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www.<strong>vectura</strong>mag.ch<br />

[lat.: das Fahren]<br />

#7 | Sommer 20<strong>13</strong><br />

Neu geboren<br />

Maserati Ghibli<br />

wilder westen // Seat Leon SC<br />

Legendär // Boxer-Bikes von BMW<br />

rolling home // Airstream<br />

Motormenschen // Heuer / Toyoda<br />

Jubiläums-EDITION<br />

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RUBRIKEN<br />

Das motion-magazin aus der schweiz<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 001


Der kompakte Wahnsinn.<br />

Der neue A 45 AMG 4MATIC* mit 2,9 % Leasing**.<br />

Die Kraft des weltweit stärksten Serien-Vierzylinder-Turbomotors,<br />

auf den Asphalt gebracht mit dem Allradantrieb 4MATIC.<br />

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165 g/km (Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 153 g/km), Energieeffizienz-Kategorie: E.<br />

** Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2.94 %, 1. grosse Rate: CHF <strong>13</strong> 500.–, Leasingrate ab dem 2. Monat: CHF 509.–.<br />

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diese zu einer Überschuldung des Leasingnehmers führen kann. Änderungen vorbehalten. Angebot gültig bis 31.08.20<strong>13</strong>. Immatrikulation bis 31.03.2014.


editorial<br />

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor<br />

Vectura #7<br />

Jubiläums<br />

edition<br />

Irgendwer hat immer Geburtstag. Doch in der Auto-<br />

Saison 20<strong>13</strong> wird besonders viel gefeiert, jagt ein Toast den<br />

anderen. Vor 150 Jahren zum Beispiel bewegte sich die erste<br />

von einem Verbrennungsmotor angetriebene Kutsche, das<br />

Hippomobil von Jean-Joseph Étienne Lenoir, ganz ohne Pferde<br />

vorwärts – für Augenzeugen muss das ein Schock gewesen sein.<br />

1863 wurden Henry Ford und Henry Frederick Royce geboren.<br />

Vor 125 Jahren unternahm Cäcilie Bertha Benz ihre berühmte<br />

Überlandfahrt, liess sich John Boyd Dunlop den Luftreifen patentieren<br />

(wenn auch nicht als Erster), erblickte W.O. Bentley das<br />

Licht der Welt. 1903 entstand Harley-Davidson.<br />

Schon ein Jahrhundert ist es her, dass Rudolf Diesel starb oder<br />

Autos erstmals vom Fliessband liefen. 1923 schliesslich entstand<br />

die Automarke Tatra, wurde Carroll Shelby geboren oder TVR-<br />

Gründer Trevor Wilkinson. Land Rover feiert momentan 65-jähriges<br />

Jubiläum; vor 60 Jahren lief der erste Seat vom Band. Und<br />

dann 1963: McLaren wurde gegründet, Alfa Romeo baute den<br />

Giulia Sprint GT «Bertone», Aston Martin den DB5, Mercedes den<br />

staatstragenden 600 und in Italien scharrte der allererste Lamborghini<br />

mit den Hufen. Parallel ging die Formel Vau an den Start,<br />

Lotus holte erstmals eine Formel-1-Meisterschaft. Ganze 40 Jahre<br />

liegt es zurück, dass Alpine mit der A110 den Markentitel in der<br />

Rallye-WM gewann, die damals zum ersten Mal stattfand. 1983<br />

löste der Fiat Uno die Baureihe 127 ab. Und vor immerhin 25 Jahren<br />

wurde die Luxusmarke Lexus aus der Taufe gehoben.<br />

Wir merken: Mit den Feierlichkeiten geht es fröhlich weiter, selbst<br />

krumme Geburtstage sind manchen Herstellern mittlerweile eine<br />

Pressemitteilung wert. Bei einigen Terminen gibt es tatsächlich<br />

Grund zum Jubeln, andere sind eher traurig oder wirken angestrengt.<br />

Trotzdem begeht man sie, denn Historie und Emotion sind<br />

nach wie vor wesentliche Verkaufsargumente. Bei einigen Häusern<br />

ist der Stolz berechtigt: Die Ältesten von ihnen sind Überlebende aus<br />

der automobilen Ursuppe, verfügen also über Erfolg, Kontinuität und<br />

nicht zuletzt Instinkt für das richtige Produkt zur rechten Zeit.<br />

Diese Ausgabe ist allen Geburtstagskindern gewidmet – und<br />

würdigt neben den üblichen Verdächtigen einige Kandidaten und<br />

Anlässe, die weniger bekannt sind. Selbst Neuwagen haben das<br />

Zeug zum künftigen Klassiker, aber man muss nicht alles hypen,<br />

was vier Räder hat. Legendenbildung nährt sich schliesslich aus<br />

mehreren Faktoren und nicht zuletzt aus der positiven Erinnerung.<br />

In diesem Sinne: Happy Birthday!<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 003


inhalt #7<br />

EDITORIAL<br />

ORTSTERMIN<br />

Das alljährliche Lotus-Treffen im englischen<br />

Donington Park ist ein Stelldichein der<br />

Skurrilitäten – und deshalb die Anreise wert<br />

NEUER KURVENSTAR<br />

Mit dem Jaguar F-Type wird ein altes Versprechen<br />

eingelöst. Es darf kräftig applaudiert werden<br />

003<br />

006<br />

016<br />

POLITISCHES ASYL<br />

Es gab sie bereits, als sich Castro und<br />

Hemmingway gemeinsam betranken.<br />

Heute gehören Kubas Strassenkreuzer<br />

zu den Touristen-Attraktionen<br />

KÜNSTLICHER HORIZONT<br />

Vor 90 Jahren kam ein fortschrittliches<br />

Motorrad mit Zweizylinder-Boxer auf den<br />

Markt. Die BMW-R-Serie existiert bis heute<br />

084<br />

098<br />

VOM WUNSCH ZUR WIRKLICHKEIT<br />

Er schenkte der Welt traumhafte Sportwagen:<br />

zweiter Teil der Vita von Ferruccio Lamborghini<br />

VITE LA FRANCE<br />

Der Peugeot 208 GTI knüpft an rasante Zeiten an.<br />

Damit will er alte wie neue Kunden locken<br />

IM NAMEN DER LIEBE<br />

Wenn es schnell gehen muss, ist der rassige<br />

Seat Leon SC eine sehr gute Wahl. Zudem<br />

hat er einen ausreichend grossen Kofferraum…<br />

LEIDENSCHAFTLICHE ZIFFERN<br />

Wie der Porsche 911 zu seinem Namen kam und<br />

was es mit all den anderen Typennummern auf sich<br />

hat. Dazu servieren wir zeitgenössische Reklame<br />

JUBILARE UNTER SICH<br />

Sie waren verschieden – und wurden alle berühmt.<br />

Unsere Laudatio auf drei klassische Roadster<br />

AUSFLUG AUF DEN PONY-HOF<br />

Mit dem Mustang gelang Ford ein Millionseller.<br />

Mark Stehrenberger erzählt, wie alles begann<br />

PASSENDES TIMING<br />

Die Armbanduhr Heuer Carrera feiert Geburtstag.<br />

Würdigung des Mannes, der sie geschaffen hat<br />

SO SOPHISTICATED<br />

Rundstrecken-Sieger, Gentlemen-Express,<br />

Agenten-Dienstwagen: Aston Martin ist 100<br />

024<br />

032<br />

040<br />

052<br />

068<br />

070<br />

072<br />

078<br />

LEGOSTEIN-DESIGN<br />

Wenn Kleinkinder Autos zeichnen, kommt oft<br />

ein Stufenheck dabei heraus. Neue Serienmodelle<br />

sollen jetzt Erwachsene begeistern<br />

TITELSTORY 048110<br />

Ein heisser Wüstenwind sorgte einst für seinen<br />

Namen. Jetzt gibt es den dritten Maserati Ghibli<br />

– und der weist erstmals vier Türen auf<br />

GENERALPROBE<br />

Im September versammeln sich viele Maserati<br />

zur «International Rally» in Montreux, um das<br />

99ste Jahr seit Markengründung zu begehen<br />

ES IST ANGERICHTET<br />

Unter den diversen Oldtimer-Veranstaltungen<br />

ragen einige heraus. Fünf Empfehlungen<br />

für ein unvergessliches Wochenende<br />

SO WEIT DIE REIFEN TRAGEN<br />

Die Pandanauten haben bewiesen, dass<br />

auch die schlechtesten Wege zum Ziel führen<br />

VIEL MEHR ALS SPINNEREI<br />

Wenn Unternehmer umdenken, kann Gutes<br />

entstehen – etwa der weltgrösste Autoproduzent<br />

FÜNF-STERNE-CAMPING<br />

Mit einem Wohnwagen-Klassiker der Marke<br />

Airstream muss man auf nichts verzichten. Wir<br />

zeigen die Anfänge – und fahren nach Marokko<br />

IMPRESSUM<br />

106<br />

120<br />

122<br />

140<br />

142<br />

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160<br />

JUBILÄUMS<br />

E d i t i o n<br />

004 VECTURA #7


016<br />

040<br />

078<br />

084<br />

098<br />

150<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 005


Lotus-Blüten<br />

Markenclubs pflegen die Geselligkeit und den Erfahrungsaustausch. Man<br />

muss jedoch kein Vereinsmeier oder gar Mitglied sein, um die oktanhaltige<br />

Stimmung zu geniessen. Wir haben es ausprobiert – beim 30sten Club Lotus<br />

Show & Festival auf geweihtem englischen Boden<br />

Text und Fotos map<br />

Sie gedeihen weitgehend im Verborgenen, nur ab und an sieht<br />

man sie. Doch wenn klassische Loti (so der Plural von Lotus) in<br />

Scharen zusammenkommen, gerät das zum Motor-Event der<br />

Sonderklasse. Gleichzeitig ist es die Momentaufnahme einer<br />

ziemlich durchgeknallten Marke, von der momentan keiner genau<br />

weiss, wie es mit ihr weitergehen wird.<br />

Fast keiner. Denn die dunklen Wolken über dem Lotus-Firmensitz<br />

Hethel lockern sich nach Besitzer- und Management-Wechsel<br />

etwas auf und lassen erste zarte Sonnenstrahlen durch. Man<br />

baut auch wieder Autos, kommuniziert es aber (noch) nicht –<br />

bloss keine weitere Medien-Schelte und Negativ-Presse riskieren!<br />

Tatsächlich ist die neue Führung immer noch damit beschäftigt,<br />

die Modellfantasien der letzten Jahre zu relativieren, eine<br />

tragfähige Strategie zu entwickeln – und den Verbleib von über<br />

200 Millionen Pfund zu eruieren, die unter der Ägide des Mitte<br />

2012 geschassten Dany Bahar investiert worden sein sollen.<br />

Allein das nur fünfmal herausgegebene, grossformatig-schicke<br />

«Lotus»-Magazin, flüstert man mir zu, habe über fünf Mille verschlungen<br />

– das macht mehr als eine Million pro Ausgabe und ich<br />

fange an zu träumen…<br />

Vielen Fans und Eignern älterer Loti ist das alles herzlich egal<br />

– ihre Autos gibt es schliesslich schon, sie hegen und pflegen sie.<br />

Für das ganze moderne Zeug haben diese Menschen ohnehin<br />

nur wenig übrig. Also zwängen sie sich in ihre knapp geschnittenen<br />

Wagen, die meist Zweisitzer sind, und steuern die Midlands<br />

an, um am grössten Markentreffen der Insel teilzunehmen, das<br />

jeden Frühling neben der legendären Donington-Rennstrecke<br />

stattfindet – dem Club Lotus Show & Festival. Die Veranstaltung<br />

gibt es 20<strong>13</strong> zum 30sten Mal; über 2500 Besucher und 500 Fahrzeuge<br />

werden an diesem Wochenende zusammenkommen.<br />

006 VECTURA #7


Revival<br />

Ich nehme die weite Anreise deshalb gerne in Kauf – und nutze<br />

sie gleichzeitig dazu, ab Airport einen Wagen auszuprobieren, für<br />

den es bisher an Zeit mangelte: den Jaguar XJ 5.0 Supersport in<br />

der Stretchversion L. Die misst stattliche 5,25 Meter und ist vollgestopft<br />

mit allem, was Tempolimit-Touren angenehmer macht.<br />

Allein von den feudalen Platzverhältnissen im Fond habe ich<br />

nichts. Dafür schnurrt der stattliche Brite spürbar unterfordert<br />

über den Motorway; bei 80 Meilen liegen im höchsten Gang der<br />

sequentiellen Achtstufenautomatik gerade mal 1750 Touren an.<br />

Die Kraft lässt sich nur erahnen – 510 Kompressor-PS aus acht<br />

Zylindern sind mehr als genug – was Jaguar nicht daran hindert,<br />

im Herbst einen 550 PS starken XJR Performance auf den Markt<br />

zu bringen. Why not, denke ich – und geniesse den Luxus: Die<br />

Isolierung ist hervorragend; Digitalinstrumente spiegeln bei Bedarf<br />

eine Navigationsweisung ein. All systems go.<br />

120 Meilen von London sind also ein Katzensprung und Castle<br />

Donington ist entsprechend entspannt erreicht. Schon auf der<br />

M1 warnen Anzeigetafeln vor Verzögerungen – nicht etwa wegen<br />

dem Lotus-Meeting, sondern der britischen Tourenwagenmeisterschaft,<br />

die zeitgleich auf dem Circuit stattfindet. Letzterer wird<br />

auch «The Heart of British Motorsport» genannt, was an seiner<br />

Gediegener Shuttle: Im Jaguar XJ schmelzen die Distanzen<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 007


RUBRIKEN<br />

Familientreffen: In der Halle<br />

wird diskutiert, bestaunt,<br />

gefeilscht – und gelacht<br />

008 VECTURA #7


evival


evival<br />

langen Geschichte liegt: Donington Park die älteste permanente<br />

Rundstrecke Englands, auf der vor genau 80 Jahren die ersten<br />

Autorennen ausgetragen wurden. Vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

fand hier auch der britische Grand Prix mit illustren Fahrern wie<br />

Caracciola, Prinz Bira, Nuvolari oder Seaman statt. Gleich neben<br />

der Rennstrecke befindet sich das heutige Werk des 1898 gegründeten<br />

Motorradherstellers Norton. Überhaupt ist es benzingetränkter<br />

Boden: Vom nahe gelegenen Flugfeld, auf dem sich<br />

inzwischen der Midland Airport befindet, starteten in den frühen<br />

30er-Jahren die ersten Spitfire-Prototypen. Und das Exhibition &<br />

Conference Center, in dem sich die Lotus-Gemeinde trifft, war<br />

einst ein Rolls-Royce-Flugzeugmotorenwerk.<br />

Der Duft von heissem Frittenfett weht aus dem Fahrerlager<br />

hinüber. Im Hintergrund röhren die Motoren – gerade dreht der<br />

Ginetta GT Supercup seine Runden auf dem schnellen Circuit.<br />

Das ist Kampf vor jeder Kurve, also britischer Motorsport «at its<br />

best» und auch der lebende Beweis dafür, dass die englische Kit-<br />

Car-Szene noch sehr lebendig ist. Doch anders als bei Ginetta –<br />

1958 gegründet und damit auch schon 55 Jahre alt – orientieren<br />

sich Lotus-Fans derzeit besser auf die Vergangenheit: Allein die<br />

zahlreichen Elise und Exige sowie einzelne Evora zeugen beim<br />

Meeting von der Gegenwart, doch die Zukunft dieser Baureihen<br />

ist eine unbestimmte. Auf dem Parkplatz haben sich bereits hunderte<br />

Autos eingefunden; es ist die typische Markentreffen-Atmosphäre<br />

mit stolzen Besitzern, vielen Schaulustigen und zahlreichen<br />

Benzingesprächen. Was bei einem gepflegten Fahrzeug<br />

eigentlich selbstverständlich ist, wird unter Lotus-Eignern ganz<br />

besonders betont: «Sie hat mich nie im Stich gelassen» oder «Ich<br />

bin mit ihr immer nach Hause gekommen», hört man hier öfter –<br />

Autos sind im Englischen per se weiblich.<br />

Kein Zweifel: Klassische Lotus sind Meilensteine der Automobilgeschichte<br />

– leicht, schnell, aber auch filigran, qualitativ naja und<br />

Auf dem Weg zum Youngtimer: ein Rudel Lotus Exige aus den frühen 2000er-Jahren<br />

010 VECTURA #7


nicht immer über jeden optischen Zweifel erhaben. Wiesen die<br />

frühen, bildschönen Baureihen Elite und Elan noch gewisse Ähnlichkeiten<br />

auf, verkörpern ihnen nachfolgende Modelle ein wenig<br />

homogenes Kaleidoskop unterschiedlicher Stilepochen: Von den<br />

barocken 50ern, effizienten 60ern, bizarren 70ern, verspoilerten<br />

80ern oder neu interpretierten und damit überaus erfolgreichen<br />

90ern ist alles vertreten – dem Lotus-Fan geht das Herz auf!<br />

Die Wertvollsten sind freilich Rennwagen oder Sammlerstücke,<br />

und die stehen in der Halle – beim englischen Wetter weiss man ja<br />

nie. Vom Mark VI über den rustikalen Seven, einen heute noch<br />

modern wirkenden Eleven oder Talbot Sunbeam in Rallye-Ausführung<br />

ist alles dabei. Einzelstücke wie ein Elan +2 Kombi oder seltene<br />

F1-Boliden sind Publikumsmagneten; das Classic Team Lotus<br />

unter der Führung von Colin Chapmans Sohn Clive darf<br />

natürlich nicht fehlen. Ein Dutzend Clubs für die verschiedenen<br />

Baureihen sind ebenfalls zugegen und dazu rund 60 Aussteller,<br />

Für zwei Tage verwandelt sich<br />

Donington Park in den<br />

grössten Lotus-Parkplatz der Welt<br />

Würg: Den letzten Elan gab es auch als Kia<br />

Stilecht: Motorhome in den Markenfarben<br />

Klassische Gene: aktueller Caterham Super Seven<br />

Loti jeder Couleur: Donington begrüsst sie alle<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 011


Keine Berührungsängste:<br />

Hier steht alt neben neu,<br />

gepflegt neben ranzig<br />

012 VECTURA #7


evival<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 0<strong>13</strong>


evival<br />

Vom gepumpten Sunbeam bis<br />

zum Type Eleven – die Lotus-Bandbreite<br />

ist immer wieder beeindruckend<br />

die Edelschrott, neue Tuningteile, Literatur oder Devotionalien anbieten.<br />

Auf den Ständen wird gesucht, gefeilscht, getauscht oder<br />

einfach nur diskutiert. Das macht hungrig und vor der einzigen<br />

offenen Kantine bildet sich eine Schlange. Allerdings nicht lange,<br />

denn der Imbiss ist selbst für Briten schwer verdaulich: Einige<br />

Besucher schicken ihre Frauen lieber mit dem Wagen zur Tankstelle<br />

downtown Donington, um Sandwiches zu kaufen…<br />

Draussen auf dem Parkplatz tummelt sich das Fussvolk und<br />

bestaunt den auf eigener Achse zugereisten, authentischen<br />

Lotus-Bestand. Dass dies kein Concours d’Elegance ist und sich<br />

einige Autos in unübersehbar gebrauchtem Zustand befinden,<br />

stört hier niemanden: Viele ältere Lotus-Besitzer haben ein entspanntes<br />

Verhältnis zu ihren Fortbewegungsmitteln – Hauptsache,<br />

die Karre läuft. Direkt daneben parkt die Hochglanz-Fraktion<br />

in friedlicher Eintracht. Dabei sein ist alles und man klopft dem<br />

Scotsman aus dem hohen Norden für seine lange Anfahrt anerkennend<br />

auf die Schulter. Vereinzelt sieht man auch französische<br />

und deutsche Kennzeichen.<br />

Hier und da ist sie dann doch zu hören, die Sorge um Lotus’ Zukunft.<br />

Ob vielleicht Honda oder gar Mercedes…? Schliesslich<br />

baut der malaysische Multi und neue Lotus-Eigner DRB-HICOM<br />

in seiner Heimat für diese beiden Marken Autos zusammen! Oder<br />

vielleicht der Tata-Konzern, dem bereits Jaguar und Land Rover<br />

gehören? Die Gerüchteküche brodelt, ich höre zu und denke mir<br />

meinen Teil: Volkswagen hätte Lotus kaufen sollen, so wie es der<br />

damalige VW-Vorstandschef Pischetsrieder bereits 2006 vorhatte,<br />

dann aber nicht umsetzte. Die Leichtbau-Marke wäre auch<br />

heute noch eine perfekte Ergänzung des Konzern-Portfolios und<br />

könnte ihrerseits vom VW-Technikbaukasten profitieren – was für<br />

sagenhafte Autos würden da entstehen!<br />

Lotus-Fans gehören zu den treusten. Sie stehen fest zu ihren Autos<br />

und deren Schwächen, denn: Alles ist einer höheren Philosophie<br />

geschuldet – dem Charisma und unbedingten Siegeswillen<br />

von Firmengründer Colin Chapman. Deshalb auch ist die Lotus-<br />

Gemeinde besonders Motorsport-affin und weil 1963 auch das<br />

Jahr war, in dem der begnadete Jim Clark mit seinem Lotus 25<br />

erstmals Formel-1-Weltmeister wurde. Die ganz Hartgesottenen<br />

unter seinen Fans werden sich wenige Wochen später nach Duns<br />

begeben, um den goldenen Jahrestag ihres Helden in dessen<br />

Heimatort zu begehen.<br />

Das kurzweilige Wochenende vergeht viel zu schnell. Ich mag<br />

mich nur schwer trennen und zögere die Abfahrt immer weiter<br />

hinaus, doch dann ist es so weit: In zwei Stunden geht der Flieger<br />

ab London City. Never mind, der Jaguar XJ wird’s schon<br />

richten. And he does.<br />

Mehr zum Thema<br />

014 VECTURA #7


47.228728<br />

015


016 VECTURA #7<br />

fahrtermin


Gierig<br />

auf die<br />

nächste<br />

Kurve<br />

Schon vor 15 Jahren wollte Jaguar dieses<br />

Auto bauen. Jetzt ist der F-Type endlich da und<br />

hinterlässt einen starken Eindruck:<br />

Für uns ist es der Newcomer des Jahres<br />

Text Matthias Pfannmüller · Fotos Nick Dimbleby, David Shepherd<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 017


fahrtermin<br />

Über vier Jahrzehnte haben Jaguar-Fans auf dieses<br />

Auto gewartet. Seit Einstellung des E-Type Roadster<br />

mit Sechszylindermotor hatte die englische Marke<br />

kein wirklich sportliches Cabrio mehr im Programm. Die 1971<br />

folgende V12-Version lief eher unter der Kategorie «Comfort-<br />

Cruiser» und bei den folgenden Softtops XJ-S, XK8 und XK<br />

war es kaum anders. Das wusste auch der Hersteller selbst<br />

und hat deshalb mehrere Anläufe unternommen, wieder ein<br />

fahraktives Oben-ohne-Modell zu bauen. Im Herbst 1998 zeigte<br />

Jaguar in Paris mit dem viel beachteten XK180 Concept «einen<br />

Roadster für das neue Jahrtausend», doch die von einem<br />

V8-Kompressor befeuerte Studie bezog sich auf den damals<br />

50. Geburtstag des legendären XK120 und war entsprechend<br />

retro gestaltet. Mehr Applaus gab es folglich für das Anfang<br />

2000 vorgestellte, rassige F-Type Concept; ein Jahr und viele<br />

Blankobestellungen später gab Jaguar bekannt, das Auto<br />

bauen zu wollen. Doch die Umstände waren dagegen: 9/11,<br />

eine folgende Weltwirtschaftskrise und schliesslich die sich<br />

anbahnende Auflösung der Premier Automotive Group des<br />

Ford-Konzerns – Jaguar hatte andere Sorgen. Es sollte zehn<br />

weitere Jahre dauern und einen neuen Besitzer brauchen, bis<br />

man in Frankfurt den C-X16 präsentierte. Das stimmige Coupé<br />

(es wird ab 2014 gebaut) war parallel als Cabriolet konzipiert<br />

worden. Für Jaguar ist es nicht weniger als «das wichtigste<br />

Modell der letzten 50 Jahre», wie Wayne Darley, Global Brand<br />

Manager Jaguar Sports Cars, vollmundig erklärt.<br />

So weit zur Vorgeschichte des offenen F-Type, der also zuerst<br />

in Serie geht und bereits beim Jaguar-Händler steht. Es ist gut,<br />

dass es so lange gedauert hat. Denn früher wäre dieses komplett<br />

neue Auto in seiner Komplexität und Perfektion gar nicht<br />

möglich gewesen. Unter dem Entwicklungscode X152 haben die<br />

Jaguar-Ingenieure eine zweisitzige Fahrmaschine mit Frontmotor<br />

und Heckantrieb entwickelt, die konsequent auf maximalen Fahrspass<br />

hin ausgelegt wurde und schon technisch zu begeistern<br />

weiss: Deren tragende Vollaluminium-Struktur – inzwischen ist<br />

es Jaguars vierte Generation, die zu 50 Prozent aus recyceltem<br />

Leichtmetall besteht, von weniger als 2500 Nieten sowie Kleber<br />

zusammengehalten wird, keine 300 Kilo wiegt, im Motorraum eine<br />

Domstrebe aufweist und natürlich auch am steifsten ist – ruht<br />

auf einem Leichtmetall-Fahrwerk. Das Cockpit ist Fahrer-fokussiert,<br />

das Stoffdach vollelektrisch und nach Knopfdruck in nur<br />

zwölf Sekunden geöffnet; das funktioniert auch bis 50 km/h. Alle<br />

diese Attribute unterstreichen, dass Jaguar sportlicher werden<br />

will, als man es bisher war. Weniger Watte, mehr Dynamik, jüngere<br />

Kunden und gesteigerte Absatzzahlen – allein in den ersten<br />

Monaten 20<strong>13</strong> konnte der zum indischen Tata-Konzern zählende<br />

