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NGG_Protokoll_Gewerkschaftstag_1949_oJ.pdf

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PROTOKOLL

über die Verhandlungen

des Vereinigungs-Gewerkschaftstages

der Industriegewerkschaft

NAHRUNG • GENUSS - GASTSTÄTTEN

für das Gebiet der

amerikanisch, britisch und französisch

besetzten Zonen Deutschlands

in München vom 24. bis 26. Mai 1949


VORWORT

Der Vereinigungsgewerkschaftstag wird am 24. Mai 1949, um 10.10 Uhr, im

Saal des Museums in München mit dem Vortrag eines Musikstückes eingeleitet.

Als zweites sang ein Freiheitschor das Lied „Auf, Freunde, laßt das Lied

erklingen!". Anschließend trug Martin Plantz den von Georg Fiederl verfaßten

nachfolgenden Prolog vor:

GELÖBNIS

Brüder! Schwestern! Gewerkschaftskollegen!

Schicksalsgefährten aus Süd, West und Nord,

die unermüdlich die Räder bewegen,

emsigen Fleißes gestalten den Segen

einer gewalt- und machthungrigen Welt!

Schwestern und Brüder aus anderen Ländern,

düstere Zukunft im Banne uns hält.

Laßt uns der Erde Antlitz nun ändern,

daß wir zur Sonne, zur Freiheit uns wenden,

wenn uns der Zweifel Nacht überfällt!

Was unsere Alten so mühsam errungen,

„Freie Gewerkschaft", dem Schwachen ein Hort.

Tausende fielen — vom Henker bezwungen,

ewiges Vorbild dem Kämpfer, dem jungen,

mit ihrer Treue beharrlichem Wort.

Laßt uns, ihr Brüder, mit Handschlag bekunden,

daß wir bewahi - en, was uns noch verblieb!

Laßt uns erhalten, was wir noch gefunden,

daß allen Opfern ein Kranz sei gewunden!

Ehrt sie in Taten! Das Wort rasch entflieht.

Ernst ist die Stunde, die heute uns bindet,

schwer die Verantwortung, die auf uns ruht.

Suchende Mißgunst stets Handhabe findet.

Kärglich die Hoffnung, die Dank uns verkündet.

Recht unsere Flamme, Treue die Glut!

Männer der Arbeit? Nein, Sklaven der Pflicht!

Schöpfer des Reichtums, hebt das Gesicht!

Erben der Zwietracht, beuget euch nicht!

Ewig sprosset und grünet die Saat.

Ewig entscheiden Bekenntnis und Tat.

Ewig der Freiheit Funke erglüht.

Ewige Sehnsucht das Herz uns durchzieht.

Greift nach dem Steuer! Ihr seid die Kraft.

Brechet die Ketten abhängiger Haft!

Tragen die Toten nicht unser Gesicht?

Kampf dem Despoten!

Nun haltet Gericht! -


1

Alsdann ergreift der Vorsitzende der bisherigen Landesgewerkschaft Nahrung

— Genuß — Gaststätten in Bayern Georg Fiederl das Wort zu

folgenden kurzen Einführungsworten:

Sehr geehrte Versammlung, liebe Ehrengäste und Behördenvertreter!

Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen

von diesseits und jenseits der heutigen deutschen Grenzen!

Ich darf in Ihrem Namen zunächst unseren Freunden und Sangesbrüdern für

ihre Mitunterstützung zur Ausgestaltung unserer heute beginnenden Tagung

danken.

Ein in der Geschichte der deutschen Gewerkschaften ebenso bedeutsamer als

hoffentlich einmaliger Anlaß ist es, der den Gegenstand der heute hier beginnenden

Tagung darstellt. Der Schlußsatz des Festgesangs von Gustav Adolf Uthmann,

unseres unvergeßlichen Komponisten hinreißender Fredheitschöre für

die wert-, recht- und pflichtbewußte, besonders aber für die Kulturschaffende und

sich ihrer Verantwortung bewußte deutsche Arbeiterschaft, ist soeben verklungen.

„Dem Völkerbund treu immerdar — ist Deutschlands Proletar", wenn wir

den Personenkreis als solchen werten, der immer im entschlossenen Abwehrwillen

all die Feindseligkeiten zu hemmen versuchte, die über die schaffende

Arbeiterschaft hereinbrechen sollten.

Wohl haben die Pioniere der deutschen Gewerkschaften in unentwegter Treue

dem Völkerbunde und Völkerfrieden zugestrebt, zugestrebt mit aller Leidenschaftlichkeit

und Überzeugungstreue der Herzen. Und dennoch mußte diese

Treue den Not- und Leidensweg gehen, der aus dem grenzenlosen Machthunger

einer deutschen Volksbetörung und aus der politischen und ökonomischen

Unzulänglichkeit eines erheblichen Teiles der deutschen Arbeitnehmer erstanden

ist.

Der Verband der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter Deutschlands, im

Jahre 1927 durch Vereinigung der Verbände der Brauer, Böttcher, Bäcker,

Fleischer und Müller zu erfolgversprechender Zusammenarbeit geschaffen, wurde

wie alle anderen Gewerkschaften von den nationalsozialistischen Machthabern

als lästiges Hindernis empfunden und in den ersten Monaten des Jahres 1933

zerschlagen.

Nach dem Zusammenbruch der nazistischen Gewaltherrschaft in mühevoller

und zäher Aufbauarbeit in den einzelnen Orten, Städten, Ländern und Zonen

wiedererstanden, war es das ehrliche Streben aller in den drei Westzonen vorhandenen

Ortsverwaltungen und Ortsgruppen der Industrie- und Landesgewerkschaften

„Nahrung — Genuß — Gaststätten", nicht nur auf Zonenbasis, sondern

auf Interzonen-, also auf Reichsbasis den ehemaligen Zustand der Einheitlichkeit

und brüderlichen Verbundenheit wiederherzustellen. Dies um so mehr,

als Rahmen und Zuständigkeit der Gewerkschaften „Nahrung — Genuß — Gaststätten"

von heute weit über das Maß von vor 1933 hinausgehen und schon in

Planung und Entstehung den Bedürfnissen einer von uns allen mit Recht erstrebten

wirtschaftlichen Reichseinheit entsprechen.

Die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen aber, soweit sie im letzten

Jahre besonders von einzelnen Besatzungsmächten angeordnet wurden, haben

die Vereinigungspläne der Westzonengewerkschaften vollständig hoffnungslos

werden lassen. Das ist der Grund, daß die Länder der Westzonen in ihrer

geschichtlichen Gegenwartsaufgabe fortfahren und, sich ihrer Verpflichtung

bewußt, im unerschütterlichen Glauben an eine baldige Vereinigung mit den

Gewerkschaftsmitgliedern der Ostzone zunächst einmal die Vereinigung der

Landesgewerkschaften innerhalb der Westzonen vollziehen, um damit den bereits

vollzogenen zentralen Maßnahmen rücksichtsloser Entrechtung der Arbeitnehmerschaft

durch das Unternehmertum im allgemeinen zu begegnen.

Einig im Ringen um den Wirtschafts-, Arbeits- und Völkerfrieden mit allen

Menschen, die ehrlichen Willens sind, der Not eine Schranke zu setzen, reichen

wir ihnen vertrauensvoll die Bruderhand.


TAGESORDNUNG

1. Konstituierung des Gewerkschaftstages (Kollege Fiederl, München).

a) Wahl des Präsidiums.

b) Wahl der Mandatsprüfungskommission.

c) Wahl der Pressekommission.

2. Begrüßungsansprachen.

3. Berichterstattung des gemeinsamen Arbeitsausschusses für die

Trizone.

4. Antrag auf Vereinigung der Industriegewerkschaften Nahrung —

Genuß — Gaststätten.

5. Beratung und Beschlußfassung über die Satzung der neuen

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten.

6. Besondere Anträge.

7. Wahlen.

a) Wahl des Vorstandes der neuen Industriegewerkschaft.

b) Wahl des Vorsitzend«n des Gewerkschaftsausschusses.

c) Wahl des Gewerkschaftsbeirates.

d) Wahl der Delegierten zum Gründungskongreß des neuen

Gewerkschaftsbundes.

e) Wahl der Delegierten zur Berufs-Internationale.

8. Schlußwort (ausgeführt vom neugewählten ersten Vorsitzenden

der Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten).


GESCHÄFTSORDNUNG

I. Stimmberechtigung

1. Stimmberechtigte Mitglieder des Vereinigungs-Gewerkschaftstages sind die

in den Ortsgruppen bzw. Bezirken der Länder gewählten Delegierten der

amerikanischen, der britischen und der französischen Zone.

2. Stimmberechtigt sind die gewählten Delegierten zum Vereinigungs-Gewerkschaftstag,

wenn die Beiträge für den Monat April 1949 entrichtet und im

Mitgliedsbuch entwertet sind.

3. Stimmberechtigt sind die gewählten Delegierten, wenn sie durch die Mandatsprüfungskommission

anerkannt und durch den Vereinigungsgewerkschaftstag

bestätigt werden.

4. Stimmberechtigt sind die ordentlichen Mitglieder des gemeinsamen Arbeitsausschusses

für die Trizone.

II. Beschlußfähigkeit

'

1. Der Verednigungs-Gewerkschaftstag ist beschlußfähig, wenn mindestens die

. Hälfte der stimmberechtigten Teilnehmer des Vereinigungs-Gewerkschaftstages

sich an der Abstimmung beteiligt.

2. Die Beschlüsse des Vereinigungs-Gewerkschaftstages werden mit einfacher

Stimmenmehrheit gefaßt.

3. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

%

HI. Wahlen

1. Die Wahlen zu den Körperschaften der neuen Industriegewerkschaft Nahrung

— Genuß — Gaststätten erfolgen durch geheime Abstimmung.

2. Ist nur ein Wahlvorschlag vorhanden, so kann die Wahl auch durch Erheben

der Delegiertenkarte vorgenommen werden.

3. Gewählt ist, wer die einfache Stimmenmehrheit auf sich vereinigt.

IV. Redezeiten

1. Die Vorsitzenden < dieses Vereinigungs-Gewerkschaftstages,

2. die ordentlichen Mitglieder des gemeinsamen Arbeitsausschusses für die

Trizone,

3. die Berichterstatter der Kommissionen

sind an eine bestimmte Redezeit nicht gebunden.

4. Die Redezeit der Diskussionsredner beträgt höchstens 10 Minuten.

5. Die Redezeit der Sprecher zur Geschäftsordnung beträgt höchstens 5 Minuten;

V. Wortmeldungen

1. Die Diskussionsredner müssen sich schriftlich zu Wort melden.

2. Die Diskussionsredner erhalten in der Reihenfolge der- abgegebenen Wortmeldungen

das Wort erteilt.

3. Sprecher zur Geschäftsordnung erhalten außerhalb der Reihenfolge der

eingetragenen Wortmeldungen das Wort erteilt.


4. Diskussionsredner und Sprecher zur Geschäftsordnung können nur einmal

zur gleichen Sache das Wort erhalten.

5. Den unter Punkt IV (Redezeit) zu 1, 2 und 3 genannten Personen ist es

gestattet, aufklärend außerhalb der Reihenfolge der gemeldeten Diskussionsredner

in die Debatte einzugreifen.

6. Die Diskussionsredner und Sprecher zur Geschäftsordnung haben nach Aufruf

vom Rednerpult des Vereinigungs-Gewerkschaftstages zu sprechen.

VI. Anträge

1. Anträge, die erst während des Vereinigungs-Gewerkschaftstages gestellt

werden, sollen unter den entsprechenden Tagesordnungspunkten, für die

diese Anträge zuständig sind, behandelt werden.

2. Anträge, die während des Vereinigungs-Gewerkschaftstages gestellt werden,

können nur dann behandelt werden, wenn diese von je 10 stimmberechtigten

Delegierten der amerikanischen und der britischen und fünf stimmberechtigten

Delegierten der französischen Zone unterzeichnet sind.

3. Anträge auf Schluß der Diskussion können nur dann gestellt werden, wenn

der Antragsteller selbst in der Diskussion und zur Sache nicht gesprochen

hat.

VII. Anträge zur Geschäftsordnung

1. Anträge zur Geschäftsordnung können mündlich gestellt werden und bedürfen

einer Unterstützung durch stimmberechtigte Delegierte nicht,

2. Geschäftsordnungsanträge müssen sofort zur Verhandlung kommen.

3. Anträge zur Geschäftsordnung werden, nachdem ein Redner für und ein

Redner dagegen gesprochen hat, zur Abstimmung gebracht.

VIII. Persönliche Bemerkungen und Richtigstellungen

Persönliche Bemerkungen und Richtigstellungen der stimmberechtigten Delegierten

sind nur am Schluß der Debatte und nur zur Sache zulässig.


A N T R A G

Überführung der Mitglieder, aller Werte und Verträge der bisherigen Zonenund

Länder-Industriegewerkschaften in den Gebieten der amerikanisch, britisch

und französisch besetzten Zone Deutschlands,

vertreten durch ihre Vorsitzenden:

a) britische Zone, Herrn G. Pufal, Hamburg

b) amerikanische Zone, Herrn G. Fiederl, München

c) amerikanische Zone, Herrn A. Remppel, Stuttgart

d) amerikanische Zone, Herrn H. Wiegand, Frankfurt

e) französische Zone, Herrn A. Basting, Mainz

I) französische Zone, Herrn Cl. Weber, Freiburg

g) französische Zone, Herrn J. Wörner, Schwenningen a. N.

und die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands.

Der konstituierende Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung —

Genuß — Gaststätten für die amerikanisch, britisch und französisch besetzte

Zone Deutschlands beschließt:

Mit dem Inkrafttreten dieser Industriegewerkschaft hört das Wirken der

Zonen- bzw. Landesgewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten, wie folgt:

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das britisch

besetzte Gebiet Deutschlands, Sitz Hamburg

Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch

besetzte Gebiet Bayern (Deutschland), Sitz München

Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch

besetzte Gebiet Württemberg-Baden (Deutschland), Sitz Stuttgart

Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das amerikanisch

besetzte Gebiet Hessen (Deutschlacd), Sitz Frankfurt a. M.

Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch

besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz (Deutschland), Sitz Mainz a. Rh.

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch

besetzte Zone Baden (Deutschland), Sitz Freiburg

Industriegewerkschaft Nahrung—Genuß — Gaststätten für das Gebiet der

französisch besetzten Zone Württemberg (Deutschland), Sitz Schwenningen

a. N.

auf.

Die Mitglieder der vorgenannten Industriegewerkschaften, wie aufgeführt,

werden in die Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands mit dem

Sitz in

mit allen Rechten und Pflichten hiermit aufgenommen.

Die Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften, wie vorstehend im einzelnen

aufgeführt, gelten damit als aufgelöst.

Alle Aktiven und Passiven und die noch zu erwartenden Vermögenswerte

sowie alle Einrichtungen dieser bisherigen Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften

gehen in die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gast-

8


Stätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands

mit dem Sitz in

über; desgleichen alle in diesen Gebieten vorhandenen Tarifverträge, sonstige

vertragliche Rechte und Verpflichtungen aller Art.

Alle in den bisherigen Zonen- bzw. Landes-Industriegewerkschaften tätigen

Angestellten und Hilfskräfte werden unter Anrechnung ihrer in diesen

Gewerkschaften geleisteten Dienstzeiten mit den bisherigen Rechten und

Pflichten von der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten

für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet mit dem Sitz in

übernommen.

Die Gewerkschaftsangestellten und Hilfskräfte werden nach den geltenden

Richtlinien der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten

für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands neue

Anstellungsverträge erhalten.


Delegierte zum Verbandstag in Mönchen

vom 24. bis 26. Mas 1949

Nordrhein-Westfalen — 39 Delegierte

1. Peter Lindemann, Aachen

2. Hermann Losch, Bielefeld

3. Emil Bückner, Bochum

4. Heinrich Schäfer, Bochum

5. Heinrich Spilker, Bünde

6. Kunigunde Bechtloff, Bünde

7. Fritz Wiese, Detmold

8. Else Schröder, Dortmund

9. Wilhelm Boos, Dortmund

10. Paul Böttcher, Düsseldorf

11. Eugen Ruff, Düsseldorf

12. Willi Benczek, Duisburg

13. Franz Pakschies, Duisburg

14. Günther Vermassen, Duisburg

15. Gottfried Lengsdorg, Paderborn-

16. Aloys Fehlings, Essen [Elsen

17. August Weyers, Essen

18. Franz Imberg, Gelsenkirchen-Buer

19. Artur Teubler, Hagen

20. Hermann Eickmeier, Herford

21. Wilhelm Ullrich, Iserlohn

22. Konrad Lübeck, Kleve

23. Karl Langenbach, Köln

24. Gerhard Mager, Köln

25. Gerhard Donnagen, Köln

26. Ferdinand Kiefer, Köln

27. Ludwig Meetz, Krefeld

28. Koll. Mengeringhausen, Lippstadt

29. Wilhelm Althoff, Lübbecke

30. Fritz Rathert, Minden i. W.

31. Franz Peschken, M.-Gladbach

32. Michael Preisser, Münster

33. Friedrich Holler, Neuß

34. Benner, Recklinghausen

35. Willi Borchard, Rehme

36. Willi Hahn, Remscheid

37. Karl Schröder, Solingen

38. Hans Treuheit, Wuppertal

39. Emil Geilenkausen, Wuppertal

Schleswig-Holstein — 22 Delegierte

40. Willy Wfegner, Elmshorn

41. Hans Will, Flensburg

42. Gertrud Albers, Hamburg

43. Eugen Fölber, Hamburg

44. Adolf Geistmann, Hamburg

45. Walfried Jackobsen, Hamburg

46. Karl Junge, Hamburg

47. Josef Mares, Hamburg

48. Eduard Reichenbach, Hamburg

49. Ludwig Selpien, Hamburg

50. Otto Sonntag, Hamburg •

51. Franz Schildknecht, Hamburg

52. Alfred Schleicher, Hamburg

53. Herbert Stadelmaier, Hamburg

54. Hans Vize, Hamburg

55. Heinrich Schubert, Harburg

56. Adolf Gielke, Heide

57. Emil Petersen, Kiel

58. Walter Honnebeck, Kiel

59. Friedrich Zander, Kiel

60. Hermann Kaping, Lübeck

01. Albert Kobbe, Lübeck

10


Nieder Sachsen — 22 Delegierte

62. Paul Schliesser, Braunschweig

63. Rudolf Striepe, Braunschweig

64. Christian Blome, Bremen

65. Ferdinand Husung, Bremen

66. Erich Hesse, Bremen

67. Carl Heumann, Bremen

68. Erich Bertram, Celle

69. Hanshinrich Claussen, Cuxhaven

70. Franz Gerke, Göttingen

71. Fritz Lenke, Göttingen

72. August Steding, Hameln

73. Rudolf Krautter, Hannover

74. Richard Heimberg, Hannover

75. Wilhelm Vollert, Hannover

76. Franz Jorek, Hannover

77. Hans Keil, Helmstedt

78. Heinrich Mäkeier, Hüdesheim

79. Paul Wehlau, Lebenstedt

80. Toni Frey, Leer

81. Hans Bonow, Lüneburg

82. Herbert Chudalla, Oldenburg

83. Heinrich Balshüsemann, Osnabrück

Bayern — 26 Delegierte

84. Ernst Schopper, Mittellranken

85. Georg Brunner, Mittelfranken

86. Rudolf Grieser, München

87. Albert Mohr, München

88. Johann Schlaghaufer, München

89. Josef Riedl, München

90. Cilly Kneissl, München

91. Josef Stebich, München

92. Johann Bruckmüller, Niederbayern

93. Peter Birkenseher, Niederbayern

94. Georg Eimer, Nürnberg

95. Hans Nätscher, Nürnberg

96. Georg Tausend, Nürnberg

97. Ludwig Knoll, Oberbayern

98. Anton Bräu, Oberbayern

99. Robert Ziegler, Oberbayern

100. Georg Gräbner, Oberfranken

101. Johann Ziegenthaler, Oberfranken

102. Max Becher, Oberfranken

103. Josef Bauer, Oberpfalz

104. Josef Rückl, Oberpfalz

105. Franz Gail, Unterfranken

106. Heinrich Altehage, Unterfranken

107. Josef Hagspiel, Schwaben

108. Kollege Jansen, Schwaben

109. Lorenz Schupper, Schwaben

Rheinland-Pfalz — 7 Delegierte

110. Karl Eichhorn, Hof heim beiWorms

111. Hans Dahl, Koblenz

112. Hanni Mohr, Koblenz

113. Hans Langmantel, Ludwigshafen

114. Georg Schüler, Mainz a. Rh.

115. Kollege Beyersdörfer, Pirmasens

116. Friedrich Drumm, Trier

Württemberg-Baden — 19 Delegierte

117. Karl Bauer, Heidelberg

118. Willi Drexler, Trösel bei Weinheim

119. Rudolf Ernst, Stuttgart

120. Ernst Gönner, Ulm

121. Heinr. Heller, Kirrlach b. Bruchsal

122. Adolf Herrmann, Heilbronn

123. Elsa Koch, Stuttgart

124. Franz Kretzschmar, Hockenheim

.125. Fritz Krauss, Stuttgart

126. Ernst Lang, Heilbronn

127. Wilhelm Lindörfer, Gerabronn i. W.

128. August Locherer, Mannheim

129. Jakob Mendel, Heidelberg

130. Hans Neumeister, Heidelberg

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W ü,r ttemberg-Baden

(Fortsetzung)

131. Ernst Pulley, Stuttgart

132. Max Keichelt, Mannheim

133. Raphael Teufel, Stuttgart

134. Koll. Eimmelspacher, Karlsruhe

135. Karl Seib, Karlsruhe

Süd-Württemberg und Hohenzollern — 1 Delegierter

~~ 136. Koll. Wörner, Schwenningen a. N.

137. Gustav Behnert, Kassel

138. Eugen Dengel, Wiesbaden

139. Karl Eichholz, Eschwege

140. Christoph Föller, Bad Homburg

141. Josef Kaschel, Kassel [v. d. H.

Hessen — 10 Delegierte

142. Alfred Kiel, Butzbach in Hessen

143. Ernst Langendorf, Gräfenhausen

144. Karl Lenderoth, Kassel

145. Josef Schnellbögl, Frankfurt a. M.

146. Georg Späth, Aisbach a. d. Bergstr.

Baden — 2 Delegierte

147. Karl Glockner, Freiburg 148. Johann Susin, Singen

Die Mitglieder des vorbereitenden Ausschusses

Gustav Pufal, Hamburg

Ferdinand Warnecke, Hamburg

Hans Maack, Lübeck

Wilhelm Weber, Hannover

Josef Dozier, Düsseldorf

Hans Wiegand, Frankfurt

Albert Remppel, Stuttgart

Georg Fiederl, München

Anton Basting, Mainz a. Rh.

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PROTOKQLL DES GEWERKSCHAFTSTAGES

Eröffnungsrede des Kollegen Georg Fiederl, München

Sehr geehrte Versammlung!

Es ist mir die ehrenvolle Aufgabe zugeteilt, im Namen der drei Westzonen

zur Eröffnung dieser bedeutungsvollen Tagung als Gäste zu begrüßen:

Zunächst für heute einmal Mr. Stark von der amerikanischen Militärregierung,

der, -weil Mr. Loriaux, Mr. Crämer, Mr. Fiebach für heute verhindert

sind, aber morgen wahrscheinlich erscheinen werden, die Vertretung

übernommen hat. Ich darf Mr. Stark unseren Dank für sein Erscheinen aussprechen

und dabei zum Ausdruck bringen, daß wir in Bayern mit den befreundeten

Offizieren der Wirtschaf tsver waltung bisher eine nach jeder Richtung hin

befriedigende und erfreuliche Erfahrung gemacht haben.

Ich darf weiterhin für das Bayrische Arbeitsministerium Herrn Oberregierungsrat

Schaumann begrüßen, ferner für das Landesarbeitsamt den

Regierungsrat Dr. Eiewel. Besonderes Erlebnis aber ist es uns, eine ganze

Reihe ausländischer Kollegen bei unserer Tagung begrüßen zu können, die als

Beauftragte der uns befreundeten Brudergewerkschaften von jenseits der deutschen

Grenzpfähle, ja sogar von jenseits des Ozeans anwesend sind. Die

Delegation der Schweizer Kollegen, die unter Führung unseres Kollegen Hermann

Leuenberger unterwegs ist, kann erst heute abend eintreffen.

Wir haben deshalb damit zu rechnen, daß wir im Laufe des morgigen Tages

noch einzelne Begrüßungen entgegennehmen und sie tätigen werden. Der

Kollege Charlott aus Frankreich ist ebenfalls unterwegs und konnte bis

heute noch nicht eintreffen. Die Kollegen Julius Schmidt und Dirk N a k

vom Dänischen Tabakarbeiterverband, Kollegen Henry Petersen vom Dänischen

Zucker- und Schokoladenarbeiterverband, den Kollegen Oskar Ryssel

vom Dänischen Schlachterverband, den Kollegen Vald. Aggerholm und

Kollegen Fritz Hansen vom Bäcker- und Konditorenverband sowie den

Kollegen Kaj Petersen vom Dänischen Brauerei-, Brennerei- und Mineralwasserarbeiterverband

möchte ich im Auftrag der Versammlung herzlich

begrüßen. (Beifall.)

Wir begrüßen weiterhin die schwedischen Kollegen Erik Rundlöv und

Tage Nilsson, Stockholm, vom Schwedischen Lebensmittelarbeiterverband,

ferner die Kollegen Arno A s k und Arne Barlie vom Norwegischen

Nahrungsmittel- und Getränkearbeiterverband. Es ist uns eine besondere Freude,

daß diese Kollegen, die nicht die deutsche Sprache beherrschen, zu uns gekomme»

sind. Wir werden die Kollegen durch einen gesonderten Dolmetscher

der skandinavischen Sprachen in die Lage versetzen, sich mit uns in der von

ihnen gewünschten Art zu unterhalten. Ich begrüße sie besonders. (Beifall.)

Es ist uns ferner der Verbindungsmann der AFL Mr. R u t z als Gast für

heute bestimmt. Ich nehme an, daß er im Laufe des Vormittags noch anwesend

sein kann. Darüber hinaus möchte ich den Kollegen Hugo Ernst, Cinclnnati

(Ohio), als Gast unserer Tagung recht herzlich begrüßen. Wir freuen uns,

daß unsere Kollegen jenseits des Ozeans sich die Mühe genommen haben,

zur Bekundung ihrer inneren Verbundenheit sich nach hier zu bemühen und

die Beschwernisse einer Reise auf sich zu nehmen.

Wir begrüßen weiterhin die Kollegen Carl Bengtsson und Henry

S j ö h, Stockholm, für die schwedischen Hotel- und Restaurantangestellten.

Wir begrüßen die Kollegen Oosterhuis und Erich Schrauwen für die

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holländischen Fabrikarbeiter. Wir begrüßen die Kollegen Klomp und Nordberg,

Amsterdam, für die niederländischen Nahrungs- und Genußmittelarbeiter.

Die holländischen Gäste, vier Kollegen an der Zahl, sind schon vor

zwei Tagen hier eingetroffen. Die Holländer sind nun einmal unsere nächsten

Nachbarn und auch in der Sprache unsere nächsten Verwandten. Wir freuen

uns ganz besonders, daß sie in unseren Reihen sind und daß wir damit die

Hoffnung hegen dürfen, daß über die hermetische Abgeschlossenheit einer bitteren

Vergangenheit hinweg in Zukunft die organisierten Arbeitnehmer diesseits

und jenseits der Grenzen sich wiederum die Hände zu neuer gemeinsamer friedlicher

Zusammenarbeit reichen wollen. (Beifall.)

Wir begrüßen weiterhin, so sonderbar es auch klingen mag, unsere österreichischen

Kollegen und Brüder, die Kollegen Karl Mantler und Heinrich

Schrammel aus Wien, als ausländische Gäste. (Beifall.)

Wir begrüßen im Anschluß an die Begrüßung von Kollegen jenseits von

längst überflüssig gewordenen Landes- und Reiohsgrenzen den Präsidenten des

Gewerkschaftsbundes der britischen Zone, unseren Kollegen Dr. h. c. Hans

B ö c k 1 e r. Der Präsident des Bayrischen Gewerkschaf tsbundes, der Kollege

Lorenz Ha gen, ist durch eine wichtige Sitzung am Bayrischen Landtag

abgehalten, hier zu erscheinen. Der Kollege Schiefer hält sich augenblicklich

noch im Stadtrat auf, wo über den Sanistagnachmittag-Ladenschluß verhandelt

wird. Der Kollege Böckler wird, bis diese Kollegen erscheinen können,

sowohl die Vertretung des Gewerkschaftsbundes der britischen Zone wie auch

des Bayrischen Gewerkschaftsbundes übernehmen. Sie wissen ja, liebe Freunde,

daß im Augenblick das Bonner Staatsgrundgesetz eine besondere Rolle spielt.

Es ist Ihnen vielleicht auch die Haltung der Bayrischen Staatsregierung und

der heute in Bayern bestimmenden Partei, der CSU, im Zusammenhang mit

der Bayernpartei bekannt. In den letzten Tagen hat sich ein Ringen um die

Begründung der Ablehnung im Bayrischen Landtag vollzogen. Dieses Ringen

verhindert unsere Kollegen noch im Augenblick, pünktlich zu unserer Tagung

zu erscheinen. •

Wir begrüßen ferner die Vertreterin des Bayrischen Genossenschaftsverbandes

Frau Maria Günzel. Wir begrüßen den Vertreter des Konsumvereins

München, Herrn FranzWerk.

Unser Gruß gilt den Sekretariats- und Bezirksleitern des Bayrischen Gewerkschaftsbundes

und den erschienenen Vorsitzenden der übrigen 13 Landesgewerkschaften.

Unser besonderer Gruß aber soll zugleich aufrichtiger Dank sein an jene

Pioniere und Mitarbeiter aus den Jahren vor 1933, an unsere Altkollegen, denen

es gegönnt ist, heute und in den nächsten Tagen in München die Wiedererrichtung

der von ihnen mitgeschaffenen und mit aller Treue bewahrten und

nun doch von nazistischer Willkür zerstörten Gewerkschaftseinheit wenigstens

für Westdeutschland mitzuerleben. (Beifall.)

Sehr geehrte Versammlung! Wir haben nun eine Reihe Freunde, die anwesend

sind, begrüßt. Nun lassen Sie uns der Toten gedenken. (Die Versammlungsteilnehmer

erheben sich von ihren Sitzen.) Lassen Sie uns aller jener

Kollegen und Kolleginnen in Trauer und Dankbarkeit gedenken, die in unwandelbarer

Treue und Beharrlichkeit alle Leiden der Vergangenheit ertrugen,

die durch die KZ gingen und unerschüttert im Glauben an den Morgen der

Auferstehung des Rechtes und der Freiheit den Tod als Trost hinnahmen. Mögen

die gegenwärtigen und zukünftigen Erben solcher Vorfahren sich solchen Opfers

und Vorbildes würdig erweisen! Ihrer stets in Würde zu gedenken, sei unser

aller Gelöbnis. Ich danke Ihnen.

Und nun lassen Sie mich im Namen der Solidarität und Brüderlichkeit die

verantwortlichen und berufenen Träger dieser Tagung, dieses Vereinigungs-

Gewerkschaftstages begrüßen. Die Delegierten und Jugendkolleginnen und

-kollegen aois den drei Zonen Westdeutschlands und mit ihnen die fünl Vertreter

der UGO Berlin (Beifall), die unter Führung des Kollegen

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Rother mit noch einer Anzahl alter Kollegen unter uns weilen, um sich an

unserer Zusaminenschlußtagung zu beteiligen.

Liebe Freunde! Mancher unter uns, nein, viele unter uns mögen angesichts

der gegenwärtigen und zu erwartenden politischen und vor allem wirtschaftlichen

Erscheinungen in Gesamtdeutschland zögernd und von Hemmungen

belastet sein. Alle aber beseelt der Wunsch, wieder aus der gemeinsamen Not

herauszukommen, den Schutt der Vergangenheit und Gegenwart zu beseitigen

und eine neue bescheidene, aber auch würdige Zukunft zu bauen. & sind

neue Wege, neue Begriffe und neue schöpferische Wertmaße dazu notwendig.

Mögen alle mit verantwortlichem Auftrag nach München entsandten Delegierten

frei von Nebenabsichten und Eigensucht an der Schaffung der Einheit

unserer Gewerkschaft sich beteiligen, weil immer Verzichte und Opfer des einen

Teiles hingenommen werden müssen, um, den Rechten des anderen Teiles

Rechnung tragend, die Grundlage der Einheitlichkeit zu schaffen, damit Freiheit

und Gleichheit erstehen können.

In diesem Sinne sollen die Hoffnungen aller Unvoreingenommenen sich

erfüllen.

In dieser Hoffnung begrüßen wir die genannten und nicht persönlich genannten

Gäste, Jubilare, Delegierten; und besonders den Jugendkollegen rufen wir

zu: Vergeßt nie, daß Schöpfen und Schaffen Kampf ist! Schaffen ist Kampf,

Kampf aber ist Glück und Freude, Freude der Dampf, der unsere Räder bewegt.

Damit eröffne ich diesen geschichtlich bedeutungsvollen Vereinigungs-Gewerkschaftstag

und jage mit Rückert:

„Stell dich in Reih und Glied, das Ganze zu verstärken!

Mag auch, wer 's Ganze sieht, dich nicht darin bemerken.

Das Ganze wird, und doi bist drin mit deinen Werken."

Damit danke ich Ihnen. (Beifall.)

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich als Vertreter Bayerns

in den einzelnen Landesgewerkschaften die Tagung eröffnen und zunächst

einmal die Wahl des Präsidiums vornehmen. Wir haben zur Leitung der

Tagung ein Präsidium von drei Vorsitzenden zu wählen. Sie werden verstehen,

daß eine neue zueinander strebende Körperschaft nicht immer mit

voller Kompetenz des gesamten Mitgliederkreises zu arbeiten beginnt und

daß sie sich manchmal zu Improvisationen bequemen muß, wenn sie es auch

widerwillig tut. Denn der Gesichtspunkt der Milbestimmung und der Parität

ist nun einmal unser wichtigster. In diesem Sinne möchten wir als Präsident

für die Tagung vorschlagen als ersten Vorsitzenden den Kollegen Wilhelm

Weber, gegenwärtigen Oberbürgermeister von Hannover, ferner für Bayern

den Kollegen Hans Nätscher, Nürnberg, Organisationsleiter des Konsumvereins

und als dritten Vorsitzenden den Kollegen Anton Basting, Mainz, für die

französische Besatzungszone. Auch dieses Wort müssen wir in absehbarer

Zeit aus unserem Lexikon streichen.

Hat jemand einen anderen Vorschlag? Wenn dies nicht der Fall ist, nehmen

wir an, daß wir zur Wahl des Präsidiums durch Handaufnahme abstimmen

können. Wer mit dem von mir gemachten Vorschlag, daß die Kollegen Wilhelm

Weber, Hans Nätscher und Anton Basting als die drei Vorsitzenden unserer

Tagung fungieren, den bitte ich um Handaufnahme. — Ich danke. Die Gegenprobe!

— Ich stelle Einstimmigkeit fest und bitte, dies im Protokoll festzuhalten.

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir eine Mandatsprüfungskommission

zu wählen, die zugleich als Wahlkommission vorgesehen ist. Hierfür

sind vorgeschlagen der Kollege Fritz Trumm, Trier, der Kollege Otto

Sonntag, Hamburg, der Kollege Rudolf Ernst, Stuttgart. Werden andere Vorschläge

beliebt? Es ist das nicht der Fall. Dann nehme ich Ihr Einverständnis

an und bitte, die stimmberechtigten Kolleginnen und Kollegen, die dafür sind,

die Hand zu erheben. — Ich danke. Die Gegenprobe! — Ich konstatiere wiederum

Einstimmigkeit.

15


Weiterhin haben wir eine Antragsprüfungskommission zu wählen, die zugleich

als Pressekommission fungieren soll. Bei dieser Gelegenheit darf ich

die Presse in unseren Reihen recht herzlich begrüßen. Wir haben sie erst

gestern eingeladen, weil wir uns über die Entschlüsse erst gestern völlig

geeinigt haben. Ich darf wohl annehmen, daß die anwesende Presse sich mit

unserer Pressekommission ins Benehmen setzt und die Berichte unserer Tagung

so gestaltet, daß sie friedens- und gemeinschaftsfördernd wirken können. loh

schlage als Mitglieder dieser Kommission vor den Kollegen Fritz Holler, Neuß,

den Kollegen Emil Geiling, Heilbronn, und den Kollegen Emil Petersen, Kiel.

Macht jemand einen anderen Vorschlag? Das scheint nicht der Fall zu sein.

Wer daher damit einverstanden ist, daß diese drei Kollegen als Antragprüfungs-

und Pressekommission fungieren, den bitte ich um Handaufnahme.

— Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe! —• Ich stelle Einstimmigkeit fest.

(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)

Do r magert (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Ich vermisse, wie es sonst

auf den Verbandstagungen üblich war, die Ernennung einer Statutenfoeratungskomimission.

Ich will damit den Punkt 5 der Tagesordnung festigen. Ich habe

erfahren — und das ist auch richtig —, dlaß vom beratenden .Vorstand oder

Ausschuß Kollegen genannt worden sind 1 , die in tagelanger und nächtelanger

mühevoller Arbeit die Satzungen beraten haben. Ich bitte die Delegierten und

stelle den Antrag, diese Komimission de facto zu wählen, damit dann der Vorsitzende

dieser Kommission zu Punkt'5 in def Zusammenfassung der Anträge

Stellung nehmen kann. <

Fiederl, Georg (München): Kollege Dormagen, ich darf dir aufklärend,

mitteilen, daß wir soeben in der Wahl des Präsidiums begriffen sind und daß

das gewählte Präsidium dann die Tagung offiziell eröffnen und zur Geschäftsordnung

und 1 Tagesordnung Stellung nehmen wird. Dein Antrag möchte

nach der Übernahme der Leitung durch die drei neugewählten Vorsitzenden

zur Behandlung gestellt werden. Bist du damit einverstanden? (Dormagen:

Damit bin ich einverstanden!) Gut also.

Damit, Kolleginnen und Kollegen, treten wir in die offizielle Eröffnung

der Tagung ein. Ich bitte euch, sich mit voller Verantwortlichkeit analog des

Ihnen gewordenen Auftrages durch die Mitgliedschaft an der Tagung zu

beteiligen. Ich wünsche im Namen Bayerns Ihnen allen während der Zeit

dieser Tagung ein möglichst befriedigendes Anwesendsein in München, und

ich wünsche im Namen der Landesgewerkschaft der Tagung den Erfolg, um

dessentwillen sie einberufen worden ist und den wir alle mit heißem Herzen

herbei wüns chen.

Damit übergebe ich das Präsidium an die Kollegen Weber, Nätscher und

Basting und gebe den offiziellen Beginn der Tagung bekannt.

(Wilhelm Weber, Hannover, übernimmt den Vorsitz der Tagung.)

Vorsitzender (Wilhelm Weber, Hannover): Kolleginnen und Kollegen!

Für die Wahl zum Vorsitzenden des heutigen Verbandstages und für das dadurch

ausgesprochene Vertrauen danke ich Ihnen im Namen des Präsidiums.

Ich brauche zu dem, was der Kollege Fiederl gesagt hat, keine großen besonderen

Ausführungen zu machen. Ich möchte nur mit ein oder zwei Sätzen

sagen: Die breite Masse, die an sich in unserer Gewerkschaft Nahrung — Genuß.

— Gaststätten organisiert ist, und diejenigen Kreise, die wir noch zu gewinnen

notwendig haben, sind der mächtigste Faktor bei der Willensbildung und

Formung unserer gesellschaftlichen Einrichtungen. Darum müssen wir In

unseren Statutenberatungen ein besonderes Augenmerk darauf richten, daß

unsere Satzungen so gestaltet werden, daß sie diesen Erfordernissen nach

Möglichkeit irgendwie Rechnung tragen. Die Arbeit ist das Herzstück jeder

Kultur. Die Arbeit kann nur dann eine Kraftquelle für den einzelnen wie für

die Gemeinschaft sein, wenn sie zur Teilhaberschaft an der Kultur führt, wenn

sie den Menschen in seinen wichtigsten Bedürfnissen befriedigt. Der Mensch

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darf mit seinem Lohn-


Kommission wird es ja sehen. (Zuruf: Die Delegierten geben nur ihre Mitgliedskarte

ab!) Ja, richiig, die Delegierten geben nur ihre Mitgliedskarte ab.

Die Delegiertenkarte -sollen sie wegen der Abstimmung nicht abgeben.

Dormagen (Köln): Noch eine Bitie halte ich vorzutragen. Es wäre bei

dieser Gelegenheit auch einmal zweckmäßig, festzustellen, wie viele von den

Delegierten Sekretäre sind und wie viele aus dem Arbeitsverhältnis stammen.

(Sehr richtig!)

Vorsitzender: Darf ich annehmen, daß der Verbandstag der von mir

in Ergänzung des Kollegen Dormagen vorgetragenen Anregung stattgibt? Widerspruch

erhebt sich nicht. Dann ist es so beschlossen.

Ich halte es nun für erforderlich, die Glückwunschschreiben bekanntzugeben,

die dem Präsidium übergeben worden sind. Ich nehme an, daß im Anschluß

daran unsere Ehrengäste den Wunsch haben, zu sprechen. Soweit wir uns

dann hernach zu der Geschäftsordnung zu entscheiden haben, so kann dazu

noch gesprochen werden. Ich möchte dann dazu auch noch etwas sagen.

Ich darf Ihr Einverständnis annehmen, wenn ich zunächst einmal so verfahre.

Als erstes Glückwunschschreiben liegt uns ein Schreiben des Nahrung- und

Genußmittel-Arbeiterverbandes Belgien vor, unterzeichnet von unserem alten

Freund Lauwers. Das nächste Schreiben stammt von der Irischen Bäckerund

Konditor-Gewerkschaft in Dublin, das dritte Schreiben von dem Norwegischen

Bäcker- und Konditorenverband in Oslo, ein weiteres Schreiben vom

Luxemburgischen Arbeiterverband, ein Schreiben vom Schwedischen Tabakindustriearbeiter-Verband,

ein Schreiben von dem Generalsekretariat der

Vereinigten Arbeitergewerkschaft in Manchester, dann ein Schreiben aus

Oslo von der Norwegischen Fleischer-Industriegewerkschaft; ferner haben ein

Schreiben an uns gerichtet der Schwedische Brauerei- und Industriearbeiter-

Verband, die Internationale Bäcker- und Konditoren-Gewerkschaft von Amerika,

der Müllerverband in Kopenhagen, der Gewerkschaftsbund Württemberg/Baden,

unterzeichnet Bundesvorstand Schleicher.

Der Ministerpräsident des Landes Hessen schreibt:

Im Auftrage des Herrn Ministerpräsidenten darf ich Ihnen für die

ihm zugegangene Einladung zum Vereinigungs-Gewerkschaftstag der

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten in München danken.

Zu seinem Bedauern ist es dem Herrn Ministeiprätidenten bei seiner

großen dienstlichen Inanspruchnahme nicht möglich, diese Einladung

anzunehmen. Er wünscht der Veranstaltung einen guten Verlauf.

Dann sind noch zwei Glückwunschschreiben da, und zwar zunächst eines

vom alten Kollegen Eduard Backert. (Beifall.) Das Schreiben hat folgenden

Wortlaut:

Werte Kollegen, Delegierte und Gäste! Gern hätte ich Ihnen zum

heutigen Delegierten!ag einige Worte der Begrüßung mündlich dargeboten,

aber die Verhältnisse der Zeit, vor allem das Bestehen von Zonengrenzen

verbieten dies. Noch als der zweite Weltkrieg tobte, habe dch mich

mit dem Wiedererstehen von Gewerkschaften stark beschäftigt. Das war

zur Zeit, wo mit einem Totalzusammenbruch und einer Totalbesetzun.g

Deutschlands noch nicht gerechnet zu werden brauchte. Dabei wähnte

ich, daß evtl. mit einem föderativen Aufbau der kommenden Gewerkschaften

gerechnet werden müßte. Ich machte folglich neben anderen

auch Pläne zu einem solchen Aufbau. Die Schwierigkeiten der Wiedererrichtung

von Gewerkschaften lagen 1945 aber auf einem völlig anderen

Gebiet, wie ich damals rechnete. Es würden manche jetzt überwundene

Schwierigkeiten und Hindernisse beim Aufbau der Gewerkschaften nicht

zu überwinden gewesen sein, wenn nicht vier Mächte, sondern nur

eine solche Deutschland besetzt hätte.

In jedem der vier Länder, denen die Besatzungsbehörden entstammen,

ist die Konstruktion der Gewerkschaften ja anders. Keine von ihnen

18


ähnelt voll den gewesenen deutschen Gewerkschaften, keine von ihnen

paßt — streng genommen — zur deutschen Mentalität. Das waren die

Hauptgründe, weshalb seit 1945 bis jetzt in dem zusammengebrochenen

Deutschland ein verschiedener Aufbau der Gewerkschaften erfolgie.

Vielleicht war es auch ein Mangel, daß nicht genügend Instrukteure

aus der Schule von vor 1933 mitwirken konnten.

Es war schon 1947 schwer, Ihre Gewerkschaft im Bereich der englisch

besetzten Zone als Ganzes zusammenzubringen. Mir lag damals viel

daran, daß diese den ihr zugrunde gelegten Aufbau erhielt. Dadurch ist der

hier in Müncnen vorzunehmende Akt leichter zu vollziehen, wenn ich

durchaus nicht verkenne, daß Sie bei den Vorarbeiten hierzu auch

manches zähe Gebiet haben zurechtbiegen müssen, um volle Gewähr

zu einem glattlaufenden Apparat zu bekommen. Ich kenne all die

Schwierigkeiten von den Verhandlungen der Jahre 1926 her und weiß,

daß oft weniger Belangvolles hoch und Grundsätzliches überhaupt nicht

bewertet wird, je nachdem, unter welchem Apparat die Verhandlungsteilnehmer

bisher zu arbeiten gewöhnt waren.

Verübeln Sie es mir bitte nicht, wenn ich auch an dieser Stelle wieder

betone, daß Sie, entgegen dem Aufbauen von Ende der achtziger Jahre,

in vielem im Vorteil sind, so z. B. in der Einstellung zu den Gewerkschaften

von Seiten der Arbeitgeber und der Vorgesetzten, seitens der Behörden

und von Seiten der Arbeiter selbst, nicht zuletzt aber auch durch die

inzwischen sehr anders gewordene Vereins- und Versammlungsgesetzgebung.

Wir waren jedoch im Vorteil, indem wir mit der Gewerkschaftsbewegung

gewachsen sind und von vornherein im Kampf gehärtet wurden.

Einen nicht zu unterschätzenden Gewinn bedeutet für die neuen Gewerkschaften

die Einheit in der Gewerkschaftsrichtung und die von vornhex-ein

möglich gewesene richtige Wahl der Organisationsform. Viel Zeit, Arbeit

und Geld mußten wegen Fehlens dieser Einheit nutzlos vertan werden,

weil diese damals eben anders gewesen ist.

Vor einer besonderen Entscheidung stehen die von den Arbeitnehmern

der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und -Industrien hierher entsandten

Delegierten nicht; sie können im Interesse dieser Arbeitergruppen keine

bessere Wahl treffen, als sich im vorgesehenen Maßstab zu vereinen.

Noch liegt ein Teil Aufbau, dann aber der Ausbau der Gewerkschaft

vor Ihnen. Zur Zeit haben Sie nicht mit ernsten umfangreichen Kämpfen

zu rechnen. Sie werden aber bestimmt kommen; dazu bedarf es jetzt

schon der Vorbereitungen dergestalt, daß Sie die Mitglieder entsprechend

schulen und zur Solidarität erziehen.

Ich war, was Gewerkschaftsbewegung anlangt, während meines jahrzehntelangen

Wirkens darin ein ausgesprochener Zentralist, ohne daß ich

jedoch die notwendige Bewegungsfreiheit in den untersten Gewerkschaftsorganen

irgendwie eingeengt wissen wollte.

Darum sehmerzt mich sehr, daß die Verhältnisse den Zusammenschluß

unserer Berufs- und Industrieangehörigen in ganz Deutschland leider noch

nicht gestatten. Ich stehe zwar abseits vom Hauptgeschehen der Gewerkschaften,

fühle mich jedoch noch arbeitsfähig und arbeitsbereit genug,

ja sogar noch als notwendig, um den mir möglichen Teil zum Werden einer

Gewerkschaft für ganz Deutschland herbeiführen zu helfen.

Sofern ich das noch erleben darf, dann bestehen keine Zonengrenzen

mehr und kann ich dann an diesem konstituierenden Verbandstag bestimmt

teilnehmen.

Ihr Verbandstag leistet zur vereinten Gewerkschaft für ganz Deutschland

einen wichtigen Beitrag. Alle Mitglieder der früheren Verbandsfunktionäre

richten heute ihre Augen und ihr Gehör nach München. Zu diesem wich-

19


tigen Akt — vor solchen ich bis 1933 öfter gestanden habe — wünsche

ich im Interesse der Gesamtkollegenschaft im ganzen Deutschen Reiche

einen vollen Erfolg. Herzliche Grüße! Backert. (Beifall.)

Wenn sich der Kollege Backert in einem so ausführlichen Schreiben äußert,.

so mögen Sie daran erkennen, wie unser alter Zentralvorsitzender noch mit

jeder Faser seines Herzens in der Sache steht und es sehr bedauert, daß er

nicht aktiv an diesen Dingen teilnehmen kann.

Dann liegt ein Schreiben vor des Kollegen Hensel, Berlin:

Herzlich gern wäre ich an diesen verantwortungsvollen Tagen als Gast

und Veteran, als ehemaliger Vorsitzender des Zentral Verbandes der Fleischer

und Berufsgenossen, späteres Vorstandsmitglied und Reichssektionsleiter

der Fleischer im Verband der Nahrungs- und Getränfcearbeiter in Eurer

Mitte. Infolge meines Krankheitszustandes ist mir ärztlicherseits von der

Reise nach München dringend abgeraten worden. Ich werde an diesen

Tagen trotz alledem mit ganzem Herzen und vollen Gedanken bei Euch

weilen und wünsche Eurer Tagung den denkbar größten Erfolg. Hensel.

(Beifall.)

Liebe Freunde und meine lieben Gastkollegen aus den Bruderorganisationen

des Auslandes! Wenn ich die Glückwunschschreiben der ausländischen Bruderorganisationen

nicht alle im einzelnen verlesen habe, so habe ich das mit Absicht

getan, um Zeit zu sparen. Vertreter des Auslandes werden zu uns sprechen.

Der Sinn und Inhalt aller Schreiben ist: Mit jedem Gedanken sind die Bruderorganisationen

des Auslandes heute bei uns und wünschen uns allen den allerbesten

Erfolg. Sie wünschen, daß wir uns gemeinsam mit ihnen in eine Kampffront

stellen, um das Herzstück der Arbeit, die Kultur, zu schaffen. (Beifall.)

Nun darf ich fragen, wer von den Gästen das Wort nehmen will.

Es spricht zunächst Herr Bengtsson aus Schweden vom Hotel- und Gaststättenarbeiter-Verband.

Ihm folgt nachher Herr Nilsson vom Schwedischen

Lebensmittelarbeiter-Verband.

Carl Bengtsson (Stockholm, Schwedischer Hotel- und Restaurantpersonalverband):

(Übersetzung). Sehr geehrte Kongreßmitglieder! Im Namen des

Schwedischen Hotel- und Restaurantpersonalverbandes danke ich Ihnen verbindlichst

für Ihre freundliche Einladung zu Ihrem Kongreß. Ich möchte ihnen

meinen herzlichen Dank und auch den meines schwedischen Kollegen Henry

Sjöh, der hier zugegen ist, dafür aussprechen, daß Sie uns die Gelegenheit

geboten haben, den Beratungen Ihres Kongresses beizuwohnen. Gleichzeitig

überbringe ich Ihnen die Grüße der schwedischen Hotel- und Restaurantangestellten

mit dem Wunsch, daß die Arbeit, die Sie auf diesem Kongreß

ausführen werden, nicht nur zum Nutzen und zur Freude der deutschen

Kollegen ausfällt, sondern auch als Vorbild für den demokratischen Wiederaufbau

der organisierten Arbeiterbewegung in der ganzen Welt dienen möge.

Der schwedische Verband, den ich vertrete, hat früher sehr gute kollegiale

Verbindungen mit dem organisierten deutschen Hotel- und Restaurantpersonal

gehabt. Diese Zusammenarbeit ergab sich aus dem Wirken der in unserer

Branche arbeitenden Berufsinternationalen, nämlich der Internationalen Union

der Hotel-, Restaurant- und Cafe-Angestellten. In dieser Union spielte der

damalige deutsche Zentralverband der Hotel-, Restaurant- und Cafe-Angestellten

eine bedeutende Rolle, da er der stärkste Verband in unserer Internationalen

war. Die Berufsinternationale wurde im Jahre 1920 in Amsterdam ins Leben

gerufen. Zur Zeit der Machtübernahme Hitlers hatte das Sekretariat seinen Sitz

in Berlin. Die Kasse und die Akten der Union wurden von dem Hitlerregime

sofort beschlagnahmt, und die Tätigkeit des Sekretariates wurde verboten und

mußte eingestellt werden. Das Sekretariat wurde dann zuerst nach Amsterdam

und später, zufolge eines Kongreßbeschlusses in Paris im Jahre 1937, nach

Stockholm verlegt, wo die Union seitdem ihren Sitz gehabt hat. Die Union ist

niemals so stark gewesen, wie es der Bedarf eigentlich erfordert hätte. Dies ist

20


auf die Tatsache zurückzuführen, daß es in vielen Ländern nur schwach entwickelte

Berufsverbände gab, und dazu kommt noch, daß diese Verbände in der

Praxis kein besonders großes Verständnis für internationale Zusammenarbeit

an den Tag gelegt haben. Während des letzten Weltkrieges hörte die Wirksamkeit

der Union ganz und gar auf, nur der schwedische Verband hat die festgesetzten

Beiträge bezahlt, um die Union bis zum Eintritt anderer Zeiten am

Leben zu erhalten. Die Union ist gegenwärtig in einer Umorganisation begriffen,

und wir hoffen sehr, daß es uns bald möglich sein wird, unsere deutschen

Berufskollegen in der Union willkommen zu heißen.

Was den Schwedischen Hotel- und Restaurantpersonalverband betrifft, so ist

dieser seit seiner Gründung im Jahre 1918 eine selbständig arbeitende Berufsorganisation.

Er ist also nicht an den Schwedischen Lebensmittelarbeiterverband

angeschlossen. Dasselbe trifft auch auf die Hotel- und Restaurantpersonalverbände

in allen nordischen Ländern zu. Diese sind unabhängig arbeitende

Organisationen. Der schwedische Verband zählt 21 000 Mitglieder. Dem einzelnen

Verbandsmitglied ist es erlaubt, zwei Monate mit dem Gewerkschaftsbeitrag in

Rückstand zu geraten; aber danach wird er ohne Erbarmen aus dem Verband

ausgeschlossen. Daher hat unser Verband nur aktive Mitglieder. Lohn- und

Arbeitsbedingungen der Mitglieder sind durch die von dem Verband eingegangenen

Kollektiv-Abkommen geregelt worden, und dabei sind so gute

Bedingungen erreicht worden, daß sie im großen ganzen gesehen als Muster

für die entsprechenden Organisationen in anderen Ländern dienen können. Die

Arbeitszeit in unserem Gewerbe ist durch Gesetz auf acht Stunden je Arbeitstag

festgesetzt, und das betreffende Gesetz gilt für alle in der Branche arbeitenden

Unternehmen, also auch für diejenigen, die nur einen Arbeiter beschäftigen.

Urlaub und Urlaubsentschädigung sind auch dem Arbeiter gesetzlich zugesichert,

•und zwar ist der Arbeitnehmer zu einem Tag Urlaub für jeden Monat, während

welchen er mindestens 16 Tage für Rechnung des Arbeitgebers gearbeitet hat,

berechtigt. Dieses Recht hatte sich der Verband jedoch schon vor dem Inkrafttreten

des betreffenden Gesetzes durch Verhandlungen mit den Arbeitgebern

erkämpft.

Im Rahmen des Verbandes arbeitet auch eine sogenannte staatlich anerkannte

Arbeitslosenkasse, welche Mitglieder des Verbandes im Fall von Arbeitslosigkeit

finanziell unterstützt. Die Mitgliederzahl des Verbandes verteilt sich auf

4565 männliche und 16 634 weibliche Mitglieder. Was die verschiedenen Abkommen

des Verbandes betrifft, so ist es erwähnenswert, daß der Verband außer den

sogenannten Reichsabkommen mit den Arbeitgeberorganisationen ungefähr

1700 lokale Abkommen mit nichtorganisierten Arbeitgebern laufen hat.

Da das Ziel Ihres Verbandes ja auch die Organisation des Hotel- und

Restaurantpersonals ist, habe ich Ihnen diesen kurzgefaßten Bericht geben

wollen. Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das würde

meine Zeit bei dieser Eröffnungsfeierlichkeit nicht zulassen.

Es ist mein aufrichtiger V/unsch, daß die auf diesem Kongreß gefaßten

Beschlüsse zum gemeinsamen Vorteil sein und als Wegweiser für die zukünftige

Arbeit Ihrer Organisation dienen werden. loh wünsche Ihnen viel Glück zu

Ihrem Vorhaben. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nilsson, Schweden. Ihm folgt

der Kollege Ask, Norwegen.

Tage Nilsson (Stockholm, Schwedischer Lebensmittelarbeiter verband):

Verehrte deutsche Kollegen und Freunde! Im Namen des Schwedischen Lebens-*

mittelarbeiterverbandes wollen mein Kollege Rundlöv und ich euch hiermit für

die freundliche Einladung zu diesem Kongreß danken. Wir grüßen die deutschen

Lebensmittelarbeiter von ihren schwedischen Kollegen.

Unser Verband hatte vor 1933 mit dem deutschen Verband gute und enge

Verbindungen. Mit Freude und guter Hoffnung wollen wir diese Kontakte jetzt

wieder anknüpfen. Unser Verband, der das Glück hat, in einem Lande zu

2?


arbeiten, das vom Kriege verschont blieb, umfaßt beinahe 40 000 Mitglieder. In

seiner Zusammensetzung gleicht er dem eurigen. Obwohl wir nicht mit im

Kriege waren, ist die schwedische Gewerkschaftsbewegung und damit unser

Verband von der Kriegszeit hart betroffen worden.

In den Jahren von 1939 bis 1945 sanken unsere Reallöhne fortgesetzt. Dadurch,

daß unsere Verbände voll intakt waren, konnien wir jedoch in den

letzten Jahren das Verlorene wiedergewinnen und sogar den Standard etwas

verbessern, unter dem wir 1939 lebten.

Die schwedische Gewerkschaftsbewegung arbeitet im intimen Kontakt mit

der schwedischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die nun bald 20 Jahre

Regierungspartei ist. Diese Stellung der Partei und unsere Zusammenarbeit

mit ihr hat aber zur Folge, daß unsere Bewegung ein großes Maß von gesellschaftlicher

Verantwortung übernehmen mußte. Um einer großen Inflationsgefahr

zu entgehen, mußte unsere Bewegung zum Beispiel bei der Stabilisierung

der Preise und Löhne mitwirken. Sämtliche Verbände in unserem Land haben

deshalb beschlossen, in diesem Jahre keine Lohnbewegungen zu führen. Die»

geschah jedoch unter der Voraussetzung, daß keine andere Mitbürgergruppa

ihre Einkommen erhöhen darf. Wir hoffen dabei, durch Produktionssteigerung

die Voraussetzung für die Senkung der Preise zu schaffen und damit die

Reallöhne zu erhöhen.

Mit 'dieser Schnellskizze über die Verhältnisse bei uns wollte ich euch

orientieren über die Veränderungen, die bei uns eingetreten sind, seit unsere

Zusammenarbeit ruhte. Wenn jetzt die internationale Zusammenarbeit wiederaufgenommen

wird, geschieht dies auf dem Boden der Gleichberechtigung im

Rahmen unserer internationalen Letoensmittelarbeiterunion. Wir hoffen, daß

diese Zusammenarbeit fruchtbringend sein wird für alle Lebensmittelatbeiter,

die hier angeschlossen sind. Wir hoffen weiter, daß die internationale Arbeiterbewegung

so stark werden wird, daß sie entscheidend eingreifen kann in die.

Entwicklung der Welt und zum Frieden und zur Völkerversöhnung beitragen

wird. Wir müssen gemeinsam arbeiten, um eine sozialistische Welt zu schaffen,

in der die Arbeiterklasse menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen

findet.

Wir glauben, daß die deutsche Arbeiterbewegung in dieser Welt eine große

Aufgabe zu erfüllen hat. Darum wünschen wir eurem Verband weitgehenden

Erfolg. Wir hoffen, daß euer Verbandstag durch kluge Beschlüsse die weitere

Entwicklung des Verbandes fördern wird zu einer schlagkräftigen demokratischen

Organisation. (Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht der Kollege Ask vom Lebensmittelarbeiterverband

Norwegen, ihm folgt der Kollege Nak vom Tabakarbeiterverband

Dänemark.

Arno Ask (Oslo, Norwegischer Nahrungsmittelverband): (Übersetzung)

Herr Ask übermittelt zunächst die Grüße der norwegischen Lebensmittelarbeiter

und gibt seiner Freude Ausdruck, daß er mit seinem Kollegen Arne Barlie

aus Norwegen zum ersten Male in Deutschland weilen kann, Er bedauert hierbei,

die deutsche Sprache nicht so zu beherrschen, daß er in Deutsch zum

Verbandstag'sprechen könnte. Er hofft aber trotzdem, daß der Meinungs- und

Gedankenaustausch ein förderlicher sein wird.

Er kommt dann auf die Verhältnisse in der norwegischen Arbeiterbewegung

zu sprechen und sagt, daß sie annähernd die gleichen wie in Deutschland sind;

jedoch liegen dort die besseren Möglichkeiten vor, die Organisation aufrechtzuerhalten,

trotz der schweren Prüfungen, die das Land Norwegen in den

letzten Jahren hat auf sich nehmen müssen. Besonders glücklich ist Norwegen

darüber, eine Regierung zu besitzen, die sich aus Frauen und Männern der

Arbeit zusammensetzt, besonders einen Reichstag, in dem die Mehrzahl ihre

Kameraden sind. (Beifall.)

22


Die Organisation umfaßt annähernd 450 000 Mitglieder und kann zu ihrem

50jährigen Bestehen in diesem Jahre damit auf eine Mitgliederzahl von etwa

80 Prozent der gesamten norwegischen Bevölkerung blicken. (Erneuter Beifall.)

Trotz dieser überaus günstigen Verhältnisse bedauert der Redner jedoch, daß

es immer noch nicht gelungen ist, in Norwegen eine Dachorganisation zu

schaffen, sondern daß dort vier Organisationen nebeneinander bestehen. Der

Redner bringt jedoch zum Ausdruck, daß dank der guten Zusammenarbeit

zwischen diesen Organisationen dieses Manko nicht so stark zutage tritt, wie

es vielleicht äußerlich erscheinen würde. Die finanziellen Verhältrisse der

norwegischen Arbeiter haben sich schon wieder den Vorkriegsverhältnissen

genähert. Leider ist es noch nicht in allen Verbänden so. Eine Ausnahme

bilden immer noch der Konservenarbeiterverband und der Brauerei- und

Mühlenarbeiterverband. Jedoch sind bei diesen beiden Verbänden augenblicklich

Verhandlungen im Gange, die im Juni nach der Rückkehr des Redners

weitergeführt werden. Die Preise sind natürlich auch in Norwegen höher

geworden; jedoch ist ein Lohnausgleich geschaffen worden, der diesen höheren

Preisen Rechnung trägt.

Zum Schluß gibt Herr Ask seinen großen Erwartungen für den heutigen

Kongreß Ausdruck und hofft, daß er zum Nutzen für die Arbeiter, zum

Erreichen von glücklichen Lebensverhältnissen in allen europäischen und außereuropäischen

Ländern dienen möge. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nak vom Dänischen Tabakarbeiterverband.

Ihm folgt der Kollege Klomp aus den Niederlanden.

Dirk Nak (Kopenhagen, Dänischer Tabakarbeiter verband): Verehrte Anwesende!

Im Namen des Dänischen Tabakarbeiterverbandes danke ich für

die freundliche Einladung zur Teilnahme an eurer Tagung. Es freut uns sehr,

wieder einmal an einem Verbandstag der freien deutschen Gewerkschaftsbewegung

teilnehmen zu können. Wir hoffen, daß es euch glücken möge, eine

starke deutsche freie Gewerkschaftsbewegung wiederaufzubauen. Wie Sie vielleicht

wissen, besteht in Norwegen, Schweden und Dänemark eine sehr starke

Gewerkschaftsbewegung. Die Lebens- und Genußmittelarbeiter in Dänemark

sind fast zu .100 °/o organisiert. Der Dänische Gewerkschaftsbund — wie Sie

wissen, hat Dänemark nur vier Millionen Einwohner — hat jetzt 650 000 Mitglieder,

davon sind 120 000 Frauen. Im ganzen sind beinahe 95 % aller Arbeiter

organisiert. (Beifall.) In Dänemark hat die Gewerkschaftsbewegung eine sehr

große Rolle gespielt. Ich glaube ohne Übertreibung sagen zu können, daß die

Gewerkschaftsbewegung in Dänemark die Grundmauer, das Fundament der

dänischen Arbeiterbewegung ist. Wir haben auch in Dänemark wie in Schweden

und Norwegen eine Arbeiterregierung. Wir sind aber nicht so glücklich wie

unsere Freunde in Schweden und Norwegen, die Mehrheit zu haben. Wiir haben

jetzt eine M'inderheitsregierung. Aber trotzdem hat diese Regierung in den

beiden letzten Jahren eine für uns sehr gute Arbeit geleistet. Auch wir in

Dänemark haben ernste Jahre durchgemacht. Aber es ist doch geglückt, nicht

allein die Reallöhne von 1939 zu erreichen, sondern mehr als das.

Wir haben in den letzten Tagen einen Verbandstag des Dänischen Gewerkschaftsbundes

gehabt. Es wird euch vielleicht interessieren, zu erfahren, daß

wir einen Beschluß gefaßt haben — es waren über 1000 Delegierte anwesend,

und von diesen waren nur 7 dagegen —, daß wir uns aus dem jetzigen

sogenannten Weltgewerkschaftsbund lösen. Damit ist unsere Stellung begrenzt.

Wir wollen uns nur international zusammenschließen als freie demokratische

Gewerkschaften.

In Dänemark hat mit den deutschen Gewerkschaften immer ein gutes

Verhältnis bestanden. Durch den Krieg und die Jahre nachher waren wir

verhindert, einander zu besuchen. Ich gebe hier der Hoffnung Ausdruck, daß

es bald gelingen möge, daß die alten Bande der internationalen Brüderschaft

mit den deutschen Kollegen wieder errichtet werden können, damit eine starke

23


internationale freie Gewerkschaftsbewegung aufgebaut werden kann, damit wir

einmal imstande sein werden, einen neuen Weltkrieg zu verhindern. (Beifall.)

. Mit diesen paar Worten möchte ich Ihrem Verbandstag einen guten Erfolg

wünschen.

Vorsitzender: Es spricht Herr Klomp für die Niederlande. Es folgt

Herr Ernst für die amerikanischen Gewerkschaften.

E. H. Klomp (Amsterdam, Niederländischer Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband):

Werte Genossinnen und Genossen! Ich spreche im Namen

des Fabrikarbeiterverbandes Holland und des Verbandes der Nahrungs- und

Genußmittelarbeiter in Belgien sowie unseres Verbandes der Nahrungs- und

Genußmittelarbeiter in Holland.

Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß unsere belgischen Freunde an diesem

Kongreß nicht teilnehmen können, da die parlamentarische Wahl in Belgien

stattfindet. Die belgischen Kollegen beauftragten mich, dem Kongreß die brüderlichen

Grüße sowie einen guten Erfolg zu eurem Kongreß zu wünschen.

Es freut uns sehr, daß wir auf diesem Verschmelzungskongreß anwesend sein

dürfen. Für diese Freude gibt es auch einen Grund. In erster Linie bedeutet es,

daß der internationale Kontakt zwischen unseren Organisationen wieder zustande

gekommen ist; ein Kontakt, welcher fruchtbar sein kann, weil dadurch ein

Austausch von Gedanken gefördert wird. Der Austausch von Gedanken gibt

eine oft breite Vision aus bestimmten Problemen. Es gibt noch mehrere Gründe,

weshalb es uns freut, hier anwesend zu sein.

Wir hoffen, auf diesem Kongreß einen wirklichen Geist von Kameradschaft

zwischen den Kollegen aus den drei Westzonen anzutreffen. Hier wird ein

Anfang gemacht mit einer großen Gewerkschaft, welche ganz Westdeutschland

umfaßt und zugunsten unserer Kollegen sein wird.

Voriges Jahr fand in unserem Kreis eine Verschmelzung zwischen den Bäckergesellen

und den Fleischereiarbeitern statt. Über diese Verschmelzung können

wir uns sehr freuen, weil wir dadurch stärker geworden sind. Wir hoffen, daß

auch für Sie diese Verschmelzung eine glückliche Tat wird und es später keiner

zu bedauern hat.

Unser Hauptvorstand war bereit, eine Delegation zu Ihrem Kongreß zu entsenden,

da wir der Überzeugung waren, daß die Kollegen des Hauptvorstandes

immer gegen das Naziregüne gekämpft hatten.

Die Zeiten sind für alle Länder noch sehr schwer. Doch wir hoffen, daß wir

aus der Zeit, die hinter uns liegt, etwas lernen können.' Diese furchtbare Zeit

hat uns gelehrt, daß es nur Freude, Wohlfahrt und Glück geben kann in einer

Welt, welche frei ist von dem alles vernichtenden Kapitalismus und der Diktatur

einer bestimmten Partei. Eine freie Welt sei unser Ziel, eine Welt, wo es keine

Angst gibt für Beschneidungen der Rechte der Menschen.

Allmählich zeigt sich wieder, daß hinsichtlich der Sozialprobleme der Fortschritt

wieder abnimmt. Die Zeit wird nicht mehr weit sein, daß die Gewerkschaften

auf eine klare Weise darauf Antwort geben müssen. Darum wird es

wichtig sein, daß alle Arbeiter den Weg zur Gewerkschaft rinden werden, weil

diese und keine andere für die Interessen der Arbeiter kämpft. Je größer

unsere Macht, desto größer ist der Einfluß, den wir entwickeln können.

