten
Beiträge bezahlt, um die Union bis zum Eintritt anderer Zeiten am
Leben zu erhalten. Die Union ist gegenwärtig in einer Umorganisation begriffen,
und wir hoffen sehr, daß es uns bald möglich sein wird, unsere deutschen
Berufskollegen in der Union willkommen zu heißen.
Was den Schwedischen Hotel- und Restaurantpersonalverband betrifft, so ist
dieser seit seiner Gründung im Jahre 1918 eine selbständig arbeitende Berufsorganisation.
Er ist also nicht an den Schwedischen Lebensmittelarbeiterverband
angeschlossen. Dasselbe trifft auch auf die Hotel- und Restaurantpersonalverbände
in allen nordischen Ländern zu. Diese sind unabhängig arbeitende
Organisationen. Der schwedische Verband zählt 21 000 Mitglieder. Dem einzelnen
Verbandsmitglied ist es erlaubt, zwei Monate mit dem Gewerkschaftsbeitrag in
Rückstand zu geraten; aber danach wird er ohne Erbarmen aus dem Verband
ausgeschlossen. Daher hat unser Verband nur aktive Mitglieder. Lohn- und
Arbeitsbedingungen der Mitglieder sind durch die von dem Verband eingegangenen
Kollektiv-Abkommen geregelt worden, und dabei sind so gute
Bedingungen erreicht worden, daß sie im großen ganzen gesehen als Muster
für die entsprechenden Organisationen in anderen Ländern dienen können. Die
Arbeitszeit in unserem Gewerbe ist durch Gesetz auf acht Stunden je Arbeitstag
festgesetzt, und das betreffende Gesetz gilt für alle in der Branche arbeitenden
Unternehmen, also auch für diejenigen, die nur einen Arbeiter beschäftigen.
Urlaub und Urlaubsentschädigung sind auch dem Arbeiter gesetzlich zugesichert,
•und zwar ist der Arbeitnehmer zu einem Tag Urlaub für jeden Monat, während
welchen er mindestens 16 Tage für Rechnung des Arbeitgebers gearbeitet hat,
berechtigt. Dieses Recht hatte sich der Verband jedoch schon vor dem Inkrafttreten
des betreffenden Gesetzes durch Verhandlungen mit den Arbeitgebern
erkämpft.
Im Rahmen des Verbandes arbeitet auch eine sogenannte staatlich anerkannte
Arbeitslosenkasse, welche Mitglieder des Verbandes im Fall von Arbeitslosigkeit
finanziell unterstützt. Die Mitgliederzahl des Verbandes verteilt sich auf
4565 männliche und 16 634 weibliche Mitglieder. Was die verschiedenen Abkommen
des Verbandes betrifft, so ist es erwähnenswert, daß der Verband außer den
sogenannten Reichsabkommen mit den Arbeitgeberorganisationen ungefähr
1700 lokale Abkommen mit nichtorganisierten Arbeitgebern laufen hat.
Da das Ziel Ihres Verbandes ja auch die Organisation des Hotel- und
Restaurantpersonals ist, habe ich Ihnen diesen kurzgefaßten Bericht geben
wollen. Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das würde
meine Zeit bei dieser Eröffnungsfeierlichkeit nicht zulassen.
Es ist mein aufrichtiger V/unsch, daß die auf diesem Kongreß gefaßten
Beschlüsse zum gemeinsamen Vorteil sein und als Wegweiser für die zukünftige
Arbeit Ihrer Organisation dienen werden. loh wünsche Ihnen viel Glück zu
Ihrem Vorhaben. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nilsson, Schweden. Ihm folgt
der Kollege Ask, Norwegen.
Tage Nilsson (Stockholm, Schwedischer Lebensmittelarbeiter verband):
Verehrte deutsche Kollegen und Freunde! Im Namen des Schwedischen Lebens-*
mittelarbeiterverbandes wollen mein Kollege Rundlöv und ich euch hiermit für
die freundliche Einladung zu diesem Kongreß danken. Wir grüßen die deutschen
Lebensmittelarbeiter von ihren schwedischen Kollegen.
Unser Verband hatte vor 1933 mit dem deutschen Verband gute und enge
Verbindungen. Mit Freude und guter Hoffnung wollen wir diese Kontakte jetzt
wieder anknüpfen. Unser Verband, der das Glück hat, in einem Lande zu
2?
arbeiten, das vom Kriege verschont blieb, umfaßt beinahe 40 000 Mitglieder. In
seiner Zusammensetzung gleicht er dem eurigen. Obwohl wir nicht mit im
Kriege waren, ist die schwedische Gewerkschaftsbewegung und damit unser
Verband von der Kriegszeit hart betroffen worden.
In den Jahren von 1939 bis 1945 sanken unsere Reallöhne fortgesetzt. Dadurch,
daß unsere Verbände voll intakt waren, konnien wir jedoch in den
letzten Jahren das Verlorene wiedergewinnen und sogar den Standard etwas
verbessern, unter dem wir 1939 lebten.
Die schwedische Gewerkschaftsbewegung arbeitet im intimen Kontakt mit
der schwedischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die nun bald 20 Jahre
Regierungspartei ist. Diese Stellung der Partei und unsere Zusammenarbeit
mit ihr hat aber zur Folge, daß unsere Bewegung ein großes Maß von gesellschaftlicher
Verantwortung übernehmen mußte. Um einer großen Inflationsgefahr
zu entgehen, mußte unsere Bewegung zum Beispiel bei der Stabilisierung
der Preise und Löhne mitwirken. Sämtliche Verbände in unserem Land haben
deshalb beschlossen, in diesem Jahre keine Lohnbewegungen zu führen. Die»
geschah jedoch unter der Voraussetzung, daß keine andere Mitbürgergruppa
ihre Einkommen erhöhen darf. Wir hoffen dabei, durch Produktionssteigerung
die Voraussetzung für die Senkung der Preise zu schaffen und damit die
Reallöhne zu erhöhen.
Mit 'dieser Schnellskizze über die Verhältnisse bei uns wollte ich euch
orientieren über die Veränderungen, die bei uns eingetreten sind, seit unsere
Zusammenarbeit ruhte. Wenn jetzt die internationale Zusammenarbeit wiederaufgenommen
wird, geschieht dies auf dem Boden der Gleichberechtigung im
Rahmen unserer internationalen Letoensmittelarbeiterunion. Wir hoffen, daß
diese Zusammenarbeit fruchtbringend sein wird für alle Lebensmittelatbeiter,
die hier angeschlossen sind. Wir hoffen weiter, daß die internationale Arbeiterbewegung
so stark werden wird, daß sie entscheidend eingreifen kann in die.
Entwicklung der Welt und zum Frieden und zur Völkerversöhnung beitragen
wird. Wir müssen gemeinsam arbeiten, um eine sozialistische Welt zu schaffen,
in der die Arbeiterklasse menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen
findet.
Wir glauben, daß die deutsche Arbeiterbewegung in dieser Welt eine große
Aufgabe zu erfüllen hat. Darum wünschen wir eurem Verband weitgehenden
Erfolg. Wir hoffen, daß euer Verbandstag durch kluge Beschlüsse die weitere
Entwicklung des Verbandes fördern wird zu einer schlagkräftigen demokratischen
Organisation. (Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht der Kollege Ask vom Lebensmittelarbeiterverband
Norwegen, ihm folgt der Kollege Nak vom Tabakarbeiterverband
Dänemark.
Arno Ask (Oslo, Norwegischer Nahrungsmittelverband): (Übersetzung)
Herr Ask übermittelt zunächst die Grüße der norwegischen Lebensmittelarbeiter
und gibt seiner Freude Ausdruck, daß er mit seinem Kollegen Arne Barlie
aus Norwegen zum ersten Male in Deutschland weilen kann, Er bedauert hierbei,
die deutsche Sprache nicht so zu beherrschen, daß er in Deutsch zum
Verbandstag'sprechen könnte. Er hofft aber trotzdem, daß der Meinungs- und
Gedankenaustausch ein förderlicher sein wird.
Er kommt dann auf die Verhältnisse in der norwegischen Arbeiterbewegung
zu sprechen und sagt, daß sie annähernd die gleichen wie in Deutschland sind;
jedoch liegen dort die besseren Möglichkeiten vor, die Organisation aufrechtzuerhalten,
trotz der schweren Prüfungen, die das Land Norwegen in den
letzten Jahren hat auf sich nehmen müssen. Besonders glücklich ist Norwegen
darüber, eine Regierung zu besitzen, die sich aus Frauen und Männern der
Arbeit zusammensetzt, besonders einen Reichstag, in dem die Mehrzahl ihre
Kameraden sind. (Beifall.)
22
Die Organisation umfaßt annähernd 450 000 Mitglieder und kann zu ihrem
50jährigen Bestehen in diesem Jahre damit auf eine Mitgliederzahl von etwa
80 Prozent der gesamten norwegischen Bevölkerung blicken. (Erneuter Beifall.)
Trotz dieser überaus günstigen Verhältnisse bedauert der Redner jedoch, daß
es immer noch nicht gelungen ist, in Norwegen eine Dachorganisation zu
schaffen, sondern daß dort vier Organisationen nebeneinander bestehen. Der
Redner bringt jedoch zum Ausdruck, daß dank der guten Zusammenarbeit
zwischen diesen Organisationen dieses Manko nicht so stark zutage tritt, wie
es vielleicht äußerlich erscheinen würde. Die finanziellen Verhältrisse der
norwegischen Arbeiter haben sich schon wieder den Vorkriegsverhältnissen
genähert. Leider ist es noch nicht in allen Verbänden so. Eine Ausnahme
bilden immer noch der Konservenarbeiterverband und der Brauerei- und
Mühlenarbeiterverband. Jedoch sind bei diesen beiden Verbänden augenblicklich
Verhandlungen im Gange, die im Juni nach der Rückkehr des Redners
weitergeführt werden. Die Preise sind natürlich auch in Norwegen höher
geworden; jedoch ist ein Lohnausgleich geschaffen worden, der diesen höheren
Preisen Rechnung trägt.
Zum Schluß gibt Herr Ask seinen großen Erwartungen für den heutigen
Kongreß Ausdruck und hofft, daß er zum Nutzen für die Arbeiter, zum
Erreichen von glücklichen Lebensverhältnissen in allen europäischen und außereuropäischen
Ländern dienen möge. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nak vom Dänischen Tabakarbeiterverband.
Ihm folgt der Kollege Klomp aus den Niederlanden.
Dirk Nak (Kopenhagen, Dänischer Tabakarbeiter verband): Verehrte Anwesende!
Im Namen des Dänischen Tabakarbeiterverbandes danke ich für
die freundliche Einladung zur Teilnahme an eurer Tagung. Es freut uns sehr,
wieder einmal an einem Verbandstag der freien deutschen Gewerkschaftsbewegung
teilnehmen zu können. Wir hoffen, daß es euch glücken möge, eine
starke deutsche freie Gewerkschaftsbewegung wiederaufzubauen. Wie Sie vielleicht
wissen, besteht in Norwegen, Schweden und Dänemark eine sehr starke
Gewerkschaftsbewegung. Die Lebens- und Genußmittelarbeiter in Dänemark
sind fast zu .100 °/o organisiert. Der Dänische Gewerkschaftsbund — wie Sie
wissen, hat Dänemark nur vier Millionen Einwohner — hat jetzt 650 000 Mitglieder,
davon sind 120 000 Frauen. Im ganzen sind beinahe 95 % aller Arbeiter
organisiert. (Beifall.) In Dänemark hat die Gewerkschaftsbewegung eine sehr
große Rolle gespielt. Ich glaube ohne Übertreibung sagen zu können, daß die
Gewerkschaftsbewegung in Dänemark die Grundmauer, das Fundament der
dänischen Arbeiterbewegung ist. Wir haben auch in Dänemark wie in Schweden
und Norwegen eine Arbeiterregierung. Wir sind aber nicht so glücklich wie
unsere Freunde in Schweden und Norwegen, die Mehrheit zu haben. Wiir haben
jetzt eine M'inderheitsregierung. Aber trotzdem hat diese Regierung in den
beiden letzten Jahren eine für uns sehr gute Arbeit geleistet. Auch wir in
Dänemark haben ernste Jahre durchgemacht. Aber es ist doch geglückt, nicht
allein die Reallöhne von 1939 zu erreichen, sondern mehr als das.
Wir haben in den letzten Tagen einen Verbandstag des Dänischen Gewerkschaftsbundes
gehabt. Es wird euch vielleicht interessieren, zu erfahren, daß
wir einen Beschluß gefaßt haben — es waren über 1000 Delegierte anwesend,
und von diesen waren nur 7 dagegen —, daß wir uns aus dem jetzigen
sogenannten Weltgewerkschaftsbund lösen. Damit ist unsere Stellung begrenzt.
Wir wollen uns nur international zusammenschließen als freie demokratische
Gewerkschaften.
In Dänemark hat mit den deutschen Gewerkschaften immer ein gutes
Verhältnis bestanden. Durch den Krieg und die Jahre nachher waren wir
verhindert, einander zu besuchen. Ich gebe hier der Hoffnung Ausdruck, daß
es bald gelingen möge, daß die alten Bande der internationalen Brüderschaft
mit den deutschen Kollegen wieder errichtet werden können, damit eine starke
23
internationale freie Gewerkschaftsbewegung aufgebaut werden kann, damit wir
einmal imstande sein werden, einen neuen Weltkrieg zu verhindern. (Beifall.)
. Mit diesen paar Worten möchte ich Ihrem Verbandstag einen guten Erfolg
wünschen.
Vorsitzender: Es spricht Herr Klomp für die Niederlande. Es folgt
Herr Ernst für die amerikanischen Gewerkschaften.
E. H. Klomp (Amsterdam, Niederländischer Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband):
Werte Genossinnen und Genossen! Ich spreche im Namen
des Fabrikarbeiterverbandes Holland und des Verbandes der Nahrungs- und
Genußmittelarbeiter in Belgien sowie unseres Verbandes der Nahrungs- und
Genußmittelarbeiter in Holland.
Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß unsere belgischen Freunde an diesem
Kongreß nicht teilnehmen können, da die parlamentarische Wahl in Belgien
stattfindet. Die belgischen Kollegen beauftragten mich, dem Kongreß die brüderlichen
Grüße sowie einen guten Erfolg zu eurem Kongreß zu wünschen.
Es freut uns sehr, daß wir auf diesem Verschmelzungskongreß anwesend sein
dürfen. Für diese Freude gibt es auch einen Grund. In erster Linie bedeutet es,
daß der internationale Kontakt zwischen unseren Organisationen wieder zustande
gekommen ist; ein Kontakt, welcher fruchtbar sein kann, weil dadurch ein
Austausch von Gedanken gefördert wird. Der Austausch von Gedanken gibt
eine oft breite Vision aus bestimmten Problemen. Es gibt noch mehrere Gründe,
weshalb es uns freut, hier anwesend zu sein.
Wir hoffen, auf diesem Kongreß einen wirklichen Geist von Kameradschaft
zwischen den Kollegen aus den drei Westzonen anzutreffen. Hier wird ein
Anfang gemacht mit einer großen Gewerkschaft, welche ganz Westdeutschland
umfaßt und zugunsten unserer Kollegen sein wird.
Voriges Jahr fand in unserem Kreis eine Verschmelzung zwischen den Bäckergesellen
und den Fleischereiarbeitern statt. Über diese Verschmelzung können
wir uns sehr freuen, weil wir dadurch stärker geworden sind. Wir hoffen, daß
auch für Sie diese Verschmelzung eine glückliche Tat wird und es später keiner
zu bedauern hat.
Unser Hauptvorstand war bereit, eine Delegation zu Ihrem Kongreß zu entsenden,
da wir der Überzeugung waren, daß die Kollegen des Hauptvorstandes
immer gegen das Naziregüne gekämpft hatten.
Die Zeiten sind für alle Länder noch sehr schwer. Doch wir hoffen, daß wir
aus der Zeit, die hinter uns liegt, etwas lernen können.' Diese furchtbare Zeit
hat uns gelehrt, daß es nur Freude, Wohlfahrt und Glück geben kann in einer
Welt, welche frei ist von dem alles vernichtenden Kapitalismus und der Diktatur
einer bestimmten Partei. Eine freie Welt sei unser Ziel, eine Welt, wo es keine
Angst gibt für Beschneidungen der Rechte der Menschen.
Allmählich zeigt sich wieder, daß hinsichtlich der Sozialprobleme der Fortschritt
wieder abnimmt. Die Zeit wird nicht mehr weit sein, daß die Gewerkschaften
auf eine klare Weise darauf Antwort geben müssen. Darum wird es
wichtig sein, daß alle Arbeiter den Weg zur Gewerkschaft rinden werden, weil
diese und keine andere für die Interessen der Arbeiter kämpft. Je größer
unsere Macht, desto größer ist der Einfluß, den wir entwickeln können.
Wir danken Ihnen herzlichst für Ihre Einladung und wünschen Ihnen eine
erfolgreiche Tagung und hoffen, daß Verständnis füreinander und Vertrauen
ineinander anwesend sein werden. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Ernst für die amerikanischen
Geweikschaften. Ihm folgt der Kollege Karl Mantler für die österreichischen
Gewerkschaften.
Hugo Ernst (Cincinnati/Ohio, Verband des Hotel- und Restaurantpersonals):
Geehrte Berufskollegen und Kolleginnen! Es ist für mich eine große
Freude und Genugtuung, zu dieser vereinigten Verbandstagung eingeladen zu
sein und hier sprechen zu dürfen. Ich möchte dafür auch vor allem der
24
Verbandsleitung meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Auch will ich
dieser Tagung die kollegialen Grüße des Verbandes der Hotel- und Restaurantangestellten
und Bartenders in Amerika und der AFL mit mit den besten
Wünschen für einen guten Erfolg dieser Besprechungen übermitteln. Ich muß
jedoch auch bemerken, daß ich bereits 50 Jahre im freien demokratischen
Amerika lebe und daher meine deutschen Sprachkenntnisse aus meiner Jugendzeit
vielleicht nicht immer voll ausreichend sein werden. Aber ich werde mich
bemühen, mich verständlich zu machen.
Sie haben sich hier versammelt, um die Verschmelzung von Einzelverbänden
der Nahrungs-, Genuß- und Gaststättenarbeiter durchzuführen, in den drei
Westzonen durchzuführen, und das darf mit Recht als ein historisches Ereignis
betrachtet werden. Dieses Bestreben ist gleichlaufend mit der Entwicklung
"Westdeutschlands zum Einheitsstaate. Es ist die logische Folge des wachsenden
Bedürfnisses in dem zu schaffenden freien Europa, die Struktur der freien
Gewerkschaften umzubauen und zu stärken; denn auch hier, wie in anderen
Ländern, kann nur in einem engeren Zusammenschluß der arbeitenden Massen
eine frohere Perspektive für den dauernden Bestand der Demokratie gesehen
werden.
Ich habe Verständnis für die praktische Wichtigkeit einer einheitlichen
Organisation der Nahrungs- und Genußmittel 1 und Gaststättenarbeiter. Viele
dringende auf Löhne, Arbeitsstunden und Arbeitsverhältnisse sich beziehende
Probleme lassen nur durch eine kräftige, stramme Organisation sich lösen.
Ich sehe aber in dieser Verschmelzung von Gewerkschaften eine noch viel weitgehendere
Bedeutung. Wenn sie mit Erfolg durchgeführt wird, wie zu erwarten
steht, so wird sie gleichzeitig als Hauptbestandteil einer über ganz Deutschland
sich verbreitenden Gewerkschaft dienen, die alle Arbeiter in der Nahrungsund
Genußmittel- sowie Gaststättenindustrie umfaßt, wenn endlich, was ja
unausbleiblich ist, sich Ostdeutschland mit Westdeutschland zu einer einheitlichen
freien demokratischen Nation zusammenschließt. (Beifall.)
Ich halte es für bedeutsam, daß diese Tagung in dem Zeitpunkt stattfindet,
in dem endlich die Blockade von Berlin aufgehoben wurde. Da, wie es scheint,
organisierten indirekt durch gewerkschaftliche Errungenschaften ganz wesentlich
beeinflußt. Tatsächlich haben die Errungenschaften der amerikanischen Gewerkschaften
das Wohl und den Lebensstandard des ganzen amerikanischen Volkes
bedeutend verbessert.
Aber nur durch Kampf haben die Gewerkschaften als vitaler Bestandteil
Amerikas sich behaupten können. Wir haben kämpien müssen gegen die hinter
ihren Geldsäcken sich verschanzenden Industriellen und Arbeitgeber, gegen die
Riesenbetriebe und gegen die von diesen, vermöge ihres Einflusses auf Presse
und Rundfunk, künstlich und geflissentlich gezüchteten Vorurteile unter dem
Volke. Nachdem wir jahrzehntelang den Verfolgungen und Gewalttätigkeiten
von Seiten der Arbeitgeber ausgesetzt waren und Kämpfe in den Gerichten und
gesetzgebenden Körperschaften haben durchführen müssen, wurden uns grundlegende
gewerkschaftliche Rechte nur im Interesse des allgemeinen Wohles
zuerkannt. Erst im Jahre 1935 wurde das „National Labor Relations Act" angenommen
und erhielten die Arbeiter somit das Recht, sich ohne Einmischung
der Arbeitgeber zu organisieren und mit ihnen Kollektivverträge einzugehen.
Die Gewerkschaften erhielten das Recht auf Existenz gerade zur Zeit, als
die amerikanische Arbeiterschaft sich bemühte, auf sozialem Gebiete Verbesserungen
zu schaffen. Gesetzliche Regelungen für Mindestlöhne und Sozialschutzgesetze
wurden zu Roosevelts Zeiten verwirklicht, der auch das Programm
des „New Deal" durchführte. Während dieser Zeit unternahm es auch die
Regierung, die Naturhilfsquellen den Bedürfnissen des Volkes zugängig zu
machen.
Große öffentliche Bauarbeiten wurden unternommen, die Flüsse wurden
für die Versorgung von Elekfrizität für die Landbewohner ausgenutzt, und
ernste Bestrebungen setzten ein, um das Tiefland Amerikas zu heben und der
städtischen Kultur zugängig zu machen. Trotz energischen Widerstandes von
konservativer Seite befand sich Amerika in einer historischen Entwicklung
für Sozialreform. Dann kam der Krieg, der die Ablenkung unserer Kräfte
auf dringendere Aufgaben beschränkte.
Nach dem Kriege bestrebten sich die Gewerkschaften, die Bewegung für die
Sozialreform wieder zu beleben, die vom Kriege unterbrochen worden war.
Vorerst kam es darauf an, das Verhältnis zwisihen Löhnen und Preisen wieder
auszugleichen, das sich sehr zu ungunsten der Arbeiter entwickelt hatte. Mit
der während des Krieges eingeführten Lohn- und Preiskontrolle war es nicht
zu erreichen, die Inflation zu verhindern, und die Preise stiegen zweimal so
hoch wie die Löhne, so daß die Arbeiter es nur durch Überstunden fertig
brachten, sich für das Steigen der Lebenshaltungskosten zu entschädigen. Der
Frieden brachte eine plötzliche Herabsetzung der Arbeitsstunden und somit
auch des Wochenlohnes. Die Ersparnisse der Arbeiter während des Krieges
waren bald dahin, und sie mußten sich nun mit einer Verschlechterung in
der Lebenshaltung abfinden, obschon die Produktivkräfte der amerikanischen
Industrie sich riesig verstärkt hatten.
Während des Krieges hatten die Profite der amerikanischen Industrie und
der Landwirtschaft eine noch nie dagewesene Höhe erreicht. Durch die von
der Regierungspolitik bewilligten steuerfreien Abzüge fanden die Korporationen
weiter die Möglichkeit, sich riesige Reserven anzuhäufen, so daß die amerikanische
Industrie dadurch in eine ungewöhnlich günstige Stellung kam. Dessenungeachtet
weigerten sich diese Korporationen, Lohnerhöhungen zu bewilligen,
die unumgänglich notwendig waren, um das Mißverhältnis zwischen Löhnen
t>nd Preisen auszugleichen. Sie provozierten auf diese Weise eine ganze Reihe
von Arbeiterausständen, deren Zahl für die ersten vier Monate des Jahres 1946
dreißigmal so hoch war wie für denselben Zeitraum des Jahres 1945. Die
meisten dieser Ausstände fanden in den Massenproduktionsindustrien statt,
obschon sie auch in anderen Wirtschaftszweigen nicht fehlten.
Ein Ausgleich in diesen Streiks wurde schon in der ersten Hälfte des Jahres
1946 gefunden. Aber gleich darauf übte die Großindustrie, von den reichen
26
Landwirten unterstützt, auf den Bundeskongreß einen Druck aus, um die
Abschaffung der Preiskontrolle zu erzielen, womit sie auch durchkamen. Die
darauf folgende Inflation machte alle während des Krieges erzielten Lohnerhöhungen
zunichte. Während der letzten drei Jahre sind die Lebenskosten
der Arbeiter um nahezu 30 Prozent gestiegen und mit ihnen auch die Probte
der Unternehmen.
Im Jahre 1946 stiegen die Unternehmerprofite von 9 Milliarden Dollar
auf 12 Milliarden Dollar, also um ein Drittel über das Niveau der Kriegsjahre.
1947 stiegen, trotz einer ganzen Reihe von neuen Streiks und der darauf
folgenden Lohnübereinkommen, die Reingewinne um 40 Prozent von 12 Milliarden
Dollar auf 17 Milliarden Dollar. 1948 überstiegen die Unternehmerprofite
alsdann alle Konjunkturperioden; sie erreichten den Höhepunkt von 20 Milliarden
Dollar, eine Summe, die 10 Prozent des ganzen amerikanischen Einkommens
gleichkommt.
Das amerikanische Wirtschaftskapital war jedoch immer noch nicht zufrieden
mit den saftigen Profiten der Kriegsjahre und der darauf folgenden
Friedensjahre. Die berechtigte Anklage, die von den Gewerkschaften gegen die
Unternehmer erhoben wurde, wurde von diesen übel gedeutet. Sie zeigten große
Nervosität über die Vorschläge, das Programm der Sbzialreform wieder auf- ,
zunehmen, die eine gleichmäßigere Verteilung des Einkommens und wirtschaftliche
Gerechtigkeit als Leitwort führte. Die dynamische Kraft des sozialen
Fortschritts in Amerika lag in den Gewerkschaften. Sie versperrten dem
Monopolkapital den Weg zur- Erdrosselung des amerikanischen Arbeiterwillens
und seines Lohnstandards.
Das Großkapital setzte infolgedessen eine das ganze Land umfassende
Kampagne in Bewegung, um das Vertrauen des Volkes auf die Gewerkschaften
zu untergraben.
Zu diesem Zweck nützten die Feinde der Arbeiter die in gewissen Kreisen
zunehmende Unzufriedenheit aus, die sich aus der Inflation, der Wohnungsnot
und anderen unbequemen Nebenerscheinungen des Krieges ergab. Sie wiesen
auf die Streiks hin, die von ihnen selbst produziert waren, um die öffentliche
Meinung gegen die Gewerkschaften zu beeinflussen. Hierin kam ihnen die
Wahl von 1946 zu Hilfe, die einen Zug nach rechts bedeutete und aus der sich
ein Bundeskongreß ergab, der sich die arbeiterfeindliche Politik des Großkapitals
zu eigen machte.
Die reaktionäre Politik des amerikanischen Unternehmertums führte zur
Annahme des berüchtigten Taft-Hartley-Gesetzes. Dieses Gesetz, das im Juli
1947 vom Bundeskongreß angenommen wurde, bedeutet die Vernichtung von
fast allen schwer erkämpften Rechten, die den Gewerkschaften durch das
Arbeitergesetz des Senators Wagner im Jahre 1935 eingeräumt wurden. Die
Auswirkung des Taft-Hartley-Gesetzes brachte die Gewerkschaften in eine
sehr kritische Lage.
Mit den einzelnen Paragraphen dieses arbeiterfeindlichen Gesetzes will ich
Sie nicht belästigen. Das Verbot der Sympathiestreiks ist nur eine seiner vielen
schlechten Wirkungen. Dann verbietet es auch Gewerkschaftsmitgliedern, sich
zu weigern, Material zu verarbeiten, das von Nichtmitgliedern hergestellt
wurde. Auch wird es den Arbeilgebern durch dieses Gesetz ermöglicht, gegen
Gewerkschaften wieder Einhaltsbefehle zu erwirken. Arbeitgeber nützen das
Gesetz weiter dazu aus, daß sie unabhängige und gelbe Gewerkschaften suchten,
um kämpfende und fortschrittliche Gewerkschaften zu untergraben.
Das Vermögen der Gewerkschaften kann weiterhin infolge von Kontraktbruch
beschlagnahmt werden, je nachdem die Richter sich den Kontraktbruch auslegen,
und Richter sind manchmal unerfahren in Sachen, die zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern bestehen.
Die Verletzung irgendeiner seiner vielen Paragraphen zieht schwere Strafen
nach sich. Das Streikrecht, die stärkste Waffe der Arbeiter im wirtschaftlichen
Kampf, wird durch dieses Gesetz stark beschnitten. • Das Gesetz ermöglicht es
27
arbeiterfeindlichen Unternehmern, die Regierung in ihrem Kampfe gegen die
Gewerkschaften auszunützen. Was jetzt in Amerika vor sich geht, sieht den
Ereignissen ähnlich, die dem Aufstieg des Faschismus in Italien und Deutschland
vorangingen. Das Monopolkapital ist zur Zeit bestrebt, das Rückgrat der amerikanischen
Arbeiterbewegung zu brechen. Es will die Struktur der Gewerkschaften
lockern und sich in eine Stellung verschanzen, in der es 1 den sozialen
Fortschritt dauernd auszuschalten imstande ist. Die freien Gewerkschaften
versperren aber dem amerikanischen Monopolkapital den Weg dahin. Wir
betrachten das Taft-Hartley-Gesetz als den ersten Schritt zum amerikanischen
Faschismus.
Wir haben aber das Vertrauen, daß dieses Übel abgewendet wird durch die
Kräfte, welche den Gewerkschaften und anderen fortschrittlichen Bewegungen
innewohnen. Den Beweis dafür haben die amerikanischen Arbeiter in den
Wahlen zum Bundeskongreß im November v. J. geliefert.
In der Aufstellung des Programms der Demokratischen Partei spielten die
Gewerkschaften die führende Rolle. Durch dieses Programm verpflichtete sichdie
Partei, die Aufhebung des Taft-Hartley-Gesetzes anzustreben und den
Rechten, über die die Gewerkschaften zur Zeit des Wagner-Gesetzes verfügten,
wieder' Gesetzeskraft zu geben. Die Stellung, welche ein Kandidat zu dieser
Frage einnahm, entschied darüber, ob er bei der Wahl von Gewerkschaftlern
unterstützt zu werden verdiente.
Nach diesem Programm führte Präsident Truman seinen Wahlkampf im
November v. J. und wurde mit der vollen Unterstützung der Gewerkschaften
wiedergewählt, wodurch sich unsere Behauptung bewahrheitete, daß eine freie
Gesellschaft von der freien Arbeit unzertrennlich ist.
Gerade jetzt wird im amerikanischen Kongreß über ein neues Arbeitegesetz
debattiert. Eine zu diesem Zweck von der Regierung unterstützte Vorlage
ist beiden Häusern des Kongresses unterbreitet worden, wiid aber von den
Republikanern des Nordens und den Demokraten des Südens stark bekämpft.
Der Ausgang ist also noch in der Schwebe. Jedoch beherzigt von dem Wahlsieg
im November 1948, bereiten sich die amerikanischen Gewerkschaften schon
auf den Wahlkampf von 1950 vor, um der Regierung eine so große Mehrheit im
Bundeskongreß zu sichern, welche über die Aufhebung des Taft-Hartley-Gesetzes
keine Zweifel übrigläßt. Die Zukunft der freien Arbeit in Europa hängt also
größtenteils von der Stärke Und Lebenskraft der freien Arbeit in Amerika ab.
Sie können sich darauf verlassen, daß wir in Amerika alles tun werden, was
in unseren Kräften liegt, um die Freiheit der Arbeiter in der ganzen Welt zu
sichern.
Und jetzt habe ich noch einiges zu sagen über den Internationalen Verband
der Hotel- und Gasthausangestellten Amerikas.
Unsere Gewerkschaft zählt mehr als 400 000 Mitglieder und ist die drittgrößte
von allen Gewerkschaften, die der American Federation of Labor angeschlossen
sind. Unsere Gewerkschaft ist international nicht nur in dem Sinne, daß sie sich
über die ganzen Vereinigten Staaten und Kanada erstreckt, sondern auch in dem
Sinne, daß unter ihren Mitgliedern Männer und Frauen von allen Nationalitäten
und Rassen sich befinden, weiße, schwarze und gelbe. Der Geburtsort von vielen
unserer Mitglieder befindet sich irgendwo in Europa. Die Geschichte der ältesten
Vereine von Köchen und Kellnern in Amerika geht bis zu den Zeiten des
Bürgerkrieges zurück, und sie bestanden größtenteils aus Deutschen, Franzosen
und Italienern.
Ungeachtet des internationalen Charakters unserer Gewerkschaft besteht doch
jetzt die überwiegende Mehrzahl unserer Mitglieder aus Männern und Frauen,
deren Geburtsort irgendwo in Amerika sich befindet. Köche, Kellner und andere
Hotel- und Gasthausangestellte, die von anderen Ländern zu uns kamen, haben
sich mit der Zeit dem amerikanischen Kulturleben angepaßt. Amerika ist ja in
der ganzen Welt als der Schmelztiegel aller Rassen und Nationalitäten bekannt.
Diese Tatsache kommt ganz besonders in unserer Gewerkschaft zum Ausdruck,
28
und auch ich stamme aus Europa. Mein Geburtsort liegt in Jugoslawien, und ich
kam in meinem 24. Lebensjahr nach den Vereinigten Staaten, wo ich jetzt schon
nahezu ein halbes Jahrhundert gelebt habe. Während dieser Zeit habe auch ich
das Kulturleben meines Adoptivlandes in mir aufgenommen.
Vielleicht wäre es Ihnen von Interesse, etwas über die Größe der Industrie
zu erfahren, in der sich die Mitglieder unserer Gewerkschaft ihren Lebensunterhalt
erwerben. Diese Industrie ist eine der größten in den Vereinigten Staaten
und Kanada. Die von amerikanischen Hofeis, Restaurants und Gasthäusern
gemachten Geschäfte gehen in die Milliarden von Dollar. In den Vereinigten
Staaten gibt es 25 000 Hotels und Logierhäuser mit zusammen ungefähr 500 000
Zimmern. Es gibt eine halbe Million von Unternehmungen, bei denen man sich
ein Essen kaufen kann. In der Hotel- und Gasthausiii'dustrie finden nahezu
drei Millionen Menschen Arbeit.
Das Gros unserer Mitglieder ist in den Städten konzentriert. Aber es befindet
sich auch eine nicht geringe Anzahl von ihnen in kleinen Orten. In den ganzen
Vereinigten Staaten von der Ostküste bis zur Westküste gibt es nur wenige
Städte, wo wir nicht schon eine gewerkschaftliche Organisation haben, und in
einer Anzahl von Städten ist schon alles organisiert, was in unseren Bereich
kommt. Unsere Gewerkschaft erstreckt sich bis nach Alaska und Hawaii.
In unserer Gewerkschaft sind fast alle Gruppen von Arbeitern und Arbeiterinnen
in Hotels, Klubs, Restaurants und sonstigen Gasthäusern organisiert.
Unter unseren Mitgliedern befinden sich Köche omd Küchenpersonal, Bartenders,
Kellner, Kellnerinnen, Zimmermädchen usw. Die Köche und Kellner
auf den Speisewagen der Eisenbahnen sind ebenfalls größtenteils schon
organisiert.
Unsere Gewerkschaft besteht aus ungefähr 700 Lokalvereinen, deren Mitglieder
von 100 bis 25 000 zählen. In den meisten Städten haben wir ein „Local Joint
Executive Board", eine Art Exekutivausschuß, in welchem alle unsere Lokalvereine
des Ortes vertreten sind. Jeder Lokalverein ist in diesem Ausschuß
mit drei Mitgliedern vertreten. Der Ausschuß verfügt über das Recht, für alle
angeschlossenen Vereine mit Arbeitgebern Kollektivverträge abzuschließen.
In den meisten Staaten haben wir auch „State Councils", Staatsräte, wie man
wohl hier sagen würde. Diese Councils dienen hauptsächlich politischen Zwecken,
und sie machen es sich zur Aufgabe, auf die Gesetzgebung der verschiedenen
Staaten, vor allem Arbeitsgesetzgebung, einzuwirken.
Unsere Gewerkschaft bestand ursprünglich aus einigen wenigen Männern
und Frauen, die sich von der Notwendigkeit überzeugt hatten, sich zu organisieren.
Schon im Jahre 1891 schlössen wir uns der American Federation of
Labor an, und wir hatten damals nur 450 Mitglieder. Die Arbeitswoche für
Hotel- und Gasthausangestellte bestand damals aus sieben Tagen von 12 bis
15 Stunden täglich. Für manche Gruppen von Angestellten betrug der Wochenlohn
oft nicht mehr als 5 Dollar. Der Achtstundentag war auch damals schon
unser Ziel; aber wie war er zu erreichen? Ich entsinne mich noch sehr gut,
als ich in San Franzisko 1916 als Kellner arbeitete. Wir traten für den Achtstundentag
in den Ausstand, und der Streik ging verloren. Jetzt arbeiten unsere
Kollegen in San Franzisko nur 7'/= Stunden täglich, und die Arbeitswoche besteht
aus fünf Tagen, und sie erhalten ausgezeichnete Löhne. (Beifall.)
1918 zählte unser International-Verband schon 65 000 Mitglieder, meistens
Kellner, Köche, Bartenders und Kellnerinnen. Im Jahre 1920 kam alsdann die
,.Prohibition", das Alkoholverbot, wodurch Tausende von unseren Mitgliedern
arbeitslos wurden. Von da an ging die Zahl unserer Mitglieder schnell herunter.
Als die Wirtschaftskrise ihren Tiefstand erreichte, etwa um 1932—1933,
zählte unser Verband kaum noch 25 000 Mitglieder. Als aber 1933 das Alkoholverbot
wiederaufgehoben wurde, ging es mit dem Aufbau der Gewerkschaft
wieder schnell voran. 1937 hatte sich die Mitgliederzahl schon vervierfacht.
Unter dem Einfluß des damals neuen Arbeitergesetzes, welches als „Wagner
Act" bekannt ist, weil Senator Wagner dessen Verfasser war, gedieh alsdann die
29
ganze Gewerkschaftsbewegung in den nächsten Jahren wie noch nie zuvor.
In den darauffolgenden vier Jahren stieg die Mitgliederzahl unseres International-Verbandes
von 100 000 auf 200 000, und gegen Ende des letzten Krieges
hatte sie sich schon wieder verdoppelt. Heute ist unsere Gewerkschaft eine der
stärksten in der ganzen Welt. Aber solange es Unorganisierte in den Reihen
der Hotel- und Gasthausangestellten gibt, können wir nicht zufrieden sein.
Viel hat unser Verband für die Arbeiter und Angestellten in unserer Industrie
schon geleistet. Der Achtstundentag ist fast überall zur Wirklichkeit geworden.
Der wöchentliche Ruhetag ist in allen Städten eingeführt, und wie schon gesagt,
besteht vielerorts auch die Arbeitswoche von fünf Tagen. Die meisten Kontrakte,
die mit Arbeitgebern abgeschlossen werden, sehen auch einen jährlichen
Urlaub von einer oder zwei Wochen vor ohne Lohnabzug.
Das Niveau der Löhne ist fast überall infolge gewerkschaftlicher Tätigkeit
merklich gestiegen. Im Jahre 1939 betrug der Durchschnittslohn in amerikanischen
Hotels für eine Woche von 47 Stunden nur 15,25 Dollar nach einer von
der Regierung veröffentlichten Statistik. Seit 1939 haben sich die Durchschnittslöhne
verdoppelt, und die Arbeitswoche ist um zwei Stunden verkürzt worden.
In dieser Statistik sind Hotels und Gasthäuser inbegriffen, die nicht gewerkschaftlich
organisiert sind. Mit den Löhnen und Arbeitsstunden in gewerkschaftlich
organisierten Häusern sieht es unvergleichlich besser aus.
Ich bin bisher bestrebt gewesen, Ihnen einen Begriff zu geben von der Entwicklung
unserer Gewerkschaft. Es harren unser aber noch sehr viele wichtige
Probleme, die der Lösung bedürfen. Eines dieser Probleme besteht darin, die
Zukunft unserer Gewerkschaft sicherzustellen. Bisher bestand unsere Stärke
und Sicherheit in einer Klausel in den Tarifverträgen, welche den „closed shop",
die geschlossene Werkstatt, vorsah. Wo die geschlossene Werkstatt besteht,
dürfen nur gewerkschaftlich Organisierte arbeiten. Dann gibt es auch noch
den „union shop", die geschlossene Werkstatt mit gewissen Einschränkungen.
Wo der „union shop" in Kraft ist, da hat der Arbeitgeber das Recht, nichtorganisierte
Arbeiter einzustellen, vorausgesetzt, daß sie sich bald darauf als
Mitglieder in die Gewerkschaft aufnehmen lassen. Das Taft-Hartley-Gesetz
verbietet die geschlossene Werkstatt, und das Bestreben vieler Arbeitgeber geht
dahin, Arbeitskräfte einzustellen, die den Gewerkschaften nicht freundlich
gesinnt sind. Zwar findet das Taft-Hartley-Gesetz auf unseren Verband direkt
nicht Anwendung. Es sind aber von den Legislaturen vieler Staaten Amerikas
während der letzten zwei Jahre Gesetze angenommen worden, die für die
Gewerkschaften noch bedrohlicher sind als das Taft-Hartley-Gesetz. Das Recht
der Gewerkschaften, Streikposten auszustellen, ist in vielen Staaten Amerikas
gesetzlich eingeschränkt worden.
Es gibt aber noch viele Probleme zu lösen, die spezifisch auf unsere Industrie
Anwendung finden. Verglichen mit den Löhnen, die in anderen Industriezweigen
gezahlt werden, sind die Löhne der Hotel- und Gasthausangestellten
immer noch zu niedrig, obschon in Sachen der Lohnerhöhung schon vieles
erreicht worden ist. Auch bestehen große Unterschiede zwischen den Lohnsätzen
in den verschiedenen Städten, und unser Streben geht dahin, sie zu standardisieren.
Die Löhne für ungelernte Arbeiter sind in manchen Städten zu niedrig.
Auch für gewerkschaftlich Organisierte sind in unserem Industriezweige die
Lohnsätze im allgemeinen noch zu niedrig, und hier muß noch Abhilfe geschafft
werden. Auch müssen die täglichen Arbeitsstunden noch weiter verkürzt werden,
was ja mit der riesigen Entwicklung der amerikanischen Industrie leicht möglich
sein sollte.
In der Prohibition liegt für uns auch immer noch eine Gefahr. Die Trockenen
sind bei der Wahl vom letzten November in vielen Gegenden Amerikas gründlich
geschlagen worden. Aber damit soll nicht gesagt sein, daß mit ihrem Ausscheiden
zu rechnen ist. Sie kämpfen mit fanatischem Eifer und nehmen nach
jeder Niederlage den Kampf von neuem auf. Es gibt in allen Gegenden Amerikas
30
noch immer viele Ortschaften, wo der Verkauf von alkoholischen Getränken
gesetzlich verboten ist.
Vorläufig ist unser Blick in der Hauptsache auf den weiteren Ausbau der
Gewerkschaft in allen Gegenden der Vereinigten Staaten und Kanada gerichtet.
Die Lösung von vielen anderen Aufgaben hängt davon ab, daß dieses Ziel
erreicht wird. Die Nichtorganisierten müssen überall Mitglieder werden, und
es muß dafür gesorgt werden, daß mehr gewerkschaftliche Bildung unter den
Vertretern von Ljkalvereinen und den Mitgliedern verbreitet wird. Nur so
können wir den Nutzen der Gewerkschaft einer größeren Anzahl von Kollegen
und Kolleginnen zugänglich machen und zu gleicher Zeit unserem Verbände
eine dauernde feste Grundlage verleihen.
Ich habe hier den Versuch gemacht, Ihnen kurz eine Vorstellung zu geben
von der Natur und dem Geiste unserer Gewerkschaft in den Vereinigten Staaten
und Kanada. Ich bin natürlich nicht imstande, in einer kurzen Ansprache auf
alle Einzelheiten einzugehen, die mit der Verwaltung unseres Verbandes und
dessen Zweigvereine verbunden sind. Ich möchte nur noch darauf hindeuten,
daß unsere Gewerkschaft in Amerika als eine der großen geistigen Kräfte
bekannt ist, die den menschlichen Fortschritt fördern.
Ich habe auch den Versuch gemacht, in breiten Umrissen eine Skizze zu
entwerfen von den Problemen, mit denen die amerikanische Gewerkschaftsbewegung
um ihr Bestehen kämpfen muß. Überall droht die Reaktion, welche
sich weigert, zu erkennen, daß die Kultur und das Wohl der Arbeiter und des
Volkes unzertrennlich zusammengehören. Wegen der ungezügelten Habgier
einer Minorität des Volkes werden wir in Amerika von wirtschaftlichem Chaos
bedroht, der die Vernichtung unserer demokratischen Einrichtungen zur Folge
haben könnte. Auch werden wir von der kommunistischen Ideologie bedroht,
welche nur in wirtschaftlichem Chaos gedeihen kann. War wollen keinen
Totalitarismus, weder von der Rechten noch von der Linken, und wir besitzen
die innere Kraft, beiden Widerstand zu leisten. (Beifall.)
Unser Vertrauen auf Amerika und seine demokratischen Einrichtungen und
unsere Schaffensfreude dienen nur als Garantie dafür, daß Amerika ein freies
Land bleiben wird.
Zum Schluß wünsche ich Ihnen Erfolg in dem Unternehmen, die drei Verbände
der Nahrungs- und Genußmittel- sowie Gaststättenarbeiter Westdeutschlands
zu einem einzigen starken Industrieverband zusammenzuschweißen. Der
Erfolg dieses Unternehmens wird dazu dienen, den demokratischen Einrichtungen
von ganz Europa eine festere Grundlage zu verleihen. Die wahre Freiheit und
was dazu gehört, eine immer steigende Lebenshaltung des Volkes, dienen als das
wirksamste Mittel gegen den Kommunismus. Und ich bin stolz darauf, hier Zeuge
eines Unternehmens zu sein, welches der ganzen deutschen Arbeiterbewegung
den Weg zur Freiheit anweist. (Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht als Vertreter der österreichischen Arbeiterbewegung
der Kollege Karl Mantler. Ihm folgt der Kollege Rothef von der
UGO Berlin.
Karl Mantler (Wien, Gewerkschaft der Lebensmittel- und Genußmittelarbeiter):
Liebe Freunde! Ich überbringe Ihnen die herzlichsten Grüße der
österreichischen Lebensmittelarbeiter. Wir danken Ihnen für die freundliche
Einladung zu Ihrem heutigen Kongreß. Ich darf Ihnen wohl versichern, daß
wir mit wirklicher Freude dieser Einladung gefolgt sind. Freilich sind wir als
Ausländer zu Ihnen gekommen, wie der Kollege Fiederl in seiner Eröffnungsansprache
gesagt hat. In diesen tausend Jahren, die von 1938 bis 1945 vergangen
sind, in dieser Zeit, in der uns ein verbrecherischer Narr und eine größenwahnsinnige
Clique in beiden Ländern in ein Großdeutschland gezwungen hat, das
mit Kerker und Galgen regiert hat, in dieser Zeit und in diesem Reich haben
sich die aufrechten freiheitliebenden und demokratischen Gewerkschaften Österreichs
stets als Ausländer gefühlt. Aber darüber hinaus gibt es auch eine
andere Gemeinschaft, eine Gemeinschaft, eine gemeinsame große Kultur, eine
31
T
Gemeinschaft von Menschen mit gewerkschaftlichen fortschrittlichen Bestrebungen.
In dieser Gemeinschaft waren wir stets zu Hause. Diese Gemeinschaft
hat nicht an Grenzen haltgemacht, und wir hoffen, daß diese Gemeinschaft, die
jetzt durch Jahre hindurch unterbrochen gewesen ist, wiedererstehen möge.
Vor allem hoffen wir, daß diese Gemeinschaft für alle Zukunft eine dauerhafte
sein werde.
Ich brauche ja nicht zu betonen, daß uns Österreicher mit Ihnen langjährige
Beziehungen verbinden. Wir haben schon einmal einen solchen Kongreß unserer
deutschen Kollegen mitgemacht. Es war 1928 in Leipzig. Wir haben damals
nicht geahnt, daß die Organisation, die sich die deutschen Lebensmittelarbeiter
geschaffen haben, von so kurzer Dauer sein werde, daß sich einige Jahre später
die Nacht über alle freiheitlichen Gedanken und Bestrebungen in Deutschland
senken und auch auf uns in Österreich übergreifen werde und daß vieles von
dem, was durch jahrzehntelange Bemühungen aufgebaut wurde, für lange Zeit
vernichtet erscheinen könnte.
Wenn ich nun über Österreich einiges sagen soll, dann kann ich mich sehr
kurz fassen. Wir haben ungefähr ein gleiches Schicksal. Wir haben 15 Jahre
gegen den Faschismus gekämpft, und wir kämpfen jetzt vier Jahre oder noch
länger um unsere Freiheit, um eine Freiheit, die wir in den Arbeiterorganisationen,
in den Gewerkschaften dringend notwendig haben. Denn es ist mit der
Freiheit so wie mit der Luft. Wohl kann man von der Luft allein nicht leben,
aber man kann auch nicht ohne Luft leben. Von der Freiheit allein können
wir nicht leben, aber ohne Freiheit schon gar nicht. Unsere Bemühungen, um
diese Freiheit zu sichern, sind wir als Lebensmittelarbeiter und als Gesamtbewegung
auch bestrebt, alle unsere Kräfte in der gewerkschaftlichen Organisation
einzusetzen.
Die Gesamtbewegung in Österreich, also alle unsere Gewerkschaften zusammen,
zählt heute mehr als l 1 /* Millionen Mitglieder; das ist bei einer Einwohnerzahl
von etwas mehr als sechs Millionen ein ansehnlicher Prozentsatz.
In Österreich ist heute jeder fünfte Einwohner Mitglied seiner gewerkschaftlichen
Berufsorganisation. Wir Lebensmittelarbeiter können darauf verweisen,
daß wir heute mehr als 80 0 /o aller Lebensmittelarbeiter in unseren Reihen
zählen. Wenn unsere gewerkschaftliche Organisation innerhalb unserer Gesamtbewegung
verhältnismäßig nur einen kleinen Teil darstellt, so vor allem deswegen,
weil die Lebensverhältnisse und die Nahrungsmittelversorgung außerordentlich
triste sind. Schwere Jahre liegen ja hinter uns. Wenn es nicht noch
schlechter geworden ist, so danken wir das tatsächlich und wirklich zu einem
großen Teil auch den Bemühungen unserer Freunde in den amerikanischen
Gewerkschaften, die in den vergangenen Jahren redlich dazu beigetragen haben,
um das Leben in Österreich überhaupt zu ermöglichen.
Unsere gewerkschaftliche Tätigkeit und auch unsere gewerkschaftlichen
Erfolge sind trotz allem beachtlich. Wir haben in Österreich einen großen Teil
der sozialpolitischen Gesetzgebung, die dort immer eine gute, in vieler Hinsicht
eine vorbildliche gewesen ist, wieder aufs neue geschaffen. Eine Reihe von
Gesetzen wurde ja von den Nationalsozialisten außer Kraft gesetzt oder verschlechtert.
Das alles konnten wir beseitigen. Wir wissen aber, daß über dia
sozialpolitischen Erfordernisse hinaus, die notwendig sind, die Volksgesundheit
wiederherzustellen, vor allem auch die Gesundheit der Arbeiterschaft, es erforderlich
ist, weit mehr als in der Vergangenheit auf die Wirtschaft selbst
Einfluß zu gewinnen. Wir sind in Österreich daran, uns diese Stellung zu sichern.
Wir haben den wesentlichen Teil der Schlüsselindustrien der Schwer- und Großindustrie
dem Privatkapitalismus aus den Händen genommen. Wir haben die
Industriezweige verstaatlicht, und wir glauben, daß wir damit diesen Leuten
auch die Möglichkeit genommen haben, in der Zukunft wieder dasselbe Spiel
wie in der Vergangenheit zu treiben, gegen die Arbeiterbewegung, gegen
den Fortschritt Banden auszurüsten, Banden zu finanzieren, um sie gegen die
Arbeiterschaft und ihre Organisationen einsetzen zu können.
32
Wir wissen, daß die Sicherheit des arbeitenden Menschen in der Wirtschaft
zu einem Großteil von dem Zustand dieser Wirtschaft abhängig ist. Unser
Bestreben gilt vor allem, eine Wirtschaft zu schaffen, die krisenfest ist, eine
Wirtschaft, die dem Arbeiter auch die Sicherheit seiner Existenz gewährleistet
Das ist nur möglich, wenn eine Wirtschaft nicht vom privatkapitalistischen
Gewinnstreben bestimmt wird, sondern wenn diese Wirtschaft von Gesichtspunkten
geleitet wird, die der Allgemeinheit dienen. Wir sind also auch in
Österreich bestrebt, soweit es möglich ist, Gedanken der Planung in der Wirtschaft
durchzusetzen. Wir glauben, daß wir damit der gewerkschaftlichen
Tätigkeit eine wesentliche Unterstützung gegeben haben.
Kürze ist die Würze. Erlauben Sie deswegen, daß ich bei meiner Begrüßung
mit meinen wenigen Worten unsere Sympathie, unsere Freude zum Ausdruck
bringe, die wir daran haben, daß es nunmehr möglich ist, auch hier in Deutschland
wieder zu einer einheitlichen großen, gemeinsamen Gewerkschaftsbewegung
innerhalb der Lebensmittelindustrie zu kommen. Wir sind davon überzeugt,
daß die Beschlüsse, die Sie fassen werden, daß die Organisation, die Sie sich
schaffen, in verstärktem Maße es ermöglichen wird, die Bestrebungen durchzusetzen,
die die Arbeiter in unseren Berufen haben. Nehmen Sie dazu unseren
Glückwunsch! Nehmen Sie unsere Versicherung, daß wir mit großem Interesse
diese Bestrebungen verfolgen! Die deutsche und die österreichische Gewerkschaftsbewegung
haben ja immer gemeinsame Züge getragen, und wir hoffen,
daß auch in Zukunft einmal der Bann gebrochen ist, daß wir wieder über die
Grenze miteinander verkehren können, daß sich auch über die Grenzen hinweg
jenes Band der Zusammengehörigkeit wieder binden läßt, das uns in dier Vergangenheit
verbunden hat.
Nehmen Sie zum Schluß unsere brüderlichen Grüße und unsere besten
Wünsche für Ihr zukünftiges Wirken entgegen! (Beifall.)
Vorsitzender : Das Wort hat der Kollege Roiher, Berlin. Ihm folgt der
Kollege Schiefer vom Bayerischen Gewerkschaftsbund.
Rother (UGO, Berlin): Als Vertreter der Berliner Delegation des Verbandes
der Arbeitnehmer des Nahrungs-, Genußmittel- und Gaststättengewerbes
Groß-Berlin der UGO erfülle ich den ehrenvollen Auftrag, Ihnen für die Einladung
zum heutigen Vereinigungs-Verbandstag unseren herzlichsten Dank
auszusprechen. Wir sind der festen Überzeugung, daß durch diesen Zusammenschluß
auch wieder der Grundstein zu einer starken und mächtigen Industriegewerkschaft
des Nahrungs-, Genußmittel- und Gaststättengewerbes für ganz
Deutschland gelegt wird.
Es war für unsere Berliner Organisation eine besondere Freude, anläßlich
der Tagung unseres 1. Verbandslages den Kollegen Warnecke als Vertreter
der Westzonen begrüßen zu können, und als Kollege Warnecke zum Abschluß
seiner Begrüßungsansprache uns dann die persönliche Einladung des Arbeilsausschusses
zu der heutigen Gewerkschafistagung übermittelte, wurde diese
von den anwesenden Delegierten mit stärkstem Beifall aufgenommen.
Die 118 Delegierten unseres Verbandstages erhielten durch diese Einladung
die Bestätigung, daß unser Kampf für eine freie, unabhängige Gewerkschaftsbewegung
nicht nur notwendig war, sondern auch von unseren westlichen
Freunden verstanden wird, und daß unser sehnlichster Wunsch, in absehbarer
Zeit über alle Zonengrenzen hinweg uns mit unserer traditionsreichen Bruderorganisation
wieder zu vereinigen, auch bei Ihnen auf volles Verständnis stößt.
Wir hoffen und wünschen, daß im Anschluß an diesen Vereinigungs-
Verbandstag auch grundsätzlich über unsere Vereinigung beraten wird und
daß wir als Berliner Organisafion nach Aufhebung der Zonengrenzen sowie der
technischen Schwierigkeilen auch wieder eine geeinte deutsche Gewerkschaftsorganisation
bilden
Als vor 16 Jahren unsere starke Organisation durch den verbrecherischen
Nationalsozialismus auseinandergerissen und scheinbar vernichtet wurde, haben
3 Protokoll 33
wir Berliner Kollegen trotzdem nicht den Glauben an die Zukunft verloren. In
engster illegaler Zusammenarbeit mit meinen Freunden Fitz, Hetzschold,
Backert, Schmitz, Volkmann, Winter u. a. haben wir selbst unter persönlichen
Opfern die Verbindung mit den Kollegen über ganz Deutschland bis zum Zusammenbruch
aufrechterhalten. Wir waren aber im Juni 1945 diejenigen, die
bei der Neugründung unserer IG Nahrung — Genuß — Gaststätten den früheren
RGO-Kollegen die Bruderhand reichten, in dem festen Glauben, daß alles, was
uns bisher trennte, nunmehr für immer vergessen sein sollte. Wir waren uns
einig, daß in Zukunft für politische Auseinandersetzungen im Freien Deutschen
Gewerkschaftsbund kein Raum sein dürfte. Doch bald traten die alten RGO-
Methoden des diktatorischen Machtstrebens wieder in den Vordergrund. Im
Interesse der Gewerkschaftseinheit und unter Zurückstellung unserer eigenen
politischen Überzeugung versuchten wir bis zum letzten Tage, die Gegensätze
zu überbrücken. Unsere Bereitschaft, noch in letzter Stunde durch Urwahlen
eine Verständigung herbeizuführen, wurde — gestützt auf die östliche Besatzungsmacht
— von dem nun offen auftretenden kommunistischen FDGB
hohnlächelnd abgelehnt. Dadurch wurde die Spaltung mit der Forderung „Für
das Volksbegehren — gegen den Marshallplan" von unseren früheren RGO-
Kollegen Richter, Schlör, Engels und Genossen eingeleitet und vollzogen.
Um unsere Freiheit zu verteidigen, haben wir dann die Konsequenz gezogen.
Wir stehen heute als die vom Verbandstag gewählten Vertreter vor Ihnen.
Mit Stolz können wir die Rechnung legen, daß durch die starke gewerkschaftliche
Geschlossenheit unserer Funktionäre trotz Blockade und trotz Arbeitslosigkeit
der Auf- und Ausbau unseres Verbandes als freie autonome Gewerkschaft
beendet ist.
. Im Auftrage unserer 8000 Berliner Mitglieder wünschen wir Ihnen zu
Ihrem Vereinigungs-Verbandstag einen vollen Erfolg und hoffen, daß auch
wir bald mit Ihnen in der großen Bruderorganisation der IG Nahrung — Genuß —
Gaststätten gemeinsam zum Wohle der deutschen Arbeiterklasse kämpfen können.
Dann komme, was da kommen mag,
zu neuen Ufern führt ein neuer Tag!' (Beifall.)
Vorsitzender : Das Wort hat der Kollege Schiefer vom Bayerischen
Gewerkschaftsbund. Ihm folgt der Kollege Boeckler vom, Gewerkschaftsbund
der britischen Zone.
Gustav Schiefer (München): Liebe werte Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste! Ich habe den ehrenvollen Auftrag, Sie im Namen des Bayerischen
Gewerkschaftäbundies und damit im Namen von 828 000 Mitgliedern,
worunter sich 150 000 Jugendliche und dieselbe Anzahl von Kolleginnen
befinden, auf das allerherzlichste zu begrüßen. Wir rechnen es uns im
besonderen zur Ehre an, daß Ihre Organisation ihren Zusammenschluß-
Verbandstag in München abhält. Wir Münchner Kollegen haben nach 1945
alle Kräfte eingesetzt, um die neue Organisation im demokratischen Sinne
aufzubauen und aufgebaut zu sehen. Reden sind genug gewechselt, der Ansprachen
nach meinem Dafürhalten auch. Darf ich den einzigen Wunsch zum
Ausdruck bringen, es möge dieser Ihr Zusammenschluß-Verbandstag im
Rahmen der kommenden großen Organisation unseres deutschen
Vaterlandes jene fundamentale Kraft in sich schließen, die sie in der Vergangenheit
besessen hat. Also zu Ihrer Tagung den allei herzlichsten Gruß und
den allerbesten Verlauf. Möge Ihre Tagung von vollem Erfolg gekrönt sein!
Einen Augenblick noch, Hebe Kollegen. Ich habe ebenfalls den ehrenvollen
Auftrag als ältestes Mitglied des Stadtrates, Sie im Namen des verhinderten
Oberbürgermeisters, des Kollegen Thomas Wimmer, auf das herzlichste in
unserer einst so schönen Stadt willkommen zu heißen. (Beifall.) Die Stadt
München hat es sich von jeher — nicht zu vergessen die Münchener und
bayerische Arbeiterschaft — zur Ehre gemacht, Gäste in ihren Mauern
begrüßen zu können. Wir wissen, daß einst alle ohne Ausnahme gern nach
34
München, nach unserem einstigen Capua gekommen sind. Es hat mich heute
mit einigem Befremden nicht ergötzt, sondern betrübt, daß ich an diesem
Vorstandstisch die Kollegen alle vor Wassergläsern sitzen sehe. Das ist der
Stadt München gar nicht würdig (lebhafter Beifall), wenn auch unser gegenwärtiges
Bier gütemäßig nicht so ausgestattet ist, wie das einst der Fall war.
Unsere alten lieben Kollegen, die Brauer, die das gute Bier einst gemacht
haben, sind ja auch dazu verurteilt, heute da und dort vor Wassergläsern zu
sitzen oder unser gutes Mangfallwasser in anderer Gestalt den Gästen darzubieten.
Liebe Kollegen! Die Stadt München, die einst als die Hauptstadt der Bewegung
galt, im Anschluß daran als die Hauptstadt der Grüß-Gott-Bewegung,
hat sich wiederum aufgerafft und hat im vorigen Jahre einen unserer treuesten
Kamerafien, den Kollegen Thomas Wimmer zum Oberbürgermeister der Stadt
München gewählt. (Bravo!) Unser Kollege Wimmer wird, wenn es ihm die Zeit
einigermaßen gestattet, vor diesen Kollegen erscheinen und persönlich noch
seine Grüße überbringen. Bis das geschehen ist, nehmen Sie mit mir vorlieb
und fühlen sich in unserer auch so lieb gewordenen Stadt München recht wohl.
Wir haben zwar große Trümmerhaufen — nicht nur natürliche, auch unnatürliche
soll es bei uns geben oder noch geben — , aber wir werden wenigstens
versuchen, in gemeinsamer Arbeit diese Trümmerhaufen in Demokratie zu
verwandeln. Vor 40 Jahren hat in München ein Mann ausgesprochen, es wäre
eine Schande, wenn je ein Sozialdemokrat die Schwelle des Rathauses überschreiten
würde. Er hat nicht geahnt, daß 40 Jahre später durch die Kraft der
Schaffenden ein Sozialdemokrat, ein Arbeiter, zum Oberbürgermeister der Stadt
München würde erkoren werden. (Beifall.) Diese Stadt grüßt euch von Herzen,
sie wünscht Ihnen, daß es Ihnen in München gefallen möge und daß Sie den
denkbar besten Eindruck aus dem neuen demokratischen München mit nach
Hause nehmen. (Beifall.)