Hersteller gegenüber dem Vorjahr weltweit über 30 Prozent zulegen.<br />

Und so möge es doch bitte weitergehen.<br />

Das Warten auf den F-Type hat sich in jedem Fall gelohnt: Er<br />

ist nicht nur in Bezug auf die alphabetische Nomenklatura als<br />

E-Nachfolger zu verstehen, sondern auch fahrdynamisch eine<br />

018 VECTURA #7


Klasse für sich. Sehr verehrte Damen und Herren – hier steht<br />

ein Asphalt-Hero! Dazu hat Jaguar das Auto geschickt platziert –<br />

Audi TT RS Roadster, BMW Z4 35is, Mercedes SLK 55 AMG oder<br />

Porsche Boxster S sind kleiner, Mercedes SL oder Porsche 911<br />

deutlich grösser. Ansonsten kennt der F-Type nur übernatürliche<br />

Feinde, zum Beispiel den (inzwischen ausverkauften und sündhaft<br />

teuren) Alfa Romeo 8C Competizione Spider – oder den Audi R8.<br />

Ein Aston Martin V8 Vantage ist ebenfalls kein Schnäppchen,<br />

aber auch der Ferrari California gehört trotz zusätzlicher Notsitze<br />

zu den F-Alternativen – Konzept, Leistung und Fahrdynamik sind<br />

denen des neuen Briten sehr ähnlich. Dank seiner Positionierung<br />

kommt der Jag also für viele Open-Air-Interessenten in Betracht;<br />

einzig beim Preis-Leistungs-Verhältnis wird er vom Corvette Cabrio<br />

geschlagen.<br />

Optisch bietet der F-Type alles, was Roadster-Herzen höher<br />

schlagen lässt. Die lange, lateral über die vorderen Radhäuser<br />

reichende und aus einem Stück gefertigte Motorhaube vermittelt<br />

Kraft, die schlanken Taillen symbolisieren Sehnigkeit und das<br />

Heck zitiert mit seinen nach oben ausgestellten Kotflügeln die<br />

des seligen E-Type. Das F-Design reduziert sich dabei auf wenige<br />

prägende Linien und verzichtet sogar auf konventionelle Türgriffe<br />

– stattdessen gibt es Aston-like zwei ausklappbare Griffbügel.<br />

Allerdings – und das hat Aston Martin nicht – schwenken die des<br />

Jaguar beim Entriegeln elektrisch heraus. Last but not least integrierten<br />

die Briten einen für hohe Geschwindigkeiten unvermeidbaren<br />

Spoiler dezent in die Kofferraumkante; erst bei Tempi um<br />

100 km/h fährt er automatisch aus. Zentral angeordnete Auspuffendrohre<br />

geben dem Heck das gewisse Etwas – auch sie sind<br />

eine Reminiszenz an den E-Type. Allein beim V8-Topmodell sind<br />

sie eckig und aussen angeordnet, schade.<br />

Das schwerwiegendste Manko des F-Type ist sein Gewicht.<br />

Knapp 1700 Kilo in der Basisversion sind nicht mehr zeitgemäss,<br />

da kann der Hersteller trotz Alu-Einsatz sagen, was er will – zum<br />

Beispiel, dass der Sportwagenmarkt nur ein Prozent aller Zulassungen<br />

ausmacht. Aber auch hier braucht es künftig viel leichtere<br />

Autos, um den kommenden Verbrauchs- und Emissionsvorgaben<br />

zu genügen – ein Stopp-Start-System, das übrigens hervorragend<br />

funktioniert, genügt bald nicht mehr. Andererseits ist<br />

der jüngste Jaguar derart mit Sicherheits- und Komfort-Features<br />

vollgepackt, dass uns die Pfunde kaum wundern. Vorteil F-Type:<br />

Dank seiner souveränen Motoren spürt man das kaum.<br />

Die Basis bildet ein Dreiliter-V6-Kompressor mit 340 PS, und man<br />

ist geneigt zu sagen, dass diese Leistung vollkommen ausreicht.<br />

Dem ist im Grunde auch so, wie allein die Beschleunigungsdaten<br />

verraten. Auch unsere erste Ausfahrt liess keine Wünsche offen<br />

– der Standard-F geht wie eine geölte Katze, er lässt sich direkter<br />

lenken als alle anderen aktuellen Jaguar und klingt auch ganz<br />

famos: Ein Aston Martin tönt nicht besser. Doch das Bessere ist<br />

des Guten Feind und so hatten wir im V6 S nochmals 40 PS<br />

Serpentinen-Sucht:<br />

Im F-Type kann der Berg<br />

nicht hoch genug sein<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 019


020 VECTURA #7<br />

fahrtermin


TECHNISCHE DATEN Jaguar F-Type<br />

Konzept<br />

Motor<br />

Neuer zweisitziger Sportwagen mit elektrischem Stoffdach. Selbsttragende Aluminiumkarosserie, Doppelquerlenker vorne/hinten,<br />

Scheibenbremsen rundum. Achtstufen-Automat mit wahlweise manueller Bedienung per Ganghebel oder Lenkradwippen.<br />

Heckantrieb, mechanisches Sperrdifferential (V8 S: elektronisch)<br />

Vorn längs angeordneter V6- oder V8-Benziner. Variable Ventilsteuerung, vier Ventile pro Zylinder, 2x2 oben liegende Nockenwellen (Kette),<br />

4fach gelagerte Kurbelwelle (V8: 5fach). Jeweils mit Kompressor, zwei Ladeluftkühlern, Direkteinspritzung und Stopp-Start-System<br />

3.0 V6 / V6 S 5.0 V8 S<br />

Hubraum in cm 3<br />

Bohrung x Hub in mm<br />

Verdichtung<br />

Leistung in PS (kW) @ U/min<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min<br />

Kraftübertragung<br />

2995<br />

84,5 x 89<br />

10,5:1<br />

340 (250)/380 (280) @ 6500<br />

450/460 @ 3500–5000<br />

A8<br />

5000<br />

92,5 x 93<br />

9,5:1<br />

495 (364) @ 6500<br />

625 @ 2500–5500<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm<br />

Radstand in cm<br />

Spur vorne/hinten in cm<br />

Reifen und Räder<br />

159,5/165<br />

447/192,5/<strong>13</strong>1<br />

262<br />

158,5/162,5<br />

vorn 245/45 R18 auf 8,5 J, hinten 275/40 R18 auf 9,5 J<br />

Tankinhalt in L<br />

Kofferraumvolumen in L<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg<br />

Leistungsgewicht in kg/PS<br />

1855 (1780)<br />

5,5 / 4,9<br />

70<br />

148–196<br />

2025<br />

1885 (1810)<br />

3,8<br />

0 – 100 km/h in Sek.<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h<br />

5,4 / 4,9<br />

260/275<br />

4,3<br />

300<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km<br />

CO 2 -Emission in g/km<br />

Energieeffizienzkategorie<br />

Preis ab CHF<br />

9,0 / 9,1<br />

209/2<strong>13</strong><br />

G / G<br />

89 500.–/112 500.–<br />

11,1<br />

259<br />

G<br />

129 500.–<br />

*<br />

gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 021


fahrtermin<br />

mehr Freude, was sich vor allem in den Bergen bemerkbar macht.<br />

Wie locker und lässig sich die beiden V6er durch die Serpentinen<br />

scheuchen lassen, ist eine Klasse für sich. Der F-Type ist mit<br />

50:50 perfekt ausbalanciert; beim V8 beträgt die Gewichtsverteilung<br />

vorne/hinten 49:51. Wird dann noch die Traktionskontrolle<br />

abgeschaltet (es gibt hier zwei Modi – mit spätem elektronischen<br />

Eingriff oder ganz ohne) und die adaptive Dämpferkennung auf<br />

die schärfste Stufe gestellt, kommt richtig Freude auf. Der kurze<br />

Radstand und die breiten Reifen erfordern dabei Gefühl, aber mit<br />

etwas Übung lässt es sich auch dank der direkten Lenkung herrlich<br />

driften. Und weil der F-Type im Grenzbereich nicht hinterhältig<br />

agiert, sondern auf der gutmütigen Seite fährt und dabei starke<br />

Bremsen hat, fasst man schnell Vertrauen in das Auto.<br />

Die Kraftübertragung erfolgt in allen F-Varianten via seidige Achtstufenautomatik,<br />

die sich am Lenkrad oder per Schalthebel bedienen<br />

lässt. Letzterer ist korrekt konfiguriert – zum Runterschalten<br />

will nach vorne gedrückt, zum Hochschalten nach hinten<br />

gezogen werden. Das kriegen nicht alle Hersteller hin, auch Porsche<br />

nicht. Dazu gibt es für die beiden Sechsender ein mechanisches<br />

Sperrdifferential; beim V8 S kommt eine elektronische<br />

Sperre zum Einsatz.<br />

ein Übriges. Dazu verfügen V6 S und V8 S serienmässig über<br />

eine Soundtaste, ohne die es heute wohl nicht mehr geht.<br />

In puncto Ausstattung muss ebenfalls auf nichts verzichtet<br />

werden. Handy- und Musikverbindung klappen auf Anhieb,<br />

verschiedene Stereoanlagen liefern bis zu 770 Watt, die Materialien<br />

sind erlesen, Instrumente und Schalter sind ebenso edel<br />

wie funktionell, auch die Ergonomie stimmt bis auf ein Detail.<br />

Denn leider weist auch der F-Type ein typisches Jaguar-Manko<br />

auf – die Lenksäule lässt sich axial nicht weit genug nach hinten<br />

justieren. Auch würden wir uns eine verstellbare Mittelarmlehne<br />

und noch engere Sitze wünschen, aber das sind jetzt spitzfindige<br />

Anmerkungen zu einer sonst sehr gelungenen Darbietung. Jaguar<br />

hat einen neuen Superstar und wir sind sicher, dass er viele<br />

Freunde finden wird. Das denkt auch der Hersteller und will das<br />

F-Programm weiter ausbauen. Nach dem Coupé darf man später<br />

wohl mit einer Lightweight-Version rechnen – ganz so wie beim<br />

Vorbild E-Type.<br />

Die Fahreindrücke mit den V6-Modellen sind so positiv, dass es<br />

den V8 eigentlich gar nicht braucht – Jaguar hat ihn gezielt für<br />

die USA entwickelt. Wer ihn jedoch gefahren ist, möchte auf die<br />

Extraportion Dampf nicht mehr verzichten: Dieses Modell ist das<br />

Sahnehäubchen auf dem F-Menü; der dumpf-sonore Klang tut<br />

Mehr zum Thema<br />

022 VECTURA #7


SWISSTOOL SPIRIT<br />

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Sommer 20<strong>13</strong> 023<br />

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MOTORMENSCHEN<br />

Ein modernes<br />

Vollgas-Märchen<br />

Automobili Lamborghini ist im Mai 50 Jahre alt geworden. Wir stossen an und<br />

schildern die Anfänge. Achtung: hoher Wahrheitsgehalt!<br />

Teil 2<br />

Text Matthias Pfannmüller · Fotos Tonino Lamborghini, Christian Bittmann, Sammlung br, privat, Werk<br />

Ferruccio Lamborghini ist ein vielbeschäftigter Mann.<br />

Einerseits brummt das Traktoren-Geschäft, andererseits<br />

gründet er gerade eine neue Firma. Der Patron<br />

selbst empfindet die Geburtswehen der nach offiziellen Angaben<br />

am 7. Mai 1963 ins Handelsregister eingetragenen Marke<br />

Automobili Ferruccio Lamborghini S.p.A. als «grosses Abenteuer».<br />

Tatsächlich handelt es sich zunächst um eine am 8. Mai<br />

notariell beglaubigte Kommanditgesellschaft (s.a.s.), für die<br />

neben Lamborghini seine Frau Annita mit ihrem Mädchennamen<br />

Borgatti gezeichnet hat. Erst Anfang 1966 wird daraus<br />

eine AG werden, was aus Urkunden der Handelskammer Bologna<br />

hervorgeht. Aktieninhaber werden dann Ferruccio, Annita<br />

und Tonino Lamborghini sein. Doch das sind Formalitäten<br />

und für den Unternehmer eher Nebensache: Das ganze Sportwagen-Projekt<br />

ist neben seinen anderen Geschäften eine zusätzliche<br />

Belastung für ihn, denn viele Dinge passieren gleichzeitig<br />

und erfordern seine volle Aufmerksamkeit.<br />

Die Presse berichtet euphorisch über die Pläne, ist aber auch<br />

skeptisch: Sicher, Signor Lamborghini ist sehr vermögend – einige<br />

Zeitungen berichten, er habe für sein Sportwagen-Projekt ein<br />

Startkapital von 500 Millionen Lire bereitgestellt. Aber wird das<br />

reichen? Bereits im Frühjahr 1963 hatte der Schweizer Motorjournalist<br />

und spätere VECTURA-Autor Adriano Cimarosti den Unternehmer<br />

persönlich besucht und sich alles zeigen lassen. Mittags<br />

ging der gebürtige Italiener mit Lamborghini und dessen Freund<br />

Corrado Carpeggiani zum Essen; Cimarosti blickt lachend zurück:<br />

«Man legte mir einige Zeichnungen für ein neues Markenlogo vor,<br />

auf dem ein Stier abgebildet war. Ferruccio meinte, die Hoden<br />

müssten grösser sein! Später dann, in seinem Büro, sagte er zu<br />

seiner Sekretärin, einem hübschen Mädchen: ‹Wenn ich dich<br />

dann mal in dem Auto mitnehme, machst du dir in die Hosen!› Sie<br />

antwortete entsetzt: ‹Aber Herr Lamborghini…› Er war gelegentlich<br />

etwas derb, aber ein herzensguter Mensch.»<br />

Die ersten Skizzen von Ferruccios Tierkreiszeichen werden von<br />

dem Grafiker Paolo Rambaldi angefertigt, der sich laut Carpeggiani<br />

an der Skulptur eines Bildhauers namens Bertozzi orientiert haben<br />

soll. Rambaldi liefert mehrere Entwürfe ab und Lamborghini<br />

wird sich letztlich für die Frontal-Perspektive eines angreifenden<br />

Bullen entscheiden.<br />

Die internationale Presse weiss davon noch nichts und widmet<br />

sich dagegen ausführlich den preisgegebenen Details: Sechs<br />

Prototypen, angetrieben von komplett eigenständig konstruierten<br />

1,5- und 3,5-Liter-Leichtmetallmotoren mit acht und zwölf<br />

Zylindern, sollen in Arbeit sein. Zwölf Zylinder – das allein ist<br />

schon sensationell, denn so ein herrliches Triebwerk gibt es damals<br />

exklusiv nur bei Ferrari: Jaguar wird 1971, BMW 1986 und<br />

Mercedes erst 1991 folgen. Der euphorische Lamborghini stellt<br />

für 1964 gar einen V6 in Aussicht, der sich leicht vom Zwölfender<br />

ableiten lasse. Ein 1,5-Liter-Achtzylinder passt dagegen<br />

haargenau auf das seinerzeit geltende Formel-1-Reglement –<br />

und der Unternehmer bestätigt, neben dem Bau reinrassiger<br />

GT-Fahrzeuge auch im Motorsport aktiv werden zu wollen. Er<br />

tut das unter Vorbehalt, denn eigentlich hat er gar nicht vor, irgendwelche<br />

Autorennen zu bestreiten. Doch der Industri<strong>emag</strong>nat<br />

– nicht wenige, die ihn gekannt haben, bezeichnen Lamborghini<br />

als schlauen Fuchs – weiss um die Wirkung seiner<br />

Worte: Schliesslich kann öffentliche Aufmerksamkeit seiner<br />

jüngsten Firmengründung in der Startphase nur helfen. Davon<br />

abgesehen brennen einige der neuen Mitarbeiter geradezu darauf,<br />

einen Rennwagen zu bauen…<br />

Lamborghini ist derweil nicht der einzige Traktoren-König mit<br />

Sportwagen-Ambitionen. Bereits seit 1946 wacht der englische<br />

Trecker-Produzent David Brown über Aston Martin (siehe S. 078).<br />

Es gibt aber einen kleinen feinen Unterschied: Während Brown<br />

die 19<strong>13</strong> gegründete Edelmarke gekauft hatte (und kurz darauf<br />

auch das Luxuslabel Lagonda), gründet Lamborghini jetzt seine<br />

eigene Manufaktur.<br />

Prominente Unterstützung Dem strategisch denkenden<br />

Ferruccio ist völlig klar, dass er seine ehrgeizigen Pläne nur mit<br />

fähigen Fachkräften verwirklichen kann. Ergo sucht er nicht irgendwelche<br />

Ingenieure oder Mechaniker: Er will die besten –<br />

und wird sie persönlich bei Ferrari oder Maserati abwerben.<br />

Bereits im Sommer 1962 soll er dem Konstruktionsbüro eines<br />

gewissen Ingegnere Giotto Bizzarrini in Livorno einen Besuch<br />

abgestattet haben, um den besagten V12 in Auftrag zu geben.<br />

Der 36-jährige Konstrukteur hatte zu diesem Zeitpunkt bereits<br />

eine Bilderbuch-Karriere hinter sich – drei Jahre bei Alfa Romeo<br />

und vier Jahre bei Ferrari in jeweils leitender Stellung. Der<br />

024 VECTURA #7


Ruf eines begnadeten Technikers eilt Bizzarrini also voraus,<br />

denn er war bei Ferrari massgeblich an der Entstehung des<br />

legendären 250 GTO beteiligt.<br />

Wie Carpeggiani berichtet, kam der erste Kontakt zu Bizzarrini<br />

aber über Giorgio Neri von der Karosseriebaufirma Neri & Bonacini<br />

zustande: Der traf Carpeggiani nahe einer damals noch<br />

existenten Rennstrecke mitten in Modena, berichtete ihm von Bizzarrinis<br />

V12 und übermittelte anschliessend Lamborghinis Bestellung:<br />

Der Herr Ingenieur möge bitte den besten Zwölfzylinder<br />

konstruieren, den es gibt, und das Triebwerk solle mindestens<br />

350 PS leisten. Bizzarrini war sofort dabei, zumal er bereits einen<br />

fertigen Motor in petto und sich 1961 nicht gerade im Guten von<br />

Enzo Ferrari getrennt hatte: Lamborghinis Anfrage zu entsprechen,<br />

dürfte kein Racheakt, aber eine Genugtuung für den tatendurstigen<br />

Techniker gewesen sein.<br />

Bereits im Frühjahr 1963 war es dann so weit, gab das noch in<br />

Lamborghinis Traktoren-Fabrik Cento montierte Triebwerk erste<br />

Lebenszeichen von sich. Bizzarrini kam vorbei und traf Lamborghini<br />

erstmals persönlich, doch es gab Spannungen: Der Auftraggeber<br />

bemängelte die hohen Drehzahlen bis 9000/min –<br />

schliesslich hatte er kein Renntriebwerk bestellt! Für Bizzarrini<br />

war die Zusammenarbeit damit beendet, doch er habe das damals<br />

ganz nüchtern betrachtet, rekapituliert der Konstrukteur im<br />

Frühling 2011. Dennoch ist Bizzarrini rückblickend stolz auf den<br />

einzigen Motor, den er je entwarf. Noch 1963 wendet er sich anderen<br />

Aufträgen sowie eigenen Sportwagenprojekten zu – Letztere<br />

werden kurioserweise von Chevrolet-V8-Aggregaten angetrieben,<br />

doch das ist eine andere Geschichte. Beim Zwölfzylinder<br />

für Lamborghini hat Bizzarrini trotz der Unstimmigkeiten ganze<br />

Arbeit geleistet: Wie fortschrittlich sein prachtvoller Saugmotor<br />

ist, belegt die Tatsache, dass Lamborghini ihn nicht nur über drei<br />

Jahrzehnte bauen, sondern sein konstruktives Grundlayout sogar<br />

bis ins 21. Jahrhundert beibehalten wird.<br />

Familie Lamborghini beim Werkempfang Ende Oktober 1963<br />

Die jungen Wilden Nach Bizzarrinis Vorarbeit spielen zwei<br />

weitere Männer entscheidende Schlüsselrollen in Lamborghinis<br />

Frühgeschichte: Sie heissen Giampaolo Dallara und Paolo Stanzani.<br />

Ersterer ist ein nur 24 Jahre alter, hochtalentierter Luftfahrt-<br />

Ingenieur. Nach anderthalb Jahren Tätigkeit in Ferraris heiligen Hallen<br />

war er aktuell bei Maserati beschäftigt, als Bizzarrini ihn empfahl.<br />

Lamborghini zögerte nicht und konnte Dallara bereits im November<br />

1962 dazu bewegen, als Technischer Direktor zum Team zu stossen<br />

– hätte Dallara ablehnen können? Er bekam zwar keinen horrenden<br />

Lohn und musste zunächst in einer Ecke der Traktoren-Fabrik<br />

arbeiten, aber das war gar nicht so schlecht, denn<br />

Lamborghini ist immer hochmodern ausgestattet gewesen. Darüber<br />

hinaus hatte er den ehrgeizigen Dallara mit der Aussicht auf ein<br />

nagelneues Automobilwerk gelockt, in dem die neuesten Maschinen<br />

und Fertigungsanlagen stehen sollten, während bei traditionellen<br />

Häusern noch antiquierte Gerätschaften zum Einsatz kamen.<br />

Der fast gleich alte Stanzani kommt dagegen direkt von der Technischen<br />

Universität, hat sich mit seiner Diplomarbeit empfohlen, wird<br />

im Herbst 1963 Dallaras Assistent und erinnert sich: «Ich hatte<br />

grossen Respekt vor Ferruccio Lamborghini, denn er war einer der<br />

intelligentesten Menschen, die ich je getroffen habe. Er hatte jedoch<br />

eine einfache Erziehung genossen und wenig Gefühl für Kultur.<br />

So gab es kein persönliches, sondern ein eher distanziertes<br />

Verhältnis zwischen uns.» Gemeinsam entwickeln die beiden Konstrukteure<br />

das neue Serienauto, und Dallara weiss noch Jahrzehnte<br />

später: «Ferruccio hatte klare Ideen, liess uns aber völlig frei arbeiten.<br />

Wahrscheinlich dachte er, dass ich nur begrenztes<br />

Praxiswissen, aber auch ein gewisses Potential mitbrachte. Das<br />

ganze Team war ja sehr jung, mit geringer bis gar keiner Erfahrung.<br />

Aber wir sollten den Wagen trotzdem bauen und haben dabei viel<br />

gelernt – es hat tatsächlich funktioniert!»<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 025