Wir danken Ihnen herzlichst für Ihre Einladung und wünschen Ihnen eine

erfolgreiche Tagung und hoffen, daß Verständnis füreinander und Vertrauen

ineinander anwesend sein werden. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Ernst für die amerikanischen

Geweikschaften. Ihm folgt der Kollege Karl Mantler für die österreichischen

Gewerkschaften.

Hugo Ernst (Cincinnati/Ohio, Verband des Hotel- und Restaurantpersonals):

Geehrte Berufskollegen und Kolleginnen! Es ist für mich eine große

Freude und Genugtuung, zu dieser vereinigten Verbandstagung eingeladen zu

sein und hier sprechen zu dürfen. Ich möchte dafür auch vor allem der

24


Verbandsleitung meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Auch will ich

dieser Tagung die kollegialen Grüße des Verbandes der Hotel- und Restaurantangestellten

und Bartenders in Amerika und der AFL mit mit den besten

Wünschen für einen guten Erfolg dieser Besprechungen übermitteln. Ich muß

jedoch auch bemerken, daß ich bereits 50 Jahre im freien demokratischen

Amerika lebe und daher meine deutschen Sprachkenntnisse aus meiner Jugendzeit

vielleicht nicht immer voll ausreichend sein werden. Aber ich werde mich

bemühen, mich verständlich zu machen.

Sie haben sich hier versammelt, um die Verschmelzung von Einzelverbänden

der Nahrungs-, Genuß- und Gaststättenarbeiter durchzuführen, in den drei

Westzonen durchzuführen, und das darf mit Recht als ein historisches Ereignis

betrachtet werden. Dieses Bestreben ist gleichlaufend mit der Entwicklung

"Westdeutschlands zum Einheitsstaate. Es ist die logische Folge des wachsenden

Bedürfnisses in dem zu schaffenden freien Europa, die Struktur der freien

Gewerkschaften umzubauen und zu stärken; denn auch hier, wie in anderen

Ländern, kann nur in einem engeren Zusammenschluß der arbeitenden Massen

eine frohere Perspektive für den dauernden Bestand der Demokratie gesehen

werden.

Ich habe Verständnis für die praktische Wichtigkeit einer einheitlichen

Organisation der Nahrungs- und Genußmittel 1 und Gaststättenarbeiter. Viele

dringende auf Löhne, Arbeitsstunden und Arbeitsverhältnisse sich beziehende

Probleme lassen nur durch eine kräftige, stramme Organisation sich lösen.

Ich sehe aber in dieser Verschmelzung von Gewerkschaften eine noch viel weitgehendere

Bedeutung. Wenn sie mit Erfolg durchgeführt wird, wie zu erwarten

steht, so wird sie gleichzeitig als Hauptbestandteil einer über ganz Deutschland

sich verbreitenden Gewerkschaft dienen, die alle Arbeiter in der Nahrungsund

Genußmittel- sowie Gaststättenindustrie umfaßt, wenn endlich, was ja

unausbleiblich ist, sich Ostdeutschland mit Westdeutschland zu einer einheitlichen

freien demokratischen Nation zusammenschließt. (Beifall.)

Ich halte es für bedeutsam, daß diese Tagung in dem Zeitpunkt stattfindet,

in dem endlich die Blockade von Berlin aufgehoben wurde. Da, wie es scheint,


organisierten indirekt durch gewerkschaftliche Errungenschaften ganz wesentlich

beeinflußt. Tatsächlich haben die Errungenschaften der amerikanischen Gewerkschaften

das Wohl und den Lebensstandard des ganzen amerikanischen Volkes

bedeutend verbessert.

Aber nur durch Kampf haben die Gewerkschaften als vitaler Bestandteil

Amerikas sich behaupten können. Wir haben kämpien müssen gegen die hinter

ihren Geldsäcken sich verschanzenden Industriellen und Arbeitgeber, gegen die

Riesenbetriebe und gegen die von diesen, vermöge ihres Einflusses auf Presse

und Rundfunk, künstlich und geflissentlich gezüchteten Vorurteile unter dem

Volke. Nachdem wir jahrzehntelang den Verfolgungen und Gewalttätigkeiten

von Seiten der Arbeitgeber ausgesetzt waren und Kämpfe in den Gerichten und

gesetzgebenden Körperschaften haben durchführen müssen, wurden uns grundlegende

gewerkschaftliche Rechte nur im Interesse des allgemeinen Wohles

zuerkannt. Erst im Jahre 1935 wurde das „National Labor Relations Act" angenommen

und erhielten die Arbeiter somit das Recht, sich ohne Einmischung

der Arbeitgeber zu organisieren und mit ihnen Kollektivverträge einzugehen.

Die Gewerkschaften erhielten das Recht auf Existenz gerade zur Zeit, als

die amerikanische Arbeiterschaft sich bemühte, auf sozialem Gebiete Verbesserungen

zu schaffen. Gesetzliche Regelungen für Mindestlöhne und Sozialschutzgesetze

wurden zu Roosevelts Zeiten verwirklicht, der auch das Programm

des „New Deal" durchführte. Während dieser Zeit unternahm es auch die

Regierung, die Naturhilfsquellen den Bedürfnissen des Volkes zugängig zu

machen.

Große öffentliche Bauarbeiten wurden unternommen, die Flüsse wurden

für die Versorgung von Elekfrizität für die Landbewohner ausgenutzt, und

ernste Bestrebungen setzten ein, um das Tiefland Amerikas zu heben und der

städtischen Kultur zugängig zu machen. Trotz energischen Widerstandes von

konservativer Seite befand sich Amerika in einer historischen Entwicklung

für Sozialreform. Dann kam der Krieg, der die Ablenkung unserer Kräfte

auf dringendere Aufgaben beschränkte.

Nach dem Kriege bestrebten sich die Gewerkschaften, die Bewegung für die

Sozialreform wieder zu beleben, die vom Kriege unterbrochen worden war.

Vorerst kam es darauf an, das Verhältnis zwisihen Löhnen und Preisen wieder

auszugleichen, das sich sehr zu ungunsten der Arbeiter entwickelt hatte. Mit

der während des Krieges eingeführten Lohn- und Preiskontrolle war es nicht

zu erreichen, die Inflation zu verhindern, und die Preise stiegen zweimal so

hoch wie die Löhne, so daß die Arbeiter es nur durch Überstunden fertig

brachten, sich für das Steigen der Lebenshaltungskosten zu entschädigen. Der

Frieden brachte eine plötzliche Herabsetzung der Arbeitsstunden und somit

auch des Wochenlohnes. Die Ersparnisse der Arbeiter während des Krieges

waren bald dahin, und sie mußten sich nun mit einer Verschlechterung in

der Lebenshaltung abfinden, obschon die Produktivkräfte der amerikanischen

Industrie sich riesig verstärkt hatten.

Während des Krieges hatten die Profite der amerikanischen Industrie und

der Landwirtschaft eine noch nie dagewesene Höhe erreicht. Durch die von

der Regierungspolitik bewilligten steuerfreien Abzüge fanden die Korporationen

weiter die Möglichkeit, sich riesige Reserven anzuhäufen, so daß die amerikanische

Industrie dadurch in eine ungewöhnlich günstige Stellung kam. Dessenungeachtet

weigerten sich diese Korporationen, Lohnerhöhungen zu bewilligen,

die unumgänglich notwendig waren, um das Mißverhältnis zwischen Löhnen

t>nd Preisen auszugleichen. Sie provozierten auf diese Weise eine ganze Reihe

von Arbeiterausständen, deren Zahl für die ersten vier Monate des Jahres 1946

dreißigmal so hoch war wie für denselben Zeitraum des Jahres 1945. Die

meisten dieser Ausstände fanden in den Massenproduktionsindustrien statt,

obschon sie auch in anderen Wirtschaftszweigen nicht fehlten.

Ein Ausgleich in diesen Streiks wurde schon in der ersten Hälfte des Jahres

1946 gefunden. Aber gleich darauf übte die Großindustrie, von den reichen

26


Landwirten unterstützt, auf den Bundeskongreß einen Druck aus, um die

Abschaffung der Preiskontrolle zu erzielen, womit sie auch durchkamen. Die

darauf folgende Inflation machte alle während des Krieges erzielten Lohnerhöhungen

zunichte. Während der letzten drei Jahre sind die Lebenskosten

der Arbeiter um nahezu 30 Prozent gestiegen und mit ihnen auch die Probte

der Unternehmen.

Im Jahre 1946 stiegen die Unternehmerprofite von 9 Milliarden Dollar

auf 12 Milliarden Dollar, also um ein Drittel über das Niveau der Kriegsjahre.

1947 stiegen, trotz einer ganzen Reihe von neuen Streiks und der darauf

folgenden Lohnübereinkommen, die Reingewinne um 40 Prozent von 12 Milliarden

Dollar auf 17 Milliarden Dollar. 1948 überstiegen die Unternehmerprofite

alsdann alle Konjunkturperioden; sie erreichten den Höhepunkt von 20 Milliarden

Dollar, eine Summe, die 10 Prozent des ganzen amerikanischen Einkommens

gleichkommt.

Das amerikanische Wirtschaftskapital war jedoch immer noch nicht zufrieden

mit den saftigen Profiten der Kriegsjahre und der darauf folgenden

Friedensjahre. Die berechtigte Anklage, die von den Gewerkschaften gegen die

Unternehmer erhoben wurde, wurde von diesen übel gedeutet. Sie zeigten große

Nervosität über die Vorschläge, das Programm der Sbzialreform wieder auf- ,

zunehmen, die eine gleichmäßigere Verteilung des Einkommens und wirtschaftliche

Gerechtigkeit als Leitwort führte. Die dynamische Kraft des sozialen

Fortschritts in Amerika lag in den Gewerkschaften. Sie versperrten dem

Monopolkapital den Weg zur- Erdrosselung des amerikanischen Arbeiterwillens

und seines Lohnstandards.

Das Großkapital setzte infolgedessen eine das ganze Land umfassende

Kampagne in Bewegung, um das Vertrauen des Volkes auf die Gewerkschaften

zu untergraben.

Zu diesem Zweck nützten die Feinde der Arbeiter die in gewissen Kreisen

zunehmende Unzufriedenheit aus, die sich aus der Inflation, der Wohnungsnot

und anderen unbequemen Nebenerscheinungen des Krieges ergab. Sie wiesen

auf die Streiks hin, die von ihnen selbst produziert waren, um die öffentliche

Meinung gegen die Gewerkschaften zu beeinflussen. Hierin kam ihnen die

Wahl von 1946 zu Hilfe, die einen Zug nach rechts bedeutete und aus der sich

ein Bundeskongreß ergab, der sich die arbeiterfeindliche Politik des Großkapitals

zu eigen machte.

Die reaktionäre Politik des amerikanischen Unternehmertums führte zur

Annahme des berüchtigten Taft-Hartley-Gesetzes. Dieses Gesetz, das im Juli

1947 vom Bundeskongreß angenommen wurde, bedeutet die Vernichtung von

fast allen schwer erkämpften Rechten, die den Gewerkschaften durch das

Arbeitergesetz des Senators Wagner im Jahre 1935 eingeräumt wurden. Die

Auswirkung des Taft-Hartley-Gesetzes brachte die Gewerkschaften in eine

sehr kritische Lage.

Mit den einzelnen Paragraphen dieses arbeiterfeindlichen Gesetzes will ich

Sie nicht belästigen. Das Verbot der Sympathiestreiks ist nur eine seiner vielen

schlechten Wirkungen. Dann verbietet es auch Gewerkschaftsmitgliedern, sich

zu weigern, Material zu verarbeiten, das von Nichtmitgliedern hergestellt

wurde. Auch wird es den Arbeilgebern durch dieses Gesetz ermöglicht, gegen

Gewerkschaften wieder Einhaltsbefehle zu erwirken. Arbeitgeber nützen das

Gesetz weiter dazu aus, daß sie unabhängige und gelbe Gewerkschaften suchten,

um kämpfende und fortschrittliche Gewerkschaften zu untergraben.

Das Vermögen der Gewerkschaften kann weiterhin infolge von Kontraktbruch

beschlagnahmt werden, je nachdem die Richter sich den Kontraktbruch auslegen,

und Richter sind manchmal unerfahren in Sachen, die zwischen Arbeitgebern

und Arbeitnehmern bestehen.

Die Verletzung irgendeiner seiner vielen Paragraphen zieht schwere Strafen

nach sich. Das Streikrecht, die stärkste Waffe der Arbeiter im wirtschaftlichen

Kampf, wird durch dieses Gesetz stark beschnitten. • Das Gesetz ermöglicht es

27


arbeiterfeindlichen Unternehmern, die Regierung in ihrem Kampfe gegen die

Gewerkschaften auszunützen. Was jetzt in Amerika vor sich geht, sieht den

Ereignissen ähnlich, die dem Aufstieg des Faschismus in Italien und Deutschland

vorangingen. Das Monopolkapital ist zur Zeit bestrebt, das Rückgrat der amerikanischen

Arbeiterbewegung zu brechen. Es will die Struktur der Gewerkschaften

lockern und sich in eine Stellung verschanzen, in der es 1 den sozialen

Fortschritt dauernd auszuschalten imstande ist. Die freien Gewerkschaften

versperren aber dem amerikanischen Monopolkapital den Weg dahin. Wir

betrachten das Taft-Hartley-Gesetz als den ersten Schritt zum amerikanischen

Faschismus.

Wir haben aber das Vertrauen, daß dieses Übel abgewendet wird durch die

Kräfte, welche den Gewerkschaften und anderen fortschrittlichen Bewegungen

innewohnen. Den Beweis dafür haben die amerikanischen Arbeiter in den

Wahlen zum Bundeskongreß im November v. J. geliefert.

In der Aufstellung des Programms der Demokratischen Partei spielten die

Gewerkschaften die führende Rolle. Durch dieses Programm verpflichtete sichdie

Partei, die Aufhebung des Taft-Hartley-Gesetzes anzustreben und den

Rechten, über die die Gewerkschaften zur Zeit des Wagner-Gesetzes verfügten,

wieder' Gesetzeskraft zu geben. Die Stellung, welche ein Kandidat zu dieser

Frage einnahm, entschied darüber, ob er bei der Wahl von Gewerkschaftlern

unterstützt zu werden verdiente.

Nach diesem Programm führte Präsident Truman seinen Wahlkampf im

November v. J. und wurde mit der vollen Unterstützung der Gewerkschaften

wiedergewählt, wodurch sich unsere Behauptung bewahrheitete, daß eine freie

Gesellschaft von der freien Arbeit unzertrennlich ist.

Gerade jetzt wird im amerikanischen Kongreß über ein neues Arbeitegesetz

debattiert. Eine zu diesem Zweck von der Regierung unterstützte Vorlage

ist beiden Häusern des Kongresses unterbreitet worden, wiid aber von den

Republikanern des Nordens und den Demokraten des Südens stark bekämpft.

Der Ausgang ist also noch in der Schwebe. Jedoch beherzigt von dem Wahlsieg

im November 1948, bereiten sich die amerikanischen Gewerkschaften schon

auf den Wahlkampf von 1950 vor, um der Regierung eine so große Mehrheit im

Bundeskongreß zu sichern, welche über die Aufhebung des Taft-Hartley-Gesetzes

keine Zweifel übrigläßt. Die Zukunft der freien Arbeit in Europa hängt also

größtenteils von der Stärke Und Lebenskraft der freien Arbeit in Amerika ab.

Sie können sich darauf verlassen, daß wir in Amerika alles tun werden, was

in unseren Kräften liegt, um die Freiheit der Arbeiter in der ganzen Welt zu

sichern.

Und jetzt habe ich noch einiges zu sagen über den Internationalen Verband

der Hotel- und Gasthausangestellten Amerikas.

Unsere Gewerkschaft zählt mehr als 400 000 Mitglieder und ist die drittgrößte

von allen Gewerkschaften, die der American Federation of Labor angeschlossen

sind. Unsere Gewerkschaft ist international nicht nur in dem Sinne, daß sie sich

über die ganzen Vereinigten Staaten und Kanada erstreckt, sondern auch in dem

Sinne, daß unter ihren Mitgliedern Männer und Frauen von allen Nationalitäten

und Rassen sich befinden, weiße, schwarze und gelbe. Der Geburtsort von vielen

unserer Mitglieder befindet sich irgendwo in Europa. Die Geschichte der ältesten

Vereine von Köchen und Kellnern in Amerika geht bis zu den Zeiten des

Bürgerkrieges zurück, und sie bestanden größtenteils aus Deutschen, Franzosen

und Italienern.

Ungeachtet des internationalen Charakters unserer Gewerkschaft besteht doch

jetzt die überwiegende Mehrzahl unserer Mitglieder aus Männern und Frauen,

deren Geburtsort irgendwo in Amerika sich befindet. Köche, Kellner und andere

Hotel- und Gasthausangestellte, die von anderen Ländern zu uns kamen, haben

sich mit der Zeit dem amerikanischen Kulturleben angepaßt. Amerika ist ja in

der ganzen Welt als der Schmelztiegel aller Rassen und Nationalitäten bekannt.

Diese Tatsache kommt ganz besonders in unserer Gewerkschaft zum Ausdruck,

28


und auch ich stamme aus Europa. Mein Geburtsort liegt in Jugoslawien, und ich

kam in meinem 24. Lebensjahr nach den Vereinigten Staaten, wo ich jetzt schon

nahezu ein halbes Jahrhundert gelebt habe. Während dieser Zeit habe auch ich

das Kulturleben meines Adoptivlandes in mir aufgenommen.

Vielleicht wäre es Ihnen von Interesse, etwas über die Größe der Industrie

zu erfahren, in der sich die Mitglieder unserer Gewerkschaft ihren Lebensunterhalt

erwerben. Diese Industrie ist eine der größten in den Vereinigten Staaten

und Kanada. Die von amerikanischen Hofeis, Restaurants und Gasthäusern

gemachten Geschäfte gehen in die Milliarden von Dollar. In den Vereinigten

Staaten gibt es 25 000 Hotels und Logierhäuser mit zusammen ungefähr 500 000

Zimmern. Es gibt eine halbe Million von Unternehmungen, bei denen man sich

ein Essen kaufen kann. In der Hotel- und Gasthausiii'dustrie finden nahezu

drei Millionen Menschen Arbeit.

Das Gros unserer Mitglieder ist in den Städten konzentriert. Aber es befindet

sich auch eine nicht geringe Anzahl von ihnen in kleinen Orten. In den ganzen

Vereinigten Staaten von der Ostküste bis zur Westküste gibt es nur wenige

Städte, wo wir nicht schon eine gewerkschaftliche Organisation haben, und in

einer Anzahl von Städten ist schon alles organisiert, was in unseren Bereich

kommt. Unsere Gewerkschaft erstreckt sich bis nach Alaska und Hawaii.

In unserer Gewerkschaft sind fast alle Gruppen von Arbeitern und Arbeiterinnen

in Hotels, Klubs, Restaurants und sonstigen Gasthäusern organisiert.

Unter unseren Mitgliedern befinden sich Köche omd Küchenpersonal, Bartenders,

Kellner, Kellnerinnen, Zimmermädchen usw. Die Köche und Kellner

auf den Speisewagen der Eisenbahnen sind ebenfalls größtenteils schon

organisiert.

Unsere Gewerkschaft besteht aus ungefähr 700 Lokalvereinen, deren Mitglieder

von 100 bis 25 000 zählen. In den meisten Städten haben wir ein „Local Joint

Executive Board", eine Art Exekutivausschuß, in welchem alle unsere Lokalvereine

des Ortes vertreten sind. Jeder Lokalverein ist in diesem Ausschuß

mit drei Mitgliedern vertreten. Der Ausschuß verfügt über das Recht, für alle

angeschlossenen Vereine mit Arbeitgebern Kollektivverträge abzuschließen.

In den meisten Staaten haben wir auch „State Councils", Staatsräte, wie man

wohl hier sagen würde. Diese Councils dienen hauptsächlich politischen Zwecken,

und sie machen es sich zur Aufgabe, auf die Gesetzgebung der verschiedenen

Staaten, vor allem Arbeitsgesetzgebung, einzuwirken.

Unsere Gewerkschaft bestand ursprünglich aus einigen wenigen Männern

und Frauen, die sich von der Notwendigkeit überzeugt hatten, sich zu organisieren.

Schon im Jahre 1891 schlössen wir uns der American Federation of

Labor an, und wir hatten damals nur 450 Mitglieder. Die Arbeitswoche für

Hotel- und Gasthausangestellte bestand damals aus sieben Tagen von 12 bis

15 Stunden täglich. Für manche Gruppen von Angestellten betrug der Wochenlohn

oft nicht mehr als 5 Dollar. Der Achtstundentag war auch damals schon

unser Ziel; aber wie war er zu erreichen? Ich entsinne mich noch sehr gut,

als ich in San Franzisko 1916 als Kellner arbeitete. Wir traten für den Achtstundentag

in den Ausstand, und der Streik ging verloren. Jetzt arbeiten unsere

Kollegen in San Franzisko nur 7'/= Stunden täglich, und die Arbeitswoche besteht

aus fünf Tagen, und sie erhalten ausgezeichnete Löhne. (Beifall.)

1918 zählte unser International-Verband schon 65 000 Mitglieder, meistens

Kellner, Köche, Bartenders und Kellnerinnen. Im Jahre 1920 kam alsdann die

,.Prohibition", das Alkoholverbot, wodurch Tausende von unseren Mitgliedern

arbeitslos wurden. Von da an ging die Zahl unserer Mitglieder schnell herunter.

Als die Wirtschaftskrise ihren Tiefstand erreichte, etwa um 1932—1933,

zählte unser Verband kaum noch 25 000 Mitglieder. Als aber 1933 das Alkoholverbot

wiederaufgehoben wurde, ging es mit dem Aufbau der Gewerkschaft

wieder schnell voran. 1937 hatte sich die Mitgliederzahl schon vervierfacht.

Unter dem Einfluß des damals neuen Arbeitergesetzes, welches als „Wagner

Act" bekannt ist, weil Senator Wagner dessen Verfasser war, gedieh alsdann die

29


ganze Gewerkschaftsbewegung in den nächsten Jahren wie noch nie zuvor.

In den darauffolgenden vier Jahren stieg die Mitgliederzahl unseres International-Verbandes

von 100 000 auf 200 000, und gegen Ende des letzten Krieges

hatte sie sich schon wieder verdoppelt. Heute ist unsere Gewerkschaft eine der

stärksten in der ganzen Welt. Aber solange es Unorganisierte in den Reihen

der Hotel- und Gasthausangestellten gibt, können wir nicht zufrieden sein.

Viel hat unser Verband für die Arbeiter und Angestellten in unserer Industrie

schon geleistet. Der Achtstundentag ist fast überall zur Wirklichkeit geworden.

Der wöchentliche Ruhetag ist in allen Städten eingeführt, und wie schon gesagt,

besteht vielerorts auch die Arbeitswoche von fünf Tagen. Die meisten Kontrakte,

die mit Arbeitgebern abgeschlossen werden, sehen auch einen jährlichen

Urlaub von einer oder zwei Wochen vor ohne Lohnabzug.

Das Niveau der Löhne ist fast überall infolge gewerkschaftlicher Tätigkeit

merklich gestiegen. Im Jahre 1939 betrug der Durchschnittslohn in amerikanischen

Hotels für eine Woche von 47 Stunden nur 15,25 Dollar nach einer von

der Regierung veröffentlichten Statistik. Seit 1939 haben sich die Durchschnittslöhne

verdoppelt, und die Arbeitswoche ist um zwei Stunden verkürzt worden.

In dieser Statistik sind Hotels und Gasthäuser inbegriffen, die nicht gewerkschaftlich

organisiert sind. Mit den Löhnen und Arbeitsstunden in gewerkschaftlich

organisierten Häusern sieht es unvergleichlich besser aus.

Ich bin bisher bestrebt gewesen, Ihnen einen Begriff zu geben von der Entwicklung

unserer Gewerkschaft. Es harren unser aber noch sehr viele wichtige

Probleme, die der Lösung bedürfen. Eines dieser Probleme besteht darin, die

Zukunft unserer Gewerkschaft sicherzustellen. Bisher bestand unsere Stärke

und Sicherheit in einer Klausel in den Tarifverträgen, welche den „closed shop",

die geschlossene Werkstatt, vorsah. Wo die geschlossene Werkstatt besteht,

dürfen nur gewerkschaftlich Organisierte arbeiten. Dann gibt es auch noch

den „union shop", die geschlossene Werkstatt mit gewissen Einschränkungen.

Wo der „union shop" in Kraft ist, da hat der Arbeitgeber das Recht, nichtorganisierte

Arbeiter einzustellen, vorausgesetzt, daß sie sich bald darauf als

Mitglieder in die Gewerkschaft aufnehmen lassen. Das Taft-Hartley-Gesetz

verbietet die geschlossene Werkstatt, und das Bestreben vieler Arbeitgeber geht

dahin, Arbeitskräfte einzustellen, die den Gewerkschaften nicht freundlich

gesinnt sind. Zwar findet das Taft-Hartley-Gesetz auf unseren Verband direkt

nicht Anwendung. Es sind aber von den Legislaturen vieler Staaten Amerikas

während der letzten zwei Jahre Gesetze angenommen worden, die für die

Gewerkschaften noch bedrohlicher sind als das Taft-Hartley-Gesetz. Das Recht

der Gewerkschaften, Streikposten auszustellen, ist in vielen Staaten Amerikas

gesetzlich eingeschränkt worden.

Es gibt aber noch viele Probleme zu lösen, die spezifisch auf unsere Industrie

Anwendung finden. Verglichen mit den Löhnen, die in anderen Industriezweigen

gezahlt werden, sind die Löhne der Hotel- und Gasthausangestellten

immer noch zu niedrig, obschon in Sachen der Lohnerhöhung schon vieles

erreicht worden ist. Auch bestehen große Unterschiede zwischen den Lohnsätzen

in den verschiedenen Städten, und unser Streben geht dahin, sie zu standardisieren.

Die Löhne für ungelernte Arbeiter sind in manchen Städten zu niedrig.

Auch für gewerkschaftlich Organisierte sind in unserem Industriezweige die

Lohnsätze im allgemeinen noch zu niedrig, und hier muß noch Abhilfe geschafft

werden. Auch müssen die täglichen Arbeitsstunden noch weiter verkürzt werden,

was ja mit der riesigen Entwicklung der amerikanischen Industrie leicht möglich

sein sollte.

In der Prohibition liegt für uns auch immer noch eine Gefahr. Die Trockenen

sind bei der Wahl vom letzten November in vielen Gegenden Amerikas gründlich

geschlagen worden. Aber damit soll nicht gesagt sein, daß mit ihrem Ausscheiden

zu rechnen ist. Sie kämpfen mit fanatischem Eifer und nehmen nach

jeder Niederlage den Kampf von neuem auf. Es gibt in allen Gegenden Amerikas

30


noch immer viele Ortschaften, wo der Verkauf von alkoholischen Getränken

gesetzlich verboten ist.

Vorläufig ist unser Blick in der Hauptsache auf den weiteren Ausbau der

Gewerkschaft in allen Gegenden der Vereinigten Staaten und Kanada gerichtet.

Die Lösung von vielen anderen Aufgaben hängt davon ab, daß dieses Ziel

erreicht wird. Die Nichtorganisierten müssen überall Mitglieder werden, und

es muß dafür gesorgt werden, daß mehr gewerkschaftliche Bildung unter den

Vertretern von Ljkalvereinen und den Mitgliedern verbreitet wird. Nur so

können wir den Nutzen der Gewerkschaft einer größeren Anzahl von Kollegen

und Kolleginnen zugänglich machen und zu gleicher Zeit unserem Verbände

eine dauernde feste Grundlage verleihen.

Ich habe hier den Versuch gemacht, Ihnen kurz eine Vorstellung zu geben

von der Natur und dem Geiste unserer Gewerkschaft in den Vereinigten Staaten

und Kanada. Ich bin natürlich nicht imstande, in einer kurzen Ansprache auf

alle Einzelheiten einzugehen, die mit der Verwaltung unseres Verbandes und

dessen Zweigvereine verbunden sind. Ich möchte nur noch darauf hindeuten,

daß unsere Gewerkschaft in Amerika als eine der großen geistigen Kräfte

bekannt ist, die den menschlichen Fortschritt fördern.

Ich habe auch den Versuch gemacht, in breiten Umrissen eine Skizze zu

entwerfen von den Problemen, mit denen die amerikanische Gewerkschaftsbewegung

um ihr Bestehen kämpfen muß. Überall droht die Reaktion, welche

sich weigert, zu erkennen, daß die Kultur und das Wohl der Arbeiter und des

Volkes unzertrennlich zusammengehören. Wegen der ungezügelten Habgier

einer Minorität des Volkes werden wir in Amerika von wirtschaftlichem Chaos

bedroht, der die Vernichtung unserer demokratischen Einrichtungen zur Folge

haben könnte. Auch werden wir von der kommunistischen Ideologie bedroht,

welche nur in wirtschaftlichem Chaos gedeihen kann. War wollen keinen

Totalitarismus, weder von der Rechten noch von der Linken, und wir besitzen

die innere Kraft, beiden Widerstand zu leisten. (Beifall.)

Unser Vertrauen auf Amerika und seine demokratischen Einrichtungen und

unsere Schaffensfreude dienen nur als Garantie dafür, daß Amerika ein freies

Land bleiben wird.

Zum Schluß wünsche ich Ihnen Erfolg in dem Unternehmen, die drei Verbände

der Nahrungs- und Genußmittel- sowie Gaststättenarbeiter Westdeutschlands

zu einem einzigen starken Industrieverband zusammenzuschweißen. Der

Erfolg dieses Unternehmens wird dazu dienen, den demokratischen Einrichtungen

von ganz Europa eine festere Grundlage zu verleihen. Die wahre Freiheit und

was dazu gehört, eine immer steigende Lebenshaltung des Volkes, dienen als das

wirksamste Mittel gegen den Kommunismus. Und ich bin stolz darauf, hier Zeuge

eines Unternehmens zu sein, welches der ganzen deutschen Arbeiterbewegung

den Weg zur Freiheit anweist. (Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht als Vertreter der österreichischen Arbeiterbewegung

der Kollege Karl Mantler. Ihm folgt der Kollege Rothef von der

UGO Berlin.

Karl Mantler (Wien, Gewerkschaft der Lebensmittel- und Genußmittelarbeiter):

Liebe Freunde! Ich überbringe Ihnen die herzlichsten Grüße der

österreichischen Lebensmittelarbeiter. Wir danken Ihnen für die freundliche

Einladung zu Ihrem heutigen Kongreß. Ich darf Ihnen wohl versichern, daß

wir mit wirklicher Freude dieser Einladung gefolgt sind. Freilich sind wir als

Ausländer zu Ihnen gekommen, wie der Kollege Fiederl in seiner Eröffnungsansprache

gesagt hat. In diesen tausend Jahren, die von 1938 bis 1945 vergangen

sind, in dieser Zeit, in der uns ein verbrecherischer Narr und eine größenwahnsinnige

Clique in beiden Ländern in ein Großdeutschland gezwungen hat, das

mit Kerker und Galgen regiert hat, in dieser Zeit und in diesem Reich haben

sich die aufrechten freiheitliebenden und demokratischen Gewerkschaften Österreichs

stets als Ausländer gefühlt. Aber darüber hinaus gibt es auch eine

andere Gemeinschaft, eine Gemeinschaft, eine gemeinsame große Kultur, eine

31


T

Gemeinschaft von Menschen mit gewerkschaftlichen fortschrittlichen Bestrebungen.

In dieser Gemeinschaft waren wir stets zu Hause. Diese Gemeinschaft

hat nicht an Grenzen haltgemacht, und wir hoffen, daß diese Gemeinschaft, die

jetzt durch Jahre hindurch unterbrochen gewesen ist, wiedererstehen möge.

Vor allem hoffen wir, daß diese Gemeinschaft für alle Zukunft eine dauerhafte

sein werde.

Ich brauche ja nicht zu betonen, daß uns Österreicher mit Ihnen langjährige

Beziehungen verbinden. Wir haben schon einmal einen solchen Kongreß unserer

deutschen Kollegen mitgemacht. Es war 1928 in Leipzig. Wir haben damals

nicht geahnt, daß die Organisation, die sich die deutschen Lebensmittelarbeiter

geschaffen haben, von so kurzer Dauer sein werde, daß sich einige Jahre später

die Nacht über alle freiheitlichen Gedanken und Bestrebungen in Deutschland

senken und auch auf uns in Österreich übergreifen werde und daß vieles von

dem, was durch jahrzehntelange Bemühungen aufgebaut wurde, für lange Zeit

vernichtet erscheinen könnte.

Wenn ich nun über Österreich einiges sagen soll, dann kann ich mich sehr

kurz fassen. Wir haben ungefähr ein gleiches Schicksal. Wir haben 15 Jahre

gegen den Faschismus gekämpft, und wir kämpfen jetzt vier Jahre oder noch

länger um unsere Freiheit, um eine Freiheit, die wir in den Arbeiterorganisationen,

in den Gewerkschaften dringend notwendig haben. Denn es ist mit der

Freiheit so wie mit der Luft. Wohl kann man von der Luft allein nicht leben,

aber man kann auch nicht ohne Luft leben. Von der Freiheit allein können

wir nicht leben, aber ohne Freiheit schon gar nicht. Unsere Bemühungen, um

diese Freiheit zu sichern, sind wir als Lebensmittelarbeiter und als Gesamtbewegung

auch bestrebt, alle unsere Kräfte in der gewerkschaftlichen Organisation

einzusetzen.

Die Gesamtbewegung in Österreich, also alle unsere Gewerkschaften zusammen,

zählt heute mehr als l 1 /* Millionen Mitglieder; das ist bei einer Einwohnerzahl

von etwas mehr als sechs Millionen ein ansehnlicher Prozentsatz.

In Österreich ist heute jeder fünfte Einwohner Mitglied seiner gewerkschaftlichen

Berufsorganisation. Wir Lebensmittelarbeiter können darauf verweisen,

daß wir heute mehr als 80 0 /o aller Lebensmittelarbeiter in unseren Reihen

zählen. Wenn unsere gewerkschaftliche Organisation innerhalb unserer Gesamtbewegung

verhältnismäßig nur einen kleinen Teil darstellt, so vor allem deswegen,

weil die Lebensverhältnisse und die Nahrungsmittelversorgung außerordentlich

triste sind. Schwere Jahre liegen ja hinter uns. Wenn es nicht noch

schlechter geworden ist, so danken wir das tatsächlich und wirklich zu einem

großen Teil auch den Bemühungen unserer Freunde in den amerikanischen

Gewerkschaften, die in den vergangenen Jahren redlich dazu beigetragen haben,

um das Leben in Österreich überhaupt zu ermöglichen.

Unsere gewerkschaftliche Tätigkeit und auch unsere gewerkschaftlichen

Erfolge sind trotz allem beachtlich. Wir haben in Österreich einen großen Teil

der sozialpolitischen Gesetzgebung, die dort immer eine gute, in vieler Hinsicht

eine vorbildliche gewesen ist, wieder aufs neue geschaffen. Eine Reihe von

Gesetzen wurde ja von den Nationalsozialisten außer Kraft gesetzt oder verschlechtert.

Das alles konnten wir beseitigen. Wir wissen aber, daß über dia

sozialpolitischen Erfordernisse hinaus, die notwendig sind, die Volksgesundheit

wiederherzustellen, vor allem auch die Gesundheit der Arbeiterschaft, es erforderlich

ist, weit mehr als in der Vergangenheit auf die Wirtschaft selbst

Einfluß zu gewinnen. Wir sind in Österreich daran, uns diese Stellung zu sichern.

Wir haben den wesentlichen Teil der Schlüsselindustrien der Schwer- und Großindustrie

dem Privatkapitalismus aus den Händen genommen. Wir haben die

Industriezweige verstaatlicht, und wir glauben, daß wir damit diesen Leuten

auch die Möglichkeit genommen haben, in der Zukunft wieder dasselbe Spiel

wie in der Vergangenheit zu treiben, gegen die Arbeiterbewegung, gegen

den Fortschritt Banden auszurüsten, Banden zu finanzieren, um sie gegen die

Arbeiterschaft und ihre Organisationen einsetzen zu können.

32


Wir wissen, daß die Sicherheit des arbeitenden Menschen in der Wirtschaft

zu einem Großteil von dem Zustand dieser Wirtschaft abhängig ist. Unser

Bestreben gilt vor allem, eine Wirtschaft zu schaffen, die krisenfest ist, eine

Wirtschaft, die dem Arbeiter auch die Sicherheit seiner Existenz gewährleistet

Das ist nur möglich, wenn eine Wirtschaft nicht vom privatkapitalistischen

Gewinnstreben bestimmt wird, sondern wenn diese Wirtschaft von Gesichtspunkten

geleitet wird, die der Allgemeinheit dienen. Wir sind also auch in

Österreich bestrebt, soweit es möglich ist, Gedanken der Planung in der Wirtschaft

durchzusetzen. Wir glauben, daß wir damit der gewerkschaftlichen

Tätigkeit eine wesentliche Unterstützung gegeben haben.

Kürze ist die Würze. Erlauben Sie deswegen, daß ich bei meiner Begrüßung

mit meinen wenigen Worten unsere Sympathie, unsere Freude zum Ausdruck

bringe, die wir daran haben, daß es nunmehr möglich ist, auch hier in Deutschland

wieder zu einer einheitlichen großen, gemeinsamen Gewerkschaftsbewegung

innerhalb der Lebensmittelindustrie zu kommen. Wir sind davon überzeugt,

daß die Beschlüsse, die Sie fassen werden, daß die Organisation, die Sie sich

schaffen, in verstärktem Maße es ermöglichen wird, die Bestrebungen durchzusetzen,

die die Arbeiter in unseren Berufen haben. Nehmen Sie dazu unseren

Glückwunsch! Nehmen Sie unsere Versicherung, daß wir mit großem Interesse

diese Bestrebungen verfolgen! Die deutsche und die österreichische Gewerkschaftsbewegung

haben ja immer gemeinsame Züge getragen, und wir hoffen,

daß auch in Zukunft einmal der Bann gebrochen ist, daß wir wieder über die

Grenze miteinander verkehren können, daß sich auch über die Grenzen hinweg

jenes Band der Zusammengehörigkeit wieder binden läßt, das uns in dier Vergangenheit

verbunden hat.

Nehmen Sie zum Schluß unsere brüderlichen Grüße und unsere besten

Wünsche für Ihr zukünftiges Wirken entgegen! (Beifall.)

Vorsitzender : Das Wort hat der Kollege Roiher, Berlin. Ihm folgt der

Kollege Schiefer vom Bayerischen Gewerkschaftsbund.

Rother (UGO, Berlin): Als Vertreter der Berliner Delegation des Verbandes

der Arbeitnehmer des Nahrungs-, Genußmittel- und Gaststättengewerbes

Groß-Berlin der UGO erfülle ich den ehrenvollen Auftrag, Ihnen für die Einladung

zum heutigen Vereinigungs-Verbandstag unseren herzlichsten Dank

auszusprechen. Wir sind der festen Überzeugung, daß durch diesen Zusammenschluß

auch wieder der Grundstein zu einer starken und mächtigen Industriegewerkschaft

des Nahrungs-, Genußmittel- und Gaststättengewerbes für ganz

Deutschland gelegt wird.

Es war für unsere Berliner Organisation eine besondere Freude, anläßlich

der Tagung unseres 1. Verbandslages den Kollegen Warnecke als Vertreter

der Westzonen begrüßen zu können, und als Kollege Warnecke zum Abschluß

seiner Begrüßungsansprache uns dann die persönliche Einladung des Arbeilsausschusses

zu der heutigen Gewerkschafistagung übermittelte, wurde diese

von den anwesenden Delegierten mit stärkstem Beifall aufgenommen.

Die 118 Delegierten unseres Verbandstages erhielten durch diese Einladung

die Bestätigung, daß unser Kampf für eine freie, unabhängige Gewerkschaftsbewegung

nicht nur notwendig war, sondern auch von unseren westlichen

Freunden verstanden wird, und daß unser sehnlichster Wunsch, in absehbarer

Zeit über alle Zonengrenzen hinweg uns mit unserer traditionsreichen Bruderorganisation

wieder zu vereinigen, auch bei Ihnen auf volles Verständnis stößt.

Wir hoffen und wünschen, daß im Anschluß an diesen Vereinigungs-

Verbandstag auch grundsätzlich über unsere Vereinigung beraten wird und

daß wir als Berliner Organisafion nach Aufhebung der Zonengrenzen sowie der

technischen Schwierigkeilen auch wieder eine geeinte deutsche Gewerkschaftsorganisation

bilden

Als vor 16 Jahren unsere starke Organisation durch den verbrecherischen

Nationalsozialismus auseinandergerissen und scheinbar vernichtet wurde, haben

3 Protokoll 33


wir Berliner Kollegen trotzdem nicht den Glauben an die Zukunft verloren. In

engster illegaler Zusammenarbeit mit meinen Freunden Fitz, Hetzschold,

Backert, Schmitz, Volkmann, Winter u. a. haben wir selbst unter persönlichen

Opfern die Verbindung mit den Kollegen über ganz Deutschland bis zum Zusammenbruch

aufrechterhalten. Wir waren aber im Juni 1945 diejenigen, die

bei der Neugründung unserer IG Nahrung — Genuß — Gaststätten den früheren

RGO-Kollegen die Bruderhand reichten, in dem festen Glauben, daß alles, was

uns bisher trennte, nunmehr für immer vergessen sein sollte. Wir waren uns

einig, daß in Zukunft für politische Auseinandersetzungen im Freien Deutschen

Gewerkschaftsbund kein Raum sein dürfte. Doch bald traten die alten RGO-

Methoden des diktatorischen Machtstrebens wieder in den Vordergrund. Im

Interesse der Gewerkschaftseinheit und unter Zurückstellung unserer eigenen

politischen Überzeugung versuchten wir bis zum letzten Tage, die Gegensätze

zu überbrücken. Unsere Bereitschaft, noch in letzter Stunde durch Urwahlen

eine Verständigung herbeizuführen, wurde — gestützt auf die östliche Besatzungsmacht

— von dem nun offen auftretenden kommunistischen FDGB

hohnlächelnd abgelehnt. Dadurch wurde die Spaltung mit der Forderung „Für

das Volksbegehren — gegen den Marshallplan" von unseren früheren RGO-

Kollegen Richter, Schlör, Engels und Genossen eingeleitet und vollzogen.

Um unsere Freiheit zu verteidigen, haben wir dann die Konsequenz gezogen.

Wir stehen heute als die vom Verbandstag gewählten Vertreter vor Ihnen.

Mit Stolz können wir die Rechnung legen, daß durch die starke gewerkschaftliche

Geschlossenheit unserer Funktionäre trotz Blockade und trotz Arbeitslosigkeit

der Auf- und Ausbau unseres Verbandes als freie autonome Gewerkschaft

beendet ist.

. Im Auftrage unserer 8000 Berliner Mitglieder wünschen wir Ihnen zu

Ihrem Vereinigungs-Verbandstag einen vollen Erfolg und hoffen, daß auch

wir bald mit Ihnen in der großen Bruderorganisation der IG Nahrung — Genuß —

Gaststätten gemeinsam zum Wohle der deutschen Arbeiterklasse kämpfen können.

Dann komme, was da kommen mag,

zu neuen Ufern führt ein neuer Tag!' (Beifall.)

Vorsitzender : Das Wort hat der Kollege Schiefer vom Bayerischen

Gewerkschaftsbund. Ihm folgt der Kollege Boeckler vom, Gewerkschaftsbund

der britischen Zone.

Gustav Schiefer (München): Liebe werte Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Gäste! Ich habe den ehrenvollen Auftrag, Sie im Namen des Bayerischen

Gewerkschaftäbundies und damit im Namen von 828 000 Mitgliedern,

worunter sich 150 000 Jugendliche und dieselbe Anzahl von Kolleginnen

befinden, auf das allerherzlichste zu begrüßen. Wir rechnen es uns im

besonderen zur Ehre an, daß Ihre Organisation ihren Zusammenschluß-

Verbandstag in München abhält. Wir Münchner Kollegen haben nach 1945

alle Kräfte eingesetzt, um die neue Organisation im demokratischen Sinne

aufzubauen und aufgebaut zu sehen. Reden sind genug gewechselt, der Ansprachen

nach meinem Dafürhalten auch. Darf ich den einzigen Wunsch zum

Ausdruck bringen, es möge dieser Ihr Zusammenschluß-Verbandstag im

Rahmen der kommenden großen Organisation unseres deutschen

Vaterlandes jene fundamentale Kraft in sich schließen, die sie in der Vergangenheit

besessen hat. Also zu Ihrer Tagung den allei herzlichsten Gruß und

den allerbesten Verlauf. Möge Ihre Tagung von vollem Erfolg gekrönt sein!

Einen Augenblick noch, Hebe Kollegen. Ich habe ebenfalls den ehrenvollen

Auftrag als ältestes Mitglied des Stadtrates, Sie im Namen des verhinderten

Oberbürgermeisters, des Kollegen Thomas Wimmer, auf das herzlichste in

unserer einst so schönen Stadt willkommen zu heißen. (Beifall.) Die Stadt

München hat es sich von jeher — nicht zu vergessen die Münchener und

bayerische Arbeiterschaft — zur Ehre gemacht, Gäste in ihren Mauern

begrüßen zu können. Wir wissen, daß einst alle ohne Ausnahme gern nach

34


München, nach unserem einstigen Capua gekommen sind. Es hat mich heute

mit einigem Befremden nicht ergötzt, sondern betrübt, daß ich an diesem

Vorstandstisch die Kollegen alle vor Wassergläsern sitzen sehe. Das ist der

Stadt München gar nicht würdig (lebhafter Beifall), wenn auch unser gegenwärtiges

Bier gütemäßig nicht so ausgestattet ist, wie das einst der Fall war.

Unsere alten lieben Kollegen, die Brauer, die das gute Bier einst gemacht

haben, sind ja auch dazu verurteilt, heute da und dort vor Wassergläsern zu

sitzen oder unser gutes Mangfallwasser in anderer Gestalt den Gästen darzubieten.

Liebe Kollegen! Die Stadt München, die einst als die Hauptstadt der Bewegung

galt, im Anschluß daran als die Hauptstadt der Grüß-Gott-Bewegung,

hat sich wiederum aufgerafft und hat im vorigen Jahre einen unserer treuesten

Kamerafien, den Kollegen Thomas Wimmer zum Oberbürgermeister der Stadt

München gewählt. (Bravo!) Unser Kollege Wimmer wird, wenn es ihm die Zeit

einigermaßen gestattet, vor diesen Kollegen erscheinen und persönlich noch

seine Grüße überbringen. Bis das geschehen ist, nehmen Sie mit mir vorlieb

und fühlen sich in unserer auch so lieb gewordenen Stadt München recht wohl.

Wir haben zwar große Trümmerhaufen — nicht nur natürliche, auch unnatürliche

soll es bei uns geben oder noch geben — , aber wir werden wenigstens

versuchen, in gemeinsamer Arbeit diese Trümmerhaufen in Demokratie zu

verwandeln. Vor 40 Jahren hat in München ein Mann ausgesprochen, es wäre

eine Schande, wenn je ein Sozialdemokrat die Schwelle des Rathauses überschreiten

würde. Er hat nicht geahnt, daß 40 Jahre später durch die Kraft der

Schaffenden ein Sozialdemokrat, ein Arbeiter, zum Oberbürgermeister der Stadt

München würde erkoren werden. (Beifall.) Diese Stadt grüßt euch von Herzen,

sie wünscht Ihnen, daß es Ihnen in München gefallen möge und daß Sie den

denkbar besten Eindruck aus dem neuen demokratischen München mit nach

Hause nehmen. (Beifall.)

Vorsitzender: Der Kollege Schiefer hat beanstandet, daß das Präsidium

Wasser trinkt. (Heiterkeit.) Der Herr Kollege Schiefer hat übersehen,

daß wir eine Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten sind, und

dazu gehören nicht nur die Brauer, deren Bier wir trinken, dazu gehört auch

die alkoholfreie Industrie, deren Erzeugnisse wir auch trinken müssen.

Jetzt hat der Kollege Boeckler vom DGB der britischen Zone das Wort.

* Ihm folgt der Kollege Krumm vom Gewerkschaftsbund der französischen Zone.

Dr. h. c. Boeckler (britische Zähe): Werte Kolleginnen und Kollegen,

geschätzte Gäste! Namens des Deutschen GewerkschaflEbundes in der britischen

Zone sage ich hiermit besten Dank für die uns gewordene Einladung, die es

mir ermöglicht, an dieser nicht nur für Sie, sondern für die Gesamtheit der

Gewerkschaften in unserem Lande so überaus wichtigen Tagung teilzunehmen.

Sie haben als einzigen Punkt Ihrer Tagesordnung den Zusammenschluß der

bisher vorhandenen Organisationen zu einem Bund. Sie handelten nach meinem

Dafürhalten sehr weise, wenn Sie so verfuhren. Denn Sie haben die Gewähr,

so wichtige Dinge, wie sie der Lösung harren und wie sie auf einem dem

Zusammenschluß gewidmeten Verbandstag besprochen werden müssen, in

aller Besinnlichkeit erörtern zu können, bevor sich damit ein enges Band

um soundso viele Menschen schlingt. Ich zweifle nicht, daß Ihre Absicht

gelingen wird. Denn Sie sind beseelt von dem starken Willen, zu schaffen,

was die Not der Zeit und des Tages gebietet, nämlich die Zusammenfassung

aller Kräfte, um zu einem Apparat zu kommen, der es den Gewerkschaften und

ihren Mitgliedern gestattet, die großen Aufgaben zu lösen, die der Lösung

harren. Der einzige Tagesordnungspunkt, dem Sie diesen Tag widmen, verdient

die Bezeichnung eines ganz großen Unternehmens deswegen, weil durch gründlichste

Beratungen ein dauerndes und absolut fesies Band Ihres neuen Gebildes

gesichert werden soll Ich bin überzeugt, daß die Tagung die Bildung'

eines Kraftzentrums ermöglicht, von dem aus täglich und stündlich Impulse

3* 35


ins Land gehen, um die Arbeit zu befruchten, die zu leisten draußen die Aufgabe

der einzelnen Mitgliedschaften ist. Dann erst werden Sie eingedenk sein

können der weiteren um vieles noch größeren Aufgaben, die heute der Gewerk- 1

Schaftsbewegung und somit auch Ihrem kommenden Bund gestellt sind.

Wir wollen uns ja nicht mehr begnügen mit dem, was bis jetzt vorzugsweise,

ja fast ausschließlich Aufgabe der Gewerkschaften gewesen ist. Wir sind entschlossen,

eine weitere erhebliche Aufgabe nicht nur in den Kreis unserer

Betrachtungen, sondern in den Kreis unserer Arbeit einzubeziehen. Wir haben

uns nicht mehr und nicht weniger vorgenommenn, als dem arbeitenden

Menschen endlich in der Wirtschaft und in der Gesellschaft zu dem Ansehen

zu verhelfen, zu der Stellung, die jedem arbeitendea Menschen, ja jedem

Menschen ein für allemal gebührt. Wir wollen ihm sein Erstgeburtsrecht sicherstellen,

wir wollen ihn aus einer Abhängigkeit erlösen, in der er nun seit allzulanger

Zeit schmachtet. Wir wollen ihn lösen und erlösen aus der Abhängigkeit

vom Willen derer, die da durch besondere Glücksoimstände, vielleicht auch durch

eine besondere Weite ihres Gewissens, Kapitalbesitzer und Besitzer der Produktionsmittel

sind. Von ihnen abhängig zu sein, daran trägt jeder schaffende

Mensch sein ganzes Leben lang. Generation für Generation vermochte sich

bislang nicht davon freizumachen. Nun soll es geschehen. Denn darüber sind

wir uns wohl alle klar: Was jetzt nicht geschieht, darum werden sich Generationen

wiederum erfolglos bemühen (sehr gut!), wie wir dieses unser ganzes

Leben lang tun mußten. Wir wollen ihn jetzt erlösen, wollen ihm jetzt die

Rechte zurückgeben, ja die Rechte erst geben, auf die er als Mensch Anspruch

hat. Ein ungeheuerliches Beginnen! Darüber sind wir uns alle klar. Es verlangt

nicht weniger als das Überbordwerfen unzähliger alter Grundsätze und

Gebräuche. Es verlangt, um es mit einem einzigen Wort zu sagen, den Neubau

einer ganzen Welt, die anders, die besser sein soll als diejenige, in der wir

jetzt leben. Aber an welche Aufgaben wagten wir uns nicht, an welche Aufgaben

durften wir uns nicht wagen, die wir das Gefühl in der Brust tragen, daß, wenn

uns überhaupt geholfen werden soll, wir selber diejenigen sein müssen, die sich.

gegenseitig helfen? Wir blicken mit aller Zuversicht auf das vor uns liegende

schwere Werk. yfii sind gewiß, unsere Einigkeit, unsere Entschlossenheit wird

uns ans Ziel unserer Wünsche bringen, um so sicherer als wir ein für allemal

von uns sagen dürfen: Uns hilft nicht nur unser Wille, uns hilft vor allen

Dingen die ökonomische Entwicklung, die durchaus in der Linie verläuft,

die wir uns als arbeitende Menschen wünschen. Wir hören es knistern im

Gebälk und wissen zu deuten, was sich da vollzieht, wir sind uns klar darüber,

daß unsere bisher geltende privatkapitalistische Wirtschaftsordnung überlebt

und somit auf dem Aussterbeetat steht. Da mögen sich ihre Verteidiger noch

so wild gebärden, sie mögen noch so sehr quftrumpfen mit dem, was sie sich bislang

als Organisationen geschaffen haben. Sie mögen sich immer und immer

wieder sicher fühlen in der Meinung, die Unterstützung der Besatzungsmächte

wäre ihnen in jedem Falle sicher, wenn es sich darum handelt, das Bestehende zu

erhalten. Sie werden sich täuschen. Ihre Absichten werden scheitern an dein,

was sein muß und was kommen muß und was nicht nur bei uns in unserem

armen Land sein muß und kommen muß, sondern was sich bereits in der ganzen

Welt angebahnt hat, allüberall, in allen anderen Ländern neben dem unserer),

nämlich das starke Begehren, das unablässige Streben nach neuen Ordnungen,

die allen Menschen gestatten, ein Leben zu führen frei von Sorge, frei von

Furcht, frei von Not. Eine solche Zukunft schaffen zu helfen, ist Aufgabe jedes

einzelnen von Ihnen, Aufgabe der Gesamtheit der gewerkschaftlich organisierten

Arbeitnehmer überhaupt. Mut, Zuversicht, gegenseitige Treue und Kameradschaft,

sie verbürgen uns den endlichen Sieg dessen, was wir als notwendig,

was wir als absolut unabdingliches Recht für uns beanspruchen. Deshalb Ihrer

Tagung ein herzliches Glückauf. Sie möge bringen, was Sie alle erhoffen, sie

möge bringen, was Sie brauchen. (Beifall.)

36


Vorsitzender: Das Wort hat jetzt der Kollege Krumm vom Gewerkschaftstiund

der französischen Zone. Ihm folgt Herr Schaumann vom bayrischen

Arbeitsministerium.

Krumm (französische Zone): Meine sehr verehrten Kolleginnen und

Kollegen, verehrte Anwesende! Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden,

Ihnen zu Ihrem Verschmelzungs-Verbandstag im Namen der Arbeitnehmerschait,

die im Allgemeinen Gewerkschaftsbund Rheinland/Pfalz organisiert

ist, die herzlichsten Glückwünsche und Grüße zu übermitteln. Meine sehr

verehrten Anwesenden! Es würde heißen, Eulen nach Athen tragen, wenn ich

mich nach all diesen vorzüglichen Begrüßungsansprachen noch mehr in die Breite

verlieren würde. Ich will daher nicht die kostbare Zeit, die Sie benötigen, um

all das zu tätigen, was Ihnen vorschwebt, kürzen, sondern ich fühle mich berechtigt

und verpflichtet, meine Ansprache so kurz wie möglich zu halten.

Auf eines möchte ich aber hinweisen: Die Aufgaben, die wir uns als Arbeitnehmeiorganistation

gestellt haben, sind so groß, daß es aller Kräfte bedarf.

Wir alle sind ja diejenigen, die als Spitzenfunktionäre in allen deutschen

Ländern dafür verantwortlich sind. Wenn wir zurückschauen auf die große Entwicklung

der Gewerkschaftsbewegung, wenn wir uns entsinnen, daß trotz aller .

Rückschläge, die uns in den letzten Jahrzehnten getroffen haben, immerhin

unsere Bewegung auf der ganzen Welt immer größer geworden ist, so darf

das ein sicheres Zeichen dafür sein, daß das Ziel von uns erreicht wird.

Ich wünsche daher im Namen des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes Rheinland'\j

Pfalz der Tagung einen guten Verlauf und einer, recht vollen Erfolg.

Vorsitzender : Es spricht jetzt Herr Oberregierungsrat Schaumann vom

Arbeitsministerium. Ihm folgt Frau Günzel für den Verband bayrischer Konsumvereine.

Oberregierungsrat Schaumann (München): Verehrte Anwesende,

hochverehrte Gäste des In- und Auslandes! Das bayrische Arbeitsministerium

hat mich beauftragt, Ihrer Einladung Folge zu leisten und an Ihrer Tagung

teilzunehmen. Ich bin diesem Auftrage gern gefolgt und zwar deshalb, weil

das bayrische Arbeitsministerium die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung

seit dem Jahre 1945 mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Wir waren als Arbeitsministerium

die verflossenen Jahre stets bemüht, die sozialen Spannungen

zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgleichend beizulegen. Es ist

selbstverständlich auch unsere Aufgabe, dieses weiterhin zu tun. Aber Ihr

heutiger Gründungsverbandstag, in dem Sie die Vereinigung der Gewerkschaft

Nahrung — Genuß — Gaststätten auf trizionaler Grundlage beschließen werden,

wird nicht dazu beitragen, daß Sie künftighin auf die Mithilfe nicht nur des

bayrischen Arbeitsministeriums, sondern auch der Arbeitsministerien der

anderen Länder werden verzichten können. Voraussetzung wird sein, daß Ihr

Gründungsverbandstag : nicht nur eine Vereinigung aller Arbeitnehmer Ihrer

Organisation darstellt, sondern daß Sie darüber hinaus an Stärke und Schlagkraft

weiterhin zunehmen mögen. Dann sind Sie in der Lage, all Ihre Wünsche,

die heute bereits angedeutet worden sind, in der Zukunft erfüllen zu können.

Nicht nur die Vereinigung über Bayern, über die Zonen hinaus, muß der Wunsch

aller Schaffenden sein, sondern die Vereinigung über die ganze Welt muß in

Zukunft wieder Ihr Ziel sein. Nur damit werden wir in der Lage sein, allen

Gefahren die Stirne zu bieten. In diesem Sinne gestatten Sie mir, Ihnen die

besten Wünsche des bayrischen Arbeitsministeriums für Ihre Tagung zu übermitteln.

Ich hoffe, daß sie von dem erwünschten Erfolg gekrönt sein möge.

(Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht jetzt Frau Günzel für den Verband bayrischer

Konsumvereine. Ihr folgt für die OrtsverwalUmg München unserer Gewerkschaft

der Kollege Stadler.

Günzel (München): Sehr geschätzte Konferenz, liebe Gewerkschaftskollegen

und Freunde! Namens des Verbandes bayrischer Konsumgenossen-

37


Schäften habe ich die Ehre, Sie zu Ihrem neuen Beginnen auf gewerkschaftlicher

Basis auf das herzlichste zu beglückwünschen. Sie beginnen eine neue

Aufbau- und Ausbauarbeit auf breiterer Basis als bisher, auf der Basis der

vereinigten westdeutschen Länder. Wir wissen, daß viele harte, schwere Arbeit

Ihrer harrt und trotzdem möchten wir unseren herzlichen Glückwünschen auch

beifügen die Hoffnung, daß Sie bei all dieser schweren Arbeit nicht vergessen,

daß Sie auch noch die Aufgabe zu erfüllen haben, aus Ihren braven

zielbewußten Gewerkschaftlern ebenso aufgeschlossene und brav mitarbeitende

Genossenschaftler zu machen. (Bedfall.)

Einer meiner Vorredner hat gesagt, es wird kommen, was kommen muß,

eine neue Ordnung auf einer ganz neuen Basis. Jawohl! Und eine der wichtigsten

Voraussetzungen dazu, meine sehr verehrten Anwesenden, ist eine

innigere Zusammenarbeit der Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften als

das bisher der Fall gewesen ist. (Sehr richtig!) Es genügt nicht allein, nur

schöne Worte auszutauschen anläßlich solcher Ereignisse, wie wir sie heute

hier begehen, sondern, meine sehr verehrten Anwesenden, lassen Sie all

diesen herzlichen Worten der Begrüßung und den Glückwünschen draußen im

Alltagsleben die Zusammenarbeit der Tat folgen. Setzen wir fort, was wir

bereits begonnen haben in der gemeinsamen Schaffung einer Hochseefischerei,

dann können wir der Zukunft vollen Glaubens und voller Zuversicht entgegensehen.

Dann wird wahr werden, was viele von Ihnen schon ausgesprochen

haben, daß der Mensch im Mittelpunkt des gewerkschaftlichen Geschehens

stehen wird, der Mensch und der Dienst an ihm und der ganzen menschlichen

Gesellschaft. Zu dieser Ihrer Arbeit den besten Erfolg! Und dazu wünschen

wir eine enge innige und feste Zusammenarbeit zwischen uns, den Konsumgenossenschaften

und der Gewerkschaftsbewegung. (Beifall.)

Vorsitzender: Es folgt der Kollege Stadler für die Ortsverwaltung

unserer Gewerkschaft, München. Als letzter spricht dann der Kollege Schmutz

für unsere alten Veteranen.

Stadler (München): Gewerkschaftsfreunde! Wir Münchener Kollegen haben

zur Zeit die ehrenvolle Aufgabe, Gastgeber unseres Vereinigungs-Verbandstages

zu sein. Aus diesem Grunde entbietet Ihnen die Ortsverwaltung München

die herzlichsten Grüße und Wünsche. Möge Ihnen der Aufenthalt in München

gut gefallen und zu einem Erlebnis werden. Wir werden alles tun, was in

unseren Kräften steht. Ihnen dies zu ermöglichen. Wir wünschen zugleich

Ihren Beratungen auf diesem denkwürdigen Verbandstag den besten Erfolg.

(Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht fetzt der Kollege Schmutz für die alten

Veteranen.

Schmutz: Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste! Ich habe den

ehrenvollen Auftrag, im Namen der alten Kollegen, der Pioniere unserer Gewerkschaft,

unseren herzlichsten Dank für die Einladung zu dieser Veranstaltung

auszusprechen. Wir sind besonders erfreut, an dieser Veranstaltung

teilzunehmen, weil uns alle die gleichen Gefühle der Verbundenheit mit der

Gewerkschaftsbewegung beherrschen, wie sie im Begrüßungsschreiben unseres

lieben Kollegen Backert zum Ausdruck gekommen sind. Wir hätten von Herzen

gewünscht, daß diese Tagung überhaupt ein Verschmelzungsverbandstag für

unsere gesamte Kollegenschaft in ganz Deutschland geworden wäre. Wir, besonders

als alte Kollegen, die schon vor weit über 50 Jahren den Samen der

Organisation, den Samen der sozialistischen Ideologie in Nord und Süd und

Ost und West in die Kreise und in die Herzen unserer Kollegenschaft getragen

haben, uns verbinden nicht nur kollegiale, sondern auch freundschaftliche

Gefühle, die sich im Laufe der Jahrzehnte mit diesen unseren Kollegen in

allen Gauen Deutschlands gebildet haben. Wenn wir uns heute noch nicht

in ganz Deutschland vereinigen können, so hoffen wir doch, daß die Zukunft

diesen Wunsch bald verwirklichen wird. Wir alten Kollegen gedenken heute

38


ei dieser Gelegenheit auch derjenigen, die Opfer des Faschismus geworden sind,

die auf Grund der körperlichen Einwirkung der faschistischen Methoden den

heutigen Tag nicht mehr erlebt haben.

Ich habe auch die Aufgabe, von Kollegen aus den Betrieben im Saarstaat

unserem heutigen Verschmelzungsverbandstag deren Grüße" zu überbringen.

Ich kann Ihnen sagen, daß trotz der zwangsläufigen Trennung unserer Kollegenschaft

im Saarstaat doch das alte Verbundenheitsgefühl noch lebendig • ist.

Leider können wir zur Zeit an dem dortigen Zustand nichts ändern. Aber wir

möchten auch hier den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die Zeit wieder

kommen wird, daß auch unsere Kollegen im Saarstaat mit uns in einer einheitlichen

deutschen Gewerkschaftsbewegung vereinigt werden. Gestatten Sie

mir einige kurze Reminiszenzen historischer Begebenheiten aus unserer Industriegewerkschaft

bzw. den ehemals vorhandenen einzelnen Verbänden. Ich

habe hier das Protokoll des 1. Deutschen Gewerkschaftskongresses vom

Jahre 1892 in Händen. Wir als alte Kollegen haben leider nicht alle nach

dem Zusammenbruch des Hitlerreiches die Möglichkeit gehabt, am Neuaufbau

der Gewerkschaftsbewegung teilzunehmen, nicht nur auf Grund unsereaAlters,

sondern auch auf Grund einer ganzen Anzahl weiterer Hemmnisse, auf aie ich

hier nicht eingehen möchte. Aber, Kolleginnen und Kollegen, dafür haben

•wir alten Kollegen schon zum Teil am Neuaufbau der deutschen Gewerkschaftsbewegung

nach dem Fall des Sozialistengesetzes mitgearbeitet. Die Voraussetzungen

und die Grundlagen waren nach dem Fall des Sozialistengesetzes

aber doch ganz andere als im Jahre 1945, trotz all der üblen und unangenehmen

Begleiterscheinungen des Zusammenbruchs der Verbrechergesellschaft. Auf

dieser Tagung des 1. Deutschen Gewerkschaftskongresses im Jahre 1892 waren

die heute hier vertretenen Industriearbeiter vertreten mit Gastwirtsangestellten

1160, der Verband der Brauereiarbeiter war vertreten mit 1300 Mitgliedern, der

Mühlenarbeiterverband mit 2000, der Schlachterverband mit 700, der Bäckerverband

mit 500 Mitgliedern. Nur die Tabakarbeiter hatten schon eine historische

Vergangenheit. Sie waren auf dem Kongreß mit 14 825 Kollegen vertreten,

d. h. der Verband der Tabakarbeiter hatte in ganz Deutschland zu jener Zeit

14 825 Mitglieder, so daß im Jahre 1892 all die Industriearbeiter, die heute

hier vertreten sind, im ganzen nur 21 095 Mitglieder zu verzeichnen hatten.

Ich hebe dies hervor, um euch, Kollegen, zu beweisen, welch ungeheure

Arbeit von dem Zeitpunkt an, nachdem es uns nach dem Fall des Sozialistengesetzes

wieder möglich wurde, die Gewerkschaften wieder aufzubauen, zu

leisten war. Nun war es natürlich nicht so, daß wir irgendwelche Hilfe von

Kreisen außerhalb von uns zu erwarten hatten, im Gegenteil, das Sozialistengesetz

war wohl aufgehoben, aber die Methoden, wie sie während der Zeit

des Bestehens des Sozialistengesetzes angewandt wurden, gingen weiter. Ich

kann nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber wir wissen aus Erfahrung,

daß wir noch mit den Hunden aus den Betrieben gehetzt wurden. Wir hatten

keinen Rechtsboden, wir hatten wohl den § 192 der Gewerbeordung, der die

Koalition, die Vereinigung der Arbeiter nicht mehr unter Strafe stellte. Aber

wenn wir von der Kraft der Organisation Gebrauch machten, dann kamen

wir mit dem § 193 der Gewerbeordnung in Konflikt. Obwohl dieser Paragraph

für alle deutschen Bürger in Geltung war, hat man ihn nur gegen uns als

Arbeiter angewandt. Wir hatten zu dieser Zeit zu kämpfen gegen eine Welt

voller Feinde. Es waren nicht nur die Unternehmer, mit denen wir die Klinge

zu kreuzen hatten, es waren auch die Behörden, es war die ganze Einrichtung

der Staatsgewalt einschließlich der Justiz, einschließlich aller Kräfte, die uns

nicht nur bei jeder Gelegenheit bekämpften, sondern die auch den Unternehmern

in jeder Hinsicht Hilfsdienste leisteten, um die Mitglieder der Gewerkschaftsbewegung

bei ihren Arbeitgebern anzuschwärzen. Schwarze Listen hatten

ihre sehr unangenehme Wirksamkeit für viele unserer Kollegen.

In dem Protokoll des Gewerkschaftskongresses vom Jahre 1892 kommt schon

39.


zum Ausdruck, wie wir, die hier vertretenen Berufsgruppen, die Hilfe der

übrigen Arbeiterschaft angerufen hatten. Es war ein Antrag eingebracht worden

von unseren auf diesem Kongreß anwesenden Vertretern, auf Hilfeleistung

seitens der übrigen Arbeiterschaft für die in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie

und in den Gaststätten beschäftigten Arbeiter mit dem Hinweis

darauf, daß es dort noch üblich sei, Löhne von 3,— Mark die Woche mit einer

täglichen Arbeitszeit von 16 bis 20 Stunden zu zahlen. Dieser Antrag wurde auf

dem Kongreß einstimmig angenommen, ein Beweis, wie sich dieser 1. Gewerkschaftskongreß

auf den Boden der Solidarität gestellt hatte. Was in dieser

Zeit bis heute an Solidarität, an Opfer seitens der gesamten Arbeiterschaft

für uns, für unsere Kollegen in den von unserem Verband vertretenen Industrien

geleistet wurde, das kann nur der ermessen, der es miterlebte. Aber

der Gedanke, der mit dieser Entschließung zum Ausdruck kommt, ist sozialistisch,

der Gedanke nämlich, daß der Starke verpllichtet ist, dem Schwachen

zu helfen. Dieser Gedanke ist nicht nur sozialistisch, er ist auch christlich,

so daß man sich gemeinsam auf diese Grundlage stellen kann. Wir müssen

fiber erkennen, daß, wenn man von seinen Mitmenschen Solidarität verlangt,

Solidarität, Hilfe in Anspruch nimmt, wenn man verlangt, daß der Starke

dem Schwachen hilft, daß man sich dann auch selbst auf diesen Boden stellt.

Von diesem Gesichtspunkt müssen wir uns auch heute bestimmen lassen. Wir

müssen uns von dem Gedanken tragen lassen, daß es notwendig ist, unseren

Einzelwillen zu einem Gesamtwillen zusammenzufassen. Nur so ist es möglich,

daß wir in die Lage kommen, unseren Gegnern eine geschlossene Kraft entgegenzusetzen.