Vorsitzender: Der Kollege Schiefer hat beanstandet, daß das Präsidium
Wasser trinkt. (Heiterkeit.) Der Herr Kollege Schiefer hat übersehen,
daß wir eine Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten sind, und
dazu gehören nicht nur die Brauer, deren Bier wir trinken, dazu gehört auch
die alkoholfreie Industrie, deren Erzeugnisse wir auch trinken müssen.
Jetzt hat der Kollege Boeckler vom DGB der britischen Zone das Wort.
* Ihm folgt der Kollege Krumm vom Gewerkschaftsbund der französischen Zone.
Dr. h. c. Boeckler (britische Zähe): Werte Kolleginnen und Kollegen,
geschätzte Gäste! Namens des Deutschen GewerkschaflEbundes in der britischen
Zone sage ich hiermit besten Dank für die uns gewordene Einladung, die es
mir ermöglicht, an dieser nicht nur für Sie, sondern für die Gesamtheit der
Gewerkschaften in unserem Lande so überaus wichtigen Tagung teilzunehmen.
Sie haben als einzigen Punkt Ihrer Tagesordnung den Zusammenschluß der
bisher vorhandenen Organisationen zu einem Bund. Sie handelten nach meinem
Dafürhalten sehr weise, wenn Sie so verfuhren. Denn Sie haben die Gewähr,
so wichtige Dinge, wie sie der Lösung harren und wie sie auf einem dem
Zusammenschluß gewidmeten Verbandstag besprochen werden müssen, in
aller Besinnlichkeit erörtern zu können, bevor sich damit ein enges Band
um soundso viele Menschen schlingt. Ich zweifle nicht, daß Ihre Absicht
gelingen wird. Denn Sie sind beseelt von dem starken Willen, zu schaffen,
was die Not der Zeit und des Tages gebietet, nämlich die Zusammenfassung
aller Kräfte, um zu einem Apparat zu kommen, der es den Gewerkschaften und
ihren Mitgliedern gestattet, die großen Aufgaben zu lösen, die der Lösung
harren. Der einzige Tagesordnungspunkt, dem Sie diesen Tag widmen, verdient
die Bezeichnung eines ganz großen Unternehmens deswegen, weil durch gründlichste
Beratungen ein dauerndes und absolut fesies Band Ihres neuen Gebildes
gesichert werden soll Ich bin überzeugt, daß die Tagung die Bildung'
eines Kraftzentrums ermöglicht, von dem aus täglich und stündlich Impulse
3* 35
ins Land gehen, um die Arbeit zu befruchten, die zu leisten draußen die Aufgabe
der einzelnen Mitgliedschaften ist. Dann erst werden Sie eingedenk sein
können der weiteren um vieles noch größeren Aufgaben, die heute der Gewerk- 1
Schaftsbewegung und somit auch Ihrem kommenden Bund gestellt sind.
Wir wollen uns ja nicht mehr begnügen mit dem, was bis jetzt vorzugsweise,
ja fast ausschließlich Aufgabe der Gewerkschaften gewesen ist. Wir sind entschlossen,
eine weitere erhebliche Aufgabe nicht nur in den Kreis unserer
Betrachtungen, sondern in den Kreis unserer Arbeit einzubeziehen. Wir haben
uns nicht mehr und nicht weniger vorgenommenn, als dem arbeitenden
Menschen endlich in der Wirtschaft und in der Gesellschaft zu dem Ansehen
zu verhelfen, zu der Stellung, die jedem arbeitendea Menschen, ja jedem
Menschen ein für allemal gebührt. Wir wollen ihm sein Erstgeburtsrecht sicherstellen,
wir wollen ihn aus einer Abhängigkeit erlösen, in der er nun seit allzulanger
Zeit schmachtet. Wir wollen ihn lösen und erlösen aus der Abhängigkeit
vom Willen derer, die da durch besondere Glücksoimstände, vielleicht auch durch
eine besondere Weite ihres Gewissens, Kapitalbesitzer und Besitzer der Produktionsmittel
sind. Von ihnen abhängig zu sein, daran trägt jeder schaffende
Mensch sein ganzes Leben lang. Generation für Generation vermochte sich
bislang nicht davon freizumachen. Nun soll es geschehen. Denn darüber sind
wir uns wohl alle klar: Was jetzt nicht geschieht, darum werden sich Generationen
wiederum erfolglos bemühen (sehr gut!), wie wir dieses unser ganzes
Leben lang tun mußten. Wir wollen ihn jetzt erlösen, wollen ihm jetzt die
Rechte zurückgeben, ja die Rechte erst geben, auf die er als Mensch Anspruch
hat. Ein ungeheuerliches Beginnen! Darüber sind wir uns alle klar. Es verlangt
nicht weniger als das Überbordwerfen unzähliger alter Grundsätze und
Gebräuche. Es verlangt, um es mit einem einzigen Wort zu sagen, den Neubau
einer ganzen Welt, die anders, die besser sein soll als diejenige, in der wir
jetzt leben. Aber an welche Aufgaben wagten wir uns nicht, an welche Aufgaben
durften wir uns nicht wagen, die wir das Gefühl in der Brust tragen, daß, wenn
uns überhaupt geholfen werden soll, wir selber diejenigen sein müssen, die sich.
gegenseitig helfen? Wir blicken mit aller Zuversicht auf das vor uns liegende
schwere Werk. yfii sind gewiß, unsere Einigkeit, unsere Entschlossenheit wird
uns ans Ziel unserer Wünsche bringen, um so sicherer als wir ein für allemal
von uns sagen dürfen: Uns hilft nicht nur unser Wille, uns hilft vor allen
Dingen die ökonomische Entwicklung, die durchaus in der Linie verläuft,
die wir uns als arbeitende Menschen wünschen. Wir hören es knistern im
Gebälk und wissen zu deuten, was sich da vollzieht, wir sind uns klar darüber,
daß unsere bisher geltende privatkapitalistische Wirtschaftsordnung überlebt
und somit auf dem Aussterbeetat steht. Da mögen sich ihre Verteidiger noch
so wild gebärden, sie mögen noch so sehr quftrumpfen mit dem, was sie sich bislang
als Organisationen geschaffen haben. Sie mögen sich immer und immer
wieder sicher fühlen in der Meinung, die Unterstützung der Besatzungsmächte
wäre ihnen in jedem Falle sicher, wenn es sich darum handelt, das Bestehende zu
erhalten. Sie werden sich täuschen. Ihre Absichten werden scheitern an dein,
was sein muß und was kommen muß und was nicht nur bei uns in unserem
armen Land sein muß und kommen muß, sondern was sich bereits in der ganzen
Welt angebahnt hat, allüberall, in allen anderen Ländern neben dem unserer),
nämlich das starke Begehren, das unablässige Streben nach neuen Ordnungen,
die allen Menschen gestatten, ein Leben zu führen frei von Sorge, frei von
Furcht, frei von Not. Eine solche Zukunft schaffen zu helfen, ist Aufgabe jedes
einzelnen von Ihnen, Aufgabe der Gesamtheit der gewerkschaftlich organisierten
Arbeitnehmer überhaupt. Mut, Zuversicht, gegenseitige Treue und Kameradschaft,
sie verbürgen uns den endlichen Sieg dessen, was wir als notwendig,
was wir als absolut unabdingliches Recht für uns beanspruchen. Deshalb Ihrer
Tagung ein herzliches Glückauf. Sie möge bringen, was Sie alle erhoffen, sie
möge bringen, was Sie brauchen. (Beifall.)
36
Vorsitzender: Das Wort hat jetzt der Kollege Krumm vom Gewerkschaftstiund
der französischen Zone. Ihm folgt Herr Schaumann vom bayrischen
Arbeitsministerium.
Krumm (französische Zone): Meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen, verehrte Anwesende! Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden,
Ihnen zu Ihrem Verschmelzungs-Verbandstag im Namen der Arbeitnehmerschait,
die im Allgemeinen Gewerkschaftsbund Rheinland/Pfalz organisiert
ist, die herzlichsten Glückwünsche und Grüße zu übermitteln. Meine sehr
verehrten Anwesenden! Es würde heißen, Eulen nach Athen tragen, wenn ich
mich nach all diesen vorzüglichen Begrüßungsansprachen noch mehr in die Breite
verlieren würde. Ich will daher nicht die kostbare Zeit, die Sie benötigen, um
all das zu tätigen, was Ihnen vorschwebt, kürzen, sondern ich fühle mich berechtigt
und verpflichtet, meine Ansprache so kurz wie möglich zu halten.
Auf eines möchte ich aber hinweisen: Die Aufgaben, die wir uns als Arbeitnehmeiorganistation
gestellt haben, sind so groß, daß es aller Kräfte bedarf.
Wir alle sind ja diejenigen, die als Spitzenfunktionäre in allen deutschen
Ländern dafür verantwortlich sind. Wenn wir zurückschauen auf die große Entwicklung
der Gewerkschaftsbewegung, wenn wir uns entsinnen, daß trotz aller .
Rückschläge, die uns in den letzten Jahrzehnten getroffen haben, immerhin
unsere Bewegung auf der ganzen Welt immer größer geworden ist, so darf
das ein sicheres Zeichen dafür sein, daß das Ziel von uns erreicht wird.
Ich wünsche daher im Namen des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes Rheinland'\j
Pfalz der Tagung einen guten Verlauf und einer, recht vollen Erfolg.
Vorsitzender : Es spricht jetzt Herr Oberregierungsrat Schaumann vom
Arbeitsministerium. Ihm folgt Frau Günzel für den Verband bayrischer Konsumvereine.
Oberregierungsrat Schaumann (München): Verehrte Anwesende,
hochverehrte Gäste des In- und Auslandes! Das bayrische Arbeitsministerium
hat mich beauftragt, Ihrer Einladung Folge zu leisten und an Ihrer Tagung
teilzunehmen. Ich bin diesem Auftrage gern gefolgt und zwar deshalb, weil
das bayrische Arbeitsministerium die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung
seit dem Jahre 1945 mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Wir waren als Arbeitsministerium
die verflossenen Jahre stets bemüht, die sozialen Spannungen
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgleichend beizulegen. Es ist
selbstverständlich auch unsere Aufgabe, dieses weiterhin zu tun. Aber Ihr
heutiger Gründungsverbandstag, in dem Sie die Vereinigung der Gewerkschaft
Nahrung — Genuß — Gaststätten auf trizionaler Grundlage beschließen werden,
wird nicht dazu beitragen, daß Sie künftighin auf die Mithilfe nicht nur des
bayrischen Arbeitsministeriums, sondern auch der Arbeitsministerien der
anderen Länder werden verzichten können. Voraussetzung wird sein, daß Ihr
Gründungsverbandstag : nicht nur eine Vereinigung aller Arbeitnehmer Ihrer
Organisation darstellt, sondern daß Sie darüber hinaus an Stärke und Schlagkraft
weiterhin zunehmen mögen. Dann sind Sie in der Lage, all Ihre Wünsche,
die heute bereits angedeutet worden sind, in der Zukunft erfüllen zu können.
Nicht nur die Vereinigung über Bayern, über die Zonen hinaus, muß der Wunsch
aller Schaffenden sein, sondern die Vereinigung über die ganze Welt muß in
Zukunft wieder Ihr Ziel sein. Nur damit werden wir in der Lage sein, allen
Gefahren die Stirne zu bieten. In diesem Sinne gestatten Sie mir, Ihnen die
besten Wünsche des bayrischen Arbeitsministeriums für Ihre Tagung zu übermitteln.
Ich hoffe, daß sie von dem erwünschten Erfolg gekrönt sein möge.
(Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht jetzt Frau Günzel für den Verband bayrischer
Konsumvereine. Ihr folgt für die OrtsverwalUmg München unserer Gewerkschaft
der Kollege Stadler.
Günzel (München): Sehr geschätzte Konferenz, liebe Gewerkschaftskollegen
und Freunde! Namens des Verbandes bayrischer Konsumgenossen-
37
Schäften habe ich die Ehre, Sie zu Ihrem neuen Beginnen auf gewerkschaftlicher
Basis auf das herzlichste zu beglückwünschen. Sie beginnen eine neue
Aufbau- und Ausbauarbeit auf breiterer Basis als bisher, auf der Basis der
vereinigten westdeutschen Länder. Wir wissen, daß viele harte, schwere Arbeit
Ihrer harrt und trotzdem möchten wir unseren herzlichen Glückwünschen auch
beifügen die Hoffnung, daß Sie bei all dieser schweren Arbeit nicht vergessen,
daß Sie auch noch die Aufgabe zu erfüllen haben, aus Ihren braven
zielbewußten Gewerkschaftlern ebenso aufgeschlossene und brav mitarbeitende
Genossenschaftler zu machen. (Bedfall.)
Einer meiner Vorredner hat gesagt, es wird kommen, was kommen muß,
eine neue Ordnung auf einer ganz neuen Basis. Jawohl! Und eine der wichtigsten
Voraussetzungen dazu, meine sehr verehrten Anwesenden, ist eine
innigere Zusammenarbeit der Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften als
das bisher der Fall gewesen ist. (Sehr richtig!) Es genügt nicht allein, nur
schöne Worte auszutauschen anläßlich solcher Ereignisse, wie wir sie heute
hier begehen, sondern, meine sehr verehrten Anwesenden, lassen Sie all
diesen herzlichen Worten der Begrüßung und den Glückwünschen draußen im
Alltagsleben die Zusammenarbeit der Tat folgen. Setzen wir fort, was wir
bereits begonnen haben in der gemeinsamen Schaffung einer Hochseefischerei,
dann können wir der Zukunft vollen Glaubens und voller Zuversicht entgegensehen.
Dann wird wahr werden, was viele von Ihnen schon ausgesprochen
haben, daß der Mensch im Mittelpunkt des gewerkschaftlichen Geschehens
stehen wird, der Mensch und der Dienst an ihm und der ganzen menschlichen
Gesellschaft. Zu dieser Ihrer Arbeit den besten Erfolg! Und dazu wünschen
wir eine enge innige und feste Zusammenarbeit zwischen uns, den Konsumgenossenschaften
und der Gewerkschaftsbewegung. (Beifall.)
Vorsitzender: Es folgt der Kollege Stadler für die Ortsverwaltung
unserer Gewerkschaft, München. Als letzter spricht dann der Kollege Schmutz
für unsere alten Veteranen.
Stadler (München): Gewerkschaftsfreunde! Wir Münchener Kollegen haben
zur Zeit die ehrenvolle Aufgabe, Gastgeber unseres Vereinigungs-Verbandstages
zu sein. Aus diesem Grunde entbietet Ihnen die Ortsverwaltung München
die herzlichsten Grüße und Wünsche. Möge Ihnen der Aufenthalt in München
gut gefallen und zu einem Erlebnis werden. Wir werden alles tun, was in
unseren Kräften steht. Ihnen dies zu ermöglichen. Wir wünschen zugleich
Ihren Beratungen auf diesem denkwürdigen Verbandstag den besten Erfolg.
(Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht fetzt der Kollege Schmutz für die alten
Veteranen.
Schmutz: Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste! Ich habe den
ehrenvollen Auftrag, im Namen der alten Kollegen, der Pioniere unserer Gewerkschaft,
unseren herzlichsten Dank für die Einladung zu dieser Veranstaltung
auszusprechen. Wir sind besonders erfreut, an dieser Veranstaltung
teilzunehmen, weil uns alle die gleichen Gefühle der Verbundenheit mit der
Gewerkschaftsbewegung beherrschen, wie sie im Begrüßungsschreiben unseres
lieben Kollegen Backert zum Ausdruck gekommen sind. Wir hätten von Herzen
gewünscht, daß diese Tagung überhaupt ein Verschmelzungsverbandstag für
unsere gesamte Kollegenschaft in ganz Deutschland geworden wäre. Wir, besonders
als alte Kollegen, die schon vor weit über 50 Jahren den Samen der
Organisation, den Samen der sozialistischen Ideologie in Nord und Süd und
Ost und West in die Kreise und in die Herzen unserer Kollegenschaft getragen
haben, uns verbinden nicht nur kollegiale, sondern auch freundschaftliche
Gefühle, die sich im Laufe der Jahrzehnte mit diesen unseren Kollegen in
allen Gauen Deutschlands gebildet haben. Wenn wir uns heute noch nicht
in ganz Deutschland vereinigen können, so hoffen wir doch, daß die Zukunft
diesen Wunsch bald verwirklichen wird. Wir alten Kollegen gedenken heute
38
ei dieser Gelegenheit auch derjenigen, die Opfer des Faschismus geworden sind,
die auf Grund der körperlichen Einwirkung der faschistischen Methoden den
heutigen Tag nicht mehr erlebt haben.
Ich habe auch die Aufgabe, von Kollegen aus den Betrieben im Saarstaat
unserem heutigen Verschmelzungsverbandstag deren Grüße" zu überbringen.
Ich kann Ihnen sagen, daß trotz der zwangsläufigen Trennung unserer Kollegenschaft
im Saarstaat doch das alte Verbundenheitsgefühl noch lebendig • ist.
Leider können wir zur Zeit an dem dortigen Zustand nichts ändern. Aber wir
möchten auch hier den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die Zeit wieder
kommen wird, daß auch unsere Kollegen im Saarstaat mit uns in einer einheitlichen
deutschen Gewerkschaftsbewegung vereinigt werden. Gestatten Sie
mir einige kurze Reminiszenzen historischer Begebenheiten aus unserer Industriegewerkschaft
bzw. den ehemals vorhandenen einzelnen Verbänden. Ich
habe hier das Protokoll des 1. Deutschen Gewerkschaftskongresses vom
Jahre 1892 in Händen. Wir als alte Kollegen haben leider nicht alle nach
dem Zusammenbruch des Hitlerreiches die Möglichkeit gehabt, am Neuaufbau
der Gewerkschaftsbewegung teilzunehmen, nicht nur auf Grund unsereaAlters,
sondern auch auf Grund einer ganzen Anzahl weiterer Hemmnisse, auf aie ich
hier nicht eingehen möchte. Aber, Kolleginnen und Kollegen, dafür haben
•wir alten Kollegen schon zum Teil am Neuaufbau der deutschen Gewerkschaftsbewegung
nach dem Fall des Sozialistengesetzes mitgearbeitet. Die Voraussetzungen
und die Grundlagen waren nach dem Fall des Sozialistengesetzes
aber doch ganz andere als im Jahre 1945, trotz all der üblen und unangenehmen
Begleiterscheinungen des Zusammenbruchs der Verbrechergesellschaft. Auf
dieser Tagung des 1. Deutschen Gewerkschaftskongresses im Jahre 1892 waren
die heute hier vertretenen Industriearbeiter vertreten mit Gastwirtsangestellten
1160, der Verband der Brauereiarbeiter war vertreten mit 1300 Mitgliedern, der
Mühlenarbeiterverband mit 2000, der Schlachterverband mit 700, der Bäckerverband
mit 500 Mitgliedern. Nur die Tabakarbeiter hatten schon eine historische
Vergangenheit. Sie waren auf dem Kongreß mit 14 825 Kollegen vertreten,
d. h. der Verband der Tabakarbeiter hatte in ganz Deutschland zu jener Zeit
14 825 Mitglieder, so daß im Jahre 1892 all die Industriearbeiter, die heute
hier vertreten sind, im ganzen nur 21 095 Mitglieder zu verzeichnen hatten.
Ich hebe dies hervor, um euch, Kollegen, zu beweisen, welch ungeheure
Arbeit von dem Zeitpunkt an, nachdem es uns nach dem Fall des Sozialistengesetzes
wieder möglich wurde, die Gewerkschaften wieder aufzubauen, zu
leisten war. Nun war es natürlich nicht so, daß wir irgendwelche Hilfe von
Kreisen außerhalb von uns zu erwarten hatten, im Gegenteil, das Sozialistengesetz
war wohl aufgehoben, aber die Methoden, wie sie während der Zeit
des Bestehens des Sozialistengesetzes angewandt wurden, gingen weiter. Ich
kann nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber wir wissen aus Erfahrung,
daß wir noch mit den Hunden aus den Betrieben gehetzt wurden. Wir hatten
keinen Rechtsboden, wir hatten wohl den § 192 der Gewerbeordung, der die
Koalition, die Vereinigung der Arbeiter nicht mehr unter Strafe stellte. Aber
wenn wir von der Kraft der Organisation Gebrauch machten, dann kamen
wir mit dem § 193 der Gewerbeordnung in Konflikt. Obwohl dieser Paragraph
für alle deutschen Bürger in Geltung war, hat man ihn nur gegen uns als
Arbeiter angewandt. Wir hatten zu dieser Zeit zu kämpfen gegen eine Welt
voller Feinde. Es waren nicht nur die Unternehmer, mit denen wir die Klinge
zu kreuzen hatten, es waren auch die Behörden, es war die ganze Einrichtung
der Staatsgewalt einschließlich der Justiz, einschließlich aller Kräfte, die uns
nicht nur bei jeder Gelegenheit bekämpften, sondern die auch den Unternehmern
in jeder Hinsicht Hilfsdienste leisteten, um die Mitglieder der Gewerkschaftsbewegung
bei ihren Arbeitgebern anzuschwärzen. Schwarze Listen hatten
ihre sehr unangenehme Wirksamkeit für viele unserer Kollegen.
In dem Protokoll des Gewerkschaftskongresses vom Jahre 1892 kommt schon
39.
zum Ausdruck, wie wir, die hier vertretenen Berufsgruppen, die Hilfe der
übrigen Arbeiterschaft angerufen hatten. Es war ein Antrag eingebracht worden
von unseren auf diesem Kongreß anwesenden Vertretern, auf Hilfeleistung
seitens der übrigen Arbeiterschaft für die in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie
und in den Gaststätten beschäftigten Arbeiter mit dem Hinweis
darauf, daß es dort noch üblich sei, Löhne von 3,— Mark die Woche mit einer
täglichen Arbeitszeit von 16 bis 20 Stunden zu zahlen. Dieser Antrag wurde auf
dem Kongreß einstimmig angenommen, ein Beweis, wie sich dieser 1. Gewerkschaftskongreß
auf den Boden der Solidarität gestellt hatte. Was in dieser
Zeit bis heute an Solidarität, an Opfer seitens der gesamten Arbeiterschaft
für uns, für unsere Kollegen in den von unserem Verband vertretenen Industrien
geleistet wurde, das kann nur der ermessen, der es miterlebte. Aber
der Gedanke, der mit dieser Entschließung zum Ausdruck kommt, ist sozialistisch,
der Gedanke nämlich, daß der Starke verpllichtet ist, dem Schwachen
zu helfen. Dieser Gedanke ist nicht nur sozialistisch, er ist auch christlich,
so daß man sich gemeinsam auf diese Grundlage stellen kann. Wir müssen
fiber erkennen, daß, wenn man von seinen Mitmenschen Solidarität verlangt,
Solidarität, Hilfe in Anspruch nimmt, wenn man verlangt, daß der Starke
dem Schwachen hilft, daß man sich dann auch selbst auf diesen Boden stellt.
Von diesem Gesichtspunkt müssen wir uns auch heute bestimmen lassen. Wir
müssen uns von dem Gedanken tragen lassen, daß es notwendig ist, unseren
Einzelwillen zu einem Gesamtwillen zusammenzufassen. Nur so ist es möglich,
daß wir in die Lage kommen, unseren Gegnern eine geschlossene Kraft entgegenzusetzen.
Kolleginnen und Kollegen! Wir alten Kollegen wünschen, daß ihr heute
Beschlüsse faßt, die ihr vor eurem Gewissen, vor der Kollegenschaft, vor der
gesamten Arbeiterschaft und vor der Geschichte verantworten könnt. In diesem
Sinne, Kolleginnen und Kollegen, Glück auf zur fruchtbaren Arbeit.
Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zunächst noch ein
Telegramm zu verlesen:
Industriegewerkschaft Nahrung und Gaststätten, München. Zum Gewerkschaftstag
und der Verschmelzung der drei Westzonen wünscht die
Ortsgruppe Mainz den besten Erfolg.
Ich möchte abschließend zu den ganzen Begrüßungsansprachen ein kurzes
Wort sagen. Zunächst habe ich dem Kollegen Kollmeier im Namen der Alten,
der Veteranen zu danken, daß er uns, den Verbandsvorsitzenden bei der Einleitung
und Durchführung unserer heutigen Tagung wertvolle Dienste geleistet
hat. Es hat enorme Arbeit gekostet. Wenn ich könnte, dann würde ich jedem
einzelnen, der gesprochen hat, persönlich sehr herzliche Worte sagen. Die
Wünsche sind so vielseitig, daß ich dazu nicht die Zeit habe. Aber Sie dürfen
alle überzeugt sein, meine Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen:
Das, was ich als Antwort im Namen des Verbandstages darauf zu geben vermag,
das ist das, was die Jugend uns immer sagt: Freundschaft! (Beifall.)
Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Wir müssen gleich nach der
Mittagspause die Geschäftsordnung beschließen. Zur Tagesordnung sowohl wie
zur Geschäftsordnung liegt ein Antrag vor. Darauf komme ich nach der
Mittagspause zu sprechen. Bleiben Sie biue aul atn Plätzen. Das Mittagessen
wird auf den Plätzen serviert, wo Sie sitzen. Ich bitte, Ihre Akten zusammenzupacken.
Die Sitzung ist vertagt. (Die Beratungen werden um 13.30 Uhr zur
Mittagspause unterbrochen.)
Die Beratungen werden um 14.43 Uhr unter dem Vorsitz von Wilhelm Weber,
Hannover, wiederaufgenommen.
Vorsitzender: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Für die fremdsprachigen
Kollegen haben wir Vorsorge getroffen, daß ihnen das, was heute
morgen und in den folgenden Tagen in deutscher Sprache an großen wirtschaftlichen
und internationalen Problemen besprochen wird, auszugsweise in
40
ihre Sprache übersetzt wird, damit sie in der Lage sind, zu Hause ihren Verbänden
zu berichten. Ich glaube, wir haben damit das getan, was von ihnen
angeregt wurde und ihren Wünschen entspricht.
Dann möchte ich bekanntgeben, daß heute morgen insofern eine Panne
passiert ist, als die Jugend nicht gewußt hat, daß die Alten besonders zu Wort
kommen. Die Jugend hat, weil sie auch als Gast besonders von uns eingeladen
ist, den Wunsch, einige Worte an uns zu richten. Ich habe den Jugendleitern
bereits gesagt: Nachdem die Alten Reminiszenzen ausgekramt haben,
kann jetzt die Jugend auch sagen, was sie für die Folgezeit wünscht. Bitte,
Kollege Gemsberger, München.
Gemsberger (München): Kolleginnen und Kollegen! Wäre ich vorhin
im Reigen der Redner, die sich hier gemeldet haben, zu Wort gekommen, ich
würde mit anderen Worten begonnen haben als im Augenblick. Ich hätte
gesagt, die Jugend muß das letzte Wort haben. Nachdem wir nun hier als
erste auftreten, kann ich doch immerhin dieses Wort umdrehen und sagen:
Die Jugend muß das erste und letzte Wort haben. (Bravo.) Kolleginnen und
Kollegen, ohne Überheblichkeit: Wenn wir uns trotzdem zum Wort gemeldet
haben, so deshalb, weil unsere alten Kollegen, die hier heute beisammen sind,
um die Zukunft zu beraten, nicht übersehen können, was die Zukunft wirklich
zu gestalten hat, nämlich die Jugend. Und wenn wir euch bitten im Namen
der jugendlichen Gastdelegierten, die Probleme, die euch vor Augen schweben
und die ihr zu verwirklichen habt, im Sinne derer zu regeln, die einmal die Geschicke
der Gewerkschaftsbewegung übernehmen sollen, so tun wir das mit
der Hoffnung und Zuversicht, daß wir- bereit sind, diejenigen Funktionen zu
übernehmen, die ihr uns in den zukünftigen gewerkschaftlichen Organisationen
einzuräumen bereit sekl Wir tun es darüber hinaus in der vollen Zuversicht,
daß wir dann diejenigen sein werden, die die Geschicke der Arbeiterbewegung
weiterhin gestalten helfen.
Kolleginnen und Kollegen! Darf ich in diesem Sinne die Bitte an euch
richten, bei allen Beratungen, die ihr nun vor euch habt, nie übersehen zu
wollen, daß die Jugend euren Beratungen mit besonderer Aufmerksamkeit
folgen wird. Die Jugend wird vor allen Dingen diejenigen Positionen, die sie
als Anträge an den Bundestag eingereicht hat, durch die älteren Kollegen
besonders gewahrt sehen wollen. Sie wird vermutlich auch mit Spannung darauf
warten, was der zukünftige Hauptvorstand im Sinne der Gewerkschaftsjugend
tut. Wenn ich darauf hinweisen darf, ohne eigentlich eine geschichtliche
Tatsache hier aufzuzeigen: Das Verhältnis zwischen Gewerkschaft und Jugend
bestimmt nicht die Jugend, sondern das bestimmen wir und ihr zusammen.
Ihr werdet mit euren zukünftigen Beratungen das Verhältnis zur Jugend bestimmen.
Wenn dem so ist, dann müßt ihr euch der Tragweite dessen bewußt
sein, was ihr in den kommenden Tagen wollt. Laßt diejenigen Jugendlichen,
die außerhalb unseres Verbandes stehen, nicht deshalb draußen stehen, weil
ihr engherzig seid, sondern ruft sie zu uns und seid weitherzig im Sinne derer,
die nun einmal in der Zukunft die Geschicke der Gewerkschaftsbewegung gestalten
sollen.
Ich danke euch für die Gelegenheit, diese Worte hier sprechen zu können
und bitte nun alle Delegierten, im Sinne dieser Auffassung zu sprechen und
zu handeln. Dem Verbandstag wünsche ich ein gutes Gelingen und Glück auf
im Namen derer, die bereit sind, die zukünftigen Positionen in der Gewerkschaftsbewegung
aufzunehmen. (Beifall.)
Vorsitzender : Wer einmal sündigt, muß fortlaufend sündigen. Nachdem
wir der Jugend eben das Wort gegeben haben, haben die Frauen mit Recht
gesagt, jetzt wollen wir auch etwas sagen. Nun bitte ich die Kollegin Bade
aus Cuxhaven das Wort zu nehmen für die Frauen.
Frau Bade (Cuxhaven^ Vor allen Dingen möchte ich herzlichst der
Leitung dieser Tagung danken, daß sie uns die Gelegenheit gegeben hat,
41
an dieser Tagung teilzunehmen, damit wir daraus vor allen Dingen für unsere
Betriebe recht viel lernen und recht viel Material mit nach Hause nehmenkönnen,
um unseren Kolleginnen in den Betrieben wichtige Einzelheiten dieser
Tagung zu erzählen. Vor allen Dingen möchte ich den ausländischen Gästen
gegenüber den Wunsch äußern: Grüßen Sie die Kolleginnen in Ihrer Heimat
von uns. Es ist unser größter Wunsch, recht bald mit den Kollegen des Auslandes
und Inlandes in engere Beziehung und in einen engeren Zusammenhang
zu kommen, um Gedanken auszutauschen.
Es wurde mir von unserem Bezirksleiter versichert, daß wir jetzt eine
eigene Zeitung bekommen und daß in ihr auch ein Piatz für die Frau freigelassen
wird. Ich hoffe, daß es uns dadurch möglich sein wird, unsere Gedanken
zum Ausdruck zu bringen zum Vorteil unserer Organisation. Den
Frauen ist es heute in den Betrieben, hauptsächlich in unseren Betrieben
in der Fischindustrie, sehr schwer gemacht. Es herrscht, heute unter den
Unternehmern und unter den Gegenparteien die Tendenz, die Frauen mit aller
Gewalt von der Gewerkschaft fernzuhalten, weil sie genau wissen, je stärker
unsere Einigkeit ist, je mehr und je fester wir zusammenhalten,'desto mehr geht
ihre Macht zu Ende. Darum wollen sie mit allen Mitteln verhindern, daß wir
uns eng zusammenschließen. Dem müssen wir unter allen Umständen entgegentreten
und müssen darauf achten, daß wir immer mehr in den Betrieben
werben, in denen das möglich ist, und daß immer mehr Betriebsrätinnen in
die Betriebe hineinkommen, wo sie mit unseren männlichen Kollegen zusammenarbeiten,
damit die Unternehmer umsonst gegen unsere geschlossene Einheit
anrennen. (Beifall.)
Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Ein ernstes Wort in Sachen
der Frauenfrage! In Deutschland kommen auf 100 Männer 160 Frauen. Das
bedeutet praktisch ... (Zuruf: Das merkt man hier nicht!) Das ist eine zweite
Frage. Daran sind die Landesleiter und Bezirksleiter mit schuld, wenn hier nicht
mehr Frauen sind. (Sehr richtig,!) Aber entscheidend ist für mich: Die Frau
wird eine ernste Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für den Mann. Deshalb
haben wir Verbandsfunktionäre uns ganz besonders der Frauenprobleme anzunehmen
und uns diesen Problemen auch zu widmen. Der Kollegin Bade möchte
ich sagen, sie möchte auf alle ihre Kolleginnen einwirken, daß die Frauen von
sich aus mehr sich auf diese Arbeit einstellen. Alle Funktionäre, die Bezirksleiter,
die Landesleiter, die Betriebsräte wissen: Wenn sie eine Frau zur Mitarbeit
haben wollen, ist sie nicht zu haben; aber wenn es ins Kino geht, sind
sie da. Darum muß etwas Positives nach der Richtung hin geschaffen werden.
Das möchte ich mit einschalten bei der Frage der Frauen.
Dann eine geschäftsordnungsmäßige Bekanntgabe. Die Mandatsprüfungskommission
beginnt jetzt mit ihrer Arbeit. Die drei Kollegen, die sich noch
nicht kennen, treffen sich hinten an der Türe. Dann beginnen sie mit dem
Einsammeln der Mitgliedsbücher. Die gewählten Delegierten geben nur ihr
Mitgliedsbuch ab, zeigen aber ihre Mandatskarte vor, um daraus sehen zu
können, daß sie auch als Delegierte gewählt sind Die Gastdelegierten müssen
beides abgeben, sowohl Mitgliedsbuch wie Mitgliedskarten, damit die Mandatsprüfungskommission
feststellen kann: Wer ist Gastdelegierter und wer ist aktiver
Delegierter. Das bitte ich zu beachten. Ich glaube, das ist verstanden worden.
Halten Sie also Ihr Mitgliedsbuch bereit, damit die Mandatsprüfungskommission
mit ihrer Arbeit anfangen kann.
Treuheit (Wuppertal): Zur Geschäftsordnung! Ich hätte nur eine Anfrage
zu stellen. Sie haben heute morgen die Begrüßungsreden unserer in- und ausländischen
Bruderorganisationsvertreter gehört. Ich vermisse da eines, und zwar
einen Vertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes aus der Ostzone.
Ich stelle die Anfrage, ob er eine Einladung bekommen hat.
Vorsitzender: Nein, er hat keine Einladung bekommen.
Wir kommen nun zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung unserer Tages-
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Ordnung. Dazu ist zunächst erforderlich, daß wir die Ihnen vorgelegte Tagesordnung,
die Sie in der Mappe vorliegen finden, genehmigen. Zu dieser Tagesordnung
hat der Kollege Dormagen eine Anfrage gestellt. Ich bitte sie zu
begründen.
. Dormagen (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Daß ich zum zweiten Male
das Wort erhalte, ist auf dumme Umstände zurückzuführen, und zwar deshalb,
weil der Kollege aus Bayern, der die Begrüßungsansprache hielt, nicht den
Vorschriften entsprechend vorgegangen ist. Er hätte das Präsidium wählen
lassen müssen diurch die Delegierten, und das Präsidium hätte dann erst zur
Mandatsprüfungs- und Pressekommission Stellung nehmen müssen. Ich bitte,
diese meine Bemerkung nicht als vorlaut zu betrachten. Der Kollege Weber
hat mich verstanden und mir darum zum zweiten Male das Wort gegeben.
Bevor ich aber auf diesen meinen Antrag eingehen will, habe ich eine Bitte
an den Geschäftsfühxenden Vorstand dahingehend, und zwar unterschrieben von
11 Kollegen — und ich glaube, daß ich auch im Sinne der Delegierten spreche —,
uns den von dem Kollegen zur Einleitung vorgetragenen Prolog im Druck
zugehen zu lassen.
Vorsitzender: Darüber werden wir uns unterhalten.
Dormagen (Köln): Zur Geschäftsordnung selbst hatte ich vorgeschlagen,
daß es immer gang und gäbe war auf den Verbandstagen, die Statutenberatungskommission
von den Delegierten wählen zu lassen. Auf Grund der zahlreichen
Abänderungsanträge, die eingegangen sind, war es richtig, daß der Geschäftsführende
Vorstand von sich aus bestimmt hat, daß ein Arbeitsausschuß im voraus
die Satzungsänderungen beraten und auf einen Nenner gebracht hat. In Anerkennung
des Punktes 5 der Tagesordnung ist es richtig', wenn wir als Delegierte
dann en bloc die bisherigen Mitglieder des Arbeitsausschusses für Statutfragen
ohne Wahl bestätigen. Damit hat dann dieser Ausschuß das Recht und die
Pflicht, durch seinen Vorsitzenden uns zu Punkt 5 die Zusammenfassung der
Anträge vorbringen zu können. Mein Antrag geht also dahin, die Wahl der
Statutenberatungskommission auf dem Verbandstag vornehmen zu wollen.
Vorsitzender: Zur Unterrichtung der Antragsteller folgendes: Die Verbandsleitungen
der sieben Landesgewerkschaften in den westlichen Zonen haben
zur Vorbereitung der Statuten für diesen Verbandstag einen Arbeitsausschuß
eingesetzt in folgender Besetzung:
Ehrenamtliche Kollegen:
Georg Eimer, Nürnberg
Alfred Herrmann, Heilbronn
Hanni Mohr, Koblenz-Metternich
Else Schröder, Dortmund
Die Landesleiter:
Georg Fiederl, München
Remppel, Stuttgart
Basting, Mainz
Weber, Freiburg
Wörner, Schwenningen
Richard Heimberg, Hannover
Karl Lenderoth, Kassel
Eduard Reichenbach.
Dozier, Düsseldorf
Weber, Hannover
Maack, Lübeck
Wiegand, Frankfurt.
Von der Hauptverwaltung der britischen Zone Kollege Pufal, Hamburg, und
Warnecke, Hamburg.
Dieser Arbeitsausschuß hat einen Berichterstatter benannt, der über die
Arbeit der Statutenberatungskommission des Arbeitsausschusses berichten soll.
Nun wünscht der Kollege Dormagen, daß dieser Ausschuß vom Verbandstag
bestätigt wird. Wir haben es als selbstverständlich angesehen, daß wir den
Verbandstag vorbereiten durch einen Arbeitsausschuß, der alle Probleme vorher
durchbesprochen hat. Ich glaube, wir können darüber ohne weitere Erörterung
43
abstimmen. Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, die Stimmrecht haben und
d)ie dafür stimmen wollen, daß dieser Arbeitsausschuß vom Verbandstag genehmigt
wird, ihre Stimmkarte zur Hand zu nehmen und sie hochzuhalten. —
Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen!
Damit ist die Tagesordnung genehmigt. Wir kommen dann zur Geschäftsordnung.
Zur Geschäftsordnung liegt ein Antrag von 26 bayrischen Kollegen vor.
Nätscher (Nürnberg): Gewerkschaftskollegen! Sie hörten eben von
meinem Kollegen Weber, daß zur Geschäftsordnung ein Antrag vorliegt. Gestatten
Sie mir einige wenige Worte dazu zu sagen. Ich hoffe, daß Sie überzeugt sind,
daß der Antrag in Ordnung geht und auch Ihre Zustimmung finden kann. Wir
sind hier zusammen, um die Vereinigung der bis jetzt bestehenden Gewerkschaften
unserer Industriegruppe zu einem machtvollen Verband zu bewerkstelligen.
Diese Vereinigung ist nicht nur eine organisatorische Aufgabe, sie hat
auch symbolische Bedeutung. Denn wir sind dabei, die solange gehaßten und
verhaßten Zonengrenzen endlich gründlich zu beseitigen. Wir sollten nicht den
Fehler machen, schon auf dem Wege zum Standesamt, um das einmal bildlich
zu sagen, wieder von Zonen sprechen. Dies geschieht in der Ihnen vorliegenden
Geschäftsordnung im Abs. VI Ziffer 2. Dort wird vorgesehen, daß für den Fall,
daß aus dem Verbandstag selbst Anträge gestellt werden — diese Fälle sind im
allgemeinen nicht sehr zahlreich —, 25 Delegierte dafür stimmen müssen, und
zwar zusammengesetzt aus 10 Delegierten der amerikanischen und britischen
Zone und fünf der französischen Zone. Wir sagen also in dieser Bestimmung
das, was wir ja einmal gründlich beseitigen wollen.
Nun geht der Antrag der bayrischen Kollegen dahin, bestimmen zu wolleni
daß dieser Absatz geändert wird und den Wortlaut bekommt, daß Anträge, die
auf dem Verbandstag selbst gestellt werden, die Zustimmung von wenigstens
25 Delegierten benötigen. Und damit aus! Wir wollen nichts mehr von Zonen
wissen. Sicherlich ist dieser Antrag also wohlbegründet. Es geht hier nicht
um bayrische Belange. Es geht hier einfach um die Formel, daß das Zweckbestimmte
Zustandekommen der Arbeitskollegen von Nord, von Süd und von
West jede Unterscheidung und jede Abgrenzung in Zonen aufhebt. Schließlich
entscheidet in jedem Falle die Mehrheit des Verbandstages auch für aus dem
Verbandstage heraus kommende Anträge. Unsere Tagung ist eine Demonstration
für den unbeirrten Willen, über alle Zonengrenzen hinweg unseren Arbeitsbrüdern
und -Schwestern die Hand zu reichen. Wir können diesen Willen nicht
deutlicher unterstreichen als mit der einstimmigen Annahme dieses Antrages.
Und darum bitten wir Sie. (Beifall.)
Vorsitzender: Kollegen, ich glaube, wir können diesem Antrag vollinhaltlich
zustimmen. Er bringt ja praktisch keine Änderung. Nur ist es nicht
mehr erforderlich, daß ein Kollege aus der französischen zur britischen, amerikanischen
Zone läuft und sich hier unter den Delegierten Unterschriften holt,
sondern wir sagen: Wir sind eine Einheit von Delegierten, wenn 25 unterschreiben,
ist der Antrag zulässig.
Wortmeldungen höre ich nicht. Ich bitte die Kollegen, die dafür stimmen
wollen, ihre Delegiertenkarte zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Die Geschäftsordnung ist damit so geändert.
Krautter (Hannover): Kollege Weber, zur Geschäftsordnung! Du sagtest
vor wenigen Minuten, daß die Tagesordnung angenommen worden ist. Dem ist
aber nicht so. Du hast lediglich abstimmen lassen über den § 5 bzw. über den
Bunkt 5, „Beratung und Beschlußfassung über die Satzung der neuen Industriegewerkschaft
Nahrung — Genuß — Gaststätten" und die Mandatsprüfungskommission.
Du hast aber nicht darüber abstimmen lassen, daß die Tages-
Ordnung genehmigt ist. Ich wollte zu dieser Tagesordnung noch einen Antrag
stellen als einen neuen Punkt der Tagesordnung: Der Verbandstag hat festzusetzen,
wo der in drei Jahren stattzufindende Verbandstag stattfinden soll.
44
Vorsitzender: Dieser Antrag ist zugehörig zum Antrag Statutenberatung
und gehört nicht als besonderer Punkt in die Tagesordnung. Diese Frage wird
bei der Statutenberatung mitbehandelt.
Krautter (Hannover): Ich kann keinen Antrag in dieser Sache stellen,
weil ich nicht Mitglied der Statutenberatungskommission bin.
Vorsitzender: Ich glaube, jeder Delegierte, der 25 Unterschriften hat,
kann zu einem Statutenentwurf einen Antrag stellen, und ihr habt ja einen
Abänderungsantrag. Es ist also möglich, daß ihr einen Antrag stellt, wenn wir
über den betreffenden Paragraphen unseres Entwurfes uns unterhalten. Der
Zusatz kann lauten: Der Verbandstag hat mindestens dann und dann und dort
und dort stattzufinden. Aber es ist ein besonderer Punkt. Auf die heutige
Tagesordnung gehört er nicht. Er gehört zur Satzung.
Krautter (Hannover): Es ist ein Antrag, den ich gestellt habe.
Vorsitzender: Der Kollege Krautter besteht auf seinem Antrag. Ich
habe meine Meinung gesagt. Der Vorschlag Krautters geht darauf hinaus, daß
der Verbandstag als besonderen Punkt der Tagesordnung aufnimmt, wo der
nächste Verbandstag stattfinden soll. Das ist ein rein geschäftsordnungsmäßiger
Antrag.
Krautter hat dafür gesprochen. Es kann einer dagegen sprechen.
Puf al (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! So gut wie der Antrag des
Kollegen gemeint ist, so glaube ich, müßten wir ihn trotzdem ablehnen, und zwar
aus folgender Erwägung heraus. Wir können hier unmöglich festsetzen, wo nach
drei oder zwei Jahren der nächste Verbandstag stattfinden soll. Wenn wir
zum Beispiel sagen, der nächste Verbandstag soll meinetwegen in Düsseldorf
oder in einer anderen Stadt stattfinden, vielleicht werfen uns die Kollegen dort
heraus. Sie wollen uns gar nicht haben, weil der Verbandstag sehr viel Geld
kostet und ihre finanziellen Rücklagen gar nicht so geklärt sind. Wenn die
Dinge in den nächsten Jahren in Deutschland so bleiben werden, wie sie jetzt
sind, wird der kommende Verbandsvorstand beschließen müssen, wo wir den
Verbandstag halten wollen. Es ist früher vielleicht einmal möglich gewesen, und
es haben auch früher auf den Verbandstagen Kollegen aus irgendeinem Ort
beantragt, daß der Verbandstag nach drei Jahren in ihrer Ortsgruppe stattfinden
soll. Wlir können aber heute als Delegierte keiner Ortsgruppe eine Arbeit aufoktroyieren,
die sie nicht haben will. Deshalb bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Vorsitzender: Zur Abstimmung! Ich bitte diejenigen Delegierten, die
für Krautter stimmen wollen, ihre Karte zu erheben. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist die Tagesordnung genehmigt. Das stelle ich fest. Ferner ist die
Geschäftsordnung durch einen Abänderungsantrag geändert. Wortmeldungen zur
Geschäftsordnung! (Zuruf Packzis, Duisburg.) Nachdem wir die Geschäftsordnung
beschlossen haben, werden nur Wortmeldungen erteilt, wenn sie schrift-
• lich vorliegen.
Packzis (Duisburg): Die Geschäftsordnung ist schon beschlossen, wenn ich
zur Geschäftsordnung spreche! Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich auf dem
Wege nach hier nicht der Meinung war, daß wir zu allen den Problemen im
einzelnen Stellung nehmen, so bin ich jetzt durch die Geschäftsführung und vor
allen Dingen durch die Begrüßungsansprachen der in- und ausländischen Kollegen
eines anderen belehrt worden. Ich habe festgestellt, daß die Methoden
des Tausendjährigen Reiches in den Gehirnen bis weit in unsere Kreise hinein
derart Wurzel geschagen haben (Hört, hört!), daß sie bereits in uns Fuß gefaßt
haben. (Unruhe.) Man versucht nicht (Glocke des Vorsitzenden), die Mittel und
die demokratischen Methoden anzuwenden . . .
Vorsitzender: Wenn die Glocke erklingt, hast du einen Augenblick still
zu sein. Das gilt für jeden Delegierten. Wenn du zur Geschäftsordnung sprichst,
mußt du bloß sagen, was du willst.
4&
P a c k z i s (Duisburg): Ich will zur Geschäftsordnung sprechen und es begründen.
Vorsitzender: Ich muß aus dem Antrag erst ersehen, ob er zur Geschäftsordnung
ist oder nicht. Bitte, sage was du willst.
Packzis (Duisburg): Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Punkt IV, der
uns eine Redezeit von 10 Minuten aufoktroyiert, nicht dazu angetan ist, alle die
Probleme, die, wie ich vorhin schon sagte, angesichts der ganzen Reihe von
Begrüßungsansprachen aufgetaucht sind, in ihrem gesamten Umfang zu behandeln.
Der Kollege Weber unterbindet mir auf das entschiedenste, näher Stellung
zu nehmen. Ich beantrage, daß die Redezeit unbeschränkt für jeden Delegierten
. . . (Heiterkeit, Glocke des Vorsitzenden.) Wir alle sind Funktionäre, und
wir wissen, was notwendig ist. Wir sind nicht gewillt, Stunden zu reden, aber
jeder von uns dst sich klar darüber, daß in zehn Minuten nicht einmal annähernd
das gesagt werden kann, was jeder einzelne Kollege sagen will. (Unruhe.)
Vorsitzender: Ich darf folgendes dazu sagen, Kollege Packzis. Ich
mußte vorher den Antrag kennen. Ich habe dich nidht daran gehindert, zur
Begründung deines Antrages noch etwas zu sagen. Das steht dir frei. Ist die
Sache damit erledigt?
Packzis (Duisburg): Kollegen! Ich sagte vorhin schon, es berührt uns eigenartig
und freudig zugleich, daß von allen Richtungen Begrüßungsansprachen
gehalten werden. Auf Grund der Erfahrungen der Arbeiterbewegung in Deutschland
ist es ja notwendig, daß wir nicht nur auf nationaler Basis, sondern auch
euf internationaler Basis Dinge erörtern, die in unser aller Interesse liegen, die
aber manchem von uns nicht angenehm um die Ohren klingen. Das wollen wir
ein für allemal voranstellen.
Vorhin hat ein Kollege hier die geschäftsordnungsmäßige Anfrage gestellt, wo
die Einladungen aus der Ostzone geblieben sind. Bei dem Prolog, den wir eingangs
unserer Tagung hörten und der sehr zu begrüßen war, vermißte ich den
Ausdruck Ost. Es hieß aus Nord, Süd und West. Nun, Kollegen, ich habe in
der Schule gelernt, daß zu den Himmelsrichtungen auch der Osten gehört, wo
bekanntlich die Sonne aufgeht. (Heiterkeit.) Man mag stehen, wo man will,
aber ich möchte euch hier eines zurufen: Wo bleibt denn die bekannte demokratische
Toleranz? (Anhaltende Unruhe. Zuruf: Wo bleibt sie in der Ostzone?)
Wir sprechen jetzt nicht von der Ostzone (Zuruf: Doch!), wir sprechen von den
Tatsachen, daß man hier über etwas urteilt, daß man über Dinge hinweggeht.
Ihr wißt nicht, ob ich für oder gegen die Ostzone Stellung nehmen will. Ich
moniere nur, daß die Ostzone nicht eingeladen ist. Denn vom nationalen Standpunkt
eines deutschen Arbeiters ....
Vorsitzender: Du hast eben gesprochen um Verlängerung der Redezeit.
Jetzt kannst du nicht über die Ostzone sprechen. Das sind zwei ganz verschiedene
Dinge.
Packzis (Duisburg): Ich spreche nicht über die Ostzone, sondern ich begründe,
warum ich vorn nationalen Standpunkt des deutschen Arbeiters aus der
Ansicht bin, daß auch die Arbeiterschaft der Ostzone dazu gehört. Zum mindesten
stehe ich auf dem Standpunkt, daß sie wenigstens hätte eingeladen werden
müssen, aus Toleranzgründen wenigstens.
Wenn ich noch eines zur Begründung sagen soll, so das: Die Schilderung des
Kollegen aus Amerika hat uns ungeheuer zu denken gegeben. Er hat eine solche
Fülle von Zahlenmaterial gebracht und hat die Gefahr des Faschismus so klar
und deutlich aufgezeigt, daß wir doch darüber im Bilde sein müssen: Hier sind
zwei Kräfte im Spiel, Ost gegen West. Hier wird unter der Geschäftsführung
unseres Verbandstages offen Stellung genommen für West, und die Ostzone
wird nicht gehört. Sie wird auch gar nicht eingeladen. Dagegen wende ich
mich in erster Linie, ferner dagegen, daß wir nicht mehr als zehn Minuten zu
Dingen sprechen dürfen, die von internationaler Bedeutung sind. Ich bin als
46
Mensch jederzeit bereit, mit jedem über Ost und West zu diskutieren, aber ich
bin nicht gewillt, mir von Ost oder West — das betone ich ausdrücklich — etwas
aufoktroyieren zu lassen, was weder demokratisch noch sozialistisch ist.
Vorsitzender: Ein geschäftsordnungEinäßiger Antrag! Ein Kollege hat
dafür gesprochen. Wünscht noch jemand dagegen zu sprechen? Ich glaube, es
erübrigt sich. Dann kommen wir zur Entscheidung. Ich bitte die Kolleginnen
und Kollegen, die für den Antrag des Kollegen aus Duisburg auf unbeschränkte
Redezeit stimmen, die Karte zu erheben. — Gegen 11 Stimmen abgelehnt, nein,
gegen 12. Machen wir das Dutzend voll.
Damit ist die Geschäftsordnung mit dem Abänderungsantrag, wonach die
Anträge während eines Gewerkschaftstages von 25 Delegierten unterzeichnet
sein müssen, gleichgültig aus welchem Lande oder aus welcher Zone, genehmigt.
Ich stelle das fest. Damit wäien von der Tagesordnung erledigt die Punkte 1, 2.
Ich komme jetzt zu Punkt 3: Berichterstattung des gemeinsamen Arbeitsausschusses
für die Trizone. Der Arbeitsausschuß hat den Kollegen Pufal (Hamburg)
beauftragt, den Bericht zu erstatten. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Pufal (Hamburg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, kurz
und zusammengedrängt die Talsachen aufzuzeigen, die bei der Inangriffnahme
zum Neuaufbau einer einheitlichen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß —
Gaststätten für die in diesen -Wirtschaftsgruppen beschäftigten Arbeitnehmer in
den westlichen Zonen Deutschlands vorgefunden wurden. Es soll uns die Möglichkeit
geben, den erforderlichen Überblick zu gewinnen, der notwendig ist,
wenn Sie, die Sie hier als gewählte Beauftragte der Mitglieder unserer Industrie- •*"
gewerkschaften Entscheidungen zu treffen haben, wie die zukünftige Arbeit und
der Aufbau der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten
erfolgen soll. Ich will mich daher lediglich auf das beschränken, was der Arbeitsausschuß
bei der Aufnahme seiner Arbeiten vorgefunden hat.
Auf die Entwicklungsgeschichte der Gewerkschaften seit dem Jahre. 1945 bis
jetzt brauche ich nicht einzugehen, weil sie den anwesenden Kolleginnen und
Kollegen bekannt ist. Ich brauche nicht zu wiederholen, daß die Entwicklung der
Gewerkschaften in starkem Maße von den Besatzungsmächten beeinflußt wurde.
Auch auf die dadurch entstandenen Hemmungen, die in den einzelnen Zonen
verschieden gelagert waren, will ich nicht eingehen. All dieses ist von Ihnen
miterlebt und mitbehoben worden. Es darf aber festgestellt werden, daß die
Wiedererstehung der Gewerkschaften und ihre Organisationsformen in sehr
starkem Maße von den Besatzungsmächten gelenkt und entschieden worden ist.
Es ergeben sich aus diesem Umstand in den Ländern folgende Tatsachen:
Wir finden für unsere Wirtschaftsgruppen folgende Länder- und Zonengewerkschaften
vor:
Drei Landesgewerkschaften in der US-Zone mit folgender Benennung:
IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern, mit dem Sitz
in München.
IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg/Baden,
mit dem Sitz in Stuttgart.
IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Hessen, mit dem Sitz
in Frankfurt am Main.
Drei Landesgewerkschaften in der französischen Zone wie folgt:
Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch
• besetzte Gebiet Rheinland/Pfalz, mit dem Sitz in Mainz.
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch
besetzte Zone Baden, mit dem Sitz in Freiburg.
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet
der französisch besetzten Zone Württemberg, mit dem Sitz in Schwenningen
a. N.
4T
Außerdem die Zonengewerkschaft (IG Nahrung — Genuß — Gaststätten) für
die britisch besetzte Zone Deutschlands, mit dem Sitz in Hamburg.
In dieser Zonengewerkschaft find die Mitglieder unserer Wirtschaftsgruppen
der drei Länder Niedersachsen mit der Enklave Bremen, Nordrhein-Westfalen
«nd 1 Schleswig-Holstein mit Hamburg zusammengeschlossen.
Wir finden bei der Aufzeichnung der vorhandenen Industriegewerkschaften
eine beachtenswerte Tatsache: Sechs Ländergewerkschaften für zwei Zonen und
eine Zonengewerkschaft für drei Länder.
Diese Entwicklungsstufe der Gewerkschaften bis zu diesem gemeinsamen
Gewerkschaftstag muß besonders festgehalten werden. Sie zeigt, wie ich eingangs
sagte, in starkem Maße die Einwirkung der Besatzungsmächte auf die
Entwicklung der Gewerkschaften. Jede der von mir genannten Gewerkschaften
ist Mitglied des Gewerkschaftebundes ihres Landes oder ihrer Zone. Dieser
unterschiedliche Aufbau, der zwangsläufig eingehalten werden mußte, ist nunmehr
überwunden und der Weg zur Vereinigung dieser vorhandenen Gewerkschaften
über die Trizone Deutschlands von uns beschriften. Von den Besatzungsmächten
werden gegen diese Vereinigungen keine Bedenken mehr entgegengestellt.
Der vorgeschriebene Entwicklungsgang hatte zur Folge, daß alle gewerkschaftlich
notwendigen Maßnahmen auch nur im Rahmen dieser zwangsläufigen
Abgrenzung erfolgen konnten und daher wie folgt festgestellt werden muß, auch
unterschiedliche Auffassungen im verwaltungsmäßigen Aufbau in den Zonen
mit sich brachte.
Es fanden sich also zwei Tatsachen vor, die eine Vereinigung über die Zonen
bisher unmöglich machten:
1. Die Anweisungen der Besatzungsmächte.
2. Die unterschiedliche Auffassung im verwaltungsmäßigen Aufbau der künftigen
Industriegewerkschaft.
Diese beiden Dinge galt es unter allen Umständen so schnell wie möglich zu
überwinden, damit unsere gewerkschaftlichen Forderungen einheitlich und mit
stärkerem Nachdruck dem Unternehmertum sowohl wie auch den Behörden
gegenüber vertreten werden konnten.
Auf Seiten der Unternehmer bildeten sich mehr und mehr trizonal zusammengefaßte
Unternehmerverbände, die in der Abwehr der Forderungen der Arbeitnehmer
wie auch in der Aufstellung von Forderungen bei den amtlichen Stellen
zusammenarbeiteten. Dieses erkennend fanden sich die Spitzenfunktionäre der
oben angeführten Gewerkschaften am 27. Februar 1948 in Stuttgart zusammen,
um Maßnahmen zu beraten, wie den Unternehmerverbänden unsererseits entgegengearbeitet
werden könnte. Man einigte sich in Stuttgart auf die Einsetzung
eines Arbeitsausschusses, der alle Vorbereitungen treffen sollte, um die Vereinigung
der bestehenden Industriegewerkschaften zu einer Gewerkschaft,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten, für die Trizone Deutschlands
zusammenzufassen, um dem Willen der Mitglieder dieser Gewerkschaften
größeren Nachdruck zu verleihen.
Die personelle Zusammensetzung dieses Arbeitsausschusses ist durch die
einzelnen Länder bzw. Zonenvorstände vorgenommen worden, so daß aus jedem
Land bzw. jeder Zone entsprechende Vertreter in diesem Ausschuß vorhanden
sind und am vorliegenden Ergebnis mitbeteiligt waren. Es gehören folgende
Kollegen diesem Ausschuß an:
48
Für die US-Zone:
Kollege Georg Fiederl, München, für Bayern,
Kollege Albert Remppel, Stuttgart, für Württemberg-Baden,
Kollege Hans Wiegand, Frankfurt, für Hessen.
Für die französische Zone:
Kollege Anton Basting, Mainz, für Rheinland-Pfalz,
Kollege Clemens Weber, Freiburg, für Süd-Baden,
Kollege Jakob Wörner, Schwenningen, für Süd-Württemberg.
Für die britische Zone:
Kollege Pufal, Hamburg, Verbandsvorstand für die britische Zone,
Kollege Warnecke, Hamburg, für den Verbandsvorstand der britischen Zone,
außerdem der
Kollege Dozier, Düsseldorf, für Nordrhein-Westfalen,
Kollege Weber, Hannover, für Niedersachsen, und der
Kollege Johannes Maack, Lübeck, für Schleswig-Holstein und Hamburg.
Um von vornherein ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zu gewährleisten,
beschloß der Verbandsvorstand der britischen Zone, die Ländervorsitzenden der
US- und der französischen Zone an den Sitzungen des Yerbandsvorstandes für
die britische Zone mit beratender Stimme teilnehmen zu lassen.
Der gemeinsame Arbeitsausschuß für die Trizone hatte folgende Aufgaben zu
prüfen und zu erledigen:
1. Wlie soll die künftige Industriegewerkschaft verwaltungsmäßig aufgebaut
werden?
2. Anfertigung eines vorläufigen Satzungsentwurfes unter Berücksichtigung
der jetzt vereinigten ehemaligen Berufsgewerkschaften von vor 1933 nach Wirtschafts-
oder Industriegruppen in der Ernährungswirtschaft.
3. Koordinierung der Lohn- und Tarifbewegungen für die Trizone nach dem
Prinzip der Industriegewerkschaften unter Einschaltung der Raufmännischen
und technischen Angestellten in die künftigen Lohn- und Manteltarifverträge.
Über diese Fragen werden Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, in den vor
uns liegenden Tagen zu entscheiden haben. Ich bin davon überzeugt, daß Sie
sich bei Ihren Beratungen von einem hohen Pflichtbewußtsein leiten lassen
werden, um das Bestmögliche für unsere Industriegewerkschaft zu schaffen.
Sie haben den Satzungsentwurf mit den unendlich vielen Abänderungsanträgen
vor sich liegen. Die Abänderungsanträge, die in großer Zahl bei dem Arbeitsausschuß
eingereicht sind, geben uns einen Beweis, daß unsere Mitglieder in den
Ortsgruppen regen Anteil an dem Geschehen innerhalb unserer Gewerkschaft
genommen haben.
Um die Arbeiten des Gewerkschaftstages schneller vorwärtszutreiben, hat der
Arbeitsausschuß unter Heranziehung von in Arbeit stehenden Delegierten aus
den einzelnen Ländern bereits eine Satzungsberatungskommission eingesetzt,
deren Beratungsergebnis von dem Berichterstatter dieser Beratungskommission
Ihnen unterbreitet wird. Bei der Zusammensetzung dieser Satzungsberatungskommission
wurde größter Wert darauf gelegt, daß sich die Mehrzahl der
Kommissionsmitglieder aus in Betrieben beschäftigten Kollegen zusammensetzt.
Die Zusammenarbeit der Industriegewerkschaften in dem Arbeitsausschuß
ermöglichte eine Koordinierung unserer Vertretungen im Gewerkschaftsrat durch
Wahl eines Vertreters in den Vorbereitungsausschuß zum Gründungskongreß des
künftigen Gewerkschaftsbundes. Hierfür wurde der Kollege Gustav Pufal,
Hamburg, gewählt.
Desgleichen konnte eine Koordinierung unserer Vertretungen in den Beiräten
der einzelnen Wirtschaftsgruppen in der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt
vorgenommen werden. Als ständiger Vertreter für unsere Industriegewerkschaften
wurde der Kollege Hans Wiegand, Frankfurt, gewählt.