MOTORMENSCHEN<br />

Unter der Haube des 350 GTV stecken<br />

keine Backsteine oder Kacheln, wie häufig<br />

zu lesen ist, sondern eine Motorattrappe<br />

Das erste Lamborghini-Modell wurde bereits Anfang 1963 klar<br />

definiert – ein luxuriöser Gran Turismo sollte es werden. Schon im<br />

Sommer nimmt das Auto konkrete Formen an. Das leichte Rohrrahmen-Chassis<br />

mit Einzelradaufhängungen rundum ist eine<br />

Dallara-Konstruktion – zu einer Zeit, in der viele aktuelle Traumwagen<br />

noch mit starren Hinterachsen unterwegs sind. Verzögert<br />

wird der neue Sport-GT mit Scheibenbremsen, was damals auch<br />

keine Selbstverständlichkeit ist. Ferruccio verschweigt zu diesem<br />

Zeitpunkt noch, dass der Aufbau gerade bei der Carrozzeria Sargiotto<br />

in Turin entsteht; die ersten von Lamborghini-Stylist Giorgio<br />

Prevedi angefertigten Entwürfe werden dort von niemand Geringerem<br />

als Franco Scaglione überarbeitet: Der Blechvirtuose<br />

schuf Mitte der 50er Jahre unter anderem die drei sagenhaften<br />

Bertone-Studien B.A.T. 5, 7 und 9 – und kleidet nun den Prototyp<br />

ein. Öffentlich gibt Lamborghini lediglich zu verstehen, den fertigen<br />

V12-Motor bereits in seinem Privat-Ferrari zu testen. Letzteres<br />

ist eine PR-Finte, mit der er klar machen will, gegen wen er<br />

anzutreten gedenkt. Tatsache ist, dass sich das drehfreudige<br />

Aggregat auf dem Prüfstand als zuverlässig erweist und vielversprechende<br />

Daten abliefert.<br />

Solche Nachrichten machen in der Automobilwelt schnell die<br />

Runde und das interessierte Publikum horcht auf: Die besten<br />

Strassensportwagen fahren bereits über 250 Kilometer pro Stunde,<br />

was damals ein unglaubliches Tempo ist. So schnell sind die<br />

1963er Debütanten Corvette Sting Ray, Maserati Mistral, Mercedes<br />

230 SL «Pagode» oder Porsche 911 bei weitem nicht. Doch<br />

der kommende Lamborghini-GT ist eine Klasse höher angesiedelt,<br />

tritt gegen den frischen Ferrari 250 GT Lusso an und verspricht<br />

dabei neue Superlative. Die sind das Faszinosum jener<br />

Epoche: Schneller, weiter, höher stehen für Fortschritt und Wohlstand;<br />

nichts scheint mehr unmöglich. Seit wenigen Jahren überqueren<br />

Düsenflugzeuge den Atlantik – ohne Zwischenlandung.<br />

1961 wurde mit der «USS Enterprise» der erste atomar betriebene<br />

Flugzeugträger in Dienst gestellt; mit 342 Meter Länge sprengt<br />

er zudem alle Dimensionen. Die ersten Industrieroboter kommen<br />

auf den Markt, während sich USA und Sowjetunion ein erbittertes<br />

Wettrennen um den bemannten Flug zum Mond liefern.<br />

Lamborghini denkt auch in Superlativen – und bereitet sich professionell<br />

vor. Am südwestlichen Rand der 6000-Seelen-Ge-<br />

Aha-Effekt: Der 350 GTV verfehlt seine Wirkung nicht; seit 1963 hat Italien eine zweite Supersportwagenmarke<br />

026 VECTURA #7


Stolzer Hausherr: Ferruccio lässt es sich nicht nehmen, seine Gäste standesgemäss zu begrüssen<br />

meinde Sant’Agata Bolognese zwischen Modena und Bologna<br />

hat sich der Grossindustrielle neun Hektar Ackerland zu günstigen<br />

Konditionen gesichert, nachdem Verhandlungen mit der Gemeinde<br />

von Castel Maggiore nördlich von Bologna gescheitert<br />

waren. Nun verfolgt er gespannt die Entstehung seines Automobilwerks<br />

mit 10 000 Quadratmeter überbauter Fläche – inklusive<br />

markantem Verwaltungstrakt, den er beim Architektenbüro Venturi<br />

in Cento planen liess.<br />

Auf Hochtouren laufen auch die Entwicklungsarbeiten am ersten,<br />

zunächst noch 3500 GT V12 genannten Lamborghini-Prototyp.<br />

Bis zur Fertigstellung der Fabrik mietet Ferruccio Lamborghini<br />

kurzerhand ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Strassenseite<br />

an: Dort beziehen sein Technischer Direktor und später<br />

auch Stanzani ihre Büros, wird das allererste Lamborghini-Modell<br />

in der angegliederten Werkstatt vollendet. Anfang Oktober lanciert<br />

die fünf Monate alte Automobilmarke einige Pressefotos und<br />

die vorläufigen Daten des Triebwerks: Es liefert 360 SAE-PS bei<br />

8000 Umdrehungen, womit die Literleistung über 100 PS beträgt.<br />

Das maximale Drehmoment der 280 kg schweren Aluminium-Maschine<br />

wird mit knapp 380 Nm angegeben. «Kunstvolle<br />

Motorenarchitektur», attestieren führende Fachpublikationen,<br />

und das völlig zu Recht – der einzige andere V12-Anbieter der<br />

Welt fährt schliesslich noch mit zwei Nockenwellen weniger herum.<br />

Für die «Roten» in Maranello ist es ein Weckruf: Eben noch<br />

einzigartig, sehen sie auf einen Schlag antiquiert aus.<br />

Rohbau-Premiere Das Lamborghini-Aggregat scheint nicht nur<br />

State-of-the-Art, sondern auch der neue V12-Massstab zu sein, und<br />

den Wagen dazu präsentiert Lamborghini einer Gruppe von ausgesuchten<br />

Gästen und Journalisten bereits Ende Oktober 1963. Meist<br />

wird der 26. als Datum genannt, doch hat der damals anwesende<br />

und sehr gewissenhafte, inzwischen leider verstorbene Fotograf<br />

Franco Zagari in seinem Archiv den 28. vermerkt. Denkbar ist auch,<br />

dass es zwei Termine gegeben hat. Die Bilder zeigen jedenfalls einen<br />

sonnigen Herbsttag, an dem sich die fein gekleidete Gesellschaft vor<br />

dem Fabrik-Rohbau in Sant’Agata einfindet, unter ihnen auch der von<br />

Lamborghini geschätzte Rennfahrer Piero Taruffi. Er und alle anderen<br />

Besucher – der enge Ferruccio-Freund und -Förderer Carpeggiani ist<br />

natürlich ebenfalls zugegen – können einen schnittig geformten, mittelblaumetallic<br />

lackierten Zweisitzer bewundern. Unter dessen Haube<br />

befindet sich tatsächlich ein Motor, allerdings ist dieser V12 nicht<br />

funktionstüchtig. Das gilt auch für ein zweites Aggregat, das ausserhalb<br />

des Fabrikgebäudes ausgestellt wird. Ganz anders auf dem Motorprüfstand,<br />

wo der einzige einsatzbereite Bizzarrini-Motor montiert<br />

ist und die Gäste mit lauten Trompetenstössen begrüsst – der Hausherr<br />

trägt Kopfhörer und grinst zufrieden.<br />

Unterdessen fotografieren einige Journalisten draussen den Prototyp.<br />

Wer genau hinsieht, bemerkt die stellenweise schlampige<br />

Verarbeitung – das Auto wurde erst in allerletzter Minute fertig.<br />

Angesichts der futuristischen Optik fällt das aber nur wenigen<br />

auf; allein die mittig längs gefalzte Bugpartie ist spektakulär:<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 027


MOTORMENSCHEN<br />

Beweisfoto: Ein Motor ist drin, er läuft allerdings nicht Spieglein, Spieglein: erster Turin-Auftritt des GTV im November ´63<br />

Da zeigen sich strömungsgünstige Klappen für die ruhenden<br />

Scheibenwischer oder versenkbare Scheinwerfer. Letztere sind<br />

aktuell der letzte Schrei und hier sogar elektrisch bedienbar. Für<br />

Aha-Effekte sorgt auch ein komplett mit Leder ausgeschlagener<br />

Innenraum, der über eine stattliche Instrumentensammlung verfügt.<br />

Lenkrad und Pedale sind justierbar, denn die Sitze können<br />

wegen des direkt dahinter liegenden Tanks kaum bewegt werden.<br />

Über dem befindet sich, zentral angeordnet, eine dritte Sitzgelegenheit.<br />

Die Kabine ist grosszügig verglast, filigrane Dachposten<br />

erlauben ungehinderte Aus- und Einblicke. Das sich<br />

verjüngende, kantige Heck steht im spannungsvollen Kontrast<br />

zum rundlich-breiten Bug; Borrani-Speichenräder, nicht weniger<br />

als sechs Auspuffrohre und weiterer Chromschmuck vervollständigen<br />

das moderne, ja futuristische Erscheinungsbild.<br />

Aufsehen erregen freilich auch die aus Blech geschnittene Unterschrift<br />

des Markeneigners auf der Motorhaube und gleich daneben<br />

das Markenlogo – der angreifende schwarze Stier. Ferruccio<br />

Lamborghini soll übrigens Murciélago als Vorbild gewählt haben:<br />

Dieser kraftvolle Bulle überlebte 1879 trotz 24 Lanzenstössen<br />

den Kampf in der Arena von Córdoba und wurde daraufhin begnadigt.<br />

Beim Ortstermin in Sant’Agata macht die Geschichte<br />

nun ordentlich Eindruck. Sie ist auch ein weiterer publikumswirksamer<br />

Seitenhieb in Richtung Enzo Ferrari, der ja einen schwarzen<br />

Hengst, den Cavallino Rampante, im Firmenwappen führt.<br />

V für Veloce Natürlich hat der exakt 4,5 Meter lange Supersportler<br />

einen ihm eigenen Namen: Der allererste Lamborghini Gran Turismo<br />

heisst 350 GTV, wobei das V für Veloce, also Geschwindigkeit,<br />

steht. Der Patron lässt die Fahrleistungen mit «über 280 km/h» angeben,<br />

was theoretisch möglich, praktisch aber sehr optimistisch ist:<br />

Die Gürtelreifen vom Typ Pirelli Cinturato CN72 entsprechen zwar<br />

dem damaligen Stand der Technik, sind solch extremen Belastungen<br />

jedoch kaum gewachsen. Egal, es kommt auf die Botschaft an, und<br />

sie lautet: Kein Strassenauto ist schneller! Ferruccio Lamborghini hat<br />

es erneut verstanden, für Aufmerksamkeit zu sorgen – sein Traumauto<br />

wird in den kommenden Monaten viele Titelseiten der internationalen<br />

Fachblätter, aber auch der Klatschpresse zieren. Das ist wichtig,<br />

denn beim Namen Lamborghini denken viele nur an Traktoren.<br />

Die solvente Klientel in spe ist also informiert und Lamborghinis<br />

erster Schritt zum elitären Autohersteller damit vollzogen. Bis<br />

zur Auslieferung erster Kundenfahrzeuge ist es allerdings noch<br />

ein weiter Weg: Entgegen den ursprünglichen Plänen wird die<br />

Fabrik nicht im Oktober 1963, sondern erst Mitte des Folgejah-<br />

res fertiggestellt sein. Es ist die erste von unzähligen Verzögerungen<br />

innerhalb der folgenden Markengeschichte, doch das<br />

stört in Sant’Agata niemanden wirklich: Gute Dinge brauchen<br />

eben ihre Zeit.<br />

Unterdessen haben auch andere Interessenten auf der Turin Motor<br />

Show schon wenige Tage später Gelegenheit, den 350 GTV<br />

kennenzulernen. Unter seiner Haube stecken allerdings keine<br />

Ziegelsteine oder Kacheln, wie gelegentlich zu lesen ist, sondern<br />

die Motorattrappe. Der vor einem riesigen Spiegel geparkte Wagen<br />

gehört zu den Messeattraktionen, während sein Styling nicht<br />

bei jedem Betrachter für Entzücken sorgt: Manchem ist die<br />

Linien führung zu schrill; andere empfinden sie als unausgewogen.<br />

Beides hat sicher auch mit damaligen Sehgewohnheiten zu<br />

tun. Schliesslich ist Lamborghini ein Newcomer ohne tradierte<br />

Formensprache, der bewusst in die Zukunft schaut: Hier geht<br />

jemand Risiken ein, anstatt sich auf Altbewährtes zu berufen.<br />

Diese Botschaft verstehen nicht alle, und so handelt es sich beim<br />

350 GTV in den Medien um ein vieldiskutiertes Objekt. Die grossen<br />

Schlagzeilen gehören in diesen Tagen aber dem 35. US-Präsidenten<br />

John F. Kennedy: Er wird am 22. November in Dallas ermordet.<br />

Erst 1964 wird es bei Lamborghini zur Auslieferung erster Kundenautos<br />

kommen. Bis zum Genfer Salon Anfang März muss die<br />

Serienversion fertig sein, fordert der Chef. Der 350 GTV wird allerdings<br />

nicht ernsthaft weiterentwickelt: Das Auto ist inzwischen<br />

fahrbereit, läuft aber schlecht, und den Beteiligten ist klar, dass<br />

man grundlegende Details ändern muss. Bei der nun folgenden<br />

Verwandlung des Prototyps zum Produktionsmodell ist massgeblich<br />

ein Mann beteiligt, den Dallara Ende 1963 ins Team geholt<br />

hat – Rennmechaniker Bob Wallace. Der 25-jährige Neuseeländer<br />

hat Maschinenbau studiert, aber nach drei Jahren<br />

abgebrochen: «Ich musste schliesslich Geld verdienen.» 1959<br />

kam er, angelockt vom Ruhm der Rennställe, nach Italien. Und<br />

obwohl er zunächst überhaupt kein Italienisch sprach, fand der<br />

versierte Schrauber schnell einen Job, arbeitete in den kommenden<br />

Jahren nur für die erfolgreichsten Teams – Maserati, Ferrari,<br />

Camoradi oder die Scuderia Serenissima. Und der wortkarge,<br />

introvertierte Wallace machte seine Sache offenbar ausgezeichnet:<br />

Nach der 1963er-Rennsaison liegen ihm mehrere Angebote<br />

vor, er entscheidet sich aber für die Herausforderung Lamborghini,<br />

kommt nach Sant’Agata und fühlt sich auf Anhieb wohl.<br />

Praktische Erfahrungen Bei der Verbesserung des 350 GTV<br />

ist Wallace’ Input sehr hilfreich, zumal er immer öfter selbst ins<br />

028 VECTURA #7


Auto springt, um die Wirkung der soeben eingebauten Komponenten<br />

zu prüfen. Auf seinen Touren wird er oft von Stanzani begleitet.<br />

Die Erprobung findet auf öffentlichen Landstrassen und<br />

den damals weitgehend leeren Autostrade von Bologna Richtung<br />

Florenz oder Padova statt. Zurück geht es meist über kurvige<br />

Routen, zum Beispiel die von der Mille Miglia bekannte Bergstrecke<br />

Futa-Raticosa. Wallace ist schnell unterwegs und das<br />

«Prova»-Kennzeichen seiner Prototypen sorgt allerorts für Respekt<br />

– auch bei der Polizei, die keine Strafzettel ausfüllt, sondern<br />

lieber den Motor bewundert. Oder mal eine Runde mitfährt. Kurz:<br />

Es sind wunderbare Zeiten für den Sportwagen-Testfahrer, und<br />

bei diesen Vollgastouren erhält der erste Serien-Lamborghini im<br />

Frühjahr 1964 seinen letzten Schliff.<br />

Tatsächlich hat das im März 1964 am Lac Léman gezeigte, 350 GT<br />

genannte Modell mit dem GTV nur noch ansatzweise etwas gemein.<br />

Dallara modifizierte sogar den Motor, der ja nach Ferruccio<br />

Lamborghinis Geschmack viel zu hoch drehte. Der domestizierte<br />

V12 leistet immer noch solide 280 PS bei nunmehr gemässigten<br />

6500 Touren. Der Trockensumpf wich einer Umlaufschmierung<br />

und die Vergaserbatterien sind jetzt nicht mehr aufrecht, sondern<br />

horizontal angeordnet, um sie unter der nun flacheren Motorhaube<br />

unterbringen zu können. Das Fünfganggetriebe kommt von ZF, die<br />

Differentialbremse von Salisbury. Und weil der Rohrrahmen des<br />

GTV an Steifigkeit zu wünschen übrig liess, hat Dallara ihn ebenfalls<br />

überarbeitet: Der neue Kastenrahmen besteht nur noch aus<br />

Kantprofilen. Die Lösung ist nicht nur stabiler und leichter, sondern<br />

kann auch einfacher und folglich kostengünstiger hergestellt werden.<br />

Im Zuge dieser Änderung wächst der Radstand um zehn auf<br />

255 Zentimeter, was die Spurstabilität erhöht sowie grosszügigere<br />

Innenraumverhältnisse erlaubt.<br />

Neue Optik Nach der vielfach geäusserten Designkritik zum GTV<br />

hat sich Ferruccio Lamborghini zudem entschlossen, die 350-GT-<br />

Karosserie komplett neu zeichnen zu lassen. Den Zuschlag erhält<br />

die Traditionsfirma Touring in Mailand, welche auch die Aston-Martin-Modelle<br />

DB4 und DB5 eingekleidet hat: Dort nimmt sich Hausdesigner<br />

Federico Formenti des Autos an. Er wird dabei von Touring-Chef<br />

Carlo Felice Bianchi Anderloni unterstützt, der nicht nur<br />

Unternehmer und Ingenieur, sondern ebenfalls ein talentierter Stylist<br />

ist. Gemeinsam glätten sie die dramatischen Scaglione-Formen;<br />

vom GTV bleiben nur noch wenige Stilelemente wie die überproportional<br />

grosse Windschutzscheibe übrig. Auch die<br />

Klappscheinwerfer verschwinden. Dafür weisen «Superleggera»-<br />

Embleme an den seitlichen Kanten der Motorhaube auf die kunstvoll<br />

verarbeitete Aluminiumkarosserie hin – Ferruccio Lamborghini<br />

hat darauf bestanden. Die Milanesen wissen, wie man elegante<br />

Autos gestaltet: Das Ergebnis ist trotz Zeitdruck stimmig und verströmt<br />

nun jenen unmissverständlichen Glamour, der bei den<br />

Schönen und Reichen Begehrlichkeiten auslöst.<br />

Auch innen hat sich etwas getan, wirkt das Auto wohnlicher,<br />

luxuriöser, noch besser verarbeitet. Aus dem prototypischen<br />

350 GTV ist in wenigen Monaten ein ernstzunehmender Luxussportwagen<br />

geworden, der mit 1250 kg allerdings auch an Gewicht<br />

zugelegt hat. Die gewachsenen Proportionen haben ihren<br />

Anteil daran, aber auch die aufwendige Isolierung der Kabine. Alles<br />

wirkt wohldurchdacht, und erste Kunden zücken schon mal ihre<br />

Scheckbücher, zumal ein früher Kauf viel Exklusivität verspricht:<br />

Im ersten Produktionsjahr werden nur einige Dutzend Exemplare<br />

verfügbar sein, lässt Lamborghinis neuer Verkaufsdirektor Ubaldo<br />

Sgarzi wissen, der im Frühjahr 1963 zum Team gestossen ist.<br />

Der erste Kunden-GT mit der Fahrgestellnummer 5 geht im<br />

Brandgefährlich? Heiss ist der erste, ab 1964 gebaute Serien-Lambo namens 350 GT auf jeden Fall<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 029


MOTORMENSCHEN<br />

Mangiare in Nonantola: Ferruccio mit 350 GT und Gästen. Im Hintergrund parken Alfa und Ferrari<br />