Kolleginnen und Kollegen! Wir alten Kollegen wünschen, daß ihr heute

Beschlüsse faßt, die ihr vor eurem Gewissen, vor der Kollegenschaft, vor der

gesamten Arbeiterschaft und vor der Geschichte verantworten könnt. In diesem

Sinne, Kolleginnen und Kollegen, Glück auf zur fruchtbaren Arbeit.

Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zunächst noch ein

Telegramm zu verlesen:

Industriegewerkschaft Nahrung und Gaststätten, München. Zum Gewerkschaftstag

und der Verschmelzung der drei Westzonen wünscht die

Ortsgruppe Mainz den besten Erfolg.

Ich möchte abschließend zu den ganzen Begrüßungsansprachen ein kurzes

Wort sagen. Zunächst habe ich dem Kollegen Kollmeier im Namen der Alten,

der Veteranen zu danken, daß er uns, den Verbandsvorsitzenden bei der Einleitung

und Durchführung unserer heutigen Tagung wertvolle Dienste geleistet

hat. Es hat enorme Arbeit gekostet. Wenn ich könnte, dann würde ich jedem

einzelnen, der gesprochen hat, persönlich sehr herzliche Worte sagen. Die

Wünsche sind so vielseitig, daß ich dazu nicht die Zeit habe. Aber Sie dürfen

alle überzeugt sein, meine Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen:

Das, was ich als Antwort im Namen des Verbandstages darauf zu geben vermag,

das ist das, was die Jugend uns immer sagt: Freundschaft! (Beifall.)

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Wir müssen gleich nach der

Mittagspause die Geschäftsordnung beschließen. Zur Tagesordnung sowohl wie

zur Geschäftsordnung liegt ein Antrag vor. Darauf komme ich nach der

Mittagspause zu sprechen. Bleiben Sie biue aul atn Plätzen. Das Mittagessen

wird auf den Plätzen serviert, wo Sie sitzen. Ich bitte, Ihre Akten zusammenzupacken.

Die Sitzung ist vertagt. (Die Beratungen werden um 13.30 Uhr zur

Mittagspause unterbrochen.)

Die Beratungen werden um 14.43 Uhr unter dem Vorsitz von Wilhelm Weber,

Hannover, wiederaufgenommen.

Vorsitzender: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Für die fremdsprachigen

Kollegen haben wir Vorsorge getroffen, daß ihnen das, was heute

morgen und in den folgenden Tagen in deutscher Sprache an großen wirtschaftlichen

und internationalen Problemen besprochen wird, auszugsweise in

40


ihre Sprache übersetzt wird, damit sie in der Lage sind, zu Hause ihren Verbänden

zu berichten. Ich glaube, wir haben damit das getan, was von ihnen

angeregt wurde und ihren Wünschen entspricht.

Dann möchte ich bekanntgeben, daß heute morgen insofern eine Panne

passiert ist, als die Jugend nicht gewußt hat, daß die Alten besonders zu Wort

kommen. Die Jugend hat, weil sie auch als Gast besonders von uns eingeladen

ist, den Wunsch, einige Worte an uns zu richten. Ich habe den Jugendleitern

bereits gesagt: Nachdem die Alten Reminiszenzen ausgekramt haben,

kann jetzt die Jugend auch sagen, was sie für die Folgezeit wünscht. Bitte,

Kollege Gemsberger, München.

Gemsberger (München): Kolleginnen und Kollegen! Wäre ich vorhin

im Reigen der Redner, die sich hier gemeldet haben, zu Wort gekommen, ich

würde mit anderen Worten begonnen haben als im Augenblick. Ich hätte

gesagt, die Jugend muß das letzte Wort haben. Nachdem wir nun hier als

erste auftreten, kann ich doch immerhin dieses Wort umdrehen und sagen:

Die Jugend muß das erste und letzte Wort haben. (Bravo.) Kolleginnen und

Kollegen, ohne Überheblichkeit: Wenn wir uns trotzdem zum Wort gemeldet

haben, so deshalb, weil unsere alten Kollegen, die hier heute beisammen sind,

um die Zukunft zu beraten, nicht übersehen können, was die Zukunft wirklich

zu gestalten hat, nämlich die Jugend. Und wenn wir euch bitten im Namen

der jugendlichen Gastdelegierten, die Probleme, die euch vor Augen schweben

und die ihr zu verwirklichen habt, im Sinne derer zu regeln, die einmal die Geschicke

der Gewerkschaftsbewegung übernehmen sollen, so tun wir das mit

der Hoffnung und Zuversicht, daß wir- bereit sind, diejenigen Funktionen zu

übernehmen, die ihr uns in den zukünftigen gewerkschaftlichen Organisationen

einzuräumen bereit sekl Wir tun es darüber hinaus in der vollen Zuversicht,

daß wir dann diejenigen sein werden, die die Geschicke der Arbeiterbewegung

weiterhin gestalten helfen.

Kolleginnen und Kollegen! Darf ich in diesem Sinne die Bitte an euch

richten, bei allen Beratungen, die ihr nun vor euch habt, nie übersehen zu

wollen, daß die Jugend euren Beratungen mit besonderer Aufmerksamkeit

folgen wird. Die Jugend wird vor allen Dingen diejenigen Positionen, die sie

als Anträge an den Bundestag eingereicht hat, durch die älteren Kollegen

besonders gewahrt sehen wollen. Sie wird vermutlich auch mit Spannung darauf

warten, was der zukünftige Hauptvorstand im Sinne der Gewerkschaftsjugend

tut. Wenn ich darauf hinweisen darf, ohne eigentlich eine geschichtliche

Tatsache hier aufzuzeigen: Das Verhältnis zwischen Gewerkschaft und Jugend

bestimmt nicht die Jugend, sondern das bestimmen wir und ihr zusammen.

Ihr werdet mit euren zukünftigen Beratungen das Verhältnis zur Jugend bestimmen.

Wenn dem so ist, dann müßt ihr euch der Tragweite dessen bewußt

sein, was ihr in den kommenden Tagen wollt. Laßt diejenigen Jugendlichen,

die außerhalb unseres Verbandes stehen, nicht deshalb draußen stehen, weil

ihr engherzig seid, sondern ruft sie zu uns und seid weitherzig im Sinne derer,

die nun einmal in der Zukunft die Geschicke der Gewerkschaftsbewegung gestalten

sollen.

Ich danke euch für die Gelegenheit, diese Worte hier sprechen zu können

und bitte nun alle Delegierten, im Sinne dieser Auffassung zu sprechen und

zu handeln. Dem Verbandstag wünsche ich ein gutes Gelingen und Glück auf

im Namen derer, die bereit sind, die zukünftigen Positionen in der Gewerkschaftsbewegung

aufzunehmen. (Beifall.)

Vorsitzender : Wer einmal sündigt, muß fortlaufend sündigen. Nachdem

wir der Jugend eben das Wort gegeben haben, haben die Frauen mit Recht

gesagt, jetzt wollen wir auch etwas sagen. Nun bitte ich die Kollegin Bade

aus Cuxhaven das Wort zu nehmen für die Frauen.

Frau Bade (Cuxhaven^ Vor allen Dingen möchte ich herzlichst der

Leitung dieser Tagung danken, daß sie uns die Gelegenheit gegeben hat,

41


an dieser Tagung teilzunehmen, damit wir daraus vor allen Dingen für unsere

Betriebe recht viel lernen und recht viel Material mit nach Hause nehmenkönnen,

um unseren Kolleginnen in den Betrieben wichtige Einzelheiten dieser

Tagung zu erzählen. Vor allen Dingen möchte ich den ausländischen Gästen

gegenüber den Wunsch äußern: Grüßen Sie die Kolleginnen in Ihrer Heimat

von uns. Es ist unser größter Wunsch, recht bald mit den Kollegen des Auslandes

und Inlandes in engere Beziehung und in einen engeren Zusammenhang

zu kommen, um Gedanken auszutauschen.

Es wurde mir von unserem Bezirksleiter versichert, daß wir jetzt eine

eigene Zeitung bekommen und daß in ihr auch ein Piatz für die Frau freigelassen

wird. Ich hoffe, daß es uns dadurch möglich sein wird, unsere Gedanken

zum Ausdruck zu bringen zum Vorteil unserer Organisation. Den

Frauen ist es heute in den Betrieben, hauptsächlich in unseren Betrieben

in der Fischindustrie, sehr schwer gemacht. Es herrscht, heute unter den

Unternehmern und unter den Gegenparteien die Tendenz, die Frauen mit aller

Gewalt von der Gewerkschaft fernzuhalten, weil sie genau wissen, je stärker

unsere Einigkeit ist, je mehr und je fester wir zusammenhalten,'desto mehr geht

ihre Macht zu Ende. Darum wollen sie mit allen Mitteln verhindern, daß wir

uns eng zusammenschließen. Dem müssen wir unter allen Umständen entgegentreten

und müssen darauf achten, daß wir immer mehr in den Betrieben

werben, in denen das möglich ist, und daß immer mehr Betriebsrätinnen in

die Betriebe hineinkommen, wo sie mit unseren männlichen Kollegen zusammenarbeiten,

damit die Unternehmer umsonst gegen unsere geschlossene Einheit

anrennen. (Beifall.)

Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Ein ernstes Wort in Sachen

der Frauenfrage! In Deutschland kommen auf 100 Männer 160 Frauen. Das

bedeutet praktisch ... (Zuruf: Das merkt man hier nicht!) Das ist eine zweite

Frage. Daran sind die Landesleiter und Bezirksleiter mit schuld, wenn hier nicht

mehr Frauen sind. (Sehr richtig,!) Aber entscheidend ist für mich: Die Frau

wird eine ernste Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für den Mann. Deshalb

haben wir Verbandsfunktionäre uns ganz besonders der Frauenprobleme anzunehmen

und uns diesen Problemen auch zu widmen. Der Kollegin Bade möchte

ich sagen, sie möchte auf alle ihre Kolleginnen einwirken, daß die Frauen von

sich aus mehr sich auf diese Arbeit einstellen. Alle Funktionäre, die Bezirksleiter,

die Landesleiter, die Betriebsräte wissen: Wenn sie eine Frau zur Mitarbeit

haben wollen, ist sie nicht zu haben; aber wenn es ins Kino geht, sind

sie da. Darum muß etwas Positives nach der Richtung hin geschaffen werden.

Das möchte ich mit einschalten bei der Frage der Frauen.

Dann eine geschäftsordnungsmäßige Bekanntgabe. Die Mandatsprüfungskommission

beginnt jetzt mit ihrer Arbeit. Die drei Kollegen, die sich noch

nicht kennen, treffen sich hinten an der Türe. Dann beginnen sie mit dem

Einsammeln der Mitgliedsbücher. Die gewählten Delegierten geben nur ihr

Mitgliedsbuch ab, zeigen aber ihre Mandatskarte vor, um daraus sehen zu

können, daß sie auch als Delegierte gewählt sind Die Gastdelegierten müssen

beides abgeben, sowohl Mitgliedsbuch wie Mitgliedskarten, damit die Mandatsprüfungskommission

feststellen kann: Wer ist Gastdelegierter und wer ist aktiver

Delegierter. Das bitte ich zu beachten. Ich glaube, das ist verstanden worden.

Halten Sie also Ihr Mitgliedsbuch bereit, damit die Mandatsprüfungskommission

mit ihrer Arbeit anfangen kann.

Treuheit (Wuppertal): Zur Geschäftsordnung! Ich hätte nur eine Anfrage

zu stellen. Sie haben heute morgen die Begrüßungsreden unserer in- und ausländischen

Bruderorganisationsvertreter gehört. Ich vermisse da eines, und zwar

einen Vertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes aus der Ostzone.

Ich stelle die Anfrage, ob er eine Einladung bekommen hat.

Vorsitzender: Nein, er hat keine Einladung bekommen.

Wir kommen nun zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung unserer Tages-

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Ordnung. Dazu ist zunächst erforderlich, daß wir die Ihnen vorgelegte Tagesordnung,

die Sie in der Mappe vorliegen finden, genehmigen. Zu dieser Tagesordnung

hat der Kollege Dormagen eine Anfrage gestellt. Ich bitte sie zu

begründen.

. Dormagen (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Daß ich zum zweiten Male

das Wort erhalte, ist auf dumme Umstände zurückzuführen, und zwar deshalb,

weil der Kollege aus Bayern, der die Begrüßungsansprache hielt, nicht den

Vorschriften entsprechend vorgegangen ist. Er hätte das Präsidium wählen

lassen müssen diurch die Delegierten, und das Präsidium hätte dann erst zur

Mandatsprüfungs- und Pressekommission Stellung nehmen müssen. Ich bitte,

diese meine Bemerkung nicht als vorlaut zu betrachten. Der Kollege Weber

hat mich verstanden und mir darum zum zweiten Male das Wort gegeben.

Bevor ich aber auf diesen meinen Antrag eingehen will, habe ich eine Bitte

an den Geschäftsfühxenden Vorstand dahingehend, und zwar unterschrieben von

11 Kollegen — und ich glaube, daß ich auch im Sinne der Delegierten spreche —,

uns den von dem Kollegen zur Einleitung vorgetragenen Prolog im Druck

zugehen zu lassen.

Vorsitzender: Darüber werden wir uns unterhalten.

Dormagen (Köln): Zur Geschäftsordnung selbst hatte ich vorgeschlagen,

daß es immer gang und gäbe war auf den Verbandstagen, die Statutenberatungskommission

von den Delegierten wählen zu lassen. Auf Grund der zahlreichen

Abänderungsanträge, die eingegangen sind, war es richtig, daß der Geschäftsführende

Vorstand von sich aus bestimmt hat, daß ein Arbeitsausschuß im voraus

die Satzungsänderungen beraten und auf einen Nenner gebracht hat. In Anerkennung

des Punktes 5 der Tagesordnung ist es richtig', wenn wir als Delegierte

dann en bloc die bisherigen Mitglieder des Arbeitsausschusses für Statutfragen

ohne Wahl bestätigen. Damit hat dann dieser Ausschuß das Recht und die

Pflicht, durch seinen Vorsitzenden uns zu Punkt 5 die Zusammenfassung der

Anträge vorbringen zu können. Mein Antrag geht also dahin, die Wahl der

Statutenberatungskommission auf dem Verbandstag vornehmen zu wollen.

Vorsitzender: Zur Unterrichtung der Antragsteller folgendes: Die Verbandsleitungen

der sieben Landesgewerkschaften in den westlichen Zonen haben

zur Vorbereitung der Statuten für diesen Verbandstag einen Arbeitsausschuß

eingesetzt in folgender Besetzung:

Ehrenamtliche Kollegen:

Georg Eimer, Nürnberg

Alfred Herrmann, Heilbronn

Hanni Mohr, Koblenz-Metternich

Else Schröder, Dortmund

Die Landesleiter:

Georg Fiederl, München

Remppel, Stuttgart

Basting, Mainz

Weber, Freiburg

Wörner, Schwenningen

Richard Heimberg, Hannover

Karl Lenderoth, Kassel

Eduard Reichenbach.

Dozier, Düsseldorf

Weber, Hannover

Maack, Lübeck

Wiegand, Frankfurt.

Von der Hauptverwaltung der britischen Zone Kollege Pufal, Hamburg, und

Warnecke, Hamburg.

Dieser Arbeitsausschuß hat einen Berichterstatter benannt, der über die

Arbeit der Statutenberatungskommission des Arbeitsausschusses berichten soll.

Nun wünscht der Kollege Dormagen, daß dieser Ausschuß vom Verbandstag

bestätigt wird. Wir haben es als selbstverständlich angesehen, daß wir den

Verbandstag vorbereiten durch einen Arbeitsausschuß, der alle Probleme vorher

durchbesprochen hat. Ich glaube, wir können darüber ohne weitere Erörterung

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abstimmen. Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, die Stimmrecht haben und

d)ie dafür stimmen wollen, daß dieser Arbeitsausschuß vom Verbandstag genehmigt

wird, ihre Stimmkarte zur Hand zu nehmen und sie hochzuhalten. —

Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen!

Damit ist die Tagesordnung genehmigt. Wir kommen dann zur Geschäftsordnung.

Zur Geschäftsordnung liegt ein Antrag von 26 bayrischen Kollegen vor.

Nätscher (Nürnberg): Gewerkschaftskollegen! Sie hörten eben von

meinem Kollegen Weber, daß zur Geschäftsordnung ein Antrag vorliegt. Gestatten

Sie mir einige wenige Worte dazu zu sagen. Ich hoffe, daß Sie überzeugt sind,

daß der Antrag in Ordnung geht und auch Ihre Zustimmung finden kann. Wir

sind hier zusammen, um die Vereinigung der bis jetzt bestehenden Gewerkschaften

unserer Industriegruppe zu einem machtvollen Verband zu bewerkstelligen.

Diese Vereinigung ist nicht nur eine organisatorische Aufgabe, sie hat

auch symbolische Bedeutung. Denn wir sind dabei, die solange gehaßten und

verhaßten Zonengrenzen endlich gründlich zu beseitigen. Wir sollten nicht den

Fehler machen, schon auf dem Wege zum Standesamt, um das einmal bildlich

zu sagen, wieder von Zonen sprechen. Dies geschieht in der Ihnen vorliegenden

Geschäftsordnung im Abs. VI Ziffer 2. Dort wird vorgesehen, daß für den Fall,

daß aus dem Verbandstag selbst Anträge gestellt werden — diese Fälle sind im

allgemeinen nicht sehr zahlreich —, 25 Delegierte dafür stimmen müssen, und

zwar zusammengesetzt aus 10 Delegierten der amerikanischen und britischen

Zone und fünf der französischen Zone. Wir sagen also in dieser Bestimmung

das, was wir ja einmal gründlich beseitigen wollen.

Nun geht der Antrag der bayrischen Kollegen dahin, bestimmen zu wolleni

daß dieser Absatz geändert wird und den Wortlaut bekommt, daß Anträge, die

auf dem Verbandstag selbst gestellt werden, die Zustimmung von wenigstens

25 Delegierten benötigen. Und damit aus! Wir wollen nichts mehr von Zonen

wissen. Sicherlich ist dieser Antrag also wohlbegründet. Es geht hier nicht

um bayrische Belange. Es geht hier einfach um die Formel, daß das Zweckbestimmte

Zustandekommen der Arbeitskollegen von Nord, von Süd und von

West jede Unterscheidung und jede Abgrenzung in Zonen aufhebt. Schließlich

entscheidet in jedem Falle die Mehrheit des Verbandstages auch für aus dem

Verbandstage heraus kommende Anträge. Unsere Tagung ist eine Demonstration

für den unbeirrten Willen, über alle Zonengrenzen hinweg unseren Arbeitsbrüdern

und -Schwestern die Hand zu reichen. Wir können diesen Willen nicht

deutlicher unterstreichen als mit der einstimmigen Annahme dieses Antrages.

Und darum bitten wir Sie. (Beifall.)

Vorsitzender: Kollegen, ich glaube, wir können diesem Antrag vollinhaltlich

zustimmen. Er bringt ja praktisch keine Änderung. Nur ist es nicht

mehr erforderlich, daß ein Kollege aus der französischen zur britischen, amerikanischen

Zone läuft und sich hier unter den Delegierten Unterschriften holt,

sondern wir sagen: Wir sind eine Einheit von Delegierten, wenn 25 unterschreiben,

ist der Antrag zulässig.

Wortmeldungen höre ich nicht. Ich bitte die Kollegen, die dafür stimmen

wollen, ihre Delegiertenkarte zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

Die Geschäftsordnung ist damit so geändert.

Krautter (Hannover): Kollege Weber, zur Geschäftsordnung! Du sagtest

vor wenigen Minuten, daß die Tagesordnung angenommen worden ist. Dem ist

aber nicht so. Du hast lediglich abstimmen lassen über den § 5 bzw. über den

Bunkt 5, „Beratung und Beschlußfassung über die Satzung der neuen Industriegewerkschaft

Nahrung — Genuß — Gaststätten" und die Mandatsprüfungskommission.

Du hast aber nicht darüber abstimmen lassen, daß die Tages-

Ordnung genehmigt ist. Ich wollte zu dieser Tagesordnung noch einen Antrag

stellen als einen neuen Punkt der Tagesordnung: Der Verbandstag hat festzusetzen,

wo der in drei Jahren stattzufindende Verbandstag stattfinden soll.

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Vorsitzender: Dieser Antrag ist zugehörig zum Antrag Statutenberatung

und gehört nicht als besonderer Punkt in die Tagesordnung. Diese Frage wird

bei der Statutenberatung mitbehandelt.

Krautter (Hannover): Ich kann keinen Antrag in dieser Sache stellen,

weil ich nicht Mitglied der Statutenberatungskommission bin.

Vorsitzender: Ich glaube, jeder Delegierte, der 25 Unterschriften hat,

kann zu einem Statutenentwurf einen Antrag stellen, und ihr habt ja einen

Abänderungsantrag. Es ist also möglich, daß ihr einen Antrag stellt, wenn wir

über den betreffenden Paragraphen unseres Entwurfes uns unterhalten. Der

Zusatz kann lauten: Der Verbandstag hat mindestens dann und dann und dort

und dort stattzufinden. Aber es ist ein besonderer Punkt. Auf die heutige

Tagesordnung gehört er nicht. Er gehört zur Satzung.

Krautter (Hannover): Es ist ein Antrag, den ich gestellt habe.

Vorsitzender: Der Kollege Krautter besteht auf seinem Antrag. Ich

habe meine Meinung gesagt. Der Vorschlag Krautters geht darauf hinaus, daß

der Verbandstag als besonderen Punkt der Tagesordnung aufnimmt, wo der

nächste Verbandstag stattfinden soll. Das ist ein rein geschäftsordnungsmäßiger

Antrag.

Krautter hat dafür gesprochen. Es kann einer dagegen sprechen.

Puf al (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! So gut wie der Antrag des

Kollegen gemeint ist, so glaube ich, müßten wir ihn trotzdem ablehnen, und zwar

aus folgender Erwägung heraus. Wir können hier unmöglich festsetzen, wo nach

drei oder zwei Jahren der nächste Verbandstag stattfinden soll. Wenn wir

zum Beispiel sagen, der nächste Verbandstag soll meinetwegen in Düsseldorf

oder in einer anderen Stadt stattfinden, vielleicht werfen uns die Kollegen dort

heraus. Sie wollen uns gar nicht haben, weil der Verbandstag sehr viel Geld

kostet und ihre finanziellen Rücklagen gar nicht so geklärt sind. Wenn die

Dinge in den nächsten Jahren in Deutschland so bleiben werden, wie sie jetzt

sind, wird der kommende Verbandsvorstand beschließen müssen, wo wir den

Verbandstag halten wollen. Es ist früher vielleicht einmal möglich gewesen, und

es haben auch früher auf den Verbandstagen Kollegen aus irgendeinem Ort

beantragt, daß der Verbandstag nach drei Jahren in ihrer Ortsgruppe stattfinden

soll. Wlir können aber heute als Delegierte keiner Ortsgruppe eine Arbeit aufoktroyieren,

die sie nicht haben will. Deshalb bitte ich, den Antrag abzulehnen.

Vorsitzender: Zur Abstimmung! Ich bitte diejenigen Delegierten, die

für Krautter stimmen wollen, ihre Karte zu erheben. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit ist die Tagesordnung genehmigt. Das stelle ich fest. Ferner ist die

Geschäftsordnung durch einen Abänderungsantrag geändert. Wortmeldungen zur

Geschäftsordnung! (Zuruf Packzis, Duisburg.) Nachdem wir die Geschäftsordnung

beschlossen haben, werden nur Wortmeldungen erteilt, wenn sie schrift-

• lich vorliegen.

Packzis (Duisburg): Die Geschäftsordnung ist schon beschlossen, wenn ich

zur Geschäftsordnung spreche! Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich auf dem

Wege nach hier nicht der Meinung war, daß wir zu allen den Problemen im

einzelnen Stellung nehmen, so bin ich jetzt durch die Geschäftsführung und vor

allen Dingen durch die Begrüßungsansprachen der in- und ausländischen Kollegen

eines anderen belehrt worden. Ich habe festgestellt, daß die Methoden

des Tausendjährigen Reiches in den Gehirnen bis weit in unsere Kreise hinein

derart Wurzel geschagen haben (Hört, hört!), daß sie bereits in uns Fuß gefaßt

haben. (Unruhe.) Man versucht nicht (Glocke des Vorsitzenden), die Mittel und

die demokratischen Methoden anzuwenden . . .

Vorsitzender: Wenn die Glocke erklingt, hast du einen Augenblick still

zu sein. Das gilt für jeden Delegierten. Wenn du zur Geschäftsordnung sprichst,

mußt du bloß sagen, was du willst.

4&


P a c k z i s (Duisburg): Ich will zur Geschäftsordnung sprechen und es begründen.

Vorsitzender: Ich muß aus dem Antrag erst ersehen, ob er zur Geschäftsordnung

ist oder nicht. Bitte, sage was du willst.

Packzis (Duisburg): Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Punkt IV, der

uns eine Redezeit von 10 Minuten aufoktroyiert, nicht dazu angetan ist, alle die

Probleme, die, wie ich vorhin schon sagte, angesichts der ganzen Reihe von

Begrüßungsansprachen aufgetaucht sind, in ihrem gesamten Umfang zu behandeln.

Der Kollege Weber unterbindet mir auf das entschiedenste, näher Stellung

zu nehmen. Ich beantrage, daß die Redezeit unbeschränkt für jeden Delegierten

. . . (Heiterkeit, Glocke des Vorsitzenden.) Wir alle sind Funktionäre, und

wir wissen, was notwendig ist. Wir sind nicht gewillt, Stunden zu reden, aber

jeder von uns dst sich klar darüber, daß in zehn Minuten nicht einmal annähernd

das gesagt werden kann, was jeder einzelne Kollege sagen will. (Unruhe.)

Vorsitzender: Ich darf folgendes dazu sagen, Kollege Packzis. Ich

mußte vorher den Antrag kennen. Ich habe dich nidht daran gehindert, zur

Begründung deines Antrages noch etwas zu sagen. Das steht dir frei. Ist die

Sache damit erledigt?

Packzis (Duisburg): Kollegen! Ich sagte vorhin schon, es berührt uns eigenartig

und freudig zugleich, daß von allen Richtungen Begrüßungsansprachen

gehalten werden. Auf Grund der Erfahrungen der Arbeiterbewegung in Deutschland

ist es ja notwendig, daß wir nicht nur auf nationaler Basis, sondern auch

euf internationaler Basis Dinge erörtern, die in unser aller Interesse liegen, die

aber manchem von uns nicht angenehm um die Ohren klingen. Das wollen wir

ein für allemal voranstellen.

Vorhin hat ein Kollege hier die geschäftsordnungsmäßige Anfrage gestellt, wo

die Einladungen aus der Ostzone geblieben sind. Bei dem Prolog, den wir eingangs

unserer Tagung hörten und der sehr zu begrüßen war, vermißte ich den

Ausdruck Ost. Es hieß aus Nord, Süd und West. Nun, Kollegen, ich habe in

der Schule gelernt, daß zu den Himmelsrichtungen auch der Osten gehört, wo

bekanntlich die Sonne aufgeht. (Heiterkeit.) Man mag stehen, wo man will,

aber ich möchte euch hier eines zurufen: Wo bleibt denn die bekannte demokratische

Toleranz? (Anhaltende Unruhe. Zuruf: Wo bleibt sie in der Ostzone?)

Wir sprechen jetzt nicht von der Ostzone (Zuruf: Doch!), wir sprechen von den

Tatsachen, daß man hier über etwas urteilt, daß man über Dinge hinweggeht.

Ihr wißt nicht, ob ich für oder gegen die Ostzone Stellung nehmen will. Ich

moniere nur, daß die Ostzone nicht eingeladen ist. Denn vom nationalen Standpunkt

eines deutschen Arbeiters ....

Vorsitzender: Du hast eben gesprochen um Verlängerung der Redezeit.

Jetzt kannst du nicht über die Ostzone sprechen. Das sind zwei ganz verschiedene

Dinge.

Packzis (Duisburg): Ich spreche nicht über die Ostzone, sondern ich begründe,

warum ich vorn nationalen Standpunkt des deutschen Arbeiters aus der

Ansicht bin, daß auch die Arbeiterschaft der Ostzone dazu gehört. Zum mindesten

stehe ich auf dem Standpunkt, daß sie wenigstens hätte eingeladen werden

müssen, aus Toleranzgründen wenigstens.

Wenn ich noch eines zur Begründung sagen soll, so das: Die Schilderung des

Kollegen aus Amerika hat uns ungeheuer zu denken gegeben. Er hat eine solche

Fülle von Zahlenmaterial gebracht und hat die Gefahr des Faschismus so klar

und deutlich aufgezeigt, daß wir doch darüber im Bilde sein müssen: Hier sind

zwei Kräfte im Spiel, Ost gegen West. Hier wird unter der Geschäftsführung

unseres Verbandstages offen Stellung genommen für West, und die Ostzone

wird nicht gehört. Sie wird auch gar nicht eingeladen. Dagegen wende ich

mich in erster Linie, ferner dagegen, daß wir nicht mehr als zehn Minuten zu

Dingen sprechen dürfen, die von internationaler Bedeutung sind. Ich bin als

46


Mensch jederzeit bereit, mit jedem über Ost und West zu diskutieren, aber ich

bin nicht gewillt, mir von Ost oder West — das betone ich ausdrücklich — etwas

aufoktroyieren zu lassen, was weder demokratisch noch sozialistisch ist.

Vorsitzender: Ein geschäftsordnungEinäßiger Antrag! Ein Kollege hat

dafür gesprochen. Wünscht noch jemand dagegen zu sprechen? Ich glaube, es

erübrigt sich. Dann kommen wir zur Entscheidung. Ich bitte die Kolleginnen

und Kollegen, die für den Antrag des Kollegen aus Duisburg auf unbeschränkte

Redezeit stimmen, die Karte zu erheben. — Gegen 11 Stimmen abgelehnt, nein,

gegen 12. Machen wir das Dutzend voll.

Damit ist die Geschäftsordnung mit dem Abänderungsantrag, wonach die

Anträge während eines Gewerkschaftstages von 25 Delegierten unterzeichnet

sein müssen, gleichgültig aus welchem Lande oder aus welcher Zone, genehmigt.

Ich stelle das fest. Damit wäien von der Tagesordnung erledigt die Punkte 1, 2.

Ich komme jetzt zu Punkt 3: Berichterstattung des gemeinsamen Arbeitsausschusses

für die Trizone. Der Arbeitsausschuß hat den Kollegen Pufal (Hamburg)

beauftragt, den Bericht zu erstatten. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

Pufal (Hamburg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, kurz

und zusammengedrängt die Talsachen aufzuzeigen, die bei der Inangriffnahme

zum Neuaufbau einer einheitlichen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß —

Gaststätten für die in diesen -Wirtschaftsgruppen beschäftigten Arbeitnehmer in

den westlichen Zonen Deutschlands vorgefunden wurden. Es soll uns die Möglichkeit

geben, den erforderlichen Überblick zu gewinnen, der notwendig ist,

wenn Sie, die Sie hier als gewählte Beauftragte der Mitglieder unserer Industrie- •*"

gewerkschaften Entscheidungen zu treffen haben, wie die zukünftige Arbeit und

der Aufbau der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten

erfolgen soll. Ich will mich daher lediglich auf das beschränken, was der Arbeitsausschuß

bei der Aufnahme seiner Arbeiten vorgefunden hat.

Auf die Entwicklungsgeschichte der Gewerkschaften seit dem Jahre. 1945 bis

jetzt brauche ich nicht einzugehen, weil sie den anwesenden Kolleginnen und

Kollegen bekannt ist. Ich brauche nicht zu wiederholen, daß die Entwicklung der

Gewerkschaften in starkem Maße von den Besatzungsmächten beeinflußt wurde.

Auch auf die dadurch entstandenen Hemmungen, die in den einzelnen Zonen

verschieden gelagert waren, will ich nicht eingehen. All dieses ist von Ihnen

miterlebt und mitbehoben worden. Es darf aber festgestellt werden, daß die

Wiedererstehung der Gewerkschaften und ihre Organisationsformen in sehr

starkem Maße von den Besatzungsmächten gelenkt und entschieden worden ist.

Es ergeben sich aus diesem Umstand in den Ländern folgende Tatsachen:

Wir finden für unsere Wirtschaftsgruppen folgende Länder- und Zonengewerkschaften

vor:

Drei Landesgewerkschaften in der US-Zone mit folgender Benennung:

IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern, mit dem Sitz

in München.

IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg/Baden,

mit dem Sitz in Stuttgart.

IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Hessen, mit dem Sitz

in Frankfurt am Main.

Drei Landesgewerkschaften in der französischen Zone wie folgt:

Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch

• besetzte Gebiet Rheinland/Pfalz, mit dem Sitz in Mainz.

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch

besetzte Zone Baden, mit dem Sitz in Freiburg.

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet

der französisch besetzten Zone Württemberg, mit dem Sitz in Schwenningen

a. N.

4T


Außerdem die Zonengewerkschaft (IG Nahrung — Genuß — Gaststätten) für

die britisch besetzte Zone Deutschlands, mit dem Sitz in Hamburg.

In dieser Zonengewerkschaft find die Mitglieder unserer Wirtschaftsgruppen

der drei Länder Niedersachsen mit der Enklave Bremen, Nordrhein-Westfalen

«nd 1 Schleswig-Holstein mit Hamburg zusammengeschlossen.

Wir finden bei der Aufzeichnung der vorhandenen Industriegewerkschaften

eine beachtenswerte Tatsache: Sechs Ländergewerkschaften für zwei Zonen und

eine Zonengewerkschaft für drei Länder.

Diese Entwicklungsstufe der Gewerkschaften bis zu diesem gemeinsamen

Gewerkschaftstag muß besonders festgehalten werden. Sie zeigt, wie ich eingangs

sagte, in starkem Maße die Einwirkung der Besatzungsmächte auf die

Entwicklung der Gewerkschaften. Jede der von mir genannten Gewerkschaften

ist Mitglied des Gewerkschaftebundes ihres Landes oder ihrer Zone. Dieser

unterschiedliche Aufbau, der zwangsläufig eingehalten werden mußte, ist nunmehr

überwunden und der Weg zur Vereinigung dieser vorhandenen Gewerkschaften

über die Trizone Deutschlands von uns beschriften. Von den Besatzungsmächten

werden gegen diese Vereinigungen keine Bedenken mehr entgegengestellt.

Der vorgeschriebene Entwicklungsgang hatte zur Folge, daß alle gewerkschaftlich

notwendigen Maßnahmen auch nur im Rahmen dieser zwangsläufigen

Abgrenzung erfolgen konnten und daher wie folgt festgestellt werden muß, auch

unterschiedliche Auffassungen im verwaltungsmäßigen Aufbau in den Zonen

mit sich brachte.

Es fanden sich also zwei Tatsachen vor, die eine Vereinigung über die Zonen

bisher unmöglich machten:

1. Die Anweisungen der Besatzungsmächte.

2. Die unterschiedliche Auffassung im verwaltungsmäßigen Aufbau der künftigen

Industriegewerkschaft.

Diese beiden Dinge galt es unter allen Umständen so schnell wie möglich zu

überwinden, damit unsere gewerkschaftlichen Forderungen einheitlich und mit

stärkerem Nachdruck dem Unternehmertum sowohl wie auch den Behörden

gegenüber vertreten werden konnten.

Auf Seiten der Unternehmer bildeten sich mehr und mehr trizonal zusammengefaßte

Unternehmerverbände, die in der Abwehr der Forderungen der Arbeitnehmer

wie auch in der Aufstellung von Forderungen bei den amtlichen Stellen

zusammenarbeiteten. Dieses erkennend fanden sich die Spitzenfunktionäre der

oben angeführten Gewerkschaften am 27. Februar 1948 in Stuttgart zusammen,

um Maßnahmen zu beraten, wie den Unternehmerverbänden unsererseits entgegengearbeitet

werden könnte. Man einigte sich in Stuttgart auf die Einsetzung

eines Arbeitsausschusses, der alle Vorbereitungen treffen sollte, um die Vereinigung

der bestehenden Industriegewerkschaften zu einer Gewerkschaft,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten, für die Trizone Deutschlands

zusammenzufassen, um dem Willen der Mitglieder dieser Gewerkschaften

größeren Nachdruck zu verleihen.

Die personelle Zusammensetzung dieses Arbeitsausschusses ist durch die

einzelnen Länder bzw. Zonenvorstände vorgenommen worden, so daß aus jedem

Land bzw. jeder Zone entsprechende Vertreter in diesem Ausschuß vorhanden

sind und am vorliegenden Ergebnis mitbeteiligt waren. Es gehören folgende

Kollegen diesem Ausschuß an:

48

Für die US-Zone:

Kollege Georg Fiederl, München, für Bayern,

Kollege Albert Remppel, Stuttgart, für Württemberg-Baden,

Kollege Hans Wiegand, Frankfurt, für Hessen.


Für die französische Zone:

Kollege Anton Basting, Mainz, für Rheinland-Pfalz,

Kollege Clemens Weber, Freiburg, für Süd-Baden,

Kollege Jakob Wörner, Schwenningen, für Süd-Württemberg.

Für die britische Zone:

Kollege Pufal, Hamburg, Verbandsvorstand für die britische Zone,

Kollege Warnecke, Hamburg, für den Verbandsvorstand der britischen Zone,

außerdem der

Kollege Dozier, Düsseldorf, für Nordrhein-Westfalen,

Kollege Weber, Hannover, für Niedersachsen, und der

Kollege Johannes Maack, Lübeck, für Schleswig-Holstein und Hamburg.

Um von vornherein ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zu gewährleisten,

beschloß der Verbandsvorstand der britischen Zone, die Ländervorsitzenden der

US- und der französischen Zone an den Sitzungen des Yerbandsvorstandes für

die britische Zone mit beratender Stimme teilnehmen zu lassen.

Der gemeinsame Arbeitsausschuß für die Trizone hatte folgende Aufgaben zu

prüfen und zu erledigen:

1. Wlie soll die künftige Industriegewerkschaft verwaltungsmäßig aufgebaut

werden?

2. Anfertigung eines vorläufigen Satzungsentwurfes unter Berücksichtigung

der jetzt vereinigten ehemaligen Berufsgewerkschaften von vor 1933 nach Wirtschafts-

oder Industriegruppen in der Ernährungswirtschaft.

3. Koordinierung der Lohn- und Tarifbewegungen für die Trizone nach dem

Prinzip der Industriegewerkschaften unter Einschaltung der Raufmännischen

und technischen Angestellten in die künftigen Lohn- und Manteltarifverträge.

Über diese Fragen werden Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, in den vor

uns liegenden Tagen zu entscheiden haben. Ich bin davon überzeugt, daß Sie

sich bei Ihren Beratungen von einem hohen Pflichtbewußtsein leiten lassen

werden, um das Bestmögliche für unsere Industriegewerkschaft zu schaffen.

Sie haben den Satzungsentwurf mit den unendlich vielen Abänderungsanträgen

vor sich liegen. Die Abänderungsanträge, die in großer Zahl bei dem Arbeitsausschuß

eingereicht sind, geben uns einen Beweis, daß unsere Mitglieder in den

Ortsgruppen regen Anteil an dem Geschehen innerhalb unserer Gewerkschaft

genommen haben.

Um die Arbeiten des Gewerkschaftstages schneller vorwärtszutreiben, hat der

Arbeitsausschuß unter Heranziehung von in Arbeit stehenden Delegierten aus

den einzelnen Ländern bereits eine Satzungsberatungskommission eingesetzt,

deren Beratungsergebnis von dem Berichterstatter dieser Beratungskommission

Ihnen unterbreitet wird. Bei der Zusammensetzung dieser Satzungsberatungskommission

wurde größter Wert darauf gelegt, daß sich die Mehrzahl der

Kommissionsmitglieder aus in Betrieben beschäftigten Kollegen zusammensetzt.

Die Zusammenarbeit der Industriegewerkschaften in dem Arbeitsausschuß

ermöglichte eine Koordinierung unserer Vertretungen im Gewerkschaftsrat durch

Wahl eines Vertreters in den Vorbereitungsausschuß zum Gründungskongreß des

künftigen Gewerkschaftsbundes. Hierfür wurde der Kollege Gustav Pufal,

Hamburg, gewählt.

Desgleichen konnte eine Koordinierung unserer Vertretungen in den Beiräten

der einzelnen Wirtschaftsgruppen in der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt

vorgenommen werden. Als ständiger Vertreter für unsere Industriegewerkschaften

wurde der Kollege Hans Wiegand, Frankfurt, gewählt.

Um die einzelnen Länder von den uns besonders berührenden Fragen auf das

schnellste zu informieren, wurde ein Informationsdienst eingerichtet. Dieser

Informationsdienst hat den Zweck:

4 Protokoll 49


1. Die einzelnen Landes- und Zonen vorstände über die Verhandlungsergebnisit

aus den Ausschüssen und Beiräten in den Wlirtschaftsgruppen zu unterrichten,

2. die Lohn- und Gehaltsvereinbarungen und laufenden Verhandlungen in der.

einzelnen Branchen und Wirtschaftsgruppen in den Ländern zu führen,

3. wichtige Nachrichten und Rundschreiben der Landes- und Zonenvorstände

auszutauschen.

Dadurch war es möglich, daß die einzelnen Vorstände der Länder und Zonen

das Geschehen in den einzelnen Gewerkschaften auf das genaueste beobachten

konnten, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen.

Um das Lohn- und Tarifwesen in der Trizone möglichst einheitlich zu

gestalten, hat sich der Arbeitsausschuß auch dieses Aufgabengebietes angenommen.

Es wurde eine Tarifkommission für die Trizone, bestehend aus den Kollegen

Fiederl (München), Remppel (Stuttgart), Wiegand (Frankfurt), Basting (Mainz),

Weber (Hannover), Dozier (Düsseldorf), Maack (Lübeck), Husung (Bremen) und

Warnecke (Hamburg) eingesetzt. Diese Tarifkommission war beauftragt, Grundsätze

zum Abschluß von Tarifverträgen auszuarbeiten, nach denen die aufzustellenden

Rahmentarifverträge der Eigenart der einzelnen Berufsgruppen

angepaßt sind.

Das vollständig zerrüttete Rahmentarifwesen, das wir nach 1945 nach dem

Zusammenbruch des Nazireiches vorgefunden haben, machte es notwendig, daß

neue Rahmentarifverträge ausgearbeitet wurden. Es wurden für 10 Wirtschaftsgruppen

und in diesen vorhandene Berufszweige insgesamt 32 neue Manteltarifvertragsentwürfe

mit einheitlichen Sozialbestimmungen nach diesen Richtlinien

und Grundsätzen für die Trizone ausgearbeitet und als Forderungen an die

Unternehmerverbände eingereicht. An den Beratungen über die Manteltarifvertragsentwürfe

wurden in Arbeit stehende Kollegen aus den einzelnen Ländern

hinzugezogen und in starkem Maße beteiligt.

Durch den bestehenden Lohn- und Tarifs.topp waren wir auf das stärkste in

unserem Wollen behindert. Nur durch die Direktive 40 und 41 war es im

vorigen Jahre möglich, für unsere Mitglieder eine geringe Lohnerhöhung bis zu

15 Prozent durchzusetzen. Die Verhandlungen hierüber gestalteten sieh zum Teil

sehr schwierig, weil von selten der Unternehmer jeglicher Lohnerhöhung der

größte Widerstand entgegengesetzt wurde. Trotzdem war es uns möglich, für

32 Berufsgruppen die Löhne nach der Direktive 40 und 41 zu erhöhen.

Durch die Einführung der Währungsreform am 20. Juni 1948 und der seit

dieser Zeit eingeschlagenen Erhardschen Wirtschaftspolitik gestalteten sich die

Preise derart, daß das Realeinkommen des Arbeitnehmers vollständig absank.

Der Arbeitsausschuß hat zu dieser Frage Stellung genommen und, nachdem der

Lohn- und Tarifstopp am 3. November 1948 von Seiten der Besatzungsmächte

aufgehoben ist, beschlossen, den einzelnen Industriegewerkschaften zu empfehlen,

die bestehenden Lohnverträge zu kündigen und die Forderung einer 30prozentigen

Lohnerhöhung aufzustellen.

Auch bei den jetzt anlaufenden Lohnbewegungen beobachten wir den größten

Widerstand der Unternehmer, die diese Lohnbewegungen zum Anlaß nehmen,

Preiserhöhungen für ihre Produkte zu fordern. In der Lohngestaltung für die

Arbeitnehmerschaft in den Wirtschaftsgruppen der Ernährungswirtschaft stellen

wir fest, daß seit den Krisenjahren im Jahre 1932 bis zur Aufhebung des Lohnstopps

für diese Arbeitnehmerschaft keine Lohnaufbesserung vorgenommen ist.

Eine erhebliche Belastung unserer Gewerkschaften bestand in der Währungsreform.

Das vorhandene Vermögen war durch die Abwertung des Geldes ganz

erheblich zusammengeschmolzen. Um allen Anforderungen gerecht zu werden,

mußte das Arbeiten in den einzelnen Gewerkschaften unter den schwierigsten

Verhältnissen durchgeführt werden.

Von Seiten des Arbeitsausschusses wurde das Hauptaugenmerk auf die

Erhaltung des Mitgliederstandes gerichtet.

50


Der Mitgliederstand der einzelnen bier vertretenen Industriegewerkschaften

am Ende des 1. Quartals 1949 gliedert sich wie folgt auf:

1. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern mit

dem Sitz in München 39 519

2. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg-

Baden mit dem Sitz in Stuttgart 26 929

3. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die Gebiet Hessen mit dem

Sitz in Frankfurt 14 092

4. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch besetzte

Zone Baden mit dem Sitz in Freiburg 7 066

5. Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

französisch besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz mit dem Sitz in

Mainz sowohl wie

6. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet der französisch

besetzten Zone Württemberg mit dem Sitz in Schwenningen

a. N 11 070

7. Zonengewerkschaft IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die

britische Zone mit dem Sitz in Hamburg 126 120

Insgesamt sind hier an Mitgliedern vertreten 224 796

Es wird interessant sein, auch einmal das Verhältnis der Mitgliederzahlen zu

sehen. Die Mitglieder setzen sich zusammen:

a) männlich 150497

b) weiblich 74 062

Insgesamt 224 559 Mitglieder

davon Jugendliche bis 18 Jahre 17 034 Mitglieder.

Kolleginnen und Kollegen! Aus der Zusammensetzung der Mitglieder ersehen

wir, daß wir uns zwei vorhandener Mitgliedergruppen ganz besonders anzunehmen

haben, der Jugend und der Frauen. Die Frauen treten in unseren

Wirtschaftsgruppen immer mehr als Konkurrenten der Männer in Erscheinung.

Diese Erscheinung zwingt uns als Gewerkschaft nach zwei Richtungen hin unser

Augenmerk zu richten: Einmal bessere Löhne für unsere Frauen zu schaffen,

andererseits Bedingungen zu schaffen, die den Erfordernissen der Frauen

gerecht werden.

Bei den Ziffern der Jugendlichen sehen wir, daß wir noch vieles tun müssen,

um die Jugend heranzuziehen. Durch die vergangenen Jahre hat die Jugend

jedes Vertrauen verloren. Die Grundlage des Vertrauens ist das Vorbild. Immer

wieder müssen wir unseren älteren Kollegen in den Betrieben sagen: Seid den

Lehrlingen und Jugendlichen in jeder Hinsicht ein Vorbild. Zieht die Jugend

zur Mitarbeit heran, damit sie an der Gewerkschaftsarbeit interessiert wird.

Die Frauen- und Jugendfrage wird in unseren Beratungen noch sehr wichtig

sein und wir werden sie sehr sorgfältig behandeln müssen.

Der Arbeitsausschuß war sich darüber im klaren, daß bei der Wahl der

Delegierten die Frauen sowohl wie die Jugendlichen in Anbetracht ihrer

Bedeutung und ihres Zahlenverhältnisses nicht recht zur Geltung kommen

würden. Wir haben von Seiten des Arbeitsausschusses aus diesem Grunde aus

jedem Land zwei aktive jugendliche Kollegen als Gastdelegierte zu unserem

Verbandstage geladen. Desgleichen haben wir Frauen als Gastdelegierte geladen.

Auch da waren wir uns nicht im unklaren, daß wahrscheinlich als ordnungsgemäß

gewählte Delegierte sehr wenige Frauen auf unserem Verbandstage

anwesend sein würden. Das ist bedauerlich, Kollegen. Diese Kolleginnen und

Kollegen haben nunmehr als Gastdelegierte die Möglichkeit, zu sehen, wie wir

uns hier auf dem Verbandstage mit den Problemen beschäftigen werden, wie

hier darum gerungen wird. Mit diesem Eindruck können sie dann in ihre Heimat

4* 51


zurückfahren und den jugendlichen Kolleginnen und Kollegen sagen, daß wir

dieses Moment auf unserem Verbandstag ganz besonders beobachtet haben.

Kolleginnen und Kollegen! Es wird a*uch der Vermögensstand der einzelnen

Gewerkschaften interessieren. Der augenblickliche Venmögensstand der auf

diesem Gewerkschaftstag vertretenen Gewerkschaften setzt sich am Ende des

1. Quartals 1949 wie folgt zusammen:

1. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Bayern

mit dem Sitz in München

179 230,— DM

2. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Württemberg-Baden

mit dem Sitz in Stuttgart

114 470,— DIvI

3. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet Hessen

mit dem Sitz in Frankfurt

43 000,— DM

Hier möchte ich sagen, daß das nur der Kassenbestand ist,

nicht der Vermögensbestand. Die Kollegen in Hessen haben

uns den Vermögensbestand nicht so schnell beschaffen können.

4. Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für

das französisch besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz mit dem

Sitz in Mainz sowohl wie

5. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für das Gebiet der

französisch besetzten Zone Württemberg mit dem Sitz

in Schwenningen a. N

43 000,— DM

6. IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für französisch besetzte

Zone Baden mit dem Sitz in Freiburg

11 273,32 DM

7. Zonengewerkschaft IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für

die britische Zone mit dem Sitz in Hamburg

400 000,— DM

Insgesamt 790 973,32 DM

Kollegen! Wir haben schon in den Begrüßungsansprachen festgestellt, daß

Kollegen der UGO anwesend sind. Von der UGO Berlin liegt ein auf ihrem

Verbandstag am 25. März 1949 angenommener Antrag vor, der die Verschmelzung

der UGO mit unserer IG beantragt. Sie werden darüber zu beraten haben.

Wir grüßen unsere Arbeitskolleginnen und -kollegen in den westlichen

Sektoren Berlins, die in einem zähen und aufreibenden Kampf um ihre demokratische

Freiheit stehen. Wir grüßen aber auch die Arbeitskolleginnen und

-kollegen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, die unter einer parteipolitischen

Diktatur und durch Maßnahmen der sowjetischen Militärbehörde

eine Vereinigung mit uns noch nicht durchführen können.

Wie wir aus der Begrüßungsansprache des Kollegen Fiederl gehört haben,

sind zahlreiche ausländische Gäste an unserem Gewerkschaftstag erschienen.

Von den einzelnen Industriegewerkschaften wurden die Verbindungen mit

unseren Bruderorganisationen im Auslande aufgenommen. Die Industriegewerkschaften

hatten ihren Verbandstagsbeschlüssen entsprechend die Aufnahme in

die Internationale Union der Lebensmittelarbeiter und -arbeiterinnen mit dem

Sitz in Zürich beantragt. Der Vorstand der IUL hat der Aufnahme dieser

Gewerkschaften einstimmig zugestimmt. Die Aufnahme soll von dem im

Septemher d. J. in Zürich abzuhaltenden Kongreß beschlossen werden.

Wir werden uns zu entscheiden haben, daß die Aufnahme nunmehr für die

neue IG Nahrung — Genuß — Gaststätten für die Trizone durchzuführen ist. Die

Mitgliedschaft in der IUL liegt in den internationalen für unsere Berufsgruppen

anfallenden Problemen, die nur auf. internationalem Gebiet gelöst werden können,

begründet.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich sagte bereits, daß ich davon überzeugt

bin, daß Sie sich bei Ihren Beratungen über die Gestaltung unserer Industriegewerkschaft

von hohem Pflichtbewußtsein leiten lassen werden. Wir sollen

uns in den kommenden Tagen ein Haus bauen und ein Gesetz schaffen, >-das

52


jedem Mitglied Schutz vor Ausbeutung und Hilfe in seinem sozialen Kampf

bietet. Als Grundpfeiler, worauf wir dieses Haus errichten, lassen Sie uns die

Begriffe Freundschaft, Vertrauen, Solidarität, Humanität setzen. Wenn wir diese

Begriffe fest in unsere neue Industriegewerkschaft verankern, wird sie in Zukunft

allen Stürmen und Angriffen trotzen. Lassen Sie uns frei von jeder Parteipolitik

für die Völkerverständigung und für die Erhaltung des Weltfriedens wirken.

Wir wollen kämpfen gegen jede Vergewaltigung und Tyrannei zum Wohle

unserer Mitglieder und darüber hinaus der Arbeiterschaft der ganzen Welt. Den

Völkern aber, von denen noch deutsche Frauen und Männer als Gefangene

zurückgehalten werden, rufen wir zu: Gebt uns diese Gefangenen frei! (Sehr gut!

Beifall.) Führt sie zurück ziu ihren Angehörigen!

Vorsitzender : Ich eröffne hiermit die Aussprache und weise darauf hin,

daß nach Ziffer V der> Geschäftsordnung die Diskussionsredner sich schriftlich

melden müssen und daß sie hier oben vom Pult aus zu reden haben.

Als nächster Redner spricht der Kollege Langenbach, Köln.

Langenbach (Köln): Wir haben in Deutschland heute die Tatsache zu

verzeichnen, daß wir mehr Minister haben als wir in der schwärzesten Zeit

Monarchen hatten. Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit, daß wir zu einem

Zusammenschluß kommen. Die Arbeitgeberverbände haben sich bereits auf

trizonaler Grundlage zusammengeschlossen. Die Militärregierungen haben

keinerlei Einwände mehr erhoben und haben die Genehmigung erteilt. Wir

sehen also, der Widerstand auf der Arbeitgeberseite versteift sich. Bezeichnend

ist auch ein Schreiben, welches uns aus Wuppertal bekannt wurde. In einer

Mitgliederversammlung der Arbeitgeber hat man sich mit der Frage beschäftigt,

1 Prozent der Lohnsumme zur Unterstützung des Wirtschaftsverbandes einzuziehen

zum Zwecke der Finanzierung von Arbeitskämpfen, die man führen

müsse, wenn einmal die Gewerkschaften zu Streiks aufrufen. Weiterhin ist

interessant, daß sich dn Düsseldorf eine Privatauskunftei aufgemacht hat, die

sich den Arbeitgebern anbietet zur Bespitzelung der Leute und zur Überwachung.

Ich gebe nur einige Tatsachen daraus bekannt. Die Privatauskunftei bietet sich

an zur Aufklärung aller Diebstähle in den Betrieben, zu Berichten über die

Stimmung bei den Arbeitnehmern gegenüber der Betriebsführung, um evtl. die

Haupthetzer und Miesmacher, die Stimmung gegen die Betriebsführung und die

Arbeitsmoral machen, zu beseitigen. (Hört, hört!) Sie sehen also, es ist Zeit,

daß wir zu dieser Frage Stellung nehmen.

Ich möchte nur noch einmal kurz auch ein Wort sagen zu den Preisen und

Löhnen. Die Gewerkschaften haben .immer wieder verlangt, Herabsetzung der

Preise und Heraufsetzung der Löhne. Kein geringerer als Herr Dr. Erhard hat

erst vor einigen Tagen nach seiner Rückkehr aus Amerika festgestellt, daß man

in Amerika Krisenzustande damit bekämpft, daß man die Preise herabsetzt und

die Löhne heraufsetzt. Hier in Deutschland wollte man es umgekehrt machen.

Ich glaube, inzwischen werden wir auch von dieser Seite etwas mehr Beachtung

für unsere Forderungen finden. Wer sich besonders dafür interessiert, den verweise

ich auf den Artikel im „Tagesspiegel" von Herrn Dr. Erhard. Seit der

Währungsreform ist die Leistung je Mann ganz enorm gestiegen, aber auch die

Lagerbestände aller Waren der Industrie und des Handels haben eine enorme

Höhe erreicht. Untersuchungen des Wirtschaftlichen Instituts der Gewerkschaften

bei Haushaltungen haben ergeben, daß nur 48 Prozent der Haushaltungen in der

Lage sind, außer dem sogenannten starren Bedarf sich neue Anschaffungen zu

machen. Wir haben außerdem festgestellt, daß der Anteil der beiden unteren

Lohnklassen seit dem Jahre 1928 von 28 Prozent auf 51 Prozent gestiegen ist-

Wir haben weiter festgestellt, daß nur 51 Prozent aller Arbeitnehmer in

Deutschland bzw. 51 Prozent der Menschen in Deutschland in der Lage

sind, sich die notwendigen Lebensmittel zu kaufen, die ihnen auf Karten

zustehen, daß sie ihr Licht, ihre Heizung bezahlen können und weiter ihnen

nichts übrigbleibt. Die industrielle Produktion ist ja bekanntlich auf 87 Prozent

*

53


des Jahres 1937/38 gestiegen. Dagegen beträgt das Realeinkommen der Arbeitnehmer

nur 65 Prozent des Jahres 1937/38, und das Realeinkommen der Rentner

gar nur 55 Prozent. Aber jetzt kommt eine interessante Zahl! Das Realeinkommen

der Selbständigen und Kapitalverbraucher beträgt 105 Prozent des

Jahres 1936/37. Im Durchschnitt hat jeder Arbeitnehmer im Jahre 1936/37 ein

Jahreseinkommen von 1827 Mark gehabt gegenüber einem Jahreseinkommen im

Jahre 1948 von 1321 Mark. Wohl gemerkt, Realeinkommen!

Ganz anders sind die Einkommensverhältnisse bei den Selbständigen und

Kapitalverbrauchern. Jeder Selbständige und Kapitalverbraucher — wir nennen

sie nicht mehr Kapitalisten, um auch hier nicht in Gefahr zu geraten —hatte

im Jahre 1936/37 ein Einkommen von 4500 Mark, im Jahre 1948 ein solches von

5400 Mark. Während also die Arbeitnehmer ein geringeres Realeinkommen von

mehr als 500 Mark hatten, hat der Kapitalverbraucher im Jahre 1948 1000 Mark

mehr verbraucht als im Jahre 1936/37. Sie sehen aus dieser Tatsache schon, daß

es allerhöchste Zeit ist, daß wir diesen Problemen größeren Nachdruck verleihen.

Das können wir nur mit einer geschlossenen, über alle Zonen verbreiteten

Organisation.

Ich möchte auch noch auf eine andere Tatsache hinweisen. Kolleginnen und

Kollegen! Es wird in der Volkswirtschaft immer so viel von dem sagenhaften

Kuchen gesprochen und geredet, von dem jeder seinen Anteil hat. Man darf

aber wohl sagen, daß der Anteil der Arbeitnehmer an diesem sagenhaften

Kuchen wirklich weit geringer geworden ist, während der Anteil der Arbeitgeber

entschieden höher geworden ist. Es muß daher etwas in dieser Hinsicht

geschehen.

Wir haben auf dem Gebiet der Preise folgendes festzustellen: Bis zum

Dezember 1948 haben sich die Preise laufend erhöht. Ab Januar sind die Preise

für den elastischen Bedarf gefallen. Unter elastischem Bedarf verstehen wir den

Bedarf für Textilien, Schuhe, Haushaltsgegenstände aller Art, Möbel usw., den

Bedarf für Luxusgegenstände und Genußmittel. Unter starrem Bedarf verstehen

wir Miete, Licht, Heizung und sämtliche Lebensmittel. 51 Prozent aller Arbeitnehmer

sind auf den starren Bedarf angewiesen und können keinerlei Anschaffungen

machen. Ich sagte jetzt eben auch bereits, daß nur 49 Prozent aller

Arbeitnehmer Anschaffungen machen könnten an Textilien usw. Von dieser

Gesamtzahl der Verbraucher sind es wiederum nur 8 Prozent, die sich Luxus»

gegenstände und Genußmittel in größerem Umfang erlauben können. Die

Schwäche der deutschen Kaufkraft bedeutet eine ungeheure wirtschaftliche

Gefahr. Infolge der Leistungs- und Prodiuktionssteigerungen müssen erhebliche

Preissenkungen und Lohnerhöhungen möglich sein. Die ungeheuren Lagerbestände

unterdrücken jede wirtschaftliche Initiative. Würden unsere Arbeitgeber

wirtschaftlich denken, dann würden sie umgehend die Preise herabsetzen

und sich nicht mit aller Gewalt gegen Lohnerhöhungen wehren. Das tun sie

nicht. Aber sie machen etwas anderes. Sie verkürzen die Arbeitszeit und entlassen

die Leute und machen die Gefahr dadurch noch größer. (Vorsitzender:

Noch eine Minute Redezeit!)

Wir stellen fest, daß nicht nur die Erwerbslosenzahl zunimmt, sondern auch

die Zahl der Kurzarbeiter. Auch die hohen Handelsspannen müssen sofort auf

ein vernünftiges Maß heruntergebracht werden. Man kann sich aber noch nicht

von den hohen Handelsspannen der Kriegszeit und der RM-Zeit trennen, und

es wird höchste Zeit für die Verantwortlichen in der Wirtschaft, daß hier Maßnahmen

ergriffen werden, die vor allen Dangen im wirtschaftlichen Interesse

liegen. Unsere Forderung muß sein, Kolleginnen und Kollegen, Vollbeschäftigung

durch höhere Löhne und durch Herabsetzung der Preise. Das bedeutet höheren

Verbrauch, bessere Ausnutzung der Betriebsanlagen, Senkung der fixen Kosten

und damit größere Wirtschaftlichkeit und größerer Wohlstand für alle. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Reichelt, Mannheim. Ihm

folgt der Kollege Pulley, Stuttgart.

54


Reichelt (Mannheim): Kolleginnen und Kpllegen! Kollege Pufal hat in

seinen Ausführungen die Frage der technischen wie der kaufmännischen Angestellten

besonders erwähnt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß diese Frage für

uns zum Problem wird. Die letzten Verhandlungen in der Margarineindustrie

haben uns klar und deutlich gezeigt, wie der Weg und der Stand der Arbeitnehmer

zu dieser Frage ist. Der Widerstand, der nicht allein in der Margarineindustrie

vorherrschend ist, sondern vor allen Dingen auch in Württemberg-

Baden eine sehr große Rolle spielt, steht in den nächsten Monaten zur Diskussion.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man gerade den kaufmännischen

und technischen Angestellten mehr denn je die Möglichkeit geben muß, in

unseren Verband so eingereiht zu werden, wie es notwendig ist. Wir wissen auf

der anderen Seite, wie die Angestelltengewerkschaft wirbt mit billigen Beiträgen

und wie sie versucht, mit den Arbeitgebern zu Abkommen zu kommen, die es

ihnen ermöglichen, bei ihnen Liebkind zu werden. Diese Dinge müssen von uns

besonders beachtet werden. Nachdem in der Vergangenheit gerade die großen

Organisationen, ob es Metall oder sonst welche gewesen sind, nie den Versuch

gemacht haben, einen Angestellten direkt in die Verwaltung einzubauen, dürfte

es für uns notwendig sein, dies in der Zukunft zu tun. Die Mentalität der

Angestellten ist nun einmal so, daß sie glauben, daß ein Angestellter, der aus

dem Arbeitsverhältnis gekommen ist, ihre Belange nicht so beurteilen kann wie

einer, der aus ihren Reihen kommt. Dieser Frage gilt unsere besondere

Beachtung. Allgemein gesagt liegen die Dinge so: Wir müssen von uns aus nun

einmal das, was für Württemberg-Baden zutrifft, diesen Generaltarifvertrag, der

dort eine große Rolle spielt, durchbrechen, und zwar mit Grundlagen, die wir

neu aufstellen und die andere Tätigkeitsmerkmale enthalten, als es bei uns in der

letzten Vergangenheit der Fall war. Wenn man die Tätigkeitsmerkmale mit den

entsprechenden Einstufungen und Gehältern zusammenbringt, dann wird es uns

auch gelingen, in unseren Industriezweigen, für die wir zuständig sind, die

Angestellten mehr denn je zu gewinnen. Denn gerade in ihren Kreisen haben

wir noch sehr viel Unorganisierte, die es bis jetzt noch nicht für nötig gehalten

haben, sich einer Organisation anzuschließen. Dies nachzuholen, muß unsere

Pflicht sein.

Zur Frage des Lohn- und Tarifproblems hat Pufal gesagt, daß die Manteltarifverträge

im Entwurf fertig sind. Bis jetzt ist der Widerstand der Arbeitgeber

so gewesen, daß sie zu Rahmentarifverträgen keine Zeit hatten iund .auf

der anderen Seite bei Lohnverträgen der letzten Zeit uns den heftigsten Widerstand

entgegensetzen, und zwar immer mit dem Argument: In der britischen

Zone oder in Bayern oder in Hessen liegen die Löhne auf dieser Höhe. Wir

sind entsprechend höher und können in Zukunft nicht mehr bezahlen.

Eine einheitliche Lohn- und Tarifpolitik für die Zukunft auszuarbeiten, muß

Aufgabe der maßgebenden Personen sein, die im Hauptvorstand in nächster

Zukunft die entsprechenden Referate und Ämter bekleiden. Denn das Lohndurcheinander

ist gegenwärtig noch sehr groß. Es ist notwendig und angebracht,

daß in Zukunft die Verbindung mit den führenden Kollegen der zusammengeschlossenen

Gewerkschaften so wird, daß sie sich innig gestaltet und daß das

Vertrauen so zusammengefügt wird, daß für die Gesamtheit der größte Nutzen

daraus entsteht. Arbeiten wir in diesem Sinne, nützen wir die nächsten Monate

aus, dann werden wir sicher zum Erfolg kommen. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pulley, Stuttgart.

Pulley (Stuttgart): Kolleginnnen und Kollegen! Ich muß wie mein Vorredner

auf das zurückkommen, was der Kollege Pufal gesagt hat, und zwar sprach er

von der Jugendfrage. Gibt es tatsächlich bei uns in den Gewerkschaften eine

Jugendfrage? Wir müssen ganz ehrlich sagen, daß es tatsächlich eine Jugendfrage

gibt. Wir haben es noch nicht verstanden, die Jugend dahin zu bringen,

wohin wir sie bringen wollen. Liegt das an uns oder liegt das an der Jugend?

Man sagt, daß die Jugend zum Teil indifferent, politisch uninteressiert ist.

Stimmt das? Jawohl, es stimmt! Kolleginnen und Kollegen, weil dliese Jugend

55


aus einem Krieg herausgekommen ist, aus dem sie nur mit Enttäuschungen

wiedergekommen ist. Wir müssen aber diese Jugend dazu bringen, daß sie

wirklich zu uns stehen kann. Können wir das tun? Wir können das wirklich,

indem wir im Rahmen unserer neuen Gewerkschaft der Jugend auch Einfluß

geben, und zwar nicht nur, daß wir sagen, ihr könnt einmal mitreden, sondern

wir müssen sagen: Hier seid ihr verantwortlich, daß das und das geschieht.

Kolleginnen und Kollegen! Auf Grund der Erfahrungen, die wir in Württemberg-Baden

gemacht haben, können wir wirklich sagen, daß es so gut geht. Wir

müssen diesen Jugendkollegen Verantwortung geben, dann werden wir wirklich

sehen, daß wir diese Jugendfrage richtig lösen. Aber es geht nicht, daß man in

einzelnen Ortsverwaltungen oder Landesleitungen oder im Verbandsvorstand

diese Jugend irgendwie abschiebt und sagt: Ihr habt ja noch nicht soviele

Kollegen zu vertreten. Laßt doch ruhig einmal die Jugend mitreden, laßt sie

auch mitreden, wenn sie einmal Fehler macht, wenn sie über das Ziel hinausschießt.

Denn die Jugend ist, wie der Kollege Weber gesagt hat, immer radikal

veranlagt. Sie macht auch manchmal Fehler, aber laßt sie ruhig einmal Fehler

machen. Es ist viel besser, wenn sie Fehler macht als wenn sie gar nichts macht.

Deshalb bitte ich, wenn wir später die Satzungen beraten, daß wir wirklich

darauf hinzielen, daß wir überall unsere Jugendkolleginnen und -kollegen verantwortlich

einschalten. Dann werden wir sehen: Wenn sie nichts taugen, dann

können wir sagen, du mußt abtreten. Denn es geht natürlich auch nicht — das

möchte ich dien Jugenddelegierten zurufen —, daß man immer nur von seinem

Landesvorsitzenden oder seinem Verbandsvorstand fordert: Gib mir das, gib

mir das, sondern wir müssen wieder dahin kommen, daß unsere

Jugend auch Opfer bringen kann und auch einmal wirklich überzeugt

ist von der Gewerkschaft und von der Gewerkschaftsbewegung,

daß sie sich, wie • es manchmal den Anschein hat, nicht schämt, daß

sie überhaupt Gewerkschaft ist. Euch allen aber möchte ich — ich bin sonst

leider Gottes oder Gott sei Dank, das kann ich nicht genau sagen, in der Bibel

nicht allzusehr bewandert — ein abgewandeltes Sprichwort aus der Bibel

zurufen, das da lautet: Gebt der Jugend, was der Jugend ist. Sie wird es euch

allen lohnen! (Beifall.)

Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Kollege Pufal hat

das Schlußwort.

Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Auf die Ausführungen des

Kollegen Langenbach brauche ich nicht einzugehen. Der Kollege Langenbach

hat sich in der Hauptsache mit den lohnpolitischen Problemen nach der wirtschaftlichen

Seite hin befaßt. Wir wissen, auch die Kollegen, die in den Betrieben

stehen, die täglich mit diesen Dingen zu tun haben, wissen, daß wir nach der

lohnwirtschaftlichen Seite das Lohnproblem genau so geregelt sehen wollen wie

der Kollege Langenbach. Die andere Frage, die der Kollege Reichelt angeschnitten

hat, die Angestelltenfrage, ist für uns gewiß sehr wichtig, ebenso wie

die Frage der Jugend und der Frauen. Wir stehen auf dem Standpunkt, wenn

wir schon eine Industriegewerkschaft darstellen, dann müssen wir auch die

Angestellten mit erfassen. In den GewerkschaJEtsbünden — die Verhältnisse sind

dort noch verschieden gelagert — herrscht leider nicht überall die gleiche Auffassung.