Um die einzelnen Länder von den uns besonders berührenden Fragen auf das
schnellste zu informieren, wurde ein Informationsdienst eingerichtet. Dieser
Informationsdienst hat den Zweck:
4 Protokoll 49
1. Die einzelnen Landes- und Zonen vorstände über die Verhandlungsergebnisit
aus den Ausschüssen und Beiräten in den Wlirtschaftsgruppen zu unterrichten,
2. die Lohn- und Gehaltsvereinbarungen und laufenden Verhandlungen in der.
einzelnen Branchen und Wirtschaftsgruppen in den Ländern zu führen,
3. wichtige Nachrichten und Rundschreiben der Landes- und Zonenvorstände
auszutauschen.
Dadurch war es möglich, daß die einzelnen Vorstände der Länder und Zonen
das Geschehen in den einzelnen Gewerkschaften auf das genaueste beobachten
konnten, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Um das Lohn- und Tarifwesen in der Trizone möglichst einheitlich zu
gestalten, hat sich der Arbeitsausschuß auch dieses Aufgabengebietes angenommen.
Es wurde eine Tarifkommission für die Trizone, bestehend aus den Kollegen
Fiederl (München), Remppel (Stuttgart), Wiegand (Frankfurt), Basting (Mainz),
Weber (Hannover), Dozier (Düsseldorf), Maack (Lübeck), Husung (Bremen) und
Warnecke (Hamburg) eingesetzt. Diese Tarifkommission war beauftragt, Grundsätze
zum Abschluß von Tarifverträgen auszuarbeiten, nach denen die aufzustellenden
Rahmentarifverträge der Eigenart der einzelnen Berufsgruppen
angepaßt sind.
Das vollständig zerrüttete Rahmentarifwesen, das wir nach 1945 nach dem
Zusammenbruch des Nazireiches vorgefunden haben, machte es notwendig, daß
neue Rahmentarifverträge ausgearbeitet wurden. Es wurden für 10 Wirtschaftsgruppen
und in diesen vorhandene Berufszweige insgesamt 32 neue Manteltarifvertragsentwürfe
mit einheitlichen Sozialbestimmungen nach diesen Richtlinien
und Grundsätzen für die Trizone ausgearbeitet und als Forderungen an die
Unternehmerverbände eingereicht. An den Beratungen über die Manteltarifvertragsentwürfe
wurden in Arbeit stehende Kollegen aus den einzelnen Ländern
hinzugezogen und in starkem Maße beteiligt.
Durch den bestehenden Lohn- und Tarifs.topp waren wir auf das stärkste in
unserem Wollen behindert. Nur durch die Direktive 40 und 41 war es im
vorigen Jahre möglich, für unsere Mitglieder eine geringe Lohnerhöhung bis zu
15 Prozent durchzusetzen. Die Verhandlungen hierüber gestalteten sieh zum Teil
sehr schwierig, weil von selten der Unternehmer jeglicher Lohnerhöhung der
größte Widerstand entgegengesetzt wurde. Trotzdem war es uns möglich, für
32 Berufsgruppen die Löhne nach der Direktive 40 und 41 zu erhöhen.
Durch die Einführung der Währungsreform am 20. Juni 1948 und der seit
dieser Zeit eingeschlagenen Erhardschen Wirtschaftspolitik gestalteten sich die
Preise derart, daß das Realeinkommen des Arbeitnehmers vollständig absank.
Der Arbeitsausschuß hat zu dieser Frage Stellung genommen und, nachdem der
Lohn- und Tarifstopp am 3. November 1948 von Seiten der Besatzungsmächte
aufgehoben ist, beschlossen, den einzelnen Industriegewerkschaften zu empfehlen,
die bestehenden Lohnverträge zu kündigen und die Forderung einer 30prozentigen
Lohnerhöhung aufzustellen.
Auch bei den jetzt anlaufenden Lohnbewegungen beobachten wir den größten
Widerstand der Unternehmer, die diese Lohnbewegungen zum Anlaß nehmen,
Preiserhöhungen für ihre Produkte zu fordern. In der Lohngestaltung für die
Arbeitnehmerschaft in den Wirtschaftsgruppen der Ernährungswirtschaft stellen
wir fest, daß seit den Krisenjahren im Jahre 1932 bis zur Aufhebung des Lohnstopps
für diese Arbeitnehmerschaft keine Lohnaufbesserung vorgenommen ist.
Eine erhebliche Belastung unserer Gewerkschaften bestand in der Währungsreform.
Das vorhandene Vermögen war durch die Abwertung des Geldes ganz
erheblich zusammengeschmolzen. Um allen Anforderungen gerecht zu werden,
mußte das Arbeiten in den einzelnen Gewerkschaften unter den schwierigsten
Verhältnissen durchgeführt werden.
Von Seiten des Arbeitsausschusses wurde das Hauptaugenmerk auf die
Erhaltung des Mitgliederstandes gerichtet.
50
Der Mitgliederstand der einzelnen bier vertretenen Industriegewerkschaften
am Ende des 1. Quartals 1949 gliedert sich wie folgt auf:
1. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern mit
dem Sitz in München 39 519
2. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg-
Baden mit dem Sitz in Stuttgart 26 929
3. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die Gebiet Hessen mit dem
Sitz in Frankfurt 14 092
4. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch besetzte
Zone Baden mit dem Sitz in Freiburg 7 066
5. Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
französisch besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz mit dem Sitz in
Mainz sowohl wie
6. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet der französisch
besetzten Zone Württemberg mit dem Sitz in Schwenningen
a. N 11 070
7. Zonengewerkschaft IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die
britische Zone mit dem Sitz in Hamburg 126 120
Insgesamt sind hier an Mitgliedern vertreten 224 796
Es wird interessant sein, auch einmal das Verhältnis der Mitgliederzahlen zu
sehen. Die Mitglieder setzen sich zusammen:
a) männlich 150497
b) weiblich 74 062
Insgesamt 224 559 Mitglieder
davon Jugendliche bis 18 Jahre 17 034 Mitglieder.
Kolleginnen und Kollegen! Aus der Zusammensetzung der Mitglieder ersehen
wir, daß wir uns zwei vorhandener Mitgliedergruppen ganz besonders anzunehmen
haben, der Jugend und der Frauen. Die Frauen treten in unseren
Wirtschaftsgruppen immer mehr als Konkurrenten der Männer in Erscheinung.
Diese Erscheinung zwingt uns als Gewerkschaft nach zwei Richtungen hin unser
Augenmerk zu richten: Einmal bessere Löhne für unsere Frauen zu schaffen,
andererseits Bedingungen zu schaffen, die den Erfordernissen der Frauen
gerecht werden.
Bei den Ziffern der Jugendlichen sehen wir, daß wir noch vieles tun müssen,
um die Jugend heranzuziehen. Durch die vergangenen Jahre hat die Jugend
jedes Vertrauen verloren. Die Grundlage des Vertrauens ist das Vorbild. Immer
wieder müssen wir unseren älteren Kollegen in den Betrieben sagen: Seid den
Lehrlingen und Jugendlichen in jeder Hinsicht ein Vorbild. Zieht die Jugend
zur Mitarbeit heran, damit sie an der Gewerkschaftsarbeit interessiert wird.
Die Frauen- und Jugendfrage wird in unseren Beratungen noch sehr wichtig
sein und wir werden sie sehr sorgfältig behandeln müssen.
Der Arbeitsausschuß war sich darüber im klaren, daß bei der Wahl der
Delegierten die Frauen sowohl wie die Jugendlichen in Anbetracht ihrer
Bedeutung und ihres Zahlenverhältnisses nicht recht zur Geltung kommen
würden. Wir haben von Seiten des Arbeitsausschusses aus diesem Grunde aus
jedem Land zwei aktive jugendliche Kollegen als Gastdelegierte zu unserem
Verbandstage geladen. Desgleichen haben wir Frauen als Gastdelegierte geladen.
Auch da waren wir uns nicht im unklaren, daß wahrscheinlich als ordnungsgemäß
gewählte Delegierte sehr wenige Frauen auf unserem Verbandstage
anwesend sein würden. Das ist bedauerlich, Kollegen. Diese Kolleginnen und
Kollegen haben nunmehr als Gastdelegierte die Möglichkeit, zu sehen, wie wir
uns hier auf dem Verbandstage mit den Problemen beschäftigen werden, wie
hier darum gerungen wird. Mit diesem Eindruck können sie dann in ihre Heimat
4* 51
zurückfahren und den jugendlichen Kolleginnen und Kollegen sagen, daß wir
dieses Moment auf unserem Verbandstag ganz besonders beobachtet haben.
Kolleginnen und Kollegen! Es wird a*uch der Vermögensstand der einzelnen
Gewerkschaften interessieren. Der augenblickliche Venmögensstand der auf
diesem Gewerkschaftstag vertretenen Gewerkschaften setzt sich am Ende des
1. Quartals 1949 wie folgt zusammen:
1. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern
mit dem Sitz in München
179 230,— DM
2. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg-Baden
mit dem Sitz in Stuttgart
114 470,— DIvI
3. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Hessen
mit dem Sitz in Frankfurt
43 000,— DM
Hier möchte ich sagen, daß das nur der Kassenbestand ist,
nicht der Vermögensbestand. Die Kollegen in Hessen haben
uns den Vermögensbestand nicht so schnell beschaffen können.
4. Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für
das französisch besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz mit dem
Sitz in Mainz sowohl wie
5. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet der
französisch besetzten Zone Württemberg mit dem Sitz
in Schwenningen a. N
43 000,— DM
6. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für französisch besetzte
Zone Baden mit dem Sitz in Freiburg
11 273,32 DM
7. Zonengewerkschaft IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für
die britische Zone mit dem Sitz in Hamburg
400 000,— DM
Insgesamt 790 973,32 DM
Kollegen! Wir haben schon in den Begrüßungsansprachen festgestellt, daß
Kollegen der UGO anwesend sind. Von der UGO Berlin liegt ein auf ihrem
Verbandstag am 25. März 1949 angenommener Antrag vor, der die Verschmelzung
der UGO mit unserer IG beantragt. Sie werden darüber zu beraten haben.
Wir grüßen unsere Arbeitskolleginnen und -kollegen in den westlichen
Sektoren Berlins, die in einem zähen und aufreibenden Kampf um ihre demokratische
Freiheit stehen. Wir grüßen aber auch die Arbeitskolleginnen und
-kollegen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, die unter einer parteipolitischen
Diktatur und durch Maßnahmen der sowjetischen Militärbehörde
eine Vereinigung mit uns noch nicht durchführen können.
Wie wir aus der Begrüßungsansprache des Kollegen Fiederl gehört haben,
sind zahlreiche ausländische Gäste an unserem Gewerkschaftstag erschienen.
Von den einzelnen Industriegewerkschaften wurden die Verbindungen mit
unseren Bruderorganisationen im Auslande aufgenommen. Die Industriegewerkschaften
hatten ihren Verbandstagsbeschlüssen entsprechend die Aufnahme in
die Internationale Union der Lebensmittelarbeiter und -arbeiterinnen mit dem
Sitz in Zürich beantragt. Der Vorstand der IUL hat der Aufnahme dieser
Gewerkschaften einstimmig zugestimmt. Die Aufnahme soll von dem im
Septemher d. J. in Zürich abzuhaltenden Kongreß beschlossen werden.
Wir werden uns zu entscheiden haben, daß die Aufnahme nunmehr für die
neue IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die Trizone durchzuführen ist. Die
Mitgliedschaft in der IUL liegt in den internationalen für unsere Berufsgruppen
anfallenden Problemen, die nur auf. internationalem Gebiet gelöst werden können,
begründet.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich sagte bereits, daß ich davon überzeugt
bin, daß Sie sich bei Ihren Beratungen über die Gestaltung unserer Industriegewerkschaft
von hohem Pflichtbewußtsein leiten lassen werden. Wir sollen
uns in den kommenden Tagen ein Haus bauen und ein Gesetz schaffen, >-das
52
jedem Mitglied Schutz vor Ausbeutung und Hilfe in seinem sozialen Kampf
bietet. Als Grundpfeiler, worauf wir dieses Haus errichten, lassen Sie uns die
Begriffe Freundschaft, Vertrauen, Solidarität, Humanität setzen. Wenn wir diese
Begriffe fest in unsere neue Industriegewerkschaft verankern, wird sie in Zukunft
allen Stürmen und Angriffen trotzen. Lassen Sie uns frei von jeder Parteipolitik
für die Völkerverständigung und für die Erhaltung des Weltfriedens wirken.
Wir wollen kämpfen gegen jede Vergewaltigung und Tyrannei zum Wohle
unserer Mitglieder und darüber hinaus der Arbeiterschaft der ganzen Welt. Den
Völkern aber, von denen noch deutsche Frauen und Männer als Gefangene
zurückgehalten werden, rufen wir zu: Gebt uns diese Gefangenen frei! (Sehr gut!
Beifall.) Führt sie zurück ziu ihren Angehörigen!
Vorsitzender : Ich eröffne hiermit die Aussprache und weise darauf hin,
daß nach Ziffer V der> Geschäftsordnung die Diskussionsredner sich schriftlich
melden müssen und daß sie hier oben vom Pult aus zu reden haben.
Als nächster Redner spricht der Kollege Langenbach, Köln.
Langenbach (Köln): Wir haben in Deutschland heute die Tatsache zu
verzeichnen, daß wir mehr Minister haben als wir in der schwärzesten Zeit
Monarchen hatten. Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit, daß wir zu einem
Zusammenschluß kommen. Die Arbeitgeberverbände haben sich bereits auf
trizonaler Grundlage zusammengeschlossen. Die Militärregierungen haben
keinerlei Einwände mehr erhoben und haben die Genehmigung erteilt. Wir
sehen also, der Widerstand auf der Arbeitgeberseite versteift sich. Bezeichnend
ist auch ein Schreiben, welches uns aus Wuppertal bekannt wurde. In einer
Mitgliederversammlung der Arbeitgeber hat man sich mit der Frage beschäftigt,
1 Prozent der Lohnsumme zur Unterstützung des Wirtschaftsverbandes einzuziehen
zum Zwecke der Finanzierung von Arbeitskämpfen, die man führen
müsse, wenn einmal die Gewerkschaften zu Streiks aufrufen. Weiterhin ist
interessant, daß sich dn Düsseldorf eine Privatauskunftei aufgemacht hat, die
sich den Arbeitgebern anbietet zur Bespitzelung der Leute und zur Überwachung.
Ich gebe nur einige Tatsachen daraus bekannt. Die Privatauskunftei bietet sich
an zur Aufklärung aller Diebstähle in den Betrieben, zu Berichten über die
Stimmung bei den Arbeitnehmern gegenüber der Betriebsführung, um evtl. die
Haupthetzer und Miesmacher, die Stimmung gegen die Betriebsführung und die
Arbeitsmoral machen, zu beseitigen. (Hört, hört!) Sie sehen also, es ist Zeit,
daß wir zu dieser Frage Stellung nehmen.
Ich möchte nur noch einmal kurz auch ein Wort sagen zu den Preisen und
Löhnen. Die Gewerkschaften haben .immer wieder verlangt, Herabsetzung der
Preise und Heraufsetzung der Löhne. Kein geringerer als Herr Dr. Erhard hat
erst vor einigen Tagen nach seiner Rückkehr aus Amerika festgestellt, daß man
in Amerika Krisenzustande damit bekämpft, daß man die Preise herabsetzt und
die Löhne heraufsetzt. Hier in Deutschland wollte man es umgekehrt machen.
Ich glaube, inzwischen werden wir auch von dieser Seite etwas mehr Beachtung
für unsere Forderungen finden. Wer sich besonders dafür interessiert, den verweise
ich auf den Artikel im „Tagesspiegel" von Herrn Dr. Erhard. Seit der
Währungsreform ist die Leistung je Mann ganz enorm gestiegen, aber auch die
Lagerbestände aller Waren der Industrie und des Handels haben eine enorme
Höhe erreicht. Untersuchungen des Wirtschaftlichen Instituts der Gewerkschaften
bei Haushaltungen haben ergeben, daß nur 48 Prozent der Haushaltungen in der
Lage sind, außer dem sogenannten starren Bedarf sich neue Anschaffungen zu
machen. Wir haben außerdem festgestellt, daß der Anteil der beiden unteren
Lohnklassen seit dem Jahre 1928 von 28 Prozent auf 51 Prozent gestiegen ist-
Wir haben weiter festgestellt, daß nur 51 Prozent aller Arbeitnehmer in
Deutschland bzw. 51 Prozent der Menschen in Deutschland in der Lage
sind, sich die notwendigen Lebensmittel zu kaufen, die ihnen auf Karten
zustehen, daß sie ihr Licht, ihre Heizung bezahlen können und weiter ihnen
nichts übrigbleibt. Die industrielle Produktion ist ja bekanntlich auf 87 Prozent
*
53
des Jahres 1937/38 gestiegen. Dagegen beträgt das Realeinkommen der Arbeitnehmer
nur 65 Prozent des Jahres 1937/38, und das Realeinkommen der Rentner
gar nur 55 Prozent. Aber jetzt kommt eine interessante Zahl! Das Realeinkommen
der Selbständigen und Kapitalverbraucher beträgt 105 Prozent des
Jahres 1936/37. Im Durchschnitt hat jeder Arbeitnehmer im Jahre 1936/37 ein
Jahreseinkommen von 1827 Mark gehabt gegenüber einem Jahreseinkommen im
Jahre 1948 von 1321 Mark. Wohl gemerkt, Realeinkommen!
Ganz anders sind die Einkommensverhältnisse bei den Selbständigen und
Kapitalverbrauchern. Jeder Selbständige und Kapitalverbraucher — wir nennen
sie nicht mehr Kapitalisten, um auch hier nicht in Gefahr zu geraten —hatte
im Jahre 1936/37 ein Einkommen von 4500 Mark, im Jahre 1948 ein solches von
5400 Mark. Während also die Arbeitnehmer ein geringeres Realeinkommen von
mehr als 500 Mark hatten, hat der Kapitalverbraucher im Jahre 1948 1000 Mark
mehr verbraucht als im Jahre 1936/37. Sie sehen aus dieser Tatsache schon, daß
es allerhöchste Zeit ist, daß wir diesen Problemen größeren Nachdruck verleihen.
Das können wir nur mit einer geschlossenen, über alle Zonen verbreiteten
Organisation.
Ich möchte auch noch auf eine andere Tatsache hinweisen. Kolleginnen und
Kollegen! Es wird in der Volkswirtschaft immer so viel von dem sagenhaften
Kuchen gesprochen und geredet, von dem jeder seinen Anteil hat. Man darf
aber wohl sagen, daß der Anteil der Arbeitnehmer an diesem sagenhaften
Kuchen wirklich weit geringer geworden ist, während der Anteil der Arbeitgeber
entschieden höher geworden ist. Es muß daher etwas in dieser Hinsicht
geschehen.
Wir haben auf dem Gebiet der Preise folgendes festzustellen: Bis zum
Dezember 1948 haben sich die Preise laufend erhöht. Ab Januar sind die Preise
für den elastischen Bedarf gefallen. Unter elastischem Bedarf verstehen wir den
Bedarf für Textilien, Schuhe, Haushaltsgegenstände aller Art, Möbel usw., den
Bedarf für Luxusgegenstände und Genußmittel. Unter starrem Bedarf verstehen
wir Miete, Licht, Heizung und sämtliche Lebensmittel. 51 Prozent aller Arbeitnehmer
sind auf den starren Bedarf angewiesen und können keinerlei Anschaffungen
machen. Ich sagte jetzt eben auch bereits, daß nur 49 Prozent aller
Arbeitnehmer Anschaffungen machen könnten an Textilien usw. Von dieser
Gesamtzahl der Verbraucher sind es wiederum nur 8 Prozent, die sich Luxus»
gegenstände und Genußmittel in größerem Umfang erlauben können. Die
Schwäche der deutschen Kaufkraft bedeutet eine ungeheure wirtschaftliche
Gefahr. Infolge der Leistungs- und Prodiuktionssteigerungen müssen erhebliche
Preissenkungen und Lohnerhöhungen möglich sein. Die ungeheuren Lagerbestände
unterdrücken jede wirtschaftliche Initiative. Würden unsere Arbeitgeber
wirtschaftlich denken, dann würden sie umgehend die Preise herabsetzen
und sich nicht mit aller Gewalt gegen Lohnerhöhungen wehren. Das tun sie
nicht. Aber sie machen etwas anderes. Sie verkürzen die Arbeitszeit und entlassen
die Leute und machen die Gefahr dadurch noch größer. (Vorsitzender:
Noch eine Minute Redezeit!)
Wir stellen fest, daß nicht nur die Erwerbslosenzahl zunimmt, sondern auch
die Zahl der Kurzarbeiter. Auch die hohen Handelsspannen müssen sofort auf
ein vernünftiges Maß heruntergebracht werden. Man kann sich aber noch nicht
von den hohen Handelsspannen der Kriegszeit und der RM-Zeit trennen, und
es wird höchste Zeit für die Verantwortlichen in der Wirtschaft, daß hier Maßnahmen
ergriffen werden, die vor allen Dangen im wirtschaftlichen Interesse
liegen. Unsere Forderung muß sein, Kolleginnen und Kollegen, Vollbeschäftigung
durch höhere Löhne und durch Herabsetzung der Preise. Das bedeutet höheren
Verbrauch, bessere Ausnutzung der Betriebsanlagen, Senkung der fixen Kosten
und damit größere Wirtschaftlichkeit und größerer Wohlstand für alle. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Reichelt, Mannheim. Ihm
folgt der Kollege Pulley, Stuttgart.
54
Reichelt (Mannheim): Kolleginnen und Kpllegen! Kollege Pufal hat in
seinen Ausführungen die Frage der technischen wie der kaufmännischen Angestellten
besonders erwähnt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß diese Frage für
uns zum Problem wird. Die letzten Verhandlungen in der Margarineindustrie
haben uns klar und deutlich gezeigt, wie der Weg und der Stand der Arbeitnehmer
zu dieser Frage ist. Der Widerstand, der nicht allein in der Margarineindustrie
vorherrschend ist, sondern vor allen Dingen auch in Württemberg-
Baden eine sehr große Rolle spielt, steht in den nächsten Monaten zur Diskussion.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man gerade den kaufmännischen
und technischen Angestellten mehr denn je die Möglichkeit geben muß, in
unseren Verband so eingereiht zu werden, wie es notwendig ist. Wir wissen auf
der anderen Seite, wie die Angestelltengewerkschaft wirbt mit billigen Beiträgen
und wie sie versucht, mit den Arbeitgebern zu Abkommen zu kommen, die es
ihnen ermöglichen, bei ihnen Liebkind zu werden. Diese Dinge müssen von uns
besonders beachtet werden. Nachdem in der Vergangenheit gerade die großen
Organisationen, ob es Metall oder sonst welche gewesen sind, nie den Versuch
gemacht haben, einen Angestellten direkt in die Verwaltung einzubauen, dürfte
es für uns notwendig sein, dies in der Zukunft zu tun. Die Mentalität der
Angestellten ist nun einmal so, daß sie glauben, daß ein Angestellter, der aus
dem Arbeitsverhältnis gekommen ist, ihre Belange nicht so beurteilen kann wie
einer, der aus ihren Reihen kommt. Dieser Frage gilt unsere besondere
Beachtung. Allgemein gesagt liegen die Dinge so: Wir müssen von uns aus nun
einmal das, was für Württemberg-Baden zutrifft, diesen Generaltarifvertrag, der
dort eine große Rolle spielt, durchbrechen, und zwar mit Grundlagen, die wir
neu aufstellen und die andere Tätigkeitsmerkmale enthalten, als es bei uns in der
letzten Vergangenheit der Fall war. Wenn man die Tätigkeitsmerkmale mit den
entsprechenden Einstufungen und Gehältern zusammenbringt, dann wird es uns
auch gelingen, in unseren Industriezweigen, für die wir zuständig sind, die
Angestellten mehr denn je zu gewinnen. Denn gerade in ihren Kreisen haben
wir noch sehr viel Unorganisierte, die es bis jetzt noch nicht für nötig gehalten
haben, sich einer Organisation anzuschließen. Dies nachzuholen, muß unsere
Pflicht sein.
Zur Frage des Lohn- und Tarifproblems hat Pufal gesagt, daß die Manteltarifverträge
im Entwurf fertig sind. Bis jetzt ist der Widerstand der Arbeitgeber
so gewesen, daß sie zu Rahmentarifverträgen keine Zeit hatten iund .auf
der anderen Seite bei Lohnverträgen der letzten Zeit uns den heftigsten Widerstand
entgegensetzen, und zwar immer mit dem Argument: In der britischen
Zone oder in Bayern oder in Hessen liegen die Löhne auf dieser Höhe. Wir
sind entsprechend höher und können in Zukunft nicht mehr bezahlen.
Eine einheitliche Lohn- und Tarifpolitik für die Zukunft auszuarbeiten, muß
Aufgabe der maßgebenden Personen sein, die im Hauptvorstand in nächster
Zukunft die entsprechenden Referate und Ämter bekleiden. Denn das Lohndurcheinander
ist gegenwärtig noch sehr groß. Es ist notwendig und angebracht,
daß in Zukunft die Verbindung mit den führenden Kollegen der zusammengeschlossenen
Gewerkschaften so wird, daß sie sich innig gestaltet und daß das
Vertrauen so zusammengefügt wird, daß für die Gesamtheit der größte Nutzen
daraus entsteht. Arbeiten wir in diesem Sinne, nützen wir die nächsten Monate
aus, dann werden wir sicher zum Erfolg kommen. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pulley, Stuttgart.
Pulley (Stuttgart): Kolleginnnen und Kollegen! Ich muß wie mein Vorredner
auf das zurückkommen, was der Kollege Pufal gesagt hat, und zwar sprach er
von der Jugendfrage. Gibt es tatsächlich bei uns in den Gewerkschaften eine
Jugendfrage? Wir müssen ganz ehrlich sagen, daß es tatsächlich eine Jugendfrage
gibt. Wir haben es noch nicht verstanden, die Jugend dahin zu bringen,
wohin wir sie bringen wollen. Liegt das an uns oder liegt das an der Jugend?
Man sagt, daß die Jugend zum Teil indifferent, politisch uninteressiert ist.
Stimmt das? Jawohl, es stimmt! Kolleginnen und Kollegen, weil dliese Jugend
55
aus einem Krieg herausgekommen ist, aus dem sie nur mit Enttäuschungen
wiedergekommen ist. Wir müssen aber diese Jugend dazu bringen, daß sie
wirklich zu uns stehen kann. Können wir das tun? Wir können das wirklich,
indem wir im Rahmen unserer neuen Gewerkschaft der Jugend auch Einfluß
geben, und zwar nicht nur, daß wir sagen, ihr könnt einmal mitreden, sondern
wir müssen sagen: Hier seid ihr verantwortlich, daß das und das geschieht.
Kolleginnen und Kollegen! Auf Grund der Erfahrungen, die wir in Württemberg-Baden
gemacht haben, können wir wirklich sagen, daß es so gut geht. Wir
müssen diesen Jugendkollegen Verantwortung geben, dann werden wir wirklich
sehen, daß wir diese Jugendfrage richtig lösen. Aber es geht nicht, daß man in
einzelnen Ortsverwaltungen oder Landesleitungen oder im Verbandsvorstand
diese Jugend irgendwie abschiebt und sagt: Ihr habt ja noch nicht soviele
Kollegen zu vertreten. Laßt doch ruhig einmal die Jugend mitreden, laßt sie
auch mitreden, wenn sie einmal Fehler macht, wenn sie über das Ziel hinausschießt.
Denn die Jugend ist, wie der Kollege Weber gesagt hat, immer radikal
veranlagt. Sie macht auch manchmal Fehler, aber laßt sie ruhig einmal Fehler
machen. Es ist viel besser, wenn sie Fehler macht als wenn sie gar nichts macht.
Deshalb bitte ich, wenn wir später die Satzungen beraten, daß wir wirklich
darauf hinzielen, daß wir überall unsere Jugendkolleginnen und -kollegen verantwortlich
einschalten. Dann werden wir sehen: Wenn sie nichts taugen, dann
können wir sagen, du mußt abtreten. Denn es geht natürlich auch nicht — das
möchte ich dien Jugenddelegierten zurufen —, daß man immer nur von seinem
Landesvorsitzenden oder seinem Verbandsvorstand fordert: Gib mir das, gib
mir das, sondern wir müssen wieder dahin kommen, daß unsere
Jugend auch Opfer bringen kann und auch einmal wirklich überzeugt
ist von der Gewerkschaft und von der Gewerkschaftsbewegung,
daß sie sich, wie • es manchmal den Anschein hat, nicht schämt, daß
sie überhaupt Gewerkschaft ist. Euch allen aber möchte ich — ich bin sonst
leider Gottes oder Gott sei Dank, das kann ich nicht genau sagen, in der Bibel
nicht allzusehr bewandert — ein abgewandeltes Sprichwort aus der Bibel
zurufen, das da lautet: Gebt der Jugend, was der Jugend ist. Sie wird es euch
allen lohnen! (Beifall.)
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Kollege Pufal hat
das Schlußwort.
Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Auf die Ausführungen des
Kollegen Langenbach brauche ich nicht einzugehen. Der Kollege Langenbach
hat sich in der Hauptsache mit den lohnpolitischen Problemen nach der wirtschaftlichen
Seite hin befaßt. Wir wissen, auch die Kollegen, die in den Betrieben
stehen, die täglich mit diesen Dingen zu tun haben, wissen, daß wir nach der
lohnwirtschaftlichen Seite das Lohnproblem genau so geregelt sehen wollen wie
der Kollege Langenbach. Die andere Frage, die der Kollege Reichelt angeschnitten
hat, die Angestelltenfrage, ist für uns gewiß sehr wichtig, ebenso wie
die Frage der Jugend und der Frauen. Wir stehen auf dem Standpunkt, wenn
wir schon eine Industriegewerkschaft darstellen, dann müssen wir auch die
Angestellten mit erfassen. In den GewerkschaJEtsbünden — die Verhältnisse sind
dort noch verschieden gelagert — herrscht leider nicht überall die gleiche Auffassung.
Man hat uns zum Beispiel im Organisationsplan die Angestellten der
Konsumgenossenschaften abgesprochen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß
die Angestellten der Konsumgenossenschaften genau so zu uns gehören wie die
Angestellten in den privaten Betrieben. (Sehr richtig!) Wir haben bei der Neugründung
des neuen Gewerkschaftsbundes unsere Forderung dahingehend eingereicht,
daß die Bestimmung, daß die Angestellten der Konsumgenossenschaften
in Zukunft der Angestelltengewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
angehören sollen, nicht in Kraft tritt, sondern daß die Angestellten zu uns
gehören. (Sehr richtig!) Wir sind uns auch darüber im klaren, daß wir lohnpolitisch
sowohl wie auch tarifpolitisch die Angestellten möglichst in unsere
Tarife mit einbauen müssen. Wir sind zwangsläufig noch gehalten — in einigen
56
Ländern ist es so, ich glaube in Hessen —, daß man einen Angestelltenvertrag
für das ganze Land für sich geschaffen hat. Es ist unserer Meinung nach nicht
ganz richtig. Es ist vielleicht im Augenblick eine Notlösung. Aber wenn wir
die Angestellten als Angestellte und als Arbeitskameraden neben uns stehen
lassen wollen, gehören sie auch in unsere Tarifverträge und in unsere Lohnbewegungen
hinein. Man kann nicht die Gehälter für die Angestellten für sich
regeln und die Arbeiter draußen lassen und umgekehrt.
Zu der Jugendfrage, Kollegen, haben wir ja von s-eiten des Arbeitsausschusses
— ich habe schon gesagt, daß wir die Jugend möglichst interessieren müssen —
die jungen Kollegen zu unserem Kongreß hier eingeladen. Wir sind uns auch
darin einig, daß wir die Jugend in dem kommenden Verbandsvorstand bis in die
Spitze hinein verantwortlich mitarbeiten lassen müssen. Wir sind uns darüber
im klaren, daß im kommenden Verbandsvorstand auch ein jugendlicher Vertreter
sein muß. (Beifall bei den Jugenddelegierten.) Desgleichen sind wir. der Meinung,
daß in den kommenden Verbandsvorstand, wenn die Frauen nicht bei den
Wahlen berücksichtigt werden, zumindest zusätzlich eine Frau hinein muß.
Kolleginnen und Kollegen' Wenn wir die Lohnpolitik, um noch einmal darauf
zurückzukommen, der letzten Zeit bzw. die Lohnbewegungen beobachten, so
können wir feststellen, wie ich schon gesagt habe, daß man von Seiten der
Unternehmer die jetzt anlaufenden Lohnbewegungen dazu benutzen will, die
Produkte im Preis zu erhöhen. Wir halten es nicht für notwendig, daß bei
einer Lohnerhöhung unbedingt der Preis des Produkts erhöht werden muß. Wir
haben ganz besonders bei den Bäckereien bei den Lohnbewegungen, die für die
Kollegen Bäcker in der letzten Zeit angelaufen sind, beobachten können, daß
sich die Bäckereien zu einer Lohnerhöhung nur entschließen können, wenn man
ihnen den Brotpreis erhöht. Wir wissen aber auf der anderen Seite, daß die
Bäckereien zumindest ziu ihrem Recht kommen. Denn sie sind ja nicht ausschließlich
Brotfabriken, sondern beim Backen des weißen Gebäcks fällt immerhin
soviel ab, daß sie zurechtkommen. Man hat sich auch in dieser Frage bei
den Gewerkschaftsbünden und beim Gewerkschaftsrat eingeschaltet, und man
hat dort sorgenvoll unsere Bewegung beobachtet, für die Kollegen Bäcker einen,
besseren Lohn herauszuholen.
Zu dieser Frage, Kollegen, müssen wir wie im allgemeinen in der Nahrungsund
Genußmittelindustrie doch einmal ein paar Worte sagen. Wir können und
wollen es nicht verstehen, daß man die Preise, wenn es unbedingt notwendig
ist, nicht ändern will. Um eine bessere Lohngestaltung für unsere Arbeitnehmer
durchzuführen, schreckt man davor zurück, diesen Preis um einen Pfennig zu
erhöhen. Wir müssen da unserer Meinung nach die Forderung erheben, daß man
eine gerechte Beurteilung der Preislage sowohl wie auch der Löhne durchführt
und zwar nicht einseitig, sondern unter unserer Mitwirkung.
Zu den Tarifbewegungen sagte ich vorhin schon, daß wir auch mit den
Rahmentarifverträgen in Bewegung sind. Wenn wir das ganze Gebilde heute
betrachten, befinden wir uns eigentlich in der gesamten Organisation in Bewegung.
Wir stehen teilweise vor starken Auseinandersetzungen mit den Unternehmern, und
zwar deshalb, weil die Unternehmer sich weigern, unseren gerechten Forderungen
Rechnung zu tragen. Wir wollen hoffen, Kollegen, daß dieser erste Ansturm
von Seiten der Unternehmer, die absolut nicht geneigt sind, unsere seit 1932
bestehenden Löhne aufzubessern, von unseren Kollegen in den Betrieben zurückgeschlagen
wird und die Unternehmer gezwungen werden, unseren gerechten
Forderungen Rechnung zu tragen. (Beifall.)
Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Der Punkt 3 der Tagesordnung
ist damit erledigt. Wir kommen jetzt zu Punkt 4 der Tagesordnung, der
wichtigste, zu dem überhaupt der gemeinsame Verbandstag zusammengeholt ist.
Darüber wird einleitend der Kollege Pufal berichten.
Pufal (Hamburg): Zu der Konstituierung des neuen Verbandes gehört auch
eine von uns etwa vorgenommene Rechtsdurchführung. Es ist ja praktisch so,
57
daß heute die einzelnen vorhin von mir aufgeführten Gewerkschaften selbständige
Gewerkschaften sind. Wir müssen, um eine Rechtsgrundlage zu haben,
einen Beschluß fassen, daß diese Gewerkschaften zu einer einheitlichen Gewerkschaft
zusammengeschlossen werden, damit alle Verträge, alle Verpflichtungen
gleich welcher Art von der neuen Gewerkschaft übernommen werden. Deshalb
legt der Arbeitsausschuß Ihnen folgenden Antrag vor, und wir bitten, diesem
Antrag zuzustimmen.
Vorsitzender: Ich bitte, den Antrag, den Sie in Ihrer Mappe haben, zur
Hand zu nehmen, damit Sie ihn verfolgen können. Es sind kleine Abänderungen
vom Ausschuß vorgeschlagen. (Zuruf: Er ist nicht in der Mappe drin!)
Nätscher (Nürnberg): In der Tagesordnungsmappe ist dieser Antrag enthalten.
Pufal (Hamburg:
Überführung der Mitglieder, aller Werte und Verträge der bisherigen
Zonen- und Länder-Industriegewerkschaften in den Gebieten der amerikanisch,
britisch und französisch besetzten Zone Deutschlands, vertreten
durch ihre Vorsitzenden:
a) britische Zone: Herrn G. Pufal {Hamburg)
b) amerikanische Zone: Herrn G. Fiederl (München)
c) amerikanische Zone: Herrn A. Remppel (Stuttgart)
d) amerikanische Zone: Herrn H. Wiegand (Frankfurt)
e) französische Zone: Herrn A. Basting (Mainz)
f) französische Zone: Herrn Cl. Weber (Freiburg)
S) französische Zone: Herrn J. Wörner (Schwenningen a. N.)
und
die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands.
• Der konstituierende Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung
— Genuß — Gaststätten für die amerikanisch, britisch und französisch
besetzte Zone Deutschlands beschließt:
Mit dem Inkrafttreten dieser Industriegewerkschaft hört das Wirken der
Zonen- beziehungsweise Landesgewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten
wie folgt auf:
Industriegewelkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das britisch
besetzte Gebiet Deutschlands, Sitz Hamburg,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch besetzte Gebiet Bayern (Deutschland), Sitz München,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch besetzte Gebiet Württemberg-Baden (Deutschland), Sitz
Stuttgart,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
amerikanisch besetzte Gebiet Hessen (Deutschland), Sitz Frankfurt
am Main,
Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch
besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz (Deutschland), Sitz Mainz a. Rh-,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch
besetzte Zone Baden (Deutschland), Sitz Freiburg,
Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das
Gebiet der französisch besetzten Zone Württemberg (Deutschland).
Sitz Schwenningen a. N.
Die Mitglieder der vorgenannten Industriegewerkschaften, wie aufgeführt,
werden in die Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gast-
58
1
Stätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet
Deutschlands mit dem Sitz in
— darüber sollen wir noch
bestimmen — mit allen Rechten und Pflichten hiermit aufgenommen.
Die Zonen- beziehungsweise Landes-Industriegewerkschaften, wie vorstehend
im einzelnen aufgeführt, gelten damit als aufgelöst.
Alle Aktiven und Passiven und die noch zu erwartenden Vermögenswerte
sowie alle Einrichtungen dieser bisherigen Zonen- beziehungsweise
Landes-Industriegewerkschaften gehen in die neue Industriegewerkschaft
Nahrung — Genuß — Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch
besetzte Gebiet Deutschlands mit dem Sitz in
über;
desgleichen alle in diesen Gebieten vorhandenen Tarifverträge, sonstige vertragliche
Rechte und Verpflichtungen aller Art. -,
Alle in den bisherigen Zonen- beziehungsweise Landes-Industriegewerkschaften
tätigen Angestellten und Hilfskräfte werden unter Anrechnung
ihrer in diesen Gewerkschaften geleisteten Dienstzeiten mit den bisherigen
Rechten und Pflichten von der r.euen Industriegewerkschaft Nahrung —
Genuß — Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte
Gebiet mit dem Sitz in
übernommen.
Die Gewerkschaftsangestellten und Hilfskräfte werden nach den geltenden
Richtlinien der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß —
Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet
Deutschlands neue Anstellungsverträge erhalten.
Weil nun aber die Satzungen nicht gleich nach ihrer Beratung und nach dem
Ablauf des Gewerkschaftstages in Funktion treten können, wenn nicht eine
Störung innerhalb der bis jetzt selbständigen Gewerkschaften eintreten soll,
haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wann die neue Satzung, die wir hier
auf dem Gewerkschaftstag beschließen werden, in Kraft treten soll, um eine
reibungslose Überführung und einen reibungslosen Ablauf der Geschäfte zu
gewährleisten. Dazu schlagen wir folgenden Zusatzantrag vor:
Der auf dem, Gewerkschaftstag vom 24. bis 26. Mai 1949 gewählte Hauptvorstand
hat die zur Überführung der Gewerkschaften notwendigen
Arbeiten mit dem Inkrafttreten der neubeschlossenen Satzungen durchzuführen.
Vom 1. Januar 1950 an treten die auf obigem Gewerkschaftstag
beschlossenen Satzungen vollinhaltlich in Kraft.
•Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen diesem Antrag zustimmen, weil wir,
wie ich eben sagte, die Rechtsgrundlage schaffen müssen, damit alle Vermögensbestände,
alle Verträge und Verpflichtungen, die die einzelnen Landesgewerkschaften
haben, eine Rechtsgrundlage bekommen. Darum bitte ich Sie, diesem
Antrag zuzustimmen.
Vorsitzender: Sie haben den gedruckten Antrag vor sich liegen. Der
Zusatzantrag ist in einigen Mappen enthalten, aber nicht in allen. Ich darf
daher den Zusatzantrag noch einmal wiederholen. Der Sinn ist eindeutig und
klar. Der Hauptvorstand, der morgen gewählt wird, soll die Pflicht bekommen,
daß er bis zum Inkrafttreten der neuen Satzungen die Überführung der Gewerkschaften,
die heute beschließen, sich zu vereinigen, in die Wege leitet. Spätestens
muß am 1. Januar 1950 alles fertig sein. Die Verschmelzung beschließen wir im
Prinzip morgen oder heute. Die Satzungen werden morgen beschlossen. Die
morgen beschlossenen Satzungen treten spätestens am 1. Januar 1950 in Kraft.
Das ist der Sinn des Zusatzantrages.
Nun bitte ich um Stellungnahme und Wortmeldungen.
Wortmeldungen werden nicht eingereicht. Kollegen, dann darf ich zunächst
abstimmen über den Ihnen vorliegenden gedruckten Antrag, der die Vereinigung
unserer Industriegewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten in der britischen
Zone mit dem Sitz in Hamburg, in der amerikanischen Zone mit dem Sitz
in Frankfurt, in der französischen Zone mit dem Sitz in Mainz, in Freiburg
und Schwenningen vorsieht. Wer die Vereinigung dieser unserer Industrie-
59
gewerksehaften beschließen will, den bitte ich um Hochhebung der Karte. Ich
danke. Ich bitte um die Gegenprobe. Ich stelle Einmütigkeit fest. (Lebhafter
Beifall.)
Kolleginnen und Kollege^ Ein Akt vor großer Weltbedeutung hat sich durch
die Beschlußfassung eben vollzogen. Wir dürfen allen Delegierten in den Ländern
herzlich danken für die Einmütigkeit, mit der sie die Vereinigung unserer
Industriegewerkschaften zu einer einheitlichen Gewerkschaft herbeiführen
wollen.
Damit wir nun klar sehen, wie die Vereinigung vor sich gehen soll, wollen wir
den Zusatzantrag noch beschließen, der lautet:
Der am Gewerkschaftstage vom 24. bis 28. Mai 1949 gewählte Hauptvorstand
hat die zur Überführung der Gewerkschaften notwendigen
Arbeiten mit dein Inkrafttreten der neu beschlossenen Satzungen durchzuführen.
Ab 1. Januar 1950 treten die auf obigem Gewerkschaftstag beschlossenen
Satzungen vollinhaltlich in Kraft.
Wer hierfür stimmen will, den bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben.
— Ich bitte auch hier um die Gegenprobe. — Ich stelle auch hier Einstimmigkeit
fest.
Dazu wäre noch eine Frage zu besprechen. Zu dem Antrag auf Vereinigung
unserer Gewerkschaften in den Westzonen haben die Berliner den Antrag gestellt,
gleichfalls in diese Verschmelzung mit einbegriffen zu werden. Dazu
hat der Kollege Pufal das Wort.
Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aus den Ausführungen
des Kollegen Rother, Berlin, vorher schon entnommen, daß man in
den Westzonen Berlins beabsichtigt, sich mit uns zu verschmelzen. Am 25. März
dieses Jahres hat in Beilin der Verbandstag für die für unsere Gruppen in
Frage kommende Organisation der UGO getagt und hat einen Antrag gestellt,
der besagt, sich mit unserer Industriegewerkschaft in den Westzonen zu verschmelzen.
Dieser Antrag liegt vor.
Die Verhältnisse sind aber folgendermaßen: Wir würden es von Herzen
begrüßen, wenn wir heute den Verschmelzungsakt mit unseren Berliner
Freunden durchführen könnten. Die politischen Verhältnisse haben sich aber in
der letzten Zeit so gestaltet, daß wir durch einen voreiligen Beschluß ein
ungeschicktes politisches Verhalten an den Tag legen würden. Deshalb empfehlen
wir, daß man den kommenden Verbandsvorstand beauftragt, den von der UGO
gestellten Antrag der Verschmelzung zu behandeln, um die Voraussetzungen
für eine Verschmelzung zu schaffen. Das braucht uns nicht zu hindern, daß
wir schon jetzt mit unseren Freunden in Berlin in eine enge Zusammenarbeit
in Form einer Arbeitsgemeinschaft eintreten. Aber wir wollen bei unseren
Beschlüssen, wie ich schon sagte, so taktieren, daß nicht irgendwelche Schwierigkeilen
eintreten können. Denn wir haben nicht nur Rücksicht zu nehmen
auf die sich im Augenblick gestaltenden politischen Verhältnisse, sondern wir
haben auch noch irgendwie Rücksicht zu nehmen auf die Besatzungsmächte,
die in unseren Zonen Deutschland besetzt haben. Ich glaube, ich brauche mich
nicht näher darüber auszulassen. Wir befürchten, daß von der einen oder
anderen Besatzungsmacht, wenn wir heute schon einer Verschmelzung zustimmen,
doch noch irgendwelche Schwierigkeiten gemacht werden könnten.
Unsere Berliner Freunde werden Verständnis für unser Handeln haben. Das soll
die Freundschaft mit unseren Freunden in Berlin absolut nicht trüben. Deshalb
bitte ich, so zu verfahren, wie ich sagte, den kommenden Verbandsvorstand
zu beauftragen, die Voraussetzungen für eine Verschmelzung zwischen unserer
Industriegewerkschaft und den Freunden der UGO zu schaffen.
Vorsitzender: Darf ich fragen, ob die Kollegen aus Berlin dazu Stellung
nehmen wollen. Kollege Rother, bitte, komme her!
Rother (UGO Berlin): Kolleginnen und Kollegen! Wir verkennen nicht,
daß die Verschmelzung mit dem Verband Nahrung — Genuß — Gaststätten,
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der der Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation UGO in Berlin angeschlossen
ist, noch schwierig sein wird durch die Trennung der Zonen, durch diverse
andere politische Fragen. Wir sind insofern mit den Ausführungen des Kollegen
Pufal einverstanden und würden uns freuen, wenn die Delegiertentagung heute
dem Wege der Arbeitsgemeinschaft zustimmt. Wir würden uns auch freuen,
wenn wir, wie ich in meinen Ausführungen gesagt habe, trotzdem nunmehr
als gleichberechtigte Delegierte hier an dieser Ihrer Tagung mitteilnehmen
können. Ich bitte in diesem Sinne, bei der Abstimmung Ihre Stimme ins Gewicht
zu legen.
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte darüber abzustimmen,
ob die Gewerkschaft beschließt, mit der UGO in Berlin in eine
Arbeitsgemeinschaft einzutreten und daß die heute anwesenden Delegierten
stimmberechtigt an der heutigen Tagung teilnehmen. Will jemand dagegen
sprechen? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dafür stimmen
wollen, um Hochhebung der Delegiertenkarte. — Ich danke. Die Gegenprobe! —
Gegen eine Stimme beschlossen. Nein, gegen zwei.
Kollegen, ich muß sagen, wir haben fleißig gearbeitet. Ich möchte nun eigentlich
den nächsten Punkt der Tagesordnung, den Punkt 5, nicht beginnen, weil
wir in eine Spezialberatung der Satzungen hineinkommen und dann die Sache
abbrechen müssen. Es wäre höchstens zu überlegen, ob wir den § 1 der Satzung
„Sitz des Hauptvorstandes" beraten wollen. Ich möchte bitten, diese Frage
einmal kurz geschäftsordnungsmäßig zu diskutieren. Wer will dazu etwas sagen?
Ich würde vorschlagen, Kollegen, damit wir die Zeit nutzen, daß wir den § 1
zunächst diskutieren. Ob er heute abgeschlossen wird, ist eine Frage für sich.
Wir könnnen zunächst Stellung nehmen, und wenn Sie heute nacht darüber
schlafen, sieht es morgen wieder ganz anders aus. Ich würde bitten, daß der
Kollege Maack als der Berichterstatter des Arbeitsausschusses zum § 1 der
Satzung das Wort nimmt. (Zuruf.)
Ich werde aus dem Kreis der Delegierten gebeten, daß wir den Akt der
Konstituierung einer Arbeitsgemeinschaft mit der TJGO und die Tatsache, daß
wir die Berliner Vertreter als Delegierte bestimmen, dadurch dokumentarisch
festhalten... (Widerspruch. Zuruf: Nein, nur der trizonale Zusammenschluß!)
Nein, daß der trizonale Zusammenschluß, den wir beschlossen haben, protokollarisch
so festgehalten wird, daß gesagt wird: Am heutigen Tage um
16.30 Uhr wurde der Akt vollzogen. Genau wie beim Friedensvertrag.
Ich glaube, dagegen gibt es keine Einwendungen. Das kann geschehen.
Dann hat Kollege Maack das Wort.
Maack (Berichterstatter, Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Wie schon
Kollege Pufal in seinem Bericht erwähnt hat, hat sich der Arbeitsausschuß und
auch die Satzungskommission, die ja dadurch gebildet wurde, daß zu diesem
Ausschuß aus den einzelnen Ländern Kollegen aus Betrieben hinzugezogen
wurden, eingehend ganz besonders mit der Frage beschäftigt: Wohin wollen wir
den Sitz der neuen Hauptverwaltung legen, oder — ich muß mich anders ausdrücken
— was wollen wir dem Gewerkschaftstag vorschlagen, wohin wir den
Sitz des Hauplvorstandes zu legen wünschen?
Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich bedaure ich, daß diese Frage heute
nachmittag übestaaupt noch angeschnitten wird. Ich darf vielleicht meine Meinung
dahingehend ventilieren: Wir werden ja damit nicht zu Ende kommen, •
nachdem wir heute abend noch etwas vorhaben und einigermaßen rechtzeitig
hier weggehen müssen. Mir persönlich ist es natürlich gleichgültig. Ich würde
selbstverständlich diese Frage hier ventilieren lassen.
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns, wie ich sagte, sehr eingehend mit
diesei Frage beschäftigt. Ganz naturgemäß waren hauptsächlich die Kollegen
aus Süddeutschland dafür, daß der Sitz der Hauptverwaltung aus dem Norden
oder vom Noiden heruntergenommen werden sollte. Es ist euch oder Ihnen in
der Fülle der Anträge und Abänderungsanträge, die vorliegen, ja geläufig, daß
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die Mehrzahl der Anträge dahingehen, den Sitz der neuen Hauptverwaltung nach
Frankfurt am Main zu verlegen. (Beifall.) Die Kommission und der Arbeitsausschuß
sind aber trotzdem zu der Auffassung gekommen, dem Gewerkschaftstag
heute vorzuschlagen, den Sitz der Hauptverwaltung nach Hamburg zu verlegen.
(Widerspruch.) Ich darf, weil die Frage ja von grundlegender Bedeutung
ist, hier einmal zum Ausdruck bringen, mit welchem Stimmenverhältnis innerhalb
der Kommission dieser Beschluß gefaßt worden ist. Für Hamburg haben
sich von den anwesenden 17 Kommissionsmitgliedern 14 erklärt. Zwei haben
sich für Frankfurt erklärt, ein Kollege hat sich der Stimme enthalten. Sie können
also daraus ersehen, daß die Argumente, die innerhalb der Kommission für
Hamburg vorgetragen wurden, doch schon so ausschlaggebend gewesen sind, daß
die Mehrzahl der Anwesenden, inklusive der Süddeutschen, sich für Hamburg
erklärt haben, und zwar zunächst einmal aus folgenden Gründen: Unser Ziel
ist der Zusammenschluß unserer Organisation über das gesamte Reichsgebiet.
Was wir eben beschlossen haben und was wir weiter beschließen werden, ist
immer nur erst ein Teilergebnis. Es ist der Zusammenschluß der Westzonen.
Was wir wollen, ist, das ganze Deutschland, alles in einer Organisation unterzubringen.
Im Augenblick, wo uns das gelingt, haben wir die Aufgabe, einmal
ernstlich zu prüfen: Wohin legen wir nunmehr, nachdem wir eine einheitliche
Organisation über das ganze Reichsgebiet bilden, den Sitz für unsere Organisation?
Wir haben uns heute von dem Gedanken leiten lassen, daß wir augenblicklich
vor einer Fülle von Aufgaben stehen und diese Aufgaben sich nach
dem Zusammenschluß noch ganz gewaltig steigern werden. Wir haben den Abschluß
der Rahmentarifverträge vorzunehmen. Wir stehen in täglichen Unterhandlungen
mit den Arbeitgebern über neue Abschlüsse von Lohnabkommen.
Wir müssen die ganze Kraft und die ganze Tätigkeit der Verwaltung in den
Dienst dieser Aufgaben stellen.
Ich möchte einmal zunächst folgendes sagen: Wir haben in Hainburg Räumlichkeiten,
wir haben einen ausgebauten Apparat, wir sind in -Hamburg in jeder
Beziehung in der Lage, räumlich die Aufgaben zu erfüllen, die der neuen Organisation,
zugeleitet werden-. Eine Verlegung oder eine Neuerrichtung einer Hauptverwaltung
in einem Ort, wo derartiges noch nicht vorhanden ist, bedeutet ganz
zweifellos eine Verzettelung der Kraft. Wenn wir Uns vor allen Dingen diese
Argumente vor Augen führen, dann müssen wir, ganz unabhängig von irgendwelcher
stimmungsmäßigen Einstellung oder von sonstigen Dingen, ganz nüchtern
von der Tatsache ausgehen, daß wir der Auffassung sind, daß das gegebenste
im Augenblick sein würde, wenn wir die Hauptverwaltung nach Hamburg
legen, weil dann die Gewähr gegeben ist, daß von hier aus kein Vakuum
eintritt, sondern daß von der neuen Hauptverwaltung tatkräftig für das Wohl
der Kollegenschaft gearbeitet werden kann. Wir schlagen also vor, Hamburg
als den Sitz des Hauptvorstandes zu erklären und damit die Anträge Nürnberg,
München, Hof, Kronach, Bamberg, Bad Kissingen, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,
Naila, KuJmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Coburg,
Hockenheim, Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg, die sich
für Frankfurt aussprechen, ferner die Anträge Frankfurt, Hildesheim, Neuß, die
dafür sind, daß der Sitz an den Sitz der Bundesregierung zu verlegen ist, und
den Antrag Duisburg und Köln, die Köln vorschlagen — Köln hat sich noch ganz
besonders engagiert, indem es die Begründung seines Antrages im Druck niedergelegt
hat — abzulehnen und Hamburg als den Sitz der neuen Hauptverwaltung
zu erklären.
Vorsitzender : Ich habe nun die Meinung, wir haben noch zwei Tage
Zeit für Beratungen. Wir sollten daher jetzt die Begründung überschlafen und
morgen früh mit der Beratung beginnen. Sie Rönnen sich untereinander über
die Probleme unterhalten. Sie haben die Begründung des Arbeitsausschusses
gehört. Sie haben dazu eine gedruckte Begründung bekommen, wo ich nur das
eine herausgreife, was mir in die Augen fällt: Weil die Kölner so vital-heitere
Eigenschaften haben, deswegen sollen wir nach Köln gehen. Die Begründung
62
können Sie sich also einmal durch den Kopf gehen lassen. Morgen früh fangen
wir um 9 Uhr mit den Verhandlungen an. Darf ich fragen, ob Sie damit einverstanden
sind? Widerspruch erhebt sich nicht. Dann wären wir für heute am
Ende unserer Verhandlungen.
• (Die Verhandlungen werden um 16.51 Uhr auf den 25. Mai vertagt.)
Die Verhandlungen werden am 25. Mai 1949 um 9.02 Uhr unter dem Vorsitz von
Wilhelm Weber (Hannover) wieder aufgenommen.
Vorsitzender: Die Gewerkschaftstagung ist eröffnet. Kolleginnen und
Kollegen! Ich kann Ihnen die freudige Mitteilung machen, daß inzwischen unsere
Kollegen aus der Schweiz unter der Führung des Kollegen Leuenberger eingetroffen
sind (Beifall), außerdem, wenn ich nicht irre, auch der Kollege aus
Frankreich. Darf ich an diese Gäste die Frage richten, ob Sie den Wunsch
haben, etwas zu sagen. (Leuenberger: Später!)
Es ist noch ein Glückwunschschreiben eingegangen aus Krefeld, in dem mitgeteilt
wird, daß die Operation des Kollegen Metz gut verlaufen ist. Der Kollege
wünscht dem Vereinigungsgewerkschaftstag den besten Erfolg und sendet allen
alten Kollegen die herzlichsten Grüße.
Sodann habe ich mitzuteilen, daß wir heute ein Geburtstagskind unter uns
haben. Ob er eine ganze Lage zahlt, weiß ich nicht. Der Kollege Konrad
Huber (Köln) ist heute 73 Jahre alt geworden. Er war vom 1. Juni 1907 an Gewerkschaftsangestellter
bei uns. Ich glaube in aller Namen zu sprechen, wenn
ich dem Geburtstagskind die herzlichsten Glückwünsche ausspreche. (Beifall.)
Dann folgen die geschäftsordnungsmäßigen Angelegenheiten: Wir müssen
heute morgen zunächst einmal vorweg die Spesen beschließen, die für die Teilnehmer
an der Gewerkschaftstagung auszuzahlen sind. Der vom Gewerkschaftstag
durch Beschluß gestern legitimierte Arbeitsausschuß hat sich mit den Spesenfragen
beschäftigt und schlägt Ihnen vor, einen Spesensatz von 25 DM je Tag
zu beschließen, das heißt es wird gezahlt für Übernachtung 8 DM und für die
Tagesspesen 17 DM. Wieviele Tage nun die einzelnen Kollegen abwesend sein
müssen bis zu ihrer Rückkehr, das haben sie dein Kassierer mitzuteilen. Wir
haben die Tagesspesensätze nicht nach Stunden gegliedert, sondern für den Tag,
gleichviel ob er voll ist oder nicht. Weil überwiegend Kollegen aus dem
Arbeitsverhältnis da sind, möchte ich gleich von vornherein nicht den Gedanken
aufkommen lassen, daß dies sonst in der Gewerkschaft bei uns üblich ist. Sonst
werden die Spesen für die besoldeten Funktionäre nach der Dauer der Abwesenheit
stundenmäßig bezahlt und entrichtet. Ich erkläre das, damit nach
draußen hin nicht gesagt wird, daß die Angestellten neben ihrem Gehalt noch
jeden Tag 25 DM extra bekommen.
Ich möchte nun einen Beschluß des Kongresses in dieser Frage haben. Wenn
keine Wortmeldung dazu gewünscht wird, bitte ich diejenigen Kolleginnen und
Kollegen . . . (Zuruf: Vielleicht ist es notwendig, daß man den Kollegen erklärt,
daß 9 DM für die Verpflegung abgezogen werden!) Mein Lieber, du mußt immer
warten, bis es soweit ist. Es kommt alles, eines nach dem anderen.
Wer dafür stimimen will, daß ein Spesensatz von 17 DM je Tag und 8 DM
Übernachtungsgeld gezahlt wird, den bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben.
Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. Es ist einstimmig beschlossen.
(Zuruf: Eine Stimme dagegen!) Eine Stimme dagegen!
Kolleginnen und Kollegen! Die Auszahlung wird nach der Mittagspause erfolgen.
Damit kein zu großes Gedränge entsteht, bitte ich, länderweise vorzutreten.
Ich bitte die Delegierten, wenn ihr Land aufgerufen wird, sich in die
Schreibstube zu begeben. (Zuruf: Auch nicht alle auf einmal!) Dann alphabetisch,
nach den Ortsgruppen. Die Gastdelegierten und die älteren Kollegen, die Rentner
und die Jugenddelegierten werden besonders aufgerufen. Es kommen einheitlich
63
60 DM bei der restlichen Spesenzahlung in Abzug, das heißt die 20 DM, die in
der Ortsgruppe ausgezahlt worden sind, und die 40 DM, die wir als Vorschuß
bekommen haben. Wenn nun der eine oder andere Delegierte dabei ist, der in
der Ortsgruppe sein Fahrgeld für die Hinfahrt und die 20 DM nicht bekommen
hat, so muß er sich ein Formular geben lassen und dieses Geld, weil wir sonst
durcheinander kommen, in der Ortsgruppe liquidieren.
Ich möchte dann noch einmal auf den Lohnausfall hinweisen. Der Lohnausfall
wird, das werden Sie aus dem Formular entnommen haben, in der Ortsgruppe
ausbezahlt. Es könnte sein, daß der eine oder andere Delegierte das Auszahlungsformular
noch nicht bekommen hat. Dann fordert er es bei der Auszahlung
in der Schreibstube an.
Für die Verpflegung — und jetzt kommen wir darauf zu sprechen, was der
Delegierte eben gesagt hat — müssen einheitlich je Tag 9 DM in Abzug gebracht
werden. Wir müssen bedenken, der Wirt hat das Essen angeschafft und muß
damit auskommen. (Widerspruch. Zuruf: Es ist zu teuer!) Es kommen für die
Verpflegung 27 DM in Abzug. Ich bitte die Kollegen, dafür Verständnis aufzubringen.
(Zuruf: Es muß aber besser werden!)
Als letztes das Fährgeld. Das Fahrgeld für die Rückfahrt wird einheitlich
als Einzelfahrt gezahlt, und zwar 3. Klasse von München auf dem kürzesten Weg
bis zum Bestimmungsort.
Ich mache darauf aufmerksam, in Abzug wird gebracht von den eben beschlossenen
Spesen der gezahlte Vorschuß, dann die 27 DM Verpflegung dieser
drei Tage hier. Es ist dazwischengerufen worden, es ist zu teuer. Es sind auch
noch andere Bemerkungen gemacht worden. Kollegen, die Lokalkommission, die
mit dem Wirt die Sache abgemacht hat — auch der Arbeitsausschuß hat sich
damit beschäftigt — hat eindeutig festgestellt, daß der 9-DM-Spesensatz für die
Lieferung von Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Abendbrot nicht zu hoch ist.
Daß die Portionen ordnungsgemäß und ausreichend sind . . . (Lebhafter Widerspruch.
Zuruf: Nein, sie sind nicht ausreichend!) So hört doch zu, was ich
sagen will. Ihr fällt ein Urteil, ohne zu hören, was ich sagen will. Daß die
Portionen in Ordnung sind, dafür haben wir Sorge getragen, daß es jetzt so
wird. (Beifall.) Das Frühstück, das gestern ausgefallen ist, wird heute nachgereicht
in Form eines belegten Brötchens.
Dann habe ich hier einen Brief für Fräulein Gertrud Albers. Ich bitte ihn
abzuholen, ferner ein Schreiten für Otto Willke (München). Wer kann das übernehmen?
(Zuruf: Hier!) Da ist der Otto, du bist so still und leise, man hört
dich gar nicht.