August 1964 an den britischen Sportwagen-Fan und Ferruccio-<br />

Bekannten C.R.A. Grant, der sehnsüchtig darauf wartet und das<br />

Auto schon auf dem Genfer Salon angezahlt hat.<br />

Preislich entspricht der 350 GT einem Maserati 3500 GT oder<br />

dem gleichfalls neuen Ferrari 275 GTB, liegt also gleich auf Top-<br />

Niveau, damit hier nicht irgendwelche Missverständnisse aufkommen.<br />

Tatsächlich wird es aber noch ein halbes Jahr dauern,<br />

bis die endgültige Version in Paris debütiert und erste Serienfahrzeuge<br />

ausgeliefert werden können. Doch sie sind erst die Ouvertüre<br />

zu einer Vollgas-Oper, welche die Sportwagenwelt im Sturm<br />

erobern wird.<br />

Tutto completo: Das 350-GT-Cockpit ist feudal bestückt<br />

Mehr zum Thema<br />

Dieser Text ist der Vorab-Auszug einer umfangreichen Lambo -<br />

r ghini-Chronik, die sechs Jahre Recherche in Anspruch nahm<br />

und demnächst erscheint. Der Autor bedankt sich bei Tonino<br />

Lamborghini für die freundliche Bereitstellung von Familienfotos.<br />

030 VECTURA #7


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Fahrtermin<br />

Der kleine Löwe kann<br />

auch beissen<br />

Nach 18 Jahren Pause baut Peugeot wieder einen Kleinwagen mit dem Kürzel<br />

GTI. Der bezieht sich auf seinen Urahnen, bevorzugt aber eher leise Töne<br />

Text Stefan Lüscher · Fotos Ian G.C. White<br />

Das Revival des GTI ist für Peugeot eine grosse Sache.<br />

Zwar gibt es seit zwei Jahren auch einen 308 GTI.<br />

Doch mit der zum Vorgänger deutlich schlankeren und<br />

um bis zu 170 kg abgespeckten 208-Generation will man direkt<br />

an jene glorreichen Zeiten anknüpfen, in denen rebellische, ein<br />

bisschen halbstarke GTIs noch richtig cool waren. Heute ist diese<br />

Fahrzeuggattung politisch unkorrekt und nur noch als Objekt<br />

geheimer Begierden zu begreifen. Also musste das GTI-Konzept<br />

in die Moderne transferiert und entsprechend adaptiert<br />

werden – nicht zuletzt wegen der starken Konkurrenz von<br />

VW Polo GTI, Renault Clio R.S. oder Ford Fiesta RS.<br />

Kultiviert, komfortabel, alltagstauglich und umweltverträglich – das<br />

waren Begriffe, die fett im Pflichtenheft der französischen Entwickler<br />

standen. Die Techniker haben den diffizilen Spagat jedoch gut<br />

umgesetzt, ohne die eigentlichen GTI-Tugenden allzu sehr zu verbiegen.<br />

Okay, ein Rebell und Krawallbruder ist der neue GTI in<br />

keinster Weise. Aber das ist auch gut so; die Zeiten haben sich halt<br />

verändert. Und in der Rückblende sieht man ohnehin alles ein bisschen<br />

verklärt. Fakt ist, dass der neue Peugeot 208 GTI alles deutlich<br />

besser kann als der legendäre 205 GTI – die Generationen 206<br />

und 207 hat es nie in dieser legendären Sportversion gegeben.<br />

Der 208 GTI fährt sich wunderbar agil, effizient und leichtfüssig.<br />

Sein 1,6-Liter-Turbomotor, der aus der Kooperation mit BMW und<br />

Mini stammt, verfügt über ein breitangelegtes, gutes Drehmoment<br />

von 275 Nm bei tiefen 1700/min, auch wenn er nicht mehr<br />

so spontan am Gas hängt wie ein Sauger. Mit 200 PS an der<br />

Kette verfügt er über klassenübliches Temperament. Und das<br />

reicht, um dem 1235 kg schweren Kompaktsportler zu souveränen<br />

Fahrleistungen zu verhelfen, ohne dass man dabei – wie früher<br />

– stets in hohen Drehzahlen verweilen muss. So lassen sich<br />

auch umweltgerechte und finanzierbare Verbrauchs werte erzielen.<br />

Der Normwert des Werkes von 5,9 l/100 km dürfte allerdings<br />

Wunschdenken bleiben: Bei rasanten Passfahrten fliessen<br />

schon mal zweistellige Mengen durch die Einspritzdüsen.<br />

Im alltäglichen Pendler- und Freizeitverkehr begnügt sich der<br />

208 GTI aber mit moderaten sieben Liter auf 100 Kilometer.<br />

Wirklich enttäuschend ist eigentlich nur der Sound, aber auch<br />

hier gehen die Franzosen mit der Zeit. Bei niederen Drehzahlen,<br />

wie sie im Alltag vorherrschen, ist der GTI ein Flüsterer und<br />

akus tisch völlig unauffällig. Beim vollen Beschleunigen begleitet<br />

ihn nur ein verstecktes Turbopfeifen. Erst bei hohen Drehzahlen<br />

meldet sich der Kleine recht brummig zu Wort, ist aber nie Kandidat<br />

für einen Klangwettbewerb.<br />

Mit dem Fahrwerk wird man für die mangelnde Klang-Darbietung<br />

entschädigt. Auf den traditionellen französischen Komfort wollte<br />

man bei Peugeot zwar nicht verzichten – schliesslich stehen beim<br />

neuen 208 GTI auch Damen und ältere Herrschaften auf der Kundenwunschliste.<br />

Dem höchst agilen Kurvenverhalten tut dies<br />

aber keinen Abbruch: Präzise und sehr direkt kniet sich der<br />

032 VECTURA #7


Fahrtermin<br />

Wagen in schnell gefahrene Kurven. Dabei bleibt er stets sehr<br />

berechenbar und leicht untersteuernd, wie es Fronttrieblern zu<br />

eigen ist. Die Traktion aus engen Kurven ist auch mit ausgeschaltetem<br />

ESP gut, das haben die Ingenieure im Griff.<br />

Zum positiven Fahrerlebnis trägt auch das manuelle Sechsganggetriebe<br />

bei; es ist gut abgestuft und lässt sich knackig schalten.<br />

Auch wenn automatische Doppelkupplungsgetriebe derzeit<br />

gross in Mode sind, hat man mit dem guten alten Schaltknüppel<br />

noch immer Trümpfe in der Hand. Hier ist sportliches Fahren<br />

noch echte Arbeit, und das macht Vergnügen. Ein GTI mit Getriebeautomatik<br />

geht unserer Meinung nach gar nicht, aber da scheiden<br />

sich die Geister.<br />

Der 208 GTI präsentiert sich auch optisch der Zeit angepasst.<br />

Auffällige Änderungen oder pubertäres Spoilerwerk sucht man<br />

vergebens. Aussen wie innen tritt der neue 208 GTI chic, edel<br />

und erstaunlich zurückhaltend auf. Man entdeckt sparsam platzierte<br />

GTI-Embleme, eine dezente Lippe über dem hinteren Fensterrahmen,<br />

attraktive Alufelgen und optisch betonte Bremszangen<br />

in Rot. Spezielle Aluräder finden unter dezent verbreiterten<br />

Radhäusern Platz. Innen gibt es diverse rote Blenden, doppelt rot<br />

abgesteppte Nähte, hübsche Alupedalen samt Fussstütze und<br />

etwas sportlichere Armaturen. Das Lenkrad ist leicht abgeflacht<br />

und fast oval, aber das stört nicht. Als kleine Extravaganz verfügt<br />

es an seiner Oberkante über die im Rallyesport gebräuchliche<br />

Nullstellungsmarkierung.<br />

Sehr speziell ist dagegen der geringe Durchmesser des Lenkrads,<br />

mit dem der agile Fahreindruck unterstrichen wird. Aber<br />

das ist ohnehin eine Eigenart aller 208. Dank Längs- und Höhenverstellung<br />

liegt das Volant griffgünstig und ergonomisch<br />

korrekt. Die Anzeigenelemente sind unkonventionell alle oberhalb<br />

platziert, und zwar nicht riesig, durch ihre Position aber<br />

schon nach kurzer Eingewöhnungszeit sehr gut ablesbar. Nicht<br />

vergessen darf man die sportlich ausgeformten GTI-Sitze: Mit<br />

dicken Seitenwülsten bieten sie auch bei raschem Kurvenwechsel<br />

ausgezeichneten Seitenhalt und laden ohnehin zum Wohlfühlen<br />

ein.<br />

Im GTI-Land Schweiz dürfte der kleine Power-208 schon bald<br />

eine grosse Fangemeinde finden. Ihn wie sein Vorgänger als<br />

Rennsemmel zu bezeichnen, wäre jedoch despektierlich. Dazu<br />

ist der neue Löwe zu raffiniert und erwachsen. Und bei allem<br />

Sportgeist, der den Vorgänger in jeder Disziplin um Längen überflügelt,<br />

auch viel zu alltagstauglich.<br />

Mehr zum Thema<br />

Technische Daten Peugeot 208 GTI<br />

Konzept Neuauflage des Sport-Gedankens auf Basis des 208. Dreitüriger,<br />

leichter Kompaktwagen mit selbsttragender Karosserie<br />

und fünf Sitzplätzen. Dreieckquerlenker vorn, Verbundlenkerachse<br />

hinten, Scheibenbremsen rundum. Manuelles Sechsganggetriebe,<br />

Vorderradantrieb<br />

Motor<br />

Code EP 6 CDTX. Quer eingebauter Reihenvierzylinder-Benziner<br />

mit zwei oben liegenden Nockenwellen (Kettenantrieb)<br />

und variabler Ventilsteuerung (Bi-Vanos), vier Ventile pro Zylinder,<br />

fünffach gelagerte Kurbelwelle, Direkteinspritzung, Turbolader<br />

und Intercooler<br />

Hubraum in cm 3<br />

Bohrung x Hub in mm<br />

Verdichtung<br />

Leistung in PS/kW @ U/min<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min<br />

Kraftübertragung<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm<br />

Radstand in cm<br />

Spur vorne/hinten in cm<br />

Reifen und Räder<br />

Tankinhalt in L<br />

Kofferraumvolumen in L<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg<br />

Leistungsgewicht in kg/PS<br />

0 – 100 km/h in Sek.<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km<br />

CO 2 -Emission in g/km<br />

Energieeffizienzkategorie<br />

Preis ab CHF<br />

1598<br />

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200 (147) @ 5800<br />

275 Nm @ 1700<br />

M6<br />

397 /174 /146<br />

254<br />

148/148,5<br />

215/45 R 17 auf 7,0 J<br />

50<br />

285–1076<br />

1235<br />

1650<br />

6,2<br />

6,8<br />

230<br />

5,9<br />

<strong>13</strong>9<br />

D<br />

30 900.–<br />

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

034 VECTURA #7


Peugeot im Motorsport Der 208 GTI zelebriert Sportlichkeit<br />

auch auf der Rennstrecke. Die GTI Experience war ein gross angelegtes<br />

Programm. Acht in einem aufwendigen Casting rekrutierte<br />

Rennfahrer aus acht Ländern wurden auserkoren, zwei<br />

rennmässig aufgemotzte 208 GTI beim legendären 24h-Rennen<br />

auf dem Nürburgring möglichst erfolgreich durch die Grüne Hölle<br />

zu scheuchen. Dazu kam ein dritter 208 GTI, der von vier Profipiloten<br />

bewegt wurde. Am Ende fuhr das mit dem Schweizer Johnny<br />

Niederhauser besetzte Fahrzeug in der Grünen Hölle als Klassensieger<br />

auf dem 32. Gesamtrang durchs Ziel.<br />

Dreifach-Start am Nürburgring: seriennaher 208 GTI<br />

Als Krönung des Programms baut Peugeot Sport für den neunfachen<br />

Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb einen Über-GTI namens<br />

T16, der mit Mittelmotor, Allradantrieb, einem 875 PS leistenden<br />

V6-Biturbo und 875 Kilo Leergewicht antritt. Das ist selbst für den<br />

in Basel lebenden Rallye-Superstar ein Highlight. Damit will er am<br />

30. Juni das seit 1916 ausgetragene, berühmte Bergrennen zu<br />

den Wolken gewinnen, den Pikes Peak: Nach über 20 Kilometer<br />

Distanz befindet sich dessen Ziel auf 4301 Meter über Meer. Sollte<br />

Loeb dieser Triumph gelingen, wäre der Kreis zum einstigen<br />

205 GTI definitiv geschlossen. Peugeot bestritt das einzigartige<br />

Rennen in Colorado schon 1987 mit einem 205 T16 und wurde<br />

Zweiter. 1988 gewann der finnische Rallye-Weltmeister Ari Vatanen<br />

mit einem Gruppe-B-Peugeot 405 T16. Vatanen musste sich<br />

noch mit 520 PS begnügen, doch dafür hatte sein aufgemotztes<br />

Rallyefahrzeug monströse Flügel. Und damals bestand die inzwischen<br />

asphaltierte Strecke noch aus feinstem Schotter. sl<br />

Kampagne: Sergio Cellano 1/2<br />

Sujet: Sergio Cellano<br />

Titel:<br />

VECTURA<br />

Sprache: deutsch<br />

Format: 210 x 148 mm<br />

Farben: 4farb Euroskala, Zeitung<br />

Knapp 900 PS stark: Über-208 für Rallye-Ass Sébastien Loeb<br />

Urahn und Zweiter am Pikes Peak: 205 T16 anno 1987<br />

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Eine Generation später<br />

darf gratuliert werden<br />

Der Peugeot 205 GTI wurde 1983 vorgestellt. Er war Frankreichs Antwort<br />

auf den VW Golf GTI, setzte mit kompakteren Dimensionen und<br />

ansprechendem Design aber eigene Akzente. Im Frühjahr 1984 fuhr<br />

VECTURA-Autor Stefan Lüscher die damals nagelneue<br />

Kleinwagen-Rakete – hier ist sein bald 30 Jahre alter Fahrbericht<br />

Fotos Werk<br />

Mit dem neuen Peugeot 205 bewegt sich der PSA-<br />

Konzern auf deutlichem Erfolgskurs. Allein in<br />

Frankreich wurden innerhalb eines Jahres 110 000<br />

Fahrzeuge immatrikuliert. In der Schweiz gingen im vergangenen<br />

Jahr 4400 Bestellungen ein, wobei das Modell 205 GT mit<br />

einem Anteil von 56% klar an der Spitze liegt. Auf dem Genfer<br />

Automobilsalon stellten die Franzosen eine neue, leistungsstarke<br />

GTI-Version vor, die von einem 1,6-Liter-Einspritzaggregat<br />

angetrieben wird. Wir fuhren den neuen Golf-GTI-Gegner<br />

in Südspanien.<br />

Von aussen unterscheidet sich der schnelle Peugeot von seinen<br />

schwächeren Artgenossen durch eine dezent sportliche Aufmachung,<br />

die beispielsweise einen neuen Frontspoiler mit integrierten<br />

Nebenscheinwerfern, einen geänderten Heckspoiler und neu<br />

geformte 14-Zoll-Leichtmetallfelgen umfasst. Dank diesen Karosseriemodifikationen<br />

weist der nur dreitürig lieferbare GTI einen<br />

geringfügig besseren Luftwiderstandsbeiwert auf als die fünftürige<br />

Variante (cW 0,34 statt 0,35). Bei praktisch unveränderten<br />

Aus senmassen (die Karosse wurde lediglich um 12 mm tiefer<br />

gesetzt) entspricht das Platzangebot im Innenraum dem des<br />

Fünftürers.<br />

Trotz etwas grösser dimensionierten vorderen Sportsitzen, die<br />

übrigens sehr bequem sind, ausgezeichneten Seitenhalt vermitteln<br />

und dank der stufenlos regulierbaren Rücklehne eine ideale<br />

Position hinter dem griffigen Zweispeichenlenkrad erlauben, bietet<br />

auch das Fondabteil genügend Raum. Knie- und Kopffreiheiten<br />

reichen jedenfalls aus, um zwei 1,8 Meter grosse Passagiere<br />

bequem unterzubringen. Zudem wird der Zugang ins Fondabteil<br />

durch einen ausgeklügelten Mechanismus erheblich erleichtert:<br />

Der ganze Sitz lässt sich mühelos nach vorne klappen (Spiralfeder),<br />

ohne dass sich die Sitzverstellung dadurch verändert. Die<br />

zwei hinteren Ausstellfenster sorgen vor allem im Sommer für willkommene<br />

Abkühlung.<br />

Die neu gestaltete Armaturentafel mit zwei grossen, gut ablesbaren<br />

Rundinstrumenten für Geschwindigkeit und Drehzahl wurde<br />

036 VECTURA #7


RÜCKSPIEGEL<br />

zusätzlich durch drei Anzeigen erweitert, die Auskunft über Öltemperatur<br />

und -druck sowie die Wassertemperatur geben. Zwei<br />

Lenksäulenhebel für Licht, Hupe, Scheibenwischer vorne und<br />

hinten weisen nach wie vor ein umständliches Bedienungsschema<br />

auf, auch die nicht optimalen Schieberegler der Heiz- und<br />

Lüftungsanlage wurden unverändert vom Basismodell übernommen.<br />

Für eine sportliche und zugleich moderne Atmosphäre im<br />

komplett ausgestatteten GTI-Interieur sorgen rote Bodenteppiche<br />

und Türverkleidungen.<br />

Das Kernstück des neuen Peugeot ist natürlich sein 1,6-Liter-<br />

Triebwerk, das bei 6250/min eine Leistung von 105 PS abgibt. Als<br />

Basismotor diente das bekannte XU-5S-Aggregat, das beispielsweise<br />

im Peugeot 305 GT oder im Citroën BX 16 Verwendung<br />

findet. Bei der GTI-Version wird die Gemischaufbereitung allerdings<br />

nicht von einem Weber-Doppelvergaser übernommen,<br />

sondern von einer Einspritzanlage (Bosch L-Jetronic) mit<br />

Schubabschaltung. Zudem wurde die Verdichtung von 9,5:1 auf<br />

10,2:1 erhöht. Die quer eingebaute Leichtmetallmaschine gibt<br />

jetzt bei 4000/min ein maximales Drehmoment von <strong>13</strong>2 Nm ab.<br />

Begeisterndes Temperament Dass der 205 GTI gegenüber<br />

dem 205 GT um 33 PS erstarkt ist, macht sich im Fahrbetrieb<br />

unmissverständlich bemerkbar. Der Einspritzer gefällt vor allem<br />

mit gutem Temperament und spontaner Gasannahme und lässt<br />

in Kombination mit einem sehr kurz abgestuften und angenehm<br />

leichtgängigen Fünfganggetriebe ohne weiteres auch eine schaltfaule<br />

Fahrweise zu. So können Autobahnsteigungen locker in der<br />

fünften Fahrstufe bewältigt werden, und auch bei Tempo 50 innerorts<br />

kann der oberste Gang drinbleiben. Besonders spritzig<br />

ist der PSA-Motor jedoch vor allem zwischen 3500 und 6250<br />

Umdrehungen (Nennleistung). Überzeugend sind dabei die<br />

gleichmässige Kraftentfaltung und die quirlige Drehfreudigkeit<br />

des 1600ers, der ohne weiteres auch Drehzahlen von 6500/min<br />

verkraftet, bevor aus Sicherheitsgründen die Benzinzufuhr unterbrochen<br />

wird (Drehzahlbegrenzer).<br />

Trotz des zwangsläufig hohen Drehzahlniveaus herrscht im Innenraum<br />

des GTI erstaunliche Ruhe, und das auch bei äusserst<br />

zügigen Autobahnausflügen nahe der Höchstgeschwindigkeit<br />

(Spitze im fünften Gang bei 6320/min). Auf Grund des temperamentvollen<br />

1,6-Liters und des niedrigen Leergewichts von 850 kg<br />

– das Leistungsgewicht beträgt 8,09 kg/PS – können die Werkangaben<br />

von 9,5 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h<br />

und die Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h als durchaus realistisch<br />

bezeichnet werden.<br />

Auch Kupplung, Bremsen und Fahrwerk mussten der höheren<br />

Leistung entsprechend angepasst werden. So wurden bei der<br />

McPherson-Vorderradaufhängung die Befestigungspunkte verstärkt<br />

und ein dickerer Stabilisator gewählt, während die Federbeineinheit<br />

eine geänderte Feder-Dämpferkennung erhielt. Auch<br />

die hintere Verbundlenkerachse mit Längslenkern, Drehstabfederung<br />

und Stabilisator wurde der höheren Belastung angepasst.<br />

Für optimale Verzögerung sorgen beim GTI-Modell vorne innenbelüftete<br />

Scheiben und grössere 7-Zoll-Trommeln hinten.<br />

Optimales Fahrverhalten Bekanntlich wartet bereits die<br />

GT-Version mit einem konkurrenzlos sicheren und viel Freude<br />

vermittelnden Fahrverhalten auf, was gleichermassen auch auf<br />

den Peugeot 205 GTI zutrifft. Trotz der etwas härteren Fahrwerksabstimmung<br />

schluckt der kleine Franzose Bodenunebenheiten<br />

in bemerkenswert souveräner Art und verschont die Insassen<br />

auch beim Überfahren von kurzen Wellen vor harten Stössen.<br />

Der auf 185/60-HR-Reifen rollende Fronttriebler lässt sehr hohe<br />

Kurvengeschwindigkeiten zu, bleibt in einem hohen Mass spurtreu<br />

und lenkpräzis und legt erst im weit oben angesiedelten Grenzbereich<br />

ein dezentes Untersteuern an den Tag. Selbst in extremen<br />

Wechselkurven treten keine tückischen Lastwechselreaktionen<br />

auf; der GTI quittiert allfälliges Gaswegnehmen höchstens mit einem<br />

sanften, leicht beherrschbaren Ausdrehen des Hecks.<br />

Die vorbildliche Handlichkeit ist unter anderem auch der leichtgängigen<br />

und sehr exakt arbeitenden Lenkung zuzuschreiben.<br />

Der wendige Kurvenkünstler bietet deshalb vor allem auf engen,<br />

winkligen Berg- oder Landstrassen enorm viel Fahrspass. Ein sicheres<br />

Bremsverhalten garantiert schliesslich die modifizierte<br />

Bremsanlage, die sich angenehm dosieren lässt und auch harte<br />

Belastungen anstandslos verdaut.<br />

Der in der Schweiz leider erst ab September 1984 erhältliche<br />

Peugeot 205 GTI wird in vier verschiedenen Farben angeboten<br />

(Weiss, Schwarz, Hell- und Dunkelgrau metallisiert). Aufpreispflichtig<br />

sind Metallic-Farben, elektrische Fensterheber und die<br />

Zentralverriegelung. Der Preis war bei Redaktionsschluss noch<br />

nicht bekannt, er soll jedoch unter 18 000 Franken liegen, was<br />

den kleinen Franzosen noch sympathischer macht.<br />

Erfolgsmodell: Wer in den 1980ern in der Stadt lebte und gerne flott<br />

unterwegs war, fuhr 205 GTI – bis 1995 entstanden über 330 000 Exemplare.<br />

1986 brachte Peugeot den zunächst gleich starken, aber<br />

elastischeren 1.9-L-Motor, der später bis zu 128 PS abgab. Das Hardcore-Modell<br />

war eine Homologationsserie für den Rallyesport, kam<br />

bereits 1983, nannte sich T16 (Foto oben) und verfügte wie schon der<br />

selige Renault 5 Turbo (1980–86) über einen Mittelmotor, der im<br />

Peugeot 200 PS abgab. 200 Exemplare entstanden, die heute – falls<br />

überhaupt angeboten – teuer gehandelt werden<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 037


RUBRIKEN<br />

spanische liebesgeschichten<br />

story hubertus hoslin • Fotos Ian G.C. White<br />

Cristina ist verzweifelt: die Gitarristin ihrer Band «Alegres Lloronas» hat heftigen herzenskummer<br />

– und sich vor lauter GRam in der Wüste versteckt. Jetzt ist die Tournee in gefahr – schon<br />

heute Abend müssen sie auftreten. Da schmiedet die Sängerin einen verwegenen Plan, und das, obwohl<br />

sie neulich ihren Fahrausweis abgeben musste. Denn eines ist klar: Ohne Auto geht es nicht…<br />