Man hat uns zum Beispiel im Organisationsplan die Angestellten der

Konsumgenossenschaften abgesprochen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß

die Angestellten der Konsumgenossenschaften genau so zu uns gehören wie die

Angestellten in den privaten Betrieben. (Sehr richtig!) Wir haben bei der Neugründung

des neuen Gewerkschaftsbundes unsere Forderung dahingehend eingereicht,

daß die Bestimmung, daß die Angestellten der Konsumgenossenschaften

in Zukunft der Angestelltengewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen

angehören sollen, nicht in Kraft tritt, sondern daß die Angestellten zu uns

gehören. (Sehr richtig!) Wir sind uns auch darüber im klaren, daß wir lohnpolitisch

sowohl wie auch tarifpolitisch die Angestellten möglichst in unsere

Tarife mit einbauen müssen. Wir sind zwangsläufig noch gehalten — in einigen

56


Ländern ist es so, ich glaube in Hessen —, daß man einen Angestelltenvertrag

für das ganze Land für sich geschaffen hat. Es ist unserer Meinung nach nicht

ganz richtig. Es ist vielleicht im Augenblick eine Notlösung. Aber wenn wir

die Angestellten als Angestellte und als Arbeitskameraden neben uns stehen

lassen wollen, gehören sie auch in unsere Tarifverträge und in unsere Lohnbewegungen

hinein. Man kann nicht die Gehälter für die Angestellten für sich

regeln und die Arbeiter draußen lassen und umgekehrt.

Zu der Jugendfrage, Kollegen, haben wir ja von s-eiten des Arbeitsausschusses

— ich habe schon gesagt, daß wir die Jugend möglichst interessieren müssen —

die jungen Kollegen zu unserem Kongreß hier eingeladen. Wir sind uns auch

darin einig, daß wir die Jugend in dem kommenden Verbandsvorstand bis in die

Spitze hinein verantwortlich mitarbeiten lassen müssen. Wir sind uns darüber

im klaren, daß im kommenden Verbandsvorstand auch ein jugendlicher Vertreter

sein muß. (Beifall bei den Jugenddelegierten.) Desgleichen sind wir. der Meinung,

daß in den kommenden Verbandsvorstand, wenn die Frauen nicht bei den

Wahlen berücksichtigt werden, zumindest zusätzlich eine Frau hinein muß.

Kolleginnen und Kollegen' Wenn wir die Lohnpolitik, um noch einmal darauf

zurückzukommen, der letzten Zeit bzw. die Lohnbewegungen beobachten, so

können wir feststellen, wie ich schon gesagt habe, daß man von Seiten der

Unternehmer die jetzt anlaufenden Lohnbewegungen dazu benutzen will, die

Produkte im Preis zu erhöhen. Wir halten es nicht für notwendig, daß bei

einer Lohnerhöhung unbedingt der Preis des Produkts erhöht werden muß. Wir

haben ganz besonders bei den Bäckereien bei den Lohnbewegungen, die für die

Kollegen Bäcker in der letzten Zeit angelaufen sind, beobachten können, daß

sich die Bäckereien zu einer Lohnerhöhung nur entschließen können, wenn man

ihnen den Brotpreis erhöht. Wir wissen aber auf der anderen Seite, daß die

Bäckereien zumindest ziu ihrem Recht kommen. Denn sie sind ja nicht ausschließlich

Brotfabriken, sondern beim Backen des weißen Gebäcks fällt immerhin

soviel ab, daß sie zurechtkommen. Man hat sich auch in dieser Frage bei

den Gewerkschaftsbünden und beim Gewerkschaftsrat eingeschaltet, und man

hat dort sorgenvoll unsere Bewegung beobachtet, für die Kollegen Bäcker einen,

besseren Lohn herauszuholen.

Zu dieser Frage, Kollegen, müssen wir wie im allgemeinen in der Nahrungsund

Genußmittelindustrie doch einmal ein paar Worte sagen. Wir können und

wollen es nicht verstehen, daß man die Preise, wenn es unbedingt notwendig

ist, nicht ändern will. Um eine bessere Lohngestaltung für unsere Arbeitnehmer

durchzuführen, schreckt man davor zurück, diesen Preis um einen Pfennig zu

erhöhen. Wir müssen da unserer Meinung nach die Forderung erheben, daß man

eine gerechte Beurteilung der Preislage sowohl wie auch der Löhne durchführt

und zwar nicht einseitig, sondern unter unserer Mitwirkung.

Zu den Tarifbewegungen sagte ich vorhin schon, daß wir auch mit den

Rahmentarifverträgen in Bewegung sind. Wenn wir das ganze Gebilde heute

betrachten, befinden wir uns eigentlich in der gesamten Organisation in Bewegung.

Wir stehen teilweise vor starken Auseinandersetzungen mit den Unternehmern, und

zwar deshalb, weil die Unternehmer sich weigern, unseren gerechten Forderungen

Rechnung zu tragen. Wir wollen hoffen, Kollegen, daß dieser erste Ansturm

von Seiten der Unternehmer, die absolut nicht geneigt sind, unsere seit 1932

bestehenden Löhne aufzubessern, von unseren Kollegen in den Betrieben zurückgeschlagen

wird und die Unternehmer gezwungen werden, unseren gerechten

Forderungen Rechnung zu tragen. (Beifall.)

Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Der Punkt 3 der Tagesordnung

ist damit erledigt. Wir kommen jetzt zu Punkt 4 der Tagesordnung, der

wichtigste, zu dem überhaupt der gemeinsame Verbandstag zusammengeholt ist.

Darüber wird einleitend der Kollege Pufal berichten.

Pufal (Hamburg): Zu der Konstituierung des neuen Verbandes gehört auch

eine von uns etwa vorgenommene Rechtsdurchführung. Es ist ja praktisch so,

57


daß heute die einzelnen vorhin von mir aufgeführten Gewerkschaften selbständige

Gewerkschaften sind. Wir müssen, um eine Rechtsgrundlage zu haben,

einen Beschluß fassen, daß diese Gewerkschaften zu einer einheitlichen Gewerkschaft

zusammengeschlossen werden, damit alle Verträge, alle Verpflichtungen

gleich welcher Art von der neuen Gewerkschaft übernommen werden. Deshalb

legt der Arbeitsausschuß Ihnen folgenden Antrag vor, und wir bitten, diesem

Antrag zuzustimmen.

Vorsitzender: Ich bitte, den Antrag, den Sie in Ihrer Mappe haben, zur

Hand zu nehmen, damit Sie ihn verfolgen können. Es sind kleine Abänderungen

vom Ausschuß vorgeschlagen. (Zuruf: Er ist nicht in der Mappe drin!)

Nätscher (Nürnberg): In der Tagesordnungsmappe ist dieser Antrag enthalten.

Pufal (Hamburg:

Überführung der Mitglieder, aller Werte und Verträge der bisherigen

Zonen- und Länder-Industriegewerkschaften in den Gebieten der amerikanisch,

britisch und französisch besetzten Zone Deutschlands, vertreten

durch ihre Vorsitzenden:

a) britische Zone: Herrn G. Pufal {Hamburg)

b) amerikanische Zone: Herrn G. Fiederl (München)

c) amerikanische Zone: Herrn A. Remppel (Stuttgart)

d) amerikanische Zone: Herrn H. Wiegand (Frankfurt)

e) französische Zone: Herrn A. Basting (Mainz)

f) französische Zone: Herrn Cl. Weber (Freiburg)

S) französische Zone: Herrn J. Wörner (Schwenningen a. N.)

und

die neue Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet Deutschlands.

• Der konstituierende Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung

— Genuß — Gaststätten für die amerikanisch, britisch und französisch

besetzte Zone Deutschlands beschließt:

Mit dem Inkrafttreten dieser Industriegewerkschaft hört das Wirken der

Zonen- beziehungsweise Landesgewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten

wie folgt auf:

Industriegewelkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das britisch

besetzte Gebiet Deutschlands, Sitz Hamburg,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch besetzte Gebiet Bayern (Deutschland), Sitz München,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch besetzte Gebiet Württemberg-Baden (Deutschland), Sitz

Stuttgart,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

amerikanisch besetzte Gebiet Hessen (Deutschland), Sitz Frankfurt

am Main,

Landesgewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das französisch

besetzte Gebiet Rheinland-Pfalz (Deutschland), Sitz Mainz a. Rh-,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für die französisch

besetzte Zone Baden (Deutschland), Sitz Freiburg,

Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten für das

Gebiet der französisch besetzten Zone Württemberg (Deutschland).

Sitz Schwenningen a. N.

Die Mitglieder der vorgenannten Industriegewerkschaften, wie aufgeführt,

werden in die Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß — Gast-

58

1


Stätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet

Deutschlands mit dem Sitz in

— darüber sollen wir noch

bestimmen — mit allen Rechten und Pflichten hiermit aufgenommen.

Die Zonen- beziehungsweise Landes-Industriegewerkschaften, wie vorstehend

im einzelnen aufgeführt, gelten damit als aufgelöst.

Alle Aktiven und Passiven und die noch zu erwartenden Vermögenswerte

sowie alle Einrichtungen dieser bisherigen Zonen- beziehungsweise

Landes-Industriegewerkschaften gehen in die neue Industriegewerkschaft

Nahrung — Genuß — Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch

besetzte Gebiet Deutschlands mit dem Sitz in

über;

desgleichen alle in diesen Gebieten vorhandenen Tarifverträge, sonstige vertragliche

Rechte und Verpflichtungen aller Art. -,

Alle in den bisherigen Zonen- beziehungsweise Landes-Industriegewerkschaften

tätigen Angestellten und Hilfskräfte werden unter Anrechnung

ihrer in diesen Gewerkschaften geleisteten Dienstzeiten mit den bisherigen

Rechten und Pflichten von der r.euen Industriegewerkschaft Nahrung —

Genuß — Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte

Gebiet mit dem Sitz in

übernommen.

Die Gewerkschaftsangestellten und Hilfskräfte werden nach den geltenden

Richtlinien der neuen Industriegewerkschaft Nahrung — Genuß —

Gaststätten für das amerikanisch, britisch und französisch besetzte Gebiet

Deutschlands neue Anstellungsverträge erhalten.

Weil nun aber die Satzungen nicht gleich nach ihrer Beratung und nach dem

Ablauf des Gewerkschaftstages in Funktion treten können, wenn nicht eine

Störung innerhalb der bis jetzt selbständigen Gewerkschaften eintreten soll,

haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wann die neue Satzung, die wir hier

auf dem Gewerkschaftstag beschließen werden, in Kraft treten soll, um eine

reibungslose Überführung und einen reibungslosen Ablauf der Geschäfte zu

gewährleisten. Dazu schlagen wir folgenden Zusatzantrag vor:

Der auf dem, Gewerkschaftstag vom 24. bis 26. Mai 1949 gewählte Hauptvorstand

hat die zur Überführung der Gewerkschaften notwendigen

Arbeiten mit dem Inkrafttreten der neubeschlossenen Satzungen durchzuführen.

Vom 1. Januar 1950 an treten die auf obigem Gewerkschaftstag

beschlossenen Satzungen vollinhaltlich in Kraft.

•Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen diesem Antrag zustimmen, weil wir,

wie ich eben sagte, die Rechtsgrundlage schaffen müssen, damit alle Vermögensbestände,

alle Verträge und Verpflichtungen, die die einzelnen Landesgewerkschaften

haben, eine Rechtsgrundlage bekommen. Darum bitte ich Sie, diesem

Antrag zuzustimmen.

Vorsitzender: Sie haben den gedruckten Antrag vor sich liegen. Der

Zusatzantrag ist in einigen Mappen enthalten, aber nicht in allen. Ich darf

daher den Zusatzantrag noch einmal wiederholen. Der Sinn ist eindeutig und

klar. Der Hauptvorstand, der morgen gewählt wird, soll die Pflicht bekommen,

daß er bis zum Inkrafttreten der neuen Satzungen die Überführung der Gewerkschaften,

die heute beschließen, sich zu vereinigen, in die Wege leitet. Spätestens

muß am 1. Januar 1950 alles fertig sein. Die Verschmelzung beschließen wir im

Prinzip morgen oder heute. Die Satzungen werden morgen beschlossen. Die

morgen beschlossenen Satzungen treten spätestens am 1. Januar 1950 in Kraft.

Das ist der Sinn des Zusatzantrages.

Nun bitte ich um Stellungnahme und Wortmeldungen.

Wortmeldungen werden nicht eingereicht. Kollegen, dann darf ich zunächst

abstimmen über den Ihnen vorliegenden gedruckten Antrag, der die Vereinigung

unserer Industriegewerkschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten in der britischen

Zone mit dem Sitz in Hamburg, in der amerikanischen Zone mit dem Sitz

in Frankfurt, in der französischen Zone mit dem Sitz in Mainz, in Freiburg

und Schwenningen vorsieht. Wer die Vereinigung dieser unserer Industrie-

59


gewerksehaften beschließen will, den bitte ich um Hochhebung der Karte. Ich

danke. Ich bitte um die Gegenprobe. Ich stelle Einmütigkeit fest. (Lebhafter

Beifall.)

Kolleginnen und Kollege^ Ein Akt vor großer Weltbedeutung hat sich durch

die Beschlußfassung eben vollzogen. Wir dürfen allen Delegierten in den Ländern

herzlich danken für die Einmütigkeit, mit der sie die Vereinigung unserer

Industriegewerkschaften zu einer einheitlichen Gewerkschaft herbeiführen

wollen.

Damit wir nun klar sehen, wie die Vereinigung vor sich gehen soll, wollen wir

den Zusatzantrag noch beschließen, der lautet:

Der am Gewerkschaftstage vom 24. bis 28. Mai 1949 gewählte Hauptvorstand

hat die zur Überführung der Gewerkschaften notwendigen

Arbeiten mit dein Inkrafttreten der neu beschlossenen Satzungen durchzuführen.

Ab 1. Januar 1950 treten die auf obigem Gewerkschaftstag beschlossenen

Satzungen vollinhaltlich in Kraft.

Wer hierfür stimmen will, den bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben.

— Ich bitte auch hier um die Gegenprobe. — Ich stelle auch hier Einstimmigkeit

fest.

Dazu wäre noch eine Frage zu besprechen. Zu dem Antrag auf Vereinigung

unserer Gewerkschaften in den Westzonen haben die Berliner den Antrag gestellt,

gleichfalls in diese Verschmelzung mit einbegriffen zu werden. Dazu

hat der Kollege Pufal das Wort.

Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aus den Ausführungen

des Kollegen Rother, Berlin, vorher schon entnommen, daß man in

den Westzonen Berlins beabsichtigt, sich mit uns zu verschmelzen. Am 25. März

dieses Jahres hat in Beilin der Verbandstag für die für unsere Gruppen in

Frage kommende Organisation der UGO getagt und hat einen Antrag gestellt,

der besagt, sich mit unserer Industriegewerkschaft in den Westzonen zu verschmelzen.

Dieser Antrag liegt vor.

Die Verhältnisse sind aber folgendermaßen: Wir würden es von Herzen

begrüßen, wenn wir heute den Verschmelzungsakt mit unseren Berliner

Freunden durchführen könnten. Die politischen Verhältnisse haben sich aber in

der letzten Zeit so gestaltet, daß wir durch einen voreiligen Beschluß ein

ungeschicktes politisches Verhalten an den Tag legen würden. Deshalb empfehlen

wir, daß man den kommenden Verbandsvorstand beauftragt, den von der UGO

gestellten Antrag der Verschmelzung zu behandeln, um die Voraussetzungen

für eine Verschmelzung zu schaffen. Das braucht uns nicht zu hindern, daß

wir schon jetzt mit unseren Freunden in Berlin in eine enge Zusammenarbeit

in Form einer Arbeitsgemeinschaft eintreten. Aber wir wollen bei unseren

Beschlüssen, wie ich schon sagte, so taktieren, daß nicht irgendwelche Schwierigkeilen

eintreten können. Denn wir haben nicht nur Rücksicht zu nehmen

auf die sich im Augenblick gestaltenden politischen Verhältnisse, sondern wir

haben auch noch irgendwie Rücksicht zu nehmen auf die Besatzungsmächte,

die in unseren Zonen Deutschland besetzt haben. Ich glaube, ich brauche mich

nicht näher darüber auszulassen. Wir befürchten, daß von der einen oder

anderen Besatzungsmacht, wenn wir heute schon einer Verschmelzung zustimmen,

doch noch irgendwelche Schwierigkeiten gemacht werden könnten.

Unsere Berliner Freunde werden Verständnis für unser Handeln haben. Das soll

die Freundschaft mit unseren Freunden in Berlin absolut nicht trüben. Deshalb

bitte ich, so zu verfahren, wie ich sagte, den kommenden Verbandsvorstand

zu beauftragen, die Voraussetzungen für eine Verschmelzung zwischen unserer

Industriegewerkschaft und den Freunden der UGO zu schaffen.

Vorsitzender: Darf ich fragen, ob die Kollegen aus Berlin dazu Stellung

nehmen wollen. Kollege Rother, bitte, komme her!

Rother (UGO Berlin): Kolleginnen und Kollegen! Wir verkennen nicht,

daß die Verschmelzung mit dem Verband Nahrung — Genuß — Gaststätten,

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der der Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation UGO in Berlin angeschlossen

ist, noch schwierig sein wird durch die Trennung der Zonen, durch diverse

andere politische Fragen. Wir sind insofern mit den Ausführungen des Kollegen

Pufal einverstanden und würden uns freuen, wenn die Delegiertentagung heute

dem Wege der Arbeitsgemeinschaft zustimmt. Wir würden uns auch freuen,

wenn wir, wie ich in meinen Ausführungen gesagt habe, trotzdem nunmehr

als gleichberechtigte Delegierte hier an dieser Ihrer Tagung mitteilnehmen

können. Ich bitte in diesem Sinne, bei der Abstimmung Ihre Stimme ins Gewicht

zu legen.

Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte darüber abzustimmen,

ob die Gewerkschaft beschließt, mit der UGO in Berlin in eine

Arbeitsgemeinschaft einzutreten und daß die heute anwesenden Delegierten

stimmberechtigt an der heutigen Tagung teilnehmen. Will jemand dagegen

sprechen? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dafür stimmen

wollen, um Hochhebung der Delegiertenkarte. — Ich danke. Die Gegenprobe! —

Gegen eine Stimme beschlossen. Nein, gegen zwei.

Kollegen, ich muß sagen, wir haben fleißig gearbeitet. Ich möchte nun eigentlich

den nächsten Punkt der Tagesordnung, den Punkt 5, nicht beginnen, weil

wir in eine Spezialberatung der Satzungen hineinkommen und dann die Sache

abbrechen müssen. Es wäre höchstens zu überlegen, ob wir den § 1 der Satzung

„Sitz des Hauptvorstandes" beraten wollen. Ich möchte bitten, diese Frage

einmal kurz geschäftsordnungsmäßig zu diskutieren. Wer will dazu etwas sagen?

Ich würde vorschlagen, Kollegen, damit wir die Zeit nutzen, daß wir den § 1

zunächst diskutieren. Ob er heute abgeschlossen wird, ist eine Frage für sich.

Wir könnnen zunächst Stellung nehmen, und wenn Sie heute nacht darüber

schlafen, sieht es morgen wieder ganz anders aus. Ich würde bitten, daß der

Kollege Maack als der Berichterstatter des Arbeitsausschusses zum § 1 der

Satzung das Wort nimmt. (Zuruf.)

Ich werde aus dem Kreis der Delegierten gebeten, daß wir den Akt der

Konstituierung einer Arbeitsgemeinschaft mit der TJGO und die Tatsache, daß

wir die Berliner Vertreter als Delegierte bestimmen, dadurch dokumentarisch

festhalten... (Widerspruch. Zuruf: Nein, nur der trizonale Zusammenschluß!)

Nein, daß der trizonale Zusammenschluß, den wir beschlossen haben, protokollarisch

so festgehalten wird, daß gesagt wird: Am heutigen Tage um

16.30 Uhr wurde der Akt vollzogen. Genau wie beim Friedensvertrag.

Ich glaube, dagegen gibt es keine Einwendungen. Das kann geschehen.

Dann hat Kollege Maack das Wort.

Maack (Berichterstatter, Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Wie schon

Kollege Pufal in seinem Bericht erwähnt hat, hat sich der Arbeitsausschuß und

auch die Satzungskommission, die ja dadurch gebildet wurde, daß zu diesem

Ausschuß aus den einzelnen Ländern Kollegen aus Betrieben hinzugezogen

wurden, eingehend ganz besonders mit der Frage beschäftigt: Wohin wollen wir

den Sitz der neuen Hauptverwaltung legen, oder — ich muß mich anders ausdrücken

— was wollen wir dem Gewerkschaftstag vorschlagen, wohin wir den

Sitz des Hauplvorstandes zu legen wünschen?

Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich bedaure ich, daß diese Frage heute

nachmittag übestaaupt noch angeschnitten wird. Ich darf vielleicht meine Meinung

dahingehend ventilieren: Wir werden ja damit nicht zu Ende kommen, •

nachdem wir heute abend noch etwas vorhaben und einigermaßen rechtzeitig

hier weggehen müssen. Mir persönlich ist es natürlich gleichgültig. Ich würde

selbstverständlich diese Frage hier ventilieren lassen.

Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns, wie ich sagte, sehr eingehend mit

diesei Frage beschäftigt. Ganz naturgemäß waren hauptsächlich die Kollegen

aus Süddeutschland dafür, daß der Sitz der Hauptverwaltung aus dem Norden

oder vom Noiden heruntergenommen werden sollte. Es ist euch oder Ihnen in

der Fülle der Anträge und Abänderungsanträge, die vorliegen, ja geläufig, daß

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die Mehrzahl der Anträge dahingehen, den Sitz der neuen Hauptverwaltung nach

Frankfurt am Main zu verlegen. (Beifall.) Die Kommission und der Arbeitsausschuß

sind aber trotzdem zu der Auffassung gekommen, dem Gewerkschaftstag

heute vorzuschlagen, den Sitz der Hauptverwaltung nach Hamburg zu verlegen.

(Widerspruch.) Ich darf, weil die Frage ja von grundlegender Bedeutung

ist, hier einmal zum Ausdruck bringen, mit welchem Stimmenverhältnis innerhalb

der Kommission dieser Beschluß gefaßt worden ist. Für Hamburg haben

sich von den anwesenden 17 Kommissionsmitgliedern 14 erklärt. Zwei haben

sich für Frankfurt erklärt, ein Kollege hat sich der Stimme enthalten. Sie können

also daraus ersehen, daß die Argumente, die innerhalb der Kommission für

Hamburg vorgetragen wurden, doch schon so ausschlaggebend gewesen sind, daß

die Mehrzahl der Anwesenden, inklusive der Süddeutschen, sich für Hamburg

erklärt haben, und zwar zunächst einmal aus folgenden Gründen: Unser Ziel

ist der Zusammenschluß unserer Organisation über das gesamte Reichsgebiet.

Was wir eben beschlossen haben und was wir weiter beschließen werden, ist

immer nur erst ein Teilergebnis. Es ist der Zusammenschluß der Westzonen.

Was wir wollen, ist, das ganze Deutschland, alles in einer Organisation unterzubringen.

Im Augenblick, wo uns das gelingt, haben wir die Aufgabe, einmal

ernstlich zu prüfen: Wohin legen wir nunmehr, nachdem wir eine einheitliche

Organisation über das ganze Reichsgebiet bilden, den Sitz für unsere Organisation?

Wir haben uns heute von dem Gedanken leiten lassen, daß wir augenblicklich

vor einer Fülle von Aufgaben stehen und diese Aufgaben sich nach

dem Zusammenschluß noch ganz gewaltig steigern werden. Wir haben den Abschluß

der Rahmentarifverträge vorzunehmen. Wir stehen in täglichen Unterhandlungen

mit den Arbeitgebern über neue Abschlüsse von Lohnabkommen.

Wir müssen die ganze Kraft und die ganze Tätigkeit der Verwaltung in den

Dienst dieser Aufgaben stellen.

Ich möchte einmal zunächst folgendes sagen: Wir haben in Hainburg Räumlichkeiten,

wir haben einen ausgebauten Apparat, wir sind in -Hamburg in jeder

Beziehung in der Lage, räumlich die Aufgaben zu erfüllen, die der neuen Organisation,

zugeleitet werden-. Eine Verlegung oder eine Neuerrichtung einer Hauptverwaltung

in einem Ort, wo derartiges noch nicht vorhanden ist, bedeutet ganz

zweifellos eine Verzettelung der Kraft. Wenn wir Uns vor allen Dingen diese

Argumente vor Augen führen, dann müssen wir, ganz unabhängig von irgendwelcher

stimmungsmäßigen Einstellung oder von sonstigen Dingen, ganz nüchtern

von der Tatsache ausgehen, daß wir der Auffassung sind, daß das gegebenste

im Augenblick sein würde, wenn wir die Hauptverwaltung nach Hamburg

legen, weil dann die Gewähr gegeben ist, daß von hier aus kein Vakuum

eintritt, sondern daß von der neuen Hauptverwaltung tatkräftig für das Wohl

der Kollegenschaft gearbeitet werden kann. Wir schlagen also vor, Hamburg

als den Sitz des Hauptvorstandes zu erklären und damit die Anträge Nürnberg,

München, Hof, Kronach, Bamberg, Bad Kissingen, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,

Naila, KuJmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Coburg,

Hockenheim, Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg, die sich

für Frankfurt aussprechen, ferner die Anträge Frankfurt, Hildesheim, Neuß, die

dafür sind, daß der Sitz an den Sitz der Bundesregierung zu verlegen ist, und

den Antrag Duisburg und Köln, die Köln vorschlagen — Köln hat sich noch ganz

besonders engagiert, indem es die Begründung seines Antrages im Druck niedergelegt

hat — abzulehnen und Hamburg als den Sitz der neuen Hauptverwaltung

zu erklären.

Vorsitzender : Ich habe nun die Meinung, wir haben noch zwei Tage

Zeit für Beratungen. Wir sollten daher jetzt die Begründung überschlafen und

morgen früh mit der Beratung beginnen. Sie Rönnen sich untereinander über

die Probleme unterhalten. Sie haben die Begründung des Arbeitsausschusses

gehört. Sie haben dazu eine gedruckte Begründung bekommen, wo ich nur das

eine herausgreife, was mir in die Augen fällt: Weil die Kölner so vital-heitere

Eigenschaften haben, deswegen sollen wir nach Köln gehen. Die Begründung

62


können Sie sich also einmal durch den Kopf gehen lassen. Morgen früh fangen

wir um 9 Uhr mit den Verhandlungen an. Darf ich fragen, ob Sie damit einverstanden

sind? Widerspruch erhebt sich nicht. Dann wären wir für heute am

Ende unserer Verhandlungen.

• (Die Verhandlungen werden um 16.51 Uhr auf den 25. Mai vertagt.)

Die Verhandlungen werden am 25. Mai 1949 um 9.02 Uhr unter dem Vorsitz von

Wilhelm Weber (Hannover) wieder aufgenommen.

Vorsitzender: Die Gewerkschaftstagung ist eröffnet. Kolleginnen und

Kollegen! Ich kann Ihnen die freudige Mitteilung machen, daß inzwischen unsere

Kollegen aus der Schweiz unter der Führung des Kollegen Leuenberger eingetroffen

sind (Beifall), außerdem, wenn ich nicht irre, auch der Kollege aus

Frankreich. Darf ich an diese Gäste die Frage richten, ob Sie den Wunsch

haben, etwas zu sagen. (Leuenberger: Später!)

Es ist noch ein Glückwunschschreiben eingegangen aus Krefeld, in dem mitgeteilt

wird, daß die Operation des Kollegen Metz gut verlaufen ist. Der Kollege

wünscht dem Vereinigungsgewerkschaftstag den besten Erfolg und sendet allen

alten Kollegen die herzlichsten Grüße.

Sodann habe ich mitzuteilen, daß wir heute ein Geburtstagskind unter uns

haben. Ob er eine ganze Lage zahlt, weiß ich nicht. Der Kollege Konrad

Huber (Köln) ist heute 73 Jahre alt geworden. Er war vom 1. Juni 1907 an Gewerkschaftsangestellter

bei uns. Ich glaube in aller Namen zu sprechen, wenn

ich dem Geburtstagskind die herzlichsten Glückwünsche ausspreche. (Beifall.)

Dann folgen die geschäftsordnungsmäßigen Angelegenheiten: Wir müssen

heute morgen zunächst einmal vorweg die Spesen beschließen, die für die Teilnehmer

an der Gewerkschaftstagung auszuzahlen sind. Der vom Gewerkschaftstag

durch Beschluß gestern legitimierte Arbeitsausschuß hat sich mit den Spesenfragen

beschäftigt und schlägt Ihnen vor, einen Spesensatz von 25 DM je Tag

zu beschließen, das heißt es wird gezahlt für Übernachtung 8 DM und für die

Tagesspesen 17 DM. Wieviele Tage nun die einzelnen Kollegen abwesend sein

müssen bis zu ihrer Rückkehr, das haben sie dein Kassierer mitzuteilen. Wir

haben die Tagesspesensätze nicht nach Stunden gegliedert, sondern für den Tag,

gleichviel ob er voll ist oder nicht. Weil überwiegend Kollegen aus dem

Arbeitsverhältnis da sind, möchte ich gleich von vornherein nicht den Gedanken

aufkommen lassen, daß dies sonst in der Gewerkschaft bei uns üblich ist. Sonst

werden die Spesen für die besoldeten Funktionäre nach der Dauer der Abwesenheit

stundenmäßig bezahlt und entrichtet. Ich erkläre das, damit nach

draußen hin nicht gesagt wird, daß die Angestellten neben ihrem Gehalt noch

jeden Tag 25 DM extra bekommen.

Ich möchte nun einen Beschluß des Kongresses in dieser Frage haben. Wenn

keine Wortmeldung dazu gewünscht wird, bitte ich diejenigen Kolleginnen und

Kollegen . . . (Zuruf: Vielleicht ist es notwendig, daß man den Kollegen erklärt,

daß 9 DM für die Verpflegung abgezogen werden!) Mein Lieber, du mußt immer

warten, bis es soweit ist. Es kommt alles, eines nach dem anderen.

Wer dafür stimimen will, daß ein Spesensatz von 17 DM je Tag und 8 DM

Übernachtungsgeld gezahlt wird, den bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben.

Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. Es ist einstimmig beschlossen.

(Zuruf: Eine Stimme dagegen!) Eine Stimme dagegen!

Kolleginnen und Kollegen! Die Auszahlung wird nach der Mittagspause erfolgen.

Damit kein zu großes Gedränge entsteht, bitte ich, länderweise vorzutreten.

Ich bitte die Delegierten, wenn ihr Land aufgerufen wird, sich in die

Schreibstube zu begeben. (Zuruf: Auch nicht alle auf einmal!) Dann alphabetisch,

nach den Ortsgruppen. Die Gastdelegierten und die älteren Kollegen, die Rentner

und die Jugenddelegierten werden besonders aufgerufen. Es kommen einheitlich

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60 DM bei der restlichen Spesenzahlung in Abzug, das heißt die 20 DM, die in

der Ortsgruppe ausgezahlt worden sind, und die 40 DM, die wir als Vorschuß

bekommen haben. Wenn nun der eine oder andere Delegierte dabei ist, der in

der Ortsgruppe sein Fahrgeld für die Hinfahrt und die 20 DM nicht bekommen

hat, so muß er sich ein Formular geben lassen und dieses Geld, weil wir sonst

durcheinander kommen, in der Ortsgruppe liquidieren.

Ich möchte dann noch einmal auf den Lohnausfall hinweisen. Der Lohnausfall

wird, das werden Sie aus dem Formular entnommen haben, in der Ortsgruppe

ausbezahlt. Es könnte sein, daß der eine oder andere Delegierte das Auszahlungsformular

noch nicht bekommen hat. Dann fordert er es bei der Auszahlung

in der Schreibstube an.

Für die Verpflegung — und jetzt kommen wir darauf zu sprechen, was der

Delegierte eben gesagt hat — müssen einheitlich je Tag 9 DM in Abzug gebracht

werden. Wir müssen bedenken, der Wirt hat das Essen angeschafft und muß

damit auskommen. (Widerspruch. Zuruf: Es ist zu teuer!) Es kommen für die

Verpflegung 27 DM in Abzug. Ich bitte die Kollegen, dafür Verständnis aufzubringen.

(Zuruf: Es muß aber besser werden!)

Als letztes das Fährgeld. Das Fahrgeld für die Rückfahrt wird einheitlich

als Einzelfahrt gezahlt, und zwar 3. Klasse von München auf dem kürzesten Weg

bis zum Bestimmungsort.

Ich mache darauf aufmerksam, in Abzug wird gebracht von den eben beschlossenen

Spesen der gezahlte Vorschuß, dann die 27 DM Verpflegung dieser

drei Tage hier. Es ist dazwischengerufen worden, es ist zu teuer. Es sind auch

noch andere Bemerkungen gemacht worden. Kollegen, die Lokalkommission, die

mit dem Wirt die Sache abgemacht hat — auch der Arbeitsausschuß hat sich

damit beschäftigt — hat eindeutig festgestellt, daß der 9-DM-Spesensatz für die

Lieferung von Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Abendbrot nicht zu hoch ist.

Daß die Portionen ordnungsgemäß und ausreichend sind . . . (Lebhafter Widerspruch.

Zuruf: Nein, sie sind nicht ausreichend!) So hört doch zu, was ich

sagen will. Ihr fällt ein Urteil, ohne zu hören, was ich sagen will. Daß die

Portionen in Ordnung sind, dafür haben wir Sorge getragen, daß es jetzt so

wird. (Beifall.) Das Frühstück, das gestern ausgefallen ist, wird heute nachgereicht

in Form eines belegten Brötchens.

Dann habe ich hier einen Brief für Fräulein Gertrud Albers. Ich bitte ihn

abzuholen, ferner ein Schreiten für Otto Willke (München). Wer kann das übernehmen?

(Zuruf: Hier!) Da ist der Otto, du bist so still und leise, man hört

dich gar nicht.

Sodann habe ich eine Mitteilung hier von unserem alten Kollegen Paul Bergmann

(Hamburg). (Beifall.) Er schreibt:

An die Delegierten zum Vereinigungsgewerkschaftstag! Leider kann

ich nicht an der vollen Tagung teilnehmen. Mtine Gedanken sind an

diesem Tag in München. Ich wünsche der Tagung einen vollen Erfolg

Neue Wege müssen die deutschen Gewerkschaften finden, um den Kampf

um die Vergrößerung des Anteils am Sozialprodukt mit Erfolg führen zu

können. Voraussetzung ist Zusammenschluß und kluge Führung. Nur

dann sind die Massen eine Macht. Die Erfahrung der Alten, das Vorwärtsdrängen

der Jugend muß eine Synthese finden. Dann werden die großen

Aufgaben der Gewerkschaft erfüllt. In diesem Sinne begrüße ich den

Verbandstag. Paul Bergmann.

Dann liegt weiter ein Glückwunschschreiben der Ortsverwaltung Schwandorf

vor:

Allen unseren Kollegen und Kolleginnen wünscht zum Vereinigungsverbandstag

guten Erfolg. Landesgewerkschaft, Ortsverwaltung Schwandorf.

64


Ein weiteres Telegramm liegt vor von der Ortsverwaltung Stuttgart:

Die Ortsverwaltung Stuttgart entbietet den Delegierten beste Grüße und

wünscht dem Vereinigten Verbandstag in München einen recht guten Verlauf.

Ortsverwaltung Stuttgart. Unterzeichnet: Fink.

Ein weiteres Telegramm lautet:

Die herzlichsten Grüße zum Verschmelzungsverbandstag sendet euch in

engster- Verbundenheit die Verbandsjugend des Berliner Nahrungs- und

Genußmittelindustrieverbandes. Im Auftrag: Hemmel. (Beifall.)

Dann möchte ich noch einige geschäftsordnungsmäßige aufklärende Mitteilungen

machen. Der Arbeitsausschuß muß heute abend nach dem Abendessen

hier zu einer Besprechung zusammentreten. Der Arbeitsausschuß hat sich bereits

mit Vorschlägen für die Zusammensetzung des neuen Vorstandes beschäftigt. Er

hat sich beschäftigt mit der Zusammensetzung des Beirats, des Verbandsausschustes

usw. Er hat aber noch zu regeln die Frage der Besetzung der Delegation

zu der IÖL und hat weiter Vorschläge auszuarbeiten für die Delegation zum

Vereinigungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Diese Arbeit ist noch

nicht erledigt. Ich bitte den Arbeitsausschuß, heute abend nach dem Abendessen

in einem Zimmer dahinten sich zusammenzufinden. Dann bitte ich die

einzelnen Länder, die in Frage kommen, sich spätestens heute schlüssig zu

werden über die Besetzung des erweiterten Vorstandes. Der Arbeitsausschuß

hat Ihnen morgen Vorschläge zu unterbreiten. Er hat schon Vorlagen ausgearbeitet.

Es ist in Aussicht genommen, daß 13'ehrenamtliche Kollegen dem

Verbandsvorstand angehören sollen. Der Wunsch des Arbeitsausschusses, möglichst

den Beruf zu berücksichtigen, der festgelegt worden ist, gilt nicht

unbedingt. Es könnte auch sein, daß Sie einen besser Geeigneten aus einem

anderen Beruf haben. Aber wir wollen die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder

nach Möglichkeit auch über die einzelnen Berufssparten verteilen. Darum haben

Sie diese Anregung gegeben.

Freiburg soll nach Möglichkeit einen Brauer schicken, desgleichen Schwenningen.

Dazu muß die französische Zone eine Frau benennen. (Zuruf.) Ich sage

ja, soweit es schon in Ordnung ist, ist es gut. Aber die Kollegen aus den Zonen

und aus den Ländern, die es noch nicht in Ordnung gebracht haben, zum Beispiel

Niedersachsen oder vielleicht noch andere, von denen ich es nicht weiß,

müssen sich heute im Laufe des Tages über die Benennung eines Vertreters einig

werden. Wlir wünschen, daß die Delegierten dieser Länder sich darüber einig

werden, nicht daß der Arbeitsausschuß Ihnen etwas präsentiert, das die Delegierten

nur so einfach zu schlucken haben, sondern darüber sollen die jeweiligen

Delegierten sich abstimmen.

Die französische Zone hat also noch eine Frau zu benennen. Die US-Zone

soll aus Mannheim einen Kollegen aus der Zuckerindustrie schicken, dann aus

Nürnberg einen Kollegen aus der Genossenschaft, sodann aus Bad Homburg

einen Kollegen aus der Teigwarenindustrie. Die britische Zone soll aus Düsseldorf

einen Kollegen aus der Mühlenindustrie benennen, dann weiter einen Brauer

aus Herford. Niedersachsen soll möglichst einen Vertreter aus der Tabakindustrie

schicken, Hamburg und Schleswig-Holstein gleichfalls je einen Vertreter.

Da ist der Beruf oder die Sparte offengelassen, und es ist den einzelnen Delegierten

überlassen, sich den Geeigneten herauszusuchen, den sie dafür besonders

in Betracht ziehen wollen.

Dann ist weiter in Aussicht genommen, und es ist schon so beschlossen, daß

Ihnen morgen vorgetragen wird, daß die Fischindustrie Cuxhaven eine Frau

stellt und für die Jugend München einen jugendlichen Bäcker benennt.

Das sind die Anträge und Anregungen, die morgen für die Vorstandswahlen

kommen. Ich bitte nun die Länder und die in Frage kommenden Delegierten,

diese Frage soweit zu klären, daß die Vorstandswahl morgen dann ohne große

Störung stattfindet. Darf ich darauf hinweisen, daß die Beiratsmitglieder auf

5 Protokoll 65


dem Gewerkschaftstag nicht gewählt werden, sondern von den Landeskonferenzen.

Hier auf dem Gewerkschaftstag werden wir nur die Industrien duTch

Beschluß feststellen, aus denen die Beiratsmitglieder zu stellen sind. Darüber

wird Ihnen morgen noch Näheres in Vorschlag gebracht werden, so daß hier

Namen nicht erforderlich sind.

Dann habe ich weiter geschäftsordnungsmäßig noch folgendes zu sagen: Es

ist angeregt worden — wo ist der Zettel von der Frau —, daß den Frauen

Gelegenheit gegeben wird, mit den anwesenden weiblichen Delegierten und

Gastdelegierten auch über Frauenfragen sich zu unterhalten. Die Frauen möchten

sich deswegen heute vielleicht am Abend nach Schluß der Tagung zusammensetzen,

um ihre Frauenprobleme zu behandeln. Die Kollegin Bade aus Cuxhaven,

die ja für die Betreuung der Frauen zunächst in Aussicht genommen ist, wird

die Sache in die Hand nehmen. Ich bitte die weiblichen Delegierten, sich an

unsere Kollegin Bade zu halten — die Kollegin (Bade sitzt dahinten — und sich

mit ihr zu verabreden, in welchem Raum Sie sich heute abend treffen.

Dann ist weiter angeregt worden, daß den Delegierten und natürlich auch den

Gästen, soweit der Wunsch besteht, Gelegenheit gegeben wird, morgen abend

in die Dreigroschenoper zu gehen. Der Kollege Langenbach hat die Sache angeregt.

Er wird eine Teilnehmerliste herumgehen lassen. Wer also an dieser

Oper morgen teilnehmen will, den bitte ich, sich darin einzutragen. Der Kollege

Langenbach wird dafür sorgen, daß die Liste zirkuliert.

Dann möchte ich weiter darauf aufmerksam machen, daß sich diejenigen

anwesenden Delegierten und Gäste, die an der Fahrt in die bayrischen Berge

auf den Wendelstein teilnehmen wollen, heute morgen bis 10 Uhr beim Kollegen

Gemsberger melden und eintragen. Nachdem die Spesenfrage geregelt ist, wird

es manch einem eher möglich sein. Eine ganze Reihe hat zurückgehalten, wie

mir bekannt wurde, weil sie nicht wußten, wie sie mit ihrem Portemonnaie ausreichen

würden. Der Kollege sitzt hier. (Zuruf: Fällt die andere Fahrt aus,

die geplant ist?) Nein. Die Tegernseefahrt ist von uns nicht arrangiert. Ich

weiß nicht, wer sie arrangiert hat. Die Teilnehmer, die sich für die Tegernseefahrt

vereinbart haben, mögen das tun. Es möge derjenige die Sache in die

Hand nehmen, der sie bisher in der Hand hatte.

Der Kollege Kollmeyer sagt, daß am Freitag um 1 Uhr sich die alten

Veteranen hier in diesem Lokal treffen. (Zuruf: Um 9 Uhr morgens!) Schön,

also die alten Gäste, die früheren Angestellten, treffen sich am Freitagmorgen um

9 Uhr hier in diesem Lokal.

Dann darf ich darauf hinweisen, daß hier eine ganze Reihe von Mappen

liegengelassen worden ist. Wahrscheinlich gehören sie den ausländischen

Delegierten. Ich darf bitten, daß sie jetzt wieder in Empfang genommen werden.

Wir treten in die Tagesordnung ein. Zu Punkt 1 des Satzungsentwurfs über >

die Festlegung des Sitzes der neuen Gewerkschaft hat der Kollege Maack die

Begründung gegeben. Willst du noch etwas sagen zum Kölner Antrag oder soll

es hinterher geschehen?

Maack (Berichterstatter, Lübeck): Ich nehme an, daß ich zum Schluß der

Aussprache noch einmal das Schlußwort bekomme. Dann kann der Kollege

Langenbach beruhigt sein, daß ich den von ihm gestellten Antrag in meinem

Schlußwort auch behandeln werde. Sonst hätte ich vorläufig meinen Ausführungen

von gestern abend nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender: Dann hat als erster Redner der Kollege Kiel (Butzbach,

Hessen) das Wort. Ihm folgt der Kollege Eimer (Nürnberg).

Kiel (Butzbach): Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maack hat als

Berichterstatter des Ausschusses uns mitgeteilt, daß der Ausschuß beschlossen

hat, den Sitz des Verbandsvorstandes nach Hamburg zu verlegen. Er hat den

Antrag auch außerordentlich geschickt begründet. Wir alle können uns diesem

Beschluß nicht anschließen (Beifall), nicht weil Frankfurt in Hessen liegt, son-

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dern aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen. (Sehr gut!) Wie war es vor 1933?

Es ist Ihnen allen bekannt, daß fast alle Verbände ihren Sitz in Berlin hatten,

und zwar wohl in erster Linie aus dem Grunde, weil auch der Allgemeine

Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Sitz in Berlin hatte und weil auch die

Regierung dort ihren Sitz hatte. Wenn wir heute wieder Berlin als Reichshauptstadt

hätten, dann brauchten wir uns sicher nicht lange über die Frage zu

unterhalten, wohin der Sitz des neuen Verbandsvorstandes kommt. Aber leider

sind wir noch nicht so weit, und deshalb sind wir schon aus reinen verkehrstechnischen

Gründen der Meinung, daß kein anderer Ort als Frankfurt a. M. in

Frage kommen kann. Aber, Kollegen, wir sind ja sehr gute Demokraten. Wenn

wir uns einmal die Anträge ansehen, so können wir feststellen, daß von 26 Anträgen

22 inhaltlich für Frankfurt a. M. stimmen beziehungsweise Frankfurt a. M.

vorschlagen. Ich meine, daraus geht ganz klar hervor, daß die große Mehrzahl

wünscht, daß der Sitz nach Frankfurt kommt.

Gestern ist von dem Kollegen Maack auch die Raumfrage erörtert worden.

Kollegen, ich hatte kürzlich Gelegenheit, in Hamburg an einer Tagung teilzunehmen.

Wir mußten dann auch irgendwo in einem Raum untergebracht werden,

werden, weil die Gewerkschaft Nahrung — Genuß — Gaststätten uns keinen

Raum zur Verfügung stellen konnte. Das ist also auch ein Beweis dafür, daß die

Raummöglichkeiten in Hamburg auch nicht so besonders günstig liegen. Wie

sieht es in dieser Beziehung in Frankfurt aus? Wir haben ja in Frankfurt ein

sehr schönes Gewerkschaftshaus. Wenn es auch zur Zeit noch nicht möglich ist,

daß wir den gesamten Verbandsvorstand dort unterbringen, so besteht aber in

allernächster Zeit Aussicht, daß dort ein großer Anbau an das Gewerkschaftshaus

erfolgt. Wir haben gestern beschlossen, daß die Sache endgültig am

1. Januar 1950 reguliert werden soll. Ich glaube annehmen zu können, daß bis

dahin auch der Bau in Frankfurt fertig ist. Wie gesagt, die Raummöglichkeit

ist auch in Frankfurt vorhanden. Es sind bereits eine Anzahl Gewerkschaften zu

Einheitsgewerkschaften zusammengeschlossen, unter anderem die Eisenbahner, die

Gewerkschaft Post und außerdem die Gewerkschaft für das Metallgewerbe, die

alle bereits ihren Stiz in Frankfurt haben. Hinzu kommt, daß die anderen Gewerkschaften,

die sich ebenfalls zusammengeschlossen haben und zunächst einmal

provisorisch ihren Sitz in Stuttgart haben, sich auch ernsthaft mit dem

Gedanken tragen, ihren Sitz ebenfalls nach Frankfurt zu verlegen. Bereits drei

zusammengeschlossene Gewerkschaften haben ihren Sitz also in Frankfurt.

Deshalb haben auch wir den Wunsch, daß der Sitz des Verbandsvorstandes nach

Frankfurt kommt. (Beifall.)

Vorsitzender : Als nächster Redner kommt der Kollege Eimer (Nürnberg).

Ihm folgt Bauer (Heidelberg).

Eimer (Nürnberg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern

erfreulicherweise einstimmig den Beschluß gefaßt, daß wir uns für die nächste

Zukunft zusammenschließen und vereinigen, daß wir also für die nächste Zukunft

gemeinsame Wege gehen wollen. Nun steht als erster Punkt heute der

Sitz des Verbandsvorstandes zur Debatte. Mein Vorredner, der aus Hessen

kommt, hat mir bereits Verschiedenes vorweggenommen. Aber nun gestatten

Sie mir, noch folgendes zu sagen: Wir sind als Süddeutsche bestimmt nicht darauf

versessen, irgendwie zu sagen, der Sitz möchte vielleicht nach Stuttgart oder

München kommen, sondern wir sind der Auffassung, daß der Sitz des Verbandsvorstandes

zumindest zentral gelegen sein muß im Interesse der ganzen Kollegenschaft

unseres Ausbreitungsgebietes. ' Es würde wohl bei unseren Kollegen

draußen nicht allgemein verstanden werden, wenn wir heute auf dem Gewerkschaftstag

beschließen würden, daß der Sitz des Verbandsvorstandes nach Hamburg

kommt. Man argumentiert nun, daß in Frankfurt nicht die nötigen Räume

vorhanden seien und daß man vorerst dort nicht unterkommen könne. Wir Süddeutschen

sind der Auffassung, daß in Frankfurt bestimmt die entsprechenden

Möglichkeiten gegeben sind. Auch verschiedene Kollegen aus Frankfurt haben

5 ' 67


in verschiedenen Unterhaltungen bereits darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit

besteht, den Sitz nach Frankfurt zu verlegen.

Wenn Sie also bei der Abstimmung Ihre Stimme in die Waagschale werfen,

so berücksichtigen Sie dabei, daß wir die Mitgliedschaft draußen zu vertreten

haben in dem Sinne, daß wir mindestens versuchen, auch in dieser Frage einheitlich

vorzugehen und geschlossen mit einer möglichst großen Zahl für den

Sitz in Frankfurt stimmen.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Bauer (Heidelberg). Ihm folgt

Kollege Langenbach (Köln).

Bauer (Heidelberg). Kolleginnen und Kollegen! Es liegen zum § 1 des Entwurfes

insgesamt 30 Anträge vor. 22 dieser Anträge sprechen sich für Frankfurt

a. M. aus, zwei für Köln, zwei für Hamburg und vier Anträge für den Sitz

der westdeutschen Bundesregierung beziehungsweise des Vereinigten Westdemschen

Gewerkschaftsbundes. Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen, daß durch

die Zahl dieser Anträge klar und deutlich manifestiert ist, daß das Gros unserer

Mitgliederschaft den Sitz des Verbandes nicht nach Hamburg haben will. Die

Gründe, die uns süddeutschen Kollegen zu unseren Anträgen bestimmt haben,

sind in sehr langen Diskussionen in den Mitgliedschaften und Delegierten-

Generalversammlungen der Ortsverwaltungen herausgestellt worden. Sie sind

also nicht aus dem Handgelenk geschüttelt. Die Gründe, die der Kollege Maack

als Berichterstatter für die Entscheidung der Satzungskommission herausgestellt

hat, schlagen nach unserer Auffassung nicht durch. Was wäre die praktische

Folge, wenn der Sitz des Verbandes nach Hamburg käme, der Behördensitz entweder

in Frankfurt oder in Bonn ist oder in dessen Nachbarschaft, der Sitz des

Vereinigten Bundes ebenfalls in Frankfurt oder im Rheinland? Das hätte eine

Zweigleisigkeit in unserer Verwaltung zur Folge. Es würde zwangsläufig die

Notwendigkeit entstehen, ein Verbindungsbüro am Behördensitz beziehungsweise

am Regierungssitz und am Sitz des Bundes zu erstellen. Das wäre unnütze Zeit-,

Kraft- und Geldvergeudung. Wir sind der Auffassung, daß wir den praktischsten

und sparsamsten Weg gehen müssen und nicht den unpraktischen. Die

Gründe der süddeutschen Kollegen sind nicht partikularistischer Natur. Sie entspringen

zum Teil psychologischen Gründen, auf die ich nicht näher eingehen

will, aber die ich kurz andeute in dem Sinne, daß wir wollen, daß der Sitz des

Verbandes im Herzen unseres Organisationsgebietes liegt.

Die praktische Überlegung habe ich bereits herausgestellt. Nun, Kolleginnen

und Kollegen, spreche ich speziell für meine Ortsgruppe Heidelberg. Ich habe

auch den Auftrag für die übrigen benachbarten Ortsgruppen Hockenheim, Heilbronn,

Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim. Alle diese Ortsgruppen haben Antrag

gestellt für Frankfurt a. M. Als dieser Antrag geboren wurde, war anzunehmen,

daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Sitz der westdeutschen Regierung nach

Frankfurt kommen werde. Die -Gründe, die in der Begründung des Kölner

Antrags, den Sie in Ihren Mappen haben, herausgestellt sind, waren damals

für uns ausschlaggebend. Inzwischen hat der Parlamentarische Rat entschieden,

die Bundesregierung kommt nach Bonn. Ob das so bleiben wird, wissen wir

nicht. Es könnte sehr wohl möglich sein, daß sich das in den kommenden

Wochen ändert. Wir wissen alle, mit welch kleiner Majorität der Beschluß Bonn

zustande gekommen ist. Wir wissen, daß Kräfte am Werk sind, die etwas anderes

wollen, die wiederum Frankfurt a. M. auf die Tagesordnung stellen werden. Tim

aber einen einheitlichen Nenner zu finden zwischen allen Anträgen, die nicht,

nach Hamburg wollen, haben wir uns dafür entschieden, daß wir sagen: Weder

Frankfurt noch Köln, d. h. wir stellen keine dieser beiden Städte exakt heraus,

sondern wir schließen uns an dem Antrag, der von Frankfurt a. M. selbst kam

und der sagt, daß der Verwaltungssitz unserer Gewerkschaft am Sitz der

Bundesregierung bzw. am Sitz der Verwaltung des Westdeutschen Gewerkschaftsbundes

oder aber in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sein soll. Diesen Antrag

unterstützen wir, und wir bitten den Gewerkschaftstag, dasselbe zu tun und


diesem Antrag seine Stimme zu geben. Wir haben keine einstweilige Lösung

zu treffen in dem Sinne, wie der Kommissionsantrag dies letzten Endes zur

Folge haben würde. Wir haben auch keine Doppelgleisigkeit zu erstreben,

sondern wir haben für die Zeitdauer, für die wir leider kein vereinigtes Deutschland

haben und keine vereinigte Gewerkschaftsbewegung für unser ganzes

Vaterland, den Verbandssitz so zu gestalten, daß er auch für diese Zeit konstant

ist. Ich bitte den Gewerkschaftstag um Unterstützung unserer Anschauung.

Vorsitzender : Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die ehrenvolle Aufgabe,

den Vertreter der bayrischen Militärregierung, Mr. Fiebach, der erschienen

ist, zu begrüßen. Ich begrüße ihn auf das herzlichste und bitte, durch unsere

intensive, fleißige und gründliche Arbeit den Eindruck mitzunehmen, daß die

neue Gewerkschaft, die hier geformt wird, bestrebt ist, absolut auf demokratischer

Grundlage die Besserung der Lohn-, Arbeits- und sonstigen Bedingungen

der Arbeitnehmerschaft herbeizuführen. Das ist der Sinn unserer heutigen

Tagung. Diesen Eindruck, wünsche ich, mögen auch die Vertreter der Militärregierung

von hier mit nach Hause nehmen. (Beifall.) Das Wort hat der Kollege

Langenbach (Köln). Ihm folgt der Kollege Schildknecht (Hamburg).

Langenbach (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde mit Recht

betont, die Delegierten sollten sich ihrer großen Verantwortung bewußt sein.

Aber gerade aus dieser großen Verantwortung heraus haben wir den Antrag

gestellt, Köln möge der Sitz des Verbandsvorstandes sein. Wir sind uns bei

diesem Antrag darüber klar, daß wir unseren Antrag sofort zurückgezogen hätten,

wenn Frankfurt Sitz der Regierung geworden wäre. Wir sind auch selbstverständlich

damit einverstanden, wenn wir den Frankfurter Antrag annehmen,

der ja bedeutet, daß der Sitz des Verbandes in der Nähe des Regierungs- und

Bundessitzes sein soll. Wir sind uns klar darüber, daß wir nur Wert darauf

legen, den Sitz des Verbandsvorstandes an einen Platz zu verlegen, der die bestmögliche

Ausnutzung für die Organisation ergibt und der vor allen Dingen

auch für die Organisation am billigsten ist. Denn wir müssen uns darüber klar

sein: Sitzt die Hauptverwaltung in Hamburg, muß sie eine Nebenstelle in der

Nähe von Bonn, in der Nähe des Eundessitzes, unterhalten. Die Kollegen, die

bereits vor 1933 Angestellte und Funktionäre waren, wissen ja, daß der damalige

DENAG, der noch längere Zeit in Hamburg war, dauernd ein Büro in Berlin

unterhalten mußte, um mit den Regierungsstellen in Kontakt zu bleiben.

Es wurde hier zur Begründung angeführt, daß auf lohnpolitischem Gebiet

und bezüglich der Tarifpolitik dringend etwas geschehen muß. Wir dürfen aber

wohl sagen, daß Hamburg zweifellos der ungeeignetste Platz ist, etwas dafür zu

tun. Zweifellos liegen die iDinge so: Die Lohn- und Tarif Politik kann nur im

engsten Zusammenhang mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und mit dem

Arbeitsministerium gemacht werden. Wir dürfen uns 1 wohl darüber klar sein,

daß in Zukunft in erheblichem Umfange notwendig ist, mit den zuständigen

Stellen des Arbeitsministeriums zusammenzuarbeiten, wie ich bereits in meinem

Flugblatt sagte. Wir müssen das Nachtbackverbot für die gesamten Westzonen

gesetzlich neu regeln, wir müssen die Frage der Trinkgeldbesteuerung über alle

Westzonen gleichmäßig regeln, wir müssen manche Fragen, die gerade unsere

Berufe angehen, in einer Form regeln, daß sie einheitlich für alle drei Westzonen

sind. Das kann nur geschehen in engster Zusammenarbeit mit den zuständigen

Behörden. Es ist ja auch eigentümlich, daß noch nicht alle Behörden für

die Westzonen in Hamburg liegen! Nicht eine einzige liegt dort, sondern sie

Hegen alle im Westen, in Frankfurt, in Köln usw. Das Obergericht ist in Köln,

die Finanzverwaltung und die anderen Stellen sind vorläufig in Frankfurt.

Nun zur Raumfrage einige kurze Bemerkungen. In Köln hat das gewerkschaftswissenschaftliche

Institut ein neues Heim bekommen. Wir haben

inzwischen drei neue Häuser zurückbekommen, und wir haben eine ganze Etage

frei im Gewerkschaftshaus. Ich habe mich in Verbindung gesetzt mit Dr. Ebers.

Wir könnten auch das Haus von den Staats- und Gememdearbeitern im Zentrum

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der Stadt bekommen mit etwa 30 Räumen. Es müßte etwas geändert werden.

Wir haben es bisher nicht fertiggestellt, damit es nicht für Wohnungen beschlagnahmt

wird. Der Bund will es für andere Zwecke freihalten. Auch in dieser

Beziehung ist für alles gesorgt.

Kolleginnen und Kollegen! Köln liegt zentral, auch Frankfurt liegt zentral.

Das kann man von Hamburg nicht sagen. Ich glaube, es ist keiner hier, der es

so begründet. Es kommt weiter hinzu, daß das Leben, die Wirtschaft in der

Hauptsache im Westen konzentriert ist. Ich erinnere nur daran, daß die Masse

unserer Mitglieder und auch die Masse der Mitglieder in den übrigen Organisationen

doch im Westen zusammengezogen ist. Dann darf man eines nicht vergessen.

Wir haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß der Verbandssitz an

einen Platz kommt, an dem er fruchtbringende Arbeit leisten kann. Ich darf

wohl auch darauf hinweisen, daß vorläufig der Verbandsvorstand in Hamburg

vorerst auch nur fünf Räume zur Verfügung hat und daß keinerlei Unkosten mit

dem Umzug verbunden sind. Denn wir gründen heute eine neue Organisation,

und wir sind uns alle darüber klar, daß dieser Zustand nur so lange dauert, bis

auch die letzte Zone zu uns gestoßen ist. Aber wir müssen schon in diesem

Augenblick dafür sorgen, daß die Organisation rationell arbeiten kann und daß

sie in engster Verbindung mit den zuständigen Institutionen für die Durchsetzung

der Wirtschaftsdemokratie und vor allen Dingen auch für die politische Besetzung

der Industrie- und Händelskammern bzw. der Wirtschaftskammern und

Handwerkskammern zu sorgen hat. Das kann sie nur im Zusammenhang mit

den maßgeblichen Behörden.

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, den weitestgehenden

Antrag zu unterstützen, der dahin geht, den Sitz des Bundes dorthin zu verlegen

oder in die Nähe des Regierungssitzes oder in die Nähe des Sitzes des

Bundes. Im übrigen beantrage ich, über diesen Punkt geheim abzustimmen.

Vorsitzender: Kollegen, ich glaube, es bedarf das keines Antrages. Für

mich war es ganz selbstverständlich, daß wir bei diesen widerstrebenden Auffassungen

hierfür geheim abstimmen. (Zustimmung.) Wenn das die Meinung des

Gewerkschaftstages ist, erübrigt sich der Antrag. Ich stelle Ihr Einverständnis

fest. Es sind schon alle Vorbereitungen für die Abstimmung getroffen.

Das Wort hat der Kollege Schildknecht (Hamburg). Ihm folgt Krautter

(Hannover).

Darf ich noch eines sagen. Wir haben noch 10 Wortmeldungen. Ich habe

eine Bitte — es kommen sicher noch mehr —, daß sich die Redner möglichst

mit fünf Minuten begnügen, weil man das, was man hierzu sagen will, auch in

fünf Minuten sagen kann.

Schildknecht (Hamburg): Wenn wir von Hamburg aus den Antrag

stellten, den Hauptsitz nach Hamburg zu nehmen, so hat das mit Lokalpatriotismus

in keiner Beziehung etwas zu tun, sondern wir haben uns in dieser

Frage einfach von Zweckmäßigkeitsgründen leiten lassen. Es besagt auch nichts,

wenn bereits 22 Anträge vorliegen, die aus Süddeutschland usw. gestellt worden

sind. Warum sind nicht auch aus Norddeutschland mehrere Anträge gekommen?

Aus dem einfachen Grunde, weil man sich von vornherein darüber klar war.

daß der Sitz Hamburg bleibt, on die Arbeit des Hauptvorstandes laufend weitergehen

zu lassen. Denn nicht die Zahl der eingelaufenen Anträge entscheidet

heute, sondern es entscheiden die Delegierten.

Es steht doch fest, daß heute in Hamburg eine Verwaltung tätig ist, von der

aus bereits von unserer Gesamtmitgliederzahl von 224 000 126 000 verwaltet

werden. Wenn gestern der Antrag zum Beschluß erhoben worden ist, daß der

neue Verbandsvorstand seine Arbeit spätestens am 1. Januar 1950 aufnehmen

soll, so bedeutet das ja nicht, daß diese Arbeit unbedingt bis zu diesem Zeitpunkt

hinausgeschoben werden muß, sondern wir Hamburger sind der Überzeugung,

daß in dem Augenblick, wo der Hauptvorstand nach Hamburg kommt,

weil auf Grund der vielen Vorbereitungen die Voraussetzungen hier tatsächlich

vorhanden sind, die Arbeit des neuen Hauptvorstandes schnellstmöglich aufge-

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nommen werden kann. Die Raumfrage und alle diese Fragen sind in Hamburg

geklärt. Ich glaube, daß diesem Antrag tatsächlich nichts mehr hinzuzufügen

ist. Kommen wir nach Hamburg mit dem Hauptvorstand, mit dem nächsten

Verbandstag, an dem Deutschland ein wirklich geeintes Deutschland ist, ist dann

die Frage nach meiner Auffassung aktuell, darüber zu diskutieren, wo, wenn

der Osten dabei ist, endgültig der Hauptsitz der Industriegewerkschaft hinkommen

soll. Zunächst bleibt es nach unserer Auffassung bei Hamburg. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Krautter (Hannover). Ihm

folgt Ruft (Düsseldorf).

Krautter (Hannover): Wir haben die widersprechendsten Auffassungen

der verschiedenen Kollegen für Frankfurt, für Köln oder für Hamburg gehört.

Auch ich möchte für Niedersachsen folgendes ausführen: Wenn wir uns heute

zu entscheiden haben, wohin der Verbandssitz kommt, so muß hier wirklich die

Stimmung der Mitgliedschaft zu Ausdruck kommen. Die Stimmung der Mitgliedschaft

können wir aber nicht nur einseitig nach Süd- oder Norddeutschland

entscheiden, sondern ihr muß meiner Auffassung nach so Rechnung getragen

werden, daß nicht die Anzahl der Anträge entscheidet, sondern daß der tatsächliche

Wille der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommt, daß entscheidend ist,

welche Möglichkeiten für unseren Verbandsvorstand bestehen, die besten Lohnund

Arbeitsbedingungen zu schaffen und endlich zu einem anständigen Lebensstandard

für unsere Arbeiterschaft zu gelangen.

Wenn wir hier die Entscheidung treffen müssen, so müssen wir uns meiner

Auffassung nach von der Voraussetzung leiten lassen, daß der Umzug, der ja

ohne Zweifel von der heutigen Entscheidung abhängt, mit riesigen Unkosten

verbunden sein muß. Wenn die Kollegen aus Köln uns die verschiedensten

idealsten Gesichtspunkte" klarlegen, so können wir diese Dinge nicht ganz

bestreiten. Aber die Tatsache, daß die Kosten des Umzugs nicht klein sein

werden, muß bei der Entscheidung mit berücksichtig werden. Und wenn in

Hamburg, wie ein Kollege ausgeführt hat, nur fünf Räume vorhanden sind, so

glaube ich, daß dort Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden können, daß also

mehr Räume zur Verfügung stehen könnten. Wenn wir Köln oder Frankfurt

nehmen, so müssen diese Unterbringungsmöglichkeiten erst geschaffen werden.

Es müssen Umbauten vorgenommen werden, es müssen die Vorstandskollegen,

die heute im Vorstand sind und in Hamburg sitzen — ich nehme an, daß ein

großer Teil von ihnen mit in den Verbandsvorstand hineinkommt —„umsiedeln.

Diese Dinge gehen zu Lasten der Mitgliedschaft, und die Kosten sind nicht klein.

Aus diesem Grunde — halt, einen Punkt habe ich noch vergessen. Wir müssen

uns entscheiden, ob der Sitz des Hauptvorstandes in die Nähe des Regierungssitzes

kommt. Kollegen, ich glaube wir sind alle der Meinung, daß dieser

Regierungssitz, so wie er jetzt vom Parlamentarischen Rat beschlossen worden

ist, nicht endgültig sein wird, sondern das wird sein, daß wir wieder die Reichshauptstadt

bekommen, die wir auch einmal gehabt haben, und daß dann in dieser

Reichshauptstadt wieder der Verbandsvorstand seinen Sitz hat, wie er es ehemals

hatte. In dem Glauben, daß diese Dinge in der nahen Zukunft eintreten werden,

möchte ich dafür plädieren, daß wir den vorläufigen Sitz in Hamburg lassen

und dann, wenn die Umsiedlung oder die endgültige Festlegung der Regierungshauptstadt

feststeht, dorthin übersiedeln, wo auch die ganzen Behördenvertreter

und Regierungen ihren Sitz haben. (Beifall.) •

Vorsitzender: Es spricht der Kollege Ruft (Düsseldorf). Ihm folgt

Selpin (Hamburg).

Ruff (Düsseldorf): Kolleginnen und Kollegen! Die Meinungen über die

Sitzverlegung bzw. über den Sitz des neuen Verbandsvorstandes sind sehr verschieden.

Die Vorbereitungskommission hat ja mit Mehrheit Hamburg bestimmt.

Ich habe nicht die Absicht, mich auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren,

sondern ich stelle mich auf den Standpunkt, daß der geeignete Ort notwendig

ist, um allen Wünschen in dieser Hinsicht Rechnung zu tragen. Wenn beispiels-

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weise Hamburg in der Mitte liegen würde, würde ich heute ohne weiteres für

Hamburg stimmen. Mir ist nicht entscheidend der Ort, sondern entscheidend

ist, wie wir unsere Arbeit am besten leisten können. Hamburg hat eine alte

Tradition, aber, Kolleginnen und Kollegen, auch andere Orte haben Traditionen.

Sodann muß gesagt werden — das ist bereits zum Ausdruck gebracht worden —,

daß, .wenn der Biundessitz in die Mitte des westlichen Gebietes verlegt würde,

es außerordentlich schwierig sein würde, in dieser Hinsicht die Verbindung mit

dem Bündessitz aufrechtzuerhalten. Dazu kommt noch der Regierungssitz. Entweder

ist es Bonn oder es ist Frankfurt. Auf jeden Fall wird der Sitz mehr in

das westliche Gebiet verlegt als nach dem nördlichen Gebiet.

Des weiteren möchte ich einen Punkt hinzufügen, der heute noch nicht

erwähnt worden ist. Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Umzug riesige

Unkosten verursachen würde. Ja, Kollegen, darüber sind wir uns klar, daß wir

immer Unkosten haben. Aber glauben Sie vieleicht, wenn der Sitz in Hamburg

bleibt, daß dann die Unkosten geringer sind? (Sehr gut!) Stellen Sie sich einmal

vor, welche riesigen Unkosten wir allein durch Fahrgelder aufzubringen haben,

wenn wir vom äußersten Süden bis nach dem äußersten Norden unseren Sitz

verlegen. Das würde meiner Ansicht nach zweifellos die Unkosten aufwiegen,

die wir in dieser Hinsicht durch die Verlegung zu verzeichnen haben.

Auf der anderen Seite müssen wir aber auch den Kollegen von Süd- und

Mitteldeutschland, vom Rheinland usw. Rechnung tragen. Nachdem die meisten

Kollegen und Ortsverwaltungen von Süddeutschland den Wunsch geäußert

haben, den Sitz nach Frankfurt zu verlegen, glaube ich, kann man nicht so mit

einer Handbewegung darüber hinweggehen. Wir wollen in dieser Hinsicht die

Mitte herauswählen und wollen uns den besten Weg heraussuchen, damit alle

Kollegen gleichmäßig weit nach dem Sitz des Bundes haben, wodurch wir eine

ganz beträchtliche Summe Fahrgeldes ersparen können.

Der Kollege Maack ist der Auffassung, daß man solange warten soll, bis

eine Einigung mit der Ostzone erfolgt ist, die dann sowieso eine Verlegung

des Sitzes notwendig machen würde. Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir

werden noch ziemlich lange warten müssen, bis eine Einigung an' der Weise

erfolgen kann, daß wir auch eine Sitzverlegung nach Berlin oder irgendeinem

Zentralpunkt erwägen können. Ich meine, wir können uns von dieser Aufassung

nicht leiten lassen, sondern wir stehen auf dem Standpunkt: Wenn heute eine

Sitzverlegung bzw. eine Festlegung des Sitzes vorgenommen wird, dann kann

sie nur nach der Mitte des Westens erfolgen. Ob das Frankfurt oder Köln ist,

ist mir gleichgültig. Auf jeden Fall glaube ich damit den Kollegen von Süddeutschland

und auch den Kollegen vom Rheinland und ihren Wünschen

Rechnung zu tragen. (Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht Kollege Selpin (Hamburg). Ihm folgt Holler

(Neuß).

Selpin (Hamburg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Arbeitsausschuß

mit so großer Mehrheit Hamburg als Sitz des Hauptvorstarjdes vorgeschlagen

hat, dann ist der Verbandstag meines Erachtens gehalten, sich diese

wichtige Auffassung zu eigen zu machen. (Widersprucfl.) Wenn ich als Tabakarbeiter

zu dieser Frage Stellung nehme, dann als Vertreter der Genußmittelindustrie.