Sodann habe ich eine Mitteilung hier von unserem alten Kollegen Paul Bergmann
(Hamburg). (Beifall.) Er schreibt:
An die Delegierten zum Vereinigungsgewerkschaftstag! Leider kann
ich nicht an der vollen Tagung teilnehmen. Mtine Gedanken sind an
diesem Tag in München. Ich wünsche der Tagung einen vollen Erfolg
Neue Wege müssen die deutschen Gewerkschaften finden, um den Kampf
um die Vergrößerung des Anteils am Sozialprodukt mit Erfolg führen zu
können. Voraussetzung ist Zusammenschluß und kluge Führung. Nur
dann sind die Massen eine Macht. Die Erfahrung der Alten, das Vorwärtsdrängen
der Jugend muß eine Synthese finden. Dann werden die großen
Aufgaben der Gewerkschaft erfüllt. In diesem Sinne begrüße ich den
Verbandstag. Paul Bergmann.
Dann liegt weiter ein Glückwunschschreiben der Ortsverwaltung Schwandorf
vor:
Allen unseren Kollegen und Kolleginnen wünscht zum Vereinigungsverbandstag
guten Erfolg. Landesgewerkschaft, Ortsverwaltung Schwandorf.
64
Ein weiteres Telegramm liegt vor von der Ortsverwaltung Stuttgart:
Die Ortsverwaltung Stuttgart entbietet den Delegierten beste Grüße und
wünscht dem Vereinigten Verbandstag in München einen recht guten Verlauf.
Ortsverwaltung Stuttgart. Unterzeichnet: Fink.
Ein weiteres Telegramm lautet:
Die herzlichsten Grüße zum Verschmelzungsverbandstag sendet euch in
engster- Verbundenheit die Verbandsjugend des Berliner Nahrungs- und
Genußmittelindustrieverbandes. Im Auftrag: Hemmel. (Beifall.)
Dann möchte ich noch einige geschäftsordnungsmäßige aufklärende Mitteilungen
machen. Der Arbeitsausschuß muß heute abend nach dem Abendessen
hier zu einer Besprechung zusammentreten. Der Arbeitsausschuß hat sich bereits
mit Vorschlägen für die Zusammensetzung des neuen Vorstandes beschäftigt. Er
hat sich beschäftigt mit der Zusammensetzung des Beirats, des Verbandsausschustes
usw. Er hat aber noch zu regeln die Frage der Besetzung der Delegation
zu der IÖL und hat weiter Vorschläge auszuarbeiten für die Delegation zum
Vereinigungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Diese Arbeit ist noch
nicht erledigt. Ich bitte den Arbeitsausschuß, heute abend nach dem Abendessen
in einem Zimmer dahinten sich zusammenzufinden. Dann bitte ich die
einzelnen Länder, die in Frage kommen, sich spätestens heute schlüssig zu
werden über die Besetzung des erweiterten Vorstandes. Der Arbeitsausschuß
hat Ihnen morgen Vorschläge zu unterbreiten. Er hat schon Vorlagen ausgearbeitet.
Es ist in Aussicht genommen, daß 13'ehrenamtliche Kollegen dem
Verbandsvorstand angehören sollen. Der Wunsch des Arbeitsausschusses, möglichst
den Beruf zu berücksichtigen, der festgelegt worden ist, gilt nicht
unbedingt. Es könnte auch sein, daß Sie einen besser Geeigneten aus einem
anderen Beruf haben. Aber wir wollen die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder
nach Möglichkeit auch über die einzelnen Berufssparten verteilen. Darum haben
Sie diese Anregung gegeben.
Freiburg soll nach Möglichkeit einen Brauer schicken, desgleichen Schwenningen.
Dazu muß die französische Zone eine Frau benennen. (Zuruf.) Ich sage
ja, soweit es schon in Ordnung ist, ist es gut. Aber die Kollegen aus den Zonen
und aus den Ländern, die es noch nicht in Ordnung gebracht haben, zum Beispiel
Niedersachsen oder vielleicht noch andere, von denen ich es nicht weiß,
müssen sich heute im Laufe des Tages über die Benennung eines Vertreters einig
werden. Wlir wünschen, daß die Delegierten dieser Länder sich darüber einig
werden, nicht daß der Arbeitsausschuß Ihnen etwas präsentiert, das die Delegierten
nur so einfach zu schlucken haben, sondern darüber sollen die jeweiligen
Delegierten sich abstimmen.
Die französische Zone hat also noch eine Frau zu benennen. Die US-Zone
soll aus Mannheim einen Kollegen aus der Zuckerindustrie schicken, dann aus
Nürnberg einen Kollegen aus der Genossenschaft, sodann aus Bad Homburg
einen Kollegen aus der Teigwarenindustrie. Die britische Zone soll aus Düsseldorf
einen Kollegen aus der Mühlenindustrie benennen, dann weiter einen Brauer
aus Herford. Niedersachsen soll möglichst einen Vertreter aus der Tabakindustrie
schicken, Hamburg und Schleswig-Holstein gleichfalls je einen Vertreter.
Da ist der Beruf oder die Sparte offengelassen, und es ist den einzelnen Delegierten
überlassen, sich den Geeigneten herauszusuchen, den sie dafür besonders
in Betracht ziehen wollen.
Dann ist weiter in Aussicht genommen, und es ist schon so beschlossen, daß
Ihnen morgen vorgetragen wird, daß die Fischindustrie Cuxhaven eine Frau
stellt und für die Jugend München einen jugendlichen Bäcker benennt.
Das sind die Anträge und Anregungen, die morgen für die Vorstandswahlen
kommen. Ich bitte nun die Länder und die in Frage kommenden Delegierten,
diese Frage soweit zu klären, daß die Vorstandswahl morgen dann ohne große
Störung stattfindet. Darf ich darauf hinweisen, daß die Beiratsmitglieder auf
5 Protokoll 65
dem Gewerkschaftstag nicht gewählt werden, sondern von den Landeskonferenzen.
Hier auf dem Gewerkschaftstag werden wir nur die Industrien duTch
Beschluß feststellen, aus denen die Beiratsmitglieder zu stellen sind. Darüber
wird Ihnen morgen noch Näheres in Vorschlag gebracht werden, so daß hier
Namen nicht erforderlich sind.
Dann habe ich weiter geschäftsordnungsmäßig noch folgendes zu sagen: Es
ist angeregt worden — wo ist der Zettel von der Frau —, daß den Frauen
Gelegenheit gegeben wird, mit den anwesenden weiblichen Delegierten und
Gastdelegierten auch über Frauenfragen sich zu unterhalten. Die Frauen möchten
sich deswegen heute vielleicht am Abend nach Schluß der Tagung zusammensetzen,
um ihre Frauenprobleme zu behandeln. Die Kollegin Bade aus Cuxhaven,
die ja für die Betreuung der Frauen zunächst in Aussicht genommen ist, wird
die Sache in die Hand nehmen. Ich bitte die weiblichen Delegierten, sich an
unsere Kollegin Bade zu halten — die Kollegin (Bade sitzt dahinten — und sich
mit ihr zu verabreden, in welchem Raum Sie sich heute abend treffen.
Dann ist weiter angeregt worden, daß den Delegierten und natürlich auch den
Gästen, soweit der Wunsch besteht, Gelegenheit gegeben wird, morgen abend
in die Dreigroschenoper zu gehen. Der Kollege Langenbach hat die Sache angeregt.
Er wird eine Teilnehmerliste herumgehen lassen. Wer also an dieser
Oper morgen teilnehmen will, den bitte ich, sich darin einzutragen. Der Kollege
Langenbach wird dafür sorgen, daß die Liste zirkuliert.
Dann möchte ich weiter darauf aufmerksam machen, daß sich diejenigen
anwesenden Delegierten und Gäste, die an der Fahrt in die bayrischen Berge
auf den Wendelstein teilnehmen wollen, heute morgen bis 10 Uhr beim Kollegen
Gemsberger melden und eintragen. Nachdem die Spesenfrage geregelt ist, wird
es manch einem eher möglich sein. Eine ganze Reihe hat zurückgehalten, wie
mir bekannt wurde, weil sie nicht wußten, wie sie mit ihrem Portemonnaie ausreichen
würden. Der Kollege sitzt hier. (Zuruf: Fällt die andere Fahrt aus,
die geplant ist?) Nein. Die Tegernseefahrt ist von uns nicht arrangiert. Ich
weiß nicht, wer sie arrangiert hat. Die Teilnehmer, die sich für die Tegernseefahrt
vereinbart haben, mögen das tun. Es möge derjenige die Sache in die
Hand nehmen, der sie bisher in der Hand hatte.
Der Kollege Kollmeyer sagt, daß am Freitag um 1 Uhr sich die alten
Veteranen hier in diesem Lokal treffen. (Zuruf: Um 9 Uhr morgens!) Schön,
also die alten Gäste, die früheren Angestellten, treffen sich am Freitagmorgen um
9 Uhr hier in diesem Lokal.
Dann darf ich darauf hinweisen, daß hier eine ganze Reihe von Mappen
liegengelassen worden ist. Wahrscheinlich gehören sie den ausländischen
Delegierten. Ich darf bitten, daß sie jetzt wieder in Empfang genommen werden.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Zu Punkt 1 des Satzungsentwurfs über >
die Festlegung des Sitzes der neuen Gewerkschaft hat der Kollege Maack die
Begründung gegeben. Willst du noch etwas sagen zum Kölner Antrag oder soll
es hinterher geschehen?
Maack (Berichterstatter, Lübeck): Ich nehme an, daß ich zum Schluß der
Aussprache noch einmal das Schlußwort bekomme. Dann kann der Kollege
Langenbach beruhigt sein, daß ich den von ihm gestellten Antrag in meinem
Schlußwort auch behandeln werde. Sonst hätte ich vorläufig meinen Ausführungen
von gestern abend nichts hinzuzufügen.
Vorsitzender: Dann hat als erster Redner der Kollege Kiel (Butzbach,
Hessen) das Wort. Ihm folgt der Kollege Eimer (Nürnberg).
Kiel (Butzbach): Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maack hat als
Berichterstatter des Ausschusses uns mitgeteilt, daß der Ausschuß beschlossen
hat, den Sitz des Verbandsvorstandes nach Hamburg zu verlegen. Er hat den
Antrag auch außerordentlich geschickt begründet. Wir alle können uns diesem
Beschluß nicht anschließen (Beifall), nicht weil Frankfurt in Hessen liegt, son-
66
dern aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen. (Sehr gut!) Wie war es vor 1933?
Es ist Ihnen allen bekannt, daß fast alle Verbände ihren Sitz in Berlin hatten,
und zwar wohl in erster Linie aus dem Grunde, weil auch der Allgemeine
Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Sitz in Berlin hatte und weil auch die
Regierung dort ihren Sitz hatte. Wenn wir heute wieder Berlin als Reichshauptstadt
hätten, dann brauchten wir uns sicher nicht lange über die Frage zu
unterhalten, wohin der Sitz des neuen Verbandsvorstandes kommt. Aber leider
sind wir noch nicht so weit, und deshalb sind wir schon aus reinen verkehrstechnischen
Gründen der Meinung, daß kein anderer Ort als Frankfurt a. M. in
Frage kommen kann. Aber, Kollegen, wir sind ja sehr gute Demokraten. Wenn
wir uns einmal die Anträge ansehen, so können wir feststellen, daß von 26 Anträgen
22 inhaltlich für Frankfurt a. M. stimmen beziehungsweise Frankfurt a. M.
vorschlagen. Ich meine, daraus geht ganz klar hervor, daß die große Mehrzahl
wünscht, daß der Sitz nach Frankfurt kommt.
Gestern ist von dem Kollegen Maack auch die Raumfrage erörtert worden.
Kollegen, ich hatte kürzlich Gelegenheit, in Hamburg an einer Tagung teilzunehmen.
Wir mußten dann auch irgendwo in einem Raum untergebracht werden,
werden, weil die Gewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten uns keinen
Raum zur Verfügung stellen konnte. Das ist also auch ein Beweis dafür, daß die
Raummöglichkeiten in Hamburg auch nicht so besonders günstig liegen. Wie
sieht es in dieser Beziehung in Frankfurt aus? Wir haben ja in Frankfurt ein
sehr schönes Gewerkschaftshaus. Wenn es auch zur Zeit noch nicht möglich ist,
daß wir den gesamten Verbandsvorstand dort unterbringen, so besteht aber in
allernächster Zeit Aussicht, daß dort ein großer Anbau an das Gewerkschaftshaus
erfolgt. Wir haben gestern beschlossen, daß die Sache endgültig am
1. Januar 1950 reguliert werden soll. Ich glaube annehmen zu können, daß bis
dahin auch der Bau in Frankfurt fertig ist. Wie gesagt, die Raummöglichkeit
ist auch in Frankfurt vorhanden. Es sind bereits eine Anzahl Gewerkschaften zu
Einheitsgewerkschaften zusammengeschlossen, unter anderem die Eisenbahner, die
Gewerkschaft Post und außerdem die Gewerkschaft für das Metallgewerbe, die
alle bereits ihren Stiz in Frankfurt haben. Hinzu kommt, daß die anderen Gewerkschaften,
die sich ebenfalls zusammengeschlossen haben und zunächst einmal
provisorisch ihren Sitz in Stuttgart haben, sich auch ernsthaft mit dem
Gedanken tragen, ihren Sitz ebenfalls nach Frankfurt zu verlegen. Bereits drei
zusammengeschlossene Gewerkschaften haben ihren Sitz also in Frankfurt.
Deshalb haben auch wir den Wunsch, daß der Sitz des Verbandsvorstandes nach
Frankfurt kommt. (Beifall.)
Vorsitzender : Als nächster Redner kommt der Kollege Eimer (Nürnberg).
Ihm folgt Bauer (Heidelberg).
Eimer (Nürnberg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern
erfreulicherweise einstimmig den Beschluß gefaßt, daß wir uns für die nächste
Zukunft zusammenschließen und vereinigen, daß wir also für die nächste Zukunft
gemeinsame Wege gehen wollen. Nun steht als erster Punkt heute der
Sitz des Verbandsvorstandes zur Debatte. Mein Vorredner, der aus Hessen
kommt, hat mir bereits Verschiedenes vorweggenommen. Aber nun gestatten
Sie mir, noch folgendes zu sagen: Wir sind als Süddeutsche bestimmt nicht darauf
versessen, irgendwie zu sagen, der Sitz möchte vielleicht nach Stuttgart oder
München kommen, sondern wir sind der Auffassung, daß der Sitz des Verbandsvorstandes
zumindest zentral gelegen sein muß im Interesse der ganzen Kollegenschaft
unseres Ausbreitungsgebietes. ' Es würde wohl bei unseren Kollegen
draußen nicht allgemein verstanden werden, wenn wir heute auf dem Gewerkschaftstag
beschließen würden, daß der Sitz des Verbandsvorstandes nach Hamburg
kommt. Man argumentiert nun, daß in Frankfurt nicht die nötigen Räume
vorhanden seien und daß man vorerst dort nicht unterkommen könne. Wir Süddeutschen
sind der Auffassung, daß in Frankfurt bestimmt die entsprechenden
Möglichkeiten gegeben sind. Auch verschiedene Kollegen aus Frankfurt haben
5 ' 67
in verschiedenen Unterhaltungen bereits darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit
besteht, den Sitz nach Frankfurt zu verlegen.
Wenn Sie also bei der Abstimmung Ihre Stimme in die Waagschale werfen,
so berücksichtigen Sie dabei, daß wir die Mitgliedschaft draußen zu vertreten
haben in dem Sinne, daß wir mindestens versuchen, auch in dieser Frage einheitlich
vorzugehen und geschlossen mit einer möglichst großen Zahl für den
Sitz in Frankfurt stimmen.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Bauer (Heidelberg). Ihm folgt
Kollege Langenbach (Köln).
Bauer (Heidelberg). Kolleginnen und Kollegen! Es liegen zum § 1 des Entwurfes
insgesamt 30 Anträge vor. 22 dieser Anträge sprechen sich für Frankfurt
a. M. aus, zwei für Köln, zwei für Hamburg und vier Anträge für den Sitz
der westdeutschen Bundesregierung beziehungsweise des Vereinigten Westdemschen
Gewerkschaftsbundes. Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen, daß durch
die Zahl dieser Anträge klar und deutlich manifestiert ist, daß das Gros unserer
Mitgliederschaft den Sitz des Verbandes nicht nach Hamburg haben will. Die
Gründe, die uns süddeutschen Kollegen zu unseren Anträgen bestimmt haben,
sind in sehr langen Diskussionen in den Mitgliedschaften und Delegierten-
Generalversammlungen der Ortsverwaltungen herausgestellt worden. Sie sind
also nicht aus dem Handgelenk geschüttelt. Die Gründe, die der Kollege Maack
als Berichterstatter für die Entscheidung der Satzungskommission herausgestellt
hat, schlagen nach unserer Auffassung nicht durch. Was wäre die praktische
Folge, wenn der Sitz des Verbandes nach Hamburg käme, der Behördensitz entweder
in Frankfurt oder in Bonn ist oder in dessen Nachbarschaft, der Sitz des
Vereinigten Bundes ebenfalls in Frankfurt oder im Rheinland? Das hätte eine
Zweigleisigkeit in unserer Verwaltung zur Folge. Es würde zwangsläufig die
Notwendigkeit entstehen, ein Verbindungsbüro am Behördensitz beziehungsweise
am Regierungssitz und am Sitz des Bundes zu erstellen. Das wäre unnütze Zeit-,
Kraft- und Geldvergeudung. Wir sind der Auffassung, daß wir den praktischsten
und sparsamsten Weg gehen müssen und nicht den unpraktischen. Die
Gründe der süddeutschen Kollegen sind nicht partikularistischer Natur. Sie entspringen
zum Teil psychologischen Gründen, auf die ich nicht näher eingehen
will, aber die ich kurz andeute in dem Sinne, daß wir wollen, daß der Sitz des
Verbandes im Herzen unseres Organisationsgebietes liegt.
Die praktische Überlegung habe ich bereits herausgestellt. Nun, Kolleginnen
und Kollegen, spreche ich speziell für meine Ortsgruppe Heidelberg. Ich habe
auch den Auftrag für die übrigen benachbarten Ortsgruppen Hockenheim, Heilbronn,
Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim. Alle diese Ortsgruppen haben Antrag
gestellt für Frankfurt a. M. Als dieser Antrag geboren wurde, war anzunehmen,
daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Sitz der westdeutschen Regierung nach
Frankfurt kommen werde. Die -Gründe, die in der Begründung des Kölner
Antrags, den Sie in Ihren Mappen haben, herausgestellt sind, waren damals
für uns ausschlaggebend. Inzwischen hat der Parlamentarische Rat entschieden,
die Bundesregierung kommt nach Bonn. Ob das so bleiben wird, wissen wir
nicht. Es könnte sehr wohl möglich sein, daß sich das in den kommenden
Wochen ändert. Wir wissen alle, mit welch kleiner Majorität der Beschluß Bonn
zustande gekommen ist. Wir wissen, daß Kräfte am Werk sind, die etwas anderes
wollen, die wiederum Frankfurt a. M. auf die Tagesordnung stellen werden. Tim
aber einen einheitlichen Nenner zu finden zwischen allen Anträgen, die nicht,
nach Hamburg wollen, haben wir uns dafür entschieden, daß wir sagen: Weder
Frankfurt noch Köln, d. h. wir stellen keine dieser beiden Städte exakt heraus,
sondern wir schließen uns an dem Antrag, der von Frankfurt a. M. selbst kam
und der sagt, daß der Verwaltungssitz unserer Gewerkschaft am Sitz der
Bundesregierung bzw. am Sitz der Verwaltung des Westdeutschen Gewerkschaftsbundes
oder aber in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sein soll. Diesen Antrag
unterstützen wir, und wir bitten den Gewerkschaftstag, dasselbe zu tun und
diesem Antrag seine Stimme zu geben. Wir haben keine einstweilige Lösung
zu treffen in dem Sinne, wie der Kommissionsantrag dies letzten Endes zur
Folge haben würde. Wir haben auch keine Doppelgleisigkeit zu erstreben,
sondern wir haben für die Zeitdauer, für die wir leider kein vereinigtes Deutschland
haben und keine vereinigte Gewerkschaftsbewegung für unser ganzes
Vaterland, den Verbandssitz so zu gestalten, daß er auch für diese Zeit konstant
ist. Ich bitte den Gewerkschaftstag um Unterstützung unserer Anschauung.
Vorsitzender : Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die ehrenvolle Aufgabe,
den Vertreter der bayrischen Militärregierung, Mr. Fiebach, der erschienen
ist, zu begrüßen. Ich begrüße ihn auf das herzlichste und bitte, durch unsere
intensive, fleißige und gründliche Arbeit den Eindruck mitzunehmen, daß die
neue Gewerkschaft, die hier geformt wird, bestrebt ist, absolut auf demokratischer
Grundlage die Besserung der Lohn-, Arbeits- und sonstigen Bedingungen
der Arbeitnehmerschaft herbeizuführen. Das ist der Sinn unserer heutigen
Tagung. Diesen Eindruck, wünsche ich, mögen auch die Vertreter der Militärregierung
von hier mit nach Hause nehmen. (Beifall.) Das Wort hat der Kollege
Langenbach (Köln). Ihm folgt der Kollege Schildknecht (Hamburg).
Langenbach (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde mit Recht
betont, die Delegierten sollten sich ihrer großen Verantwortung bewußt sein.
Aber gerade aus dieser großen Verantwortung heraus haben wir den Antrag
gestellt, Köln möge der Sitz des Verbandsvorstandes sein. Wir sind uns bei
diesem Antrag darüber klar, daß wir unseren Antrag sofort zurückgezogen hätten,
wenn Frankfurt Sitz der Regierung geworden wäre. Wir sind auch selbstverständlich
damit einverstanden, wenn wir den Frankfurter Antrag annehmen,
der ja bedeutet, daß der Sitz des Verbandes in der Nähe des Regierungs- und
Bundessitzes sein soll. Wir sind uns klar darüber, daß wir nur Wert darauf
legen, den Sitz des Verbandsvorstandes an einen Platz zu verlegen, der die bestmögliche
Ausnutzung für die Organisation ergibt und der vor allen Dingen
auch für die Organisation am billigsten ist. Denn wir müssen uns darüber klar
sein: Sitzt die Hauptverwaltung in Hamburg, muß sie eine Nebenstelle in der
Nähe von Bonn, in der Nähe des Eundessitzes, unterhalten. Die Kollegen, die
bereits vor 1933 Angestellte und Funktionäre waren, wissen ja, daß der damalige
DENAG, der noch längere Zeit in Hamburg war, dauernd ein Büro in Berlin
unterhalten mußte, um mit den Regierungsstellen in Kontakt zu bleiben.
Es wurde hier zur Begründung angeführt, daß auf lohnpolitischem Gebiet
und bezüglich der Tarifpolitik dringend etwas geschehen muß. Wir dürfen aber
wohl sagen, daß Hamburg zweifellos der ungeeignetste Platz ist, etwas dafür zu
tun. Zweifellos liegen die iDinge so: Die Lohn- und Tarif Politik kann nur im
engsten Zusammenhang mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und mit dem
Arbeitsministerium gemacht werden. Wir dürfen uns 1 wohl darüber klar sein,
daß in Zukunft in erheblichem Umfange notwendig ist, mit den zuständigen
Stellen des Arbeitsministeriums zusammenzuarbeiten, wie ich bereits in meinem
Flugblatt sagte. Wir müssen das Nachtbackverbot für die gesamten Westzonen
gesetzlich neu regeln, wir müssen die Frage der Trinkgeldbesteuerung über alle
Westzonen gleichmäßig regeln, wir müssen manche Fragen, die gerade unsere
Berufe angehen, in einer Form regeln, daß sie einheitlich für alle drei Westzonen
sind. Das kann nur geschehen in engster Zusammenarbeit mit den zuständigen
Behörden. Es ist ja auch eigentümlich, daß noch nicht alle Behörden für
die Westzonen in Hamburg liegen! Nicht eine einzige liegt dort, sondern sie
Hegen alle im Westen, in Frankfurt, in Köln usw. Das Obergericht ist in Köln,
die Finanzverwaltung und die anderen Stellen sind vorläufig in Frankfurt.
Nun zur Raumfrage einige kurze Bemerkungen. In Köln hat das gewerkschaftswissenschaftliche
Institut ein neues Heim bekommen. Wir haben
inzwischen drei neue Häuser zurückbekommen, und wir haben eine ganze Etage
frei im Gewerkschaftshaus. Ich habe mich in Verbindung gesetzt mit Dr. Ebers.
Wir könnten auch das Haus von den Staats- und Gememdearbeitern im Zentrum
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der Stadt bekommen mit etwa 30 Räumen. Es müßte etwas geändert werden.
Wir haben es bisher nicht fertiggestellt, damit es nicht für Wohnungen beschlagnahmt
wird. Der Bund will es für andere Zwecke freihalten. Auch in dieser
Beziehung ist für alles gesorgt.
Kolleginnen und Kollegen! Köln liegt zentral, auch Frankfurt liegt zentral.
Das kann man von Hamburg nicht sagen. Ich glaube, es ist keiner hier, der es
so begründet. Es kommt weiter hinzu, daß das Leben, die Wirtschaft in der
Hauptsache im Westen konzentriert ist. Ich erinnere nur daran, daß die Masse
unserer Mitglieder und auch die Masse der Mitglieder in den übrigen Organisationen
doch im Westen zusammengezogen ist. Dann darf man eines nicht vergessen.
Wir haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß der Verbandssitz an
einen Platz kommt, an dem er fruchtbringende Arbeit leisten kann. Ich darf
wohl auch darauf hinweisen, daß vorläufig der Verbandsvorstand in Hamburg
vorerst auch nur fünf Räume zur Verfügung hat und daß keinerlei Unkosten mit
dem Umzug verbunden sind. Denn wir gründen heute eine neue Organisation,
und wir sind uns alle darüber klar, daß dieser Zustand nur so lange dauert, bis
auch die letzte Zone zu uns gestoßen ist. Aber wir müssen schon in diesem
Augenblick dafür sorgen, daß die Organisation rationell arbeiten kann und daß
sie in engster Verbindung mit den zuständigen Institutionen für die Durchsetzung
der Wirtschaftsdemokratie und vor allen Dingen auch für die politische Besetzung
der Industrie- und Händelskammern bzw. der Wirtschaftskammern und
Handwerkskammern zu sorgen hat. Das kann sie nur im Zusammenhang mit
den maßgeblichen Behörden.
Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, den weitestgehenden
Antrag zu unterstützen, der dahin geht, den Sitz des Bundes dorthin zu verlegen
oder in die Nähe des Regierungssitzes oder in die Nähe des Sitzes des
Bundes. Im übrigen beantrage ich, über diesen Punkt geheim abzustimmen.
Vorsitzender: Kollegen, ich glaube, es bedarf das keines Antrages. Für
mich war es ganz selbstverständlich, daß wir bei diesen widerstrebenden Auffassungen
hierfür geheim abstimmen. (Zustimmung.) Wenn das die Meinung des
Gewerkschaftstages ist, erübrigt sich der Antrag. Ich stelle Ihr Einverständnis
fest. Es sind schon alle Vorbereitungen für die Abstimmung getroffen.
Das Wort hat der Kollege Schildknecht (Hamburg). Ihm folgt Krautter
(Hannover).
Darf ich noch eines sagen. Wir haben noch 10 Wortmeldungen. Ich habe
eine Bitte — es kommen sicher noch mehr —, daß sich die Redner möglichst
mit fünf Minuten begnügen, weil man das, was man hierzu sagen will, auch in
fünf Minuten sagen kann.
Schildknecht (Hamburg): Wenn wir von Hamburg aus den Antrag
stellten, den Hauptsitz nach Hamburg zu nehmen, so hat das mit Lokalpatriotismus
in keiner Beziehung etwas zu tun, sondern wir haben uns in dieser
Frage einfach von Zweckmäßigkeitsgründen leiten lassen. Es besagt auch nichts,
wenn bereits 22 Anträge vorliegen, die aus Süddeutschland usw. gestellt worden
sind. Warum sind nicht auch aus Norddeutschland mehrere Anträge gekommen?
Aus dem einfachen Grunde, weil man sich von vornherein darüber klar war.
daß der Sitz Hamburg bleibt, on die Arbeit des Hauptvorstandes laufend weitergehen
zu lassen. Denn nicht die Zahl der eingelaufenen Anträge entscheidet
heute, sondern es entscheiden die Delegierten.
Es steht doch fest, daß heute in Hamburg eine Verwaltung tätig ist, von der
aus bereits von unserer Gesamtmitgliederzahl von 224 000 126 000 verwaltet
werden. Wenn gestern der Antrag zum Beschluß erhoben worden ist, daß der
neue Verbandsvorstand seine Arbeit spätestens am 1. Januar 1950 aufnehmen
soll, so bedeutet das ja nicht, daß diese Arbeit unbedingt bis zu diesem Zeitpunkt
hinausgeschoben werden muß, sondern wir Hamburger sind der Überzeugung,
daß in dem Augenblick, wo der Hauptvorstand nach Hamburg kommt,
weil auf Grund der vielen Vorbereitungen die Voraussetzungen hier tatsächlich
vorhanden sind, die Arbeit des neuen Hauptvorstandes schnellstmöglich aufge-
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nommen werden kann. Die Raumfrage und alle diese Fragen sind in Hamburg
geklärt. Ich glaube, daß diesem Antrag tatsächlich nichts mehr hinzuzufügen
ist. Kommen wir nach Hamburg mit dem Hauptvorstand, mit dem nächsten
Verbandstag, an dem Deutschland ein wirklich geeintes Deutschland ist, ist dann
die Frage nach meiner Auffassung aktuell, darüber zu diskutieren, wo, wenn
der Osten dabei ist, endgültig der Hauptsitz der Industriegewerkschaft hinkommen
soll. Zunächst bleibt es nach unserer Auffassung bei Hamburg. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Krautter (Hannover). Ihm
folgt Ruft (Düsseldorf).
Krautter (Hannover): Wir haben die widersprechendsten Auffassungen
der verschiedenen Kollegen für Frankfurt, für Köln oder für Hamburg gehört.
Auch ich möchte für Niedersachsen folgendes ausführen: Wenn wir uns heute
zu entscheiden haben, wohin der Verbandssitz kommt, so muß hier wirklich die
Stimmung der Mitgliedschaft zu Ausdruck kommen. Die Stimmung der Mitgliedschaft
können wir aber nicht nur einseitig nach Süd- oder Norddeutschland
entscheiden, sondern ihr muß meiner Auffassung nach so Rechnung getragen
werden, daß nicht die Anzahl der Anträge entscheidet, sondern daß der tatsächliche
Wille der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommt, daß entscheidend ist,
welche Möglichkeiten für unseren Verbandsvorstand bestehen, die besten Lohnund
Arbeitsbedingungen zu schaffen und endlich zu einem anständigen Lebensstandard
für unsere Arbeiterschaft zu gelangen.
Wenn wir hier die Entscheidung treffen müssen, so müssen wir uns meiner
Auffassung nach von der Voraussetzung leiten lassen, daß der Umzug, der ja
ohne Zweifel von der heutigen Entscheidung abhängt, mit riesigen Unkosten
verbunden sein muß. Wenn die Kollegen aus Köln uns die verschiedensten
idealsten Gesichtspunkte" klarlegen, so können wir diese Dinge nicht ganz
bestreiten. Aber die Tatsache, daß die Kosten des Umzugs nicht klein sein
werden, muß bei der Entscheidung mit berücksichtig werden. Und wenn in
Hamburg, wie ein Kollege ausgeführt hat, nur fünf Räume vorhanden sind, so
glaube ich, daß dort Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden können, daß also
mehr Räume zur Verfügung stehen könnten. Wenn wir Köln oder Frankfurt
nehmen, so müssen diese Unterbringungsmöglichkeiten erst geschaffen werden.
Es müssen Umbauten vorgenommen werden, es müssen die Vorstandskollegen,
die heute im Vorstand sind und in Hamburg sitzen — ich nehme an, daß ein
großer Teil von ihnen mit in den Verbandsvorstand hineinkommt —„umsiedeln.
Diese Dinge gehen zu Lasten der Mitgliedschaft, und die Kosten sind nicht klein.
Aus diesem Grunde — halt, einen Punkt habe ich noch vergessen. Wir müssen
uns entscheiden, ob der Sitz des Hauptvorstandes in die Nähe des Regierungssitzes
kommt. Kollegen, ich glaube wir sind alle der Meinung, daß dieser
Regierungssitz, so wie er jetzt vom Parlamentarischen Rat beschlossen worden
ist, nicht endgültig sein wird, sondern das wird sein, daß wir wieder die Reichshauptstadt
bekommen, die wir auch einmal gehabt haben, und daß dann in dieser
Reichshauptstadt wieder der Verbandsvorstand seinen Sitz hat, wie er es ehemals
hatte. In dem Glauben, daß diese Dinge in der nahen Zukunft eintreten werden,
möchte ich dafür plädieren, daß wir den vorläufigen Sitz in Hamburg lassen
und dann, wenn die Umsiedlung oder die endgültige Festlegung der Regierungshauptstadt
feststeht, dorthin übersiedeln, wo auch die ganzen Behördenvertreter
und Regierungen ihren Sitz haben. (Beifall.) •
Vorsitzender: Es spricht der Kollege Ruft (Düsseldorf). Ihm folgt
Selpin (Hamburg).
Ruff (Düsseldorf): Kolleginnen und Kollegen! Die Meinungen über die
Sitzverlegung bzw. über den Sitz des neuen Verbandsvorstandes sind sehr verschieden.
Die Vorbereitungskommission hat ja mit Mehrheit Hamburg bestimmt.
Ich habe nicht die Absicht, mich auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren,
sondern ich stelle mich auf den Standpunkt, daß der geeignete Ort notwendig
ist, um allen Wünschen in dieser Hinsicht Rechnung zu tragen. Wenn beispiels-
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weise Hamburg in der Mitte liegen würde, würde ich heute ohne weiteres für
Hamburg stimmen. Mir ist nicht entscheidend der Ort, sondern entscheidend
ist, wie wir unsere Arbeit am besten leisten können. Hamburg hat eine alte
Tradition, aber, Kolleginnen und Kollegen, auch andere Orte haben Traditionen.
Sodann muß gesagt werden — das ist bereits zum Ausdruck gebracht worden —,
daß, .wenn der Biundessitz in die Mitte des westlichen Gebietes verlegt würde,
es außerordentlich schwierig sein würde, in dieser Hinsicht die Verbindung mit
dem Bündessitz aufrechtzuerhalten. Dazu kommt noch der Regierungssitz. Entweder
ist es Bonn oder es ist Frankfurt. Auf jeden Fall wird der Sitz mehr in
das westliche Gebiet verlegt als nach dem nördlichen Gebiet.
Des weiteren möchte ich einen Punkt hinzufügen, der heute noch nicht
erwähnt worden ist. Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Umzug riesige
Unkosten verursachen würde. Ja, Kollegen, darüber sind wir uns klar, daß wir
immer Unkosten haben. Aber glauben Sie vieleicht, wenn der Sitz in Hamburg
bleibt, daß dann die Unkosten geringer sind? (Sehr gut!) Stellen Sie sich einmal
vor, welche riesigen Unkosten wir allein durch Fahrgelder aufzubringen haben,
wenn wir vom äußersten Süden bis nach dem äußersten Norden unseren Sitz
verlegen. Das würde meiner Ansicht nach zweifellos die Unkosten aufwiegen,
die wir in dieser Hinsicht durch die Verlegung zu verzeichnen haben.
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch den Kollegen von Süd- und
Mitteldeutschland, vom Rheinland usw. Rechnung tragen. Nachdem die meisten
Kollegen und Ortsverwaltungen von Süddeutschland den Wunsch geäußert
haben, den Sitz nach Frankfurt zu verlegen, glaube ich, kann man nicht so mit
einer Handbewegung darüber hinweggehen. Wir wollen in dieser Hinsicht die
Mitte herauswählen und wollen uns den besten Weg heraussuchen, damit alle
Kollegen gleichmäßig weit nach dem Sitz des Bundes haben, wodurch wir eine
ganz beträchtliche Summe Fahrgeldes ersparen können.
Der Kollege Maack ist der Auffassung, daß man solange warten soll, bis
eine Einigung mit der Ostzone erfolgt ist, die dann sowieso eine Verlegung
des Sitzes notwendig machen würde. Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir
werden noch ziemlich lange warten müssen, bis eine Einigung an' der Weise
erfolgen kann, daß wir auch eine Sitzverlegung nach Berlin oder irgendeinem
Zentralpunkt erwägen können. Ich meine, wir können uns von dieser Aufassung
nicht leiten lassen, sondern wir stehen auf dem Standpunkt: Wenn heute eine
Sitzverlegung bzw. eine Festlegung des Sitzes vorgenommen wird, dann kann
sie nur nach der Mitte des Westens erfolgen. Ob das Frankfurt oder Köln ist,
ist mir gleichgültig. Auf jeden Fall glaube ich damit den Kollegen von Süddeutschland
und auch den Kollegen vom Rheinland und ihren Wünschen
Rechnung zu tragen. (Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht Kollege Selpin (Hamburg). Ihm folgt Holler
(Neuß).
Selpin (Hamburg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Arbeitsausschuß
mit so großer Mehrheit Hamburg als Sitz des Hauptvorstarjdes vorgeschlagen
hat, dann ist der Verbandstag meines Erachtens gehalten, sich diese
wichtige Auffassung zu eigen zu machen. (Widersprucfl.) Wenn ich als Tabakarbeiter
zu dieser Frage Stellung nehme, dann als Vertreter der Genußmittelindustrie.
Ich glaube aber auch, daß die Nahrungsmittelindustrie ein bestimmtes
Interesse daran hat, auf Grund der Steuergesetzgebung mit der Bundesregierung
eng in Kontakt zu sein, damit unsere Interessen gut vertreten werden können.
Aber, Kollegen, wir können heute noch nicht sagen, daß Bonn die Hauptstadt
der Bundesrepublik werden wird, sondern es können doch meines Erachtens aus
denselben Gründen, die hier für Frankfurt ins Feld geführt wurden und denen
ich mich vollinhaltlich anschließe, auch die anderen Punkte ins Feld geführt werden,
nachdem die politische Situation noch nicht endgültig geklärt ist. Wir haben
doch gleich nach der Annahme Bonns als Bundeshauptstadt gesehen, daß sich
große Widerstände aus dem Süden erhoben haben. Ich nehme nicht an, auch wenn
wir Berlin mit hinzunehmen, daß Bonn letzten Endes die Hauptstadt der Bundes-
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epublik werden wind. (Zuruf: Vorläufig ja!) Aber die Wünsche gehen dahin,
daß wir unseren Hauptvorstand an diesen Sitz verlegen. Diesen Wunsch habe
ich auch. Aber nachdem die politische Situation noch nicht geklärt ist, soll
j:ch der Verbandstag wahrlich überlegen, ob er bei einem Kassenbestand von
ICO 000 Mark noch eine Sitzverlegung des Vorstandes vornehmen soll, die, wie
mein Vorredner ganz richtig sagte, doch mit ziemlich hohen Kosten verbunden
ist. Es sind also reine Zweckmäßigkeitsgründe, die meines Erachtens auch den
Arbeitsausschuß veranlaßt haben, von einer Sitzverlegung des Vorstandes
Abstand zu nehmen. Ich bin auch der Auffassung, mich dieser Zweckmäßigkeit
anschließen zu müssen. Ich bitte den Verbandstag, dasselbe zu tun, denn die
endgültige politische Klärung, auch die endgültige Festsetzung unserer Grenzen
wie der Wunsch, daß wir wieder ein vereinigtes Deutschland sein wollen mit
Einschluß der Ostzone läßt es meines Erachtens dem Verbandstag angeraten
sein, von einer Sitzverlegung des Vorstandes im Augenblick abzusehen.
Dann mächte ich hinzufügen, daß ja gerade der Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband
doch auch in dieser Beziehung eine gewisse Tradition hat, da
der Sitz bereits in Hamburg war. Wir als Tabakarbeiter hatten unseren Sitz
in Bremen, trotzdem Berlin die Hauptstadt war. Ich will das nicht als den
schönsten Zustand verherrlichen, im Gegenteil, wir haben als junge Kollegen
damals dafür gesprochen, daß Berlin Sitz des Hauptvorstandes werden sollte. Es ist
nicht geschehen, aus Traditionsgründen nicht. Aber nicht nur aus Trad'itionsgründen,
sondern meines Erachtens aus Zweckmäßigkeitsgründen bitte ich Sie
davon abzusehen, den Sitz des Vorstandes aus Hamburg zu verlegen. Ich bitte
anzuerkennen, daß auch die Süddeutschen sich einen Augenblick dazu verstehen,
Hamburg als Sitz des Hauptvorstandes zu belassen.
Vorsitzender: Zur Geschäftsordnung spricht Lukner (Freiburg).
Lukner (Freiburg): Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Erörterungen
in diesem Punkt sind so eingehend erfolgt, daß kein Delegierter im Saale sein
wird, der durch weitere Ausführungen eine Entscheidung ändern würde. Ich
stelle deshalb den Antrag auf Schluß der Debatte.
Vorsitzender : Kollegen, geschäftsordnungsmäßig muß bzw. kann einer
dagegen sprechen. Ich möchte bitten, in dieser Sache die Aussprache noch nicht
abzubrechen, sondern daß wir noch einige Minuten darüber reden. Wir können
es uns dann noch überlegen. (Zurufe: Ich spreche dagegen!)
L u k n e r (Freiburg): Wieviele Redner sind noch vorgemerkt?
Vorsitzender: Acht Redner! Trotz allem würde ich bitten, noch einen
Augenblick zu warten. Die Herzen haben sich noch nicht genügend entlüftet.
Ich würde empfehlen, fünf Minuten Redezeit zu beschließen. (Allgemeine
Zustimmung. Zuruf: Aber nur für diesen Gegenstand!) Lieber Gott, selbstverständlich.
Ihr seid mißtrauische Geister! Ihr habt wenig Vertrauen. (Heiterkeit.)
Das Wort hat der Kollege Holler (Neuß.) Ihm folgt der Kollege Remppel
(Stuttgart).
Holler (Neuß): Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen im Augenblick vor
einer sehr ernsten Situation. Als ich vor zwei Jahren die Ehre hatte, in Hamburg
auf unserem Verbandstag der britischen Zone zu sein, habe ich ebenfalls zu
diesem Thema gesprochen. Ich würde es heute als eine Pflichtverletzung
betrachten, wenn ich nicht zu dem von mir gestellten Antrag selbst sprechen
würde. Kollegen, unsere Ortsgruppe Neuß hat den Antrag gestellt, daß der Sitz
der Hauptverwaltung der zukünftigen Organisation, d. h. unserer jetzigen Organisation
am Sitze der Bundesregierung oder in dessen Nähe sein soll. Bei der
Begründung des Antrags ließen Wir uns von folgenden Gesichtspunkten leiten:
Wir müssen bedenken, daß bei uns als gewex-kschaftlicher Bewegung wie als
Organisation nicht nur die Lohnbewegungen und die Tarifbewegungen im Vordergründe
stehen, sondern das Hineinwachsen in die Wirtschaft, das Mitgestaltungs-
Md Mitbestimmungsrecht in der Wirtschaft. Kollegen, da haben wir gesagt, die
Bewegung muß dort ihre Hand und ihr Ohr haben, wo wir den notwendigen
73
Einfluß gewinnen können. Das war und ist meine heiligste Überzeugung. Es ist
nicht ganz einfach, einen Sitz zu verlegen. Ich weiß das, aber Kollegen, wir
stehen vor der Frage, Wie dienen wir am besten unseren Menschen, die uns das
Vertrauen geschenkt haben, wie finden wir den Weg, daß wir aus der Organisation
herauskommen und Bewegung werden? Kollegen, das können wir meines
Erachtens am besten dadurch, wenn wir alle Kräfte dort zusammenfassen, wo
die größte Wirkung erzielt wird. Ich bitte deshalb, daß die Delegierten und der
Verbandstag einen Beschluß dahingehend fassen, daß der Sitz am Orte der
Bundesregierung oder in der Nähe ist. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Remppel (Stuttgart). Ihm folgt
Pufal (Hamburg).
Remppel (Stuttgart): Die aufgeworfene Frage ist ohne Zweifel wert, eingehend
diskutiert zu werden. Aber wir dürfen uns nicht von Gefühlsmomenten
leiten lassen. So erkläre ich es mir und kann es mir nur erklären, daß 22 Ortsverwaltungen
Frankfurt als Sitz beantragt haben. Wenn ich als Süddeutscher
aus Stuttgart für Hamburg plädiere, dann gestatten Sie mir auch die Begründung.
Nicht die 16 Stunden Eisenbahnfahrt von Stuttgart nach Hamburg und das ewige
Regenwetter in Hamburg und die mitunter sehr schlechte Unterbringung und
nicht zuletzt die manchmal nicht sehr freundliche Haltung unseren süddeutschen
Belangen gegenüber durch die Kollegen in Hamburg bewegen mich, für Hamburg
zu plädieren. Es ist etwas anderes. Kolleginnen und Kollegen, man sagt immer,
der Sitz unserer Gewerkschaft muß zentral gelegen sein. Kollegen, es ist gleichgültig,
ob die Norddeutschen nach Frankfurt fahren oder die Frankfurter nach
Norddeutschland. Das kostet nämlich genau soviel. Dieser Grund müßte also
ausscheiden. Dann, Kollegen, sagt man, wir müssen dorthin, wo die Behörden
sind. Das ist ohne Zweifel richtig. Aber wo sind sie denn im Augenblick?
Dann heißt es, wo der Bundessitz, ist. Das müßte aber vorher noch geklärt
werden. Kollegen, im Oktober wird sich der neue Gewerkschaftsbund konstituieren.
Auch er wird seinen Sitz bestimmen; glauben Sie denn, daß es sich
der Gewerkschaftsbund leisten kann, irgendwo seinen Sitz zu nehmen, wenn
nicht die Bundesregierung auch am gleichen Platz ist. Das ist fast undenkbar.
Also müßten wir heute praktisch beschließen, daß wir dorthin gehen, wo der
künftige Gewerkschaftsbund ist. Im Oktober werden die Beschlüsse über den
Sitz gefaßt. Ein halbes Jahr — ich wage wenig — gehen darüber hin, bis dann
endlich dieser Bund seinen Sitz halbwegs eingerichtet hat. Dann müßten wir
gleichzeitig unsere Sitzverlegung durchführen. Das wird aber eher mehr als
weniger Schwierigkeiten geben. Es kommt hinzu, daß wesentliche Kosten durch
eine solche Ummöblierung entstehen. Es handelt sich nicht nur um Büroräume,
sondern auch darum, -daß man verpflichtet wird, Wohnungen zu errichten, um
die Menschen unterzubringen. Ob wir uns das mit den Beiträgen leisten dürfen,
möchte ich anzweifeln. Ich werde das auch noch nachher begründen.
Wlas für mich das Wesentlichste ist, Kollegen, wir geben uns heute eine
Satzung, die grundverschieden ist von dem, was bisher war. Das bringt mit sich,
daß der künftige Hauptvorstand nicht nur organisatorisch, finanztechnisch, sondern
auch tarifpolitisch, also in jeder Frage, die unser ureigenstes Gebiet ist,
das entscheidende Wort zu sprechen hat. Stellen Sie sich jetzt vor, wir haben
in Hamburg einige Kollegen, die in der Lage sind, auf diesem Gebiet etwas zu
arbeiten und einige Erfahrung besitzen. Das wollen wir nicht bestreiten, nachdem
sie heute schon über 100 000 Mitglieder betreuen. Jetzt sollen wir uns bei
diesen ganzen Arbeiten noch damit beschweren, daß wir Umzugssorgen haben,
daß wir Umzugskosten auf uns nehmen? Dann sagen Sie mir einmal, bis wann
eine praktische Arbeit möglich sein soll. Das möchte ich Sie einmal allen
Ernstes fragen.
Ich habe einige Erfahrungen auf diesem Gebiet. Ich weiß, daß wir in bezug
auf Sozialpolitik und Arbeitsrecht die kommenden Gesetze beeinflussen wollen
und müssen. Aber, Kollegen, wir sind doch nur eine von den 15 Industriegewerkschaften.
Dieses Gebiet wird also im wesentlichen vom Bund bestritten
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werden. Was wir bei den Verhandlungen anstreben müssen, ist, was heute in
Frankfurt bereits geschieht durch unseren Kollegen Wiegand, daß wir nämlich
in den Fragen, die unser ureigenstes Gebiet sind, nämlich das Gebiet der
Nahrungs- und Genußmittelbetriebe, versuchen, unseren Einfluß geltend zu
machen. Aber die Zwangsbewirtschaftung befindet sich doch Gott sei Dank auf
der absteigenden Linie. Wieweit an ihre Stelle eine Planwirtschaft tritt, wieweit
wir uns hier durchsetzen können, das wird das künftige Parlament zeigen. Wenn
eine Planwirtschaft an ihre Stelle tritt, dann wird dieser Mittelsmann, der seine
Erfahrungen mit den Menschen und den Behörden und mit der Materie durch
jahrelange Zusammenarbeit gewonnen hat, sie in die Waagschale werfen.
Ich darf mich kurz fassen, Kollegen. Ich gehe davon aus: Ich spreche nicht
im Auftrag der süddeutschen Kollegen, sondern aus Verantwortungsbewußtsein.
Ich sage, wir dürfen es uns nicht leisten, daß wir jetzt ummöblieren, wo wir
nicht wissen, wo der künftige Bundessitz und die Regierung ist. Ich hoffe, daß
wir in zwei Jahren wieder zusammenkommen. Ich hoffe/daß dann Berlin die
Hauptstadt ist. Ich glaube, dafür sprechen einige Anzeichen, die man heute
schon in der Presse zwischen den Zeilen sehen kann. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß wir diese Zentrale als Hauptstadt bekommen, und zwar rascher als wir
denken.
Ich fasse zusammen: Kolleginnen und Kollegen! Wir können es uns nicht
leisten, bei aller Antipathie, die vielleicht gegen Hamburg herrscht, jetzt in
einer Zeit, wo alles im Fluß ist, umzumöblieren und in zwei Jahren wieder
umzumöblieren, was viel kosten wird. Mein Antrag geht daher dahin: Stimmen
Sie für Hamburg. Damit ersparen wir uns viele Kosten und viel Ärger.
Vorsitzender: Eine Mitteilung. Soeben ist einer unserer ältesten und
besten Kämpfer und Veteranen aus der Ostzone, der Kollege Hätschold, eingetroffen.
(Beifall.)
Als nächster Redner spricht der Kollege Pufal (Hamburg). (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)
Ihm folgt der Kollege Boos (Dortmund). (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)
Das Wort war schon erteilt.
Pufal (Hamburg): Es wurde vorhin von dem Kollegen Langenbach geäußert,
daß die vorliegenden Anträge für Frankfurt, gestellt aus 22 Ortsgruppen
der Industriegewerkschaften, den Beweis lieferten, daß die Demokratie in
diesem Falle maßgebend sei. Ich halte mich für verpflichtet, darauf hinzuweisen,
daß wir in dieser Anzahl von Ortsgruppen r.icht vertreten sind, sondern
daß wir in unserer neu beschlossenen Industriegewerkschaft 987 Ortsgruppen
haben. Es wurde vorhin von dem Kollegen Schildknecht ausdrücklich gesagt,
daß die Ortsgruppen Norddeutschlands keinen Antrag für den Verbandssitz
gestellt haben, weil die Kollegen aus Norddeutschland sich mit dem Bericht
des Arbeitsausschusses in ihren Ländern über seine Vorberatungen über den,
Sitz des Verbandes zufriedengegeben haben. Denn der Arbeitsausschuß ist schon
ifn Dezember vorigen Jahres, und zwar einstimmig) zu der Auffassung gekommen,
den Sitz nach Hamburg zu verlegen.
Kollegen, es ist hier über die Zeit und über die Fahrgelder gesprochen
worden, die die Fährten nach oben zum Hauptvorstand eventuell kosten
würden. Es ist hier von einigen Freunden auch ausgeführt worden, daß das
gleich ist, ob man aus dem Süden nach dem Norden fährt oder ob die norddeutschen
Kollegen nach dem Süden fahren. Die Kosten sind dieselben. Aber
eines steht heute ohne Zweifel fest: Das Fahrtproblem ist kein Problem mehr
für uns. Es ist heute glücklicherweise wieder so geregelt, daß bei uns die Züge
wieder laufen, und zwar in vorbildlicher Form. Es wurde hier auch angeführt,
daß einige Verbände — der Metallarbeiterverband wurde hier besonders genannt
— den Entschluß gefaßt hätten, ihren Sitz nach Frankfurt zu verlegen.
Ich glaube, diese Kollegen möchten ihren voreilig gefaßten Beschluß heute sehr
gern umstoßen. Diese Freunde sitzen heute mit ihrem Verbandstagsbeschluß
da, haben die Vorbereitungen getroffen, haben die Räume geschaffen. Diese
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Vorbereitungen kosteten dieser Organisation IV2 Millionen Mark. (Hört, hört!)
Von dem Kollegen Langenbaoh wurde dann noch erwähnt, daß wir in
Hamburg nur fünf Räume zur Verfügung hätten. Ich habe nach der Richtung
hin vorgearbeitet, Kollege Langenbach. Uns stehen in Hamburg 350 qm Büroräume
zur Verfügung. Das ist aber nicht das Wichtigste, Kollegen. Das Wichtigste
für uns ist, daß wir uns fragen müssen, wie die Wohnungsfrage für die
von uns umzusiedelnden Kollegen, d. h. die Kollegen, die durch utiseren Beschluß
eben doch umgesiedelt werden müßten, gelöst wird. Da haben wir
uns zu überlegen: Wo und wie schaffen wir die Wohnungen für diese Kollegen,
die nach der Zusammensetzung unserer heutigen Organisation ja in verstärktem
Maße in den Apparat des Verbandsvorstandes eingebaut werden müssen? Und
da haben wir in Hamburg die besten Voraussetzungen. Wir haben in Hamburg
ein ausgeprägtes Genossenschaftswesen auf dem Bausektor. Wir haben dort
große Baugenossenschaften, so daß die Möglichkeit gegeben sein wird, die Kollegen
unterzubringen. Wir haben aber auch in Hamburg die Voraussetzungen insofern,
als wir dort eine fast reine Arbeiterregierung haben, die uns nach
der anderen Seite hin unterstützen wird', nämlich in der Zuzugsgenehmigung
usw. Ich habe bereits mit dem Oberbürgermeister der Stadt Hamburg dahingehend
gesprochen und er hat mir die Zusicherung gegeben, alles Notwendige
zu tun bzw. mir die größte Unterstützung in dieser Beziehung angedeihen zu
lassen.
Es wurde uns gesagt, d'aß der Sitz des Verbandsvorstandes am Sitz des Bundes
sein müsse. Kollegen, ist es nicht so, daß, wenn der Sitz des Verbandsvorstandes
am jeweiligen Sitz des Bundes ist bzw. dort eingerichtet wird, die starke
Gefahr besteht, daß die Hauptvorstandsmitglieder alle Dinge durch die Bundesbrille
betrachten und daß dann eher diese Politik betrieben wird als eine
fruchtbringende Politik dadurch, daß die Kollegen aus dem Land zusammenkommen?
Wir haben heute den Holzarbeiterverband mit dem Sitz in Hamburg,
den Textilarbeiterverband in Bielefeld; den Fabrikarbeiterverband in Hannover.
Ist es da unbedingt notwendig, daß wir sagen: Der Sitz unseres Verbandes muß
beim Bunde sein? Wir würden es begrüßen, wenn wir beide Dinge geregelt
hätten, Bundes- und Regierungsstadt. Aber diese befinden sich selbst noch
im Umzug. Wollen wir uns genau so auf dieses Gebiet begeben? Außerdem
möchte ich darauf hinweisen, daß wir in zwei Jahren — derartige Anträge
liegen vor — erneut Stellung nehmen sollen nach der Richtung auf einen Verbandstag.
Was bedeuten zwei Jahre? (Glocke des Vorsitzenden.) Gestatten Sie,
daß ich noch ein paar Worte spreche. (Widerspruch.) Ich habe gesagt, daß wir
in der ganzen Organisation in Bewegung stehen, tarifpolitisch wie auch lohnpolitisch.
Wenn einer an der Spitze einer Organisation steht und einmal die
Dinge dort zu bearbeiten hat, so wird er sagen, daß zwei Jahre keine Ewigkeit
sind, sondern daß sie im Fluge vergehen. Da soll sich nun der kommende Verbandsvorstar.d
neben diesen Problemen auch noch mit Umzugsgedanken usw.
befassen? Das wäre eine Belastung, die wir dem kommenden Verbandsvorstand
einfach nicht zumuten können. (Beifall.)
Vorsitzender: Es spricht der Kollege Mohninger (Gelsenkirchen) zur
Geschäftsordnung.
Mohninger (Gelsenkirchen): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle
den Antrag, daß aus jeder Ortsverwaltung zu diesem Thema nur ein Kollege
spricht, um nicht unnötig die Debatte über diesen Punkt hinauszuzögern.
Vorsitzender: Ein solcher Antrag ist nach unserer Geschäftsordnung,
die wir beschlossen haben, nicht zulässig.. Es muß schon ein Antrag auf Schluß
der Debatte kommen. Es spricht jetzt Kollege Boos (Dortmund). Ihm folgt
Kollege Schließer (Braunschweig).
Boos (Dortmund): Kolleginnen und Kollegen! Ich komm; aus einer Gegend,
wo man sich tatsächlich mit der Frage des Verbandssitzes ausgiebig befaßt hat.
Wenn wir aus Westfalen weiter keinen Antrag gestellt haben, so allein aus
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dem Grunde, weil wir uns in unseren Ortsgruppen schon genügend über die
Zweckmäßigkeit des Verbandssitzes unterhalten haben. Ich kann hier betonen,
daß wir von der Ortsgruppe Dortmund aus erklärt haben, daß es nicht
an der Zeit sei, jetzt den Verbandssitz irgendwie zu verlegen, daß'^'wir uns
in einer Arbeit befinden, die wir zu allererst bewältigen müssen.
Ich möchte nun ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Langenbach
eingehen. Ich möchte betonen, daß Entfernungen heute überhaupt keine Rolle
mehr spielen. Denn, Kolleginnen und Kollegen, wir säßen heute nicht hier, wenn
Entfernungen noch eine Rolle spielten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die
Kosten eines Umzuges doch sehr stark ins Gewicht fallen. Die Kollegen aus
Berlin haben gestern schon erklärt, daß sie zu gleicher Zeit sich mit uns vereinigen
wollten. Nachdem sich der politische Horizont in allernächster Zeit
klären wird, glaube ich, daß wir sehr bald zu einem anderen Entschluß kommen
werden. Ich möchte deshalb gebeten haben, um ein einheitliches Bild von
diesem Zusammenschluß nach außen zu bieten, daß wir uns darüber klar sind,
daß wir aus Zweckmäßigkeitsgründen den. Verbandssitz diesmal noch in Hamburg
belassen und daß wir uns dann, wenn dieses Problem noch einmal zur
Sprache kommt, endgültig klarwerden, wohin wir unseren Sitz zu verlegen
haben. (Sehr richtig!)
•
Ich bin nicht derjenige, der irgendwie aus Partikularismus sprechen will.
Aber, Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich eines gesagt sein. Es würde
nach außen hin in den Reihen unserer Kolleginnen und Kollegen einen schlechten
Eindruck erwecken, wenn wir jetzt dazu übergehen würden, uns vielleicht
Unkosten aufzubürden, die wir nach außen hin vielleicht nicht verantworten
könnten. Deswegen bitte ich alle Anwesenden, sich darüber klar zu sein, daß
es am besten ist, jetzt, wo sich unsere Organisation in einer ungeheuren Arbeit
befindet, den Verbandssitz vorläufig in Hamburg zu belassen. Wenn wir dann
einmal wieder zusammenkommen, wollen wir endgültig bestimmen, wo wir hingehören
und dann bleiben wollen.
Vorsitzender: Zur Geschäftsordnung hat das Wort Kollege Nätscher
(Nürnberg).
Nätscher (Nürnberg): Gewerkschaftskollegen! Ich bin der Meinung, daß
wir jetzt mit der Debatte Schluß machen, nachdem alle Völkerstämme gesprochen
haben. Ich habe noch ein halbes Dutzend Meldungen hier. Sie können sich
weiterhin vermehren. Es sind Meldungen aus Landesteilen, die alle durch die
Bank bereits- reichlich zu Wort gekommen sind. Wir wollen niemand diese Möglichkeit
nehmen, aber ich bin der Meinung, daß wir jetzt lange genug darüber
geredet haben und stelle daher den Antrag auf Schluß der Debatte.
Schröder (Solingen): Ich bitte, dagegen sprechen zu d.ürfen. Kolleginnen
und Kollegen! Ich spreche gegen diesen Antrag aus folgenden Gründen: Wir
werden wohl erst in drei Jahren oder frühestens in zwei Jahren die Möglichkeit
haben, den heutigen Beschluß abzuändern. Da er so ungeheuer wichtig ist für
.die nächste Zukunft der gewerkschaftlichen Arbeit und der Organisation, halte
ich es nicht für richtig, daß man bei sechs Wortmeldungen schon abbricht.
Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Delegiertenkarte
zur Hand zu nehmen. Diejenigen Delegierten, die für die Annahme des
Antrages des Kollegen Nätscher auf Schluß der Aussprache stimmen wollen,
bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben. Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe,
Das erste war die Mehrheit. (Widerspruch. Zuruf: Das wird bezweifelt!)
Es gibt gar keinen Zweifel. Wenn es bezweifelt wird, muß ich auszählen lassen.
(Zuruf: Aufstehen!) Dann muß ich freundlich bitten, auszuzählen. Wenn ich
euch sage, es war die Mehrheit, dann könnt ihr es glauben. (Zuruf: Klar!) Wollt
ihr es nicht anerkennen? (Zurufe: Doch!) Also ist die Debatte geschlossen.
Dann hat das Schlußwort der Kollege Maack.
M a a c k (Berichterstatter, Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich
ganz kurz fassen. Ich verstehe durchaus die Argumente und Gründe, die von
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den Kollegen aus Süddeutschland hier angeführt werden, (Zuruf: Nicht nur aus
Süddeutschland!) Ich würde sie, ich will nicht sagen hundertprozentig, aber
mindestens fünfundachtzigprozentig unterstützen, wenn wir sowohl in der Frage
des Sitze's der Bundesregierung . . .
Vorsitzender: Einen Augenblick! Ich möchte die Delegierten bitten,
während des Schlußwortes des Kollegen Maack sich auf die Abstimmung vorzubereiten,
indem sie sich einen Stimmzettel machen, auf den Stimmzettel schreiben
sie den Ort, wo sie den Sitz haben wollen, damit die Abstimmung schneller
vor sich geht. (Zuruf: Wir wissen noch nicht, was Maack vorbringt!) Ich soll
euch vorbereiten. Das ist keine Wahlbeeinflussung. Die Frage ist: Ist die Mandatsprüfungskommission
hier zuständig? (Zuruf: Nein!) Da müssen wir eine
Kommission wählen, die nachher die Stimmzettel einsammelt und auszählt.
Nun bitte ich den Kollegen Maack, fortzufahren.
Maack (Lübeck): Ich wollte sagen, ich wäre fünfundachtzigprozentig derselben
Auffassung und würde sie in diesem Sinne unterstützen, wenn es einmal
festgelegt wäre, wo der Sitz der Bundesregierung und der Sitz des Bundesvorstandes
endgültig ist und wenn vorauszusehen wäre, daß in ganz absehbarer
Zeit die Verschmelzung mit der Ostzone stattfindet und wir also dann nicht
gezwungen wären, nach einer ganz kurzen Zeit erneut zu dieser Frage Stellung
zu nehmen. Unter diesen Umständen würde ich sagen: Jawohl, die Argumente
der Kollegen aus dem Süden, aus Köln usw. sind durchaus berechtigt.