Oh wie furchtbar!<br />

Die arme<br />

arme Vicky…<br />

040 VECTURA #7


Rückblende: Am vorherigen<br />

Abend, in einer schäbigen<br />

Pension downtown almería…<br />

RUBRIKEN<br />

Schluchz – Eldys hat mich verlassen, angeblich für<br />

eine Dolores. Und per SMS mit mir Schluss gemacht<br />

– von einem neuen Handy aus! Da stimmt<br />

doch etwas nicht! Heul!<br />

So ein<br />

mieser Typ!<br />

Vergiss ihn, Vicky,<br />

du wirst schnell<br />

einen anderen<br />

finden<br />

Aber ich will gar keinen anderen,<br />

Cri – ich will Eldys! Doch er geht nicht<br />

ans Telefon, sondern drückt weg,<br />

wenn ich anrufe. Schnief…<br />

Und jetzt sitzen wir hier, mitten in der<br />

Wüste. Komm´ mit zurück – wir müssen<br />

Nachher auftreten, sonst können wir<br />

nicht mal mehr den Bus nach<br />

Hause bezahlen…<br />

Ich will mich nur<br />

verkriechen, Cri.<br />

Wo sind wir hier<br />

überhaupt?<br />

Warte hier<br />

auf mich: Bis<br />

zum Abend bin<br />

ich wieder da!<br />

In der nähe von<br />

Tabernas, wo viele<br />

Spagetti-Western<br />

gedreht wurden.<br />

Clint Eastwood,<br />

Yul Brynner, Charles<br />

Bronson, Henry Fonda<br />

– die waren alle<br />

schon mal hier.<br />

Na wenn<br />

schon, das<br />

interessiert<br />

mich nicht.<br />

Ich will nur<br />

Eldys!<br />

Cristina muss jetzt handeln, sonst<br />

ist alles im Eimer. Sie lässt Vicky in<br />

der Einöde zurück und läuft zur Autobahn,<br />

um per Anhalter die Stadt zu<br />

erreichen: Nochmal 20 Kilometer laufen<br />

kommt nicht in Frage…<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 041


RUBRIKEN<br />

Eldys arbeitet als Verkäufer beim lokalen<br />

Seat-Händler. Cri ist er noch nie begegnet.<br />

Aber er wird sie gleich kennenlernen…<br />

Hola, sind Sie Eldys? Ich möchte gerne<br />

den neuen Leon probefahren, und<br />

zwar jetzt sofort. Geht das?<br />

Hm, warum nicht? Ich mag schnell entschlossene<br />

Damen. Wie wäre es mit dem<br />

neuen dreitürer sc in der Topversion<br />

FR – 180 PS, 224 Sachen Spitze, aber nur<br />

5,7 Liter Durchschnittsverbrauch…<br />

Normalerweise schon, aber<br />

ich vertraue Ihnen und mache<br />

deshalb eine Ausnahme. Das<br />

hier ist aber der Fünftürer;<br />

das Coupé steht draussen…<br />

042 VECTURA #7<br />

Jaja, ist gut.<br />

Brauchen Sie meinen<br />

Führerschein?<br />

Den habe ich nämlich<br />

vergessen…


RUBRIKEN<br />

Bitte anschnallen!<br />

Darf ich Ihnen noch<br />

etwa erklären?<br />

Während Cri und Eldys<br />

losfahren, werden sie<br />

aus sicherer Entfernung<br />

beobachtet…<br />

Danke nein:<br />

Mit sportlichen<br />

Autos kenne ich<br />

mich aus, ähem…<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 043


RUBRIKEN<br />

Wow, mit DSG-Getriebe –<br />

der geht ja richtig gut ab!<br />

Wie lange können wir<br />

Etwa eine unterwegs sein?<br />

Stunde, dann<br />

habe ich den nächsten<br />

Kundentermin<br />

Nein, erst Das sollte reichen. Arbeiten Sie schon<br />

seit letzter<br />

lange bei Seat?<br />

Woche. Ich brauchte<br />

einen Tapetenwechsel –<br />

meine Freundin hat sich<br />

von mir getrennt…<br />

Was ist den passiert?<br />

Ach, erst schwor sie mir<br />

ewige Liebe, dann zog sie<br />

mit einem anderen los.<br />

Aber ich möchte nicht<br />

weiter darüber sprechen…<br />

was für<br />

ein dreister<br />

lügner!<br />

Entschuldigen<br />

Sie die Frage. Würde<br />

es Ihnen etwas<br />

ausmachen, wenn wir<br />

eine Bekannte von<br />

mir in die Stadt<br />

mitnehmen?<br />

044 VECTURA #7<br />

Sicher, wenn es<br />

kein allzu grosser<br />

Umweg ist…


Unten am Strand von Almería wird Cristina<br />

bereits sehnsüchtig von ihrer nervösen<br />

Drummerin Elisenda erwartet, die bereits<br />

in den Plan eingeweiht ist<br />

Hör auf zu sabbern, Pepe!<br />

Hola, Leute: Könnt<br />

ihr mir sagen, wieviel<br />

Uhr es ist?<br />

Puh,<br />

wo bleibt<br />

nur Cri? Ich hänge<br />

hier schon den<br />

halben Tag<br />

rum…<br />

sabber<br />

claro, es ist fünf minuten<br />

nach vorhin!<br />

Was denn,<br />

schon so spät?<br />

Claro, es ist<br />

fünf Minuten<br />

nach vorhin!


Hi Eli, da bin ich!<br />

Cristina bittet Eldys, das schwere Gepäck<br />

einzuladen. Währenddessen sprechen<br />

sich die Ladies ab und…<br />

Endlich, Cri! Ich<br />

hatte mir schon<br />

Sorgen gemacht…<br />

wroom<br />

What the<br />

f... ?!<br />

ächz<br />

Rein mit dir!<br />

046 VECTURA #7


RUBRIKEN<br />

Gut gemacht, Cri!<br />

Damit hat er wohl nicht<br />

gerechnet, was? Und sein<br />

Handy liegt hier in der<br />

Mittelkonsole!<br />

Hahaha, Vicky<br />

wird Augen<br />

machen!<br />

dann geht es mit Vollgas Richtung Norden<br />

– die Zeit drängt<br />

Lasst mich<br />

sofort hier<br />

raus!<br />

Nach zehn<br />

Minuten sind<br />

die Berge<br />

erreicht<br />

Wie weit ist es<br />

noch? Beeil dich: In<br />

zwei Stunden sollen<br />

wir auf der Bühne<br />

stehen.<br />

Das schaffen wir.<br />

Ist ja ein schneller<br />

Wagen. Hauptsache,<br />

die Polizei hält uns<br />

nicht auf…<br />

HILFE!<br />

Warum hört mich<br />

denn niemand?<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 047


Cri lenkt den Leon auf ein Hochplateau und stoppt<br />

@<br />

So, dann wollen<br />

wir doch mal hören, was<br />

Eldys zu seiner Verteidigung<br />

vorzubringen hat<br />

Warte,<br />

ich helfe dir<br />

Ihr hühner!<br />

Was habt ihr<br />

euch eigentlich<br />

dabei gedacht?!<br />

Beruhige dich,<br />

Eldys. Hier ist<br />

jemand, der mit<br />

dir sprechen will…<br />

Sachte,<br />

sachte...


Aber – die SMS,<br />

die neue Nummer<br />

– ich verstehe<br />

gar nichts<br />

mehr!<br />

Eldys,<br />

warum Hast du<br />

mir das mit Dolores<br />

angetan? Und bist du<br />

wirklich zu feige, um<br />

ans Telefon zu gehen?<br />

Vicky… Was machst<br />

du hier? Ich dachte, du<br />

bist nach Mexiko ausgewandert…<br />

Und wer<br />

bitte ist Dolores?<br />

Niemals! Ich will<br />

ohne dich nicht<br />

leben!<br />

Ich habe keine SMS<br />

geschrieben und auch<br />

kein neues Telefon. DU<br />

hast doch getextet,<br />

dass du mich nie<br />

wiedersehen willst…<br />

Während der Aussprache nähert<br />

sich der geheimnisvolle Fremde<br />

Du hast mit auch<br />

gefehlt, Hasi! Aber<br />

wer hat uns da so<br />

übel mitgespielt?


RUBRIKEN<br />

Aber das ist doch…<br />

…Papa!<br />

Was sucht<br />

der denn<br />

hier?<br />

Ja, ich bins! Und<br />

muss euch wohl<br />

etwas erklären!<br />

Vicky, mein ein und alles<br />

– Eldys ist ein Idiot. Ich<br />

wollte dich mit dieser<br />

kleinen Intrige doch nur<br />

vor ihm schützen<br />

Papa, du VollIdiot.<br />

Ich bin kein Kind<br />

mehr! Und ich<br />

liebe Eldys!<br />

Na wenn das so ist.<br />

Schade, jetzt wirst<br />

du dein Studium<br />

nicht abschliessen…<br />

Verzeih mir bitte!<br />

Ach Papa, wir wollen<br />

doch Berühmt werden. Aber<br />

ich vergebe dir. Hast du<br />

heute Abend schon<br />

was vor?<br />

... wer bügelt<br />

jetzt meine<br />

hemden?<br />

050 VECTURA #7


Showdown im<br />

Sala el Chaman<br />

zwischen Almería<br />

und Las Negras: Die<br />

Alegres Lloronas<br />

haben es gerade<br />

noch rechtzeitig<br />

zum Privat-Gig<br />

geschafft;<br />

der Saal tobt.<br />

Eldys ist wieder<br />

bestens gelaunt –<br />

und weil er auch<br />

ein guter Bassist<br />

ist, unterstützt<br />

er die Mädels<br />

Und während<br />

sie dem Publikum<br />

einheizen, greift<br />

sich vickys Papa<br />

die Autoschlüssel<br />

und verschwindet<br />

mit Karacho über<br />

leere landstrassen<br />

in die Nacht…<br />

yeah!<br />

Mehr zum Thema<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 051


Zwei Elfer-Generationen – und dazwischen<br />

50 Jahre: Ur-911 neben einem aktuellen 991<br />

Elfer ist nicht gleich Elfer<br />

Die Porsche-typologie ist vielschichtig und variantenreich.<br />

VECTURA kredenzt eine kleine Typenkunde zum Jubiläum<br />

Text Clauspeter Becker/map · Fotos Werk<br />

Wenn am 12. September die IAA in Frankfurt ihre Tore<br />

öffnet, darf der Porsche 911 seinen 50. Geburtstag<br />

feiern und aller Welt beweisen, dass rassereine<br />

Sportwagen im Laufe der Jahrzehnte auch ohne ihren Stil zu<br />

verändern sowohl jünger als auch dynamischer werden können.<br />

Dass der 356-Nachfolger bei seiner Vorstellung im Herbst 1963<br />

gemäss der fortlaufenden Porsche-Entwicklungscodierung zunächst<br />

901 genannt wurde, ist hinreichend bekannt. Und auch<br />

der Einspruch mit Peugeot – die Franzosen pochten erfolgreich<br />

auf die geschützte Null in der Mitte ihrer stets dreistelligen Typenbezeichnungen<br />

– wurde bereits ausgiebig erörtert. Deshalb an<br />

dieser Stelle nur so viel: Danke, Peugeot! Denn was würden Porsche-Piloten<br />

wohl heute antworten, wenn man sie nach ihrem<br />

Auto fragte? «Ich fahre einen Neunhunderteins» oder «… einen<br />

Null-Einser?» Klingt beides recht unspannend. Die liebe- bis respektvolle<br />

Abkürzung «Elfer», die sich rasch einbürgern sollte, hat<br />

dem Auto ganz sicher nicht geschadet. Ganz abgesehen davon,<br />

dass nur wenige 911-Besitzer mit einem Peugeot-Eigner verwechselt<br />

werden möchten…<br />

Neben dem Rufnamen trotzt auch das 911-Design bis heute jeder<br />

Anfechtung. Ganz offensichtlich mit der Begabung seines<br />

Vaters Ferry gesegnet, gelang es Ferdinand Alexander Porsche,<br />

die klassischen Stilmerkmale eines 356 in die Moderne zu übertragen.<br />

Dabei ist es dann geblieben, denn selbst der aktuelle 911<br />

der siebten Generation (Modellcode 991) leugnet die Verwandtschaft<br />

zu seinem Urahnen nicht, welcher seinerseits vom VW Käfer<br />

abstammte. Ein Blick unter die Karosserien zeigt unmissverständlich<br />

die technische Verwandtschaft, die bei Porsches<br />

Sportwagen wohl noch lange gelten wird: Motor und Getriebe<br />

versammeln sich um die Hinterachse – als Heckmotor zum Wohle<br />

der Traktion.<br />

Doch was macht den Elfer über die einzigartige Technik oder die<br />

Eigendynamik seiner mittlerweile legendären Typenbezeichnung<br />

hinaus zum 911? Anders gefragt: Was geschah eigentlich zwischen<br />

901 und 991? Wurden die meisten Nullen etwa aussortiert<br />

und was ist ein 9<strong>13</strong>? Wir haben uns die Mühe gemacht, Antworten<br />

auf diese und andere bisher selten gestellten Fragen zu finden.<br />

Und sind dabei auf interessante Fakten gestossen. So gibt<br />

es tatsächlich die Porsche-Entwicklungsziffern 902 bis 909: Erstere<br />

steht für ein neues Vierganggetriebe der Typen 911/912 und<br />

die 903 für ein Sportwagen-Automatikgetriebe, welches jedoch<br />

nie zum Einsatz kam. Die Ziffern 904 – Markenkenner mögen uns<br />

diesen Hinweis verzeihen – stehen für ein sagenhaftes, nur<br />

107 cm hohes Rennsportcoupé namens Carrera GTS, das ab<br />

1963 gebaut wurde und zahlreiche Rennsiege errang. Gleichzeitig<br />

war es der erste Porsche mit einer Kunststoffkarosserie. Die<br />

Ziffernfolge 905 markierte ein 4-Gang-«Sportomatic-Getriebe»,<br />

während die Werkscodes 906 bis einschliesslich 910 für neue<br />

Rennwagen standen.<br />

052 VECTURA #7


NOMENKLATUR<br />

Nach der besagten 901-Präsentation – in Frankfurt stand noch<br />

ein Prototyp im frühen Entwicklungsstadium – war es 1964 geworden<br />

und der 911 noch nicht startklar; erst im Spätherbst sollte<br />

es so weit sein. Um die Nachfrage zu stillen, lancierte Porsche<br />

im Frühjahr flugs den 912 mit einem 90 PS leistenden Vierzylinder-Boxer<br />

aus dem 356. Dieses äusserlich identische Modell war<br />

ohnehin geplant, um ein günstigeres Einstiegsmodell anbieten<br />

und die 356er-Teileregale in Zuffenhausen leeren zu können.<br />

Dass der 912 dann schon wenig später als Billig-Elfer abgetan<br />

wurde, war dem direkten Vergleich mit seinem stärkeren Bruder<br />

geschuldet, der anfänglich <strong>13</strong>0 PS stark und damit klar dynamischer<br />

gewesen ist.<br />

Einen 9<strong>13</strong> gab es tatsächlich nicht – zumindest nicht bei Porsche.<br />

Sein Fehlen ist jedoch keinem Aberglauben zu verdanken – es<br />

handelt sich um ein lastschaltbares 6-Gang-Getriebe, das es jedoch<br />

nicht über das Projektstadium heraus geschafft hat. Also<br />

914 – klar, das ist der Volks-Porsche, gebaut von 1969 bis ’76.<br />

Nummer 915 war einmal mehr ein Getriebe. Merke: Bei Porsche<br />

wurde damals ganz offenbar sehr gerne geschaltet. Unter der<br />

Bezeichnung 916 baute Porsche 1972 schliesslich elf Exemplare<br />

eines ultimativen Volks-Porsche mit bis zu 210 PS starkem<br />

Sechszylinderboxer.<br />

Die 917 ist wiederum eine magische Zahl, denn sie steht für einen<br />

der erfolgreichsten Rennsportwagen aller Zeiten. 1970 siegte er<br />

auch in Le Mans; die stärksten Versionen für die amerikanische<br />

CanAm-Rennserie leisteten 1200 PS. Kuriosum am Rande: Sein<br />

Zwölfzylinder trägt wieder die Typennummer 912, da der damalige<br />

Entwicklungschef Ferdinand Piëch das ambitionierte Projekt<br />

längstmöglich geheim halten wollte.<br />

Die Typennummer 918 wurde 1968 für das Konzept eines 8-Zylinder-Sportwagens<br />

verwendet. Auf dem Genfer Salon 2010 wurde<br />

die Bezeichnung wiederbelebt, als die Studie eines 918 Spyder<br />

für allgemeines Staunen sorgte. Im Herbst dieses Jahres geht<br />

der 918 in Serie, doch das ist eine andere Geschichte. Die 919<br />

wiederum war ein elektrisch gesteuertes Getriebe, das nicht realisiert<br />

wurde.<br />

Zurück zum 911: Dem Beispiel seines Vorgängers folgend gab es<br />

auch ihn in mehreren Karosserievarianten. Als erste offene Version<br />

erscheint 1966 ein Targa mit glänzendem Edelstahlbügel zum<br />

Schutz der Insassen beim Überschlag. Freunde konsequenter Offenheit<br />

mussten sich dagegen noch bis 1982 gedulden, als das<br />

911 SC Cabriolet Frischluftfans begeisterte. Noch offener gab sich<br />

der 1989 erstmals angebotene 911 Carrera Speedster, der an den<br />

Mythos seines legendären Vorfahren aus den fünfziger Jahren anschliessen<br />

sollte. Und wer es breit mochte, konnte ab 1983 seinen<br />

Elfer im Turbolook ordern, der neben der Karosserie auch Fahrwerk<br />

und Bremsen des grossen Turbo-Bruders beinhaltete.<br />

Die Baureihe 924 steuerte da schon ihrem Ende entgegen: Sie<br />

war ab 1976 als 914-Nachfolger und Einstiegsdroge in die wachsende<br />

Porsche-Welt konzipiert worden – allerdings mit Frontmotor<br />

und Transaxle-Getriebe. Lange missachtet und getreten, wird<br />

sie heute wieder geschätzt und zunehmend teurer gehandelt.<br />

Natürlich bei weitem nicht so teuer wie klassische Elfer, die von<br />

der Börse enttäuschten Aktionären längst satte Renditen versprechen.<br />

Denn auch das ist 911 – eine Geldanlage mit geringstmöglichem<br />

Risiko.<br />

Bis zur Ziffer 930, die ab 1974 für den ersten Turbo-bestückten<br />

Über-Elfer gebraucht wurde, beschäftigte man sich in Zuffenhausen<br />

und Weissach wieder intensiv mit Getrieben und Motoren –<br />

oder baute mit dem 928 einen Sport-GT, der rückwärts windschlüpfriger<br />

gewesen sein dürfte als von vorne. Der 911 Turbo mit<br />

seinem 260 PS starken Dreiliter war jedenfalls ein böses Tier und<br />

gehörte bereits zur optisch und technisch weiterentwickelten<br />

G-Serie, denn ab dem Modelljahr 1968 führte Porsche Buchstaben<br />

zur Kennzeichnung der Elfer-Jahrgänge. Bei der Einführung<br />

der zweiten Generation im Herbst 1973 war man beim Buchstaben<br />

G angelangt, der inzwischen zu einem Synonym für die zwischen<br />

1973 und ’89 produzierten 911 avancierte.<br />

Den Motorsport auf asphaltierter Piste beherrschte der Porsche<br />

911 von Anfang an erfolgreich. Als letzte Herausforderung lockte<br />

in den 1980er-Jahren die Rallye Paris–Dakar, um nun endlich<br />

auch auf Sand zu siegen. 1984 fuhr René Metge mit einem<br />

Porsche 911 Carrera 4x4 (Typ 953) gegen alle Geländewagen<br />

auf Platz eins. Noch überlegener waren ab 1986 gleich drei<br />

Porsche vom legendären Typ 959 unterwegs. Denn der verfügte<br />

neben Allradantrieb auch über Doppelturboaufladung und wurde<br />

ab ’86 nur in kleiner Stückzahl von 292 Exemplaren produziert,<br />

was ihn heute umso wertvoller macht. Neben dem<br />

«Basis»-959 mit 450 PS gab es auch noch 29 Stück vom Typ<br />

959 S mit 515 PS.<br />

Der Typ 964 folgte 1988. Erneut hatte man den Elfer gründlich<br />

und auch sichtbar überarbeitet, um den erreichten Fortschritt zu<br />

dokumentieren: Neue Stossfänger, ein elektrisch ausfahrbarer<br />

Heckspoiler, Servolenkung, ABS und Airbags wiesen nach vorne.<br />

Den nächsten Schritt in eine noch bessere Zukunft brachte 1993<br />

der 911-Typ 993 mit einem Fahrwerk, das durch den konsequenten<br />

Einsatz von Aluminium und einer im Rennsport bewährten<br />

Mehrlenkerhinterachse das Fahrverhalten des Heckmotorwagens<br />

neutraler und sicherer machte.<br />

Der 996 kam nicht etwa schon 1996, sondern erst ein Jahr später<br />

auf den Markt. Bei ihm handelte es sich um eine komplette<br />

Neukonstruktion mit erstmals wassergekühltem Vierventil-Boxermotor.<br />

Und die Leistung stieg in den folgenden Modelljahren<br />

weiter an – auf 480 PS im 2005er 911 Turbo (Typ 997) und dann<br />

530 PS dank Biturbo im 911 GT2. Von 2008 an reichte Porsche<br />

im seit 2004 gebauten 997 nach ausgiebigen und positiven Erfahrungen<br />

auf der Rennstrecke ein Doppelkupplungsgetriebe<br />

mit sieben Gängen an Stelle der Automatik in die Serienproduktion<br />

(Typ 997/II). So ändern sich die Zeiten – und die Reifenformate:<br />

Genügte dem 911 der frühen Jahre noch die Dimension<br />

165 x 15“ auf schlanken Stahlfelgen, montiert Porsche heute<br />

beim aktuellen 991er bis zu 305 mm breite 19-Zoll-Walzen auf<br />

der Hinterachse.<br />

Zählt man alle bisherigen 911-Varianten und -Motorisierungen<br />

seit 1963 zusammen, kommt man auf rund 200 verschiedene<br />

Modellversionen (Rennsportwagen nicht mitgerechnet). Dass die<br />

Entwicklung des 911 auch jenseits seines Jubiläums weitergeht,<br />

beweisen die Daten über die für den Strassenverkehr gezähmten<br />

Delikatessen, die Porsche auf der kommenden IAA zeigen wird:<br />

Gestärkt werden dort Turbo und Turbo S mit 530 PS und 560 PS.<br />

Doch so langsam, aber sicher gehen dem Hersteller die 900er-<br />

Zahlen aus. Man darf also gespannt sein, wie es mit den «magic<br />

numbers» weitergehen wird.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 053


Technik, Fahrleistungen<br />

und Begierde müssen stimmen,<br />

wenn ein Auto zur Legende<br />

werden soll. Der klassischste<br />

aller Porsche verfügt<br />

über genau diese Eigenschaften.<br />

Dass er von kreativen<br />

Agenturen beworben wurde,<br />

hat ihm ebenfalls nicht<br />

geschadet. VECTURA zeigt die<br />

besten Motive aus fünf<br />

Jahrzehnten<br />

Elfer<br />

forever<br />

Sujets Werk<br />

1963<br />

054 VECTURA #7


Kampagne<br />

1964<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 055


1966<br />

056 VECTURA #7


1967<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 057


058 VECTURA #7


kampagne<br />

1969<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 059


1972<br />

060 VECTURA #7


kampagne<br />

1974<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 061


1976<br />

062 VECTURA #7


kampagne<br />

1984<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 063


kampagne<br />

1988<br />

064 VECTURA #7


1993<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 065


kampagne<br />

2000<br />

066 VECTURA #7


Porsche empfiehlt<br />

Hier erfahren Sie mehr – www.porsche.ch oder Telefon 0840 356 911.<br />

Zwischen zwei Hundertstelsekunden liegen Welten.<br />

Nichts wie hin.<br />

Die Uhr tickt.<br />

Der neue 911 GT3.<br />

Motorleistung: 475 PS. Treibstoff-Normverbrauch: gesamt 12,4 l/100 km. CO 2 -Ausstoss: 289 g/km.<br />

CO 2 -Mittelwert aller in der Schweiz angebotenen Fahrzeugmodelle: 153 g/km. Energieeffizienz-Kategorie: G


Drei Roadster und ein Halleluja<br />

Auto-affine Partylöwen fallen diesen Sommer von einem Apéro in den nächsten.<br />