Ich glaube aber auch, daß die Nahrungsmittelindustrie ein bestimmtes

Interesse daran hat, auf Grund der Steuergesetzgebung mit der Bundesregierung

eng in Kontakt zu sein, damit unsere Interessen gut vertreten werden können.

Aber, Kollegen, wir können heute noch nicht sagen, daß Bonn die Hauptstadt

der Bundesrepublik werden wird, sondern es können doch meines Erachtens aus

denselben Gründen, die hier für Frankfurt ins Feld geführt wurden und denen

ich mich vollinhaltlich anschließe, auch die anderen Punkte ins Feld geführt werden,

nachdem die politische Situation noch nicht endgültig geklärt ist. Wir haben

doch gleich nach der Annahme Bonns als Bundeshauptstadt gesehen, daß sich

große Widerstände aus dem Süden erhoben haben. Ich nehme nicht an, auch wenn

wir Berlin mit hinzunehmen, daß Bonn letzten Endes die Hauptstadt der Bundes-

72


epublik werden wind. (Zuruf: Vorläufig ja!) Aber die Wünsche gehen dahin,

daß wir unseren Hauptvorstand an diesen Sitz verlegen. Diesen Wunsch habe

ich auch. Aber nachdem die politische Situation noch nicht geklärt ist, soll

j:ch der Verbandstag wahrlich überlegen, ob er bei einem Kassenbestand von

ICO 000 Mark noch eine Sitzverlegung des Vorstandes vornehmen soll, die, wie

mein Vorredner ganz richtig sagte, doch mit ziemlich hohen Kosten verbunden

ist. Es sind also reine Zweckmäßigkeitsgründe, die meines Erachtens auch den

Arbeitsausschuß veranlaßt haben, von einer Sitzverlegung des Vorstandes

Abstand zu nehmen. Ich bin auch der Auffassung, mich dieser Zweckmäßigkeit

anschließen zu müssen. Ich bitte den Verbandstag, dasselbe zu tun, denn die

endgültige politische Klärung, auch die endgültige Festsetzung unserer Grenzen

wie der Wunsch, daß wir wieder ein vereinigtes Deutschland sein wollen mit

Einschluß der Ostzone läßt es meines Erachtens dem Verbandstag angeraten

sein, von einer Sitzverlegung des Vorstandes im Augenblick abzusehen.

Dann mächte ich hinzufügen, daß ja gerade der Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband

doch auch in dieser Beziehung eine gewisse Tradition hat, da

der Sitz bereits in Hamburg war. Wir als Tabakarbeiter hatten unseren Sitz

in Bremen, trotzdem Berlin die Hauptstadt war. Ich will das nicht als den

schönsten Zustand verherrlichen, im Gegenteil, wir haben als junge Kollegen

damals dafür gesprochen, daß Berlin Sitz des Hauptvorstandes werden sollte. Es ist

nicht geschehen, aus Traditionsgründen nicht. Aber nicht nur aus Trad'itionsgründen,

sondern meines Erachtens aus Zweckmäßigkeitsgründen bitte ich Sie

davon abzusehen, den Sitz des Vorstandes aus Hamburg zu verlegen. Ich bitte

anzuerkennen, daß auch die Süddeutschen sich einen Augenblick dazu verstehen,

Hamburg als Sitz des Hauptvorstandes zu belassen.

Vorsitzender: Zur Geschäftsordnung spricht Lukner (Freiburg).

Lukner (Freiburg): Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Erörterungen

in diesem Punkt sind so eingehend erfolgt, daß kein Delegierter im Saale sein

wird, der durch weitere Ausführungen eine Entscheidung ändern würde. Ich

stelle deshalb den Antrag auf Schluß der Debatte.

Vorsitzender : Kollegen, geschäftsordnungsmäßig muß bzw. kann einer

dagegen sprechen. Ich möchte bitten, in dieser Sache die Aussprache noch nicht

abzubrechen, sondern daß wir noch einige Minuten darüber reden. Wir können

es uns dann noch überlegen. (Zurufe: Ich spreche dagegen!)

L u k n e r (Freiburg): Wieviele Redner sind noch vorgemerkt?

Vorsitzender: Acht Redner! Trotz allem würde ich bitten, noch einen

Augenblick zu warten. Die Herzen haben sich noch nicht genügend entlüftet.

Ich würde empfehlen, fünf Minuten Redezeit zu beschließen. (Allgemeine

Zustimmung. Zuruf: Aber nur für diesen Gegenstand!) Lieber Gott, selbstverständlich.

Ihr seid mißtrauische Geister! Ihr habt wenig Vertrauen. (Heiterkeit.)

Das Wort hat der Kollege Holler (Neuß.) Ihm folgt der Kollege Remppel

(Stuttgart).

Holler (Neuß): Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen im Augenblick vor

einer sehr ernsten Situation. Als ich vor zwei Jahren die Ehre hatte, in Hamburg

auf unserem Verbandstag der britischen Zone zu sein, habe ich ebenfalls zu

diesem Thema gesprochen. Ich würde es heute als eine Pflichtverletzung

betrachten, wenn ich nicht zu dem von mir gestellten Antrag selbst sprechen

würde. Kollegen, unsere Ortsgruppe Neuß hat den Antrag gestellt, daß der Sitz

der Hauptverwaltung der zukünftigen Organisation, d. h. unserer jetzigen Organisation

am Sitze der Bundesregierung oder in dessen Nähe sein soll. Bei der

Begründung des Antrags ließen Wir uns von folgenden Gesichtspunkten leiten:

Wir müssen bedenken, daß bei uns als gewex-kschaftlicher Bewegung wie als

Organisation nicht nur die Lohnbewegungen und die Tarifbewegungen im Vordergründe

stehen, sondern das Hineinwachsen in die Wirtschaft, das Mitgestaltungs-

Md Mitbestimmungsrecht in der Wirtschaft. Kollegen, da haben wir gesagt, die

Bewegung muß dort ihre Hand und ihr Ohr haben, wo wir den notwendigen

73


Einfluß gewinnen können. Das war und ist meine heiligste Überzeugung. Es ist

nicht ganz einfach, einen Sitz zu verlegen. Ich weiß das, aber Kollegen, wir

stehen vor der Frage, Wie dienen wir am besten unseren Menschen, die uns das

Vertrauen geschenkt haben, wie finden wir den Weg, daß wir aus der Organisation

herauskommen und Bewegung werden? Kollegen, das können wir meines

Erachtens am besten dadurch, wenn wir alle Kräfte dort zusammenfassen, wo

die größte Wirkung erzielt wird. Ich bitte deshalb, daß die Delegierten und der

Verbandstag einen Beschluß dahingehend fassen, daß der Sitz am Orte der

Bundesregierung oder in der Nähe ist. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Remppel (Stuttgart). Ihm folgt

Pufal (Hamburg).

Remppel (Stuttgart): Die aufgeworfene Frage ist ohne Zweifel wert, eingehend

diskutiert zu werden. Aber wir dürfen uns nicht von Gefühlsmomenten

leiten lassen. So erkläre ich es mir und kann es mir nur erklären, daß 22 Ortsverwaltungen

Frankfurt als Sitz beantragt haben. Wenn ich als Süddeutscher

aus Stuttgart für Hamburg plädiere, dann gestatten Sie mir auch die Begründung.

Nicht die 16 Stunden Eisenbahnfahrt von Stuttgart nach Hamburg und das ewige

Regenwetter in Hamburg und die mitunter sehr schlechte Unterbringung und

nicht zuletzt die manchmal nicht sehr freundliche Haltung unseren süddeutschen

Belangen gegenüber durch die Kollegen in Hamburg bewegen mich, für Hamburg

zu plädieren. Es ist etwas anderes. Kolleginnen und Kollegen, man sagt immer,

der Sitz unserer Gewerkschaft muß zentral gelegen sein. Kollegen, es ist gleichgültig,

ob die Norddeutschen nach Frankfurt fahren oder die Frankfurter nach

Norddeutschland. Das kostet nämlich genau soviel. Dieser Grund müßte also

ausscheiden. Dann, Kollegen, sagt man, wir müssen dorthin, wo die Behörden

sind. Das ist ohne Zweifel richtig. Aber wo sind sie denn im Augenblick?

Dann heißt es, wo der Bundessitz, ist. Das müßte aber vorher noch geklärt

werden. Kollegen, im Oktober wird sich der neue Gewerkschaftsbund konstituieren.

Auch er wird seinen Sitz bestimmen; glauben Sie denn, daß es sich

der Gewerkschaftsbund leisten kann, irgendwo seinen Sitz zu nehmen, wenn

nicht die Bundesregierung auch am gleichen Platz ist. Das ist fast undenkbar.

Also müßten wir heute praktisch beschließen, daß wir dorthin gehen, wo der

künftige Gewerkschaftsbund ist. Im Oktober werden die Beschlüsse über den

Sitz gefaßt. Ein halbes Jahr — ich wage wenig — gehen darüber hin, bis dann

endlich dieser Bund seinen Sitz halbwegs eingerichtet hat. Dann müßten wir

gleichzeitig unsere Sitzverlegung durchführen. Das wird aber eher mehr als

weniger Schwierigkeiten geben. Es kommt hinzu, daß wesentliche Kosten durch

eine solche Ummöblierung entstehen. Es handelt sich nicht nur um Büroräume,

sondern auch darum, -daß man verpflichtet wird, Wohnungen zu errichten, um

die Menschen unterzubringen. Ob wir uns das mit den Beiträgen leisten dürfen,

möchte ich anzweifeln. Ich werde das auch noch nachher begründen.

Wlas für mich das Wesentlichste ist, Kollegen, wir geben uns heute eine

Satzung, die grundverschieden ist von dem, was bisher war. Das bringt mit sich,

daß der künftige Hauptvorstand nicht nur organisatorisch, finanztechnisch, sondern

auch tarifpolitisch, also in jeder Frage, die unser ureigenstes Gebiet ist,

das entscheidende Wort zu sprechen hat. Stellen Sie sich jetzt vor, wir haben

in Hamburg einige Kollegen, die in der Lage sind, auf diesem Gebiet etwas zu

arbeiten und einige Erfahrung besitzen. Das wollen wir nicht bestreiten, nachdem

sie heute schon über 100 000 Mitglieder betreuen. Jetzt sollen wir uns bei

diesen ganzen Arbeiten noch damit beschweren, daß wir Umzugssorgen haben,

daß wir Umzugskosten auf uns nehmen? Dann sagen Sie mir einmal, bis wann

eine praktische Arbeit möglich sein soll. Das möchte ich Sie einmal allen

Ernstes fragen.

Ich habe einige Erfahrungen auf diesem Gebiet. Ich weiß, daß wir in bezug

auf Sozialpolitik und Arbeitsrecht die kommenden Gesetze beeinflussen wollen

und müssen. Aber, Kollegen, wir sind doch nur eine von den 15 Industriegewerkschaften.

Dieses Gebiet wird also im wesentlichen vom Bund bestritten

74


werden. Was wir bei den Verhandlungen anstreben müssen, ist, was heute in

Frankfurt bereits geschieht durch unseren Kollegen Wiegand, daß wir nämlich

in den Fragen, die unser ureigenstes Gebiet sind, nämlich das Gebiet der

Nahrungs- und Genußmittelbetriebe, versuchen, unseren Einfluß geltend zu

machen. Aber die Zwangsbewirtschaftung befindet sich doch Gott sei Dank auf

der absteigenden Linie. Wieweit an ihre Stelle eine Planwirtschaft tritt, wieweit

wir uns hier durchsetzen können, das wird das künftige Parlament zeigen. Wenn

eine Planwirtschaft an ihre Stelle tritt, dann wird dieser Mittelsmann, der seine

Erfahrungen mit den Menschen und den Behörden und mit der Materie durch

jahrelange Zusammenarbeit gewonnen hat, sie in die Waagschale werfen.

Ich darf mich kurz fassen, Kollegen. Ich gehe davon aus: Ich spreche nicht

im Auftrag der süddeutschen Kollegen, sondern aus Verantwortungsbewußtsein.

Ich sage, wir dürfen es uns nicht leisten, daß wir jetzt ummöblieren, wo wir

nicht wissen, wo der künftige Bundessitz und die Regierung ist. Ich hoffe, daß

wir in zwei Jahren wieder zusammenkommen. Ich hoffe/daß dann Berlin die

Hauptstadt ist. Ich glaube, dafür sprechen einige Anzeichen, die man heute

schon in der Presse zwischen den Zeilen sehen kann. Es ist nicht ausgeschlossen,

daß wir diese Zentrale als Hauptstadt bekommen, und zwar rascher als wir

denken.

Ich fasse zusammen: Kolleginnen und Kollegen! Wir können es uns nicht

leisten, bei aller Antipathie, die vielleicht gegen Hamburg herrscht, jetzt in

einer Zeit, wo alles im Fluß ist, umzumöblieren und in zwei Jahren wieder

umzumöblieren, was viel kosten wird. Mein Antrag geht daher dahin: Stimmen

Sie für Hamburg. Damit ersparen wir uns viele Kosten und viel Ärger.

Vorsitzender: Eine Mitteilung. Soeben ist einer unserer ältesten und

besten Kämpfer und Veteranen aus der Ostzone, der Kollege Hätschold, eingetroffen.

(Beifall.)

Als nächster Redner spricht der Kollege Pufal (Hamburg). (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)

Ihm folgt der Kollege Boos (Dortmund). (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)

Das Wort war schon erteilt.

Pufal (Hamburg): Es wurde vorhin von dem Kollegen Langenbach geäußert,

daß die vorliegenden Anträge für Frankfurt, gestellt aus 22 Ortsgruppen

der Industriegewerkschaften, den Beweis lieferten, daß die Demokratie in

diesem Falle maßgebend sei. Ich halte mich für verpflichtet, darauf hinzuweisen,

daß wir in dieser Anzahl von Ortsgruppen r.icht vertreten sind, sondern

daß wir in unserer neu beschlossenen Industriegewerkschaft 987 Ortsgruppen

haben. Es wurde vorhin von dem Kollegen Schildknecht ausdrücklich gesagt,

daß die Ortsgruppen Norddeutschlands keinen Antrag für den Verbandssitz

gestellt haben, weil die Kollegen aus Norddeutschland sich mit dem Bericht

des Arbeitsausschusses in ihren Ländern über seine Vorberatungen über den,

Sitz des Verbandes zufriedengegeben haben. Denn der Arbeitsausschuß ist schon

ifn Dezember vorigen Jahres, und zwar einstimmig) zu der Auffassung gekommen,

den Sitz nach Hamburg zu verlegen.

Kollegen, es ist hier über die Zeit und über die Fahrgelder gesprochen

worden, die die Fährten nach oben zum Hauptvorstand eventuell kosten

würden. Es ist hier von einigen Freunden auch ausgeführt worden, daß das

gleich ist, ob man aus dem Süden nach dem Norden fährt oder ob die norddeutschen

Kollegen nach dem Süden fahren. Die Kosten sind dieselben. Aber

eines steht heute ohne Zweifel fest: Das Fahrtproblem ist kein Problem mehr

für uns. Es ist heute glücklicherweise wieder so geregelt, daß bei uns die Züge

wieder laufen, und zwar in vorbildlicher Form. Es wurde hier auch angeführt,

daß einige Verbände — der Metallarbeiterverband wurde hier besonders genannt

— den Entschluß gefaßt hätten, ihren Sitz nach Frankfurt zu verlegen.

Ich glaube, diese Kollegen möchten ihren voreilig gefaßten Beschluß heute sehr

gern umstoßen. Diese Freunde sitzen heute mit ihrem Verbandstagsbeschluß

da, haben die Vorbereitungen getroffen, haben die Räume geschaffen. Diese

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Vorbereitungen kosteten dieser Organisation IV2 Millionen Mark. (Hört, hört!)

Von dem Kollegen Langenbaoh wurde dann noch erwähnt, daß wir in

Hamburg nur fünf Räume zur Verfügung hätten. Ich habe nach der Richtung

hin vorgearbeitet, Kollege Langenbach. Uns stehen in Hamburg 350 qm Büroräume

zur Verfügung. Das ist aber nicht das Wichtigste, Kollegen. Das Wichtigste

für uns ist, daß wir uns fragen müssen, wie die Wohnungsfrage für die

von uns umzusiedelnden Kollegen, d. h. die Kollegen, die durch utiseren Beschluß

eben doch umgesiedelt werden müßten, gelöst wird. Da haben wir

uns zu überlegen: Wo und wie schaffen wir die Wohnungen für diese Kollegen,

die nach der Zusammensetzung unserer heutigen Organisation ja in verstärktem

Maße in den Apparat des Verbandsvorstandes eingebaut werden müssen? Und

da haben wir in Hamburg die besten Voraussetzungen. Wir haben in Hamburg

ein ausgeprägtes Genossenschaftswesen auf dem Bausektor. Wir haben dort

große Baugenossenschaften, so daß die Möglichkeit gegeben sein wird, die Kollegen

unterzubringen. Wir haben aber auch in Hamburg die Voraussetzungen insofern,

als wir dort eine fast reine Arbeiterregierung haben, die uns nach

der anderen Seite hin unterstützen wird', nämlich in der Zuzugsgenehmigung

usw. Ich habe bereits mit dem Oberbürgermeister der Stadt Hamburg dahingehend

gesprochen und er hat mir die Zusicherung gegeben, alles Notwendige

zu tun bzw. mir die größte Unterstützung in dieser Beziehung angedeihen zu

lassen.

Es wurde uns gesagt, d'aß der Sitz des Verbandsvorstandes am Sitz des Bundes

sein müsse. Kollegen, ist es nicht so, daß, wenn der Sitz des Verbandsvorstandes

am jeweiligen Sitz des Bundes ist bzw. dort eingerichtet wird, die starke

Gefahr besteht, daß die Hauptvorstandsmitglieder alle Dinge durch die Bundesbrille

betrachten und daß dann eher diese Politik betrieben wird als eine

fruchtbringende Politik dadurch, daß die Kollegen aus dem Land zusammenkommen?

Wir haben heute den Holzarbeiterverband mit dem Sitz in Hamburg,

den Textilarbeiterverband in Bielefeld; den Fabrikarbeiterverband in Hannover.

Ist es da unbedingt notwendig, daß wir sagen: Der Sitz unseres Verbandes muß

beim Bunde sein? Wir würden es begrüßen, wenn wir beide Dinge geregelt

hätten, Bundes- und Regierungsstadt. Aber diese befinden sich selbst noch

im Umzug. Wollen wir uns genau so auf dieses Gebiet begeben? Außerdem

möchte ich darauf hinweisen, daß wir in zwei Jahren — derartige Anträge

liegen vor — erneut Stellung nehmen sollen nach der Richtung auf einen Verbandstag.

Was bedeuten zwei Jahre? (Glocke des Vorsitzenden.) Gestatten Sie,

daß ich noch ein paar Worte spreche. (Widerspruch.) Ich habe gesagt, daß wir

in der ganzen Organisation in Bewegung stehen, tarifpolitisch wie auch lohnpolitisch.

Wenn einer an der Spitze einer Organisation steht und einmal die

Dinge dort zu bearbeiten hat, so wird er sagen, daß zwei Jahre keine Ewigkeit

sind, sondern daß sie im Fluge vergehen. Da soll sich nun der kommende Verbandsvorstar.d

neben diesen Problemen auch noch mit Umzugsgedanken usw.

befassen? Das wäre eine Belastung, die wir dem kommenden Verbandsvorstand

einfach nicht zumuten können. (Beifall.)

Vorsitzender: Es spricht der Kollege Mohninger (Gelsenkirchen) zur

Geschäftsordnung.

Mohninger (Gelsenkirchen): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle

den Antrag, daß aus jeder Ortsverwaltung zu diesem Thema nur ein Kollege

spricht, um nicht unnötig die Debatte über diesen Punkt hinauszuzögern.

Vorsitzender: Ein solcher Antrag ist nach unserer Geschäftsordnung,

die wir beschlossen haben, nicht zulässig.. Es muß schon ein Antrag auf Schluß

der Debatte kommen. Es spricht jetzt Kollege Boos (Dortmund). Ihm folgt

Kollege Schließer (Braunschweig).

Boos (Dortmund): Kolleginnen und Kollegen! Ich komm; aus einer Gegend,

wo man sich tatsächlich mit der Frage des Verbandssitzes ausgiebig befaßt hat.

Wenn wir aus Westfalen weiter keinen Antrag gestellt haben, so allein aus

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dem Grunde, weil wir uns in unseren Ortsgruppen schon genügend über die

Zweckmäßigkeit des Verbandssitzes unterhalten haben. Ich kann hier betonen,

daß wir von der Ortsgruppe Dortmund aus erklärt haben, daß es nicht

an der Zeit sei, jetzt den Verbandssitz irgendwie zu verlegen, daß'^'wir uns

in einer Arbeit befinden, die wir zu allererst bewältigen müssen.

Ich möchte nun ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Langenbach

eingehen. Ich möchte betonen, daß Entfernungen heute überhaupt keine Rolle

mehr spielen. Denn, Kolleginnen und Kollegen, wir säßen heute nicht hier, wenn

Entfernungen noch eine Rolle spielten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die

Kosten eines Umzuges doch sehr stark ins Gewicht fallen. Die Kollegen aus

Berlin haben gestern schon erklärt, daß sie zu gleicher Zeit sich mit uns vereinigen

wollten. Nachdem sich der politische Horizont in allernächster Zeit

klären wird, glaube ich, daß wir sehr bald zu einem anderen Entschluß kommen

werden. Ich möchte deshalb gebeten haben, um ein einheitliches Bild von

diesem Zusammenschluß nach außen zu bieten, daß wir uns darüber klar sind,

daß wir aus Zweckmäßigkeitsgründen den. Verbandssitz diesmal noch in Hamburg

belassen und daß wir uns dann, wenn dieses Problem noch einmal zur

Sprache kommt, endgültig klarwerden, wohin wir unseren Sitz zu verlegen

haben. (Sehr richtig!)


Ich bin nicht derjenige, der irgendwie aus Partikularismus sprechen will.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich eines gesagt sein. Es würde

nach außen hin in den Reihen unserer Kolleginnen und Kollegen einen schlechten

Eindruck erwecken, wenn wir jetzt dazu übergehen würden, uns vielleicht

Unkosten aufzubürden, die wir nach außen hin vielleicht nicht verantworten

könnten. Deswegen bitte ich alle Anwesenden, sich darüber klar zu sein, daß

es am besten ist, jetzt, wo sich unsere Organisation in einer ungeheuren Arbeit

befindet, den Verbandssitz vorläufig in Hamburg zu belassen. Wenn wir dann

einmal wieder zusammenkommen, wollen wir endgültig bestimmen, wo wir hingehören

und dann bleiben wollen.

Vorsitzender: Zur Geschäftsordnung hat das Wort Kollege Nätscher

(Nürnberg).

Nätscher (Nürnberg): Gewerkschaftskollegen! Ich bin der Meinung, daß

wir jetzt mit der Debatte Schluß machen, nachdem alle Völkerstämme gesprochen

haben. Ich habe noch ein halbes Dutzend Meldungen hier. Sie können sich

weiterhin vermehren. Es sind Meldungen aus Landesteilen, die alle durch die

Bank bereits- reichlich zu Wort gekommen sind. Wir wollen niemand diese Möglichkeit

nehmen, aber ich bin der Meinung, daß wir jetzt lange genug darüber

geredet haben und stelle daher den Antrag auf Schluß der Debatte.

Schröder (Solingen): Ich bitte, dagegen sprechen zu d.ürfen. Kolleginnen

und Kollegen! Ich spreche gegen diesen Antrag aus folgenden Gründen: Wir

werden wohl erst in drei Jahren oder frühestens in zwei Jahren die Möglichkeit

haben, den heutigen Beschluß abzuändern. Da er so ungeheuer wichtig ist für

.die nächste Zukunft der gewerkschaftlichen Arbeit und der Organisation, halte

ich es nicht für richtig, daß man bei sechs Wortmeldungen schon abbricht.

Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Delegiertenkarte

zur Hand zu nehmen. Diejenigen Delegierten, die für die Annahme des

Antrages des Kollegen Nätscher auf Schluß der Aussprache stimmen wollen,

bitte ich, die Delegiertenkarte zu erheben. Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe,

Das erste war die Mehrheit. (Widerspruch. Zuruf: Das wird bezweifelt!)

Es gibt gar keinen Zweifel. Wenn es bezweifelt wird, muß ich auszählen lassen.

(Zuruf: Aufstehen!) Dann muß ich freundlich bitten, auszuzählen. Wenn ich

euch sage, es war die Mehrheit, dann könnt ihr es glauben. (Zuruf: Klar!) Wollt

ihr es nicht anerkennen? (Zurufe: Doch!) Also ist die Debatte geschlossen.

Dann hat das Schlußwort der Kollege Maack.

M a a c k (Berichterstatter, Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich

ganz kurz fassen. Ich verstehe durchaus die Argumente und Gründe, die von

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den Kollegen aus Süddeutschland hier angeführt werden, (Zuruf: Nicht nur aus

Süddeutschland!) Ich würde sie, ich will nicht sagen hundertprozentig, aber

mindestens fünfundachtzigprozentig unterstützen, wenn wir sowohl in der Frage

des Sitze's der Bundesregierung . . .

Vorsitzender: Einen Augenblick! Ich möchte die Delegierten bitten,

während des Schlußwortes des Kollegen Maack sich auf die Abstimmung vorzubereiten,

indem sie sich einen Stimmzettel machen, auf den Stimmzettel schreiben

sie den Ort, wo sie den Sitz haben wollen, damit die Abstimmung schneller

vor sich geht. (Zuruf: Wir wissen noch nicht, was Maack vorbringt!) Ich soll

euch vorbereiten. Das ist keine Wahlbeeinflussung. Die Frage ist: Ist die Mandatsprüfungskommission

hier zuständig? (Zuruf: Nein!) Da müssen wir eine

Kommission wählen, die nachher die Stimmzettel einsammelt und auszählt.

Nun bitte ich den Kollegen Maack, fortzufahren.

Maack (Lübeck): Ich wollte sagen, ich wäre fünfundachtzigprozentig derselben

Auffassung und würde sie in diesem Sinne unterstützen, wenn es einmal

festgelegt wäre, wo der Sitz der Bundesregierung und der Sitz des Bundesvorstandes

endgültig ist und wenn vorauszusehen wäre, daß in ganz absehbarer

Zeit die Verschmelzung mit der Ostzone stattfindet und wir also dann nicht

gezwungen wären, nach einer ganz kurzen Zeit erneut zu dieser Frage Stellung

zu nehmen. Unter diesen Umständen würde ich sagen: Jawohl, die Argumente

der Kollegen aus dem Süden, aus Köln usw. sind durchaus berechtigt.

Eines wollen wir aber doch bedenken, Kollegen, daß eine Verlegung des

Sitzes der Hauptverwaltung an irgendeinen Ort mit ungeheuer viel Schwierigkeiten,

Geldkosten' usw. verbunden ist. Es ist ferner klar, daß diese Umstellung

und dieser Umzug dann ein endgültiger sein muß, daß es unter gar keinen Umständen

angehen kann, daß man sich nach zwei oder drei Jahren erneut mit der

Frage beschäftigen muß, den Beschluß von heute revidieren zu müssen und dann

erneut diese ungeheuren Kosten auf sich zu nehmen. Das kann nicht angehen,

das wäre ja verantwortungslos, wenn wir derartiges hier beschließen würden.

Ich habe gestern in meinen Ausführungen bereits gesagt, daß in dem Ausschuß,

der sich aus 17 Mitgliedern aus den verschiedenen Ländern unseres Vaterlandes

zusammensetzte, die süddeutschen Delegierten ursprünglich auch der Auffassung

waren, von Hamburg wegzukommen und den Sitz nach Frankfurt oder Köln

oder sonstwohin zu verlegen. Wir haben uns eingehend in stundenlangen, ja, in

wochenlangen Unterhaltungen und Beratungen mit der Frage beschäftigt und

haben dann doch die Vernunft walten lassen und nicht das Gefühl und haben

uns gesagt: Was tut es schon, wenn wir jetzt einmal dieses Provisorium — und

als solches möchte ich es bezeichnen — weiter bestehen lassen, wenn wir einmal

unsere neue Organisation anlaufen lassen und uns nach zwei Jahren erneut hinsetzen

und sagen: Hat die Geschichte funktioniert oder hat sie nicht funktioniert?

Hat sie nicht funktioniert, dann können wir hier mit schlagenden Argumenten

auftreten und sagen: Unser Beschluß war falsch, wir müssen heute etwas anderes

tun, wir müssen den Sitz anderswohin legen.

Ich brauche hier nicht mehr allzuviel sagen, ich will auch gar nicht auf den

Antrag Köln noch besonders eingehen, wie ich dem Kollegen Langenbach zu

Beginn des heutigen Morgens versprochen habe. Das will ich gar nicht. Ich

möchte noch einmal an euch, Kollegen, appellieren: Laßt euch von rein verstandesmäßigen

Gründen leiten, steckt das Gefühl etwas zurück. Und da möchte

ich euch als Vorsitzender des Ausschusses wirklich warm empfehlen: Gebt Hamburg

eure Stimme.

Locherer (Mannheim): Zur Geschäftsordnung! Kolleginnen und Kollegen!

Es sind nicht nur Städte genannt worden, sondern es wurde auch von verschiedenen

Diskussionsrednern nur für den zukünftigen Sitz der Bundesregierung

oder dessen Nähe plädiert. Es liegt auch ein diesbezüglicher Antrag vor, der

Antrag Frankfurt. Ich beantrage deshalb, daß auch die Stimmzettel, auf denen

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steht „Sitz oder Nähe der Bundesregierung", gültig sind und nicht nur die

Stimmzettel, auf denen eine Stadt verzeichnet ist.

Vorsitzender: Wir brauchen darüber gar keinen Antrag, sondern formulieren

bei der Wahl so: Wer für den Sitz des Bundes stimmen will, schreibt

„Bundessitz". (Zuruf: Bundesregierung!) Das ist dasselbe. Wer für den Sitz des

Gewerkschaftsbundes stimmen will, schreibt Gewerkschaftsbund darauf. (Widerspruch.)

Wer einen anderen Ort haben will, Frankfurt, Köln, Hamburg oder

Schwetzingen — das ist mir ganz gleichgültig —, schreibt diesen Ort darauf.

Und nun bitte ich, eine Wahlkommission zu bestimmen. Ich schlage Ihnen

vor, daß wir die drei Mitglieder der Mandatsprüfungskommission damit beauftragen,

als Wahlkommission die Stimmzettel einzusammeln. Seid ihr fertig?

(Zuruf: Das Protokoll wird eben geschrieben!)

Langenbach (Köln): Zur Geschäftsordnung! Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin der Auffassung, daß man gemäß Frankfurter Antrag auch auf den

Stimmzettel schreiben darf „Sitz des Bundesvorstandes und der Regierung".

Dieser Stimmzettel kann dann auch nicht ungültig sein.

Vorsitzender: Nein, das soll er auch nicht. Die Willensbildung soll so

sein, wie es in den Anträgen schon zum Ausdruck gekommen ist. Nun bitte ich

die Wahlkommission . . .

Bauer (Heidelberg): Die Antragsteller sagen: Regierungssitz oder Bundessitz.

Ich möchte vorschlagen, daß die Abstimmung so gemacht wird: Regierungssitz,

Gewerkschaftsbund oder eine bestimmte Stadt.

Vorsitzender: Ich habe bereits gesagt: So wie die Anträgsteller in den

Anträgen, die ihr in euren Vorlagen habt, den Willen haben, es zum Ausdruck

zu bringen, so schreiben Sie es hier auf den Stimmzettel.

Langenbach (Köln): Zur Geschäftsordnung! Köln zieht seinen Antrag

zurück. (Beifall.) Damit ist nicht gesagt, daß jemand nicht Köln schreiben darf.

Das kann er trotz allem tun. Wir selbst aber ziehen den Antrag auf Köln zurück

und unterstützen den Antrag Regierungssitz. Damit sind wir den Süddeutschen

entgegengekommen.

Vorsitzender: Nun schreibt bitte das, was euch am Herzen liegt, darauf.

Unser Kollege Sonntag wird mit seiner Kommission die Stimmzettel einsammeln

und das Resultat bekanntgeben. Die Wahlkommission muß sich bei Abgabe des

Stimmzettels die Delegiertenkarte zeigen lassen.

B o o s (Dortmund). Ich habe eine Anfrage. Nachdem die Mandatsprüfungskommission

gebildet worden ist, wäre es für die Delegierten sehr angenehm,

wenn sie überhaupt wüßten, wie viele Delegierte anwesend sind.

Vorsitzender : Das kommt noch! Das Protokoll wird geschrieben und in

wenigen Augenblicken wird das Resultat bekanntgegeben.

Nun bitte ich die Wahlkommission, die Stimmzettel abzuholen.

Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort. Der § 1 wird hinsichtlich des

Sitzes durch das jetzige Abstimmungsergebnis entschieden. Er hat als Inhalt

auch noch den neuen Namen. Darüber ist nicht gesprochen worden. Ich darf

annehmen, daß Einverständnis beim Gewerkschaftstag besteht, den Namen so

zu lassen, -wie er in der Vorlage steht. Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann

kommen wir zu § 2. Das Wort hat der Berichterstatter, Kollege Maack.

Maack (Lübeck): Beim § 2 werden die Dinge etwas anders verlaufen. Ich

bitte die Delegierten, den Satzungsentwurf vorzunehmen und die einzelnen Paragraphen

nachzulesen. Wenn ich jetzt nämlich die einzelnen Paragraphen verlesen

würde, so würde das unendlich viel Zeit beanspruchen. Wir müssen versuchen,

die Sache auf einen möglichst kurzen, aber verständlichen Nenner zu

bringen. Ich werde also so verfahren, daß ich den betreffenden Absatz oder

Paragraphen nur verlese, wenn die Antragskommission den Vorschlag macht,

den ganzen Paragraphen umzuändern. Dann muß er natürlich verlesen werden,

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aber sonst werden wir die Anträge nur sinngemäß verlesen und den Vorsehlag

der Kommission zum Ausdruck bringen.

Ich bitte also, die Satzung zur Hand zu nehmen und mir zu folgen. Wir

kommen zu § 2, der den Organisationsbereich umfaßt. Zu diesem Paragraphen

haben die Ortsgruppen Nürnberg, Hof, Bamberg, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,

Naila, Kulmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach; Fürth, Coburg den

Antrag gestellt, das Wort „Hausangestellte" zu streichen.

Die Satzungskommission empfiehlt, diesen Antrag abzulehnen, weil uns die

Hausangestellten vom, Gewerkschaftsrat erneut zugesprochen worden sind. Die

Hausangestellten müssen irgendwo untergebracht werden. Da ist man in der

Spitze der Aulfassung, daß sie irgendwie in Verbindung zu bringen sind mit

Hotelangestellten, daß wir also die geeignete Organisation sind, um die Hausangestellten

aufzunehmen. Aus diesem Grunde bitten wir die Antragskommission,

den Antrag der von mir verlesenen Ortsgruppen abzulehnen.

Dann beantragt die Ortsgruppe Kassel, in der ersten Zeile das Wort „der"

zu streichen. Für den Unbeteiligten sind das böhmische Dörfer, was ich erzähle.

Aber ihr habt die Satzungen vor euch und wißt, was da gemeint ist. Kassel

beantragt, dafür einzufügen „in den" und dann in der vierten Zeile vor „Beherbergungs"

das Wort „Hotel" zu setzen. Wir bitten, diesen Antrag anzunehmen.

Dadurch würden sich die Anträge Bochum, Karlsruhe, Mannheim,

Heidelberg erledigen.

Dann beantragt die Ortsgruppe Hildesheim, das Personal in den Gutsbrennereien

und Gutsmolkereien mit aufzunehmen. Wir empfehlen, diesen Antrag

abzulehnen, da das Personal der Betriebe der Gutsbrennereien und Gutsmolkereien

der IG Land und Forsten zugeteilt ist und diese dafür zuständig ist.

Wir können sie bei uns nicht aufnehmen.

Ferner beantragt Hildesheim, das gewerbliche und kaufmännische Personal

der Zentralen bei den Konsumgenossenschaften mit aufzunehmen. Wir bitten,

auch diesen Antrag abzusetzen oder abzulehnen, da dieser Antrag — das kommt

nachher noch in den einzelnen Gruppen, die ich aufführe — durch den Absatz 9

unseres Statuts geregelt wird. Wir haben da eine andere Regelung gefunden.

Das wäre zunächst einmal das, was zu dem ersten Absatz, den Organisationsbereich,

zu sagen wäre. Vielleicht ist es zweckmäßig, daß wir über diese Dinge

im einzelnen abstimmen, weil sonst alles zu sehr vermischt wird.

Vorsitzender: Es ist eben vom Berichterstatter vorgeschlagen worden,

daß wir von § 2 nur den ersten Satz „Organisationsbereich" diskutieren. Es

liegt eine Wortmeldung von Gräbner (Kulmbach) vor. Soll sie sich darauf

beziehen? (Gräbner: Jawohl!) Dann bitte schön.

Gräbner: (Kulmbach): Kolleginnen und Kollegen! Wenn im § 2 insbesondere

die nordbayrischen Kollegen beantragt haben, daß unter Absatz 10 „alle in

der. privaten Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer" gestrichen wird, so

gehen wir dabei von folgenden Gedanken aus: Wir haben eine Industriegewerkschaft

beschlossen, und wir können nicht begreifen, warum Kolleginnen aus der

privaten Wirtschaft in eine Industriegewerkschaft aufgenommen werden sollen.

Von diesem Grunde allein haben wir uns leiten lassen. Wir müssen uns einmal

in bezug auf die organisatorische Arbeit auf die entsprechende Industrie einstellen;

auf der anderen Seite wissen wir ganz genau, daß wir uns, wenn wir

diese Angestellten hereinnehmen, eine zusätzliche Belastung aufbürden. Aus

diesem Grunde beantragen wir die Ablehnung der Ziffer 10.

Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Schließer (Braunschweig).

Schließer (Braunschweig): Wir haben uns mit dem Antrag Hildesheim

und mit den Anträgen, die hier vorliegen, eingehend beschäftigt und sind zu

dem Entschluß gekommen, daß es nur zusätzliche Arbeit und keinerlei Erfolg für

uns bedeutet, wenn wir die Hausangestellten in unsere Industriegewerkschaft

aufnehmen. Denn erstens haben wir keinerlei gesetzliche Mittel, die Arbeitgeber,

die überhaupt nicht existieren, die sich nirgends zusammengeschlossen

SO


haben, zu zwingen, mit uns Tarife abzuschließen oder irgendwie gesetzliche

Grundlagen vorzubringen. Wir haben uns mit den Kollegen der anderen

Gruppen eingehend darüber unterhalten und sind dann zu dem Entschluß

gekommen, daß wir versuchen wollen, die Hausangestellten bei Öffentliche

Betriebe oder sonst irgendwie unterzubringen, denn bei uns mit unseren 17 und

18 und noch mehr Sektionen ist es nicht möglich und bedeutet nur eine zusätzliche

Belastung. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der Ortsgruppen, die befürworten,

die Hausangestellten zu streichen', zu unterstützen.

Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen hierzu? Ich muß bitten, sich

etwas schneller zum Wort melden, damit nicht zuviel Zeit vergeht.

Bauer (Heidelberg): Ich möchte dem Antrag entgegentreten, und zwar aus

sozialen Gründen. (Sehr richtig!) Wler soll die Hausangestellten betreuen? Sie

können nur betreut werden von einer Industriegruppe, mit der sie verwandt

sind. Ich komme aus dem Hotelgewerbe. Wir wissen, daß zwischen dem Gaststättenpersonal,

dem Hotelpersonal und den Hausangestellten sehr enge

Beziehungen bestehen. Das weibliche Hauspersonal fluktuiert, heute ist es im

privaten Haushalt, morgen in der Gastronomie tätig. Wir müssen die Leute

betreuen, das ist unsere soziale Pflicht. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen,

daß diese Arbeit, so schwer und undankbar sie ist, aus sozialen Gründen geleistet

werden muß, und zwar von uns, weil sie von keiner anderen Industriegewerkschaft

geleistet werden kann. Ich bitte deshalb den Gewefkschaftstag, den

Antrag abzulehnen. \

Keil (Helmstedt): Auch ich war ziemlich erstaunt über den Antrag, die

Hausangestellten aus unserem Organisationsbereich herauszunehmen. Gerade

wir in unserer Industriegewerkschaft, die wir uns einen großen Teil der uns

noch fernstehenden Frauen und auch Jugendlichen heranholen müssen, haben

auf diesem Gebiet eine sehr schwere, aber, wie die Erfahrung gezeigt hat, auch

eine dankbare Aufgabe, diesen unseren Hausangestellten, bzw. den gemischt

Beschäftigten in den Hotel- und Gaststättenbetrieben, die zum großen Teil als

reine Hausangestellte mitbeschäftigt werden, endlich einmal vernünftige Lebensund

Lohnbedingungen zu erkämpfen. (Sehr richtig!) Das sehe ich als eine Aufgabe

an, die dankenswerter gar nicht sein kann. Und wenn einer der

Vorredner sagte, daß diese Hausangestellten in den Rahmen einer Industriegewerkschaft

nicht hineinpassen, gut, dann wollen wir sie in unsere Gewerk-^

schaft hineinnehmen. Ich bitte daher, in diesem Falle der Stellungnahme der

Antragskommission zuzustimmen, nach wie vor unsere Hausangestellten in

unserer Industriegewerkschaft, vielleicht als einen dankbaren, ja, ich möchte

sagen den dankbarsten Zweig unserer Mitgliedschaft, anzuerkennen und ihn

dementsprechend zu pflegen.

Treuheit (Wuppertal): Kolleginnen und Kollegen! Die Hausangestellten

sind am meisten ausgebeutet worden. Wir haben uns aus sozialen Gründen

schon frühzeitig mit der Arbeitsverwaltung in Verbindung gesetzt, um für sie

bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen. Ich bitte alle Kolleginnen

und Kollegen, diesen Antrag abzulehnen und die Hausangestellten in unserer

Industriegewerkschaft zu belassen.

Vorsitzender: Die Aussprache über diesen ersten Absatz ist geschlossen.

Wir stimmen jetzt ab. Ich bitte die Delegierten, ihre Karte zur Hand zu nehmen.

Wer dem Antrag der Arbeitskommission zustimmt, den Organisationsbereich so

zu belassen, wie er Ihnen im § 2 in der Vorlage vorliegt, den bitte ich, die Karte

zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen 4 Stimmen

angenommen.

Dann darf ich darauf hinweisen, daß wir jetzt allgemein zum § 2 sprechen.

Der § 2 hat 10 Absätze, Getränkewirtschaft, Getreidewirtschaft usw. Ich bitte,

Wortmeldunen immer nur jeweils zu dem Punkt einzureichen, der gerade zur

Behandlung steht. Wenn mir einer jetzt schon eine Wortmeldung zum Punkt 9

heraufreicht, so kann diese bei der Fülle der Meldungen leicht verlorengehen.

6 Protokoll 81


Darum bitte ich die einzelnen Redner-, der Reihe nach zu Punkt 1, 2, 3 usw. ihre

Wortmeldungen heraufzugeben.

Zu Punkt 1 „Getränkewirtschaft" hat das Wort der Kollege Maack.

Maack (Lübeck): Zur Getränkewirtschaft beantragt Bochum „Backaromen

und Essenzen" hinzuzufügen. Die Kommission empfiehlt, diesen Antrag

anzunehmen.

Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen zu Punkt 1 „Getränkewirtschaft"

liegen nicht vor. Wenn ich keinen Widerspruch höre, darf ich annehmen, daß

die Gewerkschaft dem Antrag des Ausschusses zustimmt. Ich stelle das fest.

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 2 „Getreidewirtschaft" beantragen Hof, Kronach,

Bamberg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Coburg, Bochum, Hamburg noch „Hefeindustrie"

und „Backmittelindustrie" einzufügen. Die Kommission empfiehl*.,

die Hefeindustrie einzufügen, die Backmittelindustrie nicht, weil Backmittel zum

großen Teil chemische Produkte sind und weil dadurch eine Differenz mit der

IG Chemie, Papier und Keramik entstehen könnte, die wir dadurch verhindern,

daß wir die Backmittelindustrie nicht besonders benennen. Das möchte ich hier

einmal zum Ausdruck bringen. Wir bitten also, die Benennung „Backmittelindiustrie"

hier fallen zu lassen.

Vorsitzender: Wortmeldungen liegen dazu nicht vor, weitere Anträge

auch nicht. Wenn ich keinen Widerspruch höre, stelle ich fest, daß die Ziffer 2

vom Gewerkschaftstag genehmigt ist.

Es kommt jetzt Ziffer 3.

Maack (Lübeck): Dazu beantragt Burgkunstadt, „Haut- und Darmsalzereien"

einzufügen. Bremerhaven schlägt vor, dem zweiten Absatz folgende Fassung zu

geben: „Fischwirtschaft mit allen Nebenbetrieben, muschelverarbeitende Betriebe,

Eiweißfabriken, Essig- und Senfbetriebe, Salzereien, Fisch-Im- und Exportläger".

Die Kommission schlägt vor, diesem Antrag Bremerhavens stattzugeben.

Vorsitzender: Zu Ziffer 3 hat Petersen (Kiel) das Wort.

Petersen (Kiel): Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich zu dem Absatz 3 daä

Wort nehme, so aus dem einfachen Grunde, weil in der Fischindustrie auf Grund

der Festlegung des Bundes weitgehende Zwiespältigkeiten vorgekommen sind.

Wir haben das Wort Fischindustrie erweitert auf Fischwirtschaft, weil in der

Fischwirtschaft sämtliche Fischlogger mitenthalten sind. Denn die Zwiespältigkeiten,

die bisher bei der'Organisierung bzw. Einfügung der Loggerbesatzungen

eingetreten sind, bedürfen einer weitgehenden Klärung. Es wurde von anderen

Industriegewerkschaften gegen unsere Auffassung Sturm gelaufen, daß wir die

Fischwirtschaft als Ganzes aufnehmen wollen, nachdem wir nun einmal eine

Industrieorganisation sind. Ich möchte nicht weiter auf die Ausweitungen, die

diese Auslegung zutage gefördert haben, eingehen, sondern Sie gleich bitten,

den Absatz so zu ändern, wie es die Ortsgruppe Bremerhaven vorgeschlagen hat.

Vorsitzender: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen

dann über Ziffer 3 ab. Ich bitte, die Delegiertenkarte zur Hand zu nehmen.

Wer die Ziffer 3 in der Fassung des Arbeitsausschusses annehmen will, den bitte

ich, die Karte zu erheben. — Ich danke. Es ist so beschlossen.

Wir kommen zu Ziffer 4 „Milch- und Fettwirtschaft".

Maack (Lübeck): Hier beantragt die Ortsgruppe Kempten, Ziffer 4

folgendermaßen ziu ändern: „Alle Milch, Milch- und Molkenprodukte ver- und

bearbeitende Betriebe, einschl. der Fertigungslagerungsbetriebe, Margarinefabriken,

Ölmühlen, Fettschmelzen sowie alle Betriebe der Speiseölraffination

und Speisefettherstellung." Die Kommission schlägt vor, diese Fassung anzunehmen

und dafür den im Entwurf aufgeführten Absatz 4 zu streichen.

Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth, Burgkunstadt, Naila, Kulmbach und Coburg

beantragen, „Molkereien,' Milchsammei- und Verkaufsstellen" einzufügen. Diese

Anträge bitten wir abzulehnen, weil wir letzten Endes nicht so weit gehen können,

daß wir jeden Milchhändler in mnsere Organisation aufnehmen. Wir sind eine

82


Industrieorganisation und vertreten daher als IG Nahrung — Genuß — Gaststätten

selbstverständlich nicht den Handel. Das wollen wir anderen überlassen. Wir

bitten also, diese Bestimmung und diese Anträge der von mir eben genannten

Ortsgruppen abzulehnen.

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht, gegenteilige Meinungen

auch nicht. Dann stelle ich fest, daß der Gewerkschaftstag die Ziffer 4 in der

Vorlage, wie sie der Ausschuß beschlossen hat, genehmigt. Ich stelle das fest.

Wir kommen zu Ziffer 5 „Zuckerwirtschaft".

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 5: ,,Zuckerwirtschaft" liegen — das ist, glaube

ich, der einzige Fall — keine Anträge vor. Da hat die Kommission also ausgezeichnet

vorgearbeitet. (Heiterkeit.)

Vorsitzender: Ich darf feststellen, daß der Gewerkschaftstag die

Ziffer 5 genehmigt hat.

Wir kommen zu Ziffer 6 „Obst- und Gemüsewirtschaft".

Maack (Lübeck): Hierzu beantragt München, „Tiefkühlung von Lebensmitteln

aller Art" einzufügen. Die Kommission bittet, diesen Antrag anzunehmen.

Kassel, Karlsruhe und Heidelberg wollen einfügen: „alle kartoffelverarbeitenden

Betriebe". Wir bitten, diesen Antrag abzulehnen, da er an sich gegenstandslos

geworden ist.

Vorsitzender: Gegenteilige Meinungen höre ich nicht, Wortmeldungen

auch nicht. Ich stelle fest: Ziffer 6 ist vom Gewerkschaftstag genehmigt.

Es folgt Ziffer 7 „Tabakwirtschaft".

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 7 „Tabakwirtschaft" liegen keine Abänderungsanträge

vor.

Vorsitzender: Es liegen keine Anträge vor, auch keine Wortmeldungen.

Ich stelle fest, daß die Ziffer 7 so genehmigt ist.

Jetzt kommt die Ziffer 8 „Hotels und Gaststätten".

Maack (Lübeck): Die Ziffer 8 „Hotels und Gaststätten" lautet: „Alle Betriebe,

die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sine*, sowie Großund

Fernküchen." Da beantragt Kassel, diesen Absatz folgendermaßen zu

ändern: „Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner

die Mitropa und Sanatorien." Die Kommission empfiehlt die Annahme dieses

Antrags. Dadurch wären die Anträge Hildesheim, Karlsruhe, Mannheim und

Heidelberg erledigt. (Zuruf: Stimmt aber nicht!)

Vorsitzender: Nach dem Vorschlag des Ausschusses soll es, wenn ich

richtig unterrichtet bin, heißen: „Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungsbetriebe,

Küchenbetriebe aller Art, ferner die Mitropa und Sanatorien." So ist die neue

Fassung.

Maack (Lübeck): Ja, ich habe ausdrücklich zu Beginn gesagt: Der von uns,

also von der Kommission, im Entwurf vorliegende Antrag bzw. die beiliegende

Fassung soll gestrichen werden. Unsere ursprüngliche Fassung besagt ja, „alle

Betriebe, die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sind." Das haben

wir durch den' Antrag Kassel beseitigt, indem wir sagen: „alle Hotel-,

Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner die Mitropa und

Sanatorien." Damit haben wir das „konzessionspflichtige" beseitigt. Das empfehlen

wir anzunehmen. (Widerspruch.)

Schleicher (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Als Vertreter des

Gaststättengewerbes, der wir gerade in Hamburg mit derlei Betrieben sehr

viel zu tun haben, muß ich darauf aufmerksam machen, daß wir verschiedene

Betriebe haben, z. B. Fischbratbetriebe und Konditoreien, die eine Schankerlaubnis

haben, eine Viertel- oder eine halbe Konzession, zum Teil .auch eine

volle Konzession und daß diese Gruppen seinerzeit auf Veranlassung des Reichstreuhänders

der Arbeit aus dem Gaststättentarif herausgenommen wurden. Wir

6* 83


können es uns nicht gestatten, diesen Passus „konzessionierte Betriebe" zu

streichen, weil dann gerade diese Gruppen "darauf fußen würden, weil sie

anders gelagert und anders geartet sind. Sie würden dem Tarifvertrag des

Gaststättengewerbes entgehen. Der Passus „alle konzessionierten Betriebe nach

dem Gaststättengesetz" muß also unbedingt erhalten bleiben.

Vorsitzender: Der Ausschuß steht allerdings mit mir auf dem

Standpunkt, daß wir nicht nur von konzessionierten Betrieben sprechen, sondern

sämtliche Betriebe erfassen wollen. Willst du noch etwas sagen?

B a ue r -(Heidelberg): Kolleginnen und Kollegen! Beim Kollegen Schleicher

liegt nach meinem Dafürhalten ein Irrtum vor. Es ist im Entwurf ausdrücklich

gesagt: „Alle Betriebe, die nach dem Gaststättengesetz konzessionspflichtig sind

sowie Groß- und Fernküchen." Damit war nicht alles getroffen, denn es gibt

Beherbergungsbetriebe, die nicht konzessionspflichtig sind im Sinne des Gaststättengesetzes.

Dazu gehören Fremdenheime, Pensionen ohne Schar.kbetrieb.

Wenn die Fassung, die die Kommission vorschlägt, das Wort enthält — ich

weiß es nicht mehr genau — alle Betriebe, die konzessionspflichtig sind und

sonst im einzelnen aufführt Hotel- und Gaststätten-, Beherbergungs- und

sonstige Betriebe, Mitropa usw., dann ist alles erfaßt. Wenn das Wort konzessionspflichtig

enthalten ist, sind auch die Betriebe erfaßt, die der Kollege

Schleicher meint. Es ist gleichgültig, ob sie eine Konzession, eine Vierteloder

halbe Konzession haben, denn das Gaststättengesetz spricht einfach von

konzessionspflichtig.

Wir müssen uns weiter darauf konzentrieren, daß wir im Zeichen der

absoluten Gewerbefreiheit, wie sie durch die Anordnung der Militärregierung

rechtens geworden ist, den gegenüber dem früheren Rechtsstandpunkt auf Grund

des Gaststättengesetzes veränderten Rechtsverhältnissen Rechnung tragen. Das

geschieht im Sinne des Vorschlages der Kommission. Ich bitte deshalb, den

Kommissionsantrag anzunehmen.

Vorsitzender: Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Dann hat

zu diesem Punkt der Kollege Maack das Schlußwort.

Maack (Lübeck): Der Kollege Schleicher geht hier von etwas falschen

Voraussetzungen aus. Wir umgrenzen hier unseren Organisationsbereich und

sprechen hier nicht von irgendwelchen Tarifverhandlungen oder Verhandlungen

mit Arbeitgebern. Wir stellen hier fest die Beschäftigten in den und den

Betrieben. Da ist es uns ganz gleich, ob diese Betriebe konzessioniert sind oder

nicht oder was wir mit diesen Betrieben in punkto Lohn- und Arbeitsregelung

tun. Das interessiert uns in diesem Zusammenhang überhaupt nicht,

sondern wir legen fest: Alle in diesen Betrieben Beschäftigten gehören zu

tinserem Organisationsbereich. Es ist durchaus richtig, wenn wir die Fassung

so machen, wie sie Kassel vorgeschlagen hat. Das möchte ich nur noch einmal

sagen.

Schleicher (Hamburg): Ich möchte bitten, daß der Antrag in der neuen

Fassung vorgelegt wird.

Maack (Lübeck): Hier ist noch eine schriftliche Anfrage eingegangen, die

lautet: „Es wurde doch gesagt, daß die Konzessionspflicht nach dem Gesetz

nicht mehr beachtet wird."

Vorsitzender: Das gilt nur für Bayern, wo die Gewerbefreiheit

herrscht. (Zuruf: Für die ganze US-Zone!)

Maack (Lübeck): Interessiert uns gar nicht!

Vorsitzender: Das sind die Unterschiede in den Besatzungszonen. Der

neue Wortlaut, den wir von der Kommission aus vorschlagen, ist folgender:

„Hotel-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Küchenbetriebe jeder Art, ferner die

Mitropa und Sanatorien." Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen,

die Karte zu erheben. — Ich danke. Die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.

84


Wir kommen nun zum nächsten Gegenstand, zu Ziffer 9 des § 2. Vorher

aber wird noch die Mandatprüfungskommission Bericht erstatten. Wer

macht das?

Trumm: Kolleginnen und Kollegen! Namens der Mandat- und Wablprüfungskommission

danke ich Ihnen zunächst für das Vertrauen, das Sie

uns durch die Wahl geschenkt haben. Wir haben nach bestem Wissen und

Können folgendes Ergebnis festgestellt: Es sind insgesamt 156 Delegierte anwesend,

davon 150 Kollegen und sechs Kolleginnen. Als Gastdelegierte sind

anwesend insgesamt 58, davon 16 Jugendliche. Diese Jugendlichen teilen sich in

15 Kollegen und zwei Kolleginnen. (Zuruf: Langsamer!) Als Gastdelegierte

sind insgesamt 58. (Vorsitzender: Bitte, von Anfang an wiederholen!) Es sind

insgesamt 156 Delegierte anwesend, davon 150 Kollegen und sechs Kolleginnen.

Als Gastdelegierte sind insgesamt 58, davon 16 Jugendliche. Von den 156 Delegierten

hat ein Kollege, und zwar der Kollege Späth aus Darmstadt, seine Mitgliedskarte

samt seiner Briefmappe verloren. Dies wird unter Beweis gestellt

durch den Zeugen Kollegen Warnecke. Zwei Kollegen haben die Beiträge,

wie die Richtlinien es vorgesehen haben, nicht für den Monat April

geklebt. Die Mandatprüfungskommission stellt es dem Verbandstag anheim,

zu beschließen, daß die vorgenannten Kollegen stimmberechtigt sind.

Die Beitragszahlung setzt sich wie folgt zusammen:

a) Wochenbeiträge: 1 Mitglied 25 Pf., 1 Mitglied 40 Pf., 2 Mitglieder 50 Pf.,

4 Delegierte 60 Pf., (Zuruf: Langsamer, die. Leute wollen doch mitschreiben!)

6 Delegierte 70 Pf., 22 Delegierte 80 Pf., 14 Delegierte 1 DM,

14 Delegierte 1,20 DM, 34 Delegierte 1,50 DM. Das sind 98 Delegierte mit

Wochenbeiträgen.

b) Monatsbeiträge: 1 Delegierter 1,20 DM, 1 Delegierter 2,— DM, 6 Delegierte

3,— DM, 9 Delegierte 4,— DM, 12 Delegierte 5,— DM, 10 Delegierte

6,— DM, 5 Delegierte 7,— DM, 5 Delegierte 8,— DM, 1 Delegierter 9,— DM

und 6 Delegierte 10,— DM. Das sind 56 Delegierte mit Monatsbeiträgen,

insgesamt 154 Beitragsmitgliedsbücher.

Das Lebensalter der anwesenden Delegierten beträgt: 1 Delegierter unter

20 Jahren, 8 Delegierte von 20—30 Jahren, 18 Delegierte von 30—40 Jahren,

50 Delegierte von 40—50 Jahren, 55 Delegierte von 50—60 Jahren, 19 Delegierte

von 60—70 Jahren, 3 Delegierte über 70 Jahre. Bei 2 Delegierten kann das Alter

nicht festgestellt werden; das sind insgesamt 156.

An Hand der Mitgliedsbücher war es nicht möglich, die Verbandszoigehörigkeit

vor 1933 einwandfrei festzustellen. Die Mandatprüfungskommission hat

daher die Organisationszugehörigkeit seit 1945 ermittelt: 89 Kollegen seit 1915,

56 Delegierte seit 1946, 6 Delegierte seit 1947, 3 Delegierte seit 1948.

Die anwesenden Delegierten setzen sich aus 50 hauptamtlichen und 106 ehrenamtlichen

Kollegen zusammen.

München, den 25. Mai 1949. ' Die Mandatprüfungskommission.

Vorsitzender: Sie haben den Bericht der Mandatprüfungskommission

gehört. Die Mandatprüfungskommission beantragt die Gültigkeit der Mandate

bis auf die drei, deren Gültigkeit sie in die Entscheidung des Gewerkschaftstages

stellt. Das sind folgende Fälle: Der eine hat sein Mitgliedsbuch und seine

Brieftasche verloren. Das wird ohne Zweifel von uns anerkannt werden können.

Oder erhebt sich Widerspruch? — Nein! Die andern beiden haben ihre Beiträge

nur bis März bezahlt. Die Frage ist, ob das Mandat trotzdem anerkannt werden

soll. (Zuruf: Großzügig sein!) (Weiterer Zuruf: Sollen 10 Mark Strafe zahlen!)

Wir haben hier das Konzentrationslager Dachau in der Nähe. (Heiterkeit.) Ich

würde empfehlen, daß wir sämtliche Mandate für gültig erklären. Ich stelle Ihr

Einverständnis damit fest.

Trumm: Kolleginnen und Kollegen! Anschließend gebe ich Ihnen das

Ergebnis der Abstimmung über den Sitz des Verbandes bekannt. Die Mandat-

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und Wiahlprüfungskommission hat bei der Abstimmung über den Sitz des

Verbandsvorstandes folgendes Ergebnis festgestellt: Gültige Stimmen wurden

abgegeben insgesamt 156. Es stimmten für den Regierungs- bzw. Bundessitz 41,

für Frankfurt 32, für Köln 4, für Hamburg 79. (Beifall.) Das sind insgesamt

156 Stimmen.

Vorsitzender: Damit hat der § 1 unserer Satzung folgenden Wortlaut:

Die Gewerkschaft führt den Namen: Industriegewerkschaft Nahrung —

Genuß — Gaststätten. Sie erstreckt sich räumlich auf die britische,

amerikanische und französische Zone, hat ihren Verwaltungssitz in Hamburg

und ist Mitglied des Bundes.

Welchen Bundes, das haben wir offen gelassen. Das wird erst bei der Verschmelzung

der Bünde der Zonen und Länder, die noch in diesem Jahre erfolgt,

geklärt.

§ 1 ist damit erledigt. (Zuruf.)

' Wir kommen zu Punkt 9 des § 2. Das Wort hat der Kollege Maack.

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 9 ist folgendes zu sagen. Da sind betr. der

Konsumgenossenschaften und der Genossenschaften überhaupt Anträge und

Meinungen aus Kollegenkreisen eingegangen. Hier müßte einmal eine Klärung

erfolgen. Diese Meinungen und Anträge und Auffassungen sind ja durch verschiedene

Anträge e~rhärtet worden. Da hat sieh die Kommission hingesetzt und

hat eine neue Fassung für den Absatz 9 vorgeschlagen oder schlägt sie vor, und

zwar folgendermaßen: Statt „Nebenbetriebe" „Genossenschaften der Nahrungsund

Genußmittelindustrie", dann folgendes: „Alle Genossenschaftsbetriebe

(Konsumgenossenschaften usw.) soweit sie die Produktion oder den Vertrieb für

Nahrungs- und Genußmittel als Aufgabe haben." Diese neue Fassung schlägt

die Kommission also dem Gewerkschaftstag vor. Damit wären die Anträge

Burgkunstadt, Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth,

Kassel, Bremen, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg erledigt.

(Zuruf: Bitte noch einmal die neue Fassung vorlesen, aber langsam!)

Ich wiederhole noch einmal. Als Überschrift käme jetzt „Genossenschaften

der Nahrungs- und Genußmittelindustrie". Fertig? (Zustimmung.) Nun geht es

erst los. Das war die Überschrift. Es geht dann weiter: „Alle Genossenschaftsbetriebe

(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie . .."

Vorsitzender: Zunächst einmal trägt der Berichterstatter vor. Ich

werde dann, wenn der Beschluß vorliegt, Ihnen die Fassung langsam zum Mitschreiben

vorlesen.

Maack (Lübeck): Das ist vielleicht richtig so. Dann lese ich noch einmal

schnell vor. Dann wird es so gehandhabt, wie Wieber es sagt. „Alle Genossenschaftsbetriebe

(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie die Produktion oder

den Vertrieb für Nahrungs- und Genußmittel als Aufgabe haben."

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Lenderoth (Kassel).

Lenderoth (Kassel): Ich glaube, es ist das erste Mal, daß man sich auf

einem Verbandstag mit den Konsumgenossenschaften befaßt. Wir haben uns im

Ausschuß bei diesem Paragraphen eingehend mit der Frage befaßt, ob die

Konsumvereine namentlich herein sollen. Ich persönlich bin der Auffassung,

daß, da in den verschiedensten Landesteilen eine uneinheitliche Auffassung

besteht, unbedingt Klarheit geschaffen werden muß, nachdem die Konsumgenossenschaften

früher mit die Träger der Organisation gewesen sind. Denn

aus ihnen sind die allerbesten Funktionäre hervorgegangen. Jetzt bemüht sich

natürlich eine Organisation nach der anderen, um die Konsumgenossenschaftsbelegschaften

für sich in Anspruch zu' nehmen. Deshalb ist es dringend notwendig,

daß man sich hier mit der Frage befaßt, daß die Konsumgenossenschaften

durch den Gewerkschaftsbund endlich der Gewerkschaft Nahrung —

Genuß — Gaststätten zugeführt werden. (Beifall.)

86 •


Gestern hat eine Kollegin treffend die Frage Genossenschaft und Wirtschaft

berührt. Ich möchte das nicht wiederholen. Es ist in Zukunft eine Selbstverständlichkeit,

daß diese Zwangsmittel von einer Organisation unbedingt aufhören.

Wir in Hessen haben zu verzeichnen, daß sich der Handel auch mit der

Frage befaßt, die Konsumgenossenschaften wieder in Anspruch zu nehmen. Wir

lehnen das ab. Deshalb ist es notwendig, daß ein Antrag gefaßt wird, daß die

Genossenschaften mit ihrem Fachpersonal nicht den GEG-Betrieben, sondern

Nahrung und Genuß zugeschrieben werden. Ich bitte, dem Antrag deshalb

zuzustimmen.

Vorsitzender: Ich bitte zium Mitschreiben zur Kenntnis zu nehmen, wie

der Wortlaut sein soll. Überschrift: „Genossenschaften der Nahrungs- und

Genußmittelindustrie." Dann kommt die Erläuterung: „Alle Genossenschaftsbetriebe

(Konsumgenossenschaften usw.), soweit sie die Produktion oder den

Vertrieb von Nahrungs- und Genußmitteln als Aufgabe haben."

Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Ich kann, ohne Widerspruch

zu hören, feststellen, daß es so beschlossen wurde.

Es kommt Ziffer 10 „Hauswirtschaft". Das Prinzip, daß die Hausangestellten

in die Statuten mit aufgenommen werden sollen, ist vorhin schon entschieden

worden. Jetzt hat dazu noch das Wort der Kollege Langenbach (Köln) — Verzeihung,

zuerst noch der Kollege Maadk.

Maack (Lübeck): Kollegen! Hierzu beantragt Köln, das Wort „privaten"

zu streichen, also dann den Absatz folgendermaßen lauten zu lassen: „Alle in der

Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer." Die Kommission empfiehlt, diesem

Antrag stattzugeben. Damit sind die Anträge erledigt — ich brauche jetzt die

ganzen Orte nicht zu wiederholen, es sind dieselben Orte, die vorhin beantragt

haben, den ganzen Passus zu streichen — oder soll ich die Orte noch einmal

wiederholen?

Vorsitzender: Nein! In der Vorlage Seite 7 unter 10. Hauswirtschaft

sind sämtliche Anträge abzulehnen.

Maack (Lübeck): Es sind sämtliche Anträge abzulehnen bis auf Köln. Das

habe ich eben gesagt. Dieser wird empfahlen zur Annahme.

Langenbach (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Nur ein paar Worte

dazu. Wir haben deshalb den Antrag gestellt, weil wir, nachdem wir nun die

Hausangestellten organisieren müssen, auch die Hausangestellten aus den Kreisen

der Arbeiterwohlfahrt, der Gewerkschaftsheime, der Gewerkschaftsschulen, der

Schulen der Arbeitervereine für uns reklamieren, und zwar deshalb, weil wir,

wenn wir schon das private Haushaltsgewerbe organisieren müssen, zumindest

auch die Kolleginnen in diesen Heimen haben müssen, damit wir eine Grundlage

für die Organisation und wenigstens einige Funktionäre zur Verfügung haben.

Vorsitzender : Wortmeldungen höre ich nicht mehr, Widerspruch auch

nicht. Dann stelle ich fest, daß Ziffer 10 auch genehmigt ist. Somit ist der ganze

§ 2 unserer neuen Satzung beschlossen.

War kommen dannn zu § 3 „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft". Das

Wort hat der Kollege Maack.

Maack (Lübeck): Zum § 3 „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft"

beantragt Kassel hinter „religiösen Fragen" noch „rassische Tendenzen" zu

setzen. Die Kommission befürwortet das bzw. schlägt vor, diesem Antrag stattzugeben.

Außerdem beantragt Köln, noch das Wort „berufliche" aufzunehmen.

Auch diesem Antrag ist nach Auffassung der Kommission zuzustimmen. Köln

beantragt dann, dem Absatz 4, „Erzielung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen",

das Wort „Gehalts" mit einzufügen. Auch hier schlagen wir vor,

diesem Antrag stattzugeben. Den Absatz 10 schlägt die Satzungsberatungskommission

vor, wie folgt zu ändern. Der Absatz 10 wäre nach unserem Vorschlag

zu streichen und dafür folgender Passus zu setzen: „Information und

Aufklärung durch Herausgabe und Lieferung einer eigenen Gewerkschaftszeitung

und anderer Schriften." Dazu liegt eine ganze Reihe von Anträgen

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vor, die dahin gehen, für jede Sparte, für jede Sektion usw. eine eigene Zeitschrift

herauszugeben. Das würde an sich natürlich zu weit führen und würde

uns heute einfach überlasten, es wäre nicht möglich. Wir glauben, durch die

Formulierung, wie wir sie in der Kommission gefunden haben, die Möglichkeit

zu schaffen, daß es dort, wo die Schaffung eines eigenen Mitteilungsblattes oder

einer eigenen Fachschrift sich als unumgänglich notwendig erweist, durch

diese Fassung ohne weiteres möglich ist. Wir bitten also, diesem geänderten

Vorschlag der Kommission die Zustimmung zu geben.

Damit wären die Anträge Nürnberg, München, Würzburg, Regensburg.

Ansbach, Schwabach, Fürth, Eßlingen, Kellinghusen, Elmshorn, Mannheim,

Heidelberg, noch einmal Kellinghusen, Bottrop, Gelsenkirchen, Buer, Gladbeck,

Hameln, Burgkunstadt, Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth, Naila, Kiulmbach.

Coburg, Kassel, Duisburg, Hockenheim, Eßlingen, Karlsruhe und Heidelberg

teilweise erledigt, weil sie dasselbe wollen und zum anderen aus den von mir

vorgetragenen Gründen abgelehnt.

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Wenn Sie es wünschen,

verlese ich noch einmal den Vorschlag für die künftige Fassung des § 3, damit

Sie den Sinn erfassen. Sie können es aber nicht alles mitschreiben. (Zuruf: Zur

Geschäftsordnung!) Gelsenkirchen meldet sich.