Eines wollen wir aber doch bedenken, Kollegen, daß eine Verlegung des
Sitzes der Hauptverwaltung an irgendeinen Ort mit ungeheuer viel Schwierigkeiten,
Geldkosten' usw. verbunden ist. Es ist ferner klar, daß diese Umstellung
und dieser Umzug dann ein endgültiger sein muß, daß es unter gar keinen Umständen
angehen kann, daß man sich nach zwei oder drei Jahren erneut mit der
Frage beschäftigen muß, den Beschluß von heute revidieren zu müssen und dann
erneut diese ungeheuren Kosten auf sich zu nehmen. Das kann nicht angehen,
das wäre ja verantwortungslos, wenn wir derartiges hier beschließen würden.
Ich habe gestern in meinen Ausführungen bereits gesagt, daß in dem Ausschuß,
der sich aus 17 Mitgliedern aus den verschiedenen Ländern unseres Vaterlandes
zusammensetzte, die süddeutschen Delegierten ursprünglich auch der Auffassung
waren, von Hamburg wegzukommen und den Sitz nach Frankfurt oder Köln
oder sonstwohin zu verlegen. Wir haben uns eingehend in stundenlangen, ja, in
wochenlangen Unterhaltungen und Beratungen mit der Frage beschäftigt und
haben dann doch die Vernunft walten lassen und nicht das Gefühl und haben
uns gesagt: Was tut es schon, wenn wir jetzt einmal dieses Provisorium — und
als solches möchte ich es bezeichnen — weiter bestehen lassen, wenn wir einmal
unsere neue Organisation anlaufen lassen und uns nach zwei Jahren erneut hinsetzen
und sagen: Hat die Geschichte funktioniert oder hat sie nicht funktioniert?
Hat sie nicht funktioniert, dann können wir hier mit schlagenden Argumenten
auftreten und sagen: Unser Beschluß war falsch, wir müssen heute etwas anderes
tun, wir müssen den Sitz anderswohin legen.
Ich brauche hier nicht mehr allzuviel sagen, ich will auch gar nicht auf den
Antrag Köln noch besonders eingehen, wie ich dem Kollegen Langenbach zu
Beginn des heutigen Morgens versprochen habe. Das will ich gar nicht. Ich
möchte noch einmal an euch, Kollegen, appellieren: Laßt euch von rein verstandesmäßigen
Gründen leiten, steckt das Gefühl etwas zurück. Und da möchte
ich euch als Vorsitzender des Ausschusses wirklich warm empfehlen: Gebt Hamburg
eure Stimme.
Locherer (Mannheim): Zur Geschäftsordnung! Kolleginnen und Kollegen!
Es sind nicht nur Städte genannt worden, sondern es wurde auch von verschiedenen
Diskussionsrednern nur für den zukünftigen Sitz der Bundesregierung
oder dessen Nähe plädiert. Es liegt auch ein diesbezüglicher Antrag vor, der
Antrag Frankfurt. Ich beantrage deshalb, daß auch die Stimmzettel, auf denen
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steht „Sitz oder Nähe der Bundesregierung", gültig sind und nicht nur die
Stimmzettel, auf denen eine Stadt verzeichnet ist.
Vorsitzender: Wir brauchen darüber gar keinen Antrag, sondern formulieren
bei der Wahl so: Wer für den Sitz des Bundes stimmen will, schreibt
„Bundessitz". (Zuruf: Bundesregierung!) Das ist dasselbe. Wer für den Sitz des
Gewerkschaftsbundes stimmen will, schreibt Gewerkschaftsbund darauf. (Widerspruch.)
Wer einen anderen Ort haben will, Frankfurt, Köln, Hamburg oder
Schwetzingen — das ist mir ganz gleichgültig —, schreibt diesen Ort darauf.
Und nun bitte ich, eine Wahlkommission zu bestimmen. Ich schlage Ihnen
vor, daß wir die drei Mitglieder der Mandatsprüfungskommission damit beauftragen,
als Wahlkommission die Stimmzettel einzusammeln. Seid ihr fertig?
(Zuruf: Das Protokoll wird eben geschrieben!)
Langenbach (Köln): Zur Geschäftsordnung! Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin der Auffassung, daß man gemäß Frankfurter Antrag auch auf den
Stimmzettel schreiben darf „Sitz des Bundesvorstandes und der Regierung".
Dieser Stimmzettel kann dann auch nicht ungültig sein.
Vorsitzender: Nein, das soll er auch nicht. Die Willensbildung soll so
sein, wie es in den Anträgen schon zum Ausdruck gekommen ist. Nun bitte ich
die Wahlkommission . . .
Bauer (Heidelberg): Die Antragsteller sagen: Regierungssitz oder Bundessitz.
Ich möchte vorschlagen, daß die Abstimmung so gemacht wird: Regierungssitz,
Gewerkschaftsbund oder eine bestimmte Stadt.
Vorsitzender: Ich habe bereits gesagt: So wie die Anträgsteller in den
Anträgen, die ihr in euren Vorlagen habt, den Willen haben, es zum Ausdruck
zu bringen, so schreiben Sie es hier auf den Stimmzettel.
Langenbach (Köln): Zur Geschäftsordnung! Köln zieht seinen Antrag
zurück. (Beifall.) Damit ist nicht gesagt, daß jemand nicht Köln schreiben darf.
Das kann er trotz allem tun. Wir selbst aber ziehen den Antrag auf Köln zurück
und unterstützen den Antrag Regierungssitz. Damit sind wir den Süddeutschen
entgegengekommen.
Vorsitzender: Nun schreibt bitte das, was euch am Herzen liegt, darauf.
Unser Kollege Sonntag wird mit seiner Kommission die Stimmzettel einsammeln
und das Resultat bekanntgeben. Die Wahlkommission muß sich bei Abgabe des
Stimmzettels die Delegiertenkarte zeigen lassen.
B o o s (Dortmund). Ich habe eine Anfrage. Nachdem die Mandatsprüfungskommission
gebildet worden ist, wäre es für die Delegierten sehr angenehm,
wenn sie überhaupt wüßten, wie viele Delegierte anwesend sind.
Vorsitzender : Das kommt noch! Das Protokoll wird geschrieben und in
wenigen Augenblicken wird das Resultat bekanntgegeben.
Nun bitte ich die Wahlkommission, die Stimmzettel abzuholen.
Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort. Der § 1 wird hinsichtlich des
Sitzes durch das jetzige Abstimmungsergebnis entschieden. Er hat als Inhalt
auch noch den neuen Namen. Darüber ist nicht gesprochen worden. Ich darf
annehmen, daß Einverständnis beim Gewerkschaftstag besteht, den Namen so
zu lassen, -wie er in der Vorlage steht. Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann
kommen wir zu § 2. Das Wort hat der Berichterstatter, Kollege Maack.
Maack (Lübeck): Beim § 2 werden die Dinge etwas anders verlaufen. Ich
bitte die Delegierten, den Satzungsentwurf vorzunehmen und die einzelnen Paragraphen
nachzulesen. Wenn ich jetzt nämlich die einzelnen Paragraphen verlesen
würde, so würde das unendlich viel Zeit beanspruchen. Wir müssen versuchen,
die Sache auf einen möglichst kurzen, aber verständlichen Nenner zu
bringen. Ich werde also so verfahren, daß ich den betreffenden Absatz oder
Paragraphen nur verlese, wenn die Antragskommission den Vorschlag macht,
den ganzen Paragraphen umzuändern. Dann muß er natürlich verlesen werden,
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aber sonst werden wir die Anträge nur sinngemäß verlesen und den Vorsehlag
der Kommission zum Ausdruck bringen.
Ich bitte also, die Satzung zur Hand zu nehmen und mir zu folgen. Wir
kommen zu § 2, der den Organisationsbereich umfaßt. Zu diesem Paragraphen
haben die Ortsgruppen Nürnberg, Hof, Bamberg, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,
Naila, Kulmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach; Fürth, Coburg den
Antrag gestellt, das Wort „Hausangestellte" zu streichen.
Die Satzungskommission empfiehlt, diesen Antrag abzulehnen, weil uns die
Hausangestellten vom, Gewerkschaftsrat erneut zugesprochen worden sind. Die
Hausangestellten müssen irgendwo untergebracht werden. Da ist man in der
Spitze der Aulfassung, daß sie irgendwie in Verbindung zu bringen sind mit
Hotelangestellten, daß wir also die geeignete Organisation sind, um die Hausangestellten
aufzunehmen. Aus diesem Grunde bitten wir die Antragskommission,
den Antrag der von mir verlesenen Ortsgruppen abzulehnen.
Dann beantragt die Ortsgruppe Kassel, in der ersten Zeile das Wort „der"
zu streichen. Für den Unbeteiligten sind das böhmische Dörfer, was ich erzähle.
Aber ihr habt die Satzungen vor euch und wißt, was da gemeint ist. Kassel
beantragt, dafür einzufügen „in den" und dann in der vierten Zeile vor „Beherbergungs"
das Wort „Hotel" zu setzen. Wir bitten, diesen Antrag anzunehmen.
Dadurch würden sich die Anträge Bochum, Karlsruhe, Mannheim,
Heidelberg erledigen.
Dann beantragt die Ortsgruppe Hildesheim, das Personal in den Gutsbrennereien
und Gutsmolkereien mit aufzunehmen. Wir empfehlen, diesen Antrag
abzulehnen, da das Personal der Betriebe der Gutsbrennereien und Gutsmolkereien
der IG Land und Forsten zugeteilt ist und diese dafür zuständig ist.
Wir können sie bei uns nicht aufnehmen.
Ferner beantragt Hildesheim, das gewerbliche und kaufmännische Personal
der Zentralen bei den Konsumgenossenschaften mit aufzunehmen. Wir bitten,
auch diesen Antrag abzusetzen oder abzulehnen, da dieser Antrag — das kommt
nachher noch in den einzelnen Gruppen, die ich aufführe — durch den Absatz 9
unseres Statuts geregelt wird. Wir haben da eine andere Regelung gefunden.
Das wäre zunächst einmal das, was zu dem ersten Absatz, den Organisationsbereich,
zu sagen wäre. Vielleicht ist es zweckmäßig, daß wir über diese Dinge
im einzelnen abstimmen, weil sonst alles zu sehr vermischt wird.
Vorsitzender: Es ist eben vom Berichterstatter vorgeschlagen worden,
daß wir von § 2 nur den ersten Satz „Organisationsbereich" diskutieren. Es
liegt eine Wortmeldung von Gräbner (Kulmbach) vor. Soll sie sich darauf
beziehen? (Gräbner: Jawohl!) Dann bitte schön.
Gräbner: (Kulmbach): Kolleginnen und Kollegen! Wenn im § 2 insbesondere
die nordbayrischen Kollegen beantragt haben, daß unter Absatz 10 „alle in
der. privaten Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer" gestrichen wird, so
gehen wir dabei von folgenden Gedanken aus: Wir haben eine Industriegewerkschaft
beschlossen, und wir können nicht begreifen, warum Kolleginnen aus der
privaten Wirtschaft in eine Industriegewerkschaft aufgenommen werden sollen.
Von diesem Grunde allein haben wir uns leiten lassen. Wir müssen uns einmal
in bezug auf die organisatorische Arbeit auf die entsprechende Industrie einstellen;
auf der anderen Seite wissen wir ganz genau, daß wir uns, wenn wir
diese Angestellten hereinnehmen, eine zusätzliche Belastung aufbürden. Aus
diesem Grunde beantragen wir die Ablehnung der Ziffer 10.
Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Schließer (Braunschweig).
Schließer (Braunschweig): Wir haben uns mit dem Antrag Hildesheim
und mit den Anträgen, die hier vorliegen, eingehend beschäftigt und sind zu
dem Entschluß gekommen, daß es nur zusätzliche Arbeit und keinerlei Erfolg für
uns bedeutet, wenn wir die Hausangestellten in unsere Industriegewerkschaft
aufnehmen. Denn erstens haben wir keinerlei gesetzliche Mittel, die Arbeitgeber,
die überhaupt nicht existieren, die sich nirgends zusammengeschlossen
SO
haben, zu zwingen, mit uns Tarife abzuschließen oder irgendwie gesetzliche
Grundlagen vorzubringen. Wir haben uns mit den Kollegen der anderen
Gruppen eingehend darüber unterhalten und sind dann zu dem Entschluß
gekommen, daß wir versuchen wollen, die Hausangestellten bei Öffentliche
Betriebe oder sonst irgendwie unterzubringen, denn bei uns mit unseren 17 und
18 und noch mehr Sektionen ist es nicht möglich und bedeutet nur eine zusätzliche
Belastung. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der Ortsgruppen, die befürworten,
die Hausangestellten zu streichen', zu unterstützen.
Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen hierzu? Ich muß bitten, sich
etwas schneller zum Wort melden, damit nicht zuviel Zeit vergeht.
Bauer (Heidelberg): Ich möchte dem Antrag entgegentreten, und zwar aus
sozialen Gründen. (Sehr richtig!) Wler soll die Hausangestellten betreuen? Sie
können nur betreut werden von einer Industriegruppe, mit der sie verwandt
sind. Ich komme aus dem Hotelgewerbe. Wir wissen, daß zwischen dem Gaststättenpersonal,
dem Hotelpersonal und den Hausangestellten sehr enge
Beziehungen bestehen. Das weibliche Hauspersonal fluktuiert, heute ist es im
privaten Haushalt, morgen in der Gastronomie tätig. Wir müssen die Leute
betreuen, das ist unsere soziale Pflicht. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen,
daß diese Arbeit, so schwer und undankbar sie ist, aus sozialen Gründen geleistet
werden muß, und zwar von uns, weil sie von keiner anderen Industriegewerkschaft
geleistet werden kann. Ich bitte deshalb den Gewefkschaftstag, den
Antrag abzulehnen. \
Keil (Helmstedt): Auch ich war ziemlich erstaunt über den Antrag, die
Hausangestellten aus unserem Organisationsbereich herauszunehmen. Gerade
wir in unserer Industriegewerkschaft, die wir uns einen großen Teil der uns
noch fernstehenden Frauen und auch Jugendlichen heranholen müssen, haben
auf diesem Gebiet eine sehr schwere, aber, wie die Erfahrung gezeigt hat, auch
eine dankbare Aufgabe, diesen unseren Hausangestellten, bzw. den gemischt
Beschäftigten in den Hotel- und Gaststättenbetrieben, die zum großen Teil als
reine Hausangestellte mitbeschäftigt werden, endlich einmal vernünftige Lebensund
Lohnbedingungen zu erkämpfen. (Sehr richtig!) Das sehe ich als eine Aufgabe
an, die dankenswerter gar nicht sein kann. Und wenn einer der
Vorredner sagte, daß diese Hausangestellten in den Rahmen einer Industriegewerkschaft
nicht hineinpassen, gut, dann wollen wir sie in unsere Gewerk-^
schaft hineinnehmen. Ich bitte daher, in diesem Falle der Stellungnahme der
Antragskommission zuzustimmen, nach wie vor unsere Hausangestellten in
unserer Industriegewerkschaft, vielleicht als einen dankbaren, ja, ich möchte
sagen den dankbarsten Zweig unserer Mitgliedschaft, anzuerkennen und ihn
dementsprechend zu pflegen.
Treuheit (Wuppertal): Kolleginnen und Kollegen! Die Hausangestellten
sind am meisten ausgebeutet worden. Wir haben uns aus sozialen Gründen
schon frühzeitig mit der Arbeitsverwaltung in Verbindung gesetzt, um für sie
bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen. Ich bitte alle Kolleginnen
und Kollegen, diesen Antrag abzulehnen und die Hausangestellten in unserer
Industriegewerkschaft zu belassen.
Vorsitzender: Die Aussprache über diesen ersten Absatz ist geschlossen.
Wir stimmen jetzt ab. Ich bitte die Delegierten, ihre Karte zur Hand zu nehmen.
Wer dem Antrag der Arbeitskommission zustimmt, den Organisationsbereich so
zu belassen, wie er Ihnen im § 2 in der Vorlage vorliegt, den bitte ich, die Karte
zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen 4 Stimmen
angenommen.
Dann darf ich darauf hinweisen, daß wir jetzt allgemein zum § 2 sprechen.
Der § 2 hat 10 Absätze, Getränkewirtschaft, Getreidewirtschaft usw. Ich bitte,
Wortmeldunen immer nur jeweils zu dem Punkt einzureichen, der gerade zur
Behandlung steht. Wenn mir einer jetzt schon eine Wortmeldung zum Punkt 9
heraufreicht, so kann diese bei der Fülle der Meldungen leicht verlorengehen.
6 Protokoll 81
Darum bitte ich die einzelnen Redner-, der Reihe nach zu Punkt 1, 2, 3 usw. ihre
Wortmeldungen heraufzugeben.
Zu Punkt 1 „Getränkewirtschaft" hat das Wort der Kollege Maack.
Maack (Lübeck): Zur Getränkewirtschaft beantragt Bochum „Backaromen
und Essenzen" hinzuzufügen. Die Kommission empfiehlt, diesen Antrag
anzunehmen.
Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen zu Punkt 1 „Getränkewirtschaft"
liegen nicht vor. Wenn ich keinen Widerspruch höre, darf ich annehmen, daß
die Gewerkschaft dem Antrag des Ausschusses zustimmt. Ich stelle das fest.
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 2 „Getreidewirtschaft" beantragen Hof, Kronach,
Bamberg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Coburg, Bochum, Hamburg noch „Hefeindustrie"
und „Backmittelindustrie" einzufügen. Die Kommission empfiehl*.,
die Hefeindustrie einzufügen, die Backmittelindustrie nicht, weil Backmittel zum
großen Teil chemische Produkte sind und weil dadurch eine Differenz mit der
IG Chemie, Papier und Keramik entstehen könnte, die wir dadurch verhindern,
daß wir die Backmittelindustrie nicht besonders benennen. Das möchte ich hier
einmal zum Ausdruck bringen. Wir bitten also, die Benennung „Backmittelindiustrie"
hier fallen zu lassen.
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen dazu nicht vor, weitere Anträge
auch nicht. Wenn ich keinen Widerspruch höre, stelle ich fest, daß die Ziffer 2
vom Gewerkschaftstag genehmigt ist.
Es kommt jetzt Ziffer 3.
Maack (Lübeck): Dazu beantragt Burgkunstadt, „Haut- und Darmsalzereien"
einzufügen. Bremerhaven schlägt vor, dem zweiten Absatz folgende Fassung zu
geben: „Fischwirtschaft mit allen Nebenbetrieben, muschelverarbeitende Betriebe,
Eiweißfabriken, Essig- und Senfbetriebe, Salzereien, Fisch-Im- und Exportläger".
Die Kommission schlägt vor, diesem Antrag Bremerhavens stattzugeben.
Vorsitzender: Zu Ziffer 3 hat Petersen (Kiel) das Wort.
Petersen (Kiel): Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich zu dem Absatz 3 daä
Wort nehme, so aus dem einfachen Grunde, weil in der Fischindustrie auf Grund
der Festlegung des Bundes weitgehende Zwiespältigkeiten vorgekommen sind.
Wir haben das Wort Fischindustrie erweitert auf Fischwirtschaft, weil in der
Fischwirtschaft sämtliche Fischlogger mitenthalten sind. Denn die Zwiespältigkeiten,
die bisher bei der'Organisierung bzw. Einfügung der Loggerbesatzungen
eingetreten sind, bedürfen einer weitgehenden Klärung. Es wurde von anderen
Industriegewerkschaften gegen unsere Auffassung Sturm gelaufen, daß wir die
Fischwirtschaft als Ganzes aufnehmen wollen, nachdem wir nun einmal eine
Industrieorganisation sind. Ich möchte nicht weiter auf die Ausweitungen, die
diese Auslegung zutage gefördert haben, eingehen, sondern Sie gleich bitten,
den Absatz so zu ändern, wie es die Ortsgruppe Bremerhaven vorgeschlagen hat.
Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen
dann über Ziffer 3 ab. Ich bitte, die Delegiertenkarte zur Hand zu nehmen.
Wer die Ziffer 3 in der Fassung des Arbeitsausschusses annehmen will, den bitte
ich, die Karte zu erheben. — Ich danke. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Ziffer 4 „Milch- und Fettwirtschaft".
Maack (Lübeck): Hier beantragt die Ortsgruppe Kempten, Ziffer 4
folgendermaßen ziu ändern: „Alle Milch, Milch- und Molkenprodukte ver- und
bearbeitende Betriebe, einschl. der Fertigungslagerungsbetriebe, Margarinefabriken,
Ölmühlen, Fettschmelzen sowie alle Betriebe der Speiseölraffination
und Speisefettherstellung." Die Kommission schlägt vor, diese Fassung anzunehmen
und dafür den im Entwurf aufgeführten Absatz 4 zu streichen.
Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth, Burgkunstadt, Naila, Kulmbach und Coburg
beantragen, „Molkereien,' Milchsammei- und Verkaufsstellen" einzufügen. Diese
Anträge bitten wir abzulehnen, weil wir letzten Endes nicht so weit gehen können,
daß wir jeden Milchhändler in mnsere Organisation aufnehmen. Wir sind eine
82
Industrieorganisation und vertreten daher als IG Nahrung — Genuß — Gaststätten
selbstverständlich nicht den Handel. Das wollen wir anderen überlassen. Wir
bitten also, diese Bestimmung und diese Anträge der von mir eben genannten
Ortsgruppen abzulehnen.
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht, gegenteilige Meinungen
auch nicht. Dann stelle ich fest, daß der Gewerkschaftstag die Ziffer 4 in der
Vorlage, wie sie der Ausschuß beschlossen hat, genehmigt. Ich stelle das fest.
Wir kommen zu Ziffer 5 „Zuckerwirtschaft".
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 5: ,,Zuckerwirtschaft" liegen — das ist, glaube
ich, der einzige Fall — keine Anträge vor. Da hat die Kommission also ausgezeichnet
vorgearbeitet. (Heiterkeit.)
Vorsitzender: Ich darf feststellen, daß der Gewerkschaftstag die
Ziffer 5 genehmigt hat.
Wir kommen zu Ziffer 6 „Obst- und Gemüsewirtschaft".
Maack (Lübeck): Hierzu beantragt München, „Tiefkühlung von Lebensmitteln
aller Art" einzufügen. Die Kommission bittet, diesen Antrag anzunehmen.
Kassel, Karlsruhe und Heidelberg wollen einfügen: „alle kartoffelverarbeitenden
Betriebe". Wir bitten, diesen Antrag abzulehnen, da er an sich gegenstandslos
geworden ist.
Vorsitzender: Gegenteilige Meinungen höre ich nicht, Wortmeldungen
auch nicht. Ich stelle fest: Ziffer 6 ist vom Gewerkschaftstag genehmigt.
Es folgt Ziffer 7 „Tabakwirtschaft".
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 7 „Tabakwirtschaft" liegen keine Abänderungsanträge
vor.
Vorsitzender: Es liegen keine Anträge vor, auch keine Wortmeldungen.
Ich stelle fest, daß die Ziffer 7 so genehmigt ist.
Jetzt kommt die Ziffer 8 „Hotels und Gaststätten".
Maack (Lübeck): Die Ziffer 8 „Hotels und Gaststätten" lautet: „Alle Betriebe,
die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sine*, sowie Großund
Fernküchen." Da beantragt Kassel, diesen Absatz folgendermaßen zu
ändern: „Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner
die Mitropa und Sanatorien." Die Kommission empfiehlt die Annahme dieses
Antrags. Dadurch wären die Anträge Hildesheim, Karlsruhe, Mannheim und
Heidelberg erledigt. (Zuruf: Stimmt aber nicht!)
Vorsitzender: Nach dem Vorschlag des Ausschusses soll es, wenn ich
richtig unterrichtet bin, heißen: „Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungsbetriebe,
Küchenbetriebe aller Art, ferner die Mitropa und Sanatorien." So ist die neue
Fassung.
Maack (Lübeck): Ja, ich habe ausdrücklich zu Beginn gesagt: Der von uns,
also von der Kommission, im Entwurf vorliegende Antrag bzw. die beiliegende
Fassung soll gestrichen werden. Unsere ursprüngliche Fassung besagt ja, „alle
Betriebe, die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sind." Das haben
wir durch den' Antrag Kassel beseitigt, indem wir sagen: „alle Hotel-,
Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner die Mitropa und
Sanatorien." Damit haben wir das „konzessionspflichtige" beseitigt. Das empfehlen
wir anzunehmen. (Widerspruch.)
Schleicher (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Als Vertreter des
Gaststättengewerbes, der wir gerade in Hamburg mit derlei Betrieben sehr
viel zu tun haben, muß ich darauf aufmerksam machen, daß wir verschiedene
Betriebe haben, z. B. Fischbratbetriebe und Konditoreien, die eine Schankerlaubnis
haben, eine Viertel- oder eine halbe Konzession, zum Teil .auch eine
volle Konzession und daß diese Gruppen seinerzeit auf Veranlassung des Reichstreuhänders
der Arbeit aus dem Gaststättentarif herausgenommen wurden. Wir
6* 83
können es uns nicht gestatten, diesen Passus „konzessionierte Betriebe" zu
streichen, weil dann gerade diese Gruppen "darauf fußen würden, weil sie
anders gelagert und anders geartet sind. Sie würden dem Tarifvertrag des
Gaststättengewerbes entgehen. Der Passus „alle konzessionierten Betriebe nach
dem Gaststättengesetz" muß also unbedingt erhalten bleiben.
Vorsitzender: Der Ausschuß steht allerdings mit mir auf dem
Standpunkt, daß wir nicht nur von konzessionierten Betrieben sprechen, sondern
sämtliche Betriebe erfassen wollen. Willst du noch etwas sagen?
B a ue r -(Heidelberg): Kolleginnen und Kollegen! Beim Kollegen Schleicher
liegt nach meinem Dafürhalten ein Irrtum vor. Es ist im Entwurf ausdrücklich
gesagt: „Alle Betriebe, die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sind
sowie Groß- und Fernküchen." Damit war nicht alles getroffen, denn es gibt
Beherbergungsbetriebe, die nicht konzessionspflichtig sind im Sinne des Gaststättengesetzes.
Dazu gehören Fremdenheime, Pensionen ohne Schar.kbetrieb.
Wenn die Fassung, die die Kommission vorschlägt, das Wort enthält — ich
weiß es nicht mehr genau — alle Betriebe, die konzessionspflichtig sind und
sonst im einzelnen aufführt Hotel- und Gaststätten-, Beherbergungs- und
sonstige Betriebe, Mitropa usw., dann ist alles erfaßt. Wenn das Wort konzessionspflichtig
enthalten ist, sind auch die Betriebe erfaßt, die der Kollege
Schleicher meint. Es ist gleichgültig, ob sie eine Konzession, eine Vierteloder
halbe Konzession haben, denn das Gaststättengesetz spricht einfach von
konzessionspflichtig.
Wir müssen uns weiter darauf konzentrieren, daß wir im Zeichen der
absoluten Gewerbefreiheit, wie sie durch die Anordnung der Militärregierung
rechtens geworden ist, den gegenüber dem früheren Rechtsstandpunkt auf Grund
des Gaststättengesetzes veränderten Rechtsverhältnissen Rechnung tragen. Das
geschieht im Sinne des Vorschlages der Kommission. Ich bitte deshalb, den
Kommissionsantrag anzunehmen.
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Dann hat
zu diesem Punkt der Kollege Maack das Schlußwort.
Maack (Lübeck): Der Kollege Schleicher geht hier von etwas falschen
Voraussetzungen aus. Wir umgrenzen hier unseren Organisationsbereich und
sprechen hier nicht von irgendwelchen Tarifverhandlungen oder Verhandlungen
mit Arbeitgebern. Wir stellen hier fest die Beschäftigten in den und den
Betrieben. Da ist es uns ganz gleich, ob diese Betriebe konzessioniert sind oder
nicht oder was wir mit diesen Betrieben in punkto Lohn- und Arbeitsregelung
tun. Das interessiert uns in diesem Zusammenhang überhaupt nicht,
sondern wir legen fest: Alle in diesen Betrieben Beschäftigten gehören zu
tinserem Organisationsbereich. Es ist durchaus richtig, wenn wir die Fassung
so machen, wie sie Kassel vorgeschlagen hat. Das möchte ich nur noch einmal
sagen.
Schleicher (Hamburg): Ich möchte bitten, daß der Antrag in der neuen
Fassung vorgelegt wird.
Maack (Lübeck): Hier ist noch eine schriftliche Anfrage eingegangen, die
lautet: „Es wurde doch gesagt, daß die Konzessionspflicht nach dem Gesetz
nicht mehr beachtet wird."
Vorsitzender: Das gilt nur für Bayern, wo die Gewerbefreiheit
herrscht. (Zuruf: Für die ganze US-Zone!)
Maack (Lübeck): Interessiert uns gar nicht!
Vorsitzender: Das sind die Unterschiede in den Besatzungszonen. Der
neue Wortlaut, den wir von der Kommission aus vorschlagen, ist folgender:
„Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner die
Mitropa und Sanatorien." Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen,
die Karte zu erheben. — Ich danke. Die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
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Wir kommen nun zum nächsten Gegenstand, zu Ziffer 9 des § 2. Vorher
aber wird noch die Mandatprüfungskommission Bericht erstatten. Wer
macht das?
Trumm: Kolleginnen und Kollegen! Namens der Mandat- und Wablprüfungskommission
danke ich Ihnen zunächst für das Vertrauen, das Sie
uns durch die Wahl geschenkt haben. Wir haben nach bestem Wissen und
Können folgendes Ergebnis festgestellt: Es sind insgesamt 156 Delegierte anwesend,
davon 150 Kollegen und sechs Kolleginnen. Als Gastdelegierte sind
anwesend insgesamt 58, davon 16 Jugendliche. Diese Jugendlichen teilen sich in
15 Kollegen und zwei Kolleginnen. (Zuruf: Langsamer!) Als Gastdelegierte
sind insgesamt 58. (Vorsitzender: Bitte, von Anfang an wiederholen!) Es sind
insgesamt 156 Delegierte anwesend, davon 150 Kollegen und sechs Kolleginnen.
Als Gastdelegierte sind insgesamt 58, davon 16 Jugendliche. Von den 156 Delegierten
hat ein Kollege, und zwar der Kollege Späth aus Darmstadt, seine Mitgliedskarte
samt seiner Briefmappe verloren. Dies wird unter Beweis gestellt
durch den Zeugen Kollegen Warnecke. Zwei Kollegen haben die Beiträge,
wie die Richtlinien es vorgesehen haben, nicht für den Monat April
geklebt. Die Mandatprüfungskommission stellt es dem Verbandstag anheim,
zu beschließen, daß die vorgenannten Kollegen stimmberechtigt sind.
Die Beitragszahlung setzt sich wie folgt zusammen:
a) Wochenbeiträge: 1 Mitglied 25 Pf., 1 Mitglied 40 Pf., 2 Mitglieder 50 Pf.,
4 Delegierte 60 Pf., (Zuruf: Langsamer, die. Leute wollen doch mitschreiben!)
6 Delegierte 70 Pf., 22 Delegierte 80 Pf., 14 Delegierte 1 DM,
14 Delegierte 1,20 DM, 34 Delegierte 1,50 DM. Das sind 98 Delegierte mit
Wochenbeiträgen.
b) Monatsbeiträge: 1 Delegierter 1,20 DM, 1 Delegierter 2,— DM, 6 Delegierte
3,— DM, 9 Delegierte 4,— DM, 12 Delegierte 5,— DM, 10 Delegierte
6,— DM, 5 Delegierte 7,— DM, 5 Delegierte 8,— DM, 1 Delegierter 9,— DM
und 6 Delegierte 10,— DM. Das sind 56 Delegierte mit Monatsbeiträgen,
insgesamt 154 Beitragsmitgliedsbücher.
Das Lebensalter der anwesenden Delegierten beträgt: 1 Delegierter unter
20 Jahren, 8 Delegierte von 20—30 Jahren, 18 Delegierte von 30—40 Jahren,
50 Delegierte von 40—50 Jahren, 55 Delegierte von 50—60 Jahren, 19 Delegierte
von 60—70 Jahren, 3 Delegierte über 70 Jahre. Bei 2 Delegierten kann das Alter
nicht festgestellt werden; das sind insgesamt 156.
An Hand der Mitgliedsbücher war es nicht möglich, die Verbandszoigehörigkeit
vor 1933 einwandfrei festzustellen. Die Mandatprüfungskommission hat
daher die Organisationszugehörigkeit seit 1945 ermittelt: 89 Kollegen seit 1915,
56 Delegierte seit 1946, 6 Delegierte seit 1947, 3 Delegierte seit 1948.
Die anwesenden Delegierten setzen sich aus 50 hauptamtlichen und 106 ehrenamtlichen
Kollegen zusammen.
München, den 25. Mai 1949. ' Die Mandatprüfungskommission.
Vorsitzender: Sie haben den Bericht der Mandatprüfungskommission
gehört. Die Mandatprüfungskommission beantragt die Gültigkeit der Mandate
bis auf die drei, deren Gültigkeit sie in die Entscheidung des Gewerkschaftstages
stellt. Das sind folgende Fälle: Der eine hat sein Mitgliedsbuch und seine
Brieftasche verloren. Das wird ohne Zweifel von uns anerkannt werden können.
Oder erhebt sich Widerspruch? — Nein! Die andern beiden haben ihre Beiträge
nur bis März bezahlt. Die Frage ist, ob das Mandat trotzdem anerkannt werden
soll. (Zuruf: Großzügig sein!) (Weiterer Zuruf: Sollen 10 Mark Strafe zahlen!)
Wir haben hier das Konzentrationslager Dachau in der Nähe. (Heiterkeit.) Ich
würde empfehlen, daß wir sämtliche Mandate für gültig erklären. Ich stelle Ihr
Einverständnis damit fest.
Trumm: Kolleginnen und Kollegen! Anschließend gebe ich Ihnen das
Ergebnis der Abstimmung über den Sitz des Verbandes bekannt. Die Mandat-
85
und Wiahlprüfungskommission hat bei der Abstimmung über den Sitz des
Verbandsvorstandes folgendes Ergebnis festgestellt: Gültige Stimmen wurden
abgegeben insgesamt 156. Es stimmten für den Regierungs- bzw. Bundessitz 41,
für Frankfurt 32, für Köln 4, für Hamburg 79. (Beifall.) Das sind insgesamt
156 Stimmen.
Vorsitzender: Damit hat der § 1 unserer Satzung folgenden Wortlaut:
Die Gewerkschaft führt den Namen: Industriegewerkschaft Nahrung —
Genuß — Gaststätten. Sie erstreckt sich räumlich auf die britische,
amerikanische und französische Zone, hat ihren Verwaltungssitz in Hamburg
und ist Mitglied des Bundes.
Welchen Bundes, das haben wir offen gelassen. Das wird erst bei der Verschmelzung
der Bünde der Zonen und Länder, die noch in diesem Jahre erfolgt,
geklärt.
§ 1 ist damit erledigt. (Zuruf.)
' Wir kommen zu Punkt 9 des § 2. Das Wort hat der Kollege Maack.
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 9 ist folgendes zu sagen. Da sind betr. der
Konsumgenossenschaften und der Genossenschaften überhaupt Anträge und
Meinungen aus Kollegenkreisen eingegangen. Hier müßte einmal eine Klärung
erfolgen. Diese Meinungen und Anträge und Auffassungen sind ja durch verschiedene
Anträge e~rhärtet worden. Da hat sieh die Kommission hingesetzt und
hat eine neue Fassung für den Absatz 9 vorgeschlagen oder schlägt sie vor, und
zwar folgendermaßen: Statt „Nebenbetriebe" „Genossenschaften der Nahrungsund
Genußmittelindustrie", dann folgendes: „Alle Genossenschaftsbetriebe
(Konsumgenossenschaften usw.) soweit sie die Produktion oder den Vertrieb für
Nahrungs- und Genußmittel als Aufgabe haben." Diese neue Fassung schlägt
die Kommission also dem Gewerkschaftstag vor. Damit wären die Anträge
Burgkunstadt, Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth,
Kassel, Bremen, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg erledigt.
(Zuruf: Bitte noch einmal die neue Fassung vorlesen, aber langsam!)
Ich wiederhole noch einmal. Als Überschrift käme jetzt „Genossenschaften
der Nahrungs- und Genußmittelindustrie". Fertig? (Zustimmung.) Nun geht es
erst los. Das war die Überschrift. Es geht dann weiter: „Alle Genossenschaftsbetriebe
(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie . .."
Vorsitzender: Zunächst einmal trägt der Berichterstatter vor. Ich
werde dann, wenn der Beschluß vorliegt, Ihnen die Fassung langsam zum Mitschreiben
vorlesen.
Maack (Lübeck): Das ist vielleicht richtig so. Dann lese ich noch einmal
schnell vor. Dann wird es so gehandhabt, wie Wieber es sagt. „Alle Genossenschaftsbetriebe
(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie die Produktion oder
den Vertrieb für Nahrungs- und Genußmittel als Aufgabe haben."
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Lenderoth (Kassel).
Lenderoth (Kassel): Ich glaube, es ist das erste Mal, daß man sich auf
einem Verbandstag mit den Konsumgenossenschaften befaßt. Wir haben uns im
Ausschuß bei diesem Paragraphen eingehend mit der Frage befaßt, ob die
Konsumvereine namentlich herein sollen. Ich persönlich bin der Auffassung,
daß, da in den verschiedensten Landesteilen eine uneinheitliche Auffassung
besteht, unbedingt Klarheit geschaffen werden muß, nachdem die Konsumgenossenschaften
früher mit die Träger der Organisation gewesen sind. Denn
aus ihnen sind die allerbesten Funktionäre hervorgegangen. Jetzt bemüht sich
natürlich eine Organisation nach der anderen, um die Konsumgenossenschaftsbelegschaften
für sich in Anspruch zu' nehmen. Deshalb ist es dringend notwendig,
daß man sich hier mit der Frage befaßt, daß die Konsumgenossenschaften
durch den Gewerkschaftsbund endlich der Gewerkschaft Nahrung —
Genuß — Gaststätten zugeführt werden. (Beifall.)
86 •
Gestern hat eine Kollegin treffend die Frage Genossenschaft und Wirtschaft
berührt. Ich möchte das nicht wiederholen. Es ist in Zukunft eine Selbstverständlichkeit,
daß diese Zwangsmittel von einer Organisation unbedingt aufhören.
Wir in Hessen haben zu verzeichnen, daß sich der Handel auch mit der
Frage befaßt, die Konsumgenossenschaften wieder in Anspruch zu nehmen. Wir
lehnen das ab. Deshalb ist es notwendig, daß ein Antrag gefaßt wird, daß die
Genossenschaften mit ihrem Fachpersonal nicht den GEG-Betrieben, sondern
Nahrung und Genuß zugeschrieben werden. Ich bitte, dem Antrag deshalb
zuzustimmen.
Vorsitzender: Ich bitte zium Mitschreiben zur Kenntnis zu nehmen, wie
der Wortlaut sein soll. Überschrift: „Genossenschaften der Nahrungs- und
Genußmittelindustrie." Dann kommt die Erläuterung: „Alle Genossenschaftsbetriebe
(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie die Produktion oder den
Vertrieb von Nahrungs- und Genußmitteln als Aufgabe haben."
Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Ich kann, ohne Widerspruch
zu hören, feststellen, daß es so beschlossen wurde.
Es kommt Ziffer 10 „Hauswirtschaft". Das Prinzip, daß die Hausangestellten
in die Statuten mit aufgenommen werden sollen, ist vorhin schon entschieden
worden. Jetzt hat dazu noch das Wort der Kollege Langenbach (Köln) — Verzeihung,
zuerst noch der Kollege Maadk.
Maack (Lübeck): Kollegen! Hierzu beantragt Köln, das Wort „privaten"
zu streichen, also dann den Absatz folgendermaßen lauten zu lassen: „Alle in der
Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer." Die Kommission empfiehlt, diesem
Antrag stattzugeben. Damit sind die Anträge erledigt — ich brauche jetzt die
ganzen Orte nicht zu wiederholen, es sind dieselben Orte, die vorhin beantragt
haben, den ganzen Passus zu streichen — oder soll ich die Orte noch einmal
wiederholen?
Vorsitzender: Nein! In der Vorlage Seite 7 unter 10. Hauswirtschaft
sind sämtliche Anträge abzulehnen.
Maack (Lübeck): Es sind sämtliche Anträge abzulehnen bis auf Köln. Das
habe ich eben gesagt. Dieser wird empfahlen zur Annahme.
Langenbach (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Nur ein paar Worte
dazu. Wir haben deshalb den Antrag gestellt, weil wir, nachdem wir nun die
Hausangestellten organisieren müssen, auch die Hausangestellten aus den Kreisen
der Arbeiterwohlfahrt, der Gewerkschaftsheime, der Gewerkschaftsschulen, der
Schulen der Arbeitervereine für uns reklamieren, und zwar deshalb, weil wir,
wenn wir schon das private Haushaltsgewerbe organisieren müssen, zumindest
auch die Kolleginnen in diesen Heimen haben müssen, damit wir eine Grundlage
für die Organisation und wenigstens einige Funktionäre zur Verfügung haben.
Vorsitzender : Wortmeldungen höre ich nicht mehr, Widerspruch auch
nicht. Dann stelle ich fest, daß Ziffer 10 auch genehmigt ist. Somit ist der ganze
§ 2 unserer neuen Satzung beschlossen.
War kommen dannn zu § 3 „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft". Das
Wort hat der Kollege Maack.
Maack (Lübeck): Zum § 3 „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft"
beantragt Kassel hinter „religiösen Fragen" noch „rassische Tendenzen" zu
setzen. Die Kommission befürwortet das bzw. schlägt vor, diesem Antrag stattzugeben.
Außerdem beantragt Köln, noch das Wort „berufliche" aufzunehmen.
Auch diesem Antrag ist nach Auffassung der Kommission zuzustimmen. Köln
beantragt dann, dem Absatz 4, „Erzielung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen",
das Wort „Gehalts" mit einzufügen. Auch hier schlagen wir vor,
diesem Antrag stattzugeben. Den Absatz 10 schlägt die Satzungsberatungskommission
vor, wie folgt zu ändern. Der Absatz 10 wäre nach unserem Vorschlag
zu streichen und dafür folgender Passus zu setzen: „Information und
Aufklärung durch Herausgabe und Lieferung einer eigenen Gewerkschaftszeitung
und anderer Schriften." Dazu liegt eine ganze Reihe von Anträgen
87
vor, die dahin gehen, für jede Sparte, für jede Sektion usw. eine eigene Zeitschrift
herauszugeben. Das würde an sich natürlich zu weit führen und würde
uns heute einfach überlasten, es wäre nicht möglich. Wir glauben, durch die
Formulierung, wie wir sie in der Kommission gefunden haben, die Möglichkeit
zu schaffen, daß es dort, wo die Schaffung eines eigenen Mitteilungsblattes oder
einer eigenen Fachschrift sich als unumgänglich notwendig erweist, durch
diese Fassung ohne weiteres möglich ist. Wir bitten also, diesem geänderten
Vorschlag der Kommission die Zustimmung zu geben.
Damit wären die Anträge Nürnberg, München, Würzburg, Regensburg.
Ansbach, Schwabach, Fürth, Eßlingen, Kellinghusen, Elmshorn, Mannheim,
Heidelberg, noch einmal Kellinghusen, Bottrop, Gelsenkirchen, Buer, Gladbeck,
Hameln, Burgkunstadt, Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth, Naila, Kiulmbach.
Coburg, Kassel, Duisburg, Hockenheim, Eßlingen, Karlsruhe und Heidelberg
teilweise erledigt, weil sie dasselbe wollen und zum anderen aus den von mir
vorgetragenen Gründen abgelehnt.
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Wenn Sie es wünschen,
verlese ich noch einmal den Vorschlag für die künftige Fassung des § 3, damit
Sie den Sinn erfassen. Sie können es aber nicht alles mitschreiben. (Zuruf: Zur
Geschäftsordnung!) Gelsenkirchen meldet sich.
Benner (Gelsenkirchen): Kolleginnen und Kollegen! In unserem Bereich
Gelsenkirchen, Bottrop, Buer hat immer wieder die Jugend eine große Rolle
gespielt. In unseren Orten haben zum größten Teil Jugenddelegiertentagungen
stattgefunden. Gerade diese Jugend hat zum Ausdruck gebracht, daß unser
Verband mehr für sie tun soll. Wir haben feststellen können, daß die Innungen
im Bezirk sehr rege sind, daß sie durch ihre Meister Lehrgänge veranstalten,
Gel'der hineinwerfen, daß die Hotelbetriebe durch die Industrie- und Handelskammern
für sich in Anspruch nehmen, die Ausbildung zu tragen. Wenn wir
von seilen des Verbandes in unserer Gewerkschaft diesen Jugendlichen nicht
auch eine finanzielle Hilfe geben, dann werden sie ideologisch ausgerichtet zu
diesen Prinzipien der Meister. Das wollen wir unter allen Umständen verhüten.
Deshalb wünschen wir, daß vom Verband aus mehr finanzielle Hilfe geleistet
wird für den jugendlichen Nachwuchs, für die Jugendpflege und für die
Pflege der Solidarität der Jugendlichen. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat zunächst der Kollege Nätscher (Nürnberg).
Nätscher (Nürnberg): Kollegen! Die Antragsprüfungskommission schlägt
Ihnen vor, den aus Bayern gestellten Antrag, der in seinem Tenor dahin lautet,
einen Absatz als Ziffer 13 anzufügen, „aktive Unterstützung und Werbung für
die Konsumgenossenschaften", abzulehnen. Ich bin nicht dieser Meinung, und
ich glaube, ich befinde mit mit dieser Auffassung in sehr angenehmer Gesellschaft.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ausführungen der
Genossin Günzel, die im Auftrag der bayrischen Konsumgenossenschaften deutlich
herausgestellt hat, daß wir, wenn wir schon in unserem Programm die
Bestimmung aufnehmen, für die Demokratisierung zu sorgen oder sorgen zu
müssen, dann verpflichtet sind, es nicht nur, wie sie so nett betonte, bei leeren
Worten zu lassen, sondern aktiv sich dafür einzusetzen. Ich sehe nicht ein,
warum wir es immer nur bei Resolutionen und netten Entschließungen belassen
sollen. Wir haben diesen Antrag gestellt in Anlehnung an den Beschluß des
Bayrischen Gewerkschaftskongresses vom Vorjahre, der ausdrückt, daß allen
Gewerkschaftsmitgliedern dringend nahegelegt wird, umgehend Mitglied einer
Konsumgenossenschaft zu werden aus der Erwägung heraus, daß nur auf diesem
Weg ernstliche Schritte zur Demokratisierung und Mitbestimmung in der Wirtschaft
gangbar sind und auch auf keinem anderen Gebiet bislang als Erfolg
gebucht werden können. Und dies Herausstellen heißt natürlich, auch daraus
etwas machen. Auch wir haben in der vorgesehenen Satzung in der Ziffer 3
aufgenommen, uns für die Demokratisierung der Wirtschaft und die Mitbestimmung
in der Wirtschaft einzusetzen. Es ist damit nicht getan, daß wir
88
dann, wenn wir uns nach außen offen zu dieser Wirtschaftsform bekennen
sollen, einen Rückzieher machen. Wir sollen den Mut haben, nach außen auch
in dieser Hinsicht deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß wir hierin den Weg
einer neuen Wirtschaft sehen. Der Verband Nahrung und Genuß in Bayern hat
bislang eine diesbezügliche Bestimmung in seinen Satzungen gehabt. Es war
ursprünglich auch die Meinung vertreten, das könnte uns bei etwaigen Lohnoder
Tarifverhandlungen draußen Schaden tun. Wir haben diese Bestimmung
ein Jahr und haben uns trotzdem — ich darf das am Rande bemerken — in
Bayern bei der Durchführung unserer Lohn- und Arbeitsverträge sicherlich
bewährt und auch durchzusetzen vermocht, trotz dieser deutlichen Herausstellung,
daß wir in der Konsumgenossenschaftsbewegung unsere Wirtschaft
sehen. Deswegen stehen wir auf dem Standpunkt, daß wir dem Antrag der
bayrischen Kollegen und darüber hinaus auch anderer Rechnung tragen sollten
und deutlich in unserer Satzung bekennen, daß wir gewillt sind, uns aktiv für
die Unterstützung der Konsumgenossenschaftsbewegung einzusetzen. Deshalb
bitte ich Sie, sich für diese Anträge zu entscheiden. (Beifall.)
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pufal (Hamburg).
Pufal (Hamburg): Wenn ich gleich auf das letzte eingehe, so kann ich
dazu sagen, daß wir uns in der Beratungskommission mit dieser Frage sehr
eingehend beschäftigt haben. Wlir sind trotzdem zu der Auffassung gekommen,
daß wir den Antrag der Freunde in Bayern ablehnen sollten, und zwar aus
folgenden Gründen: Wir haben in unseren Reihen nicht nur Konsumgenossenschaftsarbeiter,
sondern auch Arbeitnehmer, und in überwiegender Zahl, in der
Privatindustrie. Wir haben in letzter Zeit sehr oft die Anträge von Kollegen
bekommen, in denen gesagt wird, warum man hie und da den Konsumgenossenschaften
den Vorrang gibt. Wir haben den Antrag nicht etwa abgelehnt,
sondern wir sind der Meinung, daß wir als Kongreß zu dieser Frage von uns
aus Stellung nehmen und hier eine entsprechende Entschließung fassen, daß
wir den Konsumgenossenschaften unsere volle Unterstützung geben. Wir sehen
nur eine Gefahr darin, daß wir bei der Werbung von neuen, jungen Mitgliedern,
die in der Privatindustrie arbeiten, auf ihren Widerstand stoßen, wenn sie eine
derartige Formulierung in unseren Satzungen lesen.
Mit dem Antrag Bottrop, Kollegen, haben wir uns auch beschäftigt. Wir sind
der Meinung, daß der Jugend geholfen werden soll, und nicht nur der Jugend,
sondern überhaupt unserem jungen Nachwuchs, durch möglichste Förderung
ihrer Berufsausbildung. Aber so wie die Fassung des Bottroper Antrags ist,
können wir dem Antrag nicht zustimmen. Er sagt, daß die Ausbildung des
Fachnachwuchses durch finanzielle Hilfe unserer Organisation geschehen soll.
Die Ausbildung des Fachnachwuchses ist Sache der Meister, die diese jungen
Menschen in die Lehre nehmen. Wir wollen unsere jungen Freunde, und tun
es auch und haben es getan, zusätzlich abends in Schulungskursen fördern und
bilden. Aber die Organisation kann unmöglich die finanziellen Kosten einer
Ausbildung übernehmen. Stellt euch einmal vor, wenn ein junger Brauer diese
Satzungen liest und er will auf die Brauerschule gehen oder ein Bäcker will
die Meisterprüfung machen oder sonst dergleichen, dann beruft er sich auf
seine Satzungen und sagt: Das haben wir satzungsgemäß zu beanspruchen.
Deshalb, Kollegen, bitten wir, diesen Antrag abzulehnen.
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aussprache
ist geschlossen. Ich glaube, wir verfahren am besten, wenn wir den § 3 absatz-r
weise zur Verlesung bringen und zur Entscheidung stellen, dann kann jeweils
bei den einzelnen Absätzen die Willensbildung des Gewerkschaftstages festgestellt
werden. Sind Sie damit einverstanden? (Zustimmung.)
Also, § 3. „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft. Der Zweck der Organisation
ist die Förderung der wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und
kulturellen Interessen der Mitglieder unter Ausschaltung aller parteipolitischen,
religiösen und rassischen Tendenzen." Das ist die Präambel. Erhebt sich dagegen
89
Widerspruch? — Es besteht Einverständnis. Dann heißt es weiter: „Diese Ziele
sollen erreicht werden durch: 1. Einwirkung auf die Gesetzgebung und gleichberechtigte
Mitwirkung in den Institutionen von Staat und Wirtschaft." Erhebt
sich dagegen Widerspruch? — Einstimmig angenommen!
Ziffer 2: „Durchführung des Betriebsrätegesetzes, Mitwirkung bei der Wahl
der Betriebsvertretungen und deren Unterstützung in der Erfüllung ihrer Aufgaben."
Darf ich ihr Einverständnis feststellen? (Kein Widerspruch.)
Ziffer 3: „Demokratisierung der Wirtschaft und der Verwaltung." Es besteht
Einverständnis.
Ziffer 4: „Erzielung günstiger Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen." Das
ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist so beschlossen.
Ziffer 5: „Rechtsschutz in allen Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis."
Auch hier besteht Einverständnis.
Ziffer 6: „Heranbildung eines guten gewerkschaftlichen Nachwuchses. Einflußnahme
auf die Ausbildung des Fachnachwuchses und Förderung der Jugendpflege
und Solidarität." Ich stelle ihr Einverständnis fest.
Ziffer 7: „Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau in wirtschafts-,
lohn- und sozialpolitischer Hinsicht." Es besteht darin Einverständnis. (Widerspruch,
Zuruf: Gleichberechtigung der Frauen und der Jugend!)
Maack (Lübeck): Die Kollegen kamen in dieser Frage zu der. Auffassung,
es nicht in die Satzung hineinzunehmen, und zwar aus folgenden Gründen: Die
Gleichberechtigung der Frau, jawohl, selbstverständlich. Wir können hier nicht
sagen, die Gleichberechtigung der Jugend, weil wir es hier ja zu einem großen
Teil mit Lehrlingen zu tun haben, die leider heute noch keinen Lohn erhalten,
wie wir es selbstverständlich in unseren neuen Tarifvertragentwürfen anstreben.
Leider sind wir aber heute noch nicht soweit. Heute liegt es leider so, daß bei
den Meistern noch die sogenannte Erziehungsbeihilfe eine Rolle spielt. (Zuruf:
Das muß geändert werden!) Das muß weg, jawohl, aber es ist noch nicht weg.
Deswegen sagen wir, es ist augenblicklich noch nicht der Zeitpunkt, das Wort
Gleichberechtigung der Jugend in dieser Frage mit in die Satzungen hineinzunehmen.
Unser Ziel, unser Streben — das dürfen die jungen Kollegen ohne weiteres
annehmen —• ist ganz klar und ganz selbstverständlich, daß wir aius diesem
Zustand der Erziehungsbeihilfe und der Erziehung usw. überhaupt herauswollen,
daß wir das Lehrverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis gestalten wollen. Das
ist unser Wille, das ist unser Ziel. Aber erreicht haben wir es leider noch nicht.
Erreichen werden wir es wahrscheinlich in den allernächsten Wochen auch
nicht. Aus diesem Grunde sind wir der Auffassung, daß wir diesmal die Jugend
in diesem Zusammenhang nicht mit hineinbringen können.
Vorsitzender : Ich möchte doch sagen, Kolleginnen und Kollegen, daß
uns die Gesichtspunkte, die hier vorgetragen worden sind, in der Kommission
bei dieser Entscheidung geleitet haben. Aber bei aller Überlegung kann man
doch sagen — ich habe jetzt lediglich mit den Kollegen Maack, Pufal und
Nätscher vom Präsidium gesprochen, weiter mit niemand —, daß wir ja in
unserem § 3 der Satzung „Zweck und Aufgaben" eine Willenserklärung abgeben,
was wir erstreben wollen, nämlich die Gleichberechtigung der Frau. (Lebhafte
Zustimmung, besonders von den Jugenddelegierten.)
Und dann zu Ziffer 8!
Maack (Lübeck): Ich möchte doch noch etwas sagen. Ich bitte zu beachten,
und gerade die Jugend bitte ich, das in Erwägung zu ziehen: Ich stehe hier nicht,
um meine persönliche Meinung zu sagen, sondern ich bin nur beauftragt
(Zuruf: Das wissen wir!), das wiederzugeben, was die Kommission beschlossen
hat. Ich bitte, mich hier nicht falsch zu verstehen. Wie mich der Kollege Weber
eben fragte, ob wir es nicht doch aufnehmen wollten, war ich sofort spontan
bereit, ja zu sagen. Vorher konnte ich selbstverständlich nichts anderes
berichten, als was die Kommission beschlossen hat.
90
Vorsitzender : An sich waren -wir uns im Arbeitsausschuß klar darüber,
daß man in der Gewerkschaft solche Selbstverständlichkeiten eigentlich gar
nicht ausspricht. Wir in der Gewerkschaft stehen auf dem Standpunkt der
Gleichberechtigung der Frau und der Jugend. Wenn es noch einmal dokumentiert
werden soll, bricht es keine Perle aus der Krone heraus. Die Frage ist damit
erledigt.
Dann kommen wir zu Ziffer 8: „Gewerkschaftliche Schulung und Erziehung
der Betriebsräte, Vertrauensleute und Mitglieder." — Es besteht Einverständnis.
Ziffer 9: „Einführung von Unterstützungen im Zusammenhang mit dem
Unterstützungswesen des .. . bundes." Der Name des Bundes kann noch nicht
genannt werden. — Ich stelle auch hier Einverständnis fest.
Ziffer 10: „Information und Aufklärung durch Herausgabe und Lieferung
einer eigenen Gewerkschaftszeitung und anderer Schriften." Auch hier besteht
Einverständnis.
Ziffer 11: „Engste Zusammenarbeit mit dem ... bund."
Ziffer 12: „Zusammenarbeit mit den internationalen Berufsorganisationen." —
Ich stelle das Einverständnis der Delegierten fest.
Jetzt kommt das, was wir noch diskutieren und entscheiden müssen, nämlich
der Antrag, den Nürnberg und andere Orte gestellt haben, wo vorgeschlagen
wird, eine neue Ziffer 13 zu bringen: „Aktive Unterstützung des Genossenschaftsund
Konsumvereinwesens." Da hat der Kollege Pufal gesagt, daß der Arbeitsausschuß
der Meinung war, daß wir das nicht in die Satzungen hineinbringen
sollen, sondern daß eine offizielle Entschließung als Kundgebung hinausgehen
soll. Das war die Meinung. Im Prinzip standen wir durchaus auf dem Standpunkt,
das zu tun. Wir wollen es aber nicht als eine Verpflichtung in die
Satzung hineinbringen, weil dies auch andere rechtliche Wirkungen hat.
Ich halte nun den Antrag Nürnberg, Würzburg usw., der eine neue Ziffer
haben will, als den weitergehenden Antrag, während wir auf dem Standpunkt
stehen, in dieser Frage eine proklamatische Erklärung abzugeben. Ich möchte
daher doch glauben, daß wir zunächst den Antragstellern gerecht werden, indem
wir über ihren Antrag abstimmen. Über die Zweckmäßigkeitsfrage, ob man
unsere Stellungnahme durch eine Entschließung kundtut oder durch eine
statutarische Formulierung haben wir, wie gesagt, einige rechtliche Überlegungen
angestellt, die uns geraten erscheinen lassen, das erstere zu tun.
Ich lasse abstimmen. Ich bitte diejenigen Delegierten, die eine neue Ziffer 13
einführen wollen mit dem Inhalt „aktive Unterstützung der Konsumgenossenschaften",
ihre Karte zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. —
Das ist zweifelhaft. — Das Präsidium steht auf dem Standpunkt, daß eben die
Mehrheit kundgetan hat, eine neue Ziffer 13 nicht aufzunehmen, daß wir aber
entsprechend den Gedanken des Kollegen Pufal eine Entschließung abfertigen
wollen, die dem Gewerkschaftstäg vorgelegt wird. Einverstanden? (Allgemeine
Zustimmung.)
Damit ist der § 3 auch erledigt und angenommen. Es kommt jetzt der § 4
„Mitgliedschaft". Alle Anträge, die zu § 3 gestellt sind, sind damit erledigt. Ich
stelle das ausdrücklich fest. Der § 3 ist so, wie ich ihn verlesen habe, genehmigt.
Maack (Lübeck): § 4 behandelt die Mitgliedschaft. Hannover beantragt
folgende Fassung: „Mitglied kann jeder Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts
werden." Den Satz „die Mitgliedschaft ist freiwillig" wünscht Hannover zu
streichen. Die Kommission schlägt vor, dem stattzugeben, weil wir nicht
besonders zu dokumentieren brauchen, daß die Mitgliedschaft freiwillig ist. Das
ist eine Selbstverständlichkeit und Selbstverständlichkeiten soll man möglichst
nicht noch besonders formulieren.
Wir schlagen vor, den ersten Absatz so zu fassen: „Mitglied kann jeder
Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts werden, der in einem usw." Hier soll lediglich
dann das Wort „Lehrling" gestrichen werden, weil diese nach unserer
Auffassung Arbeitnehmer sind und zu dieser Gruppe Arbeitnehmer beiderlei
91
Geschlechts gehören, also kein drittes Geschlecht darstellen. Damit wären die
Anträge Bremen, Hameln, Neuß erledigt.
Alle Anträge — das schlägt Ihnen jetzt die Kommission vor —, die dahingehen.
1. die Aufnahmegebühren den Ortsverwaltungen zu belassen,
2. Aufnahmegebühren für Jugendliche und Lehrlinge nicht zu erheben,
3. die Beitragsrückstände von 8 auf 13 bzw. von 2 auf 3 Monate zu erhöhen,
bittet die Kommission abzulehnen. Diese Anträge sind von den Ortsgruppen
Schwandorf, Burgkunstadt, Nürnberg, München, Hof, Kronach, Bamberg, Rosenheim,
Würzburg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach,
Fürth, Coburg, Kassel, Lorch, Hannover, Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Hockenheim,
Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg gestellt worden.
Die Anträge Biblis und Pfungstadt, die das Wort „Ortsgruppenvorstand"
durch das Wort „Ortsverwaltung" ersetzen wollen, bitten wir anzunehmen.
Damit wäre alles, was hier in den Satzungen unter der Bezeichnung Ortsgruppenvorstand
oder Ortsgruppe läuft, automatisch in die Bezeichnung Ortsverwaltung
umgeändert. Das bitten wir anzunehmen.
Vorsitzender: Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Späth
(Darmstadt). (Zuruf: Ich verzichte!) Dann folgt der Kollege Reichelt (Mannheim).
Reichelt (Mannheim): Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Satzungskommission
die Anträge von 12 Ortsverwaltungen abgelehnt hat, weiterhin noch
Anträge von 17 Ortsverwaltungen in der Frage der Lehrlingsbeiträge, so stehe
ich auf dem Standpunkt, daß sie von einer falschen Voraussetzung ausgegangen
ist oder daß vielleicht auch im Gebiet der britischen Zone unter Umständen
andere Verhältnisse vorliegen. Bei unseren Tabakarbeitern zum Beispiel, die in
der letzten Zeit nur drei oder vier Tage gearbeitet haben, spielt die Frage des
Aufnahmebeitrages, wenn man in die Betriebe kommt, eine gewisse Rolle. Wir
alten Funktionäre wissen aus der Vergangenheit, daß mitunter auch Mittel für
die Agitation zur Verfügung gestellt werden müssen, i und zwar in einer Höhe,
die dem entspricht, was im Interesse der Gesamtorganisation notwendig ist.
Praktisch ist es so, daß manche Leute bei uns nur 8 oder 10 oder 12 Mark die
Woche verdienen und daher die Aufnahmegebühr von 50 Pf. bzw. 1 Mark nicht
bezahlen können. Wenn die Eintrittsgelder den Ortsverwaltungen zur Verfügung
gestellt werden, besteht die Möglichkeit, daß man in diesem oder jenem Fall
die Beiträge erlassen kann, d. h. man kann dementsprechend sagen: Du bezahlst
für diese Aufnahme nichts. Wir haben dadurch in Nordbaden und Württemberg
unsere Mitgliederzahl erheblich steigern können. Wir haben gerade in der
letzten Vergangenheit, im Monat April — das steht einwandfrei fest — allein in
Nordbaden Neuaufnahmen in Höhe von 1000 Mitgliedern zu verzeichnen gehabt,
was auf den guten Tarifabschluß in der Zigarrenindustrie zurückzuführen war.
Auf der anderen Seite war es bei den Zigarrenarbeitern möglich, in diesem und
jenem Fall zu sagen: Wir sind bereit, euch die Aufnahmegebühr zu erlassen.