Auch unser Geburtstagsständchen könnte exzessiv ausfallen – unter<br />

anderem locken Jaguar XJ-C, Mini Cooper S oder Opel Rekord mit runden<br />

Geburtstagen. Wir möchten uns an dieser Stelle auf drei offene Fahrzeuge<br />

konzentrieren, die dem Sportgedanken neue Impulse verliehen haben<br />

Text hh · Fotos Werk, privat<br />

60 Jahre: Austin Healey<br />

Der Automobildesigner und -ingenieur Donald Healey tat sich<br />

1952 mit Austin zusammen, um einen Roadster zu bauen, wie es<br />

ihn bis dato noch nicht gegeben hatte – modern, flach und dazu<br />

sauschnell. So entstand 1953 – parallel zum Triumph TR2 – der<br />

100-4 (Modellcode BN1) mit Trapez-Kühlergrill und Hüftknick –<br />

für viele der puristischste aller Healey, die da noch kommen sollten.<br />

Das Einzige, was den BN1 mit seinen Ahnen einte, waren ein<br />

in diesem Fall 90 PS starker Vierzylindermotor und die brettharte<br />

Federung; besonders selten sind die S- und M-Versionen.<br />

1955 kam der verbesserte BN2, 1956 der 100-6 (BN6) mit<br />

Sechszylinder, 1959 der 3000 MKI (BN7), 1961 der MKII und ein<br />

Jahr später der MKIII. In den weiteren 60er-Jahren befand sich<br />

die gesamte englische Automobilindustrie auf dem Weg ins<br />

Jammertal; Healey sah das Elend kommen und stieg 1968 aus.<br />

1970 endete auch der Austin-Vertrag – und mit ihm eines der<br />

schönsten Kapitel britischer Roadster-Herrlichkeit. Insgesamt<br />

72 000 Exemplare sind entstanden (Sprite nicht mitgerechnet).<br />

60 Jahre: Chevrolet Corvette<br />

«Phantastic plastic» – so wird die Corvette von vielen Fans<br />

liebevoll bis burschikos tituliert. Tatsächlich handelt es sich<br />

um Amerikas Antwort auf populäre Brit-Roadster – aber auch<br />

um den allerersten in Grossserie produzierten Sportwagen<br />

mit Kunststoffkarosserie. Obwohl: Das «Sport» konnte man<br />

beim 4,25 Meter kurzen Urmodell ruhig weglassen, denn zunächst<br />

handelte es sich um einen relativ weich gefederten<br />

Boulevard-Cruiser mit hinterer Starrachse und 155-PS-Reihensechszylinder.<br />

Letzteres änderte sich erst 1955, als die<br />

Vette mit einem Small-Block-V8 ausgestattet wurde – und eine<br />

Erfolgsgeschichte begann, die bis in die Jetztzeit reicht.<br />

Das lag nicht zuletzt an einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis<br />

– dem «best bang for the buck», wie man in<br />

den USA zu sagen pflegt. Mit bald 1,6 Millionen Einheiten<br />

(Stand: Mai 20<strong>13</strong>) gehört der schnelle Chevy zu den bestverkauften<br />

Zweisitzern der Welt. Im Herbst kommt die siebte Generation<br />

– und wir denken schon mal über eine geeignete<br />

Reiseroute nach.<br />

068 VECTURA #7


schulterblick<br />

50 Jahre: Mercedes-Benz 230 SL Pagode<br />

Luxuriöser Sportwagen – oder doch eher sportlicher Luxus-<br />

Roadster? Der seinerzeit in Genf präsentierte 230 SL war beides,<br />

und genau das machte ihn so einzigartig. Intern W1<strong>13</strong> genannt,<br />

löste er mit zunächst 150 PS sowohl den 300 SL als auch den<br />

190 SL ab. Nicht zuletzt verfügte der neue SL als erstes Sportauto<br />

der Welt über eine Sicherheitskarosserie mit Knautschzonen<br />

sowie – als erster Mercedes – über ein Zweikreis-Bremssystem.<br />

Der Beiname «Pagode» ergab sich aus der konkaven Wölbung<br />

des Hardtops, was grössere Glasflächen und damit mehr Rundumsicht<br />

erlaubte. Der Franzose Paul Bracq hatte das herrlich<br />

leicht wirkende Auto gezeichnet und mit ihm sein Meisterstück<br />

abgeliefert – kein SL nach der Pagode sollte je wieder so elegant<br />

und leichtfüssig aussehen. Bis 1971 entstanden knapp 49 000<br />

Exemplare in drei Serien; die letzte war besser ausgestattet und<br />

dank 185 PS immer noch 200 km/h schnell.<br />

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INSERAT<br />

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Sommer 20<strong>13</strong> 069


So dürfte er aussehen:<br />

Mustang Shelby Modelljahr Stilblüten<br />

2015<br />

Vorreiter einer ganzen Gattung<br />

Vor 50 Jahren wurde der vielleicht berühmteste aller Ford auf die<br />

Serienproduktion vorbereitet. Während sein Name meist mit einem<br />

wilden Pferd des amerikanischen Westens assoziiert wird, hat man ihn<br />

tatsächlich nach einem legendären Jagdflugzeug aus dem zweiten<br />

weltkrieg benannt – der North American P-51 Mustang<br />

Text und Illustration Mark Stehrenberger<br />

Das ursprüngliche Konzept eines erfolgreichen Autos ist<br />

manchmal viel einfacher als gedacht. Lee Iacocca, seinerzeit<br />

Vice President und Generaldirektor bei Ford<br />

USA, hatte 1961 die richtige Vision – ein sportliches Coupé mit<br />

Schalensitzen, dazu einen Boden-Shifter auf dem Kardantunnel<br />

montiert, maximal 4,60 Meter lang, höchstens 1150 Kilo schwer<br />

und für unter 2500 Dollar zu haben. Punkt.<br />

So wurde der Ford Mustang geboren. Nach monatelangen Sitzungen,<br />

Diskussionen und Marktstudien genehmigte die Finanzabteilung<br />

das neue Auto schliesslich im September 1962. Unter dem<br />

Codenamen T-5 fabrizierte man zunächst zwei Concept Cars –<br />

den zweisitzigen Mustang I mit V4-Mittelmotor und das Mustang II<br />

genannte Showcar, welches 1963 erstmals vor dem F1-Grand-Prix<br />

der USA in Watkins Glen gezeigt wurde. 50 Jahre ist das jetzt her.<br />

Das Auto hatte einen Frontmotor und vier Sitze, war also eine konkrete<br />

Vorahnung auf das folgende Serienmodell. Im Vergleich zu<br />

jedem anderen amerikanischen Auto in Produktion – mit Ausnahme<br />

der Corvette – erwies sich der Mustang als totaler Jackpot! Am<br />

9. März 1964 rollte dann Nr. 01, ein weisses Cabrio, vom Montageband;<br />

nur 18 Monate waren seit der Produktionsfreigabe vergangen.<br />

Um die Fertigungskosten niedrig zu halten, wurden viele<br />

Mustang-Komponenten vom Ford Falcon ausgeliehen, so auch die<br />

Antriebsstränge. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Motoren, Karosserievarianten,<br />

Interieurs und Extras war es möglich, aus dem<br />

Mustang ein einfaches, sparsames oder extravagantes Auto zu<br />

machen. Es war das perfekte Baukastensystem, welches einige<br />

Jahre später mit Pauken und Trompeten von Volkswagen als «neu»<br />

erfunden werden sollte! Der Mustang jedenfalls wurde als «das Auto,<br />

das man selbst gestalten kann», beworben.<br />

Die Mustang-Kampagne hatte bereits in der zweiten Hälfte seiner<br />

Entwicklung begonnen. Am 16. April 1964, einen Tag vor der Premiere<br />

im Ford-Pavillon auf der New Yorker Weltausstellung, liess<br />

Ford um halb zehn Uhr abends gleichzeitig auf allen drei nationalen<br />

TV-Kanälen ABC, NBC und CBS den ersten Werbespot auf die<br />

breite Öffentlichkeit los. Der Effekt war umwerfend: Am folgenden<br />

Morgen strömten die Leute in die Showrooms, welche sich in Hexenkessel<br />

verwandelten. Jeder wollte der Erste sein und dem<br />

Nachbarn stolz einen brandneuen Mustang vorführen können!<br />

Ford verkaufte über 22 000 Einheiten am ersten Tag, bis Ende Jahr<br />

waren es schon mal 263 434 und bis zum ersten Jahrestag im<br />

Frühling 1965 ritten 418 812 neue Besitzer ihren Hengst nach Hause.<br />

Kurz gesagt: Wie schon beim Model T und A hinterliess Ford<br />

mit dem Mustang einen starken Fussabdruck im Sand der Automobilgeschichte!<br />

Als Neu-Einwanderer in die Staaten hatte ich den unglaublichen<br />

Medien-Rummel damals hautnah miterlebt. Was für ein Erlebnis –<br />

wahrhaftig, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Und während<br />

meine Braut und ich im supercoolen 1965er Pontiac Grand<br />

Prix Coupé vier Monate lang auf Hochzeitsreise kreuz und quer<br />

durch die USA und Kanada crui sten, hatte sich mein Bruder Paul<br />

– ebenfalls Auswanderer – einen Mustang gekauft. Zwei Jahre<br />

später würde er es wieder tun.<br />

Es war aber auch ein Auto wie aus dem Bilderbuch: lange Motorhaube,<br />

kurzer Hintern, niedrige Gürtellinie, breite Spur, dazu ikonische<br />

Details wie das laufende Pferd im Grill, die seitlichen «Jakobsmuscheln»<br />

entlang der Flanken oder die in drei Abschnitte<br />

unterteilten Rückleuchten. Dazu «wrap-around»-Stossfänger, eine<br />

070 VECTURA #7


Stilblüten<br />

aggressive Kühlermaske und sportliche Radvollblenden, alle aus<br />

Chromstahl. Dann der Innenraum: durchgehender Teppichboden,<br />

der geforderte tiefe Schaltknüppel, dazu die Schalensitze vorn,<br />

das geschüsselte Lenkrad im Sportwagen-Style, dazu ein Armaturenbrett<br />

mit viel Chrom. Bingo. Als Coupé oder Cabrio machte dieser<br />

Wagen regelrecht süchtig und nichts konnte den 1964-1/2-<br />

Mustang, wie er wegen seiner verspäteten Lancierung tatsächlich<br />

genannt wurde, bremsen – auch seine vier Trommelbremsen nicht!<br />

Mir kommt spontan der Mustang im französischen Film «Un<br />

Homme et une Femme» von 1966 in den Sinn!<br />

1965 folgte ein 2+2 Fliessheck. Carroll Shelby, der Texaner, langjährige<br />

Rennfahrer und Cobra-Züchter, hatte das Potential des<br />

Mustangs gegenüber der Chevy Corvette erkannt und nahm sich<br />

100 der ersten 2+2-Modelle. Er fügte Tuning-Bauteile hinzu, zum<br />

Beispiel übergrosse Scheibenbremsen vorne, eine GFK-Motorhaube<br />

oder ein tiefer gelegtes Fahrwerk mit übergrossen Reifen<br />

auf 15-Zoll-Rädern. Dann taufte er den geilen Renner GT 350; der<br />

Rest ist Geschichte. Im bebenden Soul-Vibrato seiner acht Töpfe<br />

cruiste der Bürgerschreck heran und bewegte sich respektheischend<br />

wie ein Bodybuilder mit zu viel Testosteron. Ein wahrer<br />

Muscle Car! Shelbys legendäre Serie modifizierter Mustang wurden<br />

bis 1970 in verschiedenen Formen gebaut und zählen heute zu<br />

den begehrtesten Autos dieser Gattung.<br />

1965 wurden insgesamt 559 451 Mustang produziert. Für 1966<br />

gab’s nur geringe Verfeinerungen. Die Auswahl der verfügbaren<br />

Interieur-Stile und -Farben stieg auf 34, damit Käufer noch mehr<br />

Möglichkeiten zum «Personifizieren» – ich liebe dieses Wort – ihres<br />

Mustang hatten. Das wirkte; die Produktion stieg auf 607 568<br />

Einheiten. Ab 1967 hatte der Mustang schliesslich etwas, was er<br />

vorher nicht hatte: ernsthafte Konkurrenz! Chevrolet warf den<br />

Camaro in den Ring, Pontiac den Firebird und Plymouth schärfte<br />

den Barracuda. Selbst innerhalb Ford gab’s jetzt Alternativen wie<br />

den Mercury Cougar mit Klappscheinwerfern. Ein neues Fahrzeugsegment<br />

namens «Pony Car» war geboren: Der Begriff bezieht<br />

sich tatsächlich auf das Logo des Ford Mustang und beschreibt<br />

eine kostengünstige, kompakte, sportlich getrimmte<br />

amerikanische Fahrzeugklasse. In Europa griffen Opel Manta und<br />

Ford Capri die Masche auf.<br />

Ford lancierte 1967 die erste grosse Neugestaltung des Mustang.<br />

Er wurde länger und breiter, um den neuen 390-cui-Big-Block mit<br />

320 PS aufnehmen zu können. Der 67er Mustang «Eleonor» aus<br />

dem Film «Gone in Sixty Seconds» bleibt hängen! Dennoch rutschte<br />

die Produktion für das Jahr 1967 auf knapp 472 000 Einheiten<br />

ab – der Pony-Markt schien fürs Erste gesättigt. Entsprechend wenige<br />

Veränderungen zeichneten den 68er-Jahrgang aus, dazu kamen<br />

immer schärfere Sicherheitsvorschriften ins Spiel. Zwar wurde<br />

die Fastback-Version durch den unvergesslichen Film «Bullitt»<br />

mit Steve McQueen weltbekannt und war ein Hammer, trotzdem<br />

sank der Mustang-Output 1968 auf 317 404 Stück.<br />

Das Modelljahr 1969 sah ein paar Verfeinerungen, während der<br />

2+2 Fastback aus dem Programm gestrichen wurde. Dafür kamen<br />

nun aber drei absolute PS-Monster auf den Markt – der Mach 1 mit<br />

seinem feuerspeienden 428-Cobra-Jet-Motor, der Boss 302 und<br />

Boss 429. Es waren massgeschneiderte Angebote für Quartermile-Freaks.<br />

Dennoch ging es mit dem Verkauf unaufhaltsam bergab;<br />

1969 wurden nur 299 824 Mustang gebaut. Und vom 1970er-<br />

Modell mit seinen subtilen Änderungen verliessen gar lausige<br />

190 727 Einheiten die Montage. 1971 brachte eine weitere Neugestaltung;<br />

wieder war der Wagen aufgrund vorherrschender Sicherheits-<br />

und Aufprallvorschriften grösser geworden – 149 678<br />

Mustang entstanden. Das ’72er-Modell erfuhr nur geringe kosmetische<br />

Änderungen. Wegen zunehmend strenger Verbrauchsvorgaben<br />

wurden alle Boss-Varianten eingestellt, nur der Mach 1 blieb<br />

im Angebot. Produktionsvolumen anno 1972: 125 093.<br />

1973 war das letzte Jahr des grossen Mustang, der eigentlich nur<br />

noch ein abgehalfterter Klepper war: Rigorose Sicherheits- und<br />

Abgasbestimmungen, speziell in Kalifornien (dem grössten Absatzmarkt),<br />

killten den Wagen. Es war auch das letzte Jahr für das<br />

Cabrio. 1973 wurden <strong>13</strong>4 867 Mustang hergestellt.<br />

Die nun folgende Periode kann für den Mustang bestenfalls als<br />

düster bezeichnet werden. Mit dem «Sport+Fun»-orientierten<br />

Pseudo-Sportwagen wurde 1974 eine Hausfrauenkiste ohne jeglichen<br />

Anspruch auf den Markt geschleudert. So Recht Iacocca mit<br />

dem Urmodell gehabt hatte, so falsch lag er beim Mustang II: Der<br />

sollte europäischer und gleichzeitig ein «kleines Juwel» im Las-Vegas-Bling-Bling-Style<br />

werden – und diese Allerweltsvorgabe prägte<br />

jeden Aspekt des neuen Designs. Bottomline: Der Wagen hatte<br />

mit dem Original-Mustang nichts mehr am Hut, sondern war eher<br />

ein politisch korrektes, weichgespültes Statement. Auch der V8<br />

wurde tabu erklärt und durch lahme 2.3-L-Vierzylinder oder<br />

2.5-L-V6-Motoren ersetzt. Gipfel der Grässlichkeit: Der Mustang II<br />

basierte jetzt auf dem berüchtigten Pinto-Chassis. Stell dir das vor:<br />

Pinto, um Gottes willen! Was hatte man sich nur dabei gedacht!<br />

Wahrscheinlich gar nichts. Die Karre war nun 30 Zentimeter kürzer<br />

als der Original-Mustang, dafür aber 140 kg schwerer…<br />

Erst Anfang 2004 kam es zu einem Revival, als Ford einen Mustang<br />

auf der total neuen D2C-Plattform vorstellte, bestückt mit V6- und<br />

V8-Triebwerken. Das Auto kennzeichnete eine Stilrichtung, die von<br />

Chefdesigner J Mays als «Retro-Futurismus» bezeichnet wurde.<br />

Als Coupé und Cabrio war der Neo-Mustang ein sofortiger Verkaufserfolg<br />

und wird heute als «instant classic» anerkannt.<br />

Das Modelljahr 2006 brachte ein neues, aufgerüstetes «Pony Package»<br />

für die beliebten V6-Modelle – und wieder lag Carroll<br />

Shelby voll im Trend mit bis zu 350 PS starken Kompressor-Sonderausgaben!<br />

In den folgenden Jahren wurde fleissig an Technik<br />

und Styling gefeilt. Auch die ehemaligen Rivalen Camaro und<br />

Challenger steigen aus der Gruft zu neuen Höhen auf – Geschichte<br />

wiederholt sich. Auch ein neuer Mustang Boss 302 wurde<br />

2012 eingeführt.<br />

Bald wird die aktuelle fünfte Mustang-Baureihe in den Sonnenuntergang<br />

reiten, aber dank Supertunern wie Shelby, Saleen und<br />

Rouch ist die Story dieser Baureihe noch lange nicht zu Ende. Im<br />

Gegenteil, sie wird nächstes Jahr mit der Ankunft der sechsten<br />

Modellgeneration nochmals spannender werden! Mein Kopfkino<br />

fantasiert schon…<br />

VECTURA-Autor Stehrenberger ist nicht nur ein intimer Kenner der<br />

internationalen Autoszene, sondern selber Jubilar: Seit Anfang<br />

März ist der gebürtige Schweizer 70 Jahre jung.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 071


MOTORMENSCHEN<br />

Firmengründer<br />

Edouard Heuer<br />

(1840–1892)<br />

Die Erste ihrer Art:<br />

Heuer Carrera Chronograph,<br />

Baujahr 1964<br />

Wie Mann so tickt<br />

In allen Ehren:<br />

Jack W. Heuer, der Carrera-Chronograph<br />

und ein grossartiges Lebenswerk<br />

Text Gisbert L. Brunner · Fotos Archiv Jack Heuer, Werk<br />

Armbanduhren gibt es unendlich viele. Aber nur sehr<br />

wenige von ihnen finden den Weg in die Geschichtsbücher.<br />

Dahin, wo sich Mythen, Legenden und vor<br />

allem echte Klassiker versammeln. Per definitionem handelt es<br />

sich bei Letztgenannten um «mustergültige Produkte ersten<br />

Ranges, Resultate herausragender literarischer, künstlerischer<br />

oder wissenschaftlicher Leistungen schöpferischer Menschen,<br />

welche die Merkmale einer ausgereiften Meisterschaft<br />

in sich tragen».<br />

Familienbande In Sachen Uhren gehört der Schweizer Jack<br />

William Heuer, Jahrgang 1932, zu den besonders kreativen<br />

Zeitgenossen. Freilich war der Apfel in diesem Fall nicht sehr<br />

weit vom Stamm gefallen. Als Spross einer anerkannten Dynastie<br />

erfolgreicher Chronographen-Spezialisten konnte er aus<br />

dem Vollen schöpfen. Urgrossvater Edouard Heuer hatte 1860<br />

in Biel die gleichnamige Uhrenmarke ins Leben gerufen und<br />

beispielsweise 1887 die bis heute verwendete Schwingtrieb-<br />

Kupplung für Chronographen erfunden. Und dessen Sohn<br />

Charles-Auguste Heuer liess 1916 einen neuartigen Kurzzeitmesser<br />

entwickeln. Der revolutionäre «Mikrograph» konnte<br />

erstmals auf die Hundertstelsekunde genau stoppen. Dem<br />

sachlichen Analytiker folgten dessen Söhne Charles-Edouard<br />

und Hubert. Das Duo lenkte Heuer in den 1930er-Jahren nicht<br />

nur durch die Weltwirtschaftskrise, sondern auch die vielleicht<br />

schwierigere Zeit des Zweiten Weltkriegs, in der es um den Export<br />

schlecht bestellt war. Und dennoch entstand 1939 und auf<br />

Initiative der beiden Brüder ein Armband-Chronograph mit<br />

wasserabweisender Schale.<br />

Somit wuchs Charles-Edouards Sohn Jack William in einer munter<br />

tickenden Welt auf. Beste Voraussetzungen für die Übernahme<br />

einer leitenden Funktion boten das Betriebsingenieur-Diplom<br />

der ETH Zürich sowie eine unstillbare Passion für den Leistungssport.<br />

Letztere stellte der Spross unter anderem als Zürcher<br />

Hochschul-Champion im Ski-Slalom unter Beweis.<br />

072 VECTURA #7


The next generation:<br />

Jack W. Heuer in den 1960ern<br />

neben seinem Vater Charles<br />

1958 folgte dann der Eintritt ins<br />

Familienunternehmen; zwei Jahre später<br />

organisierte der Juniorchef<br />

bereits das 100-jährige Firmenjubiläum<br />

Im November 1953 zog es Jack in die weite Welt hinaus. Sein<br />

Vater schickte ihn in die USA, um den dortigen Markt zu studieren;<br />

bei der Sportartikelkette Abercrombie & Fitch übte er sich in<br />

der Rolle eines Uhrenverkäufers. 1958 folgte dann der Eintritt ins<br />

Familienunternehmen; zwei Jahre später organisierte der Juniorchef<br />

bereits das 100-jährige Firmenjubiläum – und Jacks Performance<br />

überzeugte die Senioren. 1961 konnte er von Onkel Hubert<br />

ein Aktienpaket erwerben und auch der Vater überliess ihm<br />

einen Teil seiner eigenen Aktien als vorgezogenes Erbe. So wurde<br />

aus dem leitenden Angestellten ein massgeblicher Teilhaber<br />

des Familienunternehmens mit rund zwei Millionen Franken Jahresumsatz.<br />

Geburt einer Legende 1964 fusionierte Jack mit dem Erzrivalen<br />

Leonidas; schon im Herbst 1963 konnten Kunden rund um<br />

den Globus einen Armband-Chronographen erwerben, der bis in<br />

unsere Gegenwart als herausragende Ikone dieser besonderen<br />

Spezies Zeitmesser gilt. Die Entwicklungsgeschichte begann in<br />

den frühen 1960er-Jahren. Weil Jack W. Heuer das Thema wie<br />

seine Vorfahren virtuos beherrschte, wusste er exakt, worauf es<br />

ankommt. In seinen Augen spielte das Design von Gehäuse<br />

und Zifferblatt eine überragende Rolle. Mammut-Gehäuse, wie<br />

heute allgemein üblich, gingen seinerzeit überhaupt nicht.<br />

36 Millimeter Durchmesser galten als Standard und sie resultierten<br />

aus den Dimensionen der damals verbauten Uhrwerke. Neben<br />

der Bedien-Ergonomie, welche sich in einer griffigen Krone und<br />

leicht bedienbaren Drückern zeigte, rangierte die Ablesbarkeit<br />

des Zeitschreibers in der Priorität ganz oben. Deshalb strebte der<br />

junge Patron nicht nur ein sachlich-reduziertes, sondern auch ein<br />

möglichst grosses Zifferblatt an. Und hier gelang Jack ein echter<br />

Kunstgriff. Zur Steigerung der Wasserdichtigkeit wölbte sich über<br />

dem Zifferblatt ein armiertes Plexiglas. Das taten die Mitbewerber<br />

zwar auch, aber keiner von ihnen nutzte die schräge, dem Zifferblatt<br />

zugewandte Fläche des metallenen Spannrings. Ganz anders<br />

Jack Heuer: Er experimentierte begeistert und liess den<br />

Ring schlussendlich mit der wichtigen Skala für die Sekunden<br />

und deren Fünftel-Bruchteile bedrucken. Diese Eingebung vergrösserte<br />

das Zifferblatt um fast zwei Millimeter, was nach wenig<br />

klingt, aber die Optik entscheidend beeinflusste. Damit nicht genug:<br />

Etwas tiefer gesetzte Nebenzifferblätter für Permanentsekunde<br />

und Totalisatoren bescherten dem Zifferblatt eine bemerkenswerte<br />

Dreidimensionalität.<br />

Jack W. Heuer konnte sich stolz auf die Schulter klopfen, hatte er<br />

doch etwas bis dahin Einmaliges geschaffen. Was nun noch fehlte,<br />

war ein treffender Name. Und da kam dem ambitionierten wie<br />

vielseitig interessierten Jungunternehmer der Zufall zu Hilfe. Denn<br />

während den berühmten 12 Stunden von Sebring, bei denen sich<br />

der auch Motorsport-begeisterte Jack höchstpersönlich um die<br />

Zeitnahme kümmerte (schliesslich war die Marke Heuer auch auf<br />

Zeitnahme bei Sportevents spezialisiert), blieben Gespräche mit<br />

den verwegenen Fahrern nicht aus. Ricardo Rodriguez war einer<br />

von ihnen und erzählte begeistert von einem halsbrecherischen<br />

Autorennen, das in den 1950er-Jahren quer durch Mexiko führte.<br />

Als Jack Heuer den Namen «Carrera Panamericana» hörte,<br />

wusste er sofort, dass er gefunden hatte, wonach er suchte.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 073