Benner (Gelsenkirchen): Kolleginnen und Kollegen! In unserem Bereich

Gelsenkirchen, Bottrop, Buer hat immer wieder die Jugend eine große Rolle

gespielt. In unseren Orten haben zum größten Teil Jugenddelegiertentagungen

stattgefunden. Gerade diese Jugend hat zum Ausdruck gebracht, daß unser

Verband mehr für sie tun soll. Wir haben feststellen können, daß die Innungen

im Bezirk sehr rege sind, daß sie durch ihre Meister Lehrgänge veranstalten,

Gel'der hineinwerfen, daß die Hotelbetriebe durch die Industrie- und Handelskammern

für sich in Anspruch nehmen, die Ausbildung zu tragen. Wenn wir

von seilen des Verbandes in unserer Gewerkschaft diesen Jugendlichen nicht

auch eine finanzielle Hilfe geben, dann werden sie ideologisch ausgerichtet zu

diesen Prinzipien der Meister. Das wollen wir unter allen Umständen verhüten.

Deshalb wünschen wir, daß vom Verband aus mehr finanzielle Hilfe geleistet

wird für den jugendlichen Nachwuchs, für die Jugendpflege und für die

Pflege der Solidarität der Jugendlichen. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat zunächst der Kollege Nätscher (Nürnberg).

Nätscher (Nürnberg): Kollegen! Die Antragsprüfungskommission schlägt

Ihnen vor, den aus Bayern gestellten Antrag, der in seinem Tenor dahin lautet,

einen Absatz als Ziffer 13 anzufügen, „aktive Unterstützung und Werbung für

die Konsumgenossenschaften", abzulehnen. Ich bin nicht dieser Meinung, und

ich glaube, ich befinde mit mit dieser Auffassung in sehr angenehmer Gesellschaft.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ausführungen der

Genossin Günzel, die im Auftrag der bayrischen Konsumgenossenschaften deutlich

herausgestellt hat, daß wir, wenn wir schon in unserem Programm die

Bestimmung aufnehmen, für die Demokratisierung zu sorgen oder sorgen zu

müssen, dann verpflichtet sind, es nicht nur, wie sie so nett betonte, bei leeren

Worten zu lassen, sondern aktiv sich dafür einzusetzen. Ich sehe nicht ein,

warum wir es immer nur bei Resolutionen und netten Entschließungen belassen

sollen. Wir haben diesen Antrag gestellt in Anlehnung an den Beschluß des

Bayrischen Gewerkschaftskongresses vom Vorjahre, der ausdrückt, daß allen

Gewerkschaftsmitgliedern dringend nahegelegt wird, umgehend Mitglied einer

Konsumgenossenschaft zu werden aus der Erwägung heraus, daß nur auf diesem

Weg ernstliche Schritte zur Demokratisierung und Mitbestimmung in der Wirtschaft

gangbar sind und auch auf keinem anderen Gebiet bislang als Erfolg

gebucht werden können. Und dies Herausstellen heißt natürlich, auch daraus

etwas machen. Auch wir haben in der vorgesehenen Satzung in der Ziffer 3

aufgenommen, uns für die Demokratisierung der Wirtschaft und die Mitbestimmung

in der Wirtschaft einzusetzen. Es ist damit nicht getan, daß wir

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dann, wenn wir uns nach außen offen zu dieser Wirtschaftsform bekennen

sollen, einen Rückzieher machen. Wir sollen den Mut haben, nach außen auch

in dieser Hinsicht deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß wir hierin den Weg

einer neuen Wirtschaft sehen. Der Verband Nahrung und Genuß in Bayern hat

bislang eine diesbezügliche Bestimmung in seinen Satzungen gehabt. Es war

ursprünglich auch die Meinung vertreten, das könnte uns bei etwaigen Lohnoder

Tarifverhandlungen draußen Schaden tun. Wir haben diese Bestimmung

ein Jahr und haben uns trotzdem — ich darf das am Rande bemerken — in

Bayern bei der Durchführung unserer Lohn- und Arbeitsverträge sicherlich

bewährt und auch durchzusetzen vermocht, trotz dieser deutlichen Herausstellung,

daß wir in der Konsumgenossenschaftsbewegung unsere Wirtschaft

sehen. Deswegen stehen wir auf dem Standpunkt, daß wir dem Antrag der

bayrischen Kollegen und darüber hinaus auch anderer Rechnung tragen sollten

und deutlich in unserer Satzung bekennen, daß wir gewillt sind, uns aktiv für

die Unterstützung der Konsumgenossenschaftsbewegung einzusetzen. Deshalb

bitte ich Sie, sich für diese Anträge zu entscheiden. (Beifall.)

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pufal (Hamburg).

Pufal (Hamburg): Wenn ich gleich auf das letzte eingehe, so kann ich

dazu sagen, daß wir uns in der Beratungskommission mit dieser Frage sehr

eingehend beschäftigt haben. Wlir sind trotzdem zu der Auffassung gekommen,

daß wir den Antrag der Freunde in Bayern ablehnen sollten, und zwar aus

folgenden Gründen: Wir haben in unseren Reihen nicht nur Konsumgenossenschaftsarbeiter,

sondern auch Arbeitnehmer, und in überwiegender Zahl, in der

Privatindustrie. Wir haben in letzter Zeit sehr oft die Anträge von Kollegen

bekommen, in denen gesagt wird, warum man hie und da den Konsumgenossenschaften

den Vorrang gibt. Wir haben den Antrag nicht etwa abgelehnt,

sondern wir sind der Meinung, daß wir als Kongreß zu dieser Frage von uns

aus Stellung nehmen und hier eine entsprechende Entschließung fassen, daß

wir den Konsumgenossenschaften unsere volle Unterstützung geben. Wir sehen

nur eine Gefahr darin, daß wir bei der Werbung von neuen, jungen Mitgliedern,

die in der Privatindustrie arbeiten, auf ihren Widerstand stoßen, wenn sie eine

derartige Formulierung in unseren Satzungen lesen.

Mit dem Antrag Bottrop, Kollegen, haben wir uns auch beschäftigt. Wir sind

der Meinung, daß der Jugend geholfen werden soll, und nicht nur der Jugend,

sondern überhaupt unserem jungen Nachwuchs, durch möglichste Förderung

ihrer Berufsausbildung. Aber so wie die Fassung des Bottroper Antrags ist,

können wir dem Antrag nicht zustimmen. Er sagt, daß die Ausbildung des

Fachnachwuchses durch finanzielle Hilfe unserer Organisation geschehen soll.

Die Ausbildung des Fachnachwuchses ist Sache der Meister, die diese jungen

Menschen in die Lehre nehmen. Wir wollen unsere jungen Freunde, und tun

es auch und haben es getan, zusätzlich abends in Schulungskursen fördern und

bilden. Aber die Organisation kann unmöglich die finanziellen Kosten einer

Ausbildung übernehmen. Stellt euch einmal vor, wenn ein junger Brauer diese

Satzungen liest und er will auf die Brauerschule gehen oder ein Bäcker will

die Meisterprüfung machen oder sonst dergleichen, dann beruft er sich auf

seine Satzungen und sagt: Das haben wir satzungsgemäß zu beanspruchen.

Deshalb, Kollegen, bitten wir, diesen Antrag abzulehnen.

Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aussprache

ist geschlossen. Ich glaube, wir verfahren am besten, wenn wir den § 3 absatz-r

weise zur Verlesung bringen und zur Entscheidung stellen, dann kann jeweils

bei den einzelnen Absätzen die Willensbildung des Gewerkschaftstages festgestellt

werden. Sind Sie damit einverstanden? (Zustimmung.)

Also, § 3. „Zweck und Aufgaben der Gewerkschaft. Der Zweck der Organisation

ist die Förderung der wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und

kulturellen Interessen der Mitglieder unter Ausschaltung aller parteipolitischen,

religiösen und rassischen Tendenzen." Das ist die Präambel. Erhebt sich dagegen

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Widerspruch? — Es besteht Einverständnis. Dann heißt es weiter: „Diese Ziele

sollen erreicht werden durch: 1. Einwirkung auf die Gesetzgebung und gleichberechtigte

Mitwirkung in den Institutionen von Staat und Wirtschaft." Erhebt

sich dagegen Widerspruch? — Einstimmig angenommen!

Ziffer 2: „Durchführung des Betriebsrätegesetzes, Mitwirkung bei der Wahl

der Betriebsvertretungen und deren Unterstützung in der Erfüllung ihrer Aufgaben."

Darf ich ihr Einverständnis feststellen? (Kein Widerspruch.)

Ziffer 3: „Demokratisierung der Wirtschaft und der Verwaltung." Es besteht

Einverständnis.

Ziffer 4: „Erzielung günstiger Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen." Das

ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist so beschlossen.

Ziffer 5: „Rechtsschutz in allen Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis."

Auch hier besteht Einverständnis.

Ziffer 6: „Heranbildung eines guten gewerkschaftlichen Nachwuchses. Einflußnahme

auf die Ausbildung des Fachnachwuchses und Förderung der Jugendpflege

und Solidarität." Ich stelle ihr Einverständnis fest.

Ziffer 7: „Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau in wirtschafts-,

lohn- und sozialpolitischer Hinsicht." Es besteht darin Einverständnis. (Widerspruch,

Zuruf: Gleichberechtigung der Frauen und der Jugend!)

Maack (Lübeck): Die Kollegen kamen in dieser Frage zu der. Auffassung,

es nicht in die Satzung hineinzunehmen, und zwar aus folgenden Gründen: Die

Gleichberechtigung der Frau, jawohl, selbstverständlich. Wir können hier nicht

sagen, die Gleichberechtigung der Jugend, weil wir es hier ja zu einem großen

Teil mit Lehrlingen zu tun haben, die leider heute noch keinen Lohn erhalten,

wie wir es selbstverständlich in unseren neuen Tarifvertragentwürfen anstreben.

Leider sind wir aber heute noch nicht soweit. Heute liegt es leider so, daß bei

den Meistern noch die sogenannte Erziehungsbeihilfe eine Rolle spielt. (Zuruf:

Das muß geändert werden!) Das muß weg, jawohl, aber es ist noch nicht weg.

Deswegen sagen wir, es ist augenblicklich noch nicht der Zeitpunkt, das Wort

Gleichberechtigung der Jugend in dieser Frage mit in die Satzungen hineinzunehmen.

Unser Ziel, unser Streben — das dürfen die jungen Kollegen ohne weiteres

annehmen —• ist ganz klar und ganz selbstverständlich, daß wir aius diesem

Zustand der Erziehungsbeihilfe und der Erziehung usw. überhaupt herauswollen,

daß wir das Lehrverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis gestalten wollen. Das

ist unser Wille, das ist unser Ziel. Aber erreicht haben wir es leider noch nicht.

Erreichen werden wir es wahrscheinlich in den allernächsten Wochen auch

nicht. Aus diesem Grunde sind wir der Auffassung, daß wir diesmal die Jugend

in diesem Zusammenhang nicht mit hineinbringen können.

Vorsitzender : Ich möchte doch sagen, Kolleginnen und Kollegen, daß

uns die Gesichtspunkte, die hier vorgetragen worden sind, in der Kommission

bei dieser Entscheidung geleitet haben. Aber bei aller Überlegung kann man

doch sagen — ich habe jetzt lediglich mit den Kollegen Maack, Pufal und

Nätscher vom Präsidium gesprochen, weiter mit niemand —, daß wir ja in

unserem § 3 der Satzung „Zweck und Aufgaben" eine Willenserklärung abgeben,

was wir erstreben wollen, nämlich die Gleichberechtigung der Frau. (Lebhafte

Zustimmung, besonders von den Jugenddelegierten.)

Und dann zu Ziffer 8!

Maack (Lübeck): Ich möchte doch noch etwas sagen. Ich bitte zu beachten,

und gerade die Jugend bitte ich, das in Erwägung zu ziehen: Ich stehe hier nicht,

um meine persönliche Meinung zu sagen, sondern ich bin nur beauftragt

(Zuruf: Das wissen wir!), das wiederzugeben, was die Kommission beschlossen

hat. Ich bitte, mich hier nicht falsch zu verstehen. Wie mich der Kollege Weber

eben fragte, ob wir es nicht doch aufnehmen wollten, war ich sofort spontan

bereit, ja zu sagen. Vorher konnte ich selbstverständlich nichts anderes

berichten, als was die Kommission beschlossen hat.

90


Vorsitzender : An sich waren -wir uns im Arbeitsausschuß klar darüber,

daß man in der Gewerkschaft solche Selbstverständlichkeiten eigentlich gar

nicht ausspricht. Wir in der Gewerkschaft stehen auf dem Standpunkt der

Gleichberechtigung der Frau und der Jugend. Wenn es noch einmal dokumentiert

werden soll, bricht es keine Perle aus der Krone heraus. Die Frage ist damit

erledigt.

Dann kommen wir zu Ziffer 8: „Gewerkschaftliche Schulung und Erziehung

der Betriebsräte, Vertrauensleute und Mitglieder." — Es besteht Einverständnis.

Ziffer 9: „Einführung von Unterstützungen im Zusammenhang mit dem

Unterstützungswesen des .. . bundes." Der Name des Bundes kann noch nicht

genannt werden. — Ich stelle auch hier Einverständnis fest.

Ziffer 10: „Information und Aufklärung durch Herausgabe und Lieferung

einer eigenen Gewerkschaftszeitung und anderer Schriften." Auch hier besteht

Einverständnis.

Ziffer 11: „Engste Zusammenarbeit mit dem ... bund."

Ziffer 12: „Zusammenarbeit mit den internationalen Berufsorganisationen." —

Ich stelle das Einverständnis der Delegierten fest.

Jetzt kommt das, was wir noch diskutieren und entscheiden müssen, nämlich

der Antrag, den Nürnberg und andere Orte gestellt haben, wo vorgeschlagen

wird, eine neue Ziffer 13 zu bringen: „Aktive Unterstützung des Genossenschaftsund

Konsumvereinwesens." Da hat der Kollege Pufal gesagt, daß der Arbeitsausschuß

der Meinung war, daß wir das nicht in die Satzungen hineinbringen

sollen, sondern daß eine offizielle Entschließung als Kundgebung hinausgehen

soll. Das war die Meinung. Im Prinzip standen wir durchaus auf dem Standpunkt,

das zu tun. Wir wollen es aber nicht als eine Verpflichtung in die

Satzung hineinbringen, weil dies auch andere rechtliche Wirkungen hat.

Ich halte nun den Antrag Nürnberg, Würzburg usw., der eine neue Ziffer

haben will, als den weitergehenden Antrag, während wir auf dem Standpunkt

stehen, in dieser Frage eine proklamatische Erklärung abzugeben. Ich möchte

daher doch glauben, daß wir zunächst den Antragstellern gerecht werden, indem

wir über ihren Antrag abstimmen. Über die Zweckmäßigkeitsfrage, ob man

unsere Stellungnahme durch eine Entschließung kundtut oder durch eine

statutarische Formulierung haben wir, wie gesagt, einige rechtliche Überlegungen

angestellt, die uns geraten erscheinen lassen, das erstere zu tun.

Ich lasse abstimmen. Ich bitte diejenigen Delegierten, die eine neue Ziffer 13

einführen wollen mit dem Inhalt „aktive Unterstützung der Konsumgenossenschaften",

ihre Karte zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. —

Das ist zweifelhaft. — Das Präsidium steht auf dem Standpunkt, daß eben die

Mehrheit kundgetan hat, eine neue Ziffer 13 nicht aufzunehmen, daß wir aber

entsprechend den Gedanken des Kollegen Pufal eine Entschließung abfertigen

wollen, die dem Gewerkschaftstäg vorgelegt wird. Einverstanden? (Allgemeine

Zustimmung.)

Damit ist der § 3 auch erledigt und angenommen. Es kommt jetzt der § 4

„Mitgliedschaft". Alle Anträge, die zu § 3 gestellt sind, sind damit erledigt. Ich

stelle das ausdrücklich fest. Der § 3 ist so, wie ich ihn verlesen habe, genehmigt.

Maack (Lübeck): § 4 behandelt die Mitgliedschaft. Hannover beantragt

folgende Fassung: „Mitglied kann jeder Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts

werden." Den Satz „die Mitgliedschaft ist freiwillig" wünscht Hannover zu

streichen. Die Kommission schlägt vor, dem stattzugeben, weil wir nicht

besonders zu dokumentieren brauchen, daß die Mitgliedschaft freiwillig ist. Das

ist eine Selbstverständlichkeit und Selbstverständlichkeiten soll man möglichst

nicht noch besonders formulieren.

Wir schlagen vor, den ersten Absatz so zu fassen: „Mitglied kann jeder

Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts werden, der in einem usw." Hier soll lediglich

dann das Wort „Lehrling" gestrichen werden, weil diese nach unserer

Auffassung Arbeitnehmer sind und zu dieser Gruppe Arbeitnehmer beiderlei

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Geschlechts gehören, also kein drittes Geschlecht darstellen. Damit wären die

Anträge Bremen, Hameln, Neuß erledigt.

Alle Anträge — das schlägt Ihnen jetzt die Kommission vor —, die dahingehen.

1. die Aufnahmegebühren den Ortsverwaltungen zu belassen,

2. Aufnahmegebühren für Jugendliche und Lehrlinge nicht zu erheben,

3. die Beitragsrückstände von 8 auf 13 bzw. von 2 auf 3 Monate zu erhöhen,

bittet die Kommission abzulehnen. Diese Anträge sind von den Ortsgruppen

Schwandorf, Burgkunstadt, Nürnberg, München, Hof, Kronach, Bamberg, Rosenheim,

Würzburg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Regensburg, Ansbach, Schwabach,

Fürth, Coburg, Kassel, Lorch, Hannover, Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Hockenheim,

Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg gestellt worden.

Die Anträge Biblis und Pfungstadt, die das Wort „Ortsgruppenvorstand"

durch das Wort „Ortsverwaltung" ersetzen wollen, bitten wir anzunehmen.

Damit wäre alles, was hier in den Satzungen unter der Bezeichnung Ortsgruppenvorstand

oder Ortsgruppe läuft, automatisch in die Bezeichnung Ortsverwaltung

umgeändert. Das bitten wir anzunehmen.

Vorsitzender: Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Späth

(Darmstadt). (Zuruf: Ich verzichte!) Dann folgt der Kollege Reichelt (Mannheim).

Reichelt (Mannheim): Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Satzungskommission

die Anträge von 12 Ortsverwaltungen abgelehnt hat, weiterhin noch

Anträge von 17 Ortsverwaltungen in der Frage der Lehrlingsbeiträge, so stehe

ich auf dem Standpunkt, daß sie von einer falschen Voraussetzung ausgegangen

ist oder daß vielleicht auch im Gebiet der britischen Zone unter Umständen

andere Verhältnisse vorliegen. Bei unseren Tabakarbeitern zum Beispiel, die in

der letzten Zeit nur drei oder vier Tage gearbeitet haben, spielt die Frage des

Aufnahmebeitrages, wenn man in die Betriebe kommt, eine gewisse Rolle. Wir

alten Funktionäre wissen aus der Vergangenheit, daß mitunter auch Mittel für

die Agitation zur Verfügung gestellt werden müssen, i und zwar in einer Höhe,

die dem entspricht, was im Interesse der Gesamtorganisation notwendig ist.

Praktisch ist es so, daß manche Leute bei uns nur 8 oder 10 oder 12 Mark die

Woche verdienen und daher die Aufnahmegebühr von 50 Pf. bzw. 1 Mark nicht

bezahlen können. Wenn die Eintrittsgelder den Ortsverwaltungen zur Verfügung

gestellt werden, besteht die Möglichkeit, daß man in diesem oder jenem Fall

die Beiträge erlassen kann, d. h. man kann dementsprechend sagen: Du bezahlst

für diese Aufnahme nichts. Wir haben dadurch in Nordbaden und Württemberg

unsere Mitgliederzahl erheblich steigern können. Wir haben gerade in der

letzten Vergangenheit, im Monat April — das steht einwandfrei fest — allein in

Nordbaden Neuaufnahmen in Höhe von 1000 Mitgliedern zu verzeichnen gehabt,

was auf den guten Tarifabschluß in der Zigarrenindustrie zurückzuführen war.

Auf der anderen Seite war es bei den Zigarrenarbeitern möglich, in diesem und

jenem Fall zu sagen: Wir sind bereit, euch die Aufnahmegebühr zu erlassen.

Sodann konnten wir diesem oder jenem Kollegen sagen: Kollege, ich gebe dir

eine Prämie; in dem Augenblick, wo du Aufnahmen tätigst, erhältst du entweder

die Hälfte oder den ganzen Betrag als Prämie. Das sind Momente, die hier eine

Rolle spielen und die uns vor allen Dingen veranlaßt haben, im nordbadischen

Gebiet, in Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe die Anträge zu stellen. Ich

bitte euch, Kolleginnen und Kollegen, dem Antrag unserer Ortsverwaltungen in

diesem Sinne zuzustimmen.

In der Frage der Lehrlingsbeiträge ist die Satzungskommission meiner Ansicht

nach von einem falschen Gesichtspunkt ausgegangen. Man sollte sich nicht

darauf berufen, daß es früher ein Stolz war, einen Betrag von 50 Pf. zu bezahlen.

Heute liegen die Verhältnisse anders. Wenn beispielsweise heute die Lehrlinge

im Bäckergewerbe in der Woche 3 bis 4 Mark bekommen, so sind 50 Pf. für einen

solchen Lehrling doch ein Betrag. Mitunter muß der Lehrling noch seine

Mutter bzw. seine Geschwister unterstützen, weshalb für ihn 50 Pf. eben doch

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eine Rolle spielen. Andererseits würde es für uns keinen so. großen Verlust

bedeuten, wenn wir für die Lehrlinge die Aufnahme kostenlos gestalten

würden. Es würde das nicht von Schaden, sondern von Nutzen sein. Auch hier

bitte ich, unseren Anträgen zuzustimmen. Wir würden damit im Interesse der

Organisation die Jugend gewinnen und unseren Nachwuchs stärken können.

Auch in der Frage der Stundung der Beiträge von zwei auf drei Monate stehe

ich auf dem Standpunkt, daß man unserem Antrag stattgeben müßte.' Vor allen

Dingen umfassen unsere Ortsverwaltungen sehr große Gebiete. Die Ortschaften,

insbesondere im Tabakgewerbe, liegen sehr weit auseinander. Es kann dort oft

nicht alle acht oder 14 Tage oder alle vier Wochen kassiert werden, weil unsere

Kollegen einfach nicht immer hinkommen. Wfenn sich in solchen Gebieten

Beitragsrückstände ergeben, so bin ich der Meinung, daß es auf einen Monat

hier nicht ankommt und man nicht kleinlich sein sollte, sondern unserem Antrag

auf Stundung bis zu drei Monaten Rechnung tragen sollte. Bei uns im Tabakgewerbe

können die Kolleginnen und Kollegen die Beiträge bei der häufigen

unterschiedlichen Arbeitszeit oft nicht bezahlen, wäHrend sie sich dann häufig

wieder bereit erklären, die entsprechenden Nachzahlungen für zwei oder drei

Monate zu tätigen, wenn sich die Arbeitsverhältnisse bessern. Handelt man

aber so, wie es die Satzungskommission vorschlägt, so laufen wir die Gefahr, unter

Umständen eine größere Anzahl Kolleginnen und Kollegen als Mitglieder der

Organisation einzubüßen. Diese Kollegen würden dann später sagen: Ihr habt

uns seinerzeit nicht Rechnung getragen, und infolgedessen haben wir keine

Veranlassung mehr, der Organisation neu beizutreten, weil wir wiederum 50 Pf.

bzw. 1 Mark bezahlen müssen.

Aus diesen Gründen ersuche ich, diesen drei entsprechenden Anträgen stattzugeben

und ihnen zuzustimmen.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Pulley (Stuttgart). Ihm folgt

der Kollege Dormagen (Köln).

Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie sind mit

mir der Meinung, daß der Arbeitsausschuß wirklich praktische Arbeit geleistet

und auch praktische Vorschläge gemacht hat. Aber in diesem Punkte müssen

wir eigentlich doch sagen, daß sich der Arbeitsausschuß viel zu sehr von theoretischen

Gesichtspunkten hat leiten lassen, und zwar erstens einmal, was die

Aufnahmegebühr für Lehrlinge betrifft.

Kolleginnen und Kollegen! Sie gehen alle selbst in die Betriebe und wissen,

wie schwer es manchmal ist, die Lehrlinge zu überzeugen und zu uns zu ziehen.

Wenn man dann gleich sagt, du mußt 50 Pf. bezahlen, so wird das etwas

abschrecken. Man kann nun sagen, wie auch der Arbeitsausschuß sagt, diese

Lehrlinge sollen einmal auch etwas leisten und sollen auch zu uns stehen, und

die 50 Pf. dürfen keine Rolle spielen. Jawohl, Kolleginnen und Kollegen, das

stimmt. Aber, das kann man von diesen Kolleginnen und Kollegen erst verlangen,

wenn wir sie einmal zum Opfern und zum gewerkschaftlichen Wollen

erzogen haben. Vorher müssen wir sagen, ihr seid Mitglieder unserer Organisation.

Deshalb bitte ich, dem Antrag von Stuttgart zuzustimmen, daß die

Lehrlinge von der Aufnahmegebühr befreit sind. Ebenso bitte ich, sich genau zu

überlegen, daß die Aufnahmegebühren den Ortsverwaltungen verbleiben. Dann

können wir auch gelegentlich auf die Aufnahmegebühr verzichten. Wenn wir

aber die Fassung des Arbeitsausschusses annehmen, können wir uns das als

einzelne Ortsverwaltungen nicht leisten, denn wir müßten dann an den Vorstand

eine Aufnahmegebühr abliefern, die wir in Wirklichkeit ja gar nicht eingenommen

hätten.

Zweitens müßten wir tatsächlich den Ortsverwaltungen einige Mittel überlassen,

damit sie sich auch tatsächlich etwas regen können. Man wird sagen:

Ja, wenn ihr sachliche Ausgaben habt, haben wir bestimmt nichts dagegen.

Aber manchmal — und das wißt ihr selbst aus Erfahrung — entstehen besondere

Ausgaben; wenn zum Beispiel ein Kollege kommt, bei dem eine Notstands-

93


Unterstützung statutenmäßig noch nicht berechtigt wäre, so kann die Ortsverwaltung

aus diesen kleinen Mitteln etwas geben und kann dadurch viel mehr

gutmachen als wenn das Geld direkt an die gesamte Gewerkschaft geht. Deshalb

bitte ich Sie alle, den Anträgen zuzustimmen, daß 1. die Aufnahmegebühr den

Ortsverwaltungen verbleibt und daß 2. die Jugendlichen bzw. die Lehrlinge von

der Aufnahmegebühr befreit sind.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Dormagen (Köln), ihm folgt

die Kollegin Schröder (Dortmund).

Dormagen (Köln): Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich kurz fassen.

Ich hätte eine Frage an den Kollegen Maack, warum der Arbeitsausschuß zu der

Ablehnung unserer Ergänzung gekommen ist. Nehmen Sie die Satzungen zur

Hand, da steht folgendes: „Über alle' Auf nahmen entscheidet der Ortsgruppenvorstand.

Bei Ablehnung der Aufnahme kann innerhalb von 14 Tagen nach

Empfang des Ablehnungsbescheides beim Verbandsvorstard Einspruch erhoben

werden." Dann kommt gleich dahinter: „Nach erfolgter Aufnahme erhält das

Mitglied einen Mitgliedsausweis." Ich muß dazu folgendes bemerken: Hat der

Ortsgruppenvorstand abgelehnt, dann hat das Mitglied Einspruch erhoben. Der

Hauptvorstand beschließt nun, daß das Mitglied aufgenommen wird. Dann muß

doch der abschlägigen Instanz, das ist die untere, mitgeteilt werden, warum

der Hauptvorstand zu dem Resultat gekommen ist, abzulehnen. Das ist eine

logische Ergänzung, es ergibt sich klar aus dem, Vorhergehenden. (Maack: Gerade

deswegen braucht es nicht besonders aufgenommen werden!) Wir bestehen unbedingt

darauf, weil wir ja der Auffassung sind, von unten wird bestimmt, und

wenn oben bestimmt wird, dann müssen die Oberen den Unteren auch Nachricht

geben. Ich kann nicht oben bestimmen und den Unteren links liegen

lassen. Ich muß dann auch meinen anderen Kollegen Nachricht geben, warum

ich ihn aufgenommen habe.

Ich bitte also, den Ergänzungsantrag von uns mit hereinzunehmen.

Vorsitzender: Ich möchte zunächst einmal zur Klarstellung dieser

Situation folgendes sagen: Der Arbeitsausschuß hat sich mit dem Problem, ob

die Eintrittsgelder bei der Ortskasse oder Hauptkasse bleiben sollen, ernstlich

und lange beschäftigt und dabei festgestellt, daß diese Frage nicht zu § 4,

sondern zu § 13 gehört, wo die Beitragsfrage sowie der Anteil geregelt ist, den

die Ortsverwaltungen aus den Beiträgen überhaupt bekommen. Wenn wir an

diese Dinge herangehen, werden wir erstens einmal feststellen müssen, welche

Verpflichtungen die Ortsverwaltungen zu erfüllen haben und wie viele Mittel sie

brauchen und wieviel umgekehrt die Hauptkasse. Wir waren der Meinung, daß

wir, selbst wenn wir den § 13 mit den Beiträgen und der Zuteilung der Prozente

an die Ortsverwaltungen besprechen würden, heute keinen Verbandsbeschluß

fassen können, sondern daß wir die Anträge als Material der neuen Hauptverwaltung

zuleiten sollten, die mit dem Beirat zusammen regelt, welchen Prozentsatz

einmal von den Beiträgen und dann von den Eintrittsgeldern die Orlskassen

bekommen. Das war der Wille des Ausschusses gewesen, auf den wir uns abgesprochen

haben. .Das ist vielleicht vom Kollegen Maack nicht ganz klar herausgestellt

worden, weshalb ich es noch unterstreichen möchte. Jetzt hat die

Kollegin Schröder (Dortmund) das Wort. Ihr folgt der. Kollege Jorek (Hannover).

Schröder (Dortmund): Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Vorredner

hat mir bereits vieles vorweggenommen. Ich möchte bitten, daß Sie den Anträgen,

die auf eine Befreiung der Jugendlichen vom Aufnahmebeitrag abzielen,

zustimmen. Alle Abgaben der Jugendlichen gehen bei ihrem geringen Verdienst

zu Lasten der Eltern. Es ist nicht so, daß die Jugendlichen heute schon zu der

Erkenntnis gekommen sind, daß die Gewerkschaftsbewegung für sie etwas

bedeutet. Diese Erkenntnis muß ihnen erst anerzogen werden. (Sehr richtig!)

Was sie brauchen, ist der moralische Halt und das Vorbild unserer älteren

Funktionäre. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, wenigstens der Jugend den

Weg zu ebnen, damit sie zur Verantwortung in der Demokratie erzogen wird.

94


Jorek (Hannover): Die Delegierten Versammlung Hannover hat beschlossen,

daß der § 4 folgendermaßen ergänzt werden soll: Die Ortsgruppen gestatten,

erwerbslose Berufsangehörige aufzunehmen. Der Antragsteller hat das Eintrittsgeld

und vier Wochenbeiträge zu entrichten. Heimkehrende Kriegsgefangene,

die innerhalb sechs Wochen nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit unserer Gewerkschaft

beitreten, haben kein Eintrittsgeld zu entrichten.

Wir haben vor allen Dingen Wert darauf gelegt, daß heimkehrende Kriegsgefangene,

die sowieso sozial so schlecht gestellt sind, daß sie nur das Allernotwendigste

haben, keine Aufnahmegebühr entrichten müssen, wenn sie zu uns

kommen.

Vorsitzender : Die Aussprache ist geschlossen. Ich darf darauf hinweisen,

daß der Ausschuß ausdrücklich die Aufnahme Erwerbsloser deswegen

abgelehnt hat, weil wir immer wieder erleben, daß jemand sich erst dann der

Gewerkschaft erinnert, wenn er arbeitslos wird. (Sehr richtig!) Dann will er

Ansprüche auf Rechtsschutz stellen usw. Aus diesen Gründen kann nach unserer

Auffassung dieser Antrag nicht angenommen werden.

Kollege Maack hat das Schlußwort.

Maack (Lübeck): Kolleginnen und Kollegen! Ich muß nun einmal als alter

Gewerkschaftsfunktionär sprechen, und zwar betreffend des Eintrittsgeldes für

Lehrlinge und Jugendliche. Aus alter Erfahrung — ihr braucht mir deswegen

kein Greisenalter zugestehen — können wir feststellen, daß alles das, was mir

ohne Opfer zufällt, wofür ich also nichts zu bezahlen habe, nicht so ernst

genommen wird, als wenn von mir in irgendeiner Form dafür ein Obolus entrichtet

werden muß. Ich greife dabei gar nicht auf unsere frühere Jugend

zurück. Ich persönlich und auch meine anderen alten Kollegen waren stolz darauf,

unsere Karte zeigen zu können und sagen zu können: Dafür, daß wir jetzt

Mitglied der Organisation sind, haben wir 50 Pf. gezahlt. Das ist etwas anderes,

Kollegen. Man fördert dadurch das Verantwortungsbewußtsein des betreffenden

Kollegen. Es kommt der Organisation nicht darauf an, die 50 Pf. von den einzelnen

Lehrlingen zu bekommen; aber es ist ein Erziehungsmoment und ein

Mittel, um denjenigen, denen es schwerfällt, 50 Pf. aufzubringen, die Wichtigkeit

ihres Schrittes klarzumachen. Wer die 50 Pf. aufbringt und dann Mitglied

bei uns wird, von dem werden wir bestimmt erwarten können, daß er ein

guter Gewerkschaftskollege wird. Wir haben uns sehr lange über diese Frage

unterhalten, wir sind nicht theoretisch darüber hinweggegangen, sondern haben

die Sache sehr praktisch angepackt und haben uns gesagt: Diese Gründe müssen

maßgebend und ausschlaggebend sein, und wir müssen unter allen Umständen

darauf bestehen, daß auch für die Lehrlinge und Jugendlichen das Eintrittsgeld

bestehen bleibt. (Zuruf: Andere Zeiten, andere Sitter.!) Ich habe das Schlußwort,

Kollegen. Das ist immer das Schöne, wenn einer das Schlußwort hat,

kann er sagen, was er will, der andere kann dann nicht mehr heran. Vielleicht

habt ihr die Möglichkeit, bei einer anderen Gelegenheit die Dinge noch einmal

zu verquicken und zu verschmelzen.

Nun etwas anderes, Kollegen! Ganz grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt,

daß wir Erwerbslose in unserer Industriegewerkschaft nicht aufnehmen

können. Warum nicht? Wir haben eine Industriegewerkschaft, das wollen wir

nicht vergessen, wir haben keinen Berufsverband. Wir wissen nicht,

ob der arbeitslose Bäcker morgen auch als Bäcker arbeitet (Sehr gut!) oder

ob er morgen nicht in einer chemischen Industrie oder sonstwo beschäftigt ist.

Wir können ihn erst aufnehmen, wenn er in einem uns zustehenden Betrieb

beschäftigt ist. (Sehr richtig!) Das ist ein ganz klarer Grundsatz, der durch

gar nichts abgeändert werden kann. Würden wir diesen Grundsatz abändern,

so würden wir damit das Prinzip unserer Industriegewerkschaft durchlöchern.

Das glaube ich, wollen auch unsere Antragsteller nicht. Sie haben sich diesen

Antrag nicht genügend durchdacht, denn sonst müssen sie zu derselben Schlußfolgerung

kommen.

95


Dann zum Antrag Köln: „Gibt der Verbandsvorstand dem Aufnahmeantrag

des Einsprucherhebenden statt, so ist die Begründung unverzüglich dem Ortsgruppenvorstand

zuzuleiten." Das haben wir abgelehnt. Ich möchte der Ortsgruppe

Köln sagen, das haben wir einstimmig abgelehnt, weil man Selbstverständlichkeiten,

über die man kein Wort zu verlieren braucht, natürlich nicht in

die Statuten hineinschreibt und damit der Öffentlichkeit gegenüber dokumentiert,

daß bei uns noch lange nicht alles in Ordnung ist. Ich bitte den Gewerkschaft»-

tag, diesen Antrag Köln abzulehnen.

Vorsitzender : Wir kommen zur Abstimmung, und ich würde empfehlen,

absatzweise zu entscheiden. Die neue Formulierung würde lauten: „Mitglied

kann jeder Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts werden." Da ist das Wort Lehrling

herausgenommen, weil Lehrling auch ein Arbeitnehmer ist. Wir wollen

gerade damit dokumentieren, daß der Lehrling Arbeitnehmer ist, der in den im

§ 2 aufgeführten Wirtschaftszweigen beschäftigt ist.

Ich wiederhole die Formulierung noch einmal: „Mitglied kann jeder Arbeitnehmer

beiderlei Geschlechts werden, der in einem der im §2 aufgeführten Wirtschaftszweige

beschäftigt ist. Voraussetzung hierzu ist die Anerkennung der

Satzung sowie der Beschlüsse der Gewerkschaftsorgane und des . . . bundes."

Wer für diese Formulierung stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben.

Ich danke. Die Gegenprobe. Es ist einstimmig beschlossen.

1 Nun heißt es weiter: „Die Mitgliedschaft wird beantragt durch Abgabe einer

schriftlichen Beitrittserklärung und Leistung eines Eintrittsgeldes." Dieser Satz

ist klar, darüber brauchen wir nicht zu entscheiden.

Nun kommen wir zur Höhe des Eintrittsgeldes. Da ist gesagt, daß es für

Männliche 1 DM beträgt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Karte zu erheben.

Danke, es ist so beschlossen. 50 Pf. soll das Eintrittsgeld für Weibliche und

Jugendliche betragen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Widerspruch.) (Zuruf: Ich bitte, hier den Zusatzantrag anzunehmen, daß für

Jugendliche keine Aufnahmegebühr erhoben wird!) Um es klar zu machen,

trennen wir Weibliche und Jugendliche bei der Festsetzung des Eintrittsgeldes.

Wer für 50 Pf. bei den Frauen stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben.

Es ist so beschlossen. Wer für 50 Pf. für Jugendliche einschließlich Lehrlinge

stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. Auszählen! Ich bitte,

an jedem Tisch die Zahl festzustellen. (Zuruf: Jugendliche bis zu 18 Jahren?)

Darüber reden wir nachher. Die Jugend geht bis 70. (Heiterkeit.) Wer für

50 Pf. stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. Ich bitte die Auszähler,

auszuzählen. (Für die Abführung eines 50-Pf.-Eintrittsgeldes für Jugendliche

sprechen sich 73 Delegierte aus, dagegen 81.)

Die letztere Zahl war die Majorität. (Beifall.) Nachdem 50 Pf. abgelehnt

wurde, müssen wir jetzt beschließen wieviel. (Zuruf: 25 Pf.! Weiterer Zuruf:

Die Lehrlinge sollen befreit werden, lautet der Antrag!)

Es liegt ein Antrag von Schwandorf vor, der lautet: „Lehrlinge und Heimkehrer

zahlen keine Aufnahme." (Zuruf: Hannover hat dasselbe beantragt!)

Hannover spricht -nicht von Heimkehrern. (Zuruf: Doch, von heimkehrenden

Kriegsgefangenen!) Ich möchte freundlich bitten, die Heimkehrer hier rauszulassen,

denn die Heimkehrer werden erst aufgenommen, wenn sie in Arbeit

stehen, und dann verdienen sie. Wir können sie hier aus sachlichen Erwägungen

nicht aufnehmen. Ich würde empfehlen, jetzt nur von Lehrlingen zu sprechen.

(Zuruf: Von Jugendlichen!) Von Jugendlichen. Bis zu welchem Alter? (Zurufe:

Bis 18, bis zur Volendung des 18. Lebensalters!) Nehmen Sie die Jugendlichen

nicht hinein in die Entscheidung. Wir haben Jugendliche, die schon 30 DM

und darüber verdienen. Es hat keinen Sinn, verkomplizieren Sie die Sache

nicht, erstrecken Sie es nur auf die Lehrlinge. (Zurufe: Nur Lehrlinge!)

Der Antrag soll also lauten: „Lehrlinge sind vom Eintrittsgeld befreit." Wer

dafür stimmen will, den bitte ich, die Karte zu erheben. — Es ist so beschlossen

mit Mehrheit. Ich glaube, ich kann mir die Verlesung des Textes

96


der übrigen Formulierung .des Antrags ersparen. Da wird nur verwaltungsmäßig

festgestellt: „Bei Ablehnung einer Aufnahme kann innerhalb von 14 Tagen

nach Empfang des Ablehnungsbescheides beim Hauptvorstand Einspruch erhoben

werden." Das sind selbstverständliche Dinge. Darüber braucht man nicht zu

reden. Ich darf feststellen, daß der § 4 mit den beschlossenen Änderungen

angenommen ist.

(Zuruf: Zur Geschäftsordnung! Es ist ein Änderungsantrag gestellt worden,

daß die Beiträge dieser Eintrittsgebühren den Ortsverwaltungen verbleiben

sollen!)

Ich habe bereits gesagt, daß es bei § 13 behandelt wird. Der § 4 ist erledigt.

(Zuruf: Bis auf die Heimkehrer!) Ich habe ausdrücklich erklärt, daß sie erst

aufgenommen werden, wenn sie in Arbeit stehen, sofern sie nicht früher schon

Mitglied waren. Wenn sie aber anderwärts nicht organisiert waren und sie

kommen zurück, werden sie erst aufgenommen, wenn sie eine Arbeit haben,

und dann haben sie einen Verdienst. Begriffen? (Widerspruch.) Niedersachsen

ist schwer von Begriff.

Reichelt (Mannheim): Zur Geschäftsordnung. Wenn du die Frage des

Verbleibs der Aufnahmegebühren der Ortsverwaltung mit § 13 verbinden willst,

dann stehen wir auf dem Standpunkt, daß damit von vornherein das Geld von

der Ortsverwaltung weggenommen wird.

Vorsitzender : Darüber habt ihr zu bestimmen.

Reichelt (Mannheim): Wir wollen eine klare Entscheidung haben. -

Vorsitzender: Wir können erst dann über die Verteilung der Einnahmen,

der Beitragsgelder und der Eintrittsgelder uns unterhalten, wenn wir

die Höhe der Beiträge beschlossen haben. Die Höhe der Eintrittsgelder haben

wir beschlossen. Wir müssen dann abwägen, was in den Ortskassen bleibt und

was in die Hauptkasse kommt.

Reichelt (Mannheim): Ich bin dafür, daß die Abstimmung darüber jetzt

vorgenommen wird, weil es in den § 4 hineingehört. In § 13 steht nichts mehr

von Eintrittsgeldern. Ist es besser, wenn ich im Betrieb 25 Mitglieder nicht

erfasse, weil sie die Aufnahme nicht bezahlen, oder soll ich die 25,- DM von

vornherein für die Hauptkasse vorsehen.

Vorsitzender: Es ist ein sonderbarer Geist in der Gewerkschaftsbewegung,

wenn nur dann Aufnahmen gemacht werden, wenn man beteiligt

wird. Ich meine, diese Moral wollen wir grundsätzlich nicht haben. (Unruhe

und Widerspruch.)

Reichelt (Mannheim): Davon ist nicht die Rede. Es dreht sich darum, ob

die Ortsverwaltung 20 oder 50 Mitglieder aufnimmt oder nicht. Nimmt sie sie

auf, muß sie die Kosten von vornherein der Hauptkasse geben.

••

Vorsitzender: Es wird darüber entschieden und verhandelt, ob das

Eintrittsgeld bei der Hauptkasse oder der Ortskasse bleiben soll. Dann müssen

wir darüber diskutieren.

Jetzt aber kommt die Mittagspause. Wenn Sie gegessen haben, sieht alles

viel schöner aus.

Ich habe noch etwas mitzuteilen: Die Anmeldungen für die morgen stattfindende

„Dreigroschenoper" können nicht berücksichtigt werden, weil das Stück

restlos ausverkauft ist.

Dann muß ich bitten, daß die Listen für die Teilnahme an der Fahrt in die

bayrischen Berge abgeliefert werden.

Sodann eine weitere Mitteilung: Die Delegierten aus der Tabakir.dustrie

treffen sich heute abend 19 Uhr im kleinen Saal des Gewerkschaftshauses auf

Grund einer Einladung des Kollegen Husung zu einer wichtigen Aussprache. '

Sodann hat der Kollege Fiederl noch etwas mitzuteilen.

Fiederl (München): Kolleginnen und Kollegen! Unsere ausländischen

Gäste haben das Bedürfnis, sich die mehr oder weniger großen Sehenswürdig-

7 Protokoll. 97


keiten der Stadt München anausehen. Wir hatten von uns aus veranlaßt, daß

unsere ausländischen Kollegen kurz nach dem Mittagessen durch einen Omnibus

in den Konsumverein Sendung-München gebracht werden, damit sie diesen

Betrieb besichtigen können. Ich möchte also bitten, daß Sie Verständnis dafür

aufbringen, daß die ausländischen Kollegen zuerst verpflegt werden, weil sie

um 3 /


Ich vermisse hier noch eine ganze Reihe sehr wichtiger Funktionäre, die

sich da drüben im Zimmer befinden. (Zuruf: Zur Auszahlung!) Es handelt sich

um etwas sehr Wichtiges. Der Arbeitsausschuß, den wir hier durch den

Gewerkschaftstag legitimiert haben, muß heute abend unbedingt zusammentreten.

Er hat eine ganze Reihe Probleme zu besprechen und zu beschließen.

Er muß über die Besetzung des kommenden Vorstandes Vorschläge ausarbeiten;

er muß weiter Vorschläge ausarbeiten für die Delegation zur IOL, für den

deutschen Vereinigungs-Gewerkschaftsbundeskongreß. Alles das muß vorbereitet

werden, damit morgen nicht blind darüber diskutiert wird. Das bedarf einer

sorgfältigen Vorarbeit.

Dann darf ich darauf aufmerksam machen, daß die Photographien, die

gemacht worden sind, am Eingang des Saales am Bücherstand aushängen. Sie

kosten 50 Pfennig und sind numeriert. Wenn Sie ein Bild kaufen wollen,

bestellen Sie hier die Nummer und hinterlegen 50 Pf. oder 1,- DM, je nachdem,

wieviel Bilder Sie kaufen wollen. Die Bilder werden Ihnen dann zugeschickt.

Damit, glaube ich, habe ich die Mitteilungen, die ich zu machen hatte,

zunächst einmal erledigt. Nun haben wir zu verhandeln über die Frage, bei

der wir abgebrochen haben, ob die Eintrittsgelder bei der Ortsverwaltung oder

bei der Hauptverwaltung bleiben sollen. Weil wir noch sehr viele Paragraphen

haben, möchte ich folgenden Vorschlag unterbreiten. Ich habe die Auffassung,

zu dieser Reihe von Paragraphen braucht keiner länger als fünf Minuten zu

reden. Das könnte ausieicrien. Ich würde Ihnen daher vorschlagen, daß wir

von § 4 bis einschließlich § 12 zunächst einmal nur eine fünfminutige Redezeit

festlegen. Darf ich fragen, ob Einverständnis besteht? — Es ist so beschlossen.

Nun spricht der Kollege Maack zur Frage der Eintrittsgelderabführung an Ortsverwaltung

oder Hauptverwaltung.

Maack (Lübeck): Kollegen! Die Frage hat selbstverständlich auch eine

Rolle gespielt. Wir haben uns dahin verständigt, daß wir die Sache mit den

Beiträgen verquicken wollen, wie Kollege Weber bereits sagte. Das hängt

zusammen mit dem Prozentsatz, der den Ortsgruppen oder Ortsverwaltungen, wie

es heißt, verbleibt, ab 15 oder 20 %>. Da sind wir der Auffassung gewesen, daß

diese Dinge nicht statutarisch festgelegt werden können, sondern durch ein

Reglement der Hauptverwaltung mit Beirat. Der Beirat ist bekanntlich der

verkleinerte oder der Ersatzverbandstag, wenn ich so sagen darf. Dinge, die

eigentlich den Verbandstag berühren, aber nicht so ausschlaggebend sind, daß

ein Verbandstag einberufen werden muß, werden gemeinsam mit dem Verbandsbeirat

erledigt. Dazu würde auch diese Frage gehören. Wir waren uns in der

Kommission darüber einig, daß es in der Zukunft selbstverständlich sein wird,

daß den Ortsgruppen mindestens ein" Prozentsatz der Eintrittsgelder verbleiben

muß, um den Funktionären in den Betrieben, die die Agitation betreiben, einen

gewissen Anreiz zu geben. Es soll ein Teil der Eintrittsgelder dazu verwendet

werden, um sozusagen die Agitationsfreudigkeit der Funktionäre in den Betrieben

und in den Bezirken zu fördern. Vorgesehen ist es jedenfalls. Wir

halten es aber nicht für zweckmäßig, zu sagen: Die Eintrittsgelder verbleiben

der Ortsverwaltung. Die Gründe, die uns eigentlich bewogen haben, dieses

abzulehnen, eignen sich nicht ganz, in der Öffentlichkeit erörtert zu werden. Sie

liegen doch einfach so, wenn ich einmal ganz ehrlich sprechen darf: Wenn wir

jetzt beschließen — nun bin ich einmal ganz offen; es ist vielleicht falsch, wenn

ich das sage —, den Ortsverwaltungen die Eintrittsgelder zu belassen — damit

wird der Verbandsvorstand absolut einverstanden sein —, dann werden wir auf

der anderen Seite erleben, daß man uns in den Ortsgruppen sagt: Ihr behaltet

ja jetzt die ganzen Eintrittsgelder; dann müssen wir euch natürlich euren Prozentsatz

von den Einnahmen entsprechend beschneiden. Bitte, das nicht zu

Protokoll. Aber ich will das gern einmal so ganz nebenbei erwähnt haben.

Es sind also schon Gründe vorhanden, die uns dazu veranlaßt haben, die Frage

mit einem Reglement durch den Verbandsbeirat regeln zu lassen. Ich möchte

daher bitten, die Frage in diesem Zusammenhang nicht zu erörtern.

T 99


Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Entscheidung.

Ich bitte diejenigen Delegierten, die dafür stimmen wollen, daß dem

Antrag des Ausschusses stattgegeben wird, der die Eintrittsgelder bei der Hauptverwaltung

lassen will, die Karte zu erheben. (Zuruf: Noch einmal formulieren!)

Die Formulierung ist nicht verstanden worden. Ich lasse darüber abstimmen,

daß die Eintrittsgeldeinnahme an die Hauptverwaltung abgeführt wird. Ist das

verstanden worden? (Zustimmung.) Wer dafür stimmen will, daß das Geld an

die Hauptverwaltung geht, den bitte ich, die Karte zu erheben. (Zuruf: Da sind

verschiedene beim Geldauszahlen!) Das geht uns nichts an; wer"*icht da ist,

stimmt nicht mit. — 74 waren dafür. Ich bitte um die Gegenprobe. — 56 sind

dagegen. Das erstere war die Mehrheit. • Die Eintrittsgelder werden demgemäß

wie bisher an die Hauptkasse abgeführt. Der § 4 ist damit erledigt und angenommen.

Wir kommen dann zum §5 „Übertritte".

Maack (Lübeck): Zum § 5 liegen Anträge von Kassel, Biblis, Pfungstadt,

Köln, Hockenheim, Heilbronn, Heidelberg vor, die das Wort „Bezirksvorstand"

einfügen wollen. Da wir einen Bezirksvorstand nicht vorgesehen haben, bitten

wir, die Anträge abzulehnen und es bei dem Satzungsentwurf zu belassen.

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. (Zuruf: Doch!) Es

meldet sich der Kollege Späth (Darmstadt).

Späth (Darmstadt): Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von Pf ungstadt

aus den Antrag eingebracht haben, § 5 wie folgt umzuändern, daß in Satz 3

für das Wort Verbar.dsvorstand das Wort Bezirks vorstand einzusetzen ist, so

deshalb, weil in § 6 von einer Bezirksverwaltung gesprochen wird (Vorsitzender:

Nein!) und weil wir sagen, daß z. B. jedes Mitglied, das in die Gewerkschaftsbewegung

aufgenommen wird, unter allen Umständen auch den Bezirksverwaltungen

zu melden ist, daß wir im Bezirk überhaupt die ganze Stoßkraft, die

von unten nach oben geht, abzufangen haben und so auch feststellen müssen,

wer zur Gewerkschaftsbewegung oder zur Industriegewerkschaft Nahrung und

Genuß hinzugekommen- ist. Aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt,

in Absatz 3 für das Wort Verbandsvorstand das Wort Bezirksvorstand ziu setzen.

Ich bitte die anwesenden Kollegen, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.

(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)

Vorsitzender: Einen Moment mal! Ich habe die Begründung nicht ganz

verstanden, warum die Aufnahme in die neue Gewerkschaft durch den Bezirksvorstand

statt durch den Verbandsvorstand erfolgen soll.

Dormagen (Köln): Zur Geschäftsordnung! Dem Kollegen Maack ist ein

Irrtum unterlaufen. Wir haben nur den Antrag gemacht, die Beschäftigiungsdauer

in der neuen Industrie von drei auf sechs Monate heraufzusetzen.

Maack (Lübeck): Ich möchte zunächst einmal etwas sagen. Wir haben den

ganzen Vormittag verhandelt und vier Paragraphen fertig. Wir haben 42 oder

40 Paragraphen zu verhackstücken. Wir werden heute respektive spätestens

morgen mittacr mit unseren Satzungen fertig werden müssen. Ich kann euch sagen

— ich stehe nicht zum erstenmal als Berichterstatter auf einem Verbandstag —,

wenn wir so fortfahren, wie wir bis jetzt gearbeitet haben, dann sitzen wir

nächste Woche noch hier. So geht die Geschichte nun einmal nicht. Ich hatte

vorausgesetzt, daß Wir auch bei den Delegierten soviel Fingerspitzengefühl verlangen

könnten, daß man ungefähr diesem Tempo folgen könnte. Ich habe deswegen

geglaubt, wenn ich sage, wir empfehlen die Annahme des Antrags, wie

er vorliegt, und bitten, die Anträge sowieso abzulehnen, dann können wir nicht

einfach dadurch fertig werden, wenn ich auf jeden einzelnen Titel einer

Ortsgruppe, den wir vor uns liegen haben, eingehe. Das ist einfach praktisch

nicht möglich. Wenn man glaubt, daß man grundsätzlich auf diesem oder jenem

Standpunkt stehenbleiben muß, dann soll man sich zu Wort melden und sagen:

Wir haben das und das beantragt; wir beantragen nunmehr, das noch miteinzusetzen.

Dann brauchen wir das alles nicht mehr zu machen.

100


Ich gehe nun auf den Antrag Köln ein, der die Zeit von drei Monaten auf

sechs Monate heraufsetzen will. Ich muß doch von einer Ortsgruppe, von einem

Ortsgruppenvorstarad, der Anträge an den Verbandstag einreicht, erwarten, daß

er zumindest einigermaßen einmal über die Satzungen der Gewerkschaften, zum

anderen auch über die Bundessatzungen informiert ist. (Sehr gut!) Das möchte

ich einmal betonen. Bei der Festlegung der Zeit bis zum Übertritt in eine andere

Gewerkschaft haben wir uns nach dem gerichtet, was in den Bundessatzungen

vorgesehen ist, nämlich nach einer Beschäftigungsdauer von drei Monaten. Köln

will auf sechs Monaie erhöhen. Das müssen wir ablehnen, weil es gegen die

Bundessatzungen verstößt. So liegen die Dinge.

Wenn wir so verfahren, wie ich es angedeutet habe, und wenn wir den guten

Willen haben und hinter den von der Kommission ausgearbeiteten Dingen keine

Pferdefüße vermuten und glauben, daß wir alle den ehrlichen Willen haben,

das Beste zu wollen, dann werden wir schneller vorwärts kommen. Deswegen

soll die Redefreiheit nicht beschränkt werden. Aber ich glaube, im Interesse

einer schnelleren Erledigung müssen wir so verfahren. Den Antrag Köln müssen

wir aus den von mir angeführten Gründen ablehnen. (Zuruf: D.as mußt du

doch begründen!)

Bauer (Heidelberg): Die Anträge Hockenheim, Heilbronn, Heidelberg bedeuten

lediglich textliche Änderungen und decken sich mit dem letzten Satz

des Antrags der Satzungskommission. Im Entwurf ist gesagt: „Die Aufnahme

in die neue Gewerkschaft erfolgt durch den Verbandsvorstand." Hier muß es

richtig heißen „durch d^n Hauptvorstand", denn die Organisation, zu der er

übertritt, hat ja darüber zu entscheiden. Nicht wir entscheiden, ob er dort

aufgenommen ward oder übertreten kann, sondern der Hauptvorstand entscheidet.

Vorsitzender: Das ist eine rein redaktionelle Frage. Es ist kein Zweifel

darüber, daß die neue Gewerkschaft, in die er übertritt, es zu genehmigen oder

abzulehnen hat. Unklar waren wir nur darüber, ob es drei Monate oder sechs

Monate heißen soll. Ich muß schon sagen, was Maack gesagt hat, ist sachlich

richtig. Um solche Dinge sollten wir nicht stundenlang reden. Es ist wirklich

richtig, daß einer, der drei Monate in einem anderen Beruf arbeitet, in die

Gewerkschaft gehört, in der er beschäftigt ist, nicht erst nach einem halben

Jahre. (Zuruf: Der Antrag ist gestellt worden, weil in Kampagnebetrieben die

Leute sechs Monate arbeiten und dann wieder sechs Monate in anderen Betrieben!)

Wir können nicht auf jede Einzelheit Rücksicht nehmen. Wenn einmal

ein Fall gegeben ist, wo es nicht anders geht, dann nehmt vier Monate. Ihr

kommt da schon zurecht. Grundsatz müssen drei Monate sein. Wer dafür ist,

den bitte ich, die Karte zu erheben. — Es ist so beschlossen.

Maack (Lübeck): § 6 „Ab- und Anmeldung bei Wohnortwechsel". Hof,

Kronach, Bamberg, Bayreuth, Naila, Kulmbach, Coburg, Hannover beantragen,

das Wort „Bezirk" zu streichen. Wir empfehlen, diese Anträge abzulehnen.

Vorsitzender: Ich stelle fest, daß der Gewerkschaftstag dem zustimmt.

§ 6 ist genehmigt. Es folgt § 7. i

Maack (Lübeck): Zu § 7 „Beendigung der Mitgliedschaft" liegen keine

Anträge vor.

Vorsitzender: § 7 ist genehmigt; ich stelle das fest. Es folgt § 8

„Streichung der Mitgliedschaft".

Maack (Lübeck): Mannheim beantragt folgenden Nachsatz: „Nach Nachzahlung

der rückständigen Beiträge oder Sonderbeiträge können sie ihre alte

Mitgliedschaft wieder erwerben, treten jedoch erst nach weiteren drei Monaten

Mitgliedschaft und Beitragsleistung in ihre alten Rechte." Wir empfehlen,

diesen Antrag anzunehmen und damit die Anträge München, Nürnberg, Rosenheim,

Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Kassel, Bochum,

Düsseldorf, Köln, Heilbronn, Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg abzulehnen, weil

sie bereits durch § 4 erledigt sind.

101


Vorsitzender: Wortmeldungen liegen nicht vor. Wenn kein Widerspruch

zu hören ist, stelle ich fest, daß § 8 in der Formulierung des Arbeitsausschusses

angenommen ist.

§ 9 „Austritt".

Maack (Lübeck): Dazu liegt ein Antrag Neuß vor, das Wort „freiwillige"

zu streichen. Wir bitten, auch dieses anzunehmen, ebenso die Anträge Biblis

und Pfungstadt, die statt „Ortsgruppenvorstand" „Ortsverwaltung" setzen wollen.

Dem haben wir vorhin schon zugestimmt.

Vorsitzender : Widerspruch höre ich nicht. Ich stelle fest, daß der § 9

im Sinne des Arbeitsausschusses entschieden ist.

§ 10 „Ausschluß".

Maack (Lübeck): Hierzu beantragt Eßlingen zu Absatz 2, zwischen „Ortsverwaltung"

und „Verbandsvorstand" das Wort „Landesvorstand" einzufügen.

Wir bitten, diesen Antrag anzunehmen. Den Antrag Hamburg, „Ausschlußanträge

in den Ortsgruppen bzw. in den Bezirken einem fünfköpfigen Ausschuß

zur Beratung vorzulegen usw.", bitten wir dem Verbandsvorstand zur Festlegung

einer zu erlassenden Richtlinie als Material zu überweisen, desgleichen

die Anträge Heilbronn, Eßlingen und Heidelberg. Die Anträge Biblis, Pfungstadt

und Hockenheim sind abzulehnen.

Vorsitzender: Darf ich Ihr Einverständnis feststellen? Damit ist der

§ 10 in der vorgeschlagenen Form genehmigt und beschlossen.

Maack (Lübeck): Genehmigt und beschlossen sind Absatz 1 und 2. Jetzt

kommt Absatz 3. Dazu beantragen Würzburg, Nürnberg, Regensburg, Ansbach,

Schwabach, Fürth, Kassel, Köln, die Worte „nach Anhörung des Ortsverwaltungs-

sowie Landesvorstandes'' einzufügen. Diesen Anträgen bitten wir stattzugeben.

Die Anträge Biblis, Pfungstadt, Duisburg, Kellinghusen, Elmshorn,

Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, die eine Änderung des ersten

Satzes wollen, bitten wir abzulehnen.

Vorsitzender: Ich stelle fest, der Gewerkschaftstag stimmt diesem

Antrag des Arbeitsausschusses zu. Die Ziffer 3 ist genehmigt.

Maack (Lübeck): Ziffer 4. Da kommt ein Antrag Heidelberg, der als

erledigt angesehen werden kann. (Vorsitzender: Wodurch?) Das ist ein ganz

kurzer Satz: „In leichteren Fällen kann auf Rüge erkannt werden." Das ist

eine Selbstverständlichkeit. (Zuruf von Bauer, Heidelberg.) Das ergibt sich

schon aus dem Vorhergehenden.

Vorsitzender: Die Ziffer 4 ist genehmigt und beschlossen.

Ziffer 5.

Maack (Lübeck): Hierzu liegt ein Antrag Biblis vor. Wir haben beschlossen,

den Antrag Biblis wegen Unklarheit abzulehnen. Ich muß erst sehen, wie er

lautet."— Er lautet: Das Wort „Landesvorstand" ist durch das Wort „Bezirksvorstand"

zu ersetzen. Einen Bezirksvorstand haben wir in den Satzungen

nicht vorgesehen; infolgedessen empfehlen wir, den Antrag abzulehnen.

Vorsitzender: Es erhebt sich kein Widerspruch. Ziffer 5 des § 10 ist

damit genehmigt.

Ziffer 6.

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 6 liegen keine Änderungsanträge vor.

Vorsitzender : Ziffer 6 ist genehmigt.

Ziffer 7.

Maack (Lübeck): Zu Ziffer 7 liegt ein Antrag Köln vor, der wegen Unklarheit

abzulehnen ist. Die Ziffer 7 lautet: „Solange das Ausschlußverfahren

schwebt, ruhen alle Mitgliedspflichten und -rechte." Dazu hat Köln einen Antrag

gestellt, der lautet: Als zweiter Satz ist hinzuzufügen: „Schwebende Arbeitsgerichtsprozesse

können von der Gewerkschaft zu Ende gebracht werden." Das

paßt nicht dahin und infolgedessen ist die Sache wegen Unklarheit abzulehnen

102


Vorsitzender: Widerspruch höre ich nicht. Es ist so beschlossen.

Ziffer 8.

Maack (Lübeck): Die Anträge Biblis, Pfungstadt, Köln und Heidelberg, das

Wort „Verbandsvorstand" durch „Landesvorstand" zu ersetzen, sind abzulehnen,

da die Entscheidung beim Verbandsvorstand — wir nennen ihn nachher Hauptvorstand

— liegen muß und nicht beim Landesvorstand.

Vorsitzender: Die wohlüberlegten Gründe des Arbeitsausschusses bitte

ich zu akzeptieren. Ich stelle fest, der Gewerkschaftstag hat zugestimmt. Damit

wäre der § 10 erledigt.

Maack (Lübeck): § 11 „Wiederaufnahme". Die Anträge Biblis, Pfungstadt,

Duisburg, das Wort „Verbandsvorstand" durch das Wort „Bezirksvorstand"

respektive „Ortsgruppenvorstand" zu ersetzen, bitten wir abzulehnen aus den

Gründen, die ich eben angeführt habe.

Hockenheim, Heilbronn, Eßlingen und Heidelberg stellen die Anträge, daß

über die Wiederaufnahme der Hauptvorstand nach Anhörung und im Benehmen

mit den zuständigen Ortsgruppen sowie Landesvorstand entscheidet. Wir bitten,

diese Anträge dem Verbandsvorstand als Material zu überweisen.

Vorsitzender: Ich stelle Einverständnis fest. § 11 ist so beschlossen.

§ 12.

Maack (Lübeck): Die Anträge München, Kassel sind erledigt, da sie bereits

in § 2 berücksichtigt sind. Der Antrag Köln, den letzten Satz des Absatz 3 hinter

Absatz 2 zu setzen und den Absatz 3 zu streichen — das ist also eine Umgruppierung

der Sache —, bitten wir, aus stilistischen Gründen anzunehmen.

Vorsitzender: Ich stelle Einverständnis fest. § 12 ist damit genehmigt.

Darf ich Ihnen kurz ein eingelaufenes Telegramm verlesen: „Zum Gewerkschaftstag

und zur Verschmelzung der drei Westzonen wünscht die Ortsgruppe

Mainz den besten Erfolg." (Zuruf: Das haben wir schon vernommen!) Das ist mir

eben hier hergegeben worden. Es ist wohl noch einmal eines gekommen.

Dann schreibt der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, Industriegewerkschaft

Nahrung — Genuß — Gaststätten, Land Sachsen:

Werte Kollegen! Die Funktionäre des erweiterten Landes Vorstandes der

IG Nahrung — Genuß — Gaststätten des Landles Sachsen entsenden euch

von ihrem Tag am 17. Mai 1949 in Dresden über die Zonengrenzen hinweg

brüderliche Grüße. Genau wie ihr wünschen wir nichts sehnlicher als die

baldige Herstellung der Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden.

Unser Kampf für die gemeinsamen Ziele daif nicht länger durch Zonengrenzen

getrennt werden. Wir, die Funktionäre der Nahrungs- und Genußmittelbetriebe,

werden unsere ganze Kraft einsetzen, um aktiv an der Gestaltung

eines neuen geeinten Deutschlands mitzuarbeiten. Mögen diese

Zeilen dazu beitragen, mit euch einen schriftlichen Gedankenaustausch

aufzunehmen. Auf diesem Wege wollen wir mithelfen, die Voraussetzung

zu schaffen, um die Einheit der deutschen Gewerkschaften herbeizuführen.

Gez. Vorstand, Landesleitung.

Diese Gedanken werden wir natürlich gern entgegennehmen. Es ist auch

unser sehnlichster Wunsch, daß wir sehr bald mit den Kollegen und Arbeitern

und Arbeiterinnen der Ostzone vereinigt werden können.

Nun kommt der § 13 „Beiträge".

Maack (Lübeck): Die Frage der Beitragsregulierung hat natürlich in

unseren Beratungen eine sehr große Rolle gespielt, und auch die Fülle der

Anträge beweist, daß sich die Kollegen in den Ortsgruppen, in den Ortsverwaltungen,

in den Bezirken usw sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt

haben. Wir sind der Auffassung, daß der Antrag Nürnberg, der vorliegt, die

Grundlage bilden könnte für unsere neoie Beitragsregelung. Wir empfehlen,

den Antrag Nürnberg für die Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen, darin

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allerdings eine Änderung eintreten zu lassen. Ich weiß nicht, ob die vorgeschlagenen

Beitragssätze den Delegierten vorliegen. (Zuruf: Doch!) Die habt

ihr alle, dann brauche ich sie eigentlich nicht zu verleben, dann kann ich

Kalorien sparen.

Nach dem euch vorliegenden Entwurf, den wir sehr eingehend beraten und

erörtert haben, sind wir doch zu der Auffassung gekommen, daß die Beitragsregelung,

nach diesem Entwurf berechnet, für unsere kommende Gewerkschalt

die richtige ist. Wir haben auch die Frage des Netto- und Bruttolohnes behandelt,

haben das Für und Wider nach allen Seiten hin erörtert und sind zu der Auffassung

gekommen, die Bruttolöhne zugrunde zu legen. Ich habe, nachdem

das vorliegt, zu den Dingen eigentlich sonst nichts weiter zu sagen, bitte aber

zu bedenken, daß wir uns einige Stunden über diese Regelung unterhalten

haben und daß wir nach Prüfung des Für und Wider usw. zu der Auffassung

gekommen sind, dem Gewerkschaftstag doch diese Regelung vorzuschlagen.

Vorsitzender : Ich darf auch noch sagen, daß diese Arbeit des Arbeitsausschusses

die wertvollste Arbeit ist, die er im Dienste der Sache getan hat.

Maack (Lübeck): Darf ich noch etwas sagen. Ich war an sich fertig, muß

aber natürlich das Bild noch abrunden. Bei Annahme dieses Antrages wären

die Anträge Kempten, Weißenburg, München, Würzburg, Regensburg, Ansbach,

Schwabach, Fürth, Kassel, Friedberg, Frankfurt, Biblis, Wiesbaden, Loren,

Pfungstadt, Bremen, Hannover, Osnabrück, Bochutm, Köln, Kellinghusen, Elmshorn,

Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und Aalen erledigt.

Dann kommt der Antrag Neuß, die im Statut vorgesehenen Beiträge erst

dann einzuführen, wenn die vorgesehenen Unterstützungseinrichtungen in Kraft

getreten sind. Diesen Antrag Neuß bitten wir selbstverständlich abzulehnen.

Ferner empfehlen wir, den Antrag Hamburg, daß es jedem Mitglied freigestellt

bleibt, Beiträge nach einer höheren als der vorgeschriebenen Beitragsklasse zu

zahlen, ebenfalls abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen: Wir haben j a auch

da Erfahrung, wir wissen ja zum Beispiel aus unserer alten Organisation vor 1933,

daß Kollegen, die sehr bald oder in ein oder zwei Jahren in den Genuß irgendeiner

Unterstützung, sagen wir einmal der Altersunterstützung, kommen würden

versucht haben, möglichst die höchsten Beiträge zu zahlen, damit sie nachher

auf Grund ihrer vor zwei oder drei Jahren geleisteten hohen Beiträge auch eine

möglichst hohe Invalidenunterstützung bekamen. Diese Dinge also, die sich da

abgespielt haben und die uns bekannt sind, haben uns eigentlich veranlaßt zu

sagen, wir müssen diesen Antrag Hamburg doch empfehlen abzulehnen.