Sodann konnten wir diesem oder jenem Kollegen sagen: Kollege, ich gebe dir
eine Prämie; in dem Augenblick, wo du Aufnahmen tätigst, erhältst du entweder
die Hälfte oder den ganzen Betrag als Prämie. Das sind Momente, die hier eine
Rolle spielen und die uns vor allen Dingen veranlaßt haben, im nordbadischen
Gebiet, in Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe die Anträge zu stellen. Ich
bitte euch, Kolleginnen und Kollegen, dem Antrag unserer Ortsverwaltungen in
diesem Sinne zuzustimmen.
In der Frage der Lehrlingsbeiträge ist die Satzungskommission meiner Ansicht
nach von einem falschen Gesichtspunkt ausgegangen. Man sollte sich nicht
darauf berufen, daß es früher ein Stolz war, einen Betrag von 50 Pf. zu bezahlen.
Heute liegen die Verhältnisse anders. Wenn beispielsweise heute die Lehrlinge
im Bäckergewerbe in der Woche 3 bis 4 Mark bekommen, so sind 50 Pf. für einen
solchen Lehrling doch ein Betrag. Mitunter muß der Lehrling noch seine
Mutter bzw. seine Geschwister unterstützen, weshalb für ihn 50 Pf. eben doch
92
eine Rolle spielen. Andererseits würde es für uns keinen so. großen Verlust
bedeuten, wenn wir für die Lehrlinge die Aufnahme kostenlos gestalten
würden. Es würde das nicht von Schaden, sondern von Nutzen sein. Auch hier
bitte ich, unseren Anträgen zuzustimmen. Wir würden damit im Interesse der
Organisation die Jugend gewinnen und unseren Nachwuchs stärken können.
Auch in der Frage der Stundung der Beiträge von zwei auf drei Monate stehe
ich auf dem Standpunkt, daß man unserem Antrag stattgeben müßte.' Vor allen
Dingen umfassen unsere Ortsverwaltungen sehr große Gebiete. Die Ortschaften,
insbesondere im Tabakgewerbe, liegen sehr weit auseinander. Es kann dort oft
nicht alle acht oder 14 Tage oder alle vier Wochen kassiert werden, weil unsere
Kollegen einfach nicht immer hinkommen. Wfenn sich in solchen Gebieten
Beitragsrückstände ergeben, so bin ich der Meinung, daß es auf einen Monat
hier nicht ankommt und man nicht kleinlich sein sollte, sondern unserem Antrag
auf Stundung bis zu drei Monaten Rechnung tragen sollte. Bei uns im Tabakgewerbe
können die Kolleginnen und Kollegen die Beiträge bei der häufigen
unterschiedlichen Arbeitszeit oft nicht bezahlen, wäHrend sie sich dann häufig
wieder bereit erklären, die entsprechenden Nachzahlungen für zwei oder drei
Monate zu tätigen, wenn sich die Arbeitsverhältnisse bessern. Handelt man
aber so, wie es die Satzungskommission vorschlägt, so laufen wir die Gefahr, unter
Umständen eine größere Anzahl Kolleginnen und Kollegen als Mitglieder der
Organisation einzubüßen. Diese Kollegen würden dann später sagen: Ihr habt
uns seinerzeit nicht Rechnung getragen, und infolgedessen haben wir keine
Veranlassung mehr, der Organisation neu beizutreten, weil wir wiederum 50 Pf.
bzw. 1 Mark bezahlen müssen.
Aus diesen Gründen ersuche ich, diesen drei entsprechenden Anträgen stattzugeben
und ihnen zuzustimmen.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pulley (Stuttgart). Ihm folgt
der Kollege Dormagen (Köln).
Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie sind mit
mir der Meinung, daß der Arbeitsausschuß wirklich praktische Arbeit geleistet
und auch praktische Vorschläge gemacht hat. Aber in diesem Punkte müssen
wir eigentlich doch sagen, daß sich der Arbeitsausschuß viel zu sehr von theoretischen
Gesichtspunkten hat leiten lassen, und zwar erstens einmal, was die
Aufnahmegebühr für Lehrlinge betrifft.
Kolleginnen und Kollegen! Sie gehen alle selbst in die Betriebe und wissen,
wie schwer es manchmal ist, die Lehrlinge zu überzeugen und zu uns zu ziehen.
Wenn man dann gleich sagt, du mußt 50 Pf. bezahlen, so wird das etwas
abschrecken. Man kann nun sagen, wie auch der Arbeitsausschuß sagt, diese
Lehrlinge sollen einmal auch etwas leisten und sollen auch zu uns stehen, und
die 50 Pf. dürfen keine Rolle spielen. Jawohl, Kolleginnen und Kollegen, das
stimmt. Aber, das kann man von diesen Kolleginnen und Kollegen erst verlangen,
wenn wir sie einmal zum Opfern und zum gewerkschaftlichen Wollen
erzogen haben. Vorher müssen wir sagen, ihr seid Mitglieder unserer Organisation.
Deshalb bitte ich, dem Antrag von Stuttgart zuzustimmen, daß die
Lehrlinge von der Aufnahmegebühr befreit sind. Ebenso bitte ich, sich genau zu
überlegen, daß die Aufnahmegebühren den Ortsverwaltungen verbleiben. Dann
können wir auch gelegentlich auf die Aufnahmegebühr verzichten. Wenn wir
aber die Fassung des Arbeitsausschusses annehmen, können wir uns das als
einzelne Ortsverwaltungen nicht leisten, denn wir müßten dann an den Vorstand
eine Aufnahmegebühr abliefern, die wir in Wirklichkeit ja gar nicht eingenommen
hätten.
Zweitens müßten wir tatsächlich den Ortsverwaltungen einige Mittel überlassen,
damit sie sich auch tatsächlich etwas regen können. Man wird sagen:
Ja, wenn ihr sachliche Ausgaben habt, haben wir bestimmt nichts dagegen.
Aber manchmal — und das wißt ihr selbst aus Erfahrung — entstehen besondere
Ausgaben; wenn zum Beispiel ein Kollege kommt, bei dem eine Notstands-
93
Unterstützung statutenmäßig noch nicht berechtigt wäre, so kann die Ortsverwaltung
aus diesen kleinen Mitteln etwas geben und kann dadurch viel mehr
gutmachen als wenn das Geld direkt an die gesamte Gewerkschaft geht. Deshalb
bitte ich Sie alle, den Anträgen zuzustimmen, daß 1. die Aufnahmegebühr den
Ortsverwaltungen verbleibt und daß 2. die Jugendlichen bzw. die Lehrlinge von
der Aufnahmegebühr befreit sind.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Dormagen (Köln), ihm folgt
die Kollegin Schröder (Dortmund).
Dormagen (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich kurz fassen.
Ich hätte eine Frage an den Kollegen Maack, warum der Arbeitsausschuß zu der
Ablehnung unserer Ergänzung gekommen ist. Nehmen Sie die Satzungen zur
Hand, da steht folgendes: „Über alle' Auf nahmen entscheidet der Ortsgruppenvorstand.
Bei Ablehnung der Aufnahme kann innerhalb von 14 Tagen nach
Empfang des Ablehnungsbescheides beim Verbandsvorstard Einspruch erhoben
werden." Dann kommt gleich dahinter: „Nach erfolgter Aufnahme erhält das
Mitglied einen Mitgliedsausweis." Ich muß dazu folgendes bemerken: Hat der
Ortsgruppenvorstand abgelehnt, dann hat das Mitglied Einspruch erhoben. Der
Hauptvorstand beschließt nun, daß das Mitglied aufgenommen wird. Dann muß
doch der abschlägigen Instanz, das ist die untere, mitgeteilt werden, warum
der Hauptvorstand zu dem Resultat gekommen ist, abzulehnen. Das ist eine
logische Ergänzung, es ergibt sich klar aus dem, Vorhergehenden. (Maack: Gerade
deswegen braucht es nicht besonders aufgenommen werden!) Wir bestehen unbedingt
darauf, weil wir ja der Auffassung sind, von unten wird bestimmt, und
wenn oben bestimmt wird, dann müssen die Oberen den Unteren auch Nachricht
geben. Ich kann nicht oben bestimmen und den Unteren links liegen
lassen. Ich muß dann auch meinen anderen Kollegen Nachricht geben, warum
ich ihn aufgenommen habe.
Ich bitte also, den Ergänzungsantrag von uns mit hereinzunehmen.
Vorsitzender: Ich möchte zunächst einmal zur Klarstellung dieser
Situation folgendes sagen: Der Arbeitsausschuß hat sich mit dem Problem, ob
die Eintrittsgelder bei der Ortskasse oder Hauptkasse bleiben sollen, ernstlich
und lange beschäftigt und dabei festgestellt, daß diese Frage nicht zu § 4,
sondern zu § 13 gehört, wo die Beitragsfrage sowie der Anteil geregelt ist, den
die Ortsverwaltungen aus den Beiträgen überhaupt bekommen. Wenn wir an
diese Dinge herangehen, werden wir erstens einmal feststellen müssen, welche
Verpflichtungen die Ortsverwaltungen zu erfüllen haben und wie viele Mittel sie
brauchen und wieviel umgekehrt die Hauptkasse. Wir waren der Meinung, daß
wir, selbst wenn wir den § 13 mit den Beiträgen und der Zuteilung der Prozente
an die Ortsverwaltungen besprechen würden, heute keinen Verbandsbeschluß
fassen können, sondern daß wir die Anträge als Material der neuen Hauptverwaltung
zuleiten sollten, die mit dem Beirat zusammen regelt, welchen Prozentsatz
einmal von den Beiträgen und dann von den Eintrittsgeldern die Orlskassen
bekommen. Das war der Wille des Ausschusses gewesen, auf den wir uns abgesprochen
haben. .Das ist vielleicht vom Kollegen Maack nicht ganz klar herausgestellt
worden, weshalb ich es noch unterstreichen möchte. Jetzt hat die
Kollegin Schröder (Dortmund) das Wort. Ihr folgt der. Kollege Jorek (Hannover).
Schröder (Dortmund): Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Vorredner
hat mir bereits vieles vorweggenommen. Ich möchte bitten, daß Sie den Anträgen,
die auf eine Befreiung der Jugendlichen vom Aufnahmebeitrag abzielen,
zustimmen. Alle Abgaben der Jugendlichen gehen bei ihrem geringen Verdienst
zu Lasten der Eltern. Es ist nicht so, daß die Jugendlichen heute schon zu der
Erkenntnis gekommen sind, daß die Gewerkschaftsbewegung für sie etwas
bedeutet. Diese Erkenntnis muß ihnen erst anerzogen werden. (Sehr richtig!)
Was sie brauchen, ist der moralische Halt und das Vorbild unserer älteren
Funktionäre. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, wenigstens der Jugend den
Weg zu ebnen, damit sie zur Verantwortung in der Demokratie erzogen wird.
94
Jorek (Hannover): Die Delegierten Versammlung Hannover hat beschlossen,
daß der § 4 folgendermaßen ergänzt werden soll: Die Ortsgruppen gestatten,
erwerbslose Berufsangehörige aufzunehmen. Der Antragsteller hat das Eintrittsgeld
und vier Wochenbeiträge zu entrichten. Heimkehrende Kriegsgefangene,
die innerhalb sechs Wochen nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit unserer Gewerkschaft
beitreten, haben kein Eintrittsgeld zu entrichten.
Wir haben vor allen Dingen Wert darauf gelegt, daß heimkehrende Kriegsgefangene,
die sowieso sozial so schlecht gestellt sind, daß sie nur das Allernotwendigste
haben, keine Aufnahmegebühr entrichten müssen, wenn sie zu uns
kommen.
Vorsitzender : Die Aussprache ist geschlossen. Ich darf darauf hinweisen,
daß der Ausschuß ausdrücklich die Aufnahme Erwerbsloser deswegen
abgelehnt hat, weil wir immer wieder erleben, daß jemand sich erst dann der
Gewerkschaft erinnert, wenn er arbeitslos wird. (Sehr richtig!) Dann will er
Ansprüche auf Rechtsschutz stellen usw. Aus diesen Gründen kann nach unserer
Auffassung dieser Antrag nicht angenommen werden.
Kollege Maack hat das Schlußwort.
Maack (Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Ich muß nun einmal als alter
Gewerkschaftsfunktionär sprechen, und zwar betreffend des Eintrittsgeldes für
Lehrlinge und Jugendliche. Aus alter Erfahrung — ihr braucht mir deswegen
kein Greisenalter zugestehen — können wir feststellen, daß alles das, was mir
ohne Opfer zufällt, wofür ich also nichts zu bezahlen habe, nicht so ernst
genommen wird, als wenn von mir in irgendeiner Form dafür ein Obolus entrichtet
werden muß. Ich greife dabei gar nicht auf unsere frühere Jugend
zurück. Ich persönlich und auch meine anderen alten Kollegen waren stolz darauf,
unsere Karte zeigen zu können und sagen zu können: Dafür, daß wir jetzt
Mitglied der Organisation sind, haben wir 50 Pf. gezahlt. Das ist etwas anderes,
Kollegen. Man fördert dadurch das Verantwortungsbewußtsein des betreffenden
Kollegen. Es kommt der Organisation nicht darauf an, die 50 Pf. von den einzelnen
Lehrlingen zu bekommen; aber es ist ein Erziehungsmoment und ein
Mittel, um denjenigen, denen es schwerfällt, 50 Pf. aufzubringen, die Wichtigkeit
ihres Schrittes klarzumachen. Wer die 50 Pf. aufbringt und dann Mitglied
bei uns wird, von dem werden wir bestimmt erwarten können, daß er ein
guter Gewerkschaftskollege wird. Wir haben uns sehr lange über diese Frage
unterhalten, wir sind nicht theoretisch darüber hinweggegangen, sondern haben
die Sache sehr praktisch angepackt und haben uns gesagt: Diese Gründe müssen
maßgebend und ausschlaggebend sein, und wir müssen unter allen Umständen
darauf bestehen, daß auch für die Lehrlinge und Jugendlichen das Eintrittsgeld
bestehen bleibt. (Zuruf: Andere Zeiten, andere Sitter.!) Ich habe das Schlußwort,
Kollegen. Das ist immer das Schöne, wenn einer das Schlußwort hat,
kann er sagen, was er will, der andere kann dann nicht mehr heran. Vielleicht
habt ihr die Möglichkeit, bei einer anderen Gelegenheit die Dinge noch einmal
zu verquicken und zu verschmelzen.
Nun etwas anderes, Kollegen! Ganz grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt,
daß wir Erwerbslose in unserer Industriegewerkschaft nicht aufnehmen
können. Warum nicht? Wir haben eine Industriegewerkschaft, das wollen wir
nicht vergessen, wir haben keinen Berufsverband. Wir wissen nicht,
ob der arbeitslose Bäcker morgen auch als Bäcker arbeitet (Sehr gut!) oder
ob er morgen nicht in einer chemischen Industrie oder sonstwo beschäftigt ist.
Wir können ihn erst aufnehmen, wenn er in einem uns zustehenden Betrieb
beschäftigt ist. (Sehr richtig!) Das ist ein ganz klarer Grundsatz, der durch
gar nichts abgeändert werden kann. Würden wir diesen Grundsatz abändern,
so würden wir damit das Prinzip unserer Industriegewerkschaft durchlöchern.
Das glaube ich, wollen auch unsere Antragsteller nicht. Sie haben sich diesen
Antrag nicht genügend durchdacht, denn sonst müssen sie zu derselben Schlußfolgerung
kommen.
95
Dann zum Antrag Köln: „Gibt der Verbandsvorstand dem Aufnahmeantrag
des Einsprucherhebenden statt, so ist die Begründung unverzüglich dem Ortsgruppenvorstand
zuzuleiten." Das haben wir abgelehnt. Ich möchte der Ortsgruppe
Köln sagen, das haben wir einstimmig abgelehnt, weil man Selbstverständlichkeiten,
über die man kein Wort zu verlieren braucht, natürlich nicht in
die Statuten hineinschreibt und damit der Öffentlichkeit gegenüber dokumentiert,
daß bei uns noch lange nicht alles in Ordnung ist. Ich bitte den Gewerkschaft»-
tag, diesen Antrag Köln abzulehnen.
Vorsitzender : Wir kommen zur Abstimmung, und ich würde empfehlen,
absatzweise zu entscheiden. Die neue Formulierung würde lauten: „Mitglied
kann jeder Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts werden." Da ist das Wort Lehrling
herausgenommen, weil Lehrling auch ein Arbeitnehmer ist. Wir wollen
gerade damit dokumentieren, daß der Lehrling Arbeitnehmer ist, der in den im
§ 2 aufgeführten Wirtschaftszweigen beschäftigt ist.
Ich wiederhole die Formulierung noch einmal: „Mitglied kann jeder Arbeitnehmer
beiderlei Geschlechts werden, der in einem der im §2 aufgeführten Wirtschaftszweige
beschäftigt ist. Voraussetzung hierzu ist die Anerkennung der
Satzung sowie der Beschlüsse der Gewerkschaftsorgane und des . . . bundes."
Wer für diese Formulierung stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben.
Ich danke. Die Gegenprobe. Es ist einstimmig beschlossen.
1 Nun heißt es weiter: „Die Mitgliedschaft wird beantragt durch Abgabe einer
schriftlichen Beitrittserklärung und Leistung eines Eintrittsgeldes." Dieser Satz
ist klar, darüber brauchen wir nicht zu entscheiden.
Nun kommen wir zur Höhe des Eintrittsgeldes. Da ist gesagt, daß es für
Männliche 1 DM beträgt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Karte zu erheben.
Danke, es ist so beschlossen. 50 Pf. soll das Eintrittsgeld für Weibliche und
Jugendliche betragen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
(Widerspruch.) (Zuruf: Ich bitte, hier den Zusatzantrag anzunehmen, daß für
Jugendliche keine Aufnahmegebühr erhoben wird!) Um es klar zu machen,
trennen wir Weibliche und Jugendliche bei der Festsetzung des Eintrittsgeldes.
Wer für 50 Pf. bei den Frauen stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben.
Es ist so beschlossen. Wer für 50 Pf. für Jugendliche einschließlich Lehrlinge
stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. Auszählen! Ich bitte,
an jedem Tisch die Zahl festzustellen. (Zuruf: Jugendliche bis zu 18 Jahren?)
Darüber reden wir nachher. Die Jugend geht bis 70. (Heiterkeit.) Wer für
50 Pf. stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. Ich bitte die Auszähler,
auszuzählen. (Für die Abführung eines 50-Pf.-Eintrittsgeldes für Jugendliche
sprechen sich 73 Delegierte aus, dagegen 81.)
Die letztere Zahl war die Majorität. (Beifall.) Nachdem 50 Pf. abgelehnt
wurde, müssen wir jetzt beschließen wieviel. (Zuruf: 25 Pf.! Weiterer Zuruf:
Die Lehrlinge sollen befreit werden, lautet der Antrag!)
Es liegt ein Antrag von Schwandorf vor, der lautet: „Lehrlinge und Heimkehrer
zahlen keine Aufnahme." (Zuruf: Hannover hat dasselbe beantragt!)
Hannover spricht -nicht von Heimkehrern. (Zuruf: Doch, von heimkehrenden
Kriegsgefangenen!) Ich möchte freundlich bitten, die Heimkehrer hier rauszulassen,
denn die Heimkehrer werden erst aufgenommen, wenn sie in Arbeit
stehen, und dann verdienen sie. Wir können sie hier aus sachlichen Erwägungen
nicht aufnehmen. Ich würde empfehlen, jetzt nur von Lehrlingen zu sprechen.
(Zuruf: Von Jugendlichen!) Von Jugendlichen. Bis zu welchem Alter? (Zurufe:
Bis 18, bis zur Volendung des 18. Lebensalters!) Nehmen Sie die Jugendlichen
nicht hinein in die Entscheidung. Wir haben Jugendliche, die schon 30 DM
und darüber verdienen. Es hat keinen Sinn, verkomplizieren Sie die Sache
nicht, erstrecken Sie es nur auf die Lehrlinge. (Zurufe: Nur Lehrlinge!)
Der Antrag soll also lauten: „Lehrlinge sind vom Eintrittsgeld befreit." Wer
dafür stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. — Es ist so beschlossen
mit Mehrheit. Ich glaube, ich kann mir die Verlesung des Textes
96
der übrigen Formulierung .des Antrags ersparen. Da wird nur verwaltungsmäßig
festgestellt: „Bei Ablehnung einer Aufnahme kann innerhalb von 14 Tagen
nach Empfang des Ablehnungsbescheides beim Hauptvorstand Einspruch erhoben
werden." Das sind selbstverständliche Dinge. Darüber braucht man nicht zu
reden. Ich darf feststellen, daß der § 4 mit den beschlossenen Änderungen
angenommen ist.
(Zuruf: Zur Geschäftsordnung! Es ist ein Änderungsantrag gestellt worden,
daß die Beiträge dieser Eintrittsgebühren den Ortsverwaltungen verbleiben
sollen!)
Ich habe bereits gesagt, daß es bei § 13 behandelt wird. Der § 4 ist erledigt.
(Zuruf: Bis auf die Heimkehrer!) Ich habe ausdrücklich erklärt, daß sie erst
aufgenommen werden, wenn sie in Arbeit stehen, sofern sie nicht früher schon
Mitglied waren. Wenn sie aber anderwärts nicht organisiert waren und sie
kommen zurück, werden sie erst aufgenommen, wenn sie eine Arbeit haben,
und dann haben sie einen Verdienst. Begriffen? (Widerspruch.) Niedersachsen
ist schwer von Begriff.
Reichelt (Mannheim): Zur Geschäftsordnung. Wenn du die Frage des
Verbleibs der Aufnahmegebühren der Ortsverwaltung mit § 13 verbinden willst,
dann stehen wir auf dem Standpunkt, daß damit von vornherein das Geld von
der Ortsverwaltung weggenommen wird.
Vorsitzender : Darüber habt ihr zu bestimmen.
Reichelt (Mannheim): Wir wollen eine klare Entscheidung haben. -
Vorsitzender: Wir können erst dann über die Verteilung der Einnahmen,
der Beitragsgelder und der Eintrittsgelder uns unterhalten, wenn wir
die Höhe der Beiträge beschlossen haben. Die Höhe der Eintrittsgelder haben
wir beschlossen. Wir müssen dann abwägen, was in den Ortskassen bleibt und
was in die Hauptkasse kommt.
Reichelt (Mannheim): Ich bin dafür, daß die Abstimmung darüber jetzt
vorgenommen wird, weil es in den § 4 hineingehört. In § 13 steht nichts mehr
von Eintrittsgeldern. Ist es besser, wenn ich im Betrieb 25 Mitglieder nicht
erfasse, weil sie die Aufnahme nicht bezahlen, oder soll ich die 25,- DM von
vornherein für die Hauptkasse vorsehen.
Vorsitzender: Es ist ein sonderbarer Geist in der Gewerkschaftsbewegung,
wenn nur dann Aufnahmen gemacht werden, wenn man beteiligt
wird. Ich meine, diese Moral wollen wir grundsätzlich nicht haben. (Unruhe
und Widerspruch.)
Reichelt (Mannheim): Davon ist nicht die Rede. Es dreht sich darum, ob
die Ortsverwaltung 20 oder 50 Mitglieder aufnimmt oder nicht. Nimmt sie sie
auf, muß sie die Kosten von vornherein der Hauptkasse geben.
••
Vorsitzender: Es wird darüber entschieden und verhandelt, ob das
Eintrittsgeld bei der Hauptkasse oder der Ortskasse bleiben soll. Dann müssen
wir darüber diskutieren.
Jetzt aber kommt die Mittagspause. Wenn Sie gegessen haben, sieht alles
viel schöner aus.
Ich habe noch etwas mitzuteilen: Die Anmeldungen für die morgen stattfindende
„Dreigroschenoper" können nicht berücksichtigt werden, weil das Stück
restlos ausverkauft ist.
Dann muß ich bitten, daß die Listen für die Teilnahme an der Fahrt in die
bayrischen Berge abgeliefert werden.
Sodann eine weitere Mitteilung: Die Delegierten aus der Tabakir.dustrie
treffen sich heute abend 19 Uhr im kleinen Saal des Gewerkschaftshauses auf
Grund einer Einladung des Kollegen Husung zu einer wichtigen Aussprache. '
Sodann hat der Kollege Fiederl noch etwas mitzuteilen.
Fiederl (München): Kolleginnen und Kollegen! Unsere ausländischen
Gäste haben das Bedürfnis, sich die mehr oder weniger großen Sehenswürdig-
7 Protokoll. 97
keiten der Stadt München anausehen. Wir hatten von uns aus veranlaßt, daß
unsere ausländischen Kollegen kurz nach dem Mittagessen durch einen Omnibus
in den Konsumverein Sendung-München gebracht werden, damit sie diesen
Betrieb besichtigen können. Ich möchte also bitten, daß Sie Verständnis dafür
aufbringen, daß die ausländischen Kollegen zuerst verpflegt werden, weil sie
um 3 /
Ich vermisse hier noch eine ganze Reihe sehr wichtiger Funktionäre, die
sich da drüben im Zimmer befinden. (Zuruf: Zur Auszahlung!) Es handelt sich
um etwas sehr Wichtiges. Der Arbeitsausschuß, den wir hier durch den
Gewerkschaftstag legitimiert haben, muß heute abend unbedingt zusammentreten.
Er hat eine ganze Reihe Probleme zu besprechen und zu beschließen.
Er muß über die Besetzung des kommenden Vorstandes Vorschläge ausarbeiten;
er muß weiter Vorschläge ausarbeiten für die Delegation zur IOL, für den
deutschen Vereinigungs-Gewerkschaftsbundeskongreß. Alles das muß vorbereitet
werden, damit morgen nicht blind darüber diskutiert wird. Das bedarf einer
sorgfältigen Vorarbeit.
Dann darf ich darauf aufmerksam machen, daß die Photographien, die
gemacht worden sind, am Eingang des Saales am Bücherstand aushängen. Sie
kosten 50 Pfennig und sind numeriert. Wenn Sie ein Bild kaufen wollen,
bestellen Sie hier die Nummer und hinterlegen 50 Pf. oder 1,- DM, je nachdem,
wieviel Bilder Sie kaufen wollen. Die Bilder werden Ihnen dann zugeschickt.
Damit, glaube ich, habe ich die Mitteilungen, die ich zu machen hatte,
zunächst einmal erledigt. Nun haben wir zu verhandeln über die Frage, bei
der wir abgebrochen haben, ob die Eintrittsgelder bei der Ortsverwaltung oder
bei der Hauptverwaltung bleiben sollen. Weil wir noch sehr viele Paragraphen
haben, möchte ich folgenden Vorschlag unterbreiten. Ich habe die Auffassung,
zu dieser Reihe von Paragraphen braucht keiner länger als fünf Minuten zu
reden. Das könnte ausieicrien. Ich würde Ihnen daher vorschlagen, daß wir
von § 4 bis einschließlich § 12 zunächst einmal nur eine fünfminutige Redezeit
festlegen. Darf ich fragen, ob Einverständnis besteht? — Es ist so beschlossen.
Nun spricht der Kollege Maack zur Frage der Eintrittsgelderabführung an Ortsverwaltung
oder Hauptverwaltung.
Maack (Lübeck): Kollegen! Die Frage hat selbstverständlich auch eine
Rolle gespielt. Wir haben uns dahin verständigt, daß wir die Sache mit den
Beiträgen verquicken wollen, wie Kollege Weber bereits sagte. Das hängt
zusammen mit dem Prozentsatz, der den Ortsgruppen oder Ortsverwaltungen, wie
es heißt, verbleibt, ab 15 oder 20 %>. Da sind wir der Auffassung gewesen, daß
diese Dinge nicht statutarisch festgelegt werden können, sondern durch ein
Reglement der Hauptverwaltung mit Beirat. Der Beirat ist bekanntlich der
verkleinerte oder der Ersatzverbandstag, wenn ich so sagen darf. Dinge, die
eigentlich den Verbandstag berühren, aber nicht so ausschlaggebend sind, daß
ein Verbandstag einberufen werden muß, werden gemeinsam mit dem Verbandsbeirat
erledigt. Dazu würde auch diese Frage gehören. Wir waren uns in der
Kommission darüber einig, daß es in der Zukunft selbstverständlich sein wird,
daß den Ortsgruppen mindestens ein" Prozentsatz der Eintrittsgelder verbleiben
muß, um den Funktionären in den Betrieben, die die Agitation betreiben, einen
gewissen Anreiz zu geben. Es soll ein Teil der Eintrittsgelder dazu verwendet
werden, um sozusagen die Agitationsfreudigkeit der Funktionäre in den Betrieben
und in den Bezirken zu fördern. Vorgesehen ist es jedenfalls. Wir
halten es aber nicht für zweckmäßig, zu sagen: Die Eintrittsgelder verbleiben
der Ortsverwaltung. Die Gründe, die uns eigentlich bewogen haben, dieses
abzulehnen, eignen sich nicht ganz, in der Öffentlichkeit erörtert zu werden. Sie
liegen doch einfach so, wenn ich einmal ganz ehrlich sprechen darf: Wenn wir
jetzt beschließen — nun bin ich einmal ganz offen; es ist vielleicht falsch, wenn
ich das sage —, den Ortsverwaltungen die Eintrittsgelder zu belassen — damit
wird der Verbandsvorstand absolut einverstanden sein —, dann werden wir auf
der anderen Seite erleben, daß man uns in den Ortsgruppen sagt: Ihr behaltet
ja jetzt die ganzen Eintrittsgelder; dann müssen wir euch natürlich euren Prozentsatz
von den Einnahmen entsprechend beschneiden. Bitte, das nicht zu
Protokoll. Aber ich will das gern einmal so ganz nebenbei erwähnt haben.
Es sind also schon Gründe vorhanden, die uns dazu veranlaßt haben, die Frage
mit einem Reglement durch den Verbandsbeirat regeln zu lassen. Ich möchte
daher bitten, die Frage in diesem Zusammenhang nicht zu erörtern.
T 99
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Entscheidung.
Ich bitte diejenigen Delegierten, die dafür stimmen wollen, daß dem
Antrag des Ausschusses stattgegeben wird, der die Eintrittsgelder bei der Hauptverwaltung
lassen will, die Karte zu erheben. (Zuruf: Noch einmal formulieren!)
Die Formulierung ist nicht verstanden worden. Ich lasse darüber abstimmen,
daß die Eintrittsgeldeinnahme an die Hauptverwaltung abgeführt wird. Ist das
verstanden worden? (Zustimmung.) Wer dafür stimmen will, daß das Geld an
die Hauptverwaltung geht, den bitte ich, die Karte zu erheben. (Zuruf: Da sind
verschiedene beim Geldauszahlen!) Das geht uns nichts an; wer"*icht da ist,
stimmt nicht mit. — 74 waren dafür. Ich bitte um die Gegenprobe. — 56 sind
dagegen. Das erstere war die Mehrheit. • Die Eintrittsgelder werden demgemäß
wie bisher an die Hauptkasse abgeführt. Der § 4 ist damit erledigt und angenommen.
Wir kommen dann zum §5 „Übertritte".
Maack (Lübeck): Zum § 5 liegen Anträge von Kassel, Biblis, Pfungstadt,
Köln, Hockenheim, Heilbronn, Heidelberg vor, die das Wort „Bezirksvorstand"
einfügen wollen. Da wir einen Bezirksvorstand nicht vorgesehen haben, bitten
wir, die Anträge abzulehnen und es bei dem Satzungsentwurf zu belassen.
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. (Zuruf: Doch!) Es
meldet sich der Kollege Späth (Darmstadt).
Späth (Darmstadt): Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von Pf ungstadt
aus den Antrag eingebracht haben, § 5 wie folgt umzuändern, daß in Satz 3
für das Wort Verbar.dsvorstand das Wort Bezirks vorstand einzusetzen ist, so
deshalb, weil in § 6 von einer Bezirksverwaltung gesprochen wird (Vorsitzender:
Nein!) und weil wir sagen, daß z. B. jedes Mitglied, das in die Gewerkschaftsbewegung
aufgenommen wird, unter allen Umständen auch den Bezirksverwaltungen
zu melden ist, daß wir im Bezirk überhaupt die ganze Stoßkraft, die
von unten nach oben geht, abzufangen haben und so auch feststellen müssen,
wer zur Gewerkschaftsbewegung oder zur Industriegewerkschaft Nahrung und
Genuß hinzugekommen- ist. Aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt,
in Absatz 3 für das Wort Verbandsvorstand das Wort Bezirksvorstand ziu setzen.
Ich bitte die anwesenden Kollegen, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.
(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)
Vorsitzender: Einen Moment mal! Ich habe die Begründung nicht ganz
verstanden, warum die Aufnahme in die neue Gewerkschaft durch den Bezirksvorstand
statt durch den Verbandsvorstand erfolgen soll.
Dormagen (Köln): Zur Geschäftsordnung! Dem Kollegen Maack ist ein
Irrtum unterlaufen. Wir haben nur den Antrag gemacht, die Beschäftigiungsdauer
in der neuen Industrie von drei auf sechs Monate heraufzusetzen.
Maack (Lübeck): Ich möchte zunächst einmal etwas sagen. Wir haben den
ganzen Vormittag verhandelt und vier Paragraphen fertig. Wir haben 42 oder
40 Paragraphen zu verhackstücken. Wir werden heute respektive spätestens
morgen mittacr mit unseren Satzungen fertig werden müssen. Ich kann euch sagen
— ich stehe nicht zum erstenmal als Berichterstatter auf einem Verbandstag —,
wenn wir so fortfahren, wie wir bis jetzt gearbeitet haben, dann sitzen wir
nächste Woche noch hier. So geht die Geschichte nun einmal nicht. Ich hatte
vorausgesetzt, daß Wir auch bei den Delegierten soviel Fingerspitzengefühl verlangen
könnten, daß man ungefähr diesem Tempo folgen könnte. Ich habe deswegen
geglaubt, wenn ich sage, wir empfehlen die Annahme des Antrags, wie
er vorliegt, und bitten, die Anträge sowieso abzulehnen, dann können wir nicht
einfach dadurch fertig werden, wenn ich auf jeden einzelnen Titel einer
Ortsgruppe, den wir vor uns liegen haben, eingehe. Das ist einfach praktisch
nicht möglich. Wenn man glaubt, daß man grundsätzlich auf diesem oder jenem
Standpunkt stehenbleiben muß, dann soll man sich zu Wort melden und sagen:
Wir haben das und das beantragt; wir beantragen nunmehr, das noch miteinzusetzen.
Dann brauchen wir das alles nicht mehr zu machen.
100
Ich gehe nun auf den Antrag Köln ein, der die Zeit von drei Monaten auf
sechs Monate heraufsetzen will. Ich muß doch von einer Ortsgruppe, von einem
Ortsgruppenvorstarad, der Anträge an den Verbandstag einreicht, erwarten, daß
er zumindest einigermaßen einmal über die Satzungen der Gewerkschaften, zum
anderen auch über die Bundessatzungen informiert ist. (Sehr gut!) Das möchte
ich einmal betonen. Bei der Festlegung der Zeit bis zum Übertritt in eine andere
Gewerkschaft haben wir uns nach dem gerichtet, was in den Bundessatzungen
vorgesehen ist, nämlich nach einer Beschäftigungsdauer von drei Monaten. Köln
will auf sechs Monaie erhöhen. Das müssen wir ablehnen, weil es gegen die
Bundessatzungen verstößt. So liegen die Dinge.
Wenn wir so verfahren, wie ich es angedeutet habe, und wenn wir den guten
Willen haben und hinter den von der Kommission ausgearbeiteten Dingen keine
Pferdefüße vermuten und glauben, daß wir alle den ehrlichen Willen haben,
das Beste zu wollen, dann werden wir schneller vorwärts kommen. Deswegen
soll die Redefreiheit nicht beschränkt werden. Aber ich glaube, im Interesse
einer schnelleren Erledigung müssen wir so verfahren. Den Antrag Köln müssen
wir aus den von mir angeführten Gründen ablehnen. (Zuruf: D.as mußt du
doch begründen!)
Bauer (Heidelberg): Die Anträge Hockenheim, Heilbronn, Heidelberg bedeuten
lediglich textliche Änderungen und decken sich mit dem letzten Satz
des Antrags der Satzungskommission. Im Entwurf ist gesagt: „Die Aufnahme
in die neue Gewerkschaft erfolgt durch den Verbandsvorstand." Hier muß es
richtig heißen „durch d^n Hauptvorstand", denn die Organisation, zu der er
übertritt, hat ja darüber zu entscheiden. Nicht wir entscheiden, ob er dort
aufgenommen ward oder übertreten kann, sondern der Hauptvorstand entscheidet.
Vorsitzender: Das ist eine rein redaktionelle Frage. Es ist kein Zweifel
darüber, daß die neue Gewerkschaft, in die er übertritt, es zu genehmigen oder
abzulehnen hat. Unklar waren wir nur darüber, ob es drei Monate oder sechs
Monate heißen soll. Ich muß schon sagen, was Maack gesagt hat, ist sachlich
richtig. Um solche Dinge sollten wir nicht stundenlang reden. Es ist wirklich
richtig, daß einer, der drei Monate in einem anderen Beruf arbeitet, in die
Gewerkschaft gehört, in der er beschäftigt ist, nicht erst nach einem halben
Jahre. (Zuruf: Der Antrag ist gestellt worden, weil in Kampagnebetrieben die
Leute sechs Monate arbeiten und dann wieder sechs Monate in anderen Betrieben!)
Wir können nicht auf jede Einzelheit Rücksicht nehmen. Wenn einmal
ein Fall gegeben ist, wo es nicht anders geht, dann nehmt vier Monate. Ihr
kommt da schon zurecht. Grundsatz müssen drei Monate sein. Wer dafür ist,
den bitte ich, die Karte zu erheben. — Es ist so beschlossen.
Maack (Lübeck): § 6 „Ab- und Anmeldung bei Wohnortwechsel". Hof,
Kronach, Bamberg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Coburg, Hannover beantragen,
das Wort „Bezirk" zu streichen. Wir empfehlen, diese Anträge abzulehnen.
Vorsitzender: Ich stelle fest, daß der Gewerkschaftstag dem zustimmt.
§ 6 ist genehmigt. Es folgt § 7. i
Maack (Lübeck): Zu § 7 „Beendigung der Mitgliedschaft" liegen keine
Anträge vor.
Vorsitzender: § 7 ist genehmigt; ich stelle das fest. Es folgt § 8
„Streichung der Mitgliedschaft".
Maack (Lübeck): Mannheim beantragt folgenden Nachsatz: „Nach Nachzahlung
der rückständigen Beiträge oder Sonderbeiträge können sie ihre alte
Mitgliedschaft wieder erwerben, treten jedoch erst nach weiteren drei Monaten
Mitgliedschaft und Beitragsleistung in ihre alten Rechte." Wir empfehlen,
diesen Antrag anzunehmen und damit die Anträge München, Nürnberg, Rosenheim,
Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Kassel, Bochum,
Düsseldorf, Köln, Heilbronn, Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg abzulehnen, weil
sie bereits durch § 4 erledigt sind.
101
Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Wenn kein Widerspruch
zu hören ist, stelle ich fest, daß § 8 in der Formulierung des Arbeitsausschusses
angenommen ist.
§ 9 „Austritt".
Maack (Lübeck): Dazu liegt ein Antrag Neuß vor, das Wort „freiwillige"
zu streichen. Wir bitten, auch dieses anzunehmen, ebenso die Anträge Biblis
und Pfungstadt, die statt „Ortsgruppenvorstand" „Ortsverwaltung" setzen wollen.
Dem haben wir vorhin schon zugestimmt.
Vorsitzender : Widerspruch höre ich nicht. Ich stelle fest, daß der § 9
im Sinne des Arbeitsausschusses entschieden ist.
§ 10 „Ausschluß".
Maack (Lübeck): Hierzu beantragt Eßlingen zu Absatz 2, zwischen „Ortsverwaltung"
und „Verbandsvorstand" das Wort „Landesvorstand" einzufügen.
Wir bitten, diesen Antrag anzunehmen. Den Antrag Hamburg, „Ausschlußanträge
in den Ortsgruppen bzw. in den Bezirken einem fünfköpfigen Ausschuß
zur Beratung vorzulegen usw.", bitten wir dem Verbandsvorstand zur Festlegung
einer zu erlassenden Richtlinie als Material zu überweisen, desgleichen
die Anträge Heilbronn, Eßlingen und Heidelberg. Die Anträge Biblis, Pfungstadt
und Hockenheim sind abzulehnen.
Vorsitzender: Darf ich Ihr Einverständnis feststellen? Damit ist der
§ 10 in der vorgeschlagenen Form genehmigt und beschlossen.
Maack (Lübeck): Genehmigt und beschlossen sind Absatz 1 und 2. Jetzt
kommt Absatz 3. Dazu beantragen Würzburg, Nürnberg, Regensburg, Ansbach,
Schwabach, Fürth, Kassel, Köln, die Worte „nach Anhörung des Ortsverwaltungs-
sowie Landesvorstandes'' einzufügen. Diesen Anträgen bitten wir stattzugeben.
Die Anträge Biblis, Pfungstadt, Duisburg, Kellinghusen, Elmshorn,
Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, die eine Änderung des ersten
Satzes wollen, bitten wir abzulehnen.
Vorsitzender: Ich stelle fest, der Gewerkschaftstag stimmt diesem
Antrag des Arbeitsausschusses zu. Die Ziffer 3 ist genehmigt.
Maack (Lübeck): Ziffer 4. Da kommt ein Antrag Heidelberg, der als
erledigt angesehen werden kann. (Vorsitzender: Wodurch?) Das ist ein ganz
kurzer Satz: „In leichteren Fällen kann auf Rüge erkannt werden." Das ist
eine Selbstverständlichkeit. (Zuruf von Bauer, Heidelberg.) Das ergibt sich
schon aus dem Vorhergehenden.
Vorsitzender: Die Ziffer 4 ist genehmigt und beschlossen.
Ziffer 5.
Maack (Lübeck): Hierzu liegt ein Antrag Biblis vor. Wir haben beschlossen,
den Antrag Biblis wegen Unklarheit abzulehnen. Ich muß erst sehen, wie er
lautet."— Er lautet: Das Wort „Landesvorstand" ist durch das Wort „Bezirksvorstand"
zu ersetzen. Einen Bezirksvorstand haben wir in den Satzungen
nicht vorgesehen; infolgedessen empfehlen wir, den Antrag abzulehnen.
Vorsitzender: Es erhebt sich kein Widerspruch. Ziffer 5 des § 10 ist
damit genehmigt.
Ziffer 6.
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 6 liegen keine Änderungsanträge vor.
Vorsitzender : Ziffer 6 ist genehmigt.
Ziffer 7.
Maack (Lübeck): Zu Ziffer 7 liegt ein Antrag Köln vor, der wegen Unklarheit
abzulehnen ist. Die Ziffer 7 lautet: „Solange das Ausschlußverfahren
schwebt, ruhen alle Mitgliedspflichten und -rechte." Dazu hat Köln einen Antrag
gestellt, der lautet: Als zweiter Satz ist hinzuzufügen: „Schwebende Arbeitsgerichtsprozesse
können von der Gewerkschaft zu Ende gebracht werden." Das
paßt nicht dahin und infolgedessen ist die Sache wegen Unklarheit abzulehnen
102
Vorsitzender: Widerspruch höre ich nicht. Es ist so beschlossen.
Ziffer 8.
Maack (Lübeck): Die Anträge Biblis, Pfungstadt, Köln und Heidelberg, das
Wort „Verbandsvorstand" durch „Landesvorstand" zu ersetzen, sind abzulehnen,
da die Entscheidung beim Verbandsvorstand — wir nennen ihn nachher Hauptvorstand
— liegen muß und nicht beim Landesvorstand.
Vorsitzender: Die wohlüberlegten Gründe des Arbeitsausschusses bitte
ich zu akzeptieren. Ich stelle fest, der Gewerkschaftstag hat zugestimmt. Damit
wäre der § 10 erledigt.
Maack (Lübeck): § 11 „Wiederaufnahme". Die Anträge Biblis, Pfungstadt,
Duisburg, das Wort „Verbandsvorstand" durch das Wort „Bezirksvorstand"
respektive „Ortsgruppenvorstand" zu ersetzen, bitten wir abzulehnen aus den
Gründen, die ich eben angeführt habe.
Hockenheim, Heilbronn, Eßlingen und Heidelberg stellen die Anträge, daß
über die Wiederaufnahme der Hauptvorstand nach Anhörung und im Benehmen
mit den zuständigen Ortsgruppen sowie Landesvorstand entscheidet. Wir bitten,
diese Anträge dem Verbandsvorstand als Material zu überweisen.
Vorsitzender: Ich stelle Einverständnis fest. § 11 ist so beschlossen.
§ 12.
Maack (Lübeck): Die Anträge München, Kassel sind erledigt, da sie bereits
in § 2 berücksichtigt sind. Der Antrag Köln, den letzten Satz des Absatz 3 hinter
Absatz 2 zu setzen und den Absatz 3 zu streichen — das ist also eine Umgruppierung
der Sache —, bitten wir, aus stilistischen Gründen anzunehmen.
Vorsitzender: Ich stelle Einverständnis fest. § 12 ist damit genehmigt.
Darf ich Ihnen kurz ein eingelaufenes Telegramm verlesen: „Zum Gewerkschaftstag
und zur Verschmelzung der drei Westzonen wünscht die Ortsgruppe
Mainz den besten Erfolg." (Zuruf: Das haben wir schon vernommen!) Das ist mir
eben hier hergegeben worden. Es ist wohl noch einmal eines gekommen.
Dann schreibt der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, Industriegewerkschaft
Nahrung — Genuß — Gaststätten, Land Sachsen:
Werte Kollegen! Die Funktionäre des erweiterten Landes Vorstandes der
IG Nahrung — Genuß — Gaststätten des Landles Sachsen entsenden euch
von ihrem Tag am 17. Mai 1949 in Dresden über die Zonengrenzen hinweg
brüderliche Grüße. Genau wie ihr wünschen wir nichts sehnlicher als die
baldige Herstellung der Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden.
Unser Kampf für die gemeinsamen Ziele daif nicht länger durch Zonengrenzen
getrennt werden. Wir, die Funktionäre der Nahrungs- und Genußmittelbetriebe,
werden unsere ganze Kraft einsetzen, um aktiv an der Gestaltung
eines neuen geeinten Deutschlands mitzuarbeiten. Mögen diese
Zeilen dazu beitragen, mit euch einen schriftlichen Gedankenaustausch
aufzunehmen. Auf diesem Wege wollen wir mithelfen, die Voraussetzung
zu schaffen, um die Einheit der deutschen Gewerkschaften herbeizuführen.
Gez. Vorstand, Landesleitung.
Diese Gedanken werden wir natürlich gern entgegennehmen. Es ist auch
unser sehnlichster Wunsch, daß wir sehr bald mit den Kollegen und Arbeitern
und Arbeiterinnen der Ostzone vereinigt werden können.
Nun kommt der § 13 „Beiträge".
Maack (Lübeck): Die Frage der Beitragsregulierung hat natürlich in
unseren Beratungen eine sehr große Rolle gespielt, und auch die Fülle der
Anträge beweist, daß sich die Kollegen in den Ortsgruppen, in den Ortsverwaltungen,
in den Bezirken usw sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt
haben. Wir sind der Auffassung, daß der Antrag Nürnberg, der vorliegt, die
Grundlage bilden könnte für unsere neoie Beitragsregelung. Wir empfehlen,
den Antrag Nürnberg für die Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen, darin
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allerdings eine Änderung eintreten zu lassen. Ich weiß nicht, ob die vorgeschlagenen
Beitragssätze den Delegierten vorliegen. (Zuruf: Doch!) Die habt
ihr alle, dann brauche ich sie eigentlich nicht zu verleben, dann kann ich
Kalorien sparen.
Nach dem euch vorliegenden Entwurf, den wir sehr eingehend beraten und
erörtert haben, sind wir doch zu der Auffassung gekommen, daß die Beitragsregelung,
nach diesem Entwurf berechnet, für unsere kommende Gewerkschalt
die richtige ist. Wir haben auch die Frage des Netto- und Bruttolohnes behandelt,
haben das Für und Wider nach allen Seiten hin erörtert und sind zu der Auffassung
gekommen, die Bruttolöhne zugrunde zu legen. Ich habe, nachdem
das vorliegt, zu den Dingen eigentlich sonst nichts weiter zu sagen, bitte aber
zu bedenken, daß wir uns einige Stunden über diese Regelung unterhalten
haben und daß wir nach Prüfung des Für und Wider usw. zu der Auffassung
gekommen sind, dem Gewerkschaftstag doch diese Regelung vorzuschlagen.
Vorsitzender : Ich darf auch noch sagen, daß diese Arbeit des Arbeitsausschusses
die wertvollste Arbeit ist, die er im Dienste der Sache getan hat.
Maack (Lübeck): Darf ich noch etwas sagen. Ich war an sich fertig, muß
aber natürlich das Bild noch abrunden. Bei Annahme dieses Antrages wären
die Anträge Kempten, Weißenburg, München, Würzburg, Regensburg, Ansbach,
Schwabach, Fürth, Kassel, Friedberg, Frankfurt, Biblis, Wiesbaden, Loren,
Pfungstadt, Bremen, Hannover, Osnabrück, Bochutm, Köln, Kellinghusen, Elmshorn,
Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und Aalen erledigt.
Dann kommt der Antrag Neuß, die im Statut vorgesehenen Beiträge erst
dann einzuführen, wenn die vorgesehenen Unterstützungseinrichtungen in Kraft
getreten sind. Diesen Antrag Neuß bitten wir selbstverständlich abzulehnen.
Ferner empfehlen wir, den Antrag Hamburg, daß es jedem Mitglied freigestellt
bleibt, Beiträge nach einer höheren als der vorgeschriebenen Beitragsklasse zu
zahlen, ebenfalls abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen: Wir haben j a auch
da Erfahrung, wir wissen ja zum Beispiel aus unserer alten Organisation vor 1933,
daß Kollegen, die sehr bald oder in ein oder zwei Jahren in den Genuß irgendeiner
Unterstützung, sagen wir einmal der Altersunterstützung, kommen würden
versucht haben, möglichst die höchsten Beiträge zu zahlen, damit sie nachher
auf Grund ihrer vor zwei oder drei Jahren geleisteten hohen Beiträge auch eine
möglichst hohe Invalidenunterstützung bekamen. Diese Dinge also, die sich da
abgespielt haben und die uns bekannt sind, haben uns eigentlich veranlaßt zu
sagen, wir müssen diesen Antrag Hamburg doch empfehlen abzulehnen.
Außerdem empfehlen wir den Antrag Stuttgart abzulehnen, daß eine Beitragsänderung
erst dann vorgenommen werden kann, wenn die vom künftigen Bund
vorgesehenen Unterstützungen oder die Beitragsfrage vom Bund einheitlich
geregelt werden. Der Kollege Böckler da vorne lacht so spitzbübisch. Wann die
Unterstützungseinrichtung des Bundes kommt, mögen die Götter oder der
Bundesvorstand wissen. Wir wissen es vorläufig nicht und können unsere
Satzungen nicht auf so unsichere Faktoren aufbauen. Wir bitten also, auch
diesen Antrag abzulehnen.
Vorsitzender: Ich wollte in Ergänzung zu dem, was ich vorhin einleitend
sagte, folgendes sagen und auf folgendes aufmerksam machen. Wir
haben mit Absicht von einer prozentualen Festlegung der Beitragssumme im
Verhältnis zum Einkommen abgesehen, weil wir uns gesagt haben: Entscheidend
muß sein, Einkommen und Beitrag in eine Relation zu bringen. Wir haben deswegen
gesagt: Auf keinen Fall Nettolöhne, das führt zur Beitragsbetrügerei.
Wir sind nicht imstande, die Löhne in den meisten Fällen zu kontrollieren. Der
eine hat diese, der andere jene Abzüge. Wir kennen die Tariflöhne und Grundsätze,
und wenn wir die Beitragsverhältnisse der Kollegen prüfen, brauchen wir
nur den Tarifvertrag herzunehmen und wir haben den Beitrag, den das Mitglied
zu zahlen verpflichtet ist. Wir sind in der Berechnung unter 2 Prozent geblieben.
Bis jetzt waren es 2 Prozent des Nettolohnes. Jetzt ist der Bruttolohn zugrunde
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gelegt, der den Prozentsatz etwas herunterdrückt. Wenn Sie die Tabelle
ansehen, können Sie es durch die ganze Tabelle hindurch feststellen. Der
Beitrag beträgt nicht 2 Prozent des Bruttoeinkommens, sondern ist geringer, so
daß praktisch eine Belastung der Mitglieder durch diese Gruppierungen nicht
eintritt, aber eine klare Handhabe für die Einkassierer und die Hauptkassierer
gegeben ist.
Zunächst hat das Wort der Kollege Locherer, Mannheim; ihm folgt Lang,
Heilbronn. Vorher möchte ich aber noch den Kollegen Maack fragen, ob er
damit die ganzen Anträge erledigt hat, auch die Zusätze, die sich mit dem
Anteil der Ortsgruppen an den Beitragseinnahmen beschäftigen. (Maack: Die
sind damit erledigt!)
Locherer (Mannheim): Kolleginnen und Kollegen! Die Ortsgruppe Mannheim
und einige andere Ortsgruppen sowohl aus Württemberg-Baden wie aus
anderen Gegenden Deutschlands haben den Antrag gestellt, die Beitragsregelung
so lange zurückzustellen, bis auch die Unterstützungsregelung in Kraft treten
kann. Wir haben das nicht von ungefähr getan, sondern die neue Beitragsregelung
würde für Württemberg-Baden teilweise eine nicht unerhebliche
Erhöhung der Beiträge bedeuten. Um überhaupt mit den Kollegen in den
Betrieben heute über eine Beitragsregelung reden zu können, müssen wir auch
über die Unterstützungsregelung reden können. Solange wir das nicht können,
ist es den Kollegen schlecht verständlich zu machen, warum mit dem Zusammenschluß
auch gleich die Beiträge erhöht werden sollen. Ich meine also, wenn das
Statut ohnedies erst zum 1. Januar in Kraft tritt, dann sollte bis • dorthin auch
die Unterstützung geregelt sein; wenn es nicht möglich ist im Bund, dann doch
in der Industriegewerkschaft. Ich weiß, daß die Beitragsregelung der Industrie-
Verbände bleibt, aber ich weiß auch, daß ein großer Teil der Unterstützungen
bei den Industriegewerkschaften bleibt, und das sollte geregelt werden, wenn es
schon - nicht möglich ist, was wir allerdings noch mehr befürworten würden,
daß eine einheitliche Regelung der Beiträge und der Unterstützung für das
gesamte Bundesgebiet erfolgen könnte, damit irgendwelche Konkurrenzstreitig7
keiten in der Beitragshöhe unterbleiben würden.
Soviel zu der Regelung der Beiträge und der Unterstützungen. Ich bitte also,
den Anträgen zuzustimmen, die besagen, die Beitragsregelung so lange zurückzustellen,
bis auch die Unterstützung geregelt ist, damit den Kollegen gesagt
werden kann, die Beiträge werden erhöht, weil damit auch Unterstützungseinrichtungen
geschaffen werden, die besser sind als bisher.
Wir haben noch einen anderen Antrag gestellt, der vielleicht am Rande
gesehen nicht so wichtig aussieht: Wir haben nämlich verlangt, daß bei Wochenbeiträgen
der Monat mit 4 Wochen zu berechnen ist. (Maack: Bei der Vorlage
ist das berücksichtigt!) Ich habe nicht nachgerechnet, was die Nürnberger
beantragen, ob also drei Monatsbeiträge 13 Wochenbeiträgen entsprechen. Wenn
ein Monatsbeitrag vier Wochenbeiträgen entspricht, muß der Arbeiter, der
Wochenbeiträge bezahlt, im Jahr vier Wochenbeiträge mehr bezahlen, also einen
ganzen Monatsbeitrag mehr als der Angestellte, der Monatsbeiträge bezahlt. Der
Monatsbeitrag kann nicht vier Wochenbeiträge betragen, sondern er muß
4'/J Wochenbeiträge betragen.
Um diese schwierige Verrechnung wegfallen zu lassen, beantragen wir, da3
die Kollegen, die Wochenbeiträge bezahlen, im Monat nur vier Wochenbeiträge
bezahlen, auch dann, wenn der Monat fünf Wochen hat.
Kolleginnen und Kolleger! Nun noch zum Schluß über den Anteil der Ortsgruppen
an den Beiträgen. Ich weiß, daß für die Kollegen der britischen Zone
bis jetzt eine etwas günstigere Regelung besteht. Wir hatten sie in Württemberg-
Baden und, ich glaube, auch in anderen Bünden Süddeutschlands noch nicht.
Ich erinnere daran, daß wir in Mannheim in den letzten Wochen schon einige
reisende Kollegen hatten, die eine Unterstützung haben wollten. Es kommen
ferner Kollegen, die ein halbes Jahr krank sind. Für diese Kollegen haben wir
vor einem Vierteljahr einen Antrag auf Notfallunterstützung gestellt, die ihnen
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aber nicht zukommen kann. Die Ortsverwaltung ist aber überzeugt, daß hier
wirklich ein Notfall vorliegt. Man wird den Kollegen, um ihnen aus der Not
zu helfen, eine kleine Unterstützung gewähren. Die Ortsverwaltung aber verfügt
über keinerlei Barmittel. Was macht sie? Sie schreibt diese Unterstützungsbeiträge
auf Agitation. Das ist ein Verfahren, das zwar geübt wird, das aber nicht
ganz der Ordnung entspricht.
Aus diesem Grunde verlangen wir, daß mit diesen 3 Prozent für die Ortsgruppe
und 2 Prozent für den Landesvorstand außerordentliche Ausgaben zu
decken sind; nicht die sächlichen Ausgaben, für die man in der britischen Zone
heute schon 20 Prozent bekommt, sollen damit gedeckt werden, sondern es soll
den Ortsverwaltungen für außerordentliche Ausgaben ein bestimmter Betrag
bleiben, über den sie verfügen und über den sie natürlich der Revision Vorlage
machen müssen. Denn es soll nicht so sein, daß darüber keine Abrechnung
aufgestellt wird. Es sollen aber nicht mehr Beträge auf Agitationskosten erscheinen,
die in Wirklichkeit eine Unterstützung an einen reisenden Kollegen
oder einen Kollegen in Not darstellen. Wir haben uns lange genug über die
Beitragsgeschichte beraten und glauben empfehlen zu müssen, die Unterstützungseinrichtungen
zusammen mit den Beilragsregelungen zu regeln und die
Beitragsregelung solange zurückzustellen. (Beifall.)
Vorsitzender: Ich muß einmal klar herausstellen: Die Vorlage über die
Beitragswünsche, die Sie vervielfältigt vor sich liegen haben und die der
Arbeitsausschuß ausgearbeitet hat, ist ein einstimmiger Beschluß des Arbeitsausschusses.
Das war nicht der Antrag Nürnbergs, sondern es ist eine Vorlage
des Arbeitsausschusses. Dann ist weiter zu sagen, daß die Prozentregelung, der
Anteil, den die Ortsverwaltung bekommen soll, zunächst bis 31. Dezember, wie
bisher, bei den Verbänden bestehen bleibt, weil das Statut erst ab 1. Januar 1950
in Kraft tritt. In der Zwischenzeit müssen Verbandsvorstand und Beirat die
Prozentsätze errechnen und beschließen, die den Ortsverwaltungen verbleiben.
In den Beirat und Verbandsvorstand sind in der Mehrzahl Kollegen
aus den Betrieben, nicht Angestellte der Gewerkschaft.
Das Wort hat nun der Kollege Lang (Heilbronn); ihm folgt Pufal (Hamburg).
Lang (Heilbronn): Kolleginnen und Kollegen! Wenn mich die Ortsverwaltung
Heilbronn beauftragt hat, zum § 13 hier zu sprechen, dann aus dem
Grunde, weil die heutigen Beitragssätze, die wir haben, bei uns in den Ortsverwaltungen
in Württemberg ungefähr die Höhe dessen betragen, was sie hier
in unserem Antrag Heilbronn verzeichnet sehen. Wir haben besser gestaffelt,
so daß die Spanne zwischen den einzelnen Rubriken nicht mehr so hoch liegt.
Wenn Sie heute in die Betriebe kommen — das wissen Sie alle selbst —
und sprechen von Beitragserhöhung, solange noch keine Altersrenten eingeführt
sind, dann stoßen Sie vor eine Zementwand. (Sehr gut) Sie können
nicht weiter.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die grundsätzliche Auffassung,
daß wir warten müssen, bis die Lebenshaltung den Löhnen angepaßt ist, ehe
wir dazu übergehen, zu beschließen, die Beitragssätze in der Form zu erhöhen,
wie es die Kommission vorgeschlagen hat. Wir tun das nicht deshalb, weil
wir etwa nicht sehen oder nicht sehen wollen, daß es notwendig ist, daß wir
wieder dazu kommen, ein Beitragsniveau zu erreichen, wie es früher war, wo
ein Stundenlohn ein Wochenbeitrag war. Das wollen wir schon, aber wir wollen
so lange warten, bis die Lebenshaltung einmal besser geworden ist.
Ich möchte noch eine Frage stellen. Wenn man von Bruttoverdienst spricht,
dann möchte ich wissen, ob in diesem Bruttoverdienst auch die Überstunden
miteingerechnet sind, die heute viele Kollegen machen müssen, um eben durchzukommen.
(Zuruf vom Präsidium: Nein!) Schön, dann ist diese Frage auch
erledigt.
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nun nicht mehr viele Worte machen,
sondern Sie bitten, der Wirklichkeit zu gedenken, wie es in den Betrieben bei
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Ihren Kollegen aussieht, die Sie zu betreuen haben. Nach diesen richten Sie
sich und dann werden Sie die richtige Abstimmung durchführen.
Vorsitzender: (Das Wort hat Pufal (Hamburg), ihm folgt Schnellbögl
(Frankfurt).
Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Locherer
hat in seinen Ausführungen den Grundgedanken aufgeworfen, die Beitragsfrage
so lange zurückzustellen, bis die Unterstützungsfrage geregelt ist. Ich glaube, der
Gedankengang ist nicht richtig durchdacht. Praktisch sieht es doch so aus,
daß wir als Gewerkschaft zunächst einmal einen Fonds schaffen müssen, wenn
wir Unterstützungen geben wollen. Wenn wir weiter vegetieren wollen, werden
wir nie zur Unterstützungszahlung kommen.
Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob bei den Angestellten vier Wochen
oder viereinviertel Wochen berechnet sind. Wir haben in der Kommission bei
den Angestellten vier Wochen zugrunde gelegt, und zwar deshalb, weil wir
uns auf- der anderen Seite dessen bewußt gewesen sind, daß von Seiten einer
bundesuntreuen Organisation weniger Beiträge oder ein niedrigerer Beitrag einkassiert
wird. Aber auf der anderen Seite, Kolleginnen und Kollegen, sind wir
uns doch darüber im klaren, daß wir in allen Gewerkschaften zumindesten
in der Beitragsfrage wie auch in der Unterstützungsfrage eine einheitliche Linie
beziehen wollen. Wenn wir in der Kommission die Ihnen vorliegenden Beitragshöhen
festgesetzt haben, so ist das in Abstimmung mit dem Gewerkschaftsrat
geschehen, der für alle Gewerkschaften dieselben Beiträge erheben
will.
Wenn ich ein Wort zu der Rückerstattung des prozentualen Satzes für die
Ortsgruppen sagen möchte, so das eine, daß wir in der Kommission in allen
Ländern in der Rückerstattung unterschiedliche Verhältnisse vorgefunden haben.