In der Formel 1 tauchten<br />

Heuer-Uhren nicht nur<br />

an den Handgelenken der<br />

Piloten, sondern auch<br />

als offizielle Zeitmesser auf<br />

074 VECTURA #7


Motormenschen<br />

Handschlag und Schulterschluss: Die Ferrari-Kooperation katapultierte Heuer in den Uhren-Olymp<br />

Sofort nach seiner Rückkehr in die Schweiz fügte er dem Zifferblatt<br />

des puristisch gestylten Newcomers über dem Firmenlogo<br />

das Wort «Carrera» hinzu.<br />

Der Rest ist Geschichte. Als die «Carrera» gleich in mehreren<br />

Ausführungen debütierte, ahnte ihr geistiger Vater freilich noch<br />

nicht, dass diese Armbanduhr zu einem Synonym unter den weltbesten<br />

Chronographen avancieren sollte – und 1997 ein fulminantes<br />

Comeback erleben würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich<br />

Jack W. Heuer nolens volens bereits aus dem Uhrenbusiness<br />

zurückgezogen und verfolgte das Geschehen zunächst noch aus<br />

gesicherter Distanz.<br />

1971 war Jack Heuer freilich noch in Amt und Würden, als er<br />

während eines Besuchs der Heuer-Dépendance im Jurastädtchen<br />

Saint-Imier zufällig jemandem begegnete, der ihm bekannt<br />

vorkam. Verdutzt schaute er genauer hin und mit einem Mal heulten<br />

in seinem Kopf Rennmotoren auf, drehten sich Räder immer<br />

schneller. Jack Heuer hatte Gian-Claudio Giuseppe «Clay»<br />

Regazzoni erkannt und fragte sich, was den wohl in diese abgeschiedene<br />

Gegend verschlagen hatte. Zurück im Büro half<br />

ausgeprägtes detektivisches Gespür beim Ermitteln der Telefonnummer<br />

des prominenten Ferrari-Piloten. Bald darauf stand die<br />

Verbindung und schon wenig später folgte ein Besuch Regazzonis<br />

bei Heuer-Leonidas SA. Unverblümt bekundete der Rennfahrer<br />

dort, dass er nach massgeschneidertem Zeitnahme-Equipment<br />

für die 24 Stunden von Le Mans gesucht habe. Das, antwortete<br />

ihm Heuer, sei für sein einschlägig erfahrenes Unternehmen kein<br />

sonderliches Problem.<br />

Enzos violette Tinte Ein Vertrag liess nicht lange auf sich warten.<br />

Heuer erfüllte ihn professionell und avancierte schon 1972<br />

zum offiziellen Zeitnehmer der «Scuderia Ferrari». Geld floss übrigens<br />

keines und Jack musste den Kontrakt jedes Jahr neu verhandeln.<br />

Die Unterschrift leistete Enzo Ferrari höchstpersönlich<br />

mit seiner markant violetten Tinte. Anschliessend dinierten die<br />

neuen Geschäftspartner im Restaurant «Cavallino». Im Zuge der<br />

ersten Vertragsverlängerung sprach man auch über die offizielle<br />

Zeitnahme für die hauseigene Rennstrecke Fiorano – und als<br />

Bonbon offerierte der Commendatore, dass alle Ferrari-Fahrer<br />

das einprägsame Heuer-Logo auf ihrer Montur und einen goldenen<br />

Automatik-Chronographen am Handgelenk tragen könnten…<br />

«In diesen Jahren», so Jack W. Heuer, «lernte ich praktisch<br />

alle Piloten persönlich kennen. Um ihre Uhren entgegenzunehmen<br />

und unsere Fabrik zu besuchen, kamen Niki Lauda, Jacky<br />

Ickx, Clay Regazzoni, Mario Andretti, Carlos Reutemann, Gilles<br />

Villeneuve und andere nach Biel. Die zehn Jahre währende Kooperation<br />

mit der italienischen Nobelmarke sowie das Logo auf<br />

den roten Boliden brachten uns einen enormen Prestigegewinn.»<br />

Das Motorsport-Engagement von Heuer hatte wie erwähnt schon<br />

einige Jahre früher begonnen. Ausserdem gehörte der Hersteller<br />

seit 1969 zu den Pionieren des Armband-Chronographen mit automatischem<br />

Aufzug. «Nach dem finanziellen Entwicklungs-<br />

Kraftakt besassen wir kaum noch die Mittel für weitreichende<br />

Werbemassnahmen. Also mussten intelligente, weniger kostspielige<br />

Methoden der Verkaufsförderung gefunden werden.»<br />

Jack W. Heuer fand sie auf dem Golfplatz. Dort berichtete ihm ein<br />

Freund, dass der eidgenössische Formel-1-Pilot und Porsche-<br />

Händler Jo Siffert einen Sponsor suche. Jack Heuer besuchte ihn<br />

in dessen Fribourger Autohaus und die markant-quadratische<br />

«Monaco», in der das neue Uhrwerk tickte, verfehlte ihre Wirkung<br />

nicht. Das Angebot, Siffert im Rahmen begrenzter finanzieller<br />

Möglichkeiten zu unterstützen und die Automarke zu wechseln,<br />

tat ein Übriges. Künftig trug der Porsche 908 den Namen Heuer<br />

in die Welt – und an Sifferts Handgelenk fand sich natürlich eine<br />

«Monaco». Im Gegenzug legte sich der Uhrenfabrikant einen<br />

Sportwagen aus Zuffenhausen zu. «Dies war sicher ein amateurhafter<br />

Einstieg ins Formel-1-Geschäft», bekennt Jack Heuer rückblickend,<br />

«aber wir engagierten uns als erste branchenfremde<br />

Marke in diesem rasanten Hochleistungssport und fuhren nicht<br />

schlecht damit.» Dass Steve McQueen 1970 bei den Dreharbeiten<br />

zum Film «Le Mans» gratis und franko eine «Monaco» trug<br />

(siehe VECTURA #6), war wiederum ein genialer Schachzug.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 075


Wichtige Werbeträger: Jack Heuer mit Jo Siffert…<br />

… der seinerseits Steve McQueen überzeugte<br />

Heuer mit den Ferrari-Fahrern Niki Lauda und Clay Regazzoni…<br />

…sowie F1-Teamchef Luca di Montezemolo…<br />

…mit Mario Andretti…<br />

…oder Ronny Peterson<br />

076 VECTURA #7


Motormenschen<br />

Jack Heuer hatte den Filmausstatter mit Stickern, Bord- und<br />

Armbanduhren ausgestattet. Nach vielen Testrunden in Le Mans<br />

bat der Produzent Steve McQueen, endlich sein filmisches Outfit<br />

festzulegen. Der Schauspieler entschied sich für den Dress des<br />

gerade neben ihm stehenden Jo Siffert, den er ja schliesslich<br />

mimte. Im Zuge dieser Wahl befestigte der Rennfahrer blitzschnell<br />

ein Heuer-Logo am Overall. Ausserdem durfte McQueen in die<br />

Schachtel mit Heuer-Chronographen greifen – und entschied<br />

sich für jenes Modell, auf das auch Siffert blickte. Logischerweise<br />

profitierte Heuer vom Erfolg des Films: Die «Monaco» entwickelte<br />

sich zum Kultobjekt für Fans des Hollywoodstars und des 1971<br />

tödlich verunglückten Rennfahrers.<br />

Die Quarz-Krise Dennoch musste Jack W. Heuer 1972 die bittere<br />

Erfahrung machen, dass politische und wirtschaftliche Krisen<br />

den privaten Konsum nicht gerade fördern. Vor allem jenseits des<br />

Atlantiks und im Land der – nur scheinbar – unbegrenzten Möglichkeiten<br />

liefen die Geschäfte eher mässig. Eine weltweit hohe Inflation,<br />

das rapide Absinken des Dollarkurses, die amerikanischen<br />

Luftangriffe auf Nordvietnam, die grosse Flutkatastrophe in Rapid<br />

City und die so genannte Ölkrise sorgten für Umsatzeinbrüche bei<br />

der altehrwürdigen Mechanik. Dazu kam die neue Quarz-Technologie,<br />

welche Jack W. Heuer keineswegs ablehnte, im Gegenteil:<br />

Der findige, progressiv denkende Techniker stürzte sich mit Verve<br />

darauf. «Das Unterfangen erforderte aber jede Menge konstruktiver<br />

Basisarbeit. Von den ersten Skizzen bis hin zur Realisation war<br />

eigenes Gedankengut gefragt.» Tatsächlich besass die 1975 vorgestellte<br />

Weltpremiere namens «Chronosplit»<br />

keine beweglichen Teile. Zu den<br />

ersten Kunden gehörte Paul Newman,<br />

dessen neuer Film «Der Clou» gerade Kinos<br />

und Kassen füllte. Im Jahr zuvor hatte<br />

Jack W. Heuer mit rund 25 Millionen<br />

Franken seinen Umsatz-Zenit erreicht.<br />

Kurz darauf aber trafen ihn die Krise der<br />

traditionellen Uhrmacherei und der Zusammenbruch<br />

des Marktes für mechanische<br />

Stoppuhren wie ein Fausthieb.<br />

Heuer hatte den Nutzen geschickten<br />

Produkt-Placements und öffentlich -<br />

keitswirksamen Sport-Sponsor ings erkannt,<br />

musste aber auch konstatieren,<br />

dass diese Aktivitäten immer teurer wurden.<br />

In der zweiten Hälfte der 70er-Jahre<br />

kämpfte Jack Heuer als weiterhin weltgrösster<br />

Stoppuhrenfabrikant beständig<br />

mit dem Rücken zur Wand. Und konnte<br />

trotz innovativer und kreativer Erzeugnisse nicht mehr am Markt<br />

bestehen. Dann, im Sommer 1981, kam der fatale Schlag: Die<br />

Volksrepublik China hatte tausende Stoppuhren bestellt, doch<br />

mitten im Fertigungsprozess geriet Heuers Werkelieferant ins Trudeln.<br />

Um den Grossauftrag nicht zu gefährden, bevorratete sich<br />

die Firma mit Werken und Ersatzteilen. Ende September schottete<br />

sich China abrupt gegen alle Uhrenimporte ab – und der Berg<br />

fertiger und halbfertiger, unverkäuflicher mechanischer Stoppuhren<br />

überforderte die Liquidität. So ging am 25. Juni 1982 die letzte<br />

öffentliche Generalversammlung der Heuer-Leonidas SA über<br />

die Bühne. Nach langen, zähen Verhandlungen mit Gläubigern<br />

und Kaufinteressenten mussten Jack W. Heuer und die übrigen<br />

Inhaber von Namensaktien der Abschreibung ihres Kapitals auf<br />

null sowie der Auflösung vorhandener Reserven zustimmen.<br />

Nach einem dreijährigen Intermezzo übernahm 1985 die TAG-<br />

Gruppe (Techniques d’Avant-Garde) die Aktienmehrheit. Jack<br />

Heuer ging im Streit.<br />

Versöhnung mit dem Patron Seit 1999 gehört die traditionsreiche<br />

Sportuhrenmarke zur LVMH-Gruppe, und deren<br />

Grossaktionär Bernard Arnault ernannte Jack W. Heuer im<br />

Sommer 2001 wegen seiner anerkannten Leistungen zum TAG-<br />

Heuer-Ehrenpräsidenten. In dieser Funktion wirkt der Unermüdliche<br />

beratend, aber auch durchaus kritisch bei der Entwicklung<br />

neuer Produkte mit. Dass ihm die 1963 lancierte<br />

Chronographen-Linie dabei ein besonderes Anliegen ist, mag<br />

sich von selbst verstehen. TAG Heuer wiederum hat seinem honorigen<br />

Markenbotschafter zum 50. Geburtstag der «Carrera»<br />

eine Sonder-Edition mit pultförmigem «Bullhead»-Design und<br />

dem exklusiven Automatikkaliber 1887 gewidmet (siehe unten).<br />

Der 45 Millimeter grosse Carrera Calibre 1887 «Jack Heuer»-<br />

Chronograph ist ab November erhältlich. Der dadurch Geehrte<br />

hat es sich redlich verdient – und beabsichtigt, sich bis Ende<br />

Jahr komplett aus dem Geschäft zurückzuziehen. Damit geht<br />

eine Ära zu Ende, die einige der bedeutendsten Armbanduhren<br />

für Automobilliebhaber hervorgebracht hat.<br />

Mehr zum Thema<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 077


Die Lionel-Robert-David-Ulrich-Story<br />

Aston Martin ist 100 Jahre alt – und quicklebendig. Zum Geburtstag<br />

blicken wir zurück auf bewegte und bewegende Geschichte<br />

Text Klaas Rosenboom · Fotos Sammlung Rosenboom, Werk<br />

Gab es Aston Martin eigentlich schon, bevor Q den<br />

Bentley von James Bond im Jahr 1964 durch einen<br />

DB5 ersetzte? Die dritte Sequel mit Sean Connery alias<br />

007 brachte den britisch-eleganten GT mit seinem interessanten<br />

Zubehör sofort in die Schlagzeilen. Kugelsichere Scheiben,<br />

Maschinengewehre, eine Schutzplatte hinter der<br />

Rückscheibe, Felgen-Zentralverschlüsse als Reifenaufschlitzer,<br />

dazu ein Telefon, bevor man überhaupt nur über ein C-Netz<br />

nachdachte – und nicht zuletzt das bekannteste Extra, der Beifahrer-Schleudersitz<br />

– machten dieses Auto auf Anhieb weltberühmt.<br />

David Brown, der damalige Besitzer der Sportwagenfirma,<br />

sagte einmal, dass man in dieser Zeit dreimal so viele Autos<br />

hätte verkaufen können, aber die Firma hatte einfach nicht die<br />

Kapazitäten. Corgi Toys hingegen stellte sogleich ein (in Anlehnung<br />

an den Filmnamen «Goldfinger» goldfarbenes) Modell her,<br />

welches schnell zum meistverkauften Spielzeugauto der Welt<br />

avancierte. Dies, obwohl das im Film verwendete Auto in der<br />

Farbe «Silver Birch» lackiert war. Diese Ära markierte den absoluten<br />

Gipfel in der Popularität von Aston Martin.<br />

Doch der Reihe nach. Begonnen hat es vor genau 100 Jahren<br />

mit einem gewissen Lionel Walker Birch Martin, der zusammen<br />

mit Robert Bamford einen Vertrieb namens «Bamford & Martin<br />

Ltd.» gründete, um Singer-Sportwagen zu verkaufen und sie<br />

ausserdem für Rundstrecken und Bergfahrten, sogenannte<br />

Hillclimbs, aufzurüsten. Das Motto und Ziel der kleinen, auch<br />

mit Sponsoren finanzierten Unternehmung war sehr ambitioniert:<br />

«Wir wollen ein Qualitätsfahrzeug guten Aussehens und<br />

hoher Leistung für den anspruchsvollen Besitzer und Fahrer<br />

bauen, der in einem individuell für ihn entwickelten und karossierten<br />

Wagen schnelles Reisen im Sinn hat.» So weit, so gut.<br />

Lionel Martin selbst fuhr tatsächlich viele Siege heraus, einige<br />

davon in den Hängen des englischen Nestes Aston Clinton in<br />

Hertfordshire. Aus dem Orts- und seinem Nachnamen formte<br />

er schliesslich 1914 den klangvollen Namen Aston Martin –<br />

Tatsächlich war und ist die Marke viel älter, doch ausserhalb Englands<br />

war das zuvor weitgehend unbemerkt geblieben. Daran<br />

änderten auch zahlreiche Motorsportsiege nichts – unter anderem<br />

gewann Aston Martin im Jahre 1959 die Sportwagen-Weltmeisterschaft.<br />

In Le Mans, Silverstone, Aintree, Brands Hatch,<br />

Spa, Monza oder auf dem Nürburgring lieferte sich Aston Martin<br />

mit der Konkurrenz von Ferrari, Jaguar, Maserati, Mercedes, Porsche<br />

und anderen Herstellern spannende Duelle.<br />

A3, Baujahr 1921<br />

078 VECTURA #7


CENTENNIAL<br />

Lionel Martin (1878–1945)<br />

Robert Bamford (1883–1942)<br />

Bamford verliess das Unternehmen aber erst 1920. Die Firma<br />

siedelte sich zunächst am Henniker Place in London an und<br />

liess im März 1915 ihr erstes eigenes Fahrzeug zu. Dieses mit<br />

einem seitengesteuerten Coventry-Simplex-Motor ausgestattete<br />

Auto erhielt später den Spitznamen «Kohleneimer»; es<br />

entstand nur dieses eine Exemplar.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg zog die Firma nach Kensington<br />

um, suchte sich neue Geldgeber und baute zwei Wagen für<br />

den Grossen Preis von Frankreich. Im gleichen Jahr stellte dieses<br />

«Bunny» genannte Auto zehn Geschwindigkeitsrekorde<br />

auf, von denen einer 60 Jahre lang ungebrochen bleiben sollte.<br />

Die Fahrzeuge der Marke erlangten bald den Ruf, sehr<br />

schnell und zuverlässig zu sein, und dabei sollte es bleiben:<br />

Von den etwa 12 000 bis 1995 gebauten Wagen existieren<br />

heute noch über 9000 und werden zumeist auch noch gefahren.<br />

Das spätere Werk-Rennteam fuhr zum Beispiel oft auf eigener<br />

Achse zu den Rennstrecken, denn die Autos mussten<br />

nicht besonders geschont werden. Der Sportsgeist der Engländer<br />

sorgt übrigens immer noch dafür, dass Markentreffen<br />

von den teilnehmenden Wagen aus eigener Kraft angesteuert<br />

werden – auch wenn manche von ihnen inzwischen den Gegenwert<br />

von zwei oder drei Einfamilienhäusern darstellen. In<br />

den ersten Jahren dagegen war Geld knapp bei Aston Martin.<br />

Lionel Martin verliess die Marke 1925 nach einer weiteren Firmenpleite,<br />

machte sein Hobby zum Beruf und stieg ins Fahrradgeschäft<br />

ein. Die neuen AM-Besitzer Lord Charnwood, Augustus<br />

Bertelli und William Renwick siedelten die neue Firma Aston Martin<br />

Motors schliesslich in Feltham, Middlesex, an. Man verbaute<br />

inzwischen einen 1,5-L-Motor mit oben liegender Nockenwelle.<br />

Die ab 1929 hergestellten Modelle «International» etablierten damals<br />

bezüglich Strassenlage und Handling den Stand der Technik.<br />

1932 erreichte man in Le Mans den dritten Platz, 1935 reichte<br />

es für einen Sieg in der 1,5-Liter-Klasse. Diese frühen<br />

30er-Jahre brachten berühmte Typen wie Le Mans, Ulster und<br />

Mark II hervor; trotzdem sollte die Firma noch mehrmals den Besitzer<br />

wechseln. Unter Gordon Sutherland wurde 1936 als wichtigste<br />

Neuerung ein Zweilitermotor für die neuen 15/98- und<br />

Speed-Modelle entwickelt. Richtig modern zeigte sich 1939 ein<br />

«Atom» genannter, gedrungener Prototyp mit Space-Frame-artigem<br />

Rahmen, elektrischem Cotal-Getriebe und vorderer Einzelradaufhängung;<br />

dieses Fahrzeug stellte denn auch die technische<br />

Basis der ersten Nachkriegsmodelle dar.<br />

Bis 1939 sind insgesamt nur wenige hundert Aston Martin entstanden.<br />

Die finanzielle Berg-und-Tal-Fahrt führte 1947 dazu, dass die<br />

Firma wieder einmal zum Verkauf stand. Der englische Traktoren-<br />

und Getriebe-Fabrikant David Brown sah eine Anzeige<br />

Series 3, 1934/35 Atom, 1939 2-Litre-Sports, 1948–50 DB2, 1950–53<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 079