Außerdem empfehlen wir den Antrag Stuttgart abzulehnen, daß eine Beitragsänderung

erst dann vorgenommen werden kann, wenn die vom künftigen Bund

vorgesehenen Unterstützungen oder die Beitragsfrage vom Bund einheitlich

geregelt werden. Der Kollege Böckler da vorne lacht so spitzbübisch. Wann die

Unterstützungseinrichtung des Bundes kommt, mögen die Götter oder der

Bundesvorstand wissen. Wir wissen es vorläufig nicht und können unsere

Satzungen nicht auf so unsichere Faktoren aufbauen. Wir bitten also, auch

diesen Antrag abzulehnen.

Vorsitzender: Ich wollte in Ergänzung zu dem, was ich vorhin einleitend

sagte, folgendes sagen und auf folgendes aufmerksam machen. Wir

haben mit Absicht von einer prozentualen Festlegung der Beitragssumme im

Verhältnis zum Einkommen abgesehen, weil wir uns gesagt haben: Entscheidend

muß sein, Einkommen und Beitrag in eine Relation zu bringen. Wir haben deswegen

gesagt: Auf keinen Fall Nettolöhne, das führt zur Beitragsbetrügerei.

Wir sind nicht imstande, die Löhne in den meisten Fällen zu kontrollieren. Der

eine hat diese, der andere jene Abzüge. Wir kennen die Tariflöhne und Grundsätze,

und wenn wir die Beitragsverhältnisse der Kollegen prüfen, brauchen wir

nur den Tarifvertrag herzunehmen und wir haben den Beitrag, den das Mitglied

zu zahlen verpflichtet ist. Wir sind in der Berechnung unter 2 Prozent geblieben.

Bis jetzt waren es 2 Prozent des Nettolohnes. Jetzt ist der Bruttolohn zugrunde

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gelegt, der den Prozentsatz etwas herunterdrückt. Wenn Sie die Tabelle

ansehen, können Sie es durch die ganze Tabelle hindurch feststellen. Der

Beitrag beträgt nicht 2 Prozent des Bruttoeinkommens, sondern ist geringer, so

daß praktisch eine Belastung der Mitglieder durch diese Gruppierungen nicht

eintritt, aber eine klare Handhabe für die Einkassierer und die Hauptkassierer

gegeben ist.

Zunächst hat das Wort der Kollege Locherer, Mannheim; ihm folgt Lang,

Heilbronn. Vorher möchte ich aber noch den Kollegen Maack fragen, ob er

damit die ganzen Anträge erledigt hat, auch die Zusätze, die sich mit dem

Anteil der Ortsgruppen an den Beitragseinnahmen beschäftigen. (Maack: Die

sind damit erledigt!)

Locherer (Mannheim): Kolleginnen und Kollegen! Die Ortsgruppe Mannheim

und einige andere Ortsgruppen sowohl aus Württemberg-Baden wie aus

anderen Gegenden Deutschlands haben den Antrag gestellt, die Beitragsregelung

so lange zurückzustellen, bis auch die Unterstützungsregelung in Kraft treten

kann. Wir haben das nicht von ungefähr getan, sondern die neue Beitragsregelung

würde für Württemberg-Baden teilweise eine nicht unerhebliche

Erhöhung der Beiträge bedeuten. Um überhaupt mit den Kollegen in den

Betrieben heute über eine Beitragsregelung reden zu können, müssen wir auch

über die Unterstützungsregelung reden können. Solange wir das nicht können,

ist es den Kollegen schlecht verständlich zu machen, warum mit dem Zusammenschluß

auch gleich die Beiträge erhöht werden sollen. Ich meine also, wenn das

Statut ohnedies erst zum 1. Januar in Kraft tritt, dann sollte bis • dorthin auch

die Unterstützung geregelt sein; wenn es nicht möglich ist im Bund, dann doch

in der Industriegewerkschaft. Ich weiß, daß die Beitragsregelung der Industrie-

Verbände bleibt, aber ich weiß auch, daß ein großer Teil der Unterstützungen

bei den Industriegewerkschaften bleibt, und das sollte geregelt werden, wenn es

schon - nicht möglich ist, was wir allerdings noch mehr befürworten würden,

daß eine einheitliche Regelung der Beiträge und der Unterstützung für das

gesamte Bundesgebiet erfolgen könnte, damit irgendwelche Konkurrenzstreitig7

keiten in der Beitragshöhe unterbleiben würden.

Soviel zu der Regelung der Beiträge und der Unterstützungen. Ich bitte also,

den Anträgen zuzustimmen, die besagen, die Beitragsregelung so lange zurückzustellen,

bis auch die Unterstützung geregelt ist, damit den Kollegen gesagt

werden kann, die Beiträge werden erhöht, weil damit auch Unterstützungseinrichtungen

geschaffen werden, die besser sind als bisher.

Wir haben noch einen anderen Antrag gestellt, der vielleicht am Rande

gesehen nicht so wichtig aussieht: Wir haben nämlich verlangt, daß bei Wochenbeiträgen

der Monat mit 4 Wochen zu berechnen ist. (Maack: Bei der Vorlage

ist das berücksichtigt!) Ich habe nicht nachgerechnet, was die Nürnberger

beantragen, ob also drei Monatsbeiträge 13 Wochenbeiträgen entsprechen. Wenn

ein Monatsbeitrag vier Wochenbeiträgen entspricht, muß der Arbeiter, der

Wochenbeiträge bezahlt, im Jahr vier Wochenbeiträge mehr bezahlen, also einen

ganzen Monatsbeitrag mehr als der Angestellte, der Monatsbeiträge bezahlt. Der

Monatsbeitrag kann nicht vier Wochenbeiträge betragen, sondern er muß

4'/J Wochenbeiträge betragen.

Um diese schwierige Verrechnung wegfallen zu lassen, beantragen wir, da3

die Kollegen, die Wochenbeiträge bezahlen, im Monat nur vier Wochenbeiträge

bezahlen, auch dann, wenn der Monat fünf Wochen hat.

Kolleginnen und Kolleger! Nun noch zum Schluß über den Anteil der Ortsgruppen

an den Beiträgen. Ich weiß, daß für die Kollegen der britischen Zone

bis jetzt eine etwas günstigere Regelung besteht. Wir hatten sie in Württemberg-

Baden und, ich glaube, auch in anderen Bünden Süddeutschlands noch nicht.

Ich erinnere daran, daß wir in Mannheim in den letzten Wochen schon einige

reisende Kollegen hatten, die eine Unterstützung haben wollten. Es kommen

ferner Kollegen, die ein halbes Jahr krank sind. Für diese Kollegen haben wir

vor einem Vierteljahr einen Antrag auf Notfallunterstützung gestellt, die ihnen

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aber nicht zukommen kann. Die Ortsverwaltung ist aber überzeugt, daß hier

wirklich ein Notfall vorliegt. Man wird den Kollegen, um ihnen aus der Not

zu helfen, eine kleine Unterstützung gewähren. Die Ortsverwaltung aber verfügt

über keinerlei Barmittel. Was macht sie? Sie schreibt diese Unterstützungsbeiträge

auf Agitation. Das ist ein Verfahren, das zwar geübt wird, das aber nicht

ganz der Ordnung entspricht.

Aus diesem Grunde verlangen wir, daß mit diesen 3 Prozent für die Ortsgruppe

und 2 Prozent für den Landesvorstand außerordentliche Ausgaben zu

decken sind; nicht die sächlichen Ausgaben, für die man in der britischen Zone

heute schon 20 Prozent bekommt, sollen damit gedeckt werden, sondern es soll

den Ortsverwaltungen für außerordentliche Ausgaben ein bestimmter Betrag

bleiben, über den sie verfügen und über den sie natürlich der Revision Vorlage

machen müssen. Denn es soll nicht so sein, daß darüber keine Abrechnung

aufgestellt wird. Es sollen aber nicht mehr Beträge auf Agitationskosten erscheinen,

die in Wirklichkeit eine Unterstützung an einen reisenden Kollegen

oder einen Kollegen in Not darstellen. Wir haben uns lange genug über die

Beitragsgeschichte beraten und glauben empfehlen zu müssen, die Unterstützungseinrichtungen

zusammen mit den Beilragsregelungen zu regeln und die

Beitragsregelung solange zurückzustellen. (Beifall.)

Vorsitzender: Ich muß einmal klar herausstellen: Die Vorlage über die

Beitragswünsche, die Sie vervielfältigt vor sich liegen haben und die der

Arbeitsausschuß ausgearbeitet hat, ist ein einstimmiger Beschluß des Arbeitsausschusses.

Das war nicht der Antrag Nürnbergs, sondern es ist eine Vorlage

des Arbeitsausschusses. Dann ist weiter zu sagen, daß die Prozentregelung, der

Anteil, den die Ortsverwaltung bekommen soll, zunächst bis 31. Dezember, wie

bisher, bei den Verbänden bestehen bleibt, weil das Statut erst ab 1. Januar 1950

in Kraft tritt. In der Zwischenzeit müssen Verbandsvorstand und Beirat die

Prozentsätze errechnen und beschließen, die den Ortsverwaltungen verbleiben.

In den Beirat und Verbandsvorstand sind in der Mehrzahl Kollegen

aus den Betrieben, nicht Angestellte der Gewerkschaft.

Das Wort hat nun der Kollege Lang (Heilbronn); ihm folgt Pufal (Hamburg).

Lang (Heilbronn): Kolleginnen und Kollegen! Wenn mich die Ortsverwaltung

Heilbronn beauftragt hat, zum § 13 hier zu sprechen, dann aus dem

Grunde, weil die heutigen Beitragssätze, die wir haben, bei uns in den Ortsverwaltungen

in Württemberg ungefähr die Höhe dessen betragen, was sie hier

in unserem Antrag Heilbronn verzeichnet sehen. Wir haben besser gestaffelt,

so daß die Spanne zwischen den einzelnen Rubriken nicht mehr so hoch liegt.

Wenn Sie heute in die Betriebe kommen — das wissen Sie alle selbst —

und sprechen von Beitragserhöhung, solange noch keine Altersrenten eingeführt

sind, dann stoßen Sie vor eine Zementwand. (Sehr gut) Sie können

nicht weiter.

Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die grundsätzliche Auffassung,

daß wir warten müssen, bis die Lebenshaltung den Löhnen angepaßt ist, ehe

wir dazu übergehen, zu beschließen, die Beitragssätze in der Form zu erhöhen,

wie es die Kommission vorgeschlagen hat. Wir tun das nicht deshalb, weil

wir etwa nicht sehen oder nicht sehen wollen, daß es notwendig ist, daß wir

wieder dazu kommen, ein Beitragsniveau zu erreichen, wie es früher war, wo

ein Stundenlohn ein Wochenbeitrag war. Das wollen wir schon, aber wir wollen

so lange warten, bis die Lebenshaltung einmal besser geworden ist.

Ich möchte noch eine Frage stellen. Wenn man von Bruttoverdienst spricht,

dann möchte ich wissen, ob in diesem Bruttoverdienst auch die Überstunden

miteingerechnet sind, die heute viele Kollegen machen müssen, um eben durchzukommen.

(Zuruf vom Präsidium: Nein!) Schön, dann ist diese Frage auch

erledigt.

Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nun nicht mehr viele Worte machen,

sondern Sie bitten, der Wirklichkeit zu gedenken, wie es in den Betrieben bei

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Ihren Kollegen aussieht, die Sie zu betreuen haben. Nach diesen richten Sie

sich und dann werden Sie die richtige Abstimmung durchführen.

Vorsitzender: (Das Wort hat Pufal (Hamburg), ihm folgt Schnellbögl

(Frankfurt).

Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Locherer

hat in seinen Ausführungen den Grundgedanken aufgeworfen, die Beitragsfrage

so lange zurückzustellen, bis die Unterstützungsfrage geregelt ist. Ich glaube, der

Gedankengang ist nicht richtig durchdacht. Praktisch sieht es doch so aus,

daß wir als Gewerkschaft zunächst einmal einen Fonds schaffen müssen, wenn

wir Unterstützungen geben wollen. Wenn wir weiter vegetieren wollen, werden

wir nie zur Unterstützungszahlung kommen.

Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob bei den Angestellten vier Wochen

oder viereinviertel Wochen berechnet sind. Wir haben in der Kommission bei

den Angestellten vier Wochen zugrunde gelegt, und zwar deshalb, weil wir

uns auf- der anderen Seite dessen bewußt gewesen sind, daß von Seiten einer

bundesuntreuen Organisation weniger Beiträge oder ein niedrigerer Beitrag einkassiert

wird. Aber auf der anderen Seite, Kolleginnen und Kollegen, sind wir

uns doch darüber im klaren, daß wir in allen Gewerkschaften zumindesten

in der Beitragsfrage wie auch in der Unterstützungsfrage eine einheitliche Linie

beziehen wollen. Wenn wir in der Kommission die Ihnen vorliegenden Beitragshöhen

festgesetzt haben, so ist das in Abstimmung mit dem Gewerkschaftsrat

geschehen, der für alle Gewerkschaften dieselben Beiträge erheben

will.

Wenn ich ein Wort zu der Rückerstattung des prozentualen Satzes für die

Ortsgruppen sagen möchte, so das eine, daß wir in der Kommission in allen

Ländern in der Rückerstattung unterschiedliche Verhältnisse vorgefunden haben.

In einigen Ländern haben die Ortsgruppen gar nichts zurückbekommen, in der

britischen Zone 20 Prozent. Das muß zumindest abgestimmt werden. Wir sind

der Meinung, daß man das dem kommenden Vorstand wie dem Beirat überlassen

muß, um eine Norm zu finden, was den einzelnen Ortsgruppen von

den Beiträgen zurückerstattet werden soll. Wir sind der Meinung, daß die

Ortsgruppen so viel zurückerstattet haben müssen, daß sie leben können und

daß sie ihren Verpflichtungen nachkommen und ihren Agitations- und Versammlungsbetrieb

durchführen können. Wir sind aber nicht der Meinung, daß

man einen Prozentsatz festsetzt, der dazu führen könnte, in den Ortsgruppen

das Geld zu belassen, der Hauptverwaltung aber das Geld zu -entziehen, so daß

bei evtl. ausbrechenden Kämpfen die Hauptverwaltung etwa Notbeitiäge ausschreiben

muß. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, dem vom

Kollegen Maack gemachten Vorschlag zuzustimmen.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Schnellbögl (Frankfurt); ihm

folgt Blome (Bremen).

Schnellbögl (Frankfurt): Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir

von Frankfurt den Antrag gestellt haben, 2 Prozent des Bruttolohnes als Beitragsregelung

vorzusehen, so glauben wir, daß wir mit den Vorschlägen, die die

Kommission ausgearbeitet hat, so ziemlich übereinstimmen. Der Beitrag in

Frankfurt wird ungefähr schon in der Höhe erhoben, wie es der Antrag

Nürnberg vorsieht.

Wir haben in Frankfurt weiter den Antrag gestellt, sowohl Wochen- wie

Monatsbeiträge einzuführen. Nachdem wir jetzt Monatsbeiträge haben und diese

in einem großen Teil der Betriebe kassiert werden, stehen wir auf dem

Standpunkt, daß "Wir an den Monatsbeiträgen unbedingt festhalten müssen.

Das ist für die Ortsverwaltungen eine bedeutende Erleichterung beim Kassieren.

Nun zur Frage des prozentualen Verhältnisses. Wir stehen auf dem Standpunkt,

daß der Ortsverwaltung mindestens 10 Prozent zur Verfügung gestellt

werden müssen. Größere Ortsverwaltungen, wie z. B. die unserige, können

sogar bei den gegenwärtigen Verhältnissen mit 10 Prozent nicht mehr aus-

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kommen. Wir sind auch augenblicklich nicht in der Lage, schon sofort mit

sogenannten Lokalbeiträgen anzufangen. Ich glaube, daß man sich schon

darüber schlüssig werden müßte, den Prozentsatz auf vorläufig mindestens

10 Prozent festzusetzen.

Nun noch eine kleine Anfrage. Wir haben von Frankfurt aius den Antrag

gestellt, daß den Landes vorständen usw. zur Bestreitung ihrer Unkosten 5*'«

zur Verfügung gestellt werden sollen. Dieser Antrag ist meiner Ansicht nach

von der Statutenkommission überhaupt nicht aufgenommen worden. (Maack

Doch!) Nein, der Antrag ist nicht abgedruckt. Wir möchten nachfragen, wieso

es gekommen ist, daß dieser Zusatzantrag nicht angenommen worden ist. Es

wäre angebracht gewesen, uns wenigstens davon in Kenntnis zu setzen, daß

unsere Anträge bei der Hauptverwaltung eingegangen sind.

Im großen und ganzen aber möchte ich feststellen, daß wir damit einverstanden

wären, wenn die Anträge der Kommission und der Antrag Nürnberg

angenommen Würden. Was wir jetzt bezahlen, können wir auch weiterhin

bezahlen.

Andererseits aber möchte ich sagen, daß die Frage einer Unterstützung so

schnell wie möglich geregelt werden muß. Es fällt schwer, auf Agitation

hinausgehen zu müssen und den Kollegen zu sagen: Ihr müßt Beiträge zahlen,

das andere wird sich im Laufe der Zeit regeln. Ich glaube, man müßte den

§ 15 ausbauen und Richtlinien darin bringen und etwa sagen: Die Gewerkschaft

ist gewillt, eine Arbeitslosen-, Streik- bzw. Kurzarbeiterunterstützuns

zu geben, damit wir, wenn wir auf Agitation gehen, das entsprechende Material

in der Hand haben. Ich glaube, daß das nicht nur für Frankfurt, sondern für

überall gilt. Denn überall, wo man hinkommt, fragen die Kollegen: Was bietet

man für die Beiträge? Dann stehen wir da und können nichts sagen als vielleicht:

Wir sind im Aufbau, und solange der Aufbau nicht abgeschlossen ist,

müßt ihr euch gedulden. Das geht auf eine kurze Frist, nicht auf die Dauer.

Ich möchte daher bitten, daß man auf dem Verbandstag Richtlinien.festsetzt,

damit wir den Kollegen draußen sagen können, was wir vorhaben.

Vorsitzender: Es spricht Blome (Bremen); ihm folgt Nätschor

(Nürnberg).

Blome (Bremen): Kolleginnen und Kollegen! Was die Unterstützungsfrage

anlangt, die in Verbindung mit der Beitragsfrage angeschnitten worden ist, so

appelliere ich zunächst einmal an den alten Gewerkschaftsgeist. Das ist nach

meinem Dafürhalten das Wesentliche. Wir sind auf der Strecke, arbeiten in

der Agitation und sind keine Versicherungsagenten, sondern wir haben zu agitieren

und aufzuklären über den Sinn und die Tätigkeit der Gewerkschaften.

Die Hauprunterstützung, Kolleginnen und Kollegen, ist bereits geregelt. Das ist

die Streikunterstützung. Glauben Sie, daß die Kollegen, die nach einer Sonderform

von Unterstützungen, ganz gleich welcher Art, fragen, mit Ausnahme der

Streikunterstützung, überhaupt einmal Gewerkschafter werden? Ich bin der

Auffassung, daß wir dafür zu sorgen haben, dem Selbstzweck der Organisation

zu dienen. Die Unterstützungseinrichtungen sind Mittel zum Zweck. Der

Selbstzweck ist der, verbesserte Lohn- und Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Wollen die Kollegen vielleicht mit 60 und 70 Pf. Beiträgen Streiks finanzieren?

Wollen sie sieh mit diesen niedrigen Beiträgen über Wasser halten? Und darüber

seien wir uns klar: Die Reaktion erhebt mehr denn je ihr Haupt. V/ir

werden in allernächster Zeit bitteren Kämpfen nicht aus dem Wege gehen

können. Wir dürfen ihnen auch nicht ausweichen. Aus diesem Grunde, Kollegen,

müssen wir schon dafür plädieren, daß wir dem Vorschlag des Ausschusses

zustimmen.

Was die prozentuale Belassung der Beiträge an die Ortsgruppen betrifft, so

schließe ich mich vollkommen den Ausführungen des Kollegen Pufal an. Der

Verbandsvorstand wird der letzte sein, der die Lebensfähigkeit der Ortsverwaltungen

irgendwie wird beschneiden wollen. Denn er ist selbst von der

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Pike auf in der Ortsverwaltung tätig gewesen nxad weiß genau, welche Schmerzerr

die Ortsverwaltungen haben.

Ich möchte euch also, Kollegen, ersuchen, hier die richtige Entscheidung

zu treffen; denn ohne Munition können wir von vornherein keinen Kampf

durchführen. Stimmen Sie also, bitte, dem Antrag des Ausschusses zu. Und

wenn wir uns in zwei Jahren wieder sprechen können, so werden Sie bestätigen,

daß wir recht gehabt haben.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Nätscher (Nürnberg); ihm folgt

Krautter (Hannover).

Nätscher (Nürnberg): Ich kann es ganz kurz machen. Ich hätte eine Bitte

an Sie, und zwar die, daß Sie bei der Diskussion künftig bei der Erörterung

der einzelnen Punkte daran denken möchten, daß wir 42 Paragraphen zu

erledigen haben. Wir sind jetzt nach fünfeinhalbstündiger Beratung bis zu § 13

gekommen. Wir können der Sache dienlich sein, wenn die nachfolgenden Diskussionsredner

immer darauf achten, inwieweit der Vorredner den Tenor der

Sache bereits gestreift hat. Wenn wir überhaupt zu einer reibungslosen Abwicklung

der ganzen Tagung kommen wollen, so müssen wir immer beachten, da3

nicht alle Wünsche restlos erfüllt werden können und im allgemeinen doch die

Zustimmung zu den Vorschlägen des Ausschusses Voraussetzung ist. Ich habe

mich jedenfalls dafür verwendet, daß die bayrischen Kollegen sich bisher danach

gerichtet haben.

Ich richte an Sie die herzliche Bitte, darauf zu achten, ob der Vorredner ein

Problem bereits behandelt hat, und dann auf weitere Ausführungen zu verzichten,

wenn sie nicht ganz grundsätzliche Fragen betreffen.

Vorsitzender: Das Wort hat Krautter (Hannover); ihm folgt Pulley

(Stuttgart).

Krautter (Hannover): Wir haben die Vorlage der Antragskommission vor

uns liegen. Ich vermisse darin etwas, was in unserer alten Satzung der Industriegewerkschaft

Nahrung — Genuß — Gaststätten der britischen Zone enthalten

war. Dort war unter anderem auch für Lehrlinge, Arbeitslose und Invaliden

ein Beitrag vorgesehen, der hier nicht enthalten ist. Das hätte die Antragskommission

zum mindesten mit hineinverarbeiten müssen. Hier steht: Bis

15,- DM 20 Pf. Wochenbeitrag. Wir haben aber in der britischen Zone schon

eine ganze Reihe von Arbeitslosen, die in diesem Beitragsreglement unbedingt

entsprechend festgelegt werden müssen.

Von verschiedenen Kollegen ist die Frage angeschnitten worden, daß man vier

Wochenbeiträge erheben soll in einem Monat und nicht 13 Wochenbeiträge in

einem Vierteljahr. Kollegen, ich bin der Auffassung, ein gewerkschaftlicher

Grundsatz war immer, daß wir im Jahre 52 Wochen haben und daß wir hierzu

auch 52 Wochenbeiträge entrichten müssen, das heißt 13 Wochenbeiträge in

einem Vierteljahr und nicht nur vier in einem Monat.

Dann hätte ich gern von selten des Verbandsvorstandes der britischen Zone

folgendes gewußt. Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes der

britischen Zone hatte beschlossen — so wurde uns jedenfalls von Seiten des

Bezirksvorstandes berichtet —, daß eine Arbeitslosenunterstützung für unsere

Kollegen ab 1. Mai eingeführt werden soll. Die verantwortlichen Kollegen des

Bezirksvorstandes sprachen von einer 99prozentigen Sicherheit der Einführung

dieser Arbeitslosenunterstützung. Der Bundesbeirat des DGB, britische Zone,

hat dann beschlossen, auf Grund der unterschiedlichen Unterstützungssätze in

den einzelnen Ländern davon abzusehen und zu warten, bis ein einheitlicher

Deutscher Gewerkschaftsbund für die Trizone gegründet worden ist. Kollegen,

wir haben uns in den Ortsverwaltungen die größten Vorwürfe von unseren

Kollegen, die heute arbeitslos sind, machen lassen müssen, weil wir auf Grund

dieser Mitteilung des Bezirksvorstandes des DGB mit den Kollegen darüber

gesprochen haben, daß wir Unterstütziungsemrichtungen für arbeitslose Kollegen

schaffen werden. Dann kam die Spritze, und wir standen wieder da, und unsere

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Kollegen haben uns erklärt: Ja, wenn ihr uns einmal so und einmal so erzählt,

dann müßt ihr euch wohl vorher einig werden, bevor ihr unter die Märchenerzähler

geht. Ich hätte ganz gern vom Verbandsvorstand gewußt, ob er als

Mitglied des Bundesbeirates die Zustimmung dazu gegeben hat. Wir haben uns

in unseren Organisationen die größten Vorwürfe anhören müssen. Ich sehe

nicht ganz ein, wenn in der amerikanischen und der französischen Zone die

Unterstützungssätze für Arbeitslose noch nicht geregelt sind, daß so etwas

schon in der britischen Zone hätte durchgeführt werden können. Ich bitte den

Haaiptvorstand um aufklärende Worte.

Vorsitzender: Das Wort hat Pulley (Stuttgart); ihm folgt Mendel

(Heidelberg).

Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich vor allen

Dingen an die Kollegen der britischen Zone wenden, und zwar aus einem ganz

besonderen Grunde Wir alle, die wir hier sitzen, sind Funktionare und stehen

tagtäglich in den Betrieben. Wir haben bei uns in Württemberg-Baden leider

Gottes oder Gott sei Dank — das braucht hier nicht erörtert zu werden — im

Augenblick einen niedrigen Beitragssatz. Ihr selbst, Kollegen, die ihr ir. den

Betrieben steht, müßt mir doch wirklich recht geben, daß da kein Argument

durchschlagen kann, wenn wir jetzt mit einer Beitragserhöhung kommen, nachdem

wir zusammengeschlossen sind. Denn das Mißtrauen war bei uns schon

immer vorhanden. Kollegen, ich bin euer Landsmann, aus Wuppertal. Stellt

euch aber nun vor, ich käme in einen Betrieb in Stuttgart und müßte sagen:

Ab heute müßt ihr 80 Pf. oder 1,20 DM mehr zahlen! Was glaubt ihr. wes die

Kollegen mit mir machen würden? (Zuruf: Sie prügeln dich hinaus!)

Der Kollege Pufal hat mit Recht gesagt, wir brauchen Geld. Wir müssen

tatsächlich Geld haben, und die Kollegen müssen es einsehen. Vielleicht ist es

bei euch anders; aber ich muß ehrlich sagen, bei unseren 7000 Mitgliedern in

Stuttgart in meiner Ortsverwaltung kann ich die Gewerkschafter an den Händen

abzählen.

Ich bitte daher, den Stuttgarter Antrag anzunehmen, der besagt: Solange

keine Unterstützungen gezahlt werden, solange ich kein Argument habe, um eine

Beitragserhöhung zu begründen, solange müssen wir tatsächlich leider auf eine

Beitragserhöhung verzichten. Denn ich glaube, es liegt auph im Sinne der

künftigen Hauptverwaltung, wenn ich nachher melden kann oder wenn Sie

melden können, daß wir 7000 oder 8000 Mitglieder haben, statt daß mir 3000 zum

Teufel gehen. (Sehr richtig!) Aus diesen Gründen bitte ich, unseren Antrag

wirklich ernstlich zu prüfen und auch unsere Lage zu verstehen. Wir sind nicht

hierhergekommen, um uns etwas vorzumachen, sondern um uns gegenseitig

auszusprechen. Nehmen Sie daher den Antrag von Stuttgart an, daß wir die

bisherigen Beitragsleistungen bestehen lassen, solange wir keine Unterstützungen

haben. Ich will noch ganz kurz etwas sagen. Wir haben in Württemberg eine

Angestelltengewerkschaft. Sie ist bei uns der billige Jakob. (Zuruf: Bei uns

auch!) Was meint ihr, was meine Kollegen im Betrieb immer sagen? Sie sagen:

Ich gehe zu diesem Verband. Das wollen wir doch nicht. Deshalb, Kollegen,

überlegt euch das, was wir nach reiflicher Überlegung und Beratung beantragt

haben.

Vorsitzender: Das Wort hat Mendel (Heidelberg); ihm folgt Pufal

(Hamburg).

Mendel (Heidelberg): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich aus

einem besonderen Grund in dieser Frage ziu Wort gemeldet. Ich habe in

unserem Bezirk Heidelberg unter rund 6000 Mitgliedern etwa 4500 Tabakarbeiter

besonders zu betreuen. Wer die Lage in der Tabakindustrie kennt,

der weiß, mit welchen scnwitrigen Umständen und Veihältnissen diese Menschen

zu ringen haben, um noch einigermaßen ihre Lebensverhältnisse meistern zu

können. Nun haben wir auf Grund der Beiträge, die bei uns in Württemberg-

Baden eingeführt wurden, schon frühzeitig Differenzen bekommen. Wir haben

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versucht, diese Differenzen durch Einschaltung einzelner Lohnstufen auszugleichen.

Wir haben als niedrigsten Beitragssatz 1,20 im Monat gehabt. Bei

uns kennt man nur Monatsbeiträge. Mindestens 60 bis 70 °/o der Tabakarbeiter

aber hätten nicht mehr Mitglied unserer Gewerkschaft sein können, wenn wir

nicht einen Zwischenbeitrag eingesetzt hätten. Wir haben daher einen Zwischenbeitrag

von 90 Pf. eingeführt. Vor einigen Wochen — es liegt jetzt ungefähr

sechs Wochen zurück — kamen aus einer ganzen Reihe von Betrieben in meinem

Bezirk Listen, auf denen sich die Kolleginnen und Kollegen abgemeldet haben.

Als ich in diese Betriebe kam, habe ich festgestellt, daß es den Leuten auf

Grund der derzeitigen Verhältnisse bereits jetzt schwerfällt, die Beiträge aufzubringen.

Sie erklärten mir: Ja, Kollege Mendel, wenn wir mit einem niederen

Beitragssatz durchkommen und dieser anerkannt wird, werden wir eventuell

bereit sein, die Mitgliedschaft fortzusetzen. Nach Überprüfung einzelner Verdienstverhältnisse

habe ich feststellen müssen, daß die Abzüge in Wirklichkeit

etwas zu scharf bemessen waren. Nun vermisse ich hier in diesen neuen Beitragsvorschlägen

einen niedrigen Beitragssatz. Wenn unsere Kollegen das sehen,

wird es ihnen in der Gewerkschaft gruseln. Als das Notopfer eingeführt wurde,

sind Leute zu mir gekommen, die nur 50 und 60 DM verdienen, und haben

gesagt: Wenn es nicht möglich ist, die Kolleginnen und Kollegen, die unter

100 DM verdienen, vom Notopfer zu befreien, dann kürzen wir den Gewerkschaftsbeitrag;

höhere Ausgaben und Abzüge sind für uns nicht tragbar.

Angestellte von Betrieben haben erklärt: Kollege Mendel, wenn ihr weiter auf

unsere Mitgliedschaft rechnet, so müßt ihr versuchen, eure Beitragssätze den

billigen Beitragssätzen des Angestelltenverbandes in unserem Gebiet anzupassen.

Wir haben also in dieser Beziehung einen schweren Kampf zu führen. Wenn

jetzt der Zusammenschluß kommt -- ich habe in den letzten vier Wochen mindestens

50 bis 60 Betriebsversammlungen durchgeführt und daraul aufmerksam

gemacht, was bevorsteht — und wir kommen jetzt nach Hause und bringen zur

Kenntnis, daß mit dem Zusammenschluß eine Erhöhung der Beiträge verbunden

ist, ohne daß wir sagen können, wir haben auch sofort eine Unterstützung eingeführt,

dann werden die Leute die Köpfe schütteln, und es könnte der Fall

sein, daß der Mitgliederstand erheblich zurückgeht. Wir wissen es, und Sie

wissen es auch: Als wir die Gewerkschaften aufgebaut haben, glaubten die Mitglieder,

daß es bei der Gewerkschaft so sei wie einst bei der Arbeitsfront, und

daß sie hinein müßten. Sehr viel würden nicht hineingegangen sein, wenn sie

gewußt hätten, daß der Beitritt freiwillig war. Wlir haben sie bei ihrem Glauben

gelassen. Heute aber, wo die Arbeiter auf jeden Pfennig angewiesen sind,

reagieren sie auf diese Dinge, und wir werden einen sehr schweren Stand

bekommen.

Ich möchte aus diesem Grunde bitten, in den untersten zwei Stufen noch

eine Zwischenstufe einzubauen. Ich habe beabsichtigt gehabt, hier einen besonderen

Antrag zu stellen. Ich habe mich schon mit einzelnen Kollegen unterhalten,

habe auch angefangen, Unterschriften zu sammeln. Sie sind aber

schließlich dazu gekommen, zu mir zu sagen: Sprich selbst, trage deine Verhältnisse

vor, wenn der Paragraph zur Behandlung steht. Das hat mich davon abgebracht,

einen Antrag einzubringen. Ich möchte aber bitten, meine Ausführungen

zu beachten und dahingehend zu verwerten, daß es bei einer weiteren

Überprüfung vor dem zuständigen Ausschuß vielleicht doch noch möglich ist,

in den untersten zwei Stufen eine Zwischenstufe einzuführen. Der Kollege

Remppel bekommt die Unterlagen in die Hand und kann damit in der Kommission

arbeiten.

Vorsitzender : Das Schlußwort hat der Kollege Maack.

Maack (Lübeck): Daß die Frage der Beitragsregelung eine ausgedehnte

Diskussion auslösen würde, war uns natürlich klar. Aber ich bitte doch

einmal zu bedenken: Wir gehen jetzt die Ehe ein, wir machen Vielweiberei

beinahe, wir sind schon verheiratet, das Standesamt hat bereits gesprochen.

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Die Dinge liegen aber doch so, daß in allen drei Zonen, ja, in allen Ländern

ganz unterschiedliche Beitragsregelungen bestehen. Wie stellt man sich das

vor? Sollen wir denn diesen Zustand der unterschiedlichen Beitragsregelung

in unserer einheitlichen Organisation beibehalten? Das geht doch wohl nicht,

sondern wir müssen uns auf einem einheitlichen Nenner treffen. Dabei ist es,

Kollegen, natürlich ohne weiteres möglich, daß dabei in irgendeinem Land

in irgendeiner Gruppe eine Beitragserhöhung herauskommt.

Wenn ich mir aber die Beitragsvorschläge einmal ansehe, so möchte ich

tatsächlich wissen, wie wollt ihr die Sache noch anders regeln? Wollt ihr

mit 5 Ff. anfangen oder wie wollt ihr es machen? So geht doch die Geschichte

nicht. Wir haben doch 15 Gruppen aufgestellt, in denen wir entsprechend äem

verüenten Lohn den Beitrag eingestuft haben. Ihr müßt euch einmal mit

dieser Frage abfinden.

Ich kann zur Illustration folgendes sagen: Es sind kaum zwei Jahre her,

daß wir uns in der britischen Zone zusammengeschlossen haben. Wir haben

dort auch drei einzelne Gewerkschaften, und alle drei hatten unterschiedliche

Beitragsleistungen. Ich spreche hier als Landesleiter von Schleswig-Holstein.

Wir hatten einen einheitlichen Beitrag von 50 Pf. Dann kam die Neuregelung

auf unserem Vereinigungsverbandstag, auf dem natürlich auch alles auf einen

Nenner gebracht wurde und Beiträge bis zu 1,50 DM herauskamen. (Zuruf: In

der Reichsmarkzeit!) Das ist egal! (Zuruf: Das ist nicht egal!) Das spielt in

Wirklichkeit keine Rolle. (Anhaltende Unruhe und Zwischenrufe.) Erlaubt doch

einmal, wir können unsere Beiträge doch nicht von der jeweiligen Währung

abhängig machen. (Erzähl uns doch nichts!) Ich erzähle hier nichts. (Anhaltende

Unruhe.) Ich illustriere nur einmal. Es geht nicht darum, ob das dazu gehört

oder nicht. Laßt mich wenigstens ausreden, das lasse ich mir nicht nehmen.

Die Verhältnisse lagen so, daß wir in Schleswig-Holstein in weiten Kreisen

ebenfalls der Auffassung waren, diese Beitragserhöhung müßte unter allen

Umständen einen Mitgliederschwund bedeuten. Ich kann euch sagen, daß die

Erhöhung nach der Richtung hin gar keine Folgen gehabt hat, sondern daß

sich die Kollegenschaft mit dieser eben abgefunden hat. Es liegt doch letzten

Endes, Kollegen, an den Funktionären, den Kollegen in den Betrieben klarzumachen,

warum diese Beitragsregelung so und so getroffen werden muß.

(Widerspruch.) Der Kollege Pufal hat durchaus recht, wenn er sagt: Wie stellt

man sich die Einführung von Unterstützungseinrichtungen vor, wenn man auf

der anderen Seite nicht die Grundlagen für solche Unterstützungen schafft?

Wohin soll das führen? Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Denn auch

die Gewerkschaft kann letzten Endes die Gelder für die Unterstützung nicht

von den Bäumen pflücken, sondern sie müssen erst einmal eingebracht werden,

es muß erst einmal ein Fonds geschaffen werden.

Dem Kollegen, den Namen weiß ich nicht, der hier die Rechnung aufgemacht

hat, daß die Arbeiter im Monat nur vier Wochenbeiträge bezahlen sollten, um

mit tten Angestellten auf die gleiche Stufe zu kommen, möchte ich sagen:

Das ist eine Milchmädchenrechnung, diese Rechnung stimmt nicht ganz. Wenn

wir nämlich für die Angestellten vier Wochenbeiträge berechnen, dann berechnen

wir ja auch das Gehalt, das er in Wirklichkeit in 4 1 /» Wochen erhält.

Die Geschichte glättet sich schon wieder aus. Zum anderen wollen wir bei

dieser Gelegenheit vor allen Dingen darauf hinaus, daß wir die Angestellten

für uns gewinnen. Es ist das ein sehr großes Gebiet, das wir zu beackern

haben.

Ich will nicht auf die Einzelheiten eingehen. Das'Fur .und Wider ist durch

die Diskussion in ausgiebigem Maße erörtert worden. Alle Kollegen, die in ^er

Kommission anwesend waren, aus Süd, aus Nord und aus dem Westen sind einstimmig

zu der Auffassung gekommen, diese Regelung dem Gewerkschaftsrat

zu empfehlen und diese Empfehlung möchte ich weitergeben.

112


Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!

Wir wissen immer noch nicht, was mit den Arbeitslosen ist!) Ich

komme darauf. Bei der Vorlage, die Sie vor sich liegen haben, schreiben Sie

darüber: Lehrlinge, Arbeitslose, Invaliden 20 PL Es war in dem Tarif bis

15,— DM miteinbegriffen. Aber damit es klar ist, soll diese Formulierung

auch vorangesetzt werden. Die Vorlage, die Sie bekommen haben, bekommt also

an der Spitze beim Wochenbeitrag die Hinzufügung: „Lehrlinge, Arbeitslose

und Invaliden 20 Pf." (Zuruf: 10 Pf.!)

Wir kommen zur entscheidenden Abstimmung. Der Kollege Krautter wird

von mir beauftragt werden, von diesem Pfeiler ab die Stimmen auszuzählen

und der Kollege Dozier die Stimmen auf der anderen Seite. (Zuruf: Die Arbeitslosen

zahlen nur 10 Pf.; du hast 20 Pf. gesagt!) (Zuruf: Je Woche oder Monat?)

Je Woche natürlich!

Wir stimmen ab über die Vorlage, wie sie vorliegt, über die Wochen- und

Monatsbeiträge. Wer für diese Vorlage stimmen will, den bitte ich, die Delegiertenkarte

zu erheben. — 77 sind dafür. Ich bitte um die Gegenprobe. — 61

sind dagegen. Die Vorlage ist mit 77 gegen 61 Stimmen angenommen.

Wir kommen jetzt zu einer weiteren Entscheidung. (Anhaltende Unruhe.)

Wir haben jetzt die Entscheidung zu treffen — Kollegen, wenn Sie alle reden,

kann ich nicht dagegen anreden, das ist vollkommen ausgeschlossen, ich muß

bitten, daß jede Privatunterhaltung draußen geführt wird (Sehr richtig!) —

über den Antrag des Arbeitsausschusses, daß die Festlegung des Anteiles der

Ortsgruppen nicht heute beschlossen wird, sondern dem kommenden Verbandsvorstand

und Beirat übertragen wird. Den Grund haben wir schon gesagt.

Es muß zunächst einmal genau festgestellt werden, wie hoch die Belastung

der Ortsgruppen ist und wie hoch die Einnahmen auf Grund der neuen Beitragsregelungen

sind, damit ein gerechter Ausgleich zustande kommt. Daß dies

mehr als 10 Prozent ist, wie ein Redner gesagt hat, ist klar. Darüber ist kein

Zweifel. Mit 10 Prozent kann keine Ortsgruppe arbeiten.

Wir stimmen nun darüber ab. Wer dafür ist, daß die Festsetzung der Prozente

für die Ortsverwaltungen gemäß Vorschlag des Arbeitsausschusses dem komr

menden Vorstand und Beirat überlassen wird, den bitte ich, die Karte zu

erheben. — Das ist die Mehrheit. Das brauchen wir gar nicht auszuzählen. Es

ist so beschlossen.

Dann haben wir einen Antrag, der von 25 Delegierten unterschrieben ist.

Als Quittung für einen geleisteten Beitrag hat nur eine im Mitgliedsbuch

eingeklebte und dann entwertete Beitragsmarke Gültigkeit. Jedes

Beitragsmarkenfeld . . . eines Mitgliedsausweises muß mit einer Beitragsmarke

beklebt sein.

Will einer der Antragsteller den Antrag begründen? Es ist nicht erforderlich.

Der Antrag spricht für sich. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht

der Fall. Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen, die Karte zu

erheben. — Ich danke. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.

Damit wäre der § 13 erledigt.

Bevor wir zum § 14 gehen,, möchte ich Ihnen jetzt die Entschließung unterbreiten,

die zur Genossenschaftsfrage ausgearbeitet wurde. Die Entschließung

hat folgenden Wortlaut:

Der vom 24. bis 27. Mai abgehaltene Vereinigungsgewerkschaftstag der

Industriegeweikschaften Nahrung — Genuß — Gaststätten der drei westlichen

Zonen Deutschlands beschäftigte sich eingehend mit der Frage einer

möglichst aktiven Unterstützung der Konsumgenossenschaften.

Der Gewerkschaftstag steht einmütig auf dem Standpunkt, daß die

Konsumgenossenschaften als wichtiges Glied der Arbeiterbewegung auf

dem Wege zur Demokratisierung der Wirtschaft eine bedeutsame Rolle

spielen.

8 Protokoll 113


Den Konsumgenossenschaften ist deshalb jede denkbare Unterstützung

und Förderung zu gewähren.

Der Vereinigungsgewerkschaf'.stag empfiehlt allen Mitgliedern des Verbandes,

jeweils den örtlichen Konsumgenossenschaften beizutreten, um

deren wirtschaftlichen Einfluß auf die Warenverteilung zu stärken.

Ich glaube, wir brauchen darüber nicht mehr zu diskutieren, der Sinn ist

schon diskutiert. Ich bitte die Delegierten, die dafür stimmen wollen, ihre

Karte zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig

beschlossen! (Zuruf: Zur Geschäftsordnung! Wir bitten die Entschließung zu

vervielfältigen!) Die Entschließung wird vervielfältigt und den Delegierten

morgen ausgehändigt.

I

Wir kommen dann zum § 14 „Anrechnung".

.Maack (Lübeck): Der § 14 sagt, daß die in früheren Gewerkschaften bis

1933 zurückgelegte Mitgliedschaft angerechnet wird. Im letzten Satz der Vorlage

heißt es: „Über Art und Umfang der Anrechnung entscheidet

der . . . bund." Die Kommission schlägt vor, den letzten Satz des Entwurfes

zu streichen. Damit sind dann die Anträge Kassel, Biblis, Pfungstadt, Hildesheim,

Neuß, Aachen, Hockenheim, Eßlingen, Mannheim und Heidelberg erledigt.

München beantragt dann, im ersten Satz hinter „die" das Wort „nachweislich"

einzusetzen, EO daß es dann heißen würde: „Die nachweislich in

früheren Gewerkschaften bis 1933 zurückgelegte Mitgliedschaft wird angerechnet."

Wir bitten, auch diesem Antrag stattzugeben.

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Ich stelle fest, daß

der Gewerkschaftstag dem zustimmt.

§ 15 „Unterstützungen".

Maack (Lübeck): Die Anträge Nürnberg, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg,

Regensburg, Schwabach, Fürth, Kassel, Wiesbaden, Hannover, Münster, Eßlingen,

Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg schlagen wir vor, dem Verbandsvorstand

als Material zu überweisen, weil die Unterstützungsfrage generell überhaupt

noch nicht geklärt und geregelt ist.

Vorsitzender: Ich stelle ihr Einverständnis fest. Der Paragraph ist

genehmigt.

§ 16 „Ruhen und Stunden der Beitragspflicht".

Maack (Lübeck): Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach,

Fürth, Kassel, Biblis, Pfungstadt, Mannheim und Heidelberg beantragen, hinter

„ruht die Mitgliedschaft" zu setzen, „es sei denn, daß dieselbe durch Eintreten

für die Interessen der Ziele der Gewerkschaft verursacht wurde". Diesen

Antrag empfiehlt die Kommission zur Annahme.

Die Anträge Würzburg, Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth.Kassel, Biblis,

Pfungstadt, Stuttgart, Heilbronn, Eßlingen, Karlsruhe, Heidelberg, in Abs. 2

statt 8 bis 13 Wochen drei Monate zu setzen, bitten wir abzulehnen.

Die Anträge Kassel, Biblis, Mannheim und Heidelberg „Arbeitslose ohne

Unterstützung und Einkommen können auf Antrag beitragsfrei gestellt werden"

bitten wir ebenfalls abzulehnen .

Den Antrag Hildesheim, den Abs.. 2 „Bei Inhaftierung und Strafverbüßung

ruht die Mitgliedschaft" zu streichen, müssen wir ablehnen. Wir haben vorgeschlagen,

den anderen Antrag anzunehmen „es sei denn, daß dieselbe durch

Eintreten für die Interessen und Ziele der Gewerkschaft verursacht wurde".

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht. Doch, Bauer (Heidelberg,.

Bauer (Heidelberg): Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie dringend, den

beantragten Nachsatz zu Abs. 2: „Arbeitslose ohne Unterstützung und Einkommen

können auf Antrag beitragsfrei gestellt werden. Über den Antrag entscheidet

der Hauptvorstand." anzunehmen. Die Verhältnisse in der Vergangenheit in der

Zeit vor 1933 waren uns alten Funktionären ein bitterer Lehrmeister. Sie haben

114


uns dazu gezwungen, damals eine derartige Einrichtung zu schaffen. Die Verhältnisse

in der Gegenwart sind für die deutsche Arbeiterschaft noch viel

schwerer als damals. Wir müssen in Anbetracht der Situation, in der wir gegenr

wärtig stehen, wo Hunderttausende arbeitslos sind und seit langen Monaten

keine Unterstützung mehr beziehen und keinerlei Einkommen haben, die Möglichkeit

geben, daß sie beitragsfrei gestellt werden können. Wir sind damals

vor 1933 so verfahren, daß wir auch dafür eine Quittungsmarke in Form einer

schwarzen Beitragsmarke gegeben haben. Wenn uns die Verhältnisse nicht dazu

gezwungen hätten, damals wären wir diesen Weg nicht gegangen. Wir werden,

ob wir wollen oder nicht, jetzt und in der nächsten Zukunft diesen Weg gehen

müssen. Ich bitte Sie, diesen Antrag anzunehmen.

Vorsitzender : Das Wort hat Pufal (Hamburg).

P u f a 1 (Hamburg): Ich muß mich gegen den Antrag des Kollegen Bauer

wenden. Praktisch sieht es so aus, Kollegen, daß die Kollegen, auch wenn sie

keine Unterstützung beziehen, durch einen Anerkennungsbeitrag ihre Treue zur

Gewerkschaft zu beweisen die Möglichkeit haben. Praktisch ist es ja gar kein

Beitrag, wenn wir nämlich bedenken, daß diesen Kollegen von Fall zu Fall durch

die Gewährung einer Notunterstützung usw. geholfen wird. Ich will nur einmal

für die britische Zone eines herausgreifen; unsere alten Rentnerkollegen haben

im vorigen Jahr von uns 100 Mark Unterstützung bekommen, einmal zu Ostern,

einmal zu Pfingsten und Weihnachten usw. Kollegen, sind dann diese Kollegen

nicht moralisch verpflichtet, zumindest den Anerkennungsbeitrag zu zahlen,

damit wenigstens das Pflichtbewußtsein der Gewerkschaft gegenüber besteht?

Bei diesen Kollegen sind wir der Meinung, daß sie diese geringen Sätze an uns

zahlen können. Praktisch häuft das kein Geld bei uns, sondern es ist lediglich

ein moralischer Beitrag, der gezahlt wird.

Vorsitzender: Es ist an sich gegen den Inhalt der Vorlage des Arbeitsausschusses

nicht gesprochen worden mit Ausnahme dessen, daß für die Arbeitslosen

diese Ausnahmegenehmigung hinein sollte. Da darf ich darauf hinweisen,

daß ein Arbeitsloser, wenn er kein Einkommen hat und nicht zahlen kann, sich

die Beiträge stunden lassen kann, so daß er damit eine Uberbrückungsmöglichkeit

erhält. Die Gründe des Ausschusses haben Sie gehört.

Wir kommen zur Entscheidung. Wer für den Antrag des Ausschusses stimmen

will, der hier in § 16 niedergelegt ist, den bitte ich die Karte zu erheben. — Ich

bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.

§ 17 „Rechtsschutz".

Maack (Lübeck): Die,, Kommission schlägt vor, den ersten Satz des Entwurfes

folgendermaßen zu formulieren: „Den Mitgliedern der Gewerkschaft

kann Rechtsschutz gewährt werden bei Differenzen usw."

Die Anträge Weißenburg, Burgkunstadt, Nürnberg, München, Hof, Kronach,

Bamberg, Bad Kissingen, Rosenheim, Bayreuth, Würzburg, Naila, Kulmbach,

Regensburg, Ansbach, Schwabach, Fürth, Coburg, Kassel, Biblis, Pfungstadt,

Münster i. W., Hamburg, Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg

bitten wir, dem Verbandsvorstand als Material für zu erlassende Richtlinien

betr. Rechtsschutz zu überweisen.

Den letzten Satz des Entwurfs bitten wir zu streichen und dafür folgenden

Satz zu setzen: „Für die Gewährung von Rechtsschutz erläßt der Hauptvorstand

im Benehmen mit dem Beirat besondere Richtlinien."

Vorsitzender : Ich glaube, es ist eine sehr salomonische Regelung, die

getroffen ist, indem zunächst Verbandsvorstand und Beirat eine Regelung ausarbeiten,

nach welchen Grundsätzen Rechtsschutz überhaupt gewährt werden

kann. Das läßt sich heute aus diesem Gremium gar nicht in den Einzelheiten

sagen.

Wenn ich keinen Widerspruch höre, darf ich feststellen, daß so beschlossen

ist. — Danke schön. § 17 ist angenommen mit der Abänderung, die Kollege

Maack vorgetragen hat in bezug auf den letzten Satz, wonach Richtlinien der

8>

115


Hauptvorstand erlassen muß. (Zuruf: Noch einmal verlesen!) Die geänderten

Sätze? (Zuruf: Auch den ersten, wo es kann heißt. „Den Mitgliedern der

Gewerkschaft kann Rechtsschutz gewährt werden bei Differenzen usw.")

Das Wlort wird wird durch kann ersetzt. (Widerspruch, Zuruf: Zur

Geschäftsordnung!)

Maack (Lübeck): Nein, da gibt es keine Geschäftsordnung. Da kommt

folgendes hinzu. Wir haben auch diese Frage wohl überlegt und durchdacht

und sind trotzdem zur Auffassung gekommen, das Wort kann vorzuschlagen.

Vorsitzender: Wir haben den Paragraphen schon beschlossen. Du sollst

nur noch die Änderung vorlesen.

Maack (Lübeck): Das habe ich eben getan. (Widerspruch.) Der letzte Satz

ist noch nicht vorgelesen, er kommt jetzt. „Für die Gewährung von Rechtsschutz

erläßt der Hauptvorstand im Benehmen mit 'dem Beirat besondere

Richtlinien."

Schröder (Solingen): Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung

möchte ich feststellen, daß die Formulierung des Art. 17 nicht klar war. Ich

möchte deswegen bitten, daß darüber noch einmal abgestimmt wird, weil eine

Kann-Vorschrift bei Gewährung des Rechtsschutzes nach unserer Meinung

unmöglich ist. (Zuruf: Ein zweischneidiges Schwert!)

Vorsitzender: Ich darf dazu sagen, daß das Wort kann ein unbedingtes

Erfordernis ist, damit die Vorstände das Recht in der Hand behalten, Mitgliedern

den Rechtsschutz zu verwehren, die aus irgendwelchen Gründen nicht berechtigt

sind, ihn zu bekommen, weil ihre Klage absolut aussichtslos ist. Deswegen muß

es kann heißen und nicht muß. So ist die Geschichte. Aber wenn darüber

Zweifel bestehen sollten, schön, stimmen wir noch einmal ab. Es kann gar nicht

daran liegen. Aber eine Auseinandersetzung kann es nicht mehr geben.

Maack (Lübeck): Nein, das ist nicht mehr zur Geschäftsordnung.

Vorsitzender: Es wird dagegen protestiert, daß noch einmal abgestimmt

wird. Krautter (Hannover) will gegen den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen

Schröder (Solingen) sprechen.

Krautter (Hannover): Was Weber gesagt hat, ist lOOprozentig richtig und

muß rot unterstrichen werden. Wir haben in den einzelnen Ortsverwaltungen

Fälle, die von vornherein aussichtslos sind. In diesem Falle muß der Ortsgruppenvorstand

das Recht haben, den Antrag auf Rechtsschutzgewährung abzulehnen

und kann zu sagen. Deshalb möchte ich vorschlagen, den Vorschlag

des Kollegen, noch einmal abzustimmen, abzulehnen.

Vorsitzender: Der § 17 ist erledigt. Wer eirie nochmalige Abstimmung

haben will, den bitte ich, die Karte zu erheben. — Gegen 3 Stimmen abgelehnt.

§ 18 „Lohnbewegungen, Streiks und Differenzen".

Maack (Lübeck): Auch dieser Paragraph hat uns natürlich außerordentlich

stark beschäftigt. Es liegen eine ganze Reihe von Anträgen vor. Wir sind nach

eingehender Prüfung aller dieser Anträge, nachdem wir uns die Dinge noch

einmal reiflich überlegt haben — ich betone ausdrücklich noch einmal —, wieder

einstimmig innerhalb der Kommission zu der Auffassung gekommen, diesen

Paragraphen, so wie er in dem Entwurf vorgeschlagen ist, anzunehmen und

damit die Anträge Kellinghusen, Hamburg, Stuttgart, Duisburg, Köln, Heilbronn,

Mannnheim, Heidelberg, Burgkunstadt, Hof, Kronach, Bamberg, Bayreuth,

Naila, Krulmbach, Coburg, Kassel, Mannheim, Biblis, Pfungstadt, Bottrop,

Hannover, Gelsenkirchen, Buer, Gladbeck, Recklinghausen, Hockenheim, Heilbronn,

Elmshorn, Bochum abzulehnen.

Den Antrag Aalen, der die Unterstützung bei Arbeitsniederlegung und Aussperrung

regeln will, bitten wir, dem Hauptvorstand als Material zu überweisen.

Vorsitzender: Wortmeldungen höre ich nicht, ich stelle fest. . . (Zuruf:

Bauer, Heidelberg!) Wenn ein Paragraph aufgerufen ist, dann ist -es gut, wenn

sich die Kollegen gleich melden.

116


Bauer (Heidelberg): Es liegt ein Antrag Heidelberg vor, der folgendes sagt:

„Tarif- und Lohnbewegungen werden vom Landesvorstand geführt im Benehmen

mit dem Hauptvorstand." Darin ist zum Ausdruck gebracht, daß die Instanz

im Landesrahmen, die die Verhältnisse kennt und aus eigener Anschauung und

eigener Kenntnis am besten urteilen kann, an sich diejenige Stelle sein muß,

die berechtigt ist, Lohn- und Tarifbewegungen zu führen und daß sie das im

Benehmen mit dem Hauptvorstand und nicht eigenmächtig tun kann.

Es heißt dann weiter: „Letzterer ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an

den Verhandlungen zu beteiligen und die ihm geboten erscheinenden Maßnahmen

zu ergreifen." Bis hierher deckt sich der Antrag Im wesentlichen mit den

Ziffern 1 und 2 des vorliegenden Entwurfs.

Weiter ist gesagt: „Vor Unterschrift von Tarifverträgen und Lohnabkommen

ist die Genehmigung des Hauptvorstandes oder dessen Vertreters einzuholen."

Kolleginnen und Kollegen! Insoweit gehen wir über den vorliegenden Entwurf

hinaus. Wiir Alten wissen, welche Dinge oft draußen in den Ländern oder in

den Ortsverwaltungen in der Zeit vor 1933 gespielt haben und welche Dinge sich

in den letzten Jahren, seitdem wir in der Lage sind, Tarif- und Lohnbewegungen

zu führen, ereignet haben. Es dürfen keine Verträge unterzeichnet werden,

deren Träger die Gesamtorganisation ist, ohne daß über den Vertragsinhalt

vorher der verantwortliche Träger der Gesamtorganisation — und das ist der

Verbandsvorstand — Kennntnis erhalten hat. Es können Situationen eintreten,

daß ein Funktionär einer sofortigen Unterschrift nicht ausweichen kann, um das

ausgehandelte Ergebnis nicht verlorengehen zu lassen. Dann hat er aber nach

unserer Auffassung und nach der Gepflogenheit, die in der Organisation, der

ich vor 1933 angehörte, herrschte, die Verpflichtung, nur unter Vorbehalt zu

unterschreiben, um sich nachträglich die Genehmigung seines Hauptvorstandes

für das Unterschriebene einzuholen. Das ist der Sinn unserer Antrages.

Wir sagen weiter: Die folgenden Ziffern sind je um eine zurückzuraumerieren,

weil wir die Ziffer 1 und 2 zusammengefaßt haben wollen. Das ist lediglich

eine redaktionelle Änderung. Ich bitte Sie, den Schwerpunkt unseres Antrages

in der Formulierung zu sehen: „Vor Unterschrift von Tarifverträgen usw. ist

die Genehmigung des Hauptvorstandes oder dessen Vertreters einzuholen", mit

dem Nachsatz „falls dies im Einzelfall nicht möglich, darf nur .unter Vorbehalt'

zugestimmt oder unterzeichnet werden." Ich bitte Sie, dem ihre Zustimmung

zu geben.

Vorsitzender: Das Wort hat Benner (Gelsenkirchen), ihm folgt Fö-lber

(Hamburg). Ich möchte dazwischen sagen, daß die Teilnehmerliste für die Fahrt

nach Schliersee und Tegernsee irgendwo steckengeblieben ist. Es wird gebeten,

die Liste beim Präsidium abzugeben. (Zuruf: in der Ecke ist sie steckengeblieben!)

Benner (Gelsenkirchen): Kolleginnen und Kollegen! Demokratie, Mitbestimmung

auch in den Betrieben fordern unsere Mitglieder, und ich glaube,

auch bei Streikdifferenzen sollte man diesen Wünschen weitestgehend Beachtung

schenken. Durch die Entschlossenheit bei verschiedenen Streiks an Orten

unseres Gebietes haben wir erreicht, was wir vielleicht auf dem Wege dieses

Satzungsparagraphen niemals hätten erreichen können. Ich glaube, auch unser

Landesleiter Kollege Dozier wird mir in dieser Ansicht recht geben. Wir haben

deshalb eine Abänderung beantragt. Ich möchte alle Kollegen bitten, sich unsere

Abänderungsanträge anzusehen. Unter Abs. 3 haben wir beantragt: „Differenzen

aller Art in Betrieben sind dem Landesleiter für Weitergabe zu melden", d. h.

zur Weitergabe an die Hauptverwaltung. Wir haben dann beantragt, den nächsten

Satz zu streichen, der zum Inhalt hat, daß Arbeitsniederlegung nur auf Antrag

des Landesleiters und mit Zustimmung des Verbandsvorstandes erfolgen darf.

Denn wenn wir den anderen Weg nehmen würden, der in den neuen Statuten

vorgesehen ist, so würden wir erst einmal auf Antwort warten müssen, und der

Erfolg wäre in Frage gestellt. Wenn Sie diese unsere Abänderung annehmen,

erübrigen sich die Zusätze.

-.117


Wir selbst können an den einzelnen Orten die Lage am besten beurteilen.

Wenn die Lage aussichtslos ist, beginnen wir schon gar nicht mit einem Streik,

denn es hat keinen Zweck, einen Kampf zu 1 beginnen, wenn der Erfolg nicht

gewährleistet ist. Aber wenn der Ortsvorstand im Einvernehmen mit dem

Betriebsrat feststellt, daß ein Sieg errungen werden kann, dann wäre es angebracht,

der Ortsverwaltung das Recht einzuräumen, hier so zu handeln, wie es

für die Gewerkschaft von Nutzen ist.

Des weiteren haben wir einen Antrag eingereicht, der sich mit Abs. 7 befaßt.

Wir haben hier die Fassung vorgeschlagen: „Bei größeren Aussperrungen und

Streiks hat der Verbandsvorstand das Recht, eine Umlage auf die Beitragsgelder

zu erheben." Es war früher üblich, daß andere Ortsgruppen bei Streiks

mit eingesprungen sind und ich glaube, das läßt sich auch heute wieder machen.

Ich bitte alle anwesenden Kollegen und Kolleginnen, unseren Anträgen

weitgehendste Beachtung zu schenken und sie auch bei der Diskussion zu

berücksichtigen.

Vorsitzender: Das Wort hat Fölber (Hamburg), ihm folgt Fiederl

(München).

Fölber (Hamburg): Der § 18 hat uns in der Vorlage, wie er im Satzungsentwurf

vorgesehen ist, ganz eingehend beschäftigt. Wir sehen in der Formulierung,

wie sie im Entwurf niedergelegt ist, eine gewisse Gefahr für unsere

Gewerkschaft. Zweifellos steht jeder alte Gewerkschafter auf dem Boden einer

straffen Zentralisation. Wir müssen uns aber davor hüten, die Zentralisation

in der Form zu überspannen, damit sie nicht zu einer Überzentralisation und im

Endeffekt dahin führt, daß das Interesse der Mitglieder unserer Gewerkschaft

erlahmt und erlischt und sie das Empfinden hat, wir haben selbst eigentlich gar

nichts mehr zu sagen, warum sollen wir noch in eine Versammlung gehen oder

über irgendetwas abstimmen. Zunächst zum Abs. 1 „Lohnbewegungen werden

von der Landesleitung geführt". Ich nehme an, daß euch unser Hamburger

Antrag in dieser Beziehung vorliegt. Wir sind andererseits der Meinung: „Lohnbewegungen

werden von den gebietsmäßig beteiligten Instanzen geführt." Leider

Gottes sind wir heute noch nicht so weit, daß die Lohnbewegungen immer über

das Gebiet einer Landesorganisation geführt werden, sondern sehr oft und in

vielen Berufen werden sie noch ortsmäßig geführt. Wir wollen durchaus nicht

den Passus hineinbringen, daß sie rein von den örtlichen Instanzen geführt

werden, sondern von den gebietsmäßig beteiligten. Es könnte sein, daß es weiter

geht, daß man eine Lohnbewegung über das Gebiet einer Landesorganisation

hinaus meinetwegen im gesamten Verbandsgebiet führt. Unsere Formulierung

läßt alle Wege offen, sowohl in der Erweiterung des Rahmens als auch in der

Verengung.

„Lohn- und Tarifbewegungen sind einzuleiten", heißt es in dem Entwurf,

„wenn sie von den Mitgliedern der Sektionen mit einfacher Stimmenmehrheit

beschlossen werden." Das ist ein einfacher demokratischer Grundsatz. Ob die

Lohne ausreichend sind und eine Lohnbewegung notwendig ist, darüber zu entscheiden

muß schließlich den Beteiligten überlassen werden. Daß natürlich dazu

die Zustimmung der Organisation erforderlich ist, daß die Sache durch die

Organisation geführt werden muß, ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Das

sieht unser Entwurf vor: „Lohn- und Tarifbewegungen müssen dem Verbandsvorstand

gemeldet sein. Derselbe ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an

den Verhandlungen zu beteiligen." Das wird praktisch nicht immer möglich

sein. Wahrscheinlich wird der- Landesleiter damit beauftragt werden. Denn es

ist bei 32 Wirtschaftsgruppen, die wir haben, ein Ding der Unmöglichkeit, daß

sich jedesmal der Verbandsleiter persönlich an den Verhandlungen beteiligt. Er

wird schon jemand beauftragen müssen. Der Entwurf des § 19; wie er uns von

dem vorbereitenden Ausschuß vorgelegt wird, sieht wesentlich anders aus. Da

heißt es zum Beispiel unter 3: „Differenzen aller Art in Betrieben sind sofort

dem Landesleiter ziu melden." Das könnte passen. Nun heißt es aber weiter:

„Arbeitsniederlegung darf nur auf Antrag des Landesleiters und mit Zustimmung

118


des Verbandsvorstandes erfolgen." Zweifellos wird jeder vernünftige Landesleiter

und jeder vernünftige Verbandsleiter den Willen der Mitgliedschaft

respektieren. Aber wozu sollen wir umgekehrt etwas in den Statuten festlegen,

was in der Praxis sowieso anders gehandhabt wird? Wozu brauchen wir so

etwas? Einerseits soll der Landesleiter allein berechtigt sein, den Antrag auf

Arbeitsniederlegung zu stellen, andererseits kommt gleich die Einschränkung 3:

aber nur dann, wenn der Hauptvorstand einverstanden ist, also mit anderen

Worten, die Mitglieder können etwas beschließen, es hat aber keine Gültigkeit,

wenn der Landesleiter nicht beantragt. Der Landesleiter kann etwas beantragen,

die Mitglieder können es beschließen, es ist aber völlig ungültig, wenn nicht

der Hauptvorstand seine Zustimmung gibt. Und so geht das in ähnlicher Form

weiter.

Nun ist ein weiterer Passus weiter unten enthalten, der von größerer

Wichtigkeit ist. Absatz 8 der Vorlage lautet nämlich: „Die Aufhebung von

Streiks erfolgt durch den Verbandsvorstand oder dessen Beauftragten nach

Verständigung mit der an der Arbeitsniederlegung beteiligten Gruppe" — an

sich richtig —, „jedoch kann die Aufhebung auch entgegen der Ansicht dieser

Gruppe erfolgen, wenn nach den Umständen die Weiterführung des Streiks

zwecklos und für die Gewerkschaft schädlich ist." Kollegen, das haben wir

einmal 1923 in Hamburg erlebt. Da war eine Aussperrung, gerade als die.

neue Rentenmarkzeit begann. Diese Aussperrung hatte eine große Aussicht auf

Erfolg. Wir hatten uns in dieser Zeit damit abgefunden, daß wir keinen

Pfennig Unterstützung bekamen, daß wir mit den 6 Mark Wohlfahrtsunterstützung

das doppelte Einkommen hatten als vordem mit dem Lohn. Da hat

der Kollege Backert im Verein mit dem Kollegen Höhnlein in einer dreifachen

Abstimmung, die immer wieder angezweifelt wurde und in der jedesmal

die Fortführung des Streiks beschlossen worden war, es fertig gebracht,

daß endlich die Zweidrittelmehrheit nicht mehr da war und wir in die Betriebe

hineingehen mußten mit der Einschränkung: Eingestellt werden die Belegschaften

bis zu 90 Prozent. Das bedeutete damals, daß alle unsere Betriebsräte

und Funktionäre auf der Straße blieben, von der Lohnkürzung gar nicht

zu reden.

Das darf nicht eintreten. Wir dürfen unser Schicksal niemals von der

Anständigkeit oder Auffassung einer Person abhängig machen. Deswegen haben

wir uns diesen Passus ausdrücklich vorgemerkt und gesagt: Es ist mindestens

die Zustimmung des Verbandsausschusses notwendig, wenn wirklich ein Streik

in irgendeinem Gebiet geführt wird, und die Verwaltung ist der Meinung,

der Streik muß abgebrochen werden.

Meine Zeit ist abgelaufen, ich bedaure, daß ich nicht weiter auf diese

Dinge eingehen kann, dafür ist unser Antrag ein bißchen groß. Aber ich

hoffe, daß ihr das dem Sinn und Wesen nach begriffen habt und bitte

euch, für unseren Anfrag zu stimmen.

Vorsitzender: Das Wort hat Fiederl (München), ihm folgt Langenbach

(Köln. ' •%

Fiederl (München): Ich finde es sonderbar, daß sich der Kollegs Bauer

hier zu einem Zusatzantrag entschließen konnte, der die Bewegungsfreiheit

der Landesleitungen dahingehend eindämmt, daß der betreffende Landesleiter,

nicht befugt sei, eine unter den schwierigsten Umständen abgeschlossene Vereinbarung

als rechtsverbindlich zu unterzeichnen. Ich glaube, diejenigen, die

im Augenblick mit Tarifabschlüssen zu tun haben, wissen zur Genüge, daß

es heute nicht einfach ist, überhaupt eine Lohnverbesserung durchzusetzen,

daß wir ferner heute gezwungen sind, uns mit zeitlich begrenzten Vereinbarungen

zu begnügen, und daß die Arbeitgeber denselben Standpunkt einnehmen

könnten, daß sie nämlich mit Vorbehalt unterzeichnen. Bis nun die

rechtsverbindliche Unterschrift von beiden Seiten geleistet wäre, wäre der

Zeitpunkt abgelaufen, für den die Bewegung eigentlich wirksam werden sollte.

119


Hier muß die Tatsache entscheidend sein, daß die von den einzelnen Ländern

bestimmten Landesleiter und die ihnen beigegebenen Tarifkommissionen sehr

wohl in der Lage sind, die Möglichkeiten einer Lohnerhöhung so weit zu überprüfen,

daß sie auch überzeugt sind, ein Höheres war nicht mehr möglich und

mit dem Gegenwärtigen müssen wir uns bescheiden. Handelt es sich um Bewegungen

größeren Ausmaßes für größere Industrien, so ist es wohl eine

Selbstverständlichkeit, daß sich die Länder gegenseitig mit dem Hauptvorstand

abstimmen und daß, ehe in eine Aktion eingetreten wird, die schwere Folgen

haben könnte, das Zugeständnis des Hauptvorstandes eingeholt wird, weil

ja auch die daraus hervorgehenden wirtschaftlichen Verpflichtungen zu Lasten

der Hauptkasse gahen. ,

Aus diesen Erwägungen heraus bitte ich Sie, die von Heidelberg gestellte

Vorbehaltsformulierung abzulehnen.