In einigen Ländern haben die Ortsgruppen gar nichts zurückbekommen, in der
britischen Zone 20 Prozent. Das muß zumindest abgestimmt werden. Wir sind
der Meinung, daß man das dem kommenden Vorstand wie dem Beirat überlassen
muß, um eine Norm zu finden, was den einzelnen Ortsgruppen von
den Beiträgen zurückerstattet werden soll. Wir sind der Meinung, daß die
Ortsgruppen so viel zurückerstattet haben müssen, daß sie leben können und
daß sie ihren Verpflichtungen nachkommen und ihren Agitations- und Versammlungsbetrieb
durchführen können. Wir sind aber nicht der Meinung, daß
man einen Prozentsatz festsetzt, der dazu führen könnte, in den Ortsgruppen
das Geld zu belassen, der Hauptverwaltung aber das Geld zu -entziehen, so daß
bei evtl. ausbrechenden Kämpfen die Hauptverwaltung etwa Notbeitiäge ausschreiben
muß. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, dem vom
Kollegen Maack gemachten Vorschlag zuzustimmen.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Schnellbögl (Frankfurt); ihm
folgt Blome (Bremen).
Schnellbögl (Frankfurt): Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir
von Frankfurt den Antrag gestellt haben, 2 Prozent des Bruttolohnes als Beitragsregelung
vorzusehen, so glauben wir, daß wir mit den Vorschlägen, die die
Kommission ausgearbeitet hat, so ziemlich übereinstimmen. Der Beitrag in
Frankfurt wird ungefähr schon in der Höhe erhoben, wie es der Antrag
Nürnberg vorsieht.
Wir haben in Frankfurt weiter den Antrag gestellt, sowohl Wochen- wie
Monatsbeiträge einzuführen. Nachdem wir jetzt Monatsbeiträge haben und diese
in einem großen Teil der Betriebe kassiert werden, stehen wir auf dem
Standpunkt, daß "Wir an den Monatsbeiträgen unbedingt festhalten müssen.
Das ist für die Ortsverwaltungen eine bedeutende Erleichterung beim Kassieren.
Nun zur Frage des prozentualen Verhältnisses. Wir stehen auf dem Standpunkt,
daß der Ortsverwaltung mindestens 10 Prozent zur Verfügung gestellt
werden müssen. Größere Ortsverwaltungen, wie z. B. die unserige, können
sogar bei den gegenwärtigen Verhältnissen mit 10 Prozent nicht mehr aus-
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kommen. Wir sind auch augenblicklich nicht in der Lage, schon sofort mit
sogenannten Lokalbeiträgen anzufangen. Ich glaube, daß man sich schon
darüber schlüssig werden müßte, den Prozentsatz auf vorläufig mindestens
10 Prozent festzusetzen.
Nun noch eine kleine Anfrage. Wir haben von Frankfurt aius den Antrag
gestellt, daß den Landes vorständen usw. zur Bestreitung ihrer Unkosten 5*'«
zur Verfügung gestellt werden sollen. Dieser Antrag ist meiner Ansicht nach
von der Statutenkommission überhaupt nicht aufgenommen worden. (Maack
Doch!) Nein, der Antrag ist nicht abgedruckt. Wir möchten nachfragen, wieso
es gekommen ist, daß dieser Zusatzantrag nicht angenommen worden ist. Es
wäre angebracht gewesen, uns wenigstens davon in Kenntnis zu setzen, daß
unsere Anträge bei der Hauptverwaltung eingegangen sind.
Im großen und ganzen aber möchte ich feststellen, daß wir damit einverstanden
wären, wenn die Anträge der Kommission und der Antrag Nürnberg
angenommen Würden. Was wir jetzt bezahlen, können wir auch weiterhin
bezahlen.
Andererseits aber möchte ich sagen, daß die Frage einer Unterstützung so
schnell wie möglich geregelt werden muß. Es fällt schwer, auf Agitation
hinausgehen zu müssen und den Kollegen zu sagen: Ihr müßt Beiträge zahlen,
das andere wird sich im Laufe der Zeit regeln. Ich glaube, man müßte den
§ 15 ausbauen und Richtlinien darin bringen und etwa sagen: Die Gewerkschaft
ist gewillt, eine Arbeitslosen-, Streik- bzw. Kurzarbeiterunterstützuns
zu geben, damit wir, wenn wir auf Agitation gehen, das entsprechende Material
in der Hand haben. Ich glaube, daß das nicht nur für Frankfurt, sondern für
überall gilt. Denn überall, wo man hinkommt, fragen die Kollegen: Was bietet
man für die Beiträge? Dann stehen wir da und können nichts sagen als vielleicht:
Wir sind im Aufbau, und solange der Aufbau nicht abgeschlossen ist,
müßt ihr euch gedulden. Das geht auf eine kurze Frist, nicht auf die Dauer.
Ich möchte daher bitten, daß man auf dem Verbandstag Richtlinien.festsetzt,
damit wir den Kollegen draußen sagen können, was wir vorhaben.
Vorsitzender: Es spricht Blome (Bremen); ihm folgt Nätschor
(Nürnberg).
Blome (Bremen): Kolleginnen und Kollegen! Was die Unterstützungsfrage
anlangt, die in Verbindung mit der Beitragsfrage angeschnitten worden ist, so
appelliere ich zunächst einmal an den alten Gewerkschaftsgeist. Das ist nach
meinem Dafürhalten das Wesentliche. Wir sind auf der Strecke, arbeiten in
der Agitation und sind keine Versicherungsagenten, sondern wir haben zu agitieren
und aufzuklären über den Sinn und die Tätigkeit der Gewerkschaften.
Die Hauprunterstützung, Kolleginnen und Kollegen, ist bereits geregelt. Das ist
die Streikunterstützung. Glauben Sie, daß die Kollegen, die nach einer Sonderform
von Unterstützungen, ganz gleich welcher Art, fragen, mit Ausnahme der
Streikunterstützung, überhaupt einmal Gewerkschafter werden? Ich bin der
Auffassung, daß wir dafür zu sorgen haben, dem Selbstzweck der Organisation
zu dienen. Die Unterstützungseinrichtungen sind Mittel zum Zweck. Der
Selbstzweck ist der, verbesserte Lohn- und Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Wollen die Kollegen vielleicht mit 60 und 70 Pf. Beiträgen Streiks finanzieren?
Wollen sie sieh mit diesen niedrigen Beiträgen über Wasser halten? Und darüber
seien wir uns klar: Die Reaktion erhebt mehr denn je ihr Haupt. V/ir
werden in allernächster Zeit bitteren Kämpfen nicht aus dem Wege gehen
können. Wir dürfen ihnen auch nicht ausweichen. Aus diesem Grunde, Kollegen,
müssen wir schon dafür plädieren, daß wir dem Vorschlag des Ausschusses
zustimmen.
Was die prozentuale Belassung der Beiträge an die Ortsgruppen betrifft, so
schließe ich mich vollkommen den Ausführungen des Kollegen Pufal an. Der
Verbandsvorstand wird der letzte sein, der die Lebensfähigkeit der Ortsverwaltungen
irgendwie wird beschneiden wollen. Denn er ist selbst von der
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Pike auf in der Ortsverwaltung tätig gewesen nxad weiß genau, welche Schmerzerr
die Ortsverwaltungen haben.
Ich möchte euch also, Kollegen, ersuchen, hier die richtige Entscheidung
zu treffen; denn ohne Munition können wir von vornherein keinen Kampf
durchführen. Stimmen Sie also, bitte, dem Antrag des Ausschusses zu. Und
wenn wir uns in zwei Jahren wieder sprechen können, so werden Sie bestätigen,
daß wir recht gehabt haben.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nätscher (Nürnberg); ihm folgt
Krautter (Hannover).
Nätscher (Nürnberg): Ich kann es ganz kurz machen. Ich hätte eine Bitte
an Sie, und zwar die, daß Sie bei der Diskussion künftig bei der Erörterung
der einzelnen Punkte daran denken möchten, daß wir 42 Paragraphen zu
erledigen haben. Wir sind jetzt nach fünfeinhalbstündiger Beratung bis zu § 13
gekommen. Wir können der Sache dienlich sein, wenn die nachfolgenden Diskussionsredner
immer darauf achten, inwieweit der Vorredner den Tenor der
Sache bereits gestreift hat. Wenn wir überhaupt zu einer reibungslosen Abwicklung
der ganzen Tagung kommen wollen, so müssen wir immer beachten, da3
nicht alle Wünsche restlos erfüllt werden können und im allgemeinen doch die
Zustimmung zu den Vorschlägen des Ausschusses Voraussetzung ist. Ich habe
mich jedenfalls dafür verwendet, daß die bayrischen Kollegen sich bisher danach
gerichtet haben.
Ich richte an Sie die herzliche Bitte, darauf zu achten, ob der Vorredner ein
Problem bereits behandelt hat, und dann auf weitere Ausführungen zu verzichten,
wenn sie nicht ganz grundsätzliche Fragen betreffen.
Vorsitzender: Das Wort hat Krautter (Hannover); ihm folgt Pulley
(Stuttgart).
Krautter (Hannover): Wir haben die Vorlage der Antragskommission vor
uns liegen. Ich vermisse darin etwas, was in unserer alten Satzung der Industriegewerkschaft
Nahrung — Genuß — Gaststätten der britischen Zone enthalten
war. Dort war unter anderem auch für Lehrlinge, Arbeitslose und Invaliden
ein Beitrag vorgesehen, der hier nicht enthalten ist. Das hätte die Antragskommission
zum mindesten mit hineinverarbeiten müssen. Hier steht: Bis
15,- DM 20 Pf. Wochenbeitrag. Wir haben aber in der britischen Zone schon
eine ganze Reihe von Arbeitslosen, die in diesem Beitragsreglement unbedingt
entsprechend festgelegt werden müssen.
Von verschiedenen Kollegen ist die Frage angeschnitten worden, daß man vier
Wochenbeiträge erheben soll in einem Monat und nicht 13 Wochenbeiträge in
einem Vierteljahr. Kollegen, ich bin der Auffassung, ein gewerkschaftlicher
Grundsatz war immer, daß wir im Jahre 52 Wochen haben und daß wir hierzu
auch 52 Wochenbeiträge entrichten müssen, das heißt 13 Wochenbeiträge in
einem Vierteljahr und nicht nur vier in einem Monat.
Dann hätte ich gern von selten des Verbandsvorstandes der britischen Zone
folgendes gewußt. Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes der
britischen Zone hatte beschlossen — so wurde uns jedenfalls von Seiten des
Bezirksvorstandes berichtet —, daß eine Arbeitslosenunterstützung für unsere
Kollegen ab 1. Mai eingeführt werden soll. Die verantwortlichen Kollegen des
Bezirksvorstandes sprachen von einer 99prozentigen Sicherheit der Einführung
dieser Arbeitslosenunterstützung. Der Bundesbeirat des DGB, britische Zone,
hat dann beschlossen, auf Grund der unterschiedlichen Unterstützungssätze in
den einzelnen Ländern davon abzusehen und zu warten, bis ein einheitlicher
Deutscher Gewerkschaftsbund für die Trizone gegründet worden ist. Kollegen,
wir haben uns in den Ortsverwaltungen die größten Vorwürfe von unseren
Kollegen, die heute arbeitslos sind, machen lassen müssen, weil wir auf Grund
dieser Mitteilung des Bezirksvorstandes des DGB mit den Kollegen darüber
gesprochen haben, daß wir Unterstütziungsemrichtungen für arbeitslose Kollegen
schaffen werden. Dann kam die Spritze, und wir standen wieder da, und unsere
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Kollegen haben uns erklärt: Ja, wenn ihr uns einmal so und einmal so erzählt,
dann müßt ihr euch wohl vorher einig werden, bevor ihr unter die Märchenerzähler
geht. Ich hätte ganz gern vom Verbandsvorstand gewußt, ob er als
Mitglied des Bundesbeirates die Zustimmung dazu gegeben hat. Wir haben uns
in unseren Organisationen die größten Vorwürfe anhören müssen. Ich sehe
nicht ganz ein, wenn in der amerikanischen und der französischen Zone die
Unterstützungssätze für Arbeitslose noch nicht geregelt sind, daß so etwas
schon in der britischen Zone hätte durchgeführt werden können. Ich bitte den
Haaiptvorstand um aufklärende Worte.
Vorsitzender: Das Wort hat Pulley (Stuttgart); ihm folgt Mendel
(Heidelberg).
Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich vor allen
Dingen an die Kollegen der britischen Zone wenden, und zwar aus einem ganz
besonderen Grunde Wir alle, die wir hier sitzen, sind Funktionare und stehen
tagtäglich in den Betrieben. Wir haben bei uns in Württemberg-Baden leider
Gottes oder Gott sei Dank — das braucht hier nicht erörtert zu werden — im
Augenblick einen niedrigen Beitragssatz. Ihr selbst, Kollegen, die ihr ir. den
Betrieben steht, müßt mir doch wirklich recht geben, daß da kein Argument
durchschlagen kann, wenn wir jetzt mit einer Beitragserhöhung kommen, nachdem
wir zusammengeschlossen sind. Denn das Mißtrauen war bei uns schon
immer vorhanden. Kollegen, ich bin euer Landsmann, aus Wuppertal. Stellt
euch aber nun vor, ich käme in einen Betrieb in Stuttgart und müßte sagen:
Ab heute müßt ihr 80 Pf. oder 1,20 DM mehr zahlen! Was glaubt ihr. wes die
Kollegen mit mir machen würden? (Zuruf: Sie prügeln dich hinaus!)
Der Kollege Pufal hat mit Recht gesagt, wir brauchen Geld. Wir müssen
tatsächlich Geld haben, und die Kollegen müssen es einsehen. Vielleicht ist es
bei euch anders; aber ich muß ehrlich sagen, bei unseren 7000 Mitgliedern in
Stuttgart in meiner Ortsverwaltung kann ich die Gewerkschafter an den Händen
abzählen.
Ich bitte daher, den Stuttgarter Antrag anzunehmen, der besagt: Solange
keine Unterstützungen gezahlt werden, solange ich kein Argument habe, um eine
Beitragserhöhung zu begründen, solange müssen wir tatsächlich leider auf eine
Beitragserhöhung verzichten. Denn ich glaube, es liegt auph im Sinne der
künftigen Hauptverwaltung, wenn ich nachher melden kann oder wenn Sie
melden können, daß wir 7000 oder 8000 Mitglieder haben, statt daß mir 3000 zum
Teufel gehen. (Sehr richtig!) Aus diesen Gründen bitte ich, unseren Antrag
wirklich ernstlich zu prüfen und auch unsere Lage zu verstehen. Wir sind nicht
hierhergekommen, um uns etwas vorzumachen, sondern um uns gegenseitig
auszusprechen. Nehmen Sie daher den Antrag von Stuttgart an, daß wir die
bisherigen Beitragsleistungen bestehen lassen, solange wir keine Unterstützungen
haben. Ich will noch ganz kurz etwas sagen. Wir haben in Württemberg eine
Angestelltengewerkschaft. Sie ist bei uns der billige Jakob. (Zuruf: Bei uns
auch!) Was meint ihr, was meine Kollegen im Betrieb immer sagen? Sie sagen:
Ich gehe zu diesem Verband. Das wollen wir doch nicht. Deshalb, Kollegen,
überlegt euch das, was wir nach reiflicher Überlegung und Beratung beantragt
haben.
Vorsitzender: Das Wort hat Mendel (Heidelberg); ihm folgt Pufal
(Hamburg).
Mendel (Heidelberg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich aus
einem besonderen Grund in dieser Frage ziu Wort gemeldet. Ich habe in
unserem Bezirk Heidelberg unter rund 6000 Mitgliedern etwa 4500 Tabakarbeiter
besonders zu betreuen. Wer die Lage in der Tabakindustrie kennt,
der weiß, mit welchen scnwitrigen Umständen und Veihältnissen diese Menschen
zu ringen haben, um noch einigermaßen ihre Lebensverhältnisse meistern zu
können. Nun haben wir auf Grund der Beiträge, die bei uns in Württemberg-
Baden eingeführt wurden, schon frühzeitig Differenzen bekommen. Wir haben
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versucht, diese Differenzen durch Einschaltung einzelner Lohnstufen auszugleichen.
Wir haben als niedrigsten Beitragssatz 1,20 im Monat gehabt. Bei
uns kennt man nur Monatsbeiträge. Mindestens 60 bis 70 °/o der Tabakarbeiter
aber hätten nicht mehr Mitglied unserer Gewerkschaft sein können, wenn wir
nicht einen Zwischenbeitrag eingesetzt hätten. Wir haben daher einen Zwischenbeitrag
von 90 Pf. eingeführt. Vor einigen Wochen — es liegt jetzt ungefähr
sechs Wochen zurück — kamen aus einer ganzen Reihe von Betrieben in meinem
Bezirk Listen, auf denen sich die Kolleginnen und Kollegen abgemeldet haben.
Als ich in diese Betriebe kam, habe ich festgestellt, daß es den Leuten auf
Grund der derzeitigen Verhältnisse bereits jetzt schwerfällt, die Beiträge aufzubringen.
Sie erklärten mir: Ja, Kollege Mendel, wenn wir mit einem niederen
Beitragssatz durchkommen und dieser anerkannt wird, werden wir eventuell
bereit sein, die Mitgliedschaft fortzusetzen. Nach Überprüfung einzelner Verdienstverhältnisse
habe ich feststellen müssen, daß die Abzüge in Wirklichkeit
etwas zu scharf bemessen waren. Nun vermisse ich hier in diesen neuen Beitragsvorschlägen
einen niedrigen Beitragssatz. Wenn unsere Kollegen das sehen,
wird es ihnen in der Gewerkschaft gruseln. Als das Notopfer eingeführt wurde,
sind Leute zu mir gekommen, die nur 50 und 60 DM verdienen, und haben
gesagt: Wenn es nicht möglich ist, die Kolleginnen und Kollegen, die unter
100 DM verdienen, vom Notopfer zu befreien, dann kürzen wir den Gewerkschaftsbeitrag;
höhere Ausgaben und Abzüge sind für uns nicht tragbar.
Angestellte von Betrieben haben erklärt: Kollege Mendel, wenn ihr weiter auf
unsere Mitgliedschaft rechnet, so müßt ihr versuchen, eure Beitragssätze den
billigen Beitragssätzen des Angestelltenverbandes in unserem Gebiet anzupassen.
Wir haben also in dieser Beziehung einen schweren Kampf zu führen. Wenn
jetzt der Zusammenschluß kommt -- ich habe in den letzten vier Wochen mindestens
50 bis 60 Betriebsversammlungen durchgeführt und daraul aufmerksam
gemacht, was bevorsteht — und wir kommen jetzt nach Hause und bringen zur
Kenntnis, daß mit dem Zusammenschluß eine Erhöhung der Beiträge verbunden
ist, ohne daß wir sagen können, wir haben auch sofort eine Unterstützung eingeführt,
dann werden die Leute die Köpfe schütteln, und es könnte der Fall
sein, daß der Mitgliederstand erheblich zurückgeht. Wir wissen es, und Sie
wissen es auch: Als wir die Gewerkschaften aufgebaut haben, glaubten die Mitglieder,
daß es bei der Gewerkschaft so sei wie einst bei der Arbeitsfront, und
daß sie hinein müßten. Sehr viel würden nicht hineingegangen sein, wenn sie
gewußt hätten, daß der Beitritt freiwillig war. Wlir haben sie bei ihrem Glauben
gelassen. Heute aber, wo die Arbeiter auf jeden Pfennig angewiesen sind,
reagieren sie auf diese Dinge, und wir werden einen sehr schweren Stand
bekommen.
Ich möchte aus diesem Grunde bitten, in den untersten zwei Stufen noch
eine Zwischenstufe einzubauen. Ich habe beabsichtigt gehabt, hier einen besonderen
Antrag zu stellen. Ich habe mich schon mit einzelnen Kollegen unterhalten,
habe auch angefangen, Unterschriften zu sammeln. Sie sind aber
schließlich dazu gekommen, zu mir zu sagen: Sprich selbst, trage deine Verhältnisse
vor, wenn der Paragraph zur Behandlung steht. Das hat mich davon abgebracht,
einen Antrag einzubringen. Ich möchte aber bitten, meine Ausführungen
zu beachten und dahingehend zu verwerten, daß es bei einer weiteren
Überprüfung vor dem zuständigen Ausschuß vielleicht doch noch möglich ist,
in den untersten zwei Stufen eine Zwischenstufe einzuführen. Der Kollege
Remppel bekommt die Unterlagen in die Hand und kann damit in der Kommission
arbeiten.
Vorsitzender : Das Schlußwort hat der Kollege Maack.
Maack (Lübeck): Daß die Frage der Beitragsregelung eine ausgedehnte
Diskussion auslösen würde, war uns natürlich klar. Aber ich bitte doch
einmal zu bedenken: Wir gehen jetzt die Ehe ein, wir machen Vielweiberei
beinahe, wir sind schon verheiratet, das Standesamt hat bereits gesprochen.
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Die Dinge liegen aber doch so, daß in allen drei Zonen, ja, in allen Ländern
ganz unterschiedliche Beitragsregelungen bestehen. Wie stellt man sich das
vor? Sollen wir denn diesen Zustand der unterschiedlichen Beitragsregelung
in unserer einheitlichen Organisation beibehalten? Das geht doch wohl nicht,
sondern wir müssen uns auf einem einheitlichen Nenner treffen. Dabei ist es,
Kollegen, natürlich ohne weiteres möglich, daß dabei in irgendeinem Land
in irgendeiner Gruppe eine Beitragserhöhung herauskommt.
Wenn ich mir aber die Beitragsvorschläge einmal ansehe, so möchte ich
tatsächlich wissen, wie wollt ihr die Sache noch anders regeln? Wollt ihr
mit 5 Ff. anfangen oder wie wollt ihr es machen? So geht doch die Geschichte
nicht. Wir haben doch 15 Gruppen aufgestellt, in denen wir entsprechend äem
verüenten Lohn den Beitrag eingestuft haben. Ihr müßt euch einmal mit
dieser Frage abfinden.
Ich kann zur Illustration folgendes sagen: Es sind kaum zwei Jahre her,
daß wir uns in der britischen Zone zusammengeschlossen haben. Wir haben
dort auch drei einzelne Gewerkschaften, und alle drei hatten unterschiedliche
Beitragsleistungen. Ich spreche hier als Landesleiter von Schleswig-Holstein.
Wir hatten einen einheitlichen Beitrag von 50 Pf. Dann kam die Neuregelung
auf unserem Vereinigungsverbandstag, auf dem natürlich auch alles auf einen
Nenner gebracht wurde und Beiträge bis zu 1,50 DM herauskamen. (Zuruf: In
der Reichsmarkzeit!) Das ist egal! (Zuruf: Das ist nicht egal!) Das spielt in
Wirklichkeit keine Rolle. (Anhaltende Unruhe und Zwischenrufe.) Erlaubt doch
einmal, wir können unsere Beiträge doch nicht von der jeweiligen Währung
abhängig machen. (Erzähl uns doch nichts!) Ich erzähle hier nichts. (Anhaltende
Unruhe.) Ich illustriere nur einmal. Es geht nicht darum, ob das dazu gehört
oder nicht. Laßt mich wenigstens ausreden, das lasse ich mir nicht nehmen.
Die Verhältnisse lagen so, daß wir in Schleswig-Holstein in weiten Kreisen
ebenfalls der Auffassung waren, diese Beitragserhöhung müßte unter allen
Umständen einen Mitgliederschwund bedeuten. Ich kann euch sagen, daß die
Erhöhung nach der Richtung hin gar keine Folgen gehabt hat, sondern daß
sich die Kollegenschaft mit dieser eben abgefunden hat. Es liegt doch letzten
Endes, Kollegen, an den Funktionären, den Kollegen in den Betrieben klarzumachen,
warum diese Beitragsregelung so und so getroffen werden muß.
(Widerspruch.) Der Kollege Pufal hat durchaus recht, wenn er sagt: Wie stellt
man sich die Einführung von Unterstützungseinrichtungen vor, wenn man auf
der anderen Seite nicht die Grundlagen für solche Unterstützungen schafft?
Wohin soll das führen? Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Denn auch
die Gewerkschaft kann letzten Endes die Gelder für die Unterstützung nicht
von den Bäumen pflücken, sondern sie müssen erst einmal eingebracht werden,
es muß erst einmal ein Fonds geschaffen werden.
Dem Kollegen, den Namen weiß ich nicht, der hier die Rechnung aufgemacht
hat, daß die Arbeiter im Monat nur vier Wochenbeiträge bezahlen sollten, um
mit tten Angestellten auf die gleiche Stufe zu kommen, möchte ich sagen:
Das ist eine Milchmädchenrechnung, diese Rechnung stimmt nicht ganz. Wenn
wir nämlich für die Angestellten vier Wochenbeiträge berechnen, dann berechnen
wir ja auch das Gehalt, das er in Wirklichkeit in 4 1 /» Wochen erhält.
Die Geschichte glättet sich schon wieder aus. Zum anderen wollen wir bei
dieser Gelegenheit vor allen Dingen darauf hinaus, daß wir die Angestellten
für uns gewinnen. Es ist das ein sehr großes Gebiet, das wir zu beackern
haben.
Ich will nicht auf die Einzelheiten eingehen. Das'Fur .und Wider ist durch
die Diskussion in ausgiebigem Maße erörtert worden. Alle Kollegen, die in ^er
Kommission anwesend waren, aus Süd, aus Nord und aus dem Westen sind einstimmig
zu der Auffassung gekommen, diese Regelung dem Gewerkschaftsrat
zu empfehlen und diese Empfehlung möchte ich weitergeben.
112
Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!
Wir wissen immer noch nicht, was mit den Arbeitslosen ist!) Ich
komme darauf. Bei der Vorlage, die Sie vor sich liegen haben, schreiben Sie
darüber: Lehrlinge, Arbeitslose, Invaliden 20 PL Es war in dem Tarif bis
15,— DM miteinbegriffen. Aber damit es klar ist, soll diese Formulierung
auch vorangesetzt werden. Die Vorlage, die Sie bekommen haben, bekommt also
an der Spitze beim Wochenbeitrag die Hinzufügung: „Lehrlinge, Arbeitslose
und Invaliden 20 Pf." (Zuruf: 10 Pf.!)
Wir kommen zur entscheidenden Abstimmung. Der Kollege Krautter wird
von mir beauftragt werden, von diesem Pfeiler ab die Stimmen auszuzählen
und der Kollege Dozier die Stimmen auf der anderen Seite. (Zuruf: Die Arbeitslosen
zahlen nur 10 Pf.; du hast 20 Pf. gesagt!) (Zuruf: Je Woche oder Monat?)
Je Woche natürlich!
Wir stimmen ab über die Vorlage, wie sie vorliegt, über die Wochen- und
Monatsbeiträge. Wer für diese Vorlage stimmen will, den bitte ich, die Delegiertenkarte
zu erheben. — 77 sind dafür. Ich bitte um die Gegenprobe. — 61
sind dagegen. Die Vorlage ist mit 77 gegen 61 Stimmen angenommen.
Wir kommen jetzt zu einer weiteren Entscheidung. (Anhaltende Unruhe.)
Wir haben jetzt die Entscheidung zu treffen — Kollegen, wenn Sie alle reden,
kann ich nicht dagegen anreden, das ist vollkommen ausgeschlossen, ich muß
bitten, daß jede Privatunterhaltung draußen geführt wird (Sehr richtig!) —
über den Antrag des Arbeitsausschusses, daß die Festlegung des Anteiles der
Ortsgruppen nicht heute beschlossen wird, sondern dem kommenden Verbandsvorstand
und Beirat übertragen wird. Den Grund haben wir schon gesagt.
Es muß zunächst einmal genau festgestellt werden, wie hoch die Belastung
der Ortsgruppen ist und wie hoch die Einnahmen auf Grund der neuen Beitragsregelungen
sind, damit ein gerechter Ausgleich zustande kommt. Daß dies
mehr als 10 Prozent ist, wie ein Redner gesagt hat, ist klar. Darüber ist kein
Zweifel. Mit 10 Prozent kann keine Ortsgruppe arbeiten.
Wir stimmen nun darüber ab. Wer dafür ist, daß die Festsetzung der Prozente
für die Ortsverwaltungen gemäß Vorschlag des Arbeitsausschusses dem komr
menden Vorstand und Beirat überlassen wird, den bitte ich, die Karte zu
erheben. — Das ist die Mehrheit. Das brauchen wir gar nicht auszuzählen. Es
ist so beschlossen.
Dann haben wir einen Antrag, der von 25 Delegierten unterschrieben ist.
Als Quittung für einen geleisteten Beitrag hat nur eine im Mitgliedsbuch
eingeklebte und dann entwertete Beitragsmarke Gültigkeit. Jedes
Beitragsmarkenfeld . . . eines Mitgliedsausweises muß mit einer Beitragsmarke
beklebt sein.
Will einer der Antragsteller den Antrag begründen? Es ist nicht erforderlich.
Der Antrag spricht für sich. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht
der Fall. Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen, die Karte zu
erheben. — Ich danke. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Damit wäre der § 13 erledigt.
Bevor wir zum § 14 gehen,, möchte ich Ihnen jetzt die Entschließung unterbreiten,
die zur Genossenschaftsfrage ausgearbeitet wurde. Die Entschließung
hat folgenden Wortlaut:
Der vom 24. bis 27. Mai abgehaltene Vereinigungsgewerkschaftstag der
Industriegeweikschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten der drei westlichen
Zonen Deutschlands beschäftigte sich eingehend mit der Frage einer
möglichst aktiven Unterstützung der Konsumgenossenschaften.
Der Gewerkschaftstag steht einmütig auf dem Standpunkt, daß die
Konsumgenossenschaften als wichtiges Glied der Arbeiterbewegung auf
dem Wege zur Demokratisierung der Wirtschaft eine bedeutsame Rolle
spielen.
8 Protokoll 113
Den Konsumgenossenschaften ist deshalb jede denkbare Unterstützung
und Förderung zu gewähren.
Der Vereinigungsgewerkschaf'.stag empfiehlt allen Mitgliedern des Verbandes,
jeweils den örtlichen Konsumgenossenschaften beizutreten, um
deren wirtschaftlichen Einfluß auf die Warenverteilung zu stärken.
Ich glaube, wir brauchen darüber nicht mehr zu diskutieren, der Sinn ist
schon diskutiert. Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen, ihre
Karte zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig
beschlossen! (Zuruf: Zur Geschäftsordnung! Wir bitten die Entschließung zu
vervielfältigen!) Die Entschließung wird vervielfältigt und den Delegierten
morgen ausgehändigt.
I
Wir kommen dann zum § 14 „Anrechnung".
.Maack (Lübeck): Der § 14 sagt, daß die in früheren Gewerkschaften bis
1933 zurückgelegte Mitgliedschaft angerechnet wird. Im letzten Satz der Vorlage
heißt es: „Über Art und Umfang der Anrechnung entscheidet
der . . . bund." Die Kommission schlägt vor, den letzten Satz des Entwurfes
zu streichen. Damit sind dann die Anträge Kassel, Biblis, Pfungstadt, Hildesheim,
Neuß, Aachen, Hockenheim, Eßlingen, Mannheim und Heidelberg erledigt.
München beantragt dann, im ersten Satz hinter „die" das Wort „nachweislich"
einzusetzen, EO daß es dann heißen würde: „Die nachweislich in
früheren Gewerkschaften bis 1933 zurückgelegte Mitgliedschaft wird angerechnet."
Wir bitten, auch diesem Antrag stattzugeben.
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Ich stelle fest, daß
der Gewerkschaftstag dem zustimmt.
§ 15 „Unterstützungen".
Maack (Lübeck): Die Anträge Nürnberg, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,
Regensburg, Schwabach, Fürth, Kassel, Wiesbaden, Hannover, Münster, Eßlingen,
Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg schlagen wir vor, dem Verbandsvorstand
als Material zu überweisen, weil die Unterstützungsfrage generell überhaupt
noch nicht geklärt und geregelt ist.
Vorsitzender: Ich stelle ihr Einverständnis fest. Der Paragraph ist
genehmigt.
§ 16 „Ruhen und Stunden der Beitragspflicht".
Maack (Lübeck): Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach,
Fürth, Kassel, Biblis, Pfungstadt, Mannheim und Heidelberg beantragen, hinter
„ruht die Mitgliedschaft" zu setzen, „es sei denn, daß dieselbe durch Eintreten
für die Interessen der Ziele der Gewerkschaft verursacht wurde". Diesen
Antrag empfiehlt die Kommission zur Annahme.
Die Anträge Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth.Kassel, Biblis,
Pfungstadt, Stuttgart, Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Heidelberg, in Abs. 2
statt 8 bis 13 Wochen drei Monate zu setzen, bitten wir abzulehnen.
Die Anträge Kassel, Biblis, Mannheim und Heidelberg „Arbeitslose ohne
Unterstützung und Einkommen können auf Antrag beitragsfrei gestellt werden"
bitten wir ebenfalls abzulehnen .
Den Antrag Hildesheim, den Abs.. 2 „Bei Inhaftierung und Strafverbüßung
ruht die Mitgliedschaft" zu streichen, müssen wir ablehnen. Wir haben vorgeschlagen,
den anderen Antrag anzunehmen „es sei denn, daß dieselbe durch
Eintreten für die Interessen und Ziele der Gewerkschaft verursacht wurde".
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Doch, Bauer (Heidelberg,.
Bauer (Heidelberg): Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie dringend, den
beantragten Nachsatz zu Abs. 2: „Arbeitslose ohne Unterstützung und Einkommen
können auf Antrag beitragsfrei gestellt werden. Über den Antrag entscheidet
der Hauptvorstand." anzunehmen. Die Verhältnisse in der Vergangenheit in der
Zeit vor 1933 waren uns alten Funktionären ein bitterer Lehrmeister. Sie haben
114
uns dazu gezwungen, damals eine derartige Einrichtung zu schaffen. Die Verhältnisse
in der Gegenwart sind für die deutsche Arbeiterschaft noch viel
schwerer als damals. Wir müssen in Anbetracht der Situation, in der wir gegenr
wärtig stehen, wo Hunderttausende arbeitslos sind und seit langen Monaten
keine Unterstützung mehr beziehen und keinerlei Einkommen haben, die Möglichkeit
geben, daß sie beitragsfrei gestellt werden können. Wir sind damals
vor 1933 so verfahren, daß wir auch dafür eine Quittungsmarke in Form einer
schwarzen Beitragsmarke gegeben haben. Wenn uns die Verhältnisse nicht dazu
gezwungen hätten, damals wären wir diesen Weg nicht gegangen. Wir werden,
ob wir wollen oder nicht, jetzt und in der nächsten Zukunft diesen Weg gehen
müssen. Ich bitte Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Vorsitzender : Das Wort hat Pufal (Hamburg).
P u f a 1 (Hamburg): Ich muß mich gegen den Antrag des Kollegen Bauer
wenden. Praktisch sieht es so aus, Kollegen, daß die Kollegen, auch wenn sie
keine Unterstützung beziehen, durch einen Anerkennungsbeitrag ihre Treue zur
Gewerkschaft zu beweisen die Möglichkeit haben. Praktisch ist es ja gar kein
Beitrag, wenn wir nämlich bedenken, daß diesen Kollegen von Fall zu Fall durch
die Gewährung einer Notunterstützung usw. geholfen wird. Ich will nur einmal
für die britische Zone eines herausgreifen; unsere alten Rentnerkollegen haben
im vorigen Jahr von uns 100 Mark Unterstützung bekommen, einmal zu Ostern,
einmal zu Pfingsten und Weihnachten usw. Kollegen, sind dann diese Kollegen
nicht moralisch verpflichtet, zumindest den Anerkennungsbeitrag zu zahlen,
damit wenigstens das Pflichtbewußtsein der Gewerkschaft gegenüber besteht?
Bei diesen Kollegen sind wir der Meinung, daß sie diese geringen Sätze an uns
zahlen können. Praktisch häuft das kein Geld bei uns, sondern es ist lediglich
ein moralischer Beitrag, der gezahlt wird.
Vorsitzender: Es ist an sich gegen den Inhalt der Vorlage des Arbeitsausschusses
nicht gesprochen worden mit Ausnahme dessen, daß für die Arbeitslosen
diese Ausnahmegenehmigung hinein sollte. Da darf ich darauf hinweisen,
daß ein Arbeitsloser, wenn er kein Einkommen hat und nicht zahlen kann, sich
die Beiträge stunden lassen kann, so daß er damit eine Uberbrückungsmöglichkeit
erhält. Die Gründe des Ausschusses haben Sie gehört.
Wir kommen zur Entscheidung. Wer für den Antrag des Ausschusses stimmen
will, der hier in § 16 niedergelegt ist, den bitte ich die Karte zu erheben. — Ich
bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
§ 17 „Rechtsschutz".
Maack (Lübeck): Die,, Kommission schlägt vor, den ersten Satz des Entwurfes
folgendermaßen zu formulieren: „Den Mitgliedern der Gewerkschaft
kann Rechtsschutz gewährt werden bei Differenzen usw."
Die Anträge Weißenburg, Burgkunstadt, Nürnberg, München, Hof, Kronach,
Bamberg, Bad Kissingen, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg, Naila, Kulmbach,
Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Coburg, Kassel, Biblis, Pfungstadt,
Münster i. W., Hamburg, Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg
bitten wir, dem Verbandsvorstand als Material für zu erlassende Richtlinien
betr. Rechtsschutz zu überweisen.
Den letzten Satz des Entwurfs bitten wir zu streichen und dafür folgenden
Satz zu setzen: „Für die Gewährung von Rechtsschutz erläßt der Hauptvorstand
im Benehmen mit dem Beirat besondere Richtlinien."
Vorsitzender : Ich glaube, es ist eine sehr salomonische Regelung, die
getroffen ist, indem zunächst Verbandsvorstand und Beirat eine Regelung ausarbeiten,
nach welchen Grundsätzen Rechtsschutz überhaupt gewährt werden
kann. Das läßt sich heute aus diesem Gremium gar nicht in den Einzelheiten
sagen.
Wenn ich keinen Widerspruch höre, darf ich feststellen, daß so beschlossen
ist. — Danke schön. § 17 ist angenommen mit der Abänderung, die Kollege
Maack vorgetragen hat in bezug auf den letzten Satz, wonach Richtlinien der
8>
115
Hauptvorstand erlassen muß. (Zuruf: Noch einmal verlesen!) Die geänderten
Sätze? (Zuruf: Auch den ersten, wo es kann heißt. „Den Mitgliedern der
Gewerkschaft kann Rechtsschutz gewährt werden bei Differenzen usw.")
Das Wlort wird wird durch kann ersetzt. (Widerspruch, Zuruf: Zur
Geschäftsordnung!)
Maack (Lübeck): Nein, da gibt es keine Geschäftsordnung. Da kommt
folgendes hinzu. Wir haben auch diese Frage wohl überlegt und durchdacht
und sind trotzdem zur Auffassung gekommen, das Wort kann vorzuschlagen.
Vorsitzender: Wir haben den Paragraphen schon beschlossen. Du sollst
nur noch die Änderung vorlesen.
Maack (Lübeck): Das habe ich eben getan. (Widerspruch.) Der letzte Satz
ist noch nicht vorgelesen, er kommt jetzt. „Für die Gewährung von Rechtsschutz
erläßt der Hauptvorstand im Benehmen mit 'dem Beirat besondere
Richtlinien."
Schröder (Solingen): Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung
möchte ich feststellen, daß die Formulierung des Art. 17 nicht klar war. Ich
möchte deswegen bitten, daß darüber noch einmal abgestimmt wird, weil eine
Kann-Vorschrift bei Gewährung des Rechtsschutzes nach unserer Meinung
unmöglich ist. (Zuruf: Ein zweischneidiges Schwert!)
Vorsitzender: Ich darf dazu sagen, daß das Wort kann ein unbedingtes
Erfordernis ist, damit die Vorstände das Recht in der Hand behalten, Mitgliedern
den Rechtsschutz zu verwehren, die aus irgendwelchen Gründen nicht berechtigt
sind, ihn zu bekommen, weil ihre Klage absolut aussichtslos ist. Deswegen muß
es kann heißen und nicht muß. So ist die Geschichte. Aber wenn darüber
Zweifel bestehen sollten, schön, stimmen wir noch einmal ab. Es kann gar nicht
daran liegen. Aber eine Auseinandersetzung kann es nicht mehr geben.
Maack (Lübeck): Nein, das ist nicht mehr zur Geschäftsordnung.
Vorsitzender: Es wird dagegen protestiert, daß noch einmal abgestimmt
wird. Krautter (Hannover) will gegen den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen
Schröder (Solingen) sprechen.
Krautter (Hannover): Was Weber gesagt hat, ist lOOprozentig richtig und
muß rot unterstrichen werden. Wir haben in den einzelnen Ortsverwaltungen
Fälle, die von vornherein aussichtslos sind. In diesem Falle muß der Ortsgruppenvorstand
das Recht haben, den Antrag auf Rechtsschutzgewährung abzulehnen
und kann zu sagen. Deshalb möchte ich vorschlagen, den Vorschlag
des Kollegen, noch einmal abzustimmen, abzulehnen.
Vorsitzender: Der § 17 ist erledigt. Wer eirie nochmalige Abstimmung
haben will, den bitte ich, die Karte zu erheben. — Gegen 3 Stimmen abgelehnt.
§ 18 „Lohnbewegungen, Streiks und Differenzen".
Maack (Lübeck): Auch dieser Paragraph hat uns natürlich außerordentlich
stark beschäftigt. Es liegen eine ganze Reihe von Anträgen vor. Wir sind nach
eingehender Prüfung aller dieser Anträge, nachdem wir uns die Dinge noch
einmal reiflich überlegt haben — ich betone ausdrücklich noch einmal —, wieder
einstimmig innerhalb der Kommission zu der Auffassung gekommen, diesen
Paragraphen, so wie er in dem Entwurf vorgeschlagen ist, anzunehmen und
damit die Anträge Kellinghusen, Hamburg, Stuttgart, Duisburg, Köln, Heilbronn,
Mannnheim, Heidelberg, Burgkunstadt, Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth,
Naila, Krulmbach, Coburg, Kassel, Mannheim, Biblis, Pfungstadt, Bottrop,
Hannover, Gelsenkirchen, Buer, Gladbeck, Recklinghausen, Hockenheim, Heilbronn,
Elmshorn, Bochum abzulehnen.
Den Antrag Aalen, der die Unterstützung bei Arbeitsniederlegung und Aussperrung
regeln will, bitten wir, dem Hauptvorstand als Material zu überweisen.
Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht, ich stelle fest. . . (Zuruf:
Bauer, Heidelberg!) Wenn ein Paragraph aufgerufen ist, dann ist -es gut, wenn
sich die Kollegen gleich melden.
116
Bauer (Heidelberg): Es liegt ein Antrag Heidelberg vor, der folgendes sagt:
„Tarif- und Lohnbewegungen werden vom Landesvorstand geführt im Benehmen
mit dem Hauptvorstand." Darin ist zum Ausdruck gebracht, daß die Instanz
im Landesrahmen, die die Verhältnisse kennt und aus eigener Anschauung und
eigener Kenntnis am besten urteilen kann, an sich diejenige Stelle sein muß,
die berechtigt ist, Lohn- und Tarifbewegungen zu führen und daß sie das im
Benehmen mit dem Hauptvorstand und nicht eigenmächtig tun kann.
Es heißt dann weiter: „Letzterer ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an
den Verhandlungen zu beteiligen und die ihm geboten erscheinenden Maßnahmen
zu ergreifen." Bis hierher deckt sich der Antrag Im wesentlichen mit den
Ziffern 1 und 2 des vorliegenden Entwurfs.
Weiter ist gesagt: „Vor Unterschrift von Tarifverträgen und Lohnabkommen
ist die Genehmigung des Hauptvorstandes oder dessen Vertreters einzuholen."
Kolleginnen und Kollegen! Insoweit gehen wir über den vorliegenden Entwurf
hinaus. Wiir Alten wissen, welche Dinge oft draußen in den Ländern oder in
den Ortsverwaltungen in der Zeit vor 1933 gespielt haben und welche Dinge sich
in den letzten Jahren, seitdem wir in der Lage sind, Tarif- und Lohnbewegungen
zu führen, ereignet haben. Es dürfen keine Verträge unterzeichnet werden,
deren Träger die Gesamtorganisation ist, ohne daß über den Vertragsinhalt
vorher der verantwortliche Träger der Gesamtorganisation — und das ist der
Verbandsvorstand — Kennntnis erhalten hat. Es können Situationen eintreten,
daß ein Funktionär einer sofortigen Unterschrift nicht ausweichen kann, um das
ausgehandelte Ergebnis nicht verlorengehen zu lassen. Dann hat er aber nach
unserer Auffassung und nach der Gepflogenheit, die in der Organisation, der
ich vor 1933 angehörte, herrschte, die Verpflichtung, nur unter Vorbehalt zu
unterschreiben, um sich nachträglich die Genehmigung seines Hauptvorstandes
für das Unterschriebene einzuholen. Das ist der Sinn unserer Antrages.
Wir sagen weiter: Die folgenden Ziffern sind je um eine zurückzuraumerieren,
weil wir die Ziffer 1 und 2 zusammengefaßt haben wollen. Das ist lediglich
eine redaktionelle Änderung. Ich bitte Sie, den Schwerpunkt unseres Antrages
in der Formulierung zu sehen: „Vor Unterschrift von Tarifverträgen usw. ist
die Genehmigung des Hauptvorstandes oder dessen Vertreters einzuholen", mit
dem Nachsatz „falls dies im Einzelfall nicht möglich, darf nur .unter Vorbehalt'
zugestimmt oder unterzeichnet werden." Ich bitte Sie, dem ihre Zustimmung
zu geben.
Vorsitzender: Das Wort hat Benner (Gelsenkirchen), ihm folgt Fö-lber
(Hamburg). Ich möchte dazwischen sagen, daß die Teilnehmerliste für die Fahrt
nach Schliersee und Tegernsee irgendwo steckengeblieben ist. Es wird gebeten,
die Liste beim Präsidium abzugeben. (Zuruf: in der Ecke ist sie steckengeblieben!)
Benner (Gelsenkirchen): Kolleginnen und Kollegen! Demokratie, Mitbestimmung
auch in den Betrieben fordern unsere Mitglieder, und ich glaube,
auch bei Streikdifferenzen sollte man diesen Wünschen weitestgehend Beachtung
schenken. Durch die Entschlossenheit bei verschiedenen Streiks an Orten
unseres Gebietes haben wir erreicht, was wir vielleicht auf dem Wege dieses
Satzungsparagraphen niemals hätten erreichen können. Ich glaube, auch unser
Landesleiter Kollege Dozier wird mir in dieser Ansicht recht geben. Wir haben
deshalb eine Abänderung beantragt. Ich möchte alle Kollegen bitten, sich unsere
Abänderungsanträge anzusehen. Unter Abs. 3 haben wir beantragt: „Differenzen
aller Art in Betrieben sind dem Landesleiter für Weitergabe zu melden", d. h.
zur Weitergabe an die Hauptverwaltung. Wir haben dann beantragt, den nächsten
Satz zu streichen, der zum Inhalt hat, daß Arbeitsniederlegung nur auf Antrag
des Landesleiters und mit Zustimmung des Verbandsvorstandes erfolgen darf.
Denn wenn wir den anderen Weg nehmen würden, der in den neuen Statuten
vorgesehen ist, so würden wir erst einmal auf Antwort warten müssen, und der
Erfolg wäre in Frage gestellt. Wenn Sie diese unsere Abänderung annehmen,
erübrigen sich die Zusätze.
-.117
Wir selbst können an den einzelnen Orten die Lage am besten beurteilen.
Wenn die Lage aussichtslos ist, beginnen wir schon gar nicht mit einem Streik,
denn es hat keinen Zweck, einen Kampf zu 1 beginnen, wenn der Erfolg nicht
gewährleistet ist. Aber wenn der Ortsvorstand im Einvernehmen mit dem
Betriebsrat feststellt, daß ein Sieg errungen werden kann, dann wäre es angebracht,
der Ortsverwaltung das Recht einzuräumen, hier so zu handeln, wie es
für die Gewerkschaft von Nutzen ist.
Des weiteren haben wir einen Antrag eingereicht, der sich mit Abs. 7 befaßt.
Wir haben hier die Fassung vorgeschlagen: „Bei größeren Aussperrungen und
Streiks hat der Verbandsvorstand das Recht, eine Umlage auf die Beitragsgelder
zu erheben." Es war früher üblich, daß andere Ortsgruppen bei Streiks
mit eingesprungen sind und ich glaube, das läßt sich auch heute wieder machen.
Ich bitte alle anwesenden Kollegen und Kolleginnen, unseren Anträgen
weitgehendste Beachtung zu schenken und sie auch bei der Diskussion zu
berücksichtigen.
Vorsitzender: Das Wort hat Fölber (Hamburg), ihm folgt Fiederl
(München).
Fölber (Hamburg): Der § 18 hat uns in der Vorlage, wie er im Satzungsentwurf
vorgesehen ist, ganz eingehend beschäftigt. Wir sehen in der Formulierung,
wie sie im Entwurf niedergelegt ist, eine gewisse Gefahr für unsere
Gewerkschaft. Zweifellos steht jeder alte Gewerkschafter auf dem Boden einer
straffen Zentralisation. Wir müssen uns aber davor hüten, die Zentralisation
in der Form zu überspannen, damit sie nicht zu einer Überzentralisation und im
Endeffekt dahin führt, daß das Interesse der Mitglieder unserer Gewerkschaft
erlahmt und erlischt und sie das Empfinden hat, wir haben selbst eigentlich gar
nichts mehr zu sagen, warum sollen wir noch in eine Versammlung gehen oder
über irgendetwas abstimmen. Zunächst zum Abs. 1 „Lohnbewegungen werden
von der Landesleitung geführt". Ich nehme an, daß euch unser Hamburger
Antrag in dieser Beziehung vorliegt. Wir sind andererseits der Meinung: „Lohnbewegungen
werden von den gebietsmäßig beteiligten Instanzen geführt." Leider
Gottes sind wir heute noch nicht so weit, daß die Lohnbewegungen immer über
das Gebiet einer Landesorganisation geführt werden, sondern sehr oft und in
vielen Berufen werden sie noch ortsmäßig geführt. Wir wollen durchaus nicht
den Passus hineinbringen, daß sie rein von den örtlichen Instanzen geführt
werden, sondern von den gebietsmäßig beteiligten. Es könnte sein, daß es weiter
geht, daß man eine Lohnbewegung über das Gebiet einer Landesorganisation
hinaus meinetwegen im gesamten Verbandsgebiet führt. Unsere Formulierung
läßt alle Wege offen, sowohl in der Erweiterung des Rahmens als auch in der
Verengung.
„Lohn- und Tarifbewegungen sind einzuleiten", heißt es in dem Entwurf,
„wenn sie von den Mitgliedern der Sektionen mit einfacher Stimmenmehrheit
beschlossen werden." Das ist ein einfacher demokratischer Grundsatz. Ob die
Lohne ausreichend sind und eine Lohnbewegung notwendig ist, darüber zu entscheiden
muß schließlich den Beteiligten überlassen werden. Daß natürlich dazu
die Zustimmung der Organisation erforderlich ist, daß die Sache durch die
Organisation geführt werden muß, ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Das
sieht unser Entwurf vor: „Lohn- und Tarifbewegungen müssen dem Verbandsvorstand
gemeldet sein. Derselbe ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an
den Verhandlungen zu beteiligen." Das wird praktisch nicht immer möglich
sein. Wahrscheinlich wird der- Landesleiter damit beauftragt werden. Denn es
ist bei 32 Wirtschaftsgruppen, die wir haben, ein Ding der Unmöglichkeit, daß
sich jedesmal der Verbandsleiter persönlich an den Verhandlungen beteiligt. Er
wird schon jemand beauftragen müssen. Der Entwurf des § 19; wie er uns von
dem vorbereitenden Ausschuß vorgelegt wird, sieht wesentlich anders aus. Da
heißt es zum Beispiel unter 3: „Differenzen aller Art in Betrieben sind sofort
dem Landesleiter ziu melden." Das könnte passen. Nun heißt es aber weiter:
„Arbeitsniederlegung darf nur auf Antrag des Landesleiters und mit Zustimmung
118
des Verbandsvorstandes erfolgen." Zweifellos wird jeder vernünftige Landesleiter
und jeder vernünftige Verbandsleiter den Willen der Mitgliedschaft
respektieren. Aber wozu sollen wir umgekehrt etwas in den Statuten festlegen,
was in der Praxis sowieso anders gehandhabt wird? Wozu brauchen wir so
etwas? Einerseits soll der Landesleiter allein berechtigt sein, den Antrag auf
Arbeitsniederlegung zu stellen, andererseits kommt gleich die Einschränkung 3:
aber nur dann, wenn der Hauptvorstand einverstanden ist, also mit anderen
Worten, die Mitglieder können etwas beschließen, es hat aber keine Gültigkeit,
wenn der Landesleiter nicht beantragt. Der Landesleiter kann etwas beantragen,
die Mitglieder können es beschließen, es ist aber völlig ungültig, wenn nicht
der Hauptvorstand seine Zustimmung gibt. Und so geht das in ähnlicher Form
weiter.
Nun ist ein weiterer Passus weiter unten enthalten, der von größerer
Wichtigkeit ist. Absatz 8 der Vorlage lautet nämlich: „Die Aufhebung von
Streiks erfolgt durch den Verbandsvorstand oder dessen Beauftragten nach
Verständigung mit der an der Arbeitsniederlegung beteiligten Gruppe" — an
sich richtig —, „jedoch kann die Aufhebung auch entgegen der Ansicht dieser
Gruppe erfolgen, wenn nach den Umständen die Weiterführung des Streiks
zwecklos und für die Gewerkschaft schädlich ist." Kollegen, das haben wir
einmal 1923 in Hamburg erlebt. Da war eine Aussperrung, gerade als die.
neue Rentenmarkzeit begann. Diese Aussperrung hatte eine große Aussicht auf
Erfolg. Wir hatten uns in dieser Zeit damit abgefunden, daß wir keinen
Pfennig Unterstützung bekamen, daß wir mit den 6 Mark Wohlfahrtsunterstützung
das doppelte Einkommen hatten als vordem mit dem Lohn. Da hat
der Kollege Backert im Verein mit dem Kollegen Höhnlein in einer dreifachen
Abstimmung, die immer wieder angezweifelt wurde und in der jedesmal
die Fortführung des Streiks beschlossen worden war, es fertig gebracht,
daß endlich die Zweidrittelmehrheit nicht mehr da war und wir in die Betriebe
hineingehen mußten mit der Einschränkung: Eingestellt werden die Belegschaften
bis zu 90 Prozent. Das bedeutete damals, daß alle unsere Betriebsräte
und Funktionäre auf der Straße blieben, von der Lohnkürzung gar nicht
zu reden.
Das darf nicht eintreten. Wir dürfen unser Schicksal niemals von der
Anständigkeit oder Auffassung einer Person abhängig machen. Deswegen haben
wir uns diesen Passus ausdrücklich vorgemerkt und gesagt: Es ist mindestens
die Zustimmung des Verbandsausschusses notwendig, wenn wirklich ein Streik
in irgendeinem Gebiet geführt wird, und die Verwaltung ist der Meinung,
der Streik muß abgebrochen werden.
Meine Zeit ist abgelaufen, ich bedaure, daß ich nicht weiter auf diese
Dinge eingehen kann, dafür ist unser Antrag ein bißchen groß. Aber ich
hoffe, daß ihr das dem Sinn und Wesen nach begriffen habt und bitte
euch, für unseren Anfrag zu stimmen.
Vorsitzender: Das Wort hat Fiederl (München), ihm folgt Langenbach
(Köln. ' •%
Fiederl (München): Ich finde es sonderbar, daß sich der Kollegs Bauer
hier zu einem Zusatzantrag entschließen konnte, der die Bewegungsfreiheit
der Landesleitungen dahingehend eindämmt, daß der betreffende Landesleiter,
nicht befugt sei, eine unter den schwierigsten Umständen abgeschlossene Vereinbarung
als rechtsverbindlich zu unterzeichnen. Ich glaube, diejenigen, die
im Augenblick mit Tarifabschlüssen zu tun haben, wissen zur Genüge, daß
es heute nicht einfach ist, überhaupt eine Lohnverbesserung durchzusetzen,
daß wir ferner heute gezwungen sind, uns mit zeitlich begrenzten Vereinbarungen
zu begnügen, und daß die Arbeitgeber denselben Standpunkt einnehmen
könnten, daß sie nämlich mit Vorbehalt unterzeichnen. Bis nun die
rechtsverbindliche Unterschrift von beiden Seiten geleistet wäre, wäre der
Zeitpunkt abgelaufen, für den die Bewegung eigentlich wirksam werden sollte.
119
Hier muß die Tatsache entscheidend sein, daß die von den einzelnen Ländern
bestimmten Landesleiter und die ihnen beigegebenen Tarifkommissionen sehr
wohl in der Lage sind, die Möglichkeiten einer Lohnerhöhung so weit zu überprüfen,
daß sie auch überzeugt sind, ein Höheres war nicht mehr möglich und
mit dem Gegenwärtigen müssen wir uns bescheiden. Handelt es sich um Bewegungen
größeren Ausmaßes für größere Industrien, so ist es wohl eine
Selbstverständlichkeit, daß sich die Länder gegenseitig mit dem Hauptvorstand
abstimmen und daß, ehe in eine Aktion eingetreten wird, die schwere Folgen
haben könnte, das Zugeständnis des Hauptvorstandes eingeholt wird, weil
ja auch die daraus hervorgehenden wirtschaftlichen Verpflichtungen zu Lasten
der Hauptkasse gahen. ,
Aus diesen Erwägungen heraus bitte ich Sie, die von Heidelberg gestellte
Vorbehaltsformulierung abzulehnen.
Vorsitzender: Das Wort hat Langenbach (Köln), dann folgt Pufal
(Hamburg).
Langenbach (Köln): Wir haben folgende Fassung für den Absatz 1 vorgeschlagen:
„Lohnbewegungen werden von den Landesleitungen geführt, soweit
sie über Ortsgruppen oder Bezirke hinausgehen." Hier gilt fast dasselbe, was
jetzt eben von dem Kollegen von Hamburg ausgeführt wurde. Wir müssen
uns darüber klar sein, daß es in den Landesleitungen wahrscheinlich gar nicht
möglich sein wird, alle Lohnbewegungen in den Ortsgruppen und in den
Bezirken zu führen. Wenn man den Ortsgruppenleitern oder Bevollmächtigten,
wie wir sie nennen, und den Bezirksleitern keinerlei Funktionen mehr gibt,
muß man sich darüber klar sein, daß sie auch keine Möglichkeit haben, in
besonderen Fällen für das eine oder andere einzutreten. Es ist sowieso schon
festgelegt, daß alle Lohnforderungserhöhungen der Genehmigung des Hauptvorstandes
bzw. der Landesleitung bedürfen. Wenn wir diesen Passus in dieser
Form hineinbringen, so wird das dazu führen, daß eine Unmenge Lohnbewegungen,
die örtlich und bezirklich geführt werden 'müssen, weil wir ja bezüglich der
Verhandlungen an das Organisationsgebilde der Arbeitgeber angeschlossen sind,
einfach nicht mehr geführt werden können. Wir können nicht von uns aus
ein bestimmtes Gebiet vereinbaren, sondern müssen uns danach richten,
wie die Arbeitgeber organisiert sind. Sind sie über das Gebiet der Ortsgruppe
oder eines Bezirks hinaus organisiert, so ist es natürlich selbstverständlich, daß
die Führung die Landesleitung hat. Man sollte sich aber doch auch darüber
klar sein. Wenn dieser Passus in der Form der Vorlage der Statutenberatungskommission
angenommen wird, dann bedeutet das in Zukunft, daß nicht ein
einziger Haustarif in den einzelnen Ortsgruppen mehr abgeschlossen werden
kann, auch nicht in den Bezirken kann ein einziger Tarif abgeschlossen werden,
sondern das ist Aufgabe der Landesleitung. Hier heißt es nämlich: „Lohnbewegungen
werden von den Landesleitungen geführt." Das bedeutet mit
anderen Worten, daß ein anderer überhaupt keine Lohnbewegungen führen
kann.
Man sollte sich darüber klar sein, eine Organisation wirkt um so lebendiger,
je stärker die Mitarbeit unten ist und je mehr auch unten eine gewisse Verantwortung
vorhanden ist. Wenn man aber den unteren Organen keinerlei Verantwortung
in örtlicher und bezirklicher Beziehung gibt, so bedeutet das
praktisch, daß man sich eben auf die Landesleitung verläßt. Wenn diese keine
Zeit hat infolge Überlastung, so bedeutet das für die Kollegen, daß sie mit
ihrer Lohnbewegung warten müssen, es bedeutet zum anderen Verärgerung
der Mitglieder zum Nachteil der Organisation. Deshalb bitte ich Sie, unseren
Antrag zu unterstützen.
Vorsitzender : Das Wort hat Pufal (Hamburg), ihm folgt Husung
(Bremen).
Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bedarf es in Anbetracht
der Ausführungen des Kollegen Fölber einer geschichtlichen Feststellung,
120
damit nicht auf unserem Kongreß ein falsches Bild entsteht. Der Kollege
Fölber erklärte, daß im Jahre 1923 ein Streik in den Hamburger Brauereien
ausgebrochen sei und daß der Kollege Backert, ebenso wie der Kollege Höhnlein,
es dort durch mehrmalige Abstimmung zu dem Ergebnis gebracht hätten,
daß die Kollegen die Arbeit wieder aufgenommen haben. Wie war es in
Wirklichkeit? Ich bin damals ein junger Funktionär in Hamburg gewesen und
gehörte unserer Ortsverwaltung an. Praktisch haben die Brauereien nach der
Inflation eine Aussperrung vorgenommen. Sie haben unsere Kollegen drei
Wochen auf der Straße gelassen, denn sie wußten genau, daß wir in unserer
Verbandskasse kein Geld hatten. Wenn wir zu den Versammlungen ins Land
hinausfuhren, mußten wir das Geld von unseren Freunden im Betrieb pumpen.
So sah die Hauptkasse damals aus. Die alten Kollegen wissen, daß wir damals
von unseren Kopenhagener Freunden erst Geld bekommen haben, damit wir
überhaupt weiterleben konnten. Nach drei Wochen Aushungerung von Seiten
des Brauereikapitals hat man die Betriebe wieder geöffnet und unsere Kollegen
sind, vom Hunger getrieben, gezwungen gewesen, wieder in die Betriebe
zu gehen. Leider hat man unsere guten Funktionäre draußen gelassen. Trotzdem
ist es uns dann gelungen, einen großen Teil von ihnen auf dem Verhandlungsweg
wieder in die Betriebe hineinzubekommen. Das ist die geschichtliche
Darstellung des Kampfes von 1923.
Nun zu dem Paragraphen selbst. Es heißt in dem Entwurf ausdrücklich, daß
die Lohnbewegungen von den Landesleitungen geiührt werden. Das ist nicht
so zu verstehen, wie der Kollege Langenbach es geschildert hat. Er weiß es
genau als alter Funktionär, er ist lange genug in der Bewegung angestellt,
daß es ein Unsinn ist, wenn der Landesleiter selbst alle Verhandlungen führen
wollte. Das kann er gar nicht, aber er muß die sorgende Hand darüber haben
und er muß die Verantwortung dafür tragen. Denn der Landesleiter ist der
verlängerte Arm des Hauptvorstandes in den Ländern.
Der Kollege Benner erklärte, man müsse den Mitgliedern die Demokratie
geben. Jawohl, Kollege Benner, die Mitglieder bekommen die Demokratie,
sie bekommen sie aber nur insofern, daß sämtliche Mitglieder darüber zu entscheiden
haben, ob ihre Kassen leergestreikt werden sollen durch wilde Streiks.
Darüber wacht der Verbandsvorstand, der hier auf dem Kongreß gewählt wird.