Technik-Chef war zu dieser Zeit kein Geringerer als Walter Owen<br />

Bentley, dessen Firma Jahre zuvor von Rolls-Royce übernommen<br />

worden war. W.O. plante einen 2,6-Liter-OHC-Sechszylindermotor<br />

in einem Wagen mit Einzelradaufhängung. Genau so ein Auto<br />

schwebte auch David Brown vor: Das Aggregat trieb sowohl Lagonda-Modelle<br />

der frühen 1950er als auch den neuen Aston<br />

Martin DB2 an – die Initialen gingen natürlich auf den Markenchef<br />

zurück. Noch im Jahr seiner Einführung gewann der DB2 die<br />

Dreiliterklasse in Le Mans. Im ab 1953 angebotenen DB2/4 mit<br />

Mulliner-Karosse wuchs der Hubraum auf 2,9 Liter. Sowohl Aston<br />

Martin als auch Lagonda waren zu dieser Zeit in Hanworth Park,<br />

Feltham, ansässig, doch Brown kaufte noch die Karosseriefabrik<br />

Tickford in Newport Pagnell, Buckinghamshire, dazu. 1954 zogen<br />

auch die beiden Automarken dorthin.<br />

Traktoren-Millionär und Sportwagen-Fan: David Brown (1904–93)<br />

in der «Times», schlug zu – und erwarb noch im gleichen Jahr die<br />

Luxusmarke Lagonda. Diese beiden Firmen bilden bis heute die<br />

Aston Martin Lagonda Ltd.<br />

Lagonda wurde 1898 in Staines von Wilbur Gunn gegründet. Der<br />

war eigentlich Opernsänger, hatte schottische Vorfahren und<br />

stellte zuerst Motorrad-Motoren, dann Dreiräder und schliesslich<br />

Sportwagen her. Auch Lagonda baute luxuriöse und technisch<br />

fortschrittliche Autos, die im Motorsport viele Erfolge einfuhren.<br />

1925 gab es einen Doppelnockenwellen-Zweiliter, der bei hoher<br />

Geschwindigkeit einen Sparsamkeitsrekord aufstellte. 1934 verfügte<br />

Lagonda über einen 4,5-Liter-Sechszylinder und gewann<br />

ein Jahr später in Le Mans. 1937 wurde ein spektakulärer V12<br />

vorgestellt; diverse Designer und Karosseriebauer stellten diese<br />

Autos auf eine Stufe mit Rolls-Royce, Bentley oder Bugatti. Ein<br />

Lagonda V12 war auch der erste Wagen, welcher in Standardausführung<br />

über 100 Meilen pro Stunde schnell war. Vor dem<br />

Krieg war Lagonda also ganz grosses Kino. Der Markenname ist<br />

übrigens ein indianischer Ausdruck aus der Gegend von Springfield/Ohio,<br />

wo es auch einen Lagonda Creek gibt. Das Wort bezeichnet<br />

die Hörner von Böcken und im übertragenen Sinne einen<br />

Strom mit Nebenflüssen wie den besagten Lagonda Creek<br />

– Wilbur Gunn verbrachte dort seine Kindheit.<br />

1957 kam der DB Mark III auf den Markt; er wies eine Heckklappe<br />

auf und war mit Motorsport-erprobten Scheibenbremsen ausgestattet.<br />

Nach wie vor produzierte Aston Martin potente Rennwagen;<br />

allein der wunderschöne DBR1 holte in den späten Fünfzigern<br />

dank Dreiliter-Motor fünf Rundenrekorde in Le Mans; der<br />

grösste Erfolg war 1959 der Gewinn der Sportwagen-Weltmeisterschaft.<br />

Viele berühmte Fahrer wie Moss, Shelby, Trintignant,<br />

Collins, Frère, Clark und andere fuhren Aston Martin; Rennleiter<br />

war zu dieser Zeit ein gewisser John Wyer, der später die Siege<br />

der Ford GT40 und danach die Porsche-917-Equipe managte.<br />

Eine neue Ära brach 1958 mit dem neuen DB4 an, der eine von<br />

Touring in Mailand gezeichnete Karosserie in leichter Superleggera-Bauweise<br />

und einen 3,7-L-Motor aufwies. Es war ein waschechter<br />

GT, der da von 1958 bis ’64 gebaut wurde. Dieses Coupé<br />

teilte sich die Plattform mit einem Exoten, denn sie bildete auch<br />

die Basis für den identisch motorisierten Lagonda Rapide, eine<br />

luxuriöse Limousine, die es zwischen 1961 und ’64 aber lediglich<br />

auf eine Stückzahl von 55 Exemplaren brachte. Es dauerte dann<br />

zehn Jahre, bis wieder ein Lagonda vorgestellt wurde.<br />

Aston Martin zog sich in jenen Tagen aus dem Rennsport zurück<br />

und konzentrierte sich auf die Serienfertigung. Ende 1963 erschien<br />

– mit vier Liter Hubraum und einem Fünfganggetriebe –<br />

der eingangs erwähnte DB5. Aber warum eigentlich James<br />

Bond? Die Filmproduzenten traten damals an Aston Martin heran,<br />

weil 007-Autor Ian Fleming seinen Agenten in späteren Büchern<br />

einen DB Mark III steuern liess. Als 1964 das Buch «Goldfinger»<br />

verfilmt werden sollte, war der aktuelle Aston eben der<br />

DBR1, 1956–59 DB6, 1965–70 DBS, 1967–72 AM V8, 1972–89<br />

080 VECTURA #7


CENTENNIAL<br />

ganz neue DB5… Auch Schauspieler und andere Prominente<br />

begannen anschliessend, sich für die Marke zu interessieren.<br />

Schon bald kam der DB6 – identisch motorisiert, aber mit Kamm-<br />

Heck. Er wurde bis 1969 gebaut; die offene Short-Chassis-Version<br />

nannte sich erstmals «Volante».<br />

Designer William Towns zeichnete im Jahre 1966 den DBS<br />

getauften Nachfolger – und damit eine neue Aston-Martin-Ära.<br />

Der Übergang vollzog sich fliessend, denn der DB6 war drei weitere<br />

Jahre lang im Angebot (zuletzt als Mark II) und verkaufte sich<br />

immer noch gut. Mit dem DBS hatte er nur den Motor gemein;<br />

optisch lagen Welten zwischen beiden Modellen. Das jüngere war<br />

grösser und schwerer, was den Sechszylinder überforderte. Deshalb<br />

entwickelte das Team um Ingenieur Tadek Marek einen 5,3-L-<br />

V8 mit vier oben liegenden Nockenwellen, der 1969 im DBS V8<br />

debütierte. Damals drehte man die Serie «Die Zwei» (The Persuaders)<br />

mit Roger Moore und Tony Curtis. Moore alias Lord Brett<br />

Sinclair fuhr einen bahamagelben DBS, der zwar noch den<br />

Sechszylinder unter der Haube hatte, aber mit seinen Alufelgen<br />

auf V8 machte – der stärkere Motor war noch nicht serienreif.<br />

Derweil kündigten sich weitere Veränderungen an. Der Besitz von<br />

Aston Martin war das Hobby von David Brown – und gleichzeitig<br />

eine schwere Last. Aufgrund dauernder Verluste musste er sich<br />

1972 auf Druck der Aktionäre seiner Firmengruppe von den<br />

Sportwagen trennen. Aston Martin ging wieder einmal durch<br />

mehrere Hände; erst 1987 stabilisierten sich die finanziellen Verhältnisse<br />

mit einer 75-prozentigen Ford-Übernahme. Was sich<br />

indes nie änderte, war die Tatsache, dass Aston Martin immer zur<br />

Sport- und Luxuswagen-Elite gehört hat. Die Autos waren teuer<br />

und sehr individuell, boten aber auch genug Platz für lange Reisen.<br />

Viele Konkurrenten sind dagegen eher knapp bemessene<br />

Zweisitzer gewesen, in die gerade noch eine Golftasche passte.<br />

Ganz anders die komfortablen Autos aus Newport Pagnell – oder<br />

der ab 1976 produzierte Aston Martin Lagonda, eine avantgardistische<br />

Stufenheck-Limousine. Sie war Futurismus in Reinkultur<br />

und begeisterte vor allem arabische Käufer; bis 1990 entstanden<br />

645 Exemplare – es sind die bis heute letzten Lagonda gewesen.<br />

Die robusten V8-Modelle von Aston Martin wurden mit einigen<br />

Retuschen und in verschiedenen Varianten bis 1989 weitergebaut.<br />

Nach wie vor in reiner Handarbeit dengelte man in Newport<br />

Pagnell damals Virage, V8 Coupé und Vantage, dessen 557 PS<br />

starke Basisversion 1999 den Gipfel dieser Baureihen markierte.<br />

Viele Teile- und Einbaukontrollen, die Prüfungen der diversen<br />

Lackschichten plus mehrere Testfahrten mit extra dafür eingebauten<br />

Testsitzen und Testrädern stellten sicher, dass sich jedes<br />

neue Auto auch wie ein Aston anfühlte und fuhr. Selbst der Motorenbau<br />

hatte Manufaktur-Charakter: Nach der Montage und<br />

sorgfältigen Testläufen versahen die Techniker den Ventildeckel<br />

jedes Aggregats mit einem kleinen Messingschild, auf dem ihr<br />

Name stand. Das Werk behielt – wie bei Rolls-Royce und Bentley<br />

– von allen Neuwagen ein Stück Leder und Holz zurück. Im Falle<br />

eines Kratzers verfügte man so über Ersatz gleicher Maserung<br />

oder Zeichnung. Die Innenausstattung eines Astons bestand aus<br />

zehn Häuten, die in der hauseigenen Sattlerei verarbeitet wurden;<br />

auch die meist hochflorigen Wilton-Teppiche hat man vor Ort zugeschnitten,<br />

vernäht und gesäumt.<br />

Die Herstellung eines Wagens nahm drei Monate in Anspruch,<br />

doch die Tage der manuellen Kleinserienproduktion waren<br />

gezählt. Mit solchen Methoden erreichte Aston Martin selten<br />

eine Jahresproduktion von 500 Einheiten – das war zu wenig, um<br />

zu überleben, aber zu viel zum Sterben. Zumal man damals auch<br />

noch vornehme Servicegewohnheiten pflegte: Eine Kundin aus<br />

London hatte mal Motorenprobleme mit ihrer Lagonda-Limousine.<br />

Sie rief bei Aston an und es kam genau jener Techniker vorbei,<br />

der ihren Motor einst gebaut hatte. Der fand den Fehler und behob<br />

ihn vor Ort.<br />

Mit dieser traditionell geprägten Markenphilosophie fuhr Aston<br />

Martin in die 1990er-Jahre, war aber zum Umdenken gezwungen:<br />

Um künftigen Abgas-Bestimmungen in den USA und anderen<br />

Ländern zu genügen, musste mit möglichst geringem Kostenaufwand<br />

ein neues Modell entwickelt werden. Die Lösung<br />

kam mit der Plattform des Jaguar XK8, auf der 1993 ein eleganter,<br />

von Ian Callum gezeichneter DB7 entstand. In der eigens dafür<br />

umgebauten Jaguar-/TWR-Fabrik in Bloxham wurde das Auto<br />

endmontiert. Es wäre verwegen, schon von Fliessbandproduktion<br />

zu sprechen, aber die Stückzahlen des zunächst mit einem<br />

neuen Sechszylinder angetriebenen Coupés schnellten tatsächlich<br />

in die Höhe. Statt der bisher rund 150 Autos pro Jahr verkaufte<br />

man in den späten 90ern schon 600! 1995 kam die Stoffdach-<br />

Variante hinzu, 1999 erhielt der Bestseller sogar ein V12-Triebwerk.<br />

Anno 2000 stieg der Absatz auf das Rekordvolumen von 1000<br />

Autos und noch im Sommer des gleichen Jahres hatte die Aston<br />

Martin Lagonda Ltd. wieder mal einen neuen Chef – den<br />

Lagonda, 1976–89 Virage, 1989–95 DB7, 1994–99 DB7 Zagato, 2002–03<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 081


CENTENNIAL<br />

Lenkte Aston Martin gekonnt in die Neuzeit: Ulrich Bez<br />

Geburtstagsgeschenk: Mit der Roadster-Studie CC100 gewährt die<br />

Marke einen Ausblick auf die Formsprache kommender Baureihen<br />

wichtigsten seit David Brown: Der Vollblut-Ingenieur Ulrich Bez<br />

hatte zuvor in leitender Stellung für Porsche, BMW und Daewoo<br />

gearbeitet und eine klare Strategie: «Es gibt zwei Arten England<br />

– Patchwork – zum Beispiel romantische, aber windschiefe Häuser<br />

– und High Tech, wie es die hier angesiedelten Formel-<br />

1-Teams bieten. Aston Martin kommt von der ersten Seite. Wir<br />

gehen jetzt zur anderen.»<br />

Das konstruktive Rüstzeug für diese ambitionierte Absicht<br />

bildete eine genietete und verklebte Spaceframe-Plattform aus<br />

Aluminium und Karbon, die sich adaptiv verwenden liess und eine<br />

bisher ungekannte Modellvielfalt ermöglichte: Abgesehen vom<br />

Toyota-basierten Luxus-Kleinwagen Cygnet (seit 2011) weisen<br />

alle Aston Martin ab dem 2001 eingeführten damaligen Flaggschiff<br />

Vanquish dieses Konzept auf. Das führte zum neuen Bez-<br />

Claim «Power, Beauty and Soul» und dem gewünschten Wachstum,<br />

welchem 2007 leider auch der angestammte Firmensitz<br />

Newport Pagnell zum Opfer fiel: Heute befindet sich dort nur<br />

noch der Reparaturservice. Schon 2003 bezog das Hauptquartier<br />

einen schicken Neubau in Gaydon, Warwickshire. Die Modellpalette<br />

wurde 2004 um den DB9 erweitert, dann kamen das knackige<br />

Einstiegsmodell V8 Vantage (2005) und ein neuer DBS<br />

(2007). Inzwischen gibt es drei Coupés, zwei Cabrios (Roadster<br />

und Volante) plus verschiedene Sondermodelle und Kleinserien,<br />

einige mit Zagato-Karosserie. Geschicktes Merchandising und<br />

elitäre Kooperationen, etwa mit dem Schweizer Uhrenlabel Jaeger-LeCoultre,<br />

unterstreichen bis heute das Image. Auch der<br />

Rennsport wird unter Bez wieder sehr gepflegt, unter anderem<br />

mit regelmässigen Teilnahmen an Endurance-Veranstaltungen.<br />

Der Name Lagonda wurde bisher nicht wiederbelebt; die seit<br />

2009 angebotene Limousine heisst Aston Martin Rapide. Im gleichen<br />

Jahr wurde lediglich eine klobige Geländewagenstudie auf<br />

Mercedes-Basis mit dem Lagonda-Schriftzug garniert.<br />

Trotz der insgesamt sehr positiven Entwicklung – 2011 erreichte<br />

Aston Martin mit über 4000 Autos einen neuen Absatzrekord –<br />

entschloss sich Ford bereits 2006 zum Rückzug und verkaufte<br />

seine Anteile an ein britisch-arabisches Konsortium unter der Leitung<br />

des ehemaligen Rallye- und F1-Teamchefs David Richards.<br />

Vor wenigen Wochen gesellte sich eine italienische Investmentgruppe<br />

hinzu und es bleibt abzuwarten, wie es weitergeht. Mit<br />

dem Rapide S wurde 2012 eine neue Motorengeneration eingeführt<br />

– nach wie vor kommen alle Acht- und Zwölfzylinder aus<br />

einer Aston-Martin-Fertigung, die sich auf dem Gelände von Ford<br />

Europa in Köln befindet. Fest steht, dass das geflügelte Markenlogo<br />

noch nie so hell strahlte wie heute. Das ist das Verdienst von<br />

Ulrich Bez, der im November 70 Jahre alt wird. Auch die 007-Renaissance<br />

geht auf sein Konto – und die Dienstwagen des Geheimagenten<br />

Ihrer Majestät sind in der öffentlichen Wirkung gar<br />

nicht hoch genug einzuschätzen.<br />

Mehr zum Thema<br />

V12 Vanquish, 2001–07 V8 Vantage, seit 2005 One-77, 2010–12 Rapide, seit 2011<br />

082 VECTURA #7


THE NEW JAGUAR F-TYPE.<br />

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JaguarSchweiz<br />

HOW ALIVE ARE YOU?


084 VECTURA #7


ABGEFAHREN<br />

Cuba<br />

Libre<br />

Wer neben Zigarren auch Oldtimer liebt,<br />

sollte die Karibikinsel besuchen, solange sie<br />

noch vom Castro-Clan regiert wird.<br />

48 000 klassische US-Strassenkreuzer sind<br />

hier im täglichen Einsatz, doch ihr sozialistisches<br />

Reservat ist bedroht<br />

Text Adriano Cimarosti · Fotos Collection Maniago, Robert Waltmann<br />

Im Januar 1959, als der ehemalige Jurist Fidel Castro und seine Gefolgsleute<br />

den bisherigen Präsidenten und Diktator Kubas Fulgencio Batista<br />

endgültig vertrieben hatten und nach Abschluss der «Revolución» ein vollkommen<br />

neues Kapitel in der Geschichte der Insel begann, da zählte man auf<br />

Kuba exakt 180 551 Autos. Es waren vorwiegend amerikanische Modelle, darunter<br />

24% Chevrolet, 16% Ford sowie je 8% Plymouth und Dodge. Heute, nach<br />

rund einem halben Jahrhundert, sollen es noch knapp 50 000 US-Wagen sein.<br />

An die 5000 dieser von den Einheimischen «Almendrones» genannten Detroit-<br />

Veteranen befinden sich in der 2,2-Millionen-Hauptstadt Havanna und gehören<br />

dort selbstverständlich zu den Attraktionen, insbesondere für die Touristen. Die<br />

führen sich für relativ kleines Geld eine Stadtrundfahrt im Strassenkreuzer zu<br />

Gemüte. So gesehen kann man Havanna als Welthauptstadt der Oldtimer bezeichnen.<br />

Die Taxis gehören übrigens dem Staat, so auch das den Bauern «geschenkte»<br />

Kulturland, denn nach wie vor ist Kuba eine sozialistische Republik,<br />

gezeichnet von der Marktwirtschaft.<br />

Wirkt wie eine alte Postkarte, ist aber ein<br />

aktuelles Foto: Strassenszene in Havanna<br />

Handelsblockade der USA Wer nun glaubt, im Nostalgie-Taxi wohlgefedert<br />

über die teilweise recht holprigen Strassen gleiten zu können, wird oft enttäuscht:<br />

Im Verlaufe der Dekaden haben normale Abnützung, improvisierter Service der<br />

mangelhaft ausgerüsteten Garagen und insbesondere der totale Mangel an Ersatzteilen<br />

tiefe Spuren hinterlassen – die USA verhängten 1961 ein Wirtschaftsembargo.<br />

Doch Kubaner behaupten von sich: «Wir finden immer eine Lösung!»<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 085


Besitzer eines Autos zu sein, ist in Kuba übrigens eine Ausnahmeerscheinung<br />

und betrifft weniger als ein Prozent der Bevölkerung.<br />

Es sind geschickte Handwerker, die mit knappen Hilfsmitteln<br />

zu improvisieren verstehen. Man muss übrigens nicht<br />

überrascht sein, wenn der Taxichauffeur plötzlich meint, dass er<br />

an sich diplomierter Arzt sei, aber mit dem Taxi, das zwar der<br />

staatlichen Gesellschaft GranCar gehöre, verdiene er mehr (auch<br />

dank der Trinkgelder) als die rund 30 Euro pro Monat, die ihm als<br />

Mediziner zustünden. Es ist nun auch gut möglich, dass der Wagen<br />

plötzlich bockt und stillsteht, worauf der Driver für einige Minuten<br />

aussteigt, unter der Motorhaube verschwindet und nach<br />

ein paar Minuten mit einem «no problema» wieder seinen Platz<br />

hinter dem Volant einnimmt.<br />

Chevy-Lada oder Studebaker-Moskvitch Dauert der Zwischenstopp<br />

etwas länger und die Passagiere steigen beunruhigt<br />

aus, können sie eventuell überrascht feststellen, dass im Chevrolet<br />

anno 1955 nicht der ihm zustehende V8-Motor steckt, sondern<br />

ein Lada- oder Wolga-Vierzylinder. Kleinvolumigere Ersatzaggregate<br />

werden wegen ihres wesentlich geringeren Verbrauchs<br />

bevorzugt, weil der Treibstoff für Kubaner sehr teuer ist. Besonders<br />

begehrt sind Mercedes-Diesel, aber selbst für eine Einheit,<br />

die bereits viele Kilometer hinter sich hat, müsse man 4000 bis<br />

5000 Dollar bereithalten. Man kann auch einem Studebaker mit<br />

Moskvitch-Motor und Nissan-Scheibenbremsen begegnen.<br />

In den siebziger und achtziger Jahren hat man viele der in Moskau<br />

ausgeleierten Autos noch in Richtung «Perle der Karibik» befördert,<br />

aber nach dem allmählichen Zusammenbruch des befreundeten<br />

Ostblocks versiegte auch diese Quelle. Doch noch immer zirkulieren<br />

zahlreiche der einst in Togliatti produzierten und vom Fiat 124<br />

inspirierten Lada auf Kubas Strassen. Viele dieser kantigen russischen<br />

und weiss gespritzten Fünfplätzer mit der Aufschrift «Patrulla»<br />

werden von der allgegenwärtigen Polizei gefahren.<br />

Als Autolieferant ist China nachgerutscht und auch Korea ist in<br />

das Kuba-Geschäft eingestiegen. Der Neuwagenhandel war übrigens<br />

während eines halben Jahrhunderts verboten; erst 2011<br />

hat man diese Regel gelockert. Seither zirkulieren auch einige<br />

wenige BMW, Mercedes, Audi, VW, Peugeot, Renault oder<br />

Citroën, aber es sind entweder Autos von Diplomaten oder sie<br />

gehören ausländischen Unternehmern. Hie und da trifft man einen<br />

Fiat 126 P, der noch bis 2000 in Polen gebaut wurde.<br />

Export-Verbot Die Auto-Liebe der Kubaner gilt aber ihren alten<br />

Amis und sie erhalten diese auch bei manchmal üppigem<br />

Rost am Leben, solange es geht. Ein Bus-Chauffeur teilte uns<br />

mit, dass die Chinesen bereit wären, zwei neue Wagen aus ihrer<br />

Produktion gegen einen alten Ami einzutauschen, doch die Regierung<br />

in Havanna hat das strikt abgelehnt. Auch wer als Ausländer<br />

glaubt, mit karibischen Oldtimern das grosse Geschäft<br />

086 VECTURA #7


ABGEFAHREN<br />

bildlegende<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 087


088 VECTURA #7<br />

ABGEFAHREN


RUBRIKEN<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 089


090 VECTURA #7<br />

RUBRIKEN


ABGEFAHREN<br />

machen zu können, wird sogleich enttäuscht sein, denn die Autos<br />

dürfen überhaupt nicht ausgeführt werden – sie gelten als<br />

Kulturgut dieses Landes. Es zirkulieren zwar viele schön restaurierte<br />

Exemplare, die beispielsweise für Hochzeiten verwendet<br />

werden – oder für den stilvollen Transport hoher Politiker, die<br />

vom Flughafen zum imposanten «Hotel Nacional de Cuba»<br />

chauffiert werden, wo einst schon die New Yorker Mafia mit<br />

Lucky Luciano oder Vito Genovese an der Spitze zu hausen<br />

pflegte. Im «Nacional» stiegen einst auch Berühmtheiten wie Gary<br />

Cooper, Frank Sinatra, Buster Keaton, Johnny Weissmüller, Tyron<br />

Power, Errol Flynn, Marlene Dietrich, der Boxer Rocky Marciano<br />

oder der gerne bei mehreren Mojitos an der Bar verweilende<br />

Ernest Hemingway ab.<br />

Zurück auf kubanische Strassen: Ein grosser Teil jener Detroiter<br />

Sechs- oder Achtzylinder, die noch nicht durch Einheiten asiatischer<br />

Provenienz ersetzt worden sind, befindet sich heute in heruntergewirtschaftetem<br />

Zustand und würde nach hiesigen Vorstellungen<br />

keine technische Abnahme bestehen. Auch in Kuba<br />

bekommen Autos zwar für die bestandene Kontrolle einen der<br />

begehrten Kleber an die Windschutzscheibe gedrückt. Man erzählt<br />

jedoch, dass es durchaus möglich sei, einen kritischen