Vorsitzender: Das Wort hat Langenbach (Köln), dann folgt Pufal

(Hamburg).

Langenbach (Köln): Wir haben folgende Fassung für den Absatz 1 vorgeschlagen:

„Lohnbewegungen werden von den Landesleitungen geführt, soweit

sie über Ortsgruppen oder Bezirke hinausgehen." Hier gilt fast dasselbe, was

jetzt eben von dem Kollegen von Hamburg ausgeführt wurde. Wir müssen

uns darüber klar sein, daß es in den Landesleitungen wahrscheinlich gar nicht

möglich sein wird, alle Lohnbewegungen in den Ortsgruppen und in den

Bezirken zu führen. Wenn man den Ortsgruppenleitern oder Bevollmächtigten,

wie wir sie nennen, und den Bezirksleitern keinerlei Funktionen mehr gibt,

muß man sich darüber klar sein, daß sie auch keine Möglichkeit haben, in

besonderen Fällen für das eine oder andere einzutreten. Es ist sowieso schon

festgelegt, daß alle Lohnforderungserhöhungen der Genehmigung des Hauptvorstandes

bzw. der Landesleitung bedürfen. Wenn wir diesen Passus in dieser

Form hineinbringen, so wird das dazu führen, daß eine Unmenge Lohnbewegungen,

die örtlich und bezirklich geführt werden 'müssen, weil wir ja bezüglich der

Verhandlungen an das Organisationsgebilde der Arbeitgeber angeschlossen sind,

einfach nicht mehr geführt werden können. Wir können nicht von uns aus

ein bestimmtes Gebiet vereinbaren, sondern müssen uns danach richten,

wie die Arbeitgeber organisiert sind. Sind sie über das Gebiet der Ortsgruppe

oder eines Bezirks hinaus organisiert, so ist es natürlich selbstverständlich, daß

die Führung die Landesleitung hat. Man sollte sich aber doch auch darüber

klar sein. Wenn dieser Passus in der Form der Vorlage der Statutenberatungskommission

angenommen wird, dann bedeutet das in Zukunft, daß nicht ein

einziger Haustarif in den einzelnen Ortsgruppen mehr abgeschlossen werden

kann, auch nicht in den Bezirken kann ein einziger Tarif abgeschlossen werden,

sondern das ist Aufgabe der Landesleitung. Hier heißt es nämlich: „Lohnbewegungen

werden von den Landesleitungen geführt." Das bedeutet mit

anderen Worten, daß ein anderer überhaupt keine Lohnbewegungen führen

kann.

Man sollte sich darüber klar sein, eine Organisation wirkt um so lebendiger,

je stärker die Mitarbeit unten ist und je mehr auch unten eine gewisse Verantwortung

vorhanden ist. Wenn man aber den unteren Organen keinerlei Verantwortung

in örtlicher und bezirklicher Beziehung gibt, so bedeutet das

praktisch, daß man sich eben auf die Landesleitung verläßt. Wenn diese keine

Zeit hat infolge Überlastung, so bedeutet das für die Kollegen, daß sie mit

ihrer Lohnbewegung warten müssen, es bedeutet zum anderen Verärgerung

der Mitglieder zum Nachteil der Organisation. Deshalb bitte ich Sie, unseren

Antrag zu unterstützen.

Vorsitzender : Das Wort hat Pufal (Hamburg), ihm folgt Husung

(Bremen).

Pufal (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bedarf es in Anbetracht

der Ausführungen des Kollegen Fölber einer geschichtlichen Feststellung,

120


damit nicht auf unserem Kongreß ein falsches Bild entsteht. Der Kollege

Fölber erklärte, daß im Jahre 1923 ein Streik in den Hamburger Brauereien

ausgebrochen sei und daß der Kollege Backert, ebenso wie der Kollege Höhnlein,

es dort durch mehrmalige Abstimmung zu dem Ergebnis gebracht hätten,

daß die Kollegen die Arbeit wieder aufgenommen haben. Wie war es in

Wirklichkeit? Ich bin damals ein junger Funktionär in Hamburg gewesen und

gehörte unserer Ortsverwaltung an. Praktisch haben die Brauereien nach der

Inflation eine Aussperrung vorgenommen. Sie haben unsere Kollegen drei

Wochen auf der Straße gelassen, denn sie wußten genau, daß wir in unserer

Verbandskasse kein Geld hatten. Wenn wir zu den Versammlungen ins Land

hinausfuhren, mußten wir das Geld von unseren Freunden im Betrieb pumpen.

So sah die Hauptkasse damals aus. Die alten Kollegen wissen, daß wir damals

von unseren Kopenhagener Freunden erst Geld bekommen haben, damit wir

überhaupt weiterleben konnten. Nach drei Wochen Aushungerung von Seiten

des Brauereikapitals hat man die Betriebe wieder geöffnet und unsere Kollegen

sind, vom Hunger getrieben, gezwungen gewesen, wieder in die Betriebe

zu gehen. Leider hat man unsere guten Funktionäre draußen gelassen. Trotzdem

ist es uns dann gelungen, einen großen Teil von ihnen auf dem Verhandlungsweg

wieder in die Betriebe hineinzubekommen. Das ist die geschichtliche

Darstellung des Kampfes von 1923.

Nun zu dem Paragraphen selbst. Es heißt in dem Entwurf ausdrücklich, daß

die Lohnbewegungen von den Landesleitungen geiührt werden. Das ist nicht

so zu verstehen, wie der Kollege Langenbach es geschildert hat. Er weiß es

genau als alter Funktionär, er ist lange genug in der Bewegung angestellt,

daß es ein Unsinn ist, wenn der Landesleiter selbst alle Verhandlungen führen

wollte. Das kann er gar nicht, aber er muß die sorgende Hand darüber haben

und er muß die Verantwortung dafür tragen. Denn der Landesleiter ist der

verlängerte Arm des Hauptvorstandes in den Ländern.

Der Kollege Benner erklärte, man müsse den Mitgliedern die Demokratie

geben. Jawohl, Kollege Benner, die Mitglieder bekommen die Demokratie,

sie bekommen sie aber nur insofern, daß sämtliche Mitglieder darüber zu entscheiden

haben, ob ihre Kassen leergestreikt werden sollen durch wilde Streiks.

Darüber wacht der Verbandsvorstand, der hier auf dem Kongreß gewählt wird.

Es kann nicht angehen, daß man sich irgendwo anmaßt, unsere Kassen leerzustreiken,

und die anderen Kollegen müssen dafür bezahlen. Deshalb, Kollegen,

ist die Fassung in dieser Form gemacht worden. Es wurde gesagt, daß man

das örtlich oder landesmäßig machen kann. Das ist richtig. Wir werden es

uns in der Gewerkschaftsbewegung in der Zukunft niemals vorschreiben

lassen, von keinem, wie wir die Lohnbewegung führen werden. Wir werden

die Situation ausnützen, wie sie für uns am günstigsten erscheint.

Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag von Heidelberg hat schon etwas

für sich. Aber wir haben auch über diesen Antrag ernstlich beraten. Wir

halten es doch für zweckdienlich, daß die Entscheidung bei den Streiks letzten

Endes bei der Hauptverwaltung liegen muß, und zwar deshalb, wie ich schon

vorhin sagte, daß die Hauptverwaltung zunächst einmal eine Regelung in das

ganze Lohn- und Tarifsystem hineinbringt. Es kann nicht angehen, daß willkürlich

auf der einen Seite Forderungen gestellt werden, die nie durchgeführt

werden können. Auf der anderen Seite muß der Hauptvorstand auch

die Möglichkeit haben, abgesunkene Gebiete nachzuziehen. Praktisch ist es

doch so: Wofür wählen wir uns einen Verbandsvorstand? Doch nur, um unsere

Forderungen durchzusetzen. Er soll doch die Körperschaft sein, die unsere

Forderungen zu überwachen hat. Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einmal

den Verbandsvorstand sehen, der sich nicht über seine Landesleitung

mit den Mitgliedern abstimmt, ich möchte einmal die Landesleitung sehen,

die die Verantwortung auf sich nimmt gegenüber der Gesamtorganisation, wenn

sie nicht vorher das Vertrauen hat und sich mit dem Verbandsvorstand in

121


Lohnbewegung und Tarifpolitik abgestimmt hat. So sieht es in der Praxis aus

und so müssen wir unsere Menschen meiner Meinung nach in unsere Organisation

führen.

Vorsitzender: Das Wort hat der Kollege Husung (Bremen), ihm folgt

Junge (Hamburg).

Husung (Bremen): Ich bin im allgemeinen mit dem Vorschlag einverstanden.

Ich sehe nur eine Lücke insofern, daß nicht vorgesehen ist, wie die

Sache vor sich gehen soll, wenn nicht auf landesmäßigem Gebiet, sondern

für das gesamte Bundesgebiet Lohnbewegungen geführt werden müssen. Aber

ich glaube, daß es in diesen Fällen so bleiben soll, wie es bisher war, daß

der Verbandsvorstand sich dann mit den in Frage kommenden Sektionen verständigt

und so auf dem ganzen Gebiet die Lohnbewegungen führt.

Wogegen ich mich wehren muß, ist der Antrag, den der Kollege Bauer

für Heidelberg begründet hat, daß bei dem Abschluß einer Lohnvereinbarung

die Unterschrift der Unterhändler schließlich nur mit Vorbehalt gegeben

werden kann. Er wünscht in jedem Falle, daß der Verbandsvorstand erst

die Unterschrift geben muß, ehe die Vereinbarungen in Kraft treten. Das ist

sehr schön gedacht, aber es hat einen Haken insofern, als gerade bei Lohnbewegungen,

die über größere Gebiete geführt werden, schließlich ein großer

Kreis von Unternehmern vorhanden ist, die auch nicht gern die Vereinbarungen

anerkennen wollen, die mit einsichtigeren Herren abgeschlossen worden sind.

In dem Augenblick, wo wir mit Vorbehalt unterschreiben, unterschreiben sie

ebenfalls mit Vorbehalt. Das Ende vom Lied wird sein, wie der Kollege Fiederl

schon ausdrücklich erklärte, daß schließlich unendliche Zeit vergeht, ehe die

Vereinbarungen in Kraft treten. Wer die Verhandlungen im vorigen Sommer,

die mit dem sozialpolitischen Ausschuß in der britischen Zone geführt worden

sind, beobachtet hat, wird mir zugeben müssen: Wenn man mit dieser Korporation

zu einem Abschluß unter Vorbehalt gekommen wäre, dann würden sie

heute noch ihre Vorbehalte machen, um schließlich die Vereinbarungen

nicht in Kraft zu setzen. Ich bitte deshalb, diesen Antrag abzulehnen. Ich

bin der Auffassung, daß man in diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die im

Auftrag des . Hauptvorslandes oder gemeinsam mit dem Hauptvorstand und

den Landesleitern Vereinbarungen tätigen, dann auch so viel Vertrauen setzen

muß, daß man ihnen das Recht zugesteht zu unterschreiben, weil das letzten

Endes im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen liegt. Diese Interessen

müssen uns über alle anderen persönlichen Interessen-gehen.

Aus diesem Grunde bitte ich noch einmal, den Antrag Heidelberg abzulehnen.

Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Junge (Hamburg), ihm'folgt Bauer

(Heidelberg).

Junge (Hamburg): Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Fölber aus

Hamburg hat schon zum größten Teil unseren Antrag, der Ihnen vorliegt,

begründet. Wenn ich mich als Hamburger ebenfalls noch zu diesem Thema zu

Wort melde, so aus dem Grunde, weil ich einmal doch der Ansicht bin, daß

ein solcher Antrag letzten Endes nicht von irgendeiner Person gestellt worden

ist, sondern von der Ortsgruppe in der Vertreterversammlung. Wir haben

dort diesen Antrag immerhin aus der Erwägung heraus gestellt, die im Laufe

der letzten Jahre für die Ortsgruppe Hamburg doch letzten Endes entscheidend

war. Wenn der Kollege Pufal zu uns sagt, daß der Landesleiter sowieso nicht

alle diese Streikbewegungen usw. führen kann, so stimmt das schon. Aber in

Wirklichkeit sieht es doch manchmal etwas anders aus. Es ist doch so, daß

dadurch, daß der Vorstand darüber zu entscheiden hat, die Geschichte sehr

breit und lang hinausgezogen werden kann. Ich bin schon der Ansicht, daß man

unseren Gewerkschaftsfunktionären in den Ortsgruppen vom Vorstand aus immerhin

soviel zutrauen müßte, daß sie bestimmt nicht irgend etwas unter-

122


nehmen, was nicht die Zustimmung der Landesleitung und des Verbandsvorstandes

hat. Wenn man hier sagt: Wir werden niemals «twas unternehmen,

was nicht zum Vorteil der Mitglieder ist, dannn müßte man doch

auch die Auffassung der Mitglieder selber etwas berücksichtigen. Wenn man

diesen Mitgliedern dann in einer Situation, wo es einfach wirklich nicht geht,

wie der Kollege Pufal schon ausführte, klarlegt, daß man unsere Kassen

nicht leerstreiken dürfe, so glaube ich nicht, daß man die nötige Stimmenmehrheit

für einen Streikbeschluß zusammenbekommt, auch ohne daß der

Hauptvorstand vorher seinen Namen dazu gegeben hat. Ich vertrete die Ansicht,

daß wir darauf abzielen sollen, da'ß man den Ortsgruppen einmal etwas

mehr Bewegungsfreiheit gibt, auch in den Fragen der Lohn- und Tarifbewegung.

Vorsitzender : Der Kollege Bauer hat das Wort zu einer Richtigstellung.

Bauer (Heidelberg): Sowohl die Ausführungen des Kollegen Husung wie

die des Kollegen Fiederl beweisen, daß meine Worte nicht richtig verstanden

worden sind und daß auch unser Antrag nicht richtig gelesen worden ist.

Dort heißt es ausdrücklich, daß der Landesvorsland im Benehmen mit dem

Hauptvorstand und daß der Hauptvorstand durch den Vertreter sich einschalten

kann. Wenn dann von uns beantragt wird, daß nur unter Vorbehalt

zugestimmt oder unterzeichnet werden darf, dann heißt es auch hier, daß

der Hauptvorstand seine Vertreter einschalten kann. Ich kann mir sehr wohl

vorstellen, daß der Hauptvorstand in diesem Falle den Landesleiter ausdrücklich

als seinen Vertreter delegiert und benennt. Dann ist die Voraussetzung

gegeben, daß die Unterschrift sofort geleistet werden kann, bzw. daß dieser

Vertreter seine Genehmigung im Auftrag und als Vertreter des Hauptvorstandes

gibt. Damit ist doch die Schwierigkeit ausgeräumt, die die Kollegen Husung

und Fiederl gesehen haben.

Ich habe meine Ausführungen gegründet auf praktische Erfahrungen der

Vergangenheit. Wir haben in der Vergangenheit leider oftmals . . . (Vorsitzender:

Das geht über den Raum der Richtigstellung hinaus!) Gut, Kollege

Weber, vielleicht ist der Kollege Maack so liebenswürdig, in seinem Schlußwort

näher zu definieren, wie der Vertreter oder der Landesleiter in dieser

Situation als Vertreter des Hauptvorstandes zu betrachten ist. Wenn er als

Vertreter des Hauptvorstandes handelt, hat er Vollmacht.

Vorsitzender: Das Wort hat Kollege Dozier (Düsseldorf), ihm folgt

Pulley (Stuttgart).

Dozier (Düsseldorf): Kolleginnen und Kollegen! Der § 18 „Lohnbewegungen,

Streiks und Differenzen" hat bei den Anträgen zu den Satzungen anscheinend

die größte Bedeutung gehabt, denn es sind nicht weniger als 71 Anträge dazu

gestellt worden. Haben wir vielleicht diesen Paragraphen in der heutigen Zeit

nicht doch etwas überschätzt? Die Kollegen, die die Anträge gestellt haben,

gehen von der Vergangenheit aus, wo die Gewerkschaften in erster Linie sozialpolitische

Aufgaben zu erfüllen hatten. Wir leben aber heute nicht mehr in der

Zeit vor 1933, wo wir einfach ohne weiteres forderten und es uns mehr oder

weniger gleichgültig war, wo es herkam und ob es die Wirtschaft berührte.

Heute sind unsere Forderungen ja ausgedehnt auf die wirtschaftspolitischen

Fragen und auf Mitbestimmung in den Betrieben und in der Wirtschaft. Ich

bin davon überzeugt, daß, so sehr die Kollegen heute die Sorge haben, daß sie

eventuell in ihrem Streben, Lohnkämpfe zu führen, gehindert würden, sie unbesorgt

sein können, ja, daß es sogar vorkommen kann und heute bereits vorgekommen

ist, daß trotz stärkster Anfechtung der Kollegen in den Betrieben

sie nicht aus den Betrieben herauszubringen sind.

Dann haben einige die Sorge, daß die unteren Instanzen nicht entsprechend

eingeschaltet wurden, daß man die Bezirksleiter übergehe, es müßte

123


mehr Verantwortung in die Ortsgruppen gelegt werden oder in die Ortsverwaltungen,

wie wir jetzt sagen. Ortsverwaltungen und Bezirksleitungen

werden noch so viel Verantwortung zu tragen haben, daß es ihnen in der

kommenden Zeit unlieb wird. In Nordrhein-Westfalen haben wir bei der

Durchführung der Direktive 40 nicht weniger als 20 selbständige Beauftragte

zur Durchführung der Lohnbewegungen eingesetzt. Das weiß auch der Kollege

Langenbach. Er gehört auch zu denjenigen, die im Auftrage der Landesleitung

eingesetzt waren. Sie haben abgeschlossen im Auftrage der Landesleitung und

damit wieder im Auftrage auch der Hauptverwaltung, wenn schon der Landesleiter

auch für die Zukunft der Beauftragte des Haupfvorstandes sein soll, wie

er das in der britischen Zone bis jetzt gewesen ist. Die Verantwortung in den

unteren Stellen wird gefordert, aber gleichzeitig müßte man an die Verantwortung

der oberen Stellen, nämlich des Hauptvorstandes, denken, der ja

letzten Endes auch die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten und für eventuelle

Tarifbrüche einzustehen hat und nachher der Zahlende sein wird. Infolgedessen

kann man es schon verstehen, wenn dieser Verbandsvorstand sagt:

Ich muß eine Person zur Verfügung haben, die ich dann am Halse bekommen

kann, die ich dann eventuell dahinschicken kann, wo ich sie hinschicken muß,

wenn die Gesamtorganisation darunter in stärkerem Maße zu leiden hat.

Wir haben in Düsseldorf einen Streik geführt, einen sogenannten spontanen

Streik. Solche gibt es auch. Es gibt auch eventuell gewollte spontane Streiks.

Alle diese Dinge lassen sich nicht in einem Statut, in einer Satzung so genau

festlegen, aber es soll und muß schon eine Person da sein, mit der man

dann Rücksprache nimmt. Wie liegen nun die Dinge bei einer Person, wo

die Fäden zusammenlaufen? Es braucht nicht immer gerade der Landesleiter

zu sein. Der Landesleiter hat auch noch nicht alle Fäden in der Hand, er muß

sich schon eine Rückversicherung bei der Hauptverwaltung geben lassen, um

einmal die Dinge klar zu sehen, wie die Fäden insgesamt gelaufen sind.

Ich habe dann in Düsseldorf diesen Streik genehmigt bekommen, der schon

ausgebrochen war. Aber die Kollegen haben den Streik so aufgefaßt, daß das

eine günstige Gelegenheit ist, ihren Schrebergarten zu Hause in Ordnung

zu bringen. Sie haben den Betrieb unbewacht gelassen, bis dann jemand

eingeschritten ist und sie daran erinnert hat, daß ihre Aufgabe darin zu sehen

ist, daß dieser Streik gewonnen wird. Es sind da allerhand unliebsame Dinge

vorgekommen, so daß man oft sagen mußte: Hier ist die Verantwortung ganz

gewaltig schwer. Es waren Differenzen mit der Polizei, auszutragen. Streikposten

wurden von der Polizei weggejagt, Streikbrechern wurden die Brillengläser

geradegesetzt usw. Es kamen auch einige Flugschriften heraus.

Alle diese Dinge. . . ich sehe schon, der Kollege Weber hebt den Schwengel

an, ich werde mich kurz fassen. Also Kollegen, nehmen Sie den Vorschlag

des Arbeitsausschusses an. Ich glaube, daß wir in den nächsten zwei Jahren

mit diesen Paragraphen auskommen werden. Er befriedigt mich absolut noch

nicht, so namentlich seine Ziffer 2, daß alle Lohnforderungen erst vom Hauptvorstand

genehmigt werden müssen. Ich glaube, daß es da im Verein mit dem

Hauptvorstand gelingen wird, daß eine Elastizität eintritt, daß man nicht erst

die Genehmigung haben muß, ob eine kleine Bewegung in irgendeinem Ort oder

selbst im Rahmen eines Landes für eine Gruppe eingeleitet werden kann. Die

Dinge werden sich geradelaufen. Ich bitte Sie, dem Antrag des. Arbeitsausschusses

zuzustimmen. Sie können unbesorgt sein, daß Sie nicht auf ihre

Rechnung kommen werden.

Vorsitzender: Es ist hier ein Glückwunschschreiben vc-m Kollegen

Unfried (Köln) eingelaufen, der am Kommen verhindert ist und der Tagung die

besten Grüße übermittelt.

Es folgt nun der Kollege Pulley (Stuttgart), ihm folgt der Kollege Susin

(Singen).

124


Pulley (Stuttgart): Kolleginnen und Kollegen! Sie haben alle bei den

Abänderungsanträgen auch den Antrag von Stuttgart in Händen. Ich bitte Sie,

diesen Antrag einmal genau durchzulesen. Da heißt es: „Grundsätzlich soll die

Tarifhoheit bei Lohn- und Gehaltsforderungen bei den Landesleitungen verbleiben."

Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine, fast möchte ich sagen, unabdingbare

Forderung, die wir erheben müssen. Wir müssen eigentlich überhaupt

einmal grundsätzlich zur Tarifpolitik sprechen, wie sie gemacht worden ist. Wir

haben in Württemberg-Baden im August v. J. keine Rücksicht auf die Direktive

genommen, die vorsah, daß eine 15prozentige Lohnerhöhung auf die bestehenden

Tarife gewährt werden könnte. Im Gegenteil, wir haben verhandelt und haben

den Unternehmern gesagt: Die Genehmigung bekommen wir später vom Arbeitsministerium.

Wir haben mit der Antragseinbringung so lange gewartet, bis der

Lohnstopp aufgehoben wurde. Aber was ist nun eingetreten, Kollege Weber?

, Daß wir in Württemberg-Baden mit den Löhnen bereits an der Spitze stehen,

zum Beispiel die Brauer mit 1,35 DM die Stunde, in der Teigwaren- und Backwarenindustrie

mit 1,15 DM (Zuruf: Wo bleiben die Beiträge?) Die Beiträge

sind da, aber wir haben diese Tarife wieder gekündigt (Zuruf), nein, nicht weil

sie so hoch waren, sondern weil wir hoffen, noch weiterzukommen. Bei den

Verhandlungen wird uns immer wieder — das muß hier auch einmal gesagt

werden — entgegengehalten, daß in Bayern oder in der britischen Zone wesentlich

andere Löhne bestehen. (Zuruf.) Wir müssen deshalb wirklich darauf

dringen, daß die Tarifhoheit im Lande bleibt; wir können auch nicht so lange

warten, wie zum Beispiel der Kollege Pufal sagte, bis die anderen nachgezogen

sind. Dann müßten wir leider Gottes ziemlich lange warten. Wir hoffen, daß

ihr unserem Antrag zustimmen werdet.

Susin (Singen): Kolleginnen und Kollegen! Ich muß Ihnen zur Kenntnis

bringen, daß mir vorhin der Ton, den der Kollege Pufal angeschlagen hat bei

der Entgegnung auf zwei Vorredner, absolut nicht gefallen hat. (Beifall.) Ich

bin mir der Tatsache bewußt, daß eine bestimmte Regie vom Präsidium aus

notwendig ist; aber ich bin der Ansicht, daß diese Regie nicht so weit getrieben

werden soll, daß sie im Endergebnis ein Niederdonnern sämtlicher Anträge, die

nun einmal gestellt wurden und die hier zur Diskussion stehen, zur Folge hat.

(Erneuter Beifall.)

Kolleginnen und Kollegen! Der Paragraph, den wir jetzt behandeln, ist von

ausschlaggebender Bedeutung. Ich bin der Ansicht und bitte die' Delegierten,

recht eingehend den Antrag Köln und den Antrag Hamburg zu studieren. Nach

meiner Ansicht sind die Anträge das, was wenigstens von unserem südbadischen

Standpunkt aus gesehen, der wieder fundiert und bedingt ist durch dl'.e Struktur

der Wirtschaft in unserem Einflußgebiet, notwendig ist. Ich möchte feststellen,

daß diese zwei Anträge das zum Ausdruck bringen, was meiner Ansicht nach

auf uns zutrifft. Ich möchte ein praktisches Beispiel anführen. Der Antrag Köln

präzisiert genau das, was wir haben müssen. Wir haben zum Beispiel in unserem

Betrieb schon seit 30 Jahren einen sogenannten Haustarif. Es ist auch selbstverständlich,

daß wir in den Maggi-Werken mit 2500 Arbeitern uns nicht auf

eine Lohnregelung einlassen können, die in Betrieben mit 50 und 100 Arbeitern

durchgeführt wird, in Betrieben, die heute schon wirtschaftlich vor der Frage

stehen, ob der Betrieb an Hand der Rendite weitergeführt werden kann oder

nicht, während wir auf unserer Seite feststellen, daß die Rendite unseres

Betriebes so ist, daß wir mit unseren Forderungen erheblich nach vorne kommen

können und wahrscheinlich auch kommen werden. Es wäre für uns unverständlich,

wenn hier in den Statuten eine Regelung festgelegt würde, die es uns

verbieten würde, diesen Haustarif weiterhin beibehalten zu können, weil

gewartet werden müßte, bis die kleinen Betriebe nachgestoßen sind. Andererseits

gibt es im Bodenseegebiet auch bezirkliche Lohnverhandlungen, zum Beispiel

auch im Metallarbeitergewerbe. Wir dürfen nicht nur von unserem engbegrenzten

Gesichtspunkt ausgehen. Es passiert uns immer wieder, daß wir,

wenn wir auf unserem Gebiet in Lohnverhandlungen eintreten, immer wieder

125


die Tarife der Metallarbeiter entgegengehalten bekommen, wobei man auf die

Gleichartigkeit der Wirtschaftsbetriebe in Größe und Arbeitsweise hinweist. Wir

müssen also auch darauf Rücksicht nehmen.

Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich zu Anfang gesagt habe: Regie

anerkannt, aber ich bitte die Delegierten, sich von der Regie nicht allzusehr

beeindrucken zu lassen und die beiden Anträge Hamburg und Köln eingehend

auf ihre Richtigkeit zu prüfen und dann ihre eigentliche Meinung in der

Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.

Vorsitzender : Ich muß einige Worte zu der Beschuldigung der Regieschiebung

sagen. Regieschiebung des Präsidiums! Das Präsidium, Kollege Susin,

besteht aus drei Kollegen. Der Kollege Pufal gehört nicht dem Präsidium an.

Die Vorwürfe hast du dem Kollegen Pufal gemacht. Er sitzt als Landesleiter

der britischen Zone hier. Die Vorwürfe gegenüber dem Präsidium sind damit

gegenstandslos, ja oder nein? (Susin: Ich überlasse die Beurteilung dieser Frage

der Delegiertenkonferenz!) Das ist natürlich eine Retourkutsche oder Mangel an

Mut, auch einmal etwas zu bekennen und richtigzustellen. Das muß ich eindeutig

sagen. Das Präsidium hat keine Regie geschoben und nicht aggressiv gehandelt.

Was Pufal unterstellt wird, darüber wollen wir nicht streiten. Ich möchte nur

sagen, damit kein Irrtum aufkommt, daß das Präsidium keine Schiebungen macht

Die Aussprache ist geschlossen. Ich komme zu den Entscheidungen. Verzeihung,

Kollege Maack hat das Schlußwort.

Maack (Lübeck): Kollegen! Ich glaube nicht, daß Sie von mir verlangen,

daß ich noch ein vollkommenes Schlußwort mache. Zu diesem Paragraphen

sind .-so viele Reden gehalten worden, daß es sich tatsächlich erübrigt. Ich kann

mich vollinhaltlich den Ausführungen des Kollegen Pufal wie auch denen des

Kollegen Dozier anschließen. Erstaunt bin ich aber über die Ausführungen des

Kollegen Langenbach, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil der Kollege

Langenbach seit Jahrzehnten Bezirksleiter ist und als solcher bestimmt weiß,

daß alle seine Ausführungen, die er hier gemacht hat, keineswegs ins Schwarze

treffen, daß er, wie schon Dozier sagte, durchaus beauftragt ist, in allen möglichen

Dingen in seinem Bezirk die Lohnverhandlungen durchzuführen. (Zuruf:

Irrtum!)

Wie liegen die Dinge? Haben wir in der Praxis einen Apparat aufgebaut, wo

in der Spitze der König sitzt und von sich aus die Befehle erteilt oder haben

wir einen Apparat aufgebaut, in dem wir als Kollegen zusammenarbeiten? Das

ist doch bei dieser Sache das wesentliche. Vor allen Dingen möchte ich einmal

sagen: Es ist unbedingt notwendig — und da unterstütze ich lOOprozentig, was

der Kollege Pufal sagt —, daß die Hauptverwaltung, der Hauptvorstand über die

Dinge informiert sein muß, daß er die Dinge in der Hand behalten muß, weil

die nämlich von der Hauptverwaltung aus verlangen können und verlangen

müssen, daß sie einen größeren Überblick über all die Dinge haben müssen,

die mit Lohnbewegungen, Differenzen, Streiks usw. zu tun haben. Deswegen

müssen die Dinge so liegen.

Was ist dabei, wenn es heißt, der Landesleiter hat 4en Antrag an die Hauptverwaltung

zu stellen? Das kann in Form eines Telephongespräches erfolgen.

Dabei ist gar nichts los, und das ist auch schon mal mit telephonischen Anrufen

erledigt worden und die schriftliche Geschichte ist hinterhergekommen.

Dem Kollegen Bauer möchte ich noch einmal etwas sagen. Sein Antrag ist

schon beantwortet durch die Ausführungen des Kollegen Dozier. Es ist doch so,

daß der Landesleiter der Vertreter des Verbandsvorstandes in den Ländern ist,

daß er infolgedessen der Beauftragte des Hauptvorstandes ist und in allen Fällen

vom Hauptvorstand mit der Durchführung aller möglichen Dinge, auch der

Lohnbewegungen selbstverständlich, beauftragt wird. Auch der Landesleiter

kann nicht in jedem einzelnen Falle die Lohnbewegungen durchführen, sondern

muß die Sache schon einmal weitergeben, muß den Bezirksleiter und den Ortsgruppenvorstand

beauftragen. So liegen doch praktisch die Dinge. Anders geht

es doch nicht.

126


Und seid nicht so ängstlich: Wieso ist es dadurch ausgeschlossen, daß ein

'Ortstarif oder gar ein Betriebstarif abgeschlossen werden kann? Warum denn?

Wenn ein Betriebstarif notwendig ist, kann ich mir durchaus vorstellen, daß

ein Betriebstarif abgeschlossen wird. Herrgott noch einmal, dann wird er eben

abgeschlossen. Wenn es zweckmäßig ist, die Dinge auf örtlicher Basis zu machen,

schließen wir einen Ortstarif ab oder einen Bezirkstarif. Ich kann mir vorstellen,

daß im Tabakgewerbe, in der Tabakindustrie für die ganze Trizone ein

einheitlicher Tarif abgeschlossen werden muß. Das hängt doch von den

jeweiligen Verhältnissen und Gegebenheiten ab. Das ändert doch gar nichts

daran, daß in allen diesen Dingen selbstverständlich tonangebend und maßgebend

die Hauptverwaltung sein muß. Das ist gar nicht anders möglich und

kann gar nicht anders gemacht werden.

Mit diesen kurzen Ausführungen möchte ich mich begnügen und sagen: Wir

haben uns, wie ich zu Anfang sagte, sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt.

Wir haben in anderen Paragraphen bewiesen, daß wir absolut nicht stur auf

einem Punkt bestehen bleiben, daß wir da und dort ganze Sätze gestrichen bzw.

umgeändert haben. Aber im Falle des § 18 möchte ich bitten, es so zu belassen,

wie wir es als Fassung von der Kommission aus vorgeschlagen haben.

Vorsitzen d er: Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Delegierten»

karte zur Hand zu nehmen. Wir lassen zweckmäßigerweise über jeden einzelnen

Absatz abstimmen, damit eindeutig Klarheit über die Willensbildung des Gewerkschaftstages

besteht. Ich bitte die Kollegen Krautter und Dozier, wenn es

erforderlich ist, eine Auszählung vorzunehmen.

Ziffer 1: „Lohnbewegungen werden von den Landesleitiungen geführt." Wer

dafür stimmt, den bitte ich um Erheben der Delegiertenkarte. —• Das ist die

Mehrheit. Ich danke. — Es ist so beschlossen.

Ziffer 2: „Lohn- und Tarifbewegungen, die über den Rahmen einer Ortsverwalttaig

hinausgehen, müssen vom Hauptvorstand genehmigt sein; derselbe

ist berechtigt, sich durch einen Vertreter an den Verhandlungen zu beteiligen

und die ihm geboten erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen."

Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Auch das

ist beschlossen. — Ich danke.

Ziffer 3: „Differenzen aller Art in Betrieben sind sofort dem Landesleiter zu

melden. Arbeitsniederlegung darf nur auf Antrag des Landesleiters und mit

Zustimmung des Hauptvorstandes erfolgen."

Wer dafür ist, den bitte ich um Erheben der Karte. — Es ist so beschlossen.

Ziffer 4: „Der Hauptvorstand kann, sofern es die Situation erfordert, in jedem

Stadium einer Bewegung die Befragung der beteiligten Verbandsmitglieder durch

Urabstimmung veranlassen."

Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Ich danke.

— Es ist so beschlossen.

Ziffer 5: „Mitgliedergruppen, die ohne Genehmigung des Hauptvorstandes die

Arbeit niederlegen, haben keinen Anspruch auf Unterstützung."

Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Auch das

ist beschlossen.

Ziffer 6: „Der Hauptvorstand kann die Streikgenehmigung ablehnen, wenn

das Organisationsverhältnis ungünstig ist. Die Streikbewilligung muß abgelehnt

v/erden, wenn nicht mindestens drei Viertel der für die Bewegung in Betracht

kommenden Verbandsmitglieder für die Arbeitseinstellung gestimmt haben. Die

Abstimmungen über Streiks müssen geheim sein."

Wer dafür stimmen will, den bitte ich um Erheben der Karte. — Ich danke,

das ist die große Mehrheit. — Es ist auch beschlossen.

Ziffer 7: „Bei größeren Aussperrungen und umfangreichen Streiks hat der

Hauptvorstand das Recht, eine längere Karenzzeit und eine Herabsetzung der

Unterstützungssätze vorzunehmen."

Wer dafür stimmen will, den bitte ich um ein Zeichen der Karte. — Es ist

auch so beschlossen.

127


Ziffer 8: „Die Aufhebung von Streiks erfolgt durch den Hauptvorstand oder

dessen Beauftragten nach dessen Verständigung mit der an der Arbeitsniederlegung

beteiligten Gruppe, jedoch kann die Aufhebung auch entgegen der

Ansicht dieser Gruppe erfolgen, wenn nach den Umständen die Weiterführung

des Streiks zwecklos


weil da drüben in der Ecke noch mehr Kollegen aus Hamburg sitzen, die früher

jung gewesen sind in der Bewegung — da ist der Kollege Linneg, der auch

darunter gelitten hat, der frühere Betriebsratsvorsitzende der Eibschloßbrauerei

—, Kollegen, deshalb bin ich etwas erregt über die Darstellung gewesen, die der

Kollege Fölber hier gegeben hat. (Zuruf: Sie stimmt aber!)

Fölber (Hamburg): Ich bitte um eine ganz kurze Entgegnung.

Vorsitzender: Das können wir nicht stundenlang machen.

Susin (Singen): Zur Geschäftsordnung! Ich möchte hier feststellen, daß

zwei Meinungen von den seinerzeitigen Vorgängen, die ich nicht kenne, hier

vorgetragen wurden. Was Pufal vorgetragen hat, ist seine Auffassung von den

Dingen, die damals geschehen sind, und was der andere Kollege vorgetragen

hat, ist nach seiner Auffassung richtig. Mich würde in diesem Zusammenhang —

aber es ist hier nicht zu erörtern — interessieren, was die Geschichte nachher

als richtig bewiesen hat.

Pufal (Hamburg): Wir lassen die Geschichte schreiben, sie wird augenblicklich

gedruckt. (Zuruf: Es kommt darauf an, von wem!)

Vorsitzender: Wenn einer einmal einen etwas schärferen Ton

anschlägt, seid nicht so empfindlich!

Die Tagung ist um 10 Minuten vertagt. Ich bitte, sofort die Fenster zu öffnen.

(Die Tagung wird um 16.47 Uhr auf 10 Minuten unterbrochen.)

Vorsitzender: Die Gewerkschaftstagung ist wieder eröffnet. Es ist mir

eine Entschließung überbracht worden, unterzeichnet von 26 Delegierten, an der

Spitze. . . , Langenbach, Dormagen usw. Ich kann die Namen nicht alle lesen.

Die Entschließung hat folgenden Inhalt:

Der Vereinigungsgewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Nahrung —

Genuß — Gaststätten der Trizone in München sendet den streikenden

Berliner Eisenbahnern die herzlichsten Grüße und wünscht ihnen zu ihrem

Kampf vollen Erfolg. Der Gewerkschaftstag erklärt sich mit dem Kampf

der freiheitlichen Eisenbahner um Koalitionsfreiheit gegen politische

Maßregelungen und Zahlung der ihnen rechtmäßig zustehenden Währung

solidarisch.

Ich bitte einen Antragsteller, den Antrag zu begründen. Ich muß Ihnen

ehrlich sagen, ich habe acht Tage keine Zeitung gelesen. Ich weiß gar nicht,

was in Berlin los ist.

Lorheer (Berlin): Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich unseren

Dank als Berliner Delegation aussprechen für das Vertrauen, das ihr uns

geschenkt habt, als rechtmäßige Delegierte hier auftreten zu können.

Zu unserem Antrag, den wir Berliner als Delegation gestellt haben, möchte

ich folgendes sagen: Es wird Ihnen allen bekannt sein, daß in der Münchener

Tagespresse dieser Berliner Eisenbahnerstreik bereits bekanntgegeben worden

ist. Dieser Eisenbahnerstreik ist kein politischer Streik, sondern ein rein

gewerkschaftlicher Streik, eine Forderung, die die Eisenbahner stellen. Wir

haben aber nun feststellen müssen, daß dieser gewerkschaftliche Streik von

seilen des FDGB unter Führung der SED und einer ausländischen Macht auf

ein politisches Geleise geschoben worden ist.

Wir wollen nun mit dieser Resolution bezwecken, daß man unseren Berliner

Eisenbahnern Mut für ihren Kampf gibt. Denn gerade die Berliner Eisenbahner

sind diejenigen, die in der Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation sehr stark

vertreten sind. Wlir müssen unter allen Umständen versuchen, nachdem die

Augen der Westberliner nach dem Westen gerichtet sind, diese Resolution einzu 1 -

bringen. Wir hoffen und wünschen, daß diese Resolution hier angenommen wird.

Vorsitzender: Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich

bitte diejenigen Delegierten, die dieser Entschließung ihre Zustimmung geben

wollen, ihre Karte zu erheben. — Ich bitte um die Gegenbrobe! — Gegen

9 Stimmen beschlossen.

9 Protokoll 129


loh habe nun folgende Absicht: Ich möchte aus der Vorlage an sich heu\

abend nichts mehr behandeln lassen. Ziur Behandlung stünde der § 19, der übt:

Gliederung der Organisation spricht. Es ist vielmehr erwünscht und zweckmäßig,

daß jetzt der Kollege Leuenberger von der Internationalen Uniorf de:

Lebensmittelarbeiter und der Kollege Hetschold aus der Ostzone, der auch

gebeten hat, noch sprechen zu dürfen, das Wort ergreifen und wir hernach die

Tagung für heute abbrechen. Sind Sie damit einverstanden? (Allgemeine

Zustimmung.) Morgen früh geht es pünktlich um 9 Uhr weiter.

Nun bitte ich zunächst den Kollegen Hetschold, das Wort zu nehmen.

Hetschold (Berlin-Ost) (mit lebhaftem Beifall begrüßt): Kolleginnen und

Kollegen, Gewerkschaftsfreunde! Wir kommen etwas spät. Wir sind erst heute

morgen angekommen. Der Kollege Binser mußte noch aur Beerdigung seiner

Schwester und wird erst am morgigen Tag hier eintreffen. Aber wir kamen

noch früh genug, um unseren alten Freunden die Hand drücken zu können und

um unseren Freunden, die unsere Nachfolger geworden sind in der Gewerkschaftsarbeit,

zu ihrem Verbandstage und zu den Plänen, die sie durch diesen

Verband'stag erreichen wollen, herzlich zu gratulieren.

Vor allem, verehrte Freunde, danke ich euch. Ich glaube, auch im Namen

der gesamten alten Veteranen zu sprechen, wenn ich euch für die Einladung

die ihr uns Alten habt zukommen lassen, unseren herzlichsten Dank sage. Es

ist eine Freude für einen alten Menschen, der da glaubt, er hat im Leben seine

Pflicht getan, wenn er im Alter unvergessen bleibt. Ich kann Ihnen sagen, daß

ich ein wirklich seliges Alter habe, und ich wünschte einem jeden von euch.

daß er dasselbe schöne Alter hätte, wie ich es habe. Zwar hat mir, wollen wir

einmal sagen, eine östliche Besatzungsmacht, für die ich Bier holen mußte,

etwas mitgespielt. Ich war gleich nach 1945 so als kleiner Bürgermeister eingesetzt

worden und habe dabei natürlicherweise die Ernährung unter mir gehabt

und den ganzen Wagenpark. Da mußte ich auf Befehl, wenn ich nicht eingesperrt

werden wollte, Bier holen oder sollte Bier holen. Das ist mir schlecht

bekommen, wie ich vorher schon ahnte. Aber um mich nicht einsperren zu

lassen, mußte ich diesem Willen mich beugen. Ich habe zwei Jahre gelegen,

verehrte Freunde. Ihr kennt mich, wenigstens zum größten Teil. Ihr wißt,

welche Kraft ich besessen habe. Die ist noch im Mundwerk enthalten, aber

nicht mehr ganz in den Beinen. Ich konnte noch und kann noch heute meine

lieben alten Freunde besuchen und konnte sogar noch herüberkommen nach

München, um euch, alle den lieben Kerls und Mädel, wieder einmal die Hand

drücken zu können. Das ist eine Freude für den alten 77jährigen, wie sie vielleicht

nur wenige empfinden können. Aber Freunde, ich sage euch, ich werde

euch noch lange die Freundeshand reichen. Ich hoffe, daß ich 100 Jahre alt

werde (Beifall), wenn meine geistigen Kräfte solange noch beweglich erhalten

bleiben. Und wenn ich 100 Jahre alt bin, dann überschreite ich, wenn es den

anderen nicht gefällt, auch diese Zeit noch einmal um 50 Jahre. (Heiterkeit.)

Liebe Freunde! Ich bin geehrt und geachtet im Alter, wie ich es euch allen

wünsche. Und nur diejenigen — das sage ich heute den Jüngeren —, die das

Alter ehren, haben ein Anrecht, später von den Jüngeren wieder geachtet zu

werden. Wer das nicht tut und tun kann, der kann gewiß sein, daß er im Alter

versaut, es mögen die Dinge kommen wie sie wollen. Es mag auch hier vielleicht

der eine oder andere darunter sein, der meinen Standpunkt nicht versteht. Das

schadet durchaus nichts. Wir, die wir in der großen Nahrungs- und GenuCmittelfamilie

beisammen waren und heute wieder beisammen sind, wir haben

uns gegenseitig immer die Wahrheit gesagt. (Sehr gut.) Und wer die Wahrheit

kennt und sagt sie nicht, der ist ein ganz erbärmlicher Wicht. (Beifall.)

Liebe Freunde! Ich glaube, daß wir diesem Vereinigungsverbandstag eine

Zukunft voraussagen dürfen, bei der ich wohl nicht zuviel sage, wenn ich

erkläre: Nur diejenigen, die der freien Demokratie, der freien Überzeugung

Ausdruck geben, die Freiheit und Selbständigkeit haben wollen, die sich von

keinem irgendwie abhängig machen lassen wollen, nur die haben das Recht,

130

T


sich als die Rechtsnachfolger von uns Alten betrachten zu dürfen. (Beifall.)

Diejenigen, die in Knechtseligkeit und Unterwürfigkeit sich gegen ihre eigene

Heimat aufrichten oder aufstellen wollen, sind nicht berechtigt, sich als unsere

Rechtsnachfolger zu betrachten.

Freunde! Wir Alten haben in unserem ganzen Leben nur das eine gewollt,

der Arbeiterschaft vorwärts zu helfen, der Arbeiterschaft ihr einziges Vermögen,

ihr einziges Kapital — und das ist ihre Arbeitskraft — zu schützen, und diese

Arbeitskraft nicht nur zu erhalten, sondern sie so hoch wie möglich auszuwerten.

Das ist unser Grundsatz gewesen, das war der gewerkschaftliche Grundsatz zu

allen Zeiten. Und die, die heutzutage der Hennecke-Bewegung oder Aktivisten-

Bewegung das Wort reden, die heute aus der Akkordarbeit, die eine Mordarbeit

ist, eine Tugend machen wollen, denen bestreite ich das Recht, sich als unsere

Rechtsnachfolger zu erklären. (Beifall.) Es gibt auch unter denen, die hier

gegen uns stehen, hochanständige Leute, von denen vielleicht der eine oder

andere die Einigkeit der Arbeiterschaft auf seine Fahnen geschrieben hat. Aber

F.inigkeit unter Kommando, unter militärischem Kommando, das ist keine Einigkeit,

sondern das ist Knechtseligkeit. (Sehr richtig!) Diese Knechtseligkeit

kann uns nicht irgendwie imponieren.

Unsere ganze Gewerkschaftstätigkeit und Gewerkschaftsarbeit war nur der

Befreiung der deutschen Arbeiterklasse gewidmet. Ich habe nicht die Absicht,

mich mit irgendwem auseinanderzusetzen, wohl aber erkläre ich: Auch der

deutsche Arbeiter hat eine Heimat, auch der deutsche Arbeiter muß, wenn er

international sein will, seine Nationalität aufrechterhalten (Bravo!), um mit den

anderen in Brüderlichkeit und in Freundschaft zusammenarbeiten zu können.

(Erneute Zustimmung.) Wehe dem, der sein Vaterland verleugnet, der nur für

eine Nation eintritt. Der ist kein Internationaler, und der verkennt auch die

Auffassung und die Ansicht eines Karl Marx. Karl Marx wollte, daß die Mehrheit,

die die deutsche Arbeiterschaft bildet, sich befreit von der Knechtschaft,

von der Bevormundung durch die Unternehmer, durch die Ausbeuter. Er wollte,

daß der Mehrwert der deutschen Arbeit, den sie durch ihre Arbeit leisten,

dieser Arbeiterschaft, diesen Arbeitern zugute kommen muß. Das wollen einzig

und allein auch wir, die wir in den Gewerkschaften organisiert sind. Ich bitte

Sie, verehrte Freunde, sorgen Sie dafür, daß diese Ideen weiterhin unter allen

unseren Arbeitsbrüdern und Arbeitsschwestern durchgesetzt werden.

Die deutschen Gewerkschaften haben zu allen Zeilen bewiesen, daß sie allen

Organisationen der ganzen Welt gegenüber ihr Licht nicht unter den Scheffel

zu stellen brauchten. Wir haben in puncto freiheitlicher Bewegung, in puncto

Solidarität gegenüber den anderen Nationen, den anderen Arbeitern unsere

Einstellung immer wieder gezeigt. Ich denke dabei noch an den in den neunziger

Jahren stattgefundenen englischen Bergarbeiterstreik; ich denke an die vielen

Streiks, die draußen im Auslande gewesen sind. Da war es die deutsche Arbeiterschaft,

die stets und ständig ihre Solidarität, ihren Willen, den Brüdern im

Auslande zu helfen, mit zum Ausdruck gebracht hat. Und wenn einer herkommt

und sagt, er will uns deutschen Arbeitern die Demokratie lehren, dann soll er

sich sein Lehrgeld wiedergeben lassen. (Beifall.)

Wir haben leider heute mit einer Anzahl von Menschen zu rechnen, die in

Deutschland selber nicht im Sinne der deutschen Arbeiterschaft arbeiten. Es

gibt leider Leute, die eine bestimmte Fettpaketpolitik betreiben, es gibt Leute,

die der lächerlichen, um nicht zu sagen, gemeingefährlichen Hennecke- und

Aktivisten-Bewegung das Wort reden, und es gibt Leute, die sich nicht entblöden,

wenn sie Kriegsmaterial fabrizieren, an den Rüstungsbetrieben Spruchtransparente

aufzustellen: „Wir arbeiten für den Frieden." Es gibt ja Gewerkschaftsführer,

die ihrerseits alles daransetzen, um nach außen hin zu

dokumentieren, daß sie für eine Ausbeutung der Arbeiterklasse sind. Akkordarbeit

bleibt Mordarbeit. Wenn man die Betriebsräte beseitigen will, dann

will man nichts anderes und kann nichts anderes wollen, als wieder die

Unternehmerschaft, das Ausbeuterprinzip, zur absoluten Herrschaft zu bringen,

9 * ' 131


dann will und kann man nichts anderes, als den Menschen durch andere

Menschen auszubeuten.

Das alles wollen und können wir nicht und werden es auch in Zukunft

unter keinen Umständen mitmachen. Wir wollen unsererseits alles daransetzen,

um die Arbeit in Freiheit leisten zu können, damit wir dieser Arbeit,

dem wichtigsten Glied der deutschen, der menschlichen Gemeinschaft, die

notwendige Achtung entgegenbringen, die unter allen Umständen von uns verlangt

wird. Diejenigen, die das Gegenteil tun, schlagen die Lebensarbeit von

uns Alten mausetot. (Sehr gut!) Wir haben gewollt, daß die kapitalistische

Ausbeutung und Versklavung des vergangenen Jahrhunderts endlich beseitigt

wird. Die uns aber raten, ihr sollt wieder zurück in jenes Joch des Mittelalters,

die werden uns zurückwerfen um Jahrhunderte. Dia Arbeitskraft, das

einzige, aber wertvolle Gut des Arbeiters, wird dadurch geschändet.

Wir haben, liebe Freunde, zu euch das feste Vertrauen, daß ihr in unserem

Sinne weiterarbeitet. Wir wissen, daß ihr alles daransetzen werdet, daransetzen

müßt — ihr mögt wollen oder nicht —, um diese Arbeiterschaft vorwärtszubringen.

Das woljt ihr jetzt in eurem Gemeinschaftsverband, und wir gratulieren

euch dazu, und wir werden mit euch Hand in Hand und Schulter an

Schulter arbeiten. In dieser frohen Zuversicht grüßen wir Alten den Einigungsverbandstag

von Nahrung und Genuß, den so mancher Schalk, mancher Spötter

als den Freß- und Saufverband hingestellt hat. Aber wir sind stolz auf diesen

Beruf, ob wir Bäcker, Fleischer, ob wir Brauer oder Böttcher oder Gastwirtsgehilfen

sind oder was wir sonst für einen Beruf haben. Sie waren früher

einmal Knechte. Wir Alten, die wir die Anerkennung der Gewerkschaft erkämpft

haben, haben euch zu freien Menschen, zu , einem Beruf gemacht,

der bei den heutigen Nahrungsmittelschwierigkeiten das größte Ansehen hat,

das wir uns überhaupt jemals in unseren kühnsten Träumen wünschen konnten.

In dieser Zuversicht grüßen wir euch, legen wir euch das Vermächtnis unserer

alten Arbeiterhände in eure arbeitswilligen und arbeitsfreudigen Hände hinein.

Wir wünschen euch bei allen euren weiteren Arbeiten in jeder Beziehung

großes Glück. Der Kampf wird, namentlich solange die Gegner deutscher

Freiheit mächtige Schutzengel haben, für euch außerordentlich schwer werden.

Das wissen wir alle sehr gut. Aber ihr jungen Freunde, verzagt nicht, sorgt

dafür, daß dieser Kampf, je ehrenvoller er ist, desto besser und erfolgreicher

und für euch selbst befriedigender wird. Denn wir denken dabei immer an das

alte Sprichwort: „Willst du den Kampf, den großen, wagen, dann setz' zuerst

dich selber ein. wer fremde Fesseln will zerschlagen, darf nicht sein eigner

Sklave seini."

Laßt die Sklavenseelen, laßt die Knechtseligkeit ruhig ihre Straße ziehen.

Wir sind mit euch, wir Alten, wir freuen uns über jeden Fortschritt, den ihr

macht. Ihr werdet dafür sorgen, daß alle Kräfte zusammengefaßt werden in

unserem neuen, großen, schönen Verband. Sorgt dafür, daß ihr mutig und stolz

euren geraden Weg weiterschreitet, sorgt dafür, daß der Weg, wenn er auch

nicht mit Fettpaketen und mit fetten Posten gepflastert ist, euch die innere

Befriedigung bringt. Und dann, Freunde, dann werdet ihr und müßt ihr vorwärts

kommen. Der Segen der Alten wird euch begleiten, und ihr werdet aufwärts

und vorwärts der neuen Freiheit entgegengehen. Denn mit euch wird

das Volk sein! Deshalb muß auch mit euch der Sieg sein! (Lebhaft anhaltender

Beifall.)

Vorsitzender : Ich glaube, in aller eurer Namen zu sprechen, wenn

ich dem Kollegen Hetschold, meinem alten Lehrmeister, herzlichen Dank sage.

(Erneuter Beifall.) Vor 45 Jahren habe ich den Karl kennengelernt. Und stellt

euch einmal vor, seine Schnauze von heute unti von damals! Da haben die

Wände gewackelt, wenn die Arbeitgeber da waren oder die Gelben, und da

waren sie mausetot. Da hat keiner mehr was gesagt. Das möge ein Ansporn

132


für unsere Jugend sein, diesen Geist in uns allen aufzunehmen und so für

die Arbeiterschaft zu wirken.

Jetzt spricht der Kollege Leuenberger (Zürich). "

Hermann Leuenberger (Zürich, Präsident der Lebensmittelarbeiter-

Internationale): Vorsitzende, Kolleginnen und Kollegen!

Als ich im Sommer 1945, einige Wochen nach Kriegsschluß, durch München,

d. h. durch die Trümmer dieser Stadt, nach Prag gefahren bin, hätte ich nicht

zu träumen gewagt, daß ich vier Jahre später im gleichen München an einem

Zusammenschlußkongreß der westdeutschen Lebensmittelarbeiterverbände teilnehmen

könnte. Ich will damit andeuten, daß es entgegen der Meinung vieler

unter euch Leute und Gewerkschafter im Auslande gibt, die nicht darauf

angewiesen sind, sich ihre Eindrücke und Meinungen über das, was die deutschen

Gewerkschaften seit Kriegsausbruch getan haben, auf einem Kongreß

holen zu müssen. Ich schicke auch voraus, daß ich zu den ausländischen Gästen

gehöre, die oft Gelegenheit hatten, vor 1945 und nach 1945 verschiedene Gegenden

von Deutschland kennenzulernen und mit sehr vielen Kollegen in der deutschen

Gewerkschaftsbewegung zu sprechen.

Es wird einige von euch geben, die dann, wenn ich gesprochen habe, sagen

werden: Ja, der Schweizer, der hat natürlich gut reden. Das sagen mir nicht

nur die deutschen Kameraden. Wir Schweizer sind gewohnt, daß man ungefähr

in ganz Europa sagt: Ja, ihr habt gut reden, ihr habt ja die ganze Scheiße nicht

mitgemacht, ihr kennt ja die Dinge gar nicht aus der Nähe, und ihr könnt auch

etwas leicht über die Dinge reden, die uns so nahegehen. Glaubt mir, daß ich

sehr gut eure Stimmung kenne. Und trotzdem sage ich als Schweizer und als

Internationaler: Es ist erstaunlich für uns, beobachten zu können, wieweit ihr

euch in Deutschland schon wieder hochgekrabbelt habt. Ich sage ausdrücklich,

daß ich sehr gut verstehe, daß nicht viele denken wie wir. Aber es ist für uns,

die wir mit großer Spannung diesem Kongreß entgegengesehen haben, aus

Gründen, die ich Ihnen auseinandersetzen werde, doch erfreulich, festzustellen,

daß bei all den Differenzen und Meinungsverschiedenheiten über diesen und

jenen Punkt doch das Wichtigste, was auch die Ausländer feststellen können,

der Wille ist, unter allen Umständen zusammenzukommen. Dieser Wille scheint

mir viel wichtiger zu sein —• wenigstens für uns ist es ein Erlebnis, das festzustellen

—, als alle die Meinungsverschiedenheiten, die wir jetzt an diesem Kon-

. greß miterleben und mitkonstatieren konnten.

Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht die sprichwörtlich schlechte Erziehung

der Schweizer, wenn wir zu denen gehören, die zu spät auf euren Kongreß

gekommen sind, sondern die Tatsache, daß wir nicht rechtzeitig unsere Papiere

bekommen haben, um an eurem Kongreß teilzunehmen. Ein Beweis dafür, daß

irgend etwas in Europa und in der Welt nicht in Ordnung ist. Ein Schweizer

Paß, ein Schweizer Papier, ist im allgemeinen ein gutes Papier, ungefähr so gut

wie die Mark (Heiterkeit). Man kann mit dem Schweizer Paß heute in der

ganzen Welt herumreisen, man braucht sogar nur noch in ganz wenigen Ländern

ein Visum. Nach Deutschland zu kommen, ist aber schon sehr schwer. Ich sage

das deshalb, weil heute morgen Kollege Weber den Vertreter der Militärregierung

begrüßt hat, dem ich nun ebenfalls einen Ehrenkranz winden muß,

denn er hat dafür gesorgt, daß wir kommen konnten, sonst wären wir auch

nicht da. Ich möchte ihm herzlich danken. (Beifall.)

Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar, daß wir viele Gründe haben und sie

auch gern aufzählen möchten, warum wir so dankbar sind, an diesem Kongreß

teilnehmen zu können. Ich darf aber das Gastrecht nicht mißbrauchen und muß

mich nur auf ganz wenige Bemerkungen beschränken. Ich möchte als Präsident

der Lebensmittelarbeiter-Internationale in allererster Linie der Freude Ausdruck

geben, daß wir nicht nur euren Verband, sondern die Vorgänger eures Verbandes,

die vielen Landesorganisationen der deutschen Lebensmittelarbeiter im

Verlauf des vergangenen Jahres in unsere Internationale aufnehmen konnten

und daß wir hoffentlich im September des Jahres in Zürich auf dem Kongreß

133


unserer Internationale den Anschluß, d. h. die Aufnahme des gesamten Verbandes,

möglichst einstimmig beschließen können. (Beifall.)

Ich sage das auch deshalb, weil mir sehr daran gelegen ist, daß die ausländischen

Gäste — und Sie haben ja sehr viele ausländische Gäste auf dem

Kongreß — einen möglichst guten Eindruck von Ihrem Vereinigungs-Gewerkschaftstag

bekommen. Ich will damit aber nicht andeuten, daß Sie sich jetzt

möglichst gut und anständig aufführen sollen. Nein, das wollen wir Ausländer

nicht. Wir Ausländer lieben einen lebendigen Kongreß, einen Kongreß, wo

diskutiert wird. Wir Ausländer bekommen daher keinen schlechten Eindruck,

wenn diskutiert wird. Ich will damit etwas anderes andeuten: Ich möchte sagen,

es wird im September des Jahres auf dem internationalen Kongreß ganz wesentlich

auf das Urteil derjenigen Männer ankommen, die hier die verschiedenen

ausländischen Bruderorganisationen vertreten und die uns Schweizern dann

helfen sollen zu sagen: Jawohl, wir waren in München bei dem Zusammenschlußkongreß,

und wir haben uns davon überzeugt, daß es nicht nur eine

Selbstverständlichkeit ist, die deutschen Organisationen jetzt in die Internationale

aufzunehmen, sondern daß die deutschen Kameraden auch würdig

sind, daß man sie aufnimmt.

Gestatten Sie mir, daß ich nur einen der Gründe sage, warum gerade wir

Schweizer glücklich sind, an diesem Kongreß teilnehmen zu können. Das ist der

Umstand, daß nicht alle unsere der Internationale angeschlossenen Organisationen

in bezug auf Deutschland und die deutschen Gewerkschaften so denken

wie wir. Sie dürfen das nicht verübeln. Sie müssen verstehen, geschätzte

Kolleginnen und Kollegen, daß man in Belgien, in Holland und an einigen

anderen Orten in Europa und in der Welt nicht so objektiv über die Deutschen

denkt wie wir in der Schweiz. Uns in der Schweiz ist es ja nicht schlecht

gegangen während des Krieges, weil wir auch so etwas wie profitiert haben von

diesem Krieg. Es ist ganz gut, wenn man das offen zugibt. Es sind aber nicht

nur die Schweizer, denen es gar nicht so schlecht gegangen ist, auch vielen

anderen Leuten ist es in diesem Krieg nicht schlecht gegangen. Es gibt auch

Deutsche, denen es in diesem Krieg gut gegangen ist (lebhafte Zustimmung), iund

es gibt Deutsche, denen es noch heute gut geht (erneute Zustimmung). Wir

sagen — und wir haben das seit 1945 oft getan —, daß man nicht einfach aus

Ressentiment jeden Deutschen für das verantwortlich machen kann, was, die

Deutschen unter Hitler in der Welt gesündigt haben. (Sehr richtig.) Ich wäre

gar nicht erstaunt, wenn Sie nicht Beifall klatschen, sondern das Gegenteil tun

würden. Aber es kommt nicht darauf an, daß man einander auf einem Kongreß

aus lauter Höflichkeit Verbindlichkeiten sagt, sondern daß man die Dinge so

ausspricht, wie man sie sich denkt. Und bei einem Punkt — und das ist der

wesentlichste — haben wir Schweizer während des Krieges, aber vor allen

Dingen in den entscheidenden Tagen nach dem Krieg, uns unterschieden von

allen unseren internationalen Freunden, und zwar in dem Punkt, daß wir gesagt

haben: Es mag in Europa und in der Welt geschehen sein was will; es ist falsch,

allein und nur die Deutschen für den Nationalismus und für den Faschismus

verantwortlich zu machen. (Sehr gut.) Ich glaube sagen zu dürfen, daß wir'

alle, ob wir in Deutschland oder in Frankreich oder in Italien, Österreich, in der

Schweiz, in Skandinavien oder in England oder in Amerika gelebt haben, mitschuldig

waren, weil wir alle das Wesen des Faschismus nicht rechtzeitig erkannt

und nicht rechtzeitig bekämpft haben. (Lebhafte Zustimmung.)

Und nun, Kolleginnen und Kollegen, habe ich nicht nur das Bedürfnis, dafür

zu danken, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, dies hier auszusprechen,

sondern ich mache ein weiteres Bekenntnis, das Gegenstand der Diskussion am

kommenden internationalen Kongreß sein wird. Es ist nicht allein die Sprache

und nicht allein die gleiche Kultur, die euch und uns verbindet, sondern es ist

eine klare Erkenntnis, die uns veranlaßt hat, trotz gelegentlicher Enttäuschungen

für Deutschland Verständnis zu schaffen. Kollege Weber, Kollege Pufal, Kollege

Wiegand, Kollege Remppel, Kollege Fiederl, Sie alle wissen es, daß wir, die

134


Exekutive unserer Internationale, es nicht so leicht hatten, in der Internationale

dafür einzutreten, daß wir zu den deutschen Kameraden wieder in ein gutes

Verhältnis kommen. Es ist also nicht Liebe, es sind nicht eure blauen Augen,

sondern es ist die ganz reale Erkenntnis, daß wir, die Arbeiter in Europa, unbekümmert

aus welchem Lande man ist, unbekümmert welche Sprache man

spricht, unbekümmert wie man aussieht, unbekümmert wer man beruflich ist,

wissen: Es gibt in Europa keine Ruhe, wenn es in Deutschland keine Ruhe gibt.

(Beifall.) Es gibt keinen Frieden in Europa, wenn es nicht' in Deutschland

Frieden gibt, und es gibt keine internationale Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung

ohne die deutsche Gewerkschaftsbewegung. (Sehr richtig.) Ich sage

das viel mehr als Schweizer denn als Präsident der Internationale. Und ich will

euch sagen, Kameraden, wenn wir mit so großer Aufmerksamkeit verfolgen, was

eure Gewerkschaft in bezug auf die Hebung des sozialen Lebensstandards leistet,

dann glaubt mir ganz ruhig — ihr seid ja auch Gewerkschafter und viele von

euch sind sogar alte Marxisten —, daß wir genau wissen, daß unser Lebensstandard

in der Schweiz und anderswo auf die Dauer in Gefahr gebracht wird,

wenn dieses Vakuum Deutschland in Gefahr gebracht wird. (Sehr richtig.) Es

ist purer Egoismus, es ist absolut gut verstandenes Selbstinteresse, wenn wir

heute hier und überall den Standpunkt vertreten, daß die europäische Arbeiterschaft

der deutschen Arbeiterschaft helfen muß. In unserem eigenen Interesse

muß die deutsche Arbeiterbewegung, die deutsche Gewerkschaftsbewegung

wieder hochkommen, die deutsche Gewerkschaft wieder jene Position einnehmen

können, die sie früher gehabt hat. Ich glaube, daß Sie sich in dem einen Punkt

restlos mit mir freuen dürfen, daß sich diese wichtigste Erkenntnis heute in der

Internationale durchgesetzt hat. Wir alle sind im Grunde genommen heute zu

der Erkenntnis gekommen, daß dieses gefährliche Spiel im Herzen von Europa

aufhören muß, und daß wir alle schicksalsverbunden sind, ob wir wollen oder

ob wir nicht wollen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung in bezug auf Ihren Kongreß,

dessen Verhandlungen ich aufmerksam verfolgt habe. Wenn in einer Beziehung

mir etwas wie ein unheimliches Gefühl aufgekommen ist, so deshalb — bitte,

entschuldigen Sie, wenn ich es offen sage —, weil ich das Gefühl habe, daß

ihr alle aufpassen müßt. Ich verstehe sehr gut, wenn Sie es so schwer haben,

zu einer eigenen demokratischen Selbstverwaltung Ihres Verbandes zu kommen.

Es ist wunderbar leicht, eine Organisation in einer Diktatur zu leiten, wie das

bei euch ja jahrelang der Fall war. Es geht sehr herrlich, wenn einer oben

sitzt, ob es der Herrgott oder ein anderer Gott ist, und alle folgen seiner

Parole. Schwierig aber ist es, sein eigenes Werk zu zimmern», die eigene

demokratische Selbstverwaltung zu schaffen, sich einzufügen in eine große

Volksgemeinschaft und als Glied dieser Volksgemeinschaft eine Funktion zu

übernehmen. Das ist schwer, und das ist im Grunde die Aufgabe der deutschen

Gewerkschaftsbewegung.

Ich sage euch — und damit will ich schließen und Ihnen danken, daß Sie

mir solange zugehört haben —, es gibt nicht nur in der Schweiz, sondern auch

im übrigen Europa und in der übrigen Welt, Leute, die sehr ernsthaft behaupten,

daß in Deutschland bereits wieder so etwas wie ein Revanchegedanke

aufkomme, daß es Leute in Deutschland gäbe, die noch nicht genug haben.

Nicht nur in Deutschland 1 gibt es Menschen, die von der Schweinerei nicht

genug haben, auf der ganzen Welt gibt es solche. (Starker Beifall.)

Kolleginnen und Kollegen! Wir alle zusammen, unbekümmert welcher

Nationalität wir angehören, welche Sprache wir sprechen, wir haben unsere

demokratischen Organisationen aufzubauen, wir wollen für die demokratische

Staatsform eintreten, für die Völkerrechte, für das Mitspracherecht, für die

Mitbestimmung des Volkes, und wenn es nur aus einem einzigen Grund geschehen

würde: um zu verhüten, daß unsere Generation einen dritten Weltkrieg

erlebt. (Sehr richtig!)

In diesem Sinne, Kolleginnen und Kollegen, bitte ich euch, zu glauben, daß

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wir mit Interesse, mit Spannung eure Verhandlungen verfolgen, daß wir mit

Interesse zu diesen Verbandlungen gekommen sind und daß wir hoffen, daß

dieser Kongreß ein gestecktes Ziel erreichen wird. Enttäuschen Sie uns nicht,

enttäuschen Sie die internationale Arbeiterbewegung nicht, enttäuschen Sie

das arbeitende Volk Europas und der Welt nicht. (Anhaltender und lebhafter

Beifall.)

Vorsitzender: Kolleginnen und Kollegen! Im Namen des Gewerkschaftstages

dem Kollegen Leuenberger und allen seinen Freundlen aufrichtigen,

herzlichen Dank mit der Bitte, Grüße auszurichten und darüber hinaus

das Gelöbnis unserer neuen Industriegewerkschaft nach draußen zu übermitteln,

daß wir nicht erlahmen werden, die Gedanken zu verwirklichen,

die Kollege Leuenberger in eindrucksvoller Weise hier zum Ausdruck gebracht

hat. Wir haben die Verpflichtung — das werden alle Anwesenden in dieser

erhebenden Stunde gefühlt haben, als Leuenberger diese Gedanken herausstellte

—, die Aufklärung in die Kreise hineinzutragen, die es gebrauchen, die es

nötig haben. Denn erst wenn wir die 1 gesamte Arbeiterschaft zu diesem Gedanken

erzogen haben, haben wir die Gewißheit und die Möglichkeit, ein

solches Unheil zu verhüten. Der Wille ist bei der Leitung der neuen Industriegewerkschaft

hundertprozentig vorhanden. Diese Gewißheit dürfen unsere ausländischen

Freunde mit nach Hause nehmen. Nochmals herzlichen Dank.

Ich mache nun noch darauf aufmerksam, daß der Arbeitsausschuß wie alle

anderen jetzt Abendbrot ißt und dann um 7 Uhr im Gewerkschaftshaus zusammentritt.

Für heute ist 'die Sitzung vertagt.

(Die Beratungen werden um 17.5