Es kann nicht angehen, daß man sich irgendwo anmaßt, unsere Kassen leerzustreiken,
und die anderen Kollegen müssen dafür bezahlen. Deshalb, Kollegen,
ist die Fassung in dieser Form gemacht worden. Es wurde gesagt, daß man
das örtlich oder landesmäßig machen kann. Das ist richtig. Wir werden es
uns in der Gewerkschaftsbewegung in der Zukunft niemals vorschreiben
lassen, von keinem, wie wir die Lohnbewegung führen werden. Wir werden
die Situation ausnützen, wie sie für uns am günstigsten erscheint.
Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag von Heidelberg hat schon etwas
für sich. Aber wir haben auch über diesen Antrag ernstlich beraten. Wir
halten es doch für zweckdienlich, daß die Entscheidung bei den Streiks letzten
Endes bei der Hauptverwaltung liegen muß, und zwar deshalb, wie ich schon
vorhin sagte, daß die Hauptverwaltung zunächst einmal eine Regelung in das
ganze Lohn- und Tarifsystem hineinbringt. Es kann nicht angehen, daß willkürlich
auf der einen Seite Forderungen gestellt werden, die nie durchgeführt
werden können. Auf der anderen Seite muß der Hauptvorstand auch
die Möglichkeit haben, abgesunkene Gebiete nachzuziehen. Praktisch ist es
doch so: Wofür wählen wir uns einen Verbandsvorstand? Doch nur, um unsere
Forderungen durchzusetzen. Er soll doch die Körperschaft sein, die unsere
Forderungen zu überwachen hat. Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einmal
den Verbandsvorstand sehen, der sich nicht über seine Landesleitung
mit den Mitgliedern abstimmt, ich möchte einmal die Landesleitung sehen,
die die Verantwortung auf sich nimmt gegenüber der Gesamtorganisation, wenn
sie nicht vorher das Vertrauen hat und sich mit dem Verbandsvorstand in
121
Lohnbewegung und Tarifpolitik abgestimmt hat. So sieht es in der Praxis aus
und so müssen wir unsere Menschen meiner Meinung nach in unsere Organisation
führen.
Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Husung (Bremen), ihm folgt
Junge (Hamburg).
Husung (Bremen): Ich bin im allgemeinen mit dem Vorschlag einverstanden.
Ich sehe nur eine Lücke insofern, daß nicht vorgesehen ist, wie die
Sache vor sich gehen soll, wenn nicht auf landesmäßigem Gebiet, sondern
für das gesamte Bundesgebiet Lohnbewegungen geführt werden müssen. Aber
ich glaube, daß es in diesen Fällen so bleiben soll, wie es bisher war, daß
der Verbandsvorstand sich dann mit den in Frage kommenden Sektionen verständigt
und so auf dem ganzen Gebiet die Lohnbewegungen führt.
Wogegen ich mich wehren muß, ist der Antrag, den der Kollege Bauer
für Heidelberg begründet hat, daß bei dem Abschluß einer Lohnvereinbarung
die Unterschrift der Unterhändler schließlich nur mit Vorbehalt gegeben
werden kann. Er wünscht in jedem Falle, daß der Verbandsvorstand erst
die Unterschrift geben muß, ehe die Vereinbarungen in Kraft treten. Das ist
sehr schön gedacht, aber es hat einen Haken insofern, als gerade bei Lohnbewegungen,
die über größere Gebiete geführt werden, schließlich ein großer
Kreis von Unternehmern vorhanden ist, die auch nicht gern die Vereinbarungen
anerkennen wollen, die mit einsichtigeren Herren abgeschlossen worden sind.
In dem Augenblick, wo wir mit Vorbehalt unterschreiben, unterschreiben sie
ebenfalls mit Vorbehalt. Das Ende vom Lied wird sein, wie der Kollege Fiederl
schon ausdrücklich erklärte, daß schließlich unendliche Zeit vergeht, ehe die
Vereinbarungen in Kraft treten. Wer die Verhandlungen im vorigen Sommer,
die mit dem sozialpolitischen Ausschuß in der britischen Zone geführt worden
sind, beobachtet hat, wird mir zugeben müssen: Wenn man mit dieser Korporation
zu einem Abschluß unter Vorbehalt gekommen wäre, dann würden sie
heute noch ihre Vorbehalte machen, um schließlich die Vereinbarungen
nicht in Kraft zu setzen. Ich bitte deshalb, diesen Antrag abzulehnen. Ich
bin der Auffassung, daß man in diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die im
Auftrag des . Hauptvorslandes oder gemeinsam mit dem Hauptvorstand und
den Landesleitern Vereinbarungen tätigen, dann auch so viel Vertrauen setzen
muß, daß man ihnen das Recht zugesteht zu unterschreiben, weil das letzten
Endes im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen liegt. Diese Interessen
müssen uns über alle anderen persönlichen Interessen-gehen.
Aus diesem Grunde bitte ich noch einmal, den Antrag Heidelberg abzulehnen.
Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Junge (Hamburg), ihm'folgt Bauer
(Heidelberg).
Junge (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Fölber aus
Hamburg hat schon zum größten Teil unseren Antrag, der Ihnen vorliegt,
begründet. Wenn ich mich als Hamburger ebenfalls noch zu diesem Thema zu
Wort melde, so aus dem Grunde, weil ich einmal doch der Ansicht bin, daß
ein solcher Antrag letzten Endes nicht von irgendeiner Person gestellt worden
ist, sondern von der Ortsgruppe in der Vertreterversammlung. Wir haben
dort diesen Antrag immerhin aus der Erwägung heraus gestellt, die im Laufe
der letzten Jahre für die Ortsgruppe Hamburg doch letzten Endes entscheidend
war. Wenn der Kollege Pufal zu uns sagt, daß der Landesleiter sowieso nicht
alle diese Streikbewegungen usw. führen kann, so stimmt das schon. Aber in
Wirklichkeit sieht es doch manchmal etwas anders aus. Es ist doch so, daß
dadurch, daß der Vorstand darüber zu entscheiden hat, die Geschichte sehr
breit und lang hinausgezogen werden kann. Ich bin schon der Ansicht, daß man
unseren Gewerkschaftsfunktionären in den Ortsgruppen vom Vorstand aus immerhin
soviel zutrauen müßte, daß sie bestimmt nicht irgend etwas unter-
122
nehmen, was nicht die Zustimmung der Landesleitung und des Verbandsvorstandes
hat. Wenn man hier sagt: Wir werden niemals «twas unternehmen,
was nicht zum Vorteil der Mitglieder ist, dannn müßte man doch
auch die Auffassung der Mitglieder selber etwas berücksichtigen. Wenn man
diesen Mitgliedern dann in einer Situation, wo es einfach wirklich nicht geht,
wie der Kollege Pufal schon ausführte, klarlegt, daß man unsere Kassen
nicht leerstreiken dürfe, so glaube ich nicht, daß man die nötige Stimmenmehrheit
für einen Streikbeschluß zusammenbekommt, auch ohne daß der
Hauptvorstand vorher seinen Namen dazu gegeben hat. Ich vertrete die Ansicht,
daß wir darauf abzielen sollen, da'ß man den Ortsgruppen einmal etwas
mehr Bewegungsfreiheit gibt, auch in den Fragen der Lohn- und Tarifbewegung.
Vorsitzender : Der Kollege Bauer hat das Wort zu einer Richtigstellung.
Bauer (Heidelberg): Sowohl die Ausführungen des Kollegen Husung wie
die des Kollegen Fiederl beweisen, daß meine Worte nicht richtig verstanden
worden sind und daß auch unser Antrag nicht richtig gelesen worden ist.
Dort heißt es ausdrücklich, daß der Landesvorsland im Benehmen mit dem
Hauptvorstand und daß der Hauptvorstand durch den Vertreter sich einschalten
kann. Wenn dann von uns beantragt wird, daß nur unter Vorbehalt
zugestimmt oder unterzeichnet werden darf, dann heißt es auch hier, daß
der Hauptvorstand seine Vertreter einschalten kann. Ich kann mir sehr wohl
vorstellen, daß der Hauptvorstand in diesem Falle den Landesleiter ausdrücklich
als seinen Vertreter delegiert und benennt. Dann ist die Voraussetzung
gegeben, daß die Unterschrift sofort geleistet werden kann, bzw. daß dieser
Vertreter seine Genehmigung im Auftrag und als Vertreter des Hauptvorstandes
gibt. Damit ist doch die Schwierigkeit ausgeräumt, die die Kollegen Husung
und Fiederl gesehen haben.
Ich habe meine Ausführungen gegründet auf praktische Erfahrungen der
Vergangenheit. Wir haben in der Vergangenheit leider oftmals . . . (Vorsitzender:
Das geht über den Raum der Richtigstellung hinaus!) Gut, Kollege
Weber, vielleicht ist der Kollege Maack so liebenswürdig, in seinem Schlußwort
näher zu definieren, wie der Vertreter oder der Landesleiter in dieser
Situation als Vertreter des Hauptvorstandes zu betrachten ist. Wenn er als
Vertreter des Hauptvorstandes handelt, hat er Vollmacht.
Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Dozier (Düsseldorf), ihm folgt
Pulley (Stuttgart).
Dozier (Düsseldorf): Kolleginnen und Kollegen! Der § 18 „Lohnbewegungen,
Streiks und Differenzen" hat bei den Anträgen zu den Satzungen anscheinend
die größte Bedeutung gehabt, denn es sind nicht weniger als 71 Anträge dazu
gestellt worden. Haben wir vielleicht diesen Paragraphen in der heutigen Zeit
nicht doch etwas überschätzt? Die Kollegen, die die Anträge gestellt haben,
gehen von der Vergangenheit aus, wo die Gewerkschaften in erster Linie sozialpolitische
Aufgaben zu erfüllen hatten. Wir leben aber heute nicht mehr in der
Zeit vor 1933, wo wir einfach ohne weiteres forderten und es uns mehr oder
weniger gleichgültig war, wo es herkam und ob es die Wirtschaft berührte.
Heute sind unsere Forderungen ja ausgedehnt auf die wirtschaftspolitischen
Fragen und auf Mitbestimmung in den Betrieben und in der Wirtschaft. Ich
bin davon überzeugt, daß, so sehr die Kollegen heute die Sorge haben, daß sie
eventuell in ihrem Streben, Lohnkämpfe zu führen, gehindert würden, sie unbesorgt
sein können, ja, daß es sogar vorkommen kann und heute bereits vorgekommen
ist, daß trotz stärkster Anfechtung der Kollegen in den Betrieben
sie nicht aus den Betrieben herauszubringen sind.
Dann haben einige die Sorge, daß die unteren Instanzen nicht entsprechend
eingeschaltet wurden, daß man die Bezirksleiter übergehe, es müßte
123
mehr Verantwortung in die Ortsgruppen gelegt werden oder in die Ortsverwaltungen,
wie wir jetzt sagen. Ortsverwaltungen und Bezirksleitungen
werden noch so viel Verantwortung zu tragen haben, daß es ihnen in der
kommenden Zeit unlieb wird. In Nordrhein-Westfalen haben wir bei der
Durchführung der Direktive 40 nicht weniger als 20 selbständige Beauftragte
zur Durchführung der Lohnbewegungen eingesetzt. Das weiß auch der Kollege
Langenbach. Er gehört auch zu denjenigen, die im Auftrage der Landesleitung
eingesetzt waren. Sie haben abgeschlossen im Auftrage der Landesleitung und
damit wieder im Auftrage auch der Hauptverwaltung, wenn schon der Landesleiter
auch für die Zukunft der Beauftragte des Haupfvorstandes sein soll, wie
er das in der britischen Zone bis jetzt gewesen ist. Die Verantwortung in den
unteren Stellen wird gefordert, aber gleichzeitig müßte man an die Verantwortung
der oberen Stellen, nämlich des Hauptvorstandes, denken, der ja
letzten Endes auch die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten und für eventuelle
Tarifbrüche einzustehen hat und nachher der Zahlende sein wird. Infolgedessen
kann man es schon verstehen, wenn dieser Verbandsvorstand sagt:
Ich muß eine Person zur Verfügung haben, die ich dann am Halse bekommen
kann, die ich dann eventuell dahinschicken kann, wo ich sie hinschicken muß,
wenn die Gesamtorganisation darunter in stärkerem Maße zu leiden hat.
Wir haben in Düsseldorf einen Streik geführt, einen sogenannten spontanen
Streik. Solche gibt es auch. Es gibt auch eventuell gewollte spontane Streiks.
Alle diese Dinge lassen sich nicht in einem Statut, in einer Satzung so genau
festlegen, aber es soll und muß schon eine Person da sein, mit der man
dann Rücksprache nimmt. Wie liegen nun die Dinge bei einer Person, wo
die Fäden zusammenlaufen? Es braucht nicht immer gerade der Landesleiter
zu sein. Der Landesleiter hat auch noch nicht alle Fäden in der Hand, er muß
sich schon eine Rückversicherung bei der Hauptverwaltung geben lassen, um
einmal die Dinge klar zu sehen, wie die Fäden insgesamt gelaufen sind.
Ich habe dann in Düsseldorf diesen Streik genehmigt bekommen, der schon
ausgebrochen war. Aber die Kollegen haben den Streik so aufgefaßt, daß das
eine günstige Gelegenheit ist, ihren Schrebergarten zu Hause in Ordnung
zu bringen. Sie haben den Betrieb unbewacht gelassen, bis dann jemand
eingeschritten ist und sie daran erinnert hat, daß ihre Aufgabe darin zu sehen
ist, daß dieser Streik gewonnen wird. Es sind da allerhand unliebsame Dinge
vorgekommen, so daß man oft sagen mußte: Hier ist die Verantwortung ganz
gewaltig schwer. Es waren Differenzen mit der Polizei, auszutragen. Streikposten
wurden von der Polizei weggejagt, Streikbrechern wurden die Brillengläser
geradegesetzt usw. Es kamen auch einige Flugschriften heraus.
Alle diese Dinge. . . ich sehe schon, der Kollege Weber hebt den Schwengel
an, ich werde mich kurz fassen. Also Kollegen, nehmen Sie den Vorschlag
des Arbeitsausschusses an. Ich glaube, daß wir in den nächsten zwei Jahren
mit diesen Paragraphen auskommen werden. Er befriedigt mich absolut noch
nicht, so namentlich seine Ziffer 2, daß alle Lohnforderungen erst vom Hauptvorstand
genehmigt werden müssen. Ich glaube, daß es da im Verein mit dem
Hauptvorstand gelingen wird, daß eine Elastizität eintritt, daß man nicht erst
die Genehmigung haben muß, ob eine kleine Bewegung in irgendeinem Ort oder
selbst im Rahmen eines Landes für eine Gruppe eingeleitet werden kann. Die
Dinge werden sich geradelaufen. Ich bitte Sie, dem Antrag des. Arbeitsausschusses
zuzustimmen. Sie können unbesorgt sein, daß Sie nicht auf ihre
Rechnung kommen werden.
Vorsitzender: Es ist hier ein Glückwunschschreiben vc-m Kollegen
Unfried (Köln) eingelaufen, der am Kommen verhindert ist und der Tagung die
besten Grüße übermittelt.
Es folgt nun der Kollege Pulley (Stuttgart), ihm folgt der Kollege Susin
(Singen).
124
Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Sie haben alle bei den
Abänderungsanträgen auch den Antrag von Stuttgart in Händen. Ich bitte Sie,
diesen Antrag einmal genau durchzulesen. Da heißt es: „Grundsätzlich soll die
Tarifhoheit bei Lohn- und Gehaltsforderungen bei den Landesleitungen verbleiben."
Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine, fast möchte ich sagen, unabdingbare
Forderung, die wir erheben müssen. Wir müssen eigentlich überhaupt
einmal grundsätzlich zur Tarifpolitik sprechen, wie sie gemacht worden ist. Wir
haben in Württemberg-Baden im August v. J. keine Rücksicht auf die Direktive
genommen, die vorsah, daß eine 15prozentige Lohnerhöhung auf die bestehenden
Tarife gewährt werden könnte. Im Gegenteil, wir haben verhandelt und haben
den Unternehmern gesagt: Die Genehmigung bekommen wir später vom Arbeitsministerium.
Wir haben mit der Antragseinbringung so lange gewartet, bis der
Lohnstopp aufgehoben wurde. Aber was ist nun eingetreten, Kollege Weber?
, Daß wir in Württemberg-Baden mit den Löhnen bereits an der Spitze stehen,
zum Beispiel die Brauer mit 1,35 DM die Stunde, in der Teigwaren- und Backwarenindustrie
mit 1,15 DM (Zuruf: Wo bleiben die Beiträge?) Die Beiträge
sind da, aber wir haben diese Tarife wieder gekündigt (Zuruf), nein, nicht weil
sie so hoch waren, sondern weil wir hoffen, noch weiterzukommen. Bei den
Verhandlungen wird uns immer wieder — das muß hier auch einmal gesagt
werden — entgegengehalten, daß in Bayern oder in der britischen Zone wesentlich
andere Löhne bestehen. (Zuruf.) Wir müssen deshalb wirklich darauf
dringen, daß die Tarifhoheit im Lande bleibt; wir können auch nicht so lange
warten, wie zum Beispiel der Kollege Pufal sagte, bis die anderen nachgezogen
sind. Dann müßten wir leider Gottes ziemlich lange warten. Wir hoffen, daß
ihr unserem Antrag zustimmen werdet.
Susin (Singen): Kolleginnen und Kollegen! Ich muß Ihnen zur Kenntnis
bringen, daß mir vorhin der Ton, den der Kollege Pufal angeschlagen hat bei
der Entgegnung auf zwei Vorredner, absolut nicht gefallen hat. (Beifall.) Ich
bin mir der Tatsache bewußt, daß eine bestimmte Regie vom Präsidium aus
notwendig ist; aber ich bin der Ansicht, daß diese Regie nicht so weit getrieben
werden soll, daß sie im Endergebnis ein Niederdonnern sämtlicher Anträge, die
nun einmal gestellt wurden und die hier zur Diskussion stehen, zur Folge hat.
(Erneuter Beifall.)
Kolleginnen und Kollegen! Der Paragraph, den wir jetzt behandeln, ist von
ausschlaggebender Bedeutung. Ich bin der Ansicht und bitte die' Delegierten,
recht eingehend den Antrag Köln und den Antrag Hamburg zu studieren. Nach
meiner Ansicht sind die Anträge das, was wenigstens von unserem südbadischen
Standpunkt aus gesehen, der wieder fundiert und bedingt ist durch dl'.e Struktur
der Wirtschaft in unserem Einflußgebiet, notwendig ist. Ich möchte feststellen,
daß diese zwei Anträge das zum Ausdruck bringen, was meiner Ansicht nach
auf uns zutrifft. Ich möchte ein praktisches Beispiel anführen. Der Antrag Köln
präzisiert genau das, was wir haben müssen. Wir haben zum Beispiel in unserem
Betrieb schon seit 30 Jahren einen sogenannten Haustarif. Es ist auch selbstverständlich,
daß wir in den Maggi-Werken mit 2500 Arbeitern uns nicht auf
eine Lohnregelung einlassen können, die in Betrieben mit 50 und 100 Arbeitern
durchgeführt wird, in Betrieben, die heute schon wirtschaftlich vor der Frage
stehen, ob der Betrieb an Hand der Rendite weitergeführt werden kann oder
nicht, während wir auf unserer Seite feststellen, daß die Rendite unseres
Betriebes so ist, daß wir mit unseren Forderungen erheblich nach vorne kommen
können und wahrscheinlich auch kommen werden. Es wäre für uns unverständlich,
wenn hier in den Statuten eine Regelung festgelegt würde, die es uns
verbieten würde, diesen Haustarif weiterhin beibehalten zu können, weil
gewartet werden müßte, bis die kleinen Betriebe nachgestoßen sind. Andererseits
gibt es im Bodenseegebiet auch bezirkliche Lohnverhandlungen, zum Beispiel
auch im Metallarbeitergewerbe. Wir dürfen nicht nur von unserem engbegrenzten
Gesichtspunkt ausgehen. Es passiert uns immer wieder, daß wir,
wenn wir auf unserem Gebiet in Lohnverhandlungen eintreten, immer wieder
125
die Tarife der Metallarbeiter entgegengehalten bekommen, wobei man auf die
Gleichartigkeit der Wirtschaftsbetriebe in Größe und Arbeitsweise hinweist. Wir
müssen also auch darauf Rücksicht nehmen.
Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich zu Anfang gesagt habe: Regie
anerkannt, aber ich bitte die Delegierten, sich von der Regie nicht allzusehr
beeindrucken zu lassen und die beiden Anträge Hamburg und Köln eingehend
auf ihre Richtigkeit zu prüfen und dann ihre eigentliche Meinung in der
Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.
Vorsitzender : Ich muß einige Worte zu der Beschuldigung der Regieschiebung
sagen. Regieschiebung des Präsidiums! Das Präsidium, Kollege Susin,
besteht aus drei Kollegen. Der Kollege Pufal gehört nicht dem Präsidium an.
Die Vorwürfe hast du dem Kollegen Pufal gemacht. Er sitzt als Landesleiter
der britischen Zone hier. Die Vorwürfe gegenüber dem Präsidium sind damit
gegenstandslos, ja oder nein? (Susin: Ich überlasse die Beurteilung dieser Frage
der Delegiertenkonferenz!) Das ist natürlich eine Retourkutsche oder Mangel an
Mut, auch einmal etwas zu bekennen und richtigzustellen. Das muß ich eindeutig
sagen. Das Präsidium hat keine Regie geschoben und nicht aggressiv gehandelt.
Was Pufal unterstellt wird, darüber wollen wir nicht streiten. Ich möchte nur
sagen, damit kein Irrtum aufkommt, daß das Präsidium keine Schiebungen macht
Die Aussprache ist geschlossen. Ich komme zu den Entscheidungen. Verzeihung,
Kollege Maack hat das Schlußwort.
Maack (Lübeck): Kollegen! Ich glaube nicht, daß Sie von mir verlangen,
daß ich noch ein vollkommenes Schlußwort mache. Zu diesem Paragraphen
sind .-so viele Reden gehalten worden, daß es sich tatsächlich erübrigt. Ich kann
mich vollinhaltlich den Ausführungen des Kollegen Pufal wie auch denen des
Kollegen Dozier anschließen. Erstaunt bin ich aber über die Ausführungen des
Kollegen Langenbach, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil der Kollege
Langenbach seit Jahrzehnten Bezirksleiter ist und als solcher bestimmt weiß,
daß alle seine Ausführungen, die er hier gemacht hat, keineswegs ins Schwarze
treffen, daß er, wie schon Dozier sagte, durchaus beauftragt ist, in allen möglichen
Dingen in seinem Bezirk die Lohnverhandlungen durchzuführen. (Zuruf:
Irrtum!)
Wie liegen die Dinge? Haben wir in der Praxis einen Apparat aufgebaut, wo
in der Spitze der König sitzt und von sich aus die Befehle erteilt oder haben
wir einen Apparat aufgebaut, in dem wir als Kollegen zusammenarbeiten? Das
ist doch bei dieser Sache das wesentliche. Vor allen Dingen möchte ich einmal
sagen: Es ist unbedingt notwendig — und da unterstütze ich lOOprozentig, was
der Kollege Pufal sagt —, daß die Hauptverwaltung, der Hauptvorstand über die
Dinge informiert sein muß, daß er die Dinge in der Hand behalten muß, weil
die nämlich von der Hauptverwaltung aus verlangen können und verlangen
müssen, daß sie einen größeren Überblick über all die Dinge haben müssen,
die mit Lohnbewegungen, Differenzen, Streiks usw. zu tun haben. Deswegen
müssen die Dinge so liegen.
Was ist dabei, wenn es heißt, der Landesleiter hat 4en Antrag an die Hauptverwaltung
zu stellen? Das kann in Form eines Telephongespräches erfolgen.
Dabei ist gar nichts los, und das ist auch schon mal mit telephonischen Anrufen
erledigt worden und die schriftliche Geschichte ist hinterhergekommen.
Dem Kollegen Bauer möchte ich noch einmal etwas sagen. Sein Antrag ist
schon beantwortet durch die Ausführungen des Kollegen Dozier. Es ist doch so,
daß der Landesleiter der Vertreter des Verbandsvorstandes in den Ländern ist,
daß er infolgedessen der Beauftragte des Hauptvorstandes ist und in allen Fällen
vom Hauptvorstand mit der Durchführung aller möglichen Dinge, auch der
Lohnbewegungen selbstverständlich, beauftragt wird. Auch der Landesleiter
kann nicht in jedem einzelnen Falle die Lohnbewegungen durchführen, sondern
muß die Sache schon einmal weitergeben, muß den Bezirksleiter und den Ortsgruppenvorstand
beauftragen. So liegen doch praktisch die Dinge. Anders geht
es doch nicht.
126
Und seid nicht so ängstlich: Wieso ist es dadurch ausgeschlossen, daß ein
'Ortstarif oder gar ein Betriebstarif abgeschlossen werden kann? Warum denn?
Wenn ein Betriebstarif notwendig ist, kann ich mir durchaus vorstellen, daß
ein Betriebstarif abgeschlossen wird. Herrgott noch einmal, dann wird er eben
abgeschlossen. Wenn es zweckmäßig ist, die Dinge auf örtlicher Basis zu machen,
schließen wir einen Ortstarif ab oder einen Bezirkstarif. Ich kann mir vorstellen,
daß im Tabakgewerbe, in der Tabakindustrie für die ganze Trizone ein
einheitlicher Tarif abgeschlossen werden muß. Das hängt doch von den
jeweiligen Verhältnissen und Gegebenheiten ab. Das ändert doch gar nichts
daran, daß in allen diesen Dingen selbstverständlich tonangebend und maßgebend
die Hauptverwaltung sein muß. Das ist gar nicht anders möglich und
kann gar nicht anders gemacht werden.
Mit diesen kurzen Ausführungen möchte ich mich begnügen und sagen: Wir
haben uns, wie ich zu Anfang sagte, sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt.
Wir haben in anderen Paragraphen bewiesen, daß wir absolut nicht stur auf
einem Punkt bestehen bleiben, daß wir da und dort ganze Sätze gestrichen bzw.
umgeändert haben. Aber im Falle des § 18 möchte ich bitten, es so zu belassen,
wie wir es als Fassung von der Kommission aus vorgeschlagen haben.
Vorsitzen d er: Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Delegierten»
karte zur Hand zu nehmen. Wir lassen zweckmäßigerweise über jeden einzelnen
Absatz abstimmen, damit eindeutig Klarheit über die Willensbildung des Gewerkschaftstages
besteht. Ich bitte die Kollegen Krautter und Dozier, wenn es
erforderlich ist, eine Auszählung vorzunehmen.
Ziffer 1: „Lohnbewegungen werden von den Landesleitiungen geführt." Wer
dafür stimmt, den bitte ich um Erheben der Delegiertenkarte. —• Das ist die
Mehrheit. Ich danke. — Es ist so beschlossen.
Ziffer 2: „Lohn- und Tarifbewegungen, die über den Rahmen einer Ortsverwalttaig
hinausgehen, müssen vom Hauptvorstand genehmigt sein; derselbe
ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an den Verhandlungen zu beteiligen
und die ihm geboten erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen."
Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Auch das
ist beschlossen. — Ich danke.
Ziffer 3: „Differenzen aller Art in Betrieben sind sofort dem Landesleiter zu
melden. Arbeitsniederlegung darf nur auf Antrag des Landesleiters und mit
Zustimmung des Hauptvorstandes erfolgen."
Wer dafür ist, den bitte ich um Erheben der Karte. — Es ist so beschlossen.
Ziffer 4: „Der Hauptvorstand kann, sofern es die Situation erfordert, in jedem
Stadium einer Bewegung die Befragung der beteiligten Verbandsmitglieder durch
Urabstimmung veranlassen."
Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Ich danke.
— Es ist so beschlossen.
Ziffer 5: „Mitgliedergruppen, die ohne Genehmigung des Hauptvorstandes die
Arbeit niederlegen, haben keinen Anspruch auf Unterstützung."
Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Auch das
ist beschlossen.
Ziffer 6: „Der Hauptvorstand kann die Streikgenehmigung ablehnen, wenn
das Organisationsverhältnis ungünstig ist. Die Streikbewilligung muß abgelehnt
v/erden, wenn nicht mindestens drei Viertel der für die Bewegung in Betracht
kommenden Verbandsmitglieder für die Arbeitseinstellung gestimmt haben. Die
Abstimmungen über Streiks müssen geheim sein."
Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Ich danke,
das ist die große Mehrheit. — Es ist auch beschlossen.
Ziffer 7: „Bei größeren Aussperrungen und umfangreichen Streiks hat der
Hauptvorstand das Recht, eine längere Karenzzeit und eine Herabsetzung der
Unterstützungssätze vorzunehmen."
Wer dafür stimmen will, den bitte ich um ein Zeichen der Karte. — Es ist
auch so beschlossen.
127
Ziffer 8: „Die Aufhebung von Streiks erfolgt durch den Hauptvorstand oder
dessen Beauftragten nach dessen Verständigung mit der an der Arbeitsniederlegung
beteiligten Gruppe, jedoch kann die Aufhebung auch entgegen der
Ansicht dieser Gruppe erfolgen, wenn nach den Umständen die Weiterführung
des Streiks zwecklos
weil da drüben in der Ecke noch mehr Kollegen aus Hamburg sitzen, die früher
jung gewesen sind in der Bewegung — da ist der Kollege Linneg, der auch
darunter gelitten hat, der frühere Betriebsratsvorsitzende der Eibschloßbrauerei
—, Kollegen, deshalb bin ich etwas erregt über die Darstellung gewesen, die der
Kollege Fölber hier gegeben hat. (Zuruf: Sie stimmt aber!)
Fölber (Hamburg): Ich bitte um eine ganz kurze Entgegnung.
Vorsitzender: Das können wir nicht stundenlang machen.
Susin (Singen): Zur Geschäftsordnung! Ich möchte hier feststellen, daß
zwei Meinungen von den seinerzeitigen Vorgängen, die ich nicht kenne, hier
vorgetragen wurden. Was Pufal vorgetragen hat, ist seine Auffassung von den
Dingen, die damals geschehen sind, und was der andere Kollege vorgetragen
hat, ist nach seiner Auffassung richtig. Mich würde in diesem Zusammenhang —
aber es ist hier nicht zu erörtern — interessieren, was die Geschichte nachher
als richtig bewiesen hat.
Pufal (Hamburg): Wir lassen die Geschichte schreiben, sie wird augenblicklich
gedruckt. (Zuruf: Es kommt darauf an, von wem!)
Vorsitzender: Wenn einer einmal einen etwas schärferen Ton
anschlägt, seid nicht so empfindlich!
Die Tagung ist um 10 Minuten vertagt. Ich bitte, sofort die Fenster zu öffnen.
(Die Tagung wird um 16.47 Uhr auf 10 Minuten unterbrochen.)
Vorsitzender: Die Gewerkschaftstagung ist wieder eröffnet. Es ist mir
eine Entschließung überbracht worden, unterzeichnet von 26 Delegierten, an der
Spitze. . . , Langenbach, Dormagen usw. Ich kann die Namen nicht alle lesen.
Die Entschließung hat folgenden Inhalt:
Der Vereinigungsgewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung —
Genuß — Gaststätten der Trizone in München sendet den streikenden
Berliner Eisenbahnern die herzlichsten Grüße und wünscht ihnen zu ihrem
Kampf vollen Erfolg. Der Gewerkschaftstag erklärt sich mit dem Kampf
der freiheitlichen Eisenbahner um Koalitionsfreiheit gegen politische
Maßregelungen und Zahlung der ihnen rechtmäßig zustehenden Währung
solidarisch.
Ich bitte einen Antragsteller, den Antrag zu begründen. Ich muß Ihnen
ehrlich sagen, ich habe acht Tage keine Zeitung gelesen. Ich weiß gar nicht,
was in Berlin los ist.
Lorheer (Berlin): Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich unseren
Dank als Berliner Delegation aussprechen für das Vertrauen, das ihr uns
geschenkt habt, als rechtmäßige Delegierte hier auftreten zu können.
Zu unserem Antrag, den wir Berliner als Delegation gestellt haben, möchte
ich folgendes sagen: Es wird Ihnen allen bekannt sein, daß in der Münchener
Tagespresse dieser Berliner Eisenbahnerstreik bereits bekanntgegeben worden
ist. Dieser Eisenbahnerstreik ist kein politischer Streik, sondern ein rein
gewerkschaftlicher Streik, eine Forderung, die die Eisenbahner stellen. Wir
haben aber nun feststellen müssen, daß dieser gewerkschaftliche Streik von
seilen des FDGB unter Führung der SED und einer ausländischen Macht auf
ein politisches Geleise geschoben worden ist.
Wir wollen nun mit dieser Resolution bezwecken, daß man unseren Berliner
Eisenbahnern Mut für ihren Kampf gibt. Denn gerade die Berliner Eisenbahner
sind diejenigen, die in der Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation sehr stark
vertreten sind. Wlir müssen unter allen Umständen versuchen, nachdem die
Augen der Westberliner nach dem Westen gerichtet sind, diese Resolution einzu 1 -
bringen. Wir hoffen und wünschen, daß diese Resolution hier angenommen wird.
Vorsitzender: Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich
bitte diejenigen Delegierten, die dieser Entschließung ihre Zustimmung geben
wollen, ihre Karte zu erheben. — Ich bitte um die Gegenbrobe! — Gegen
9 Stimmen beschlossen.
9 Protokoll 129
loh habe nun folgende Absicht: Ich möchte aus der Vorlage an sich heu\
abend nichts mehr behandeln lassen. Ziur Behandlung stünde der § 19, der übt:
Gliederung der Organisation spricht. Es ist vielmehr erwünscht und zweckmäßig,
daß jetzt der Kollege Leuenberger von der Internationalen Uniorf de:
Lebensmittelarbeiter und der Kollege Hetschold aus der Ostzone, der auch
gebeten hat, noch sprechen zu dürfen, das Wort ergreifen und wir hernach die
Tagung für heute abbrechen. Sind Sie damit einverstanden? (Allgemeine
Zustimmung.) Morgen früh geht es pünktlich um 9 Uhr weiter.
Nun bitte ich zunächst den Kollegen Hetschold, das Wort zu nehmen.
Hetschold (Berlin-Ost) (mit lebhaftem Beifall begrüßt): Kolleginnen und
Kollegen, Gewerkschaftsfreunde! Wir kommen etwas spät. Wir sind erst heute
morgen angekommen. Der Kollege Binser mußte noch aur Beerdigung seiner
Schwester und wird erst am morgigen Tag hier eintreffen. Aber wir kamen
noch früh genug, um unseren alten Freunden die Hand drücken zu können und
um unseren Freunden, die unsere Nachfolger geworden sind in der Gewerkschaftsarbeit,
zu ihrem Verbandstage und zu den Plänen, die sie durch diesen
Verband'stag erreichen wollen, herzlich zu gratulieren.
Vor allem, verehrte Freunde, danke ich euch. Ich glaube, auch im Namen
der gesamten alten Veteranen zu sprechen, wenn ich euch für die Einladung
die ihr uns Alten habt zukommen lassen, unseren herzlichsten Dank sage. Es
ist eine Freude für einen alten Menschen, der da glaubt, er hat im Leben seine
Pflicht getan, wenn er im Alter unvergessen bleibt. Ich kann Ihnen sagen, daß
ich ein wirklich seliges Alter habe, und ich wünschte einem jeden von euch.
daß er dasselbe schöne Alter hätte, wie ich es habe. Zwar hat mir, wollen wir
einmal sagen, eine östliche Besatzungsmacht, für die ich Bier holen mußte,
etwas mitgespielt. Ich war gleich nach 1945 so als kleiner Bürgermeister eingesetzt
worden und habe dabei natürlicherweise die Ernährung unter mir gehabt
und den ganzen Wagenpark. Da mußte ich auf Befehl, wenn ich nicht eingesperrt
werden wollte, Bier holen oder sollte Bier holen. Das ist mir schlecht
bekommen, wie ich vorher schon ahnte. Aber um mich nicht einsperren zu
lassen, mußte ich diesem Willen mich beugen. Ich habe zwei Jahre gelegen,
verehrte Freunde. Ihr kennt mich, wenigstens zum größten Teil. Ihr wißt,
welche Kraft ich besessen habe. Die ist noch im Mundwerk enthalten, aber
nicht mehr ganz in den Beinen. Ich konnte noch und kann noch heute meine
lieben alten Freunde besuchen und konnte sogar noch herüberkommen nach
München, um euch, alle den lieben Kerls und Mädel, wieder einmal die Hand
drücken zu können. Das ist eine Freude für den alten 77jährigen, wie sie vielleicht
nur wenige empfinden können. Aber Freunde, ich sage euch, ich werde
euch noch lange die Freundeshand reichen. Ich hoffe, daß ich 100 Jahre alt
werde (Beifall), wenn meine geistigen Kräfte solange noch beweglich erhalten
bleiben. Und wenn ich 100 Jahre alt bin, dann überschreite ich, wenn es den
anderen nicht gefällt, auch diese Zeit noch einmal um 50 Jahre. (Heiterkeit.)
Liebe Freunde! Ich bin geehrt und geachtet im Alter, wie ich es euch allen
wünsche. Und nur diejenigen — das sage ich heute den Jüngeren —, die das
Alter ehren, haben ein Anrecht, später von den Jüngeren wieder geachtet zu
werden. Wer das nicht tut und tun kann, der kann gewiß sein, daß er im Alter
versaut, es mögen die Dinge kommen wie sie wollen. Es mag auch hier vielleicht
der eine oder andere darunter sein, der meinen Standpunkt nicht versteht. Das
schadet durchaus nichts. Wir, die wir in der großen Nahrungs- und GenuCmittelfamilie
beisammen waren und heute wieder beisammen sind, wir haben
uns gegenseitig immer die Wahrheit gesagt. (Sehr gut.) Und wer die Wahrheit
kennt und sagt sie nicht, der ist ein ganz erbärmlicher Wicht. (Beifall.)
Liebe Freunde! Ich glaube, daß wir diesem Vereinigungsverbandstag eine
Zukunft voraussagen dürfen, bei der ich wohl nicht zuviel sage, wenn ich
erkläre: Nur diejenigen, die der freien Demokratie, der freien Überzeugung
Ausdruck geben, die Freiheit und Selbständigkeit haben wollen, die sich von
keinem irgendwie abhängig machen lassen wollen, nur die haben das Recht,
130
T
sich als die Rechtsnachfolger von uns Alten betrachten zu dürfen. (Beifall.)
Diejenigen, die in Knechtseligkeit und Unterwürfigkeit sich gegen ihre eigene
Heimat aufrichten oder aufstellen wollen, sind nicht berechtigt, sich als unsere
Rechtsnachfolger zu betrachten.
Freunde! Wir Alten haben in unserem ganzen Leben nur das eine gewollt,
der Arbeiterschaft vorwärts zu helfen, der Arbeiterschaft ihr einziges Vermögen,
ihr einziges Kapital — und das ist ihre Arbeitskraft — zu schützen, und diese
Arbeitskraft nicht nur zu erhalten, sondern sie so hoch wie möglich auszuwerten.
Das ist unser Grundsatz gewesen, das war der gewerkschaftliche Grundsatz zu
allen Zeiten. Und die, die heutzutage der Hennecke-Bewegung oder Aktivisten-
Bewegung das Wort reden, die heute aus der Akkordarbeit, die eine Mordarbeit
ist, eine Tugend machen wollen, denen bestreite ich das Recht, sich als unsere
Rechtsnachfolger zu erklären. (Beifall.) Es gibt auch unter denen, die hier
gegen uns stehen, hochanständige Leute, von denen vielleicht der eine oder
andere die Einigkeit der Arbeiterschaft auf seine Fahnen geschrieben hat. Aber
F.inigkeit unter Kommando, unter militärischem Kommando, das ist keine Einigkeit,
sondern das ist Knechtseligkeit. (Sehr richtig!) Diese Knechtseligkeit
kann uns nicht irgendwie imponieren.
Unsere ganze Gewerkschaftstätigkeit und Gewerkschaftsarbeit war nur der
Befreiung der deutschen Arbeiterklasse gewidmet. Ich habe nicht die Absicht,
mich mit irgendwem auseinanderzusetzen, wohl aber erkläre ich: Auch der
deutsche Arbeiter hat eine Heimat, auch der deutsche Arbeiter muß, wenn er
international sein will, seine Nationalität aufrechterhalten (Bravo!), um mit den
anderen in Brüderlichkeit und in Freundschaft zusammenarbeiten zu können.
(Erneute Zustimmung.) Wehe dem, der sein Vaterland verleugnet, der nur für
eine Nation eintritt. Der ist kein Internationaler, und der verkennt auch die
Auffassung und die Ansicht eines Karl Marx. Karl Marx wollte, daß die Mehrheit,
die die deutsche Arbeiterschaft bildet, sich befreit von der Knechtschaft,
von der Bevormundung durch die Unternehmer, durch die Ausbeuter. Er wollte,
daß der Mehrwert der deutschen Arbeit, den sie durch ihre Arbeit leisten,
dieser Arbeiterschaft, diesen Arbeitern zugute kommen muß. Das wollen einzig
und allein auch wir, die wir in den Gewerkschaften organisiert sind. Ich bitte
Sie, verehrte Freunde, sorgen Sie dafür, daß diese Ideen weiterhin unter allen
unseren Arbeitsbrüdern und Arbeitsschwestern durchgesetzt werden.
Die deutschen Gewerkschaften haben zu allen Zeilen bewiesen, daß sie allen
Organisationen der ganzen Welt gegenüber ihr Licht nicht unter den Scheffel
zu stellen brauchten. Wir haben in puncto freiheitlicher Bewegung, in puncto
Solidarität gegenüber den anderen Nationen, den anderen Arbeitern unsere
Einstellung immer wieder gezeigt. Ich denke dabei noch an den in den neunziger
Jahren stattgefundenen englischen Bergarbeiterstreik; ich denke an die vielen
Streiks, die draußen im Auslande gewesen sind. Da war es die deutsche Arbeiterschaft,
die stets und ständig ihre Solidarität, ihren Willen, den Brüdern im
Auslande zu helfen, mit zum Ausdruck gebracht hat. Und wenn einer herkommt
und sagt, er will uns deutschen Arbeitern die Demokratie lehren, dann soll er
sich sein Lehrgeld wiedergeben lassen. (Beifall.)
Wir haben leider heute mit einer Anzahl von Menschen zu rechnen, die in
Deutschland selber nicht im Sinne der deutschen Arbeiterschaft arbeiten. Es
gibt leider Leute, die eine bestimmte Fettpaketpolitik betreiben, es gibt Leute,
die der lächerlichen, um nicht zu sagen, gemeingefährlichen Hennecke- und
Aktivisten-Bewegung das Wort reden, und es gibt Leute, die sich nicht entblöden,
wenn sie Kriegsmaterial fabrizieren, an den Rüstungsbetrieben Spruchtransparente
aufzustellen: „Wir arbeiten für den Frieden." Es gibt ja Gewerkschaftsführer,
die ihrerseits alles daransetzen, um nach außen hin zu
dokumentieren, daß sie für eine Ausbeutung der Arbeiterklasse sind. Akkordarbeit
bleibt Mordarbeit. Wenn man die Betriebsräte beseitigen will, dann
will man nichts anderes und kann nichts anderes wollen, als wieder die
Unternehmerschaft, das Ausbeuterprinzip, zur absoluten Herrschaft zu bringen,
9 * ' 131
dann will und kann man nichts anderes, als den Menschen durch andere
Menschen auszubeuten.
Das alles wollen und können wir nicht und werden es auch in Zukunft
unter keinen Umständen mitmachen. Wir wollen unsererseits alles daransetzen,
um die Arbeit in Freiheit leisten zu können, damit wir dieser Arbeit,
dem wichtigsten Glied der deutschen, der menschlichen Gemeinschaft, die
notwendige Achtung entgegenbringen, die unter allen Umständen von uns verlangt
wird. Diejenigen, die das Gegenteil tun, schlagen die Lebensarbeit von
uns Alten mausetot. (Sehr gut!) Wir haben gewollt, daß die kapitalistische
Ausbeutung und Versklavung des vergangenen Jahrhunderts endlich beseitigt
wird. Die uns aber raten, ihr sollt wieder zurück in jenes Joch des Mittelalters,
die werden uns zurückwerfen um Jahrhunderte. Dia Arbeitskraft, das
einzige, aber wertvolle Gut des Arbeiters, wird dadurch geschändet.
Wir haben, liebe Freunde, zu euch das feste Vertrauen, daß ihr in unserem
Sinne weiterarbeitet. Wir wissen, daß ihr alles daransetzen werdet, daransetzen
müßt — ihr mögt wollen oder nicht —, um diese Arbeiterschaft vorwärtszubringen.
Das woljt ihr jetzt in eurem Gemeinschaftsverband, und wir gratulieren
euch dazu, und wir werden mit euch Hand in Hand und Schulter an
Schulter arbeiten. In dieser frohen Zuversicht grüßen wir Alten den Einigungsverbandstag
von Nahrung und Genuß, den so mancher Schalk, mancher Spötter
als den Freß- und Saufverband hingestellt hat. Aber wir sind stolz auf diesen
Beruf, ob wir Bäcker, Fleischer, ob wir Brauer oder Böttcher oder Gastwirtsgehilfen
sind oder was wir sonst für einen Beruf haben. Sie waren früher
einmal Knechte. Wir Alten, die wir die Anerkennung der Gewerkschaft erkämpft
haben, haben euch zu freien Menschen, zu , einem Beruf gemacht,
der bei den heutigen Nahrungsmittelschwierigkeiten das größte Ansehen hat,
das wir uns überhaupt jemals in unseren kühnsten Träumen wünschen konnten.
In dieser Zuversicht grüßen wir euch, legen wir euch das Vermächtnis unserer
alten Arbeiterhände in eure arbeitswilligen und arbeitsfreudigen Hände hinein.
Wir wünschen euch bei allen euren weiteren Arbeiten in jeder Beziehung
großes Glück. Der Kampf wird, namentlich solange die Gegner deutscher
Freiheit mächtige Schutzengel haben, für euch außerordentlich schwer werden.
Das wissen wir alle sehr gut. Aber ihr jungen Freunde, verzagt nicht, sorgt
dafür, daß dieser Kampf, je ehrenvoller er ist, desto besser und erfolgreicher
und für euch selbst befriedigender wird. Denn wir denken dabei immer an das
alte Sprichwort: „Willst du den Kampf, den großen, wagen, dann setz' zuerst
dich selber ein. wer fremde Fesseln will zerschlagen, darf nicht sein eigner
Sklave seini."
Laßt die Sklavenseelen, laßt die Knechtseligkeit ruhig ihre Straße ziehen.
Wir sind mit euch, wir Alten, wir freuen uns über jeden Fortschritt, den ihr
macht. Ihr werdet dafür sorgen, daß alle Kräfte zusammengefaßt werden in
unserem neuen, großen, schönen Verband. Sorgt dafür, daß ihr mutig und stolz
euren geraden Weg weiterschreitet, sorgt dafür, daß der Weg, wenn er auch
nicht mit Fettpaketen und mit fetten Posten gepflastert ist, euch die innere
Befriedigung bringt. Und dann, Freunde, dann werdet ihr und müßt ihr vorwärts
kommen. Der Segen der Alten wird euch begleiten, und ihr werdet aufwärts
und vorwärts der neuen Freiheit entgegengehen. Denn mit euch wird
das Volk sein! Deshalb muß auch mit euch der Sieg sein! (Lebhaft anhaltender
Beifall.)
Vorsitzender : Ich glaube, in aller eurer Namen zu sprechen, wenn
ich dem Kollegen Hetschold, meinem alten Lehrmeister, herzlichen Dank sage.
(Erneuter Beifall.) Vor 45 Jahren habe ich den Karl kennengelernt. Und stellt
euch einmal vor, seine Schnauze von heute unti von damals! Da haben die
Wände gewackelt, wenn die Arbeitgeber da waren oder die Gelben, und da
waren sie mausetot. Da hat keiner mehr was gesagt. Das möge ein Ansporn
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für unsere Jugend sein, diesen Geist in uns allen aufzunehmen und so für
die Arbeiterschaft zu wirken.
Jetzt spricht der Kollege Leuenberger (Zürich). "
Hermann Leuenberger (Zürich, Präsident der Lebensmittelarbeiter-
Internationale): Vorsitzende, Kolleginnen und Kollegen!
Als ich im Sommer 1945, einige Wochen nach Kriegsschluß, durch München,
d. h. durch die Trümmer dieser Stadt, nach Prag gefahren bin, hätte ich nicht
zu träumen gewagt, daß ich vier Jahre später im gleichen München an einem
Zusammenschlußkongreß der westdeutschen Lebensmittelarbeiterverbände teilnehmen
könnte. Ich will damit andeuten, daß es entgegen der Meinung vieler
unter euch Leute und Gewerkschafter im Auslande gibt, die nicht darauf
angewiesen sind, sich ihre Eindrücke und Meinungen über das, was die deutschen
Gewerkschaften seit Kriegsausbruch getan haben, auf einem Kongreß
holen zu müssen. Ich schicke auch voraus, daß ich zu den ausländischen Gästen
gehöre, die oft Gelegenheit hatten, vor 1945 und nach 1945 verschiedene Gegenden
von Deutschland kennenzulernen und mit sehr vielen Kollegen in der deutschen
Gewerkschaftsbewegung zu sprechen.
Es wird einige von euch geben, die dann, wenn ich gesprochen habe, sagen
werden: Ja, der Schweizer, der hat natürlich gut reden. Das sagen mir nicht
nur die deutschen Kameraden. Wir Schweizer sind gewohnt, daß man ungefähr
in ganz Europa sagt: Ja, ihr habt gut reden, ihr habt ja die ganze Scheiße nicht
mitgemacht, ihr kennt ja die Dinge gar nicht aus der Nähe, und ihr könnt auch
etwas leicht über die Dinge reden, die uns so nahegehen. Glaubt mir, daß ich
sehr gut eure Stimmung kenne. Und trotzdem sage ich als Schweizer und als
Internationaler: Es ist erstaunlich für uns, beobachten zu können, wieweit ihr
euch in Deutschland schon wieder hochgekrabbelt habt. Ich sage ausdrücklich,
daß ich sehr gut verstehe, daß nicht viele denken wie wir. Aber es ist für uns,
die wir mit großer Spannung diesem Kongreß entgegengesehen haben, aus
Gründen, die ich Ihnen auseinandersetzen werde, doch erfreulich, festzustellen,
daß bei all den Differenzen und Meinungsverschiedenheiten über diesen und
jenen Punkt doch das Wichtigste, was auch die Ausländer feststellen können,
der Wille ist, unter allen Umständen zusammenzukommen. Dieser Wille scheint
mir viel wichtiger zu sein —• wenigstens für uns ist es ein Erlebnis, das festzustellen
—, als alle die Meinungsverschiedenheiten, die wir jetzt an diesem Kon-
. greß miterleben und mitkonstatieren konnten.
Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht die sprichwörtlich schlechte Erziehung
der Schweizer, wenn wir zu denen gehören, die zu spät auf euren Kongreß
gekommen sind, sondern die Tatsache, daß wir nicht rechtzeitig unsere Papiere
bekommen haben, um an eurem Kongreß teilzunehmen. Ein Beweis dafür, daß
irgend etwas in Europa und in der Welt nicht in Ordnung ist. Ein Schweizer
Paß, ein Schweizer Papier, ist im allgemeinen ein gutes Papier, ungefähr so gut
wie die Mark (Heiterkeit). Man kann mit dem Schweizer Paß heute in der
ganzen Welt herumreisen, man braucht sogar nur noch in ganz wenigen Ländern
ein Visum. Nach Deutschland zu kommen, ist aber schon sehr schwer. Ich sage
das deshalb, weil heute morgen Kollege Weber den Vertreter der Militärregierung
begrüßt hat, dem ich nun ebenfalls einen Ehrenkranz winden muß,
denn er hat dafür gesorgt, daß wir kommen konnten, sonst wären wir auch
nicht da. Ich möchte ihm herzlich danken. (Beifall.)
Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar, daß wir viele Gründe haben und sie
auch gern aufzählen möchten, warum wir so dankbar sind, an diesem Kongreß
teilnehmen zu können. Ich darf aber das Gastrecht nicht mißbrauchen und muß
mich nur auf ganz wenige Bemerkungen beschränken. Ich möchte als Präsident
der Lebensmittelarbeiter-Internationale in allererster Linie der Freude Ausdruck
geben, daß wir nicht nur euren Verband, sondern die Vorgänger eures Verbandes,
die vielen Landesorganisationen der deutschen Lebensmittelarbeiter im
Verlauf des vergangenen Jahres in unsere Internationale aufnehmen konnten
und daß wir hoffentlich im September des Jahres in Zürich auf dem Kongreß
133
unserer Internationale den Anschluß, d. h. die Aufnahme des gesamten Verbandes,
möglichst einstimmig beschließen können. (Beifall.)
Ich sage das auch deshalb, weil mir sehr daran gelegen ist, daß die ausländischen
Gäste — und Sie haben ja sehr viele ausländische Gäste auf dem
Kongreß — einen möglichst guten Eindruck von Ihrem Vereinigungs-Gewerkschaftstag
bekommen. Ich will damit aber nicht andeuten, daß Sie sich jetzt
möglichst gut und anständig aufführen sollen. Nein, das wollen wir Ausländer
nicht. Wir Ausländer lieben einen lebendigen Kongreß, einen Kongreß, wo
diskutiert wird. Wir Ausländer bekommen daher keinen schlechten Eindruck,
wenn diskutiert wird. Ich will damit etwas anderes andeuten: Ich möchte sagen,
es wird im September des Jahres auf dem internationalen Kongreß ganz wesentlich
auf das Urteil derjenigen Männer ankommen, die hier die verschiedenen
ausländischen Bruderorganisationen vertreten und die uns Schweizern dann
helfen sollen zu sagen: Jawohl, wir waren in München bei dem Zusammenschlußkongreß,
und wir haben uns davon überzeugt, daß es nicht nur eine
Selbstverständlichkeit ist, die deutschen Organisationen jetzt in die Internationale
aufzunehmen, sondern daß die deutschen Kameraden auch würdig
sind, daß man sie aufnimmt.
Gestatten Sie mir, daß ich nur einen der Gründe sage, warum gerade wir
Schweizer glücklich sind, an diesem Kongreß teilnehmen zu können. Das ist der
Umstand, daß nicht alle unsere der Internationale angeschlossenen Organisationen
in bezug auf Deutschland und die deutschen Gewerkschaften so denken
wie wir. Sie dürfen das nicht verübeln. Sie müssen verstehen, geschätzte
Kolleginnen und Kollegen, daß man in Belgien, in Holland und an einigen
anderen Orten in Europa und in der Welt nicht so objektiv über die Deutschen
denkt wie wir in der Schweiz. Uns in der Schweiz ist es ja nicht schlecht
gegangen während des Krieges, weil wir auch so etwas wie profitiert haben von
diesem Krieg. Es ist ganz gut, wenn man das offen zugibt. Es sind aber nicht
nur die Schweizer, denen es gar nicht so schlecht gegangen ist, auch vielen
anderen Leuten ist es in diesem Krieg nicht schlecht gegangen. Es gibt auch
Deutsche, denen es in diesem Krieg gut gegangen ist (lebhafte Zustimmung), iund
es gibt Deutsche, denen es noch heute gut geht (erneute Zustimmung). Wir
sagen — und wir haben das seit 1945 oft getan —, daß man nicht einfach aus
Ressentiment jeden Deutschen für das verantwortlich machen kann, was, die
Deutschen unter Hitler in der Welt gesündigt haben. (Sehr richtig.) Ich wäre
gar nicht erstaunt, wenn Sie nicht Beifall klatschen, sondern das Gegenteil tun
würden. Aber es kommt nicht darauf an, daß man einander auf einem Kongreß
aus lauter Höflichkeit Verbindlichkeiten sagt, sondern daß man die Dinge so
ausspricht, wie man sie sich denkt. Und bei einem Punkt — und das ist der
wesentlichste — haben wir Schweizer während des Krieges, aber vor allen
Dingen in den entscheidenden Tagen nach dem Krieg, uns unterschieden von
allen unseren internationalen Freunden, und zwar in dem Punkt, daß wir gesagt
haben: Es mag in Europa und in der Welt geschehen sein was will; es ist falsch,
allein und nur die Deutschen für den Nationalismus und für den Faschismus
verantwortlich zu machen. (Sehr gut.) Ich glaube sagen zu dürfen, daß wir'
alle, ob wir in Deutschland oder in Frankreich oder in Italien, Österreich, in der
Schweiz, in Skandinavien oder in England oder in Amerika gelebt haben, mitschuldig
waren, weil wir alle das Wesen des Faschismus nicht rechtzeitig erkannt
und nicht rechtzeitig bekämpft haben. (Lebhafte Zustimmung.)
Und nun, Kolleginnen und Kollegen, habe ich nicht nur das Bedürfnis, dafür
zu danken, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, dies hier auszusprechen,
sondern ich mache ein weiteres Bekenntnis, das Gegenstand der Diskussion am
kommenden internationalen Kongreß sein wird. Es ist nicht allein die Sprache
und nicht allein die gleiche Kultur, die euch und uns verbindet, sondern es ist
eine klare Erkenntnis, die uns veranlaßt hat, trotz gelegentlicher Enttäuschungen
für Deutschland Verständnis zu schaffen. Kollege Weber, Kollege Pufal, Kollege
Wiegand, Kollege Remppel, Kollege Fiederl, Sie alle wissen es, daß wir, die
134
Exekutive unserer Internationale, es nicht so leicht hatten, in der Internationale
dafür einzutreten, daß wir zu den deutschen Kameraden wieder in ein gutes
Verhältnis kommen. Es ist also nicht Liebe, es sind nicht eure blauen Augen,
sondern es ist die ganz reale Erkenntnis, daß wir, die Arbeiter in Europa, unbekümmert
aus welchem Lande man ist, unbekümmert welche Sprache man
spricht, unbekümmert wie man aussieht, unbekümmert wer man beruflich ist,
wissen: Es gibt in Europa keine Ruhe, wenn es in Deutschland keine Ruhe gibt.
(Beifall.) Es gibt keinen Frieden in Europa, wenn es nicht' in Deutschland
Frieden gibt, und es gibt keine internationale Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung
ohne die deutsche Gewerkschaftsbewegung. (Sehr richtig.) Ich sage
das viel mehr als Schweizer denn als Präsident der Internationale. Und ich will
euch sagen, Kameraden, wenn wir mit so großer Aufmerksamkeit verfolgen, was
eure Gewerkschaft in bezug auf die Hebung des sozialen Lebensstandards leistet,
dann glaubt mir ganz ruhig — ihr seid ja auch Gewerkschafter und viele von
euch sind sogar alte Marxisten —, daß wir genau wissen, daß unser Lebensstandard
in der Schweiz und anderswo auf die Dauer in Gefahr gebracht wird,
wenn dieses Vakuum Deutschland in Gefahr gebracht wird. (Sehr richtig.) Es
ist purer Egoismus, es ist absolut gut verstandenes Selbstinteresse, wenn wir
heute hier und überall den Standpunkt vertreten, daß die europäische Arbeiterschaft
der deutschen Arbeiterschaft helfen muß. In unserem eigenen Interesse
muß die deutsche Arbeiterbewegung, die deutsche Gewerkschaftsbewegung
wieder hochkommen, die deutsche Gewerkschaft wieder jene Position einnehmen
können, die sie früher gehabt hat. Ich glaube, daß Sie sich in dem einen Punkt
restlos mit mir freuen dürfen, daß sich diese wichtigste Erkenntnis heute in der
Internationale durchgesetzt hat. Wir alle sind im Grunde genommen heute zu
der Erkenntnis gekommen, daß dieses gefährliche Spiel im Herzen von Europa
aufhören muß, und daß wir alle schicksalsverbunden sind, ob wir wollen oder
ob wir nicht wollen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung in bezug auf Ihren Kongreß,
dessen Verhandlungen ich aufmerksam verfolgt habe. Wenn in einer Beziehung
mir etwas wie ein unheimliches Gefühl aufgekommen ist, so deshalb — bitte,
entschuldigen Sie, wenn ich es offen sage —, weil ich das Gefühl habe, daß
ihr alle aufpassen müßt. Ich verstehe sehr gut, wenn Sie es so schwer haben,
zu einer eigenen demokratischen Selbstverwaltung Ihres Verbandes zu kommen.
Es ist wunderbar leicht, eine Organisation in einer Diktatur zu leiten, wie das
bei euch ja jahrelang der Fall war. Es geht sehr herrlich, wenn einer oben
sitzt, ob es der Herrgott oder ein anderer Gott ist, und alle folgen seiner
Parole. Schwierig aber ist es, sein eigenes Werk zu zimmern», die eigene
demokratische Selbstverwaltung zu schaffen, sich einzufügen in eine große
Volksgemeinschaft und als Glied dieser Volksgemeinschaft eine Funktion zu
übernehmen. Das ist schwer, und das ist im Grunde die Aufgabe der deutschen
Gewerkschaftsbewegung.
Ich sage euch — und damit will ich schließen und Ihnen danken, daß Sie
mir solange zugehört haben —, es gibt nicht nur in der Schweiz, sondern auch
im übrigen Europa und in der übrigen Welt, Leute, die sehr ernsthaft behaupten,
daß in Deutschland bereits wieder so etwas wie ein Revanchegedanke
aufkomme, daß es Leute in Deutschland gäbe, die noch nicht genug haben.
Nicht nur in Deutschland 1 gibt es Menschen, die von der Schweinerei nicht
genug haben, auf der ganzen Welt gibt es solche. (Starker Beifall.)
Kolleginnen und Kollegen! Wir alle zusammen, unbekümmert welcher
Nationalität wir angehören, welche Sprache wir sprechen, wir haben unsere
demokratischen Organisationen aufzubauen, wir wollen für die demokratische
Staatsform eintreten, für die Völkerrechte, für das Mitspracherecht, für die
Mitbestimmung des Volkes, und wenn es nur aus einem einzigen Grund geschehen
würde: um zu verhüten, daß unsere Generation einen dritten Weltkrieg
erlebt. (Sehr richtig!)
In diesem Sinne, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, zu glauben, daß
135
wir mit Interesse, mit Spannung eure Verhandlungen verfolgen, daß wir mit
Interesse zu diesen Verbandlungen gekommen sind und daß wir hoffen, daß
dieser Kongreß ein gestecktes Ziel erreichen wird. Enttäuschen Sie uns nicht,
enttäuschen Sie die internationale Arbeiterbewegung nicht, enttäuschen Sie
das arbeitende Volk Europas und der Welt nicht. (Anhaltender und lebhafter
Beifall.)
Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Im Namen des Gewerkschaftstages
dem Kollegen Leuenberger und allen seinen Freundlen aufrichtigen,
herzlichen Dank mit der Bitte, Grüße auszurichten und darüber hinaus
das Gelöbnis unserer neuen Industriegewerkschaft nach draußen zu übermitteln,
daß wir nicht erlahmen werden, die Gedanken zu verwirklichen,
die Kollege Leuenberger in eindrucksvoller Weise hier zum Ausdruck gebracht
hat. Wir haben die Verpflichtung — das werden alle Anwesenden in dieser
erhebenden Stunde gefühlt haben, als Leuenberger diese Gedanken herausstellte
—, die Aufklärung in die Kreise hineinzutragen, die es gebrauchen, die es
nötig haben. Denn erst wenn wir die 1 gesamte Arbeiterschaft zu diesem Gedanken
erzogen haben, haben wir die Gewißheit und die Möglichkeit, ein
solches Unheil zu verhüten. Der Wille ist bei der Leitung der neuen Industriegewerkschaft
hundertprozentig vorhanden. Diese Gewißheit dürfen unsere ausländischen
Freunde mit nach Hause nehmen. Nochmals herzlichen Dank.
Ich mache nun noch darauf aufmerksam, daß der Arbeitsausschuß wie alle
anderen jetzt Abendbrot ißt und dann um 7 Uhr im Gewerkschaftshaus zusammentritt.
Für heute ist 'die Sitzung vertagt.
(Die Beratungen werden um 17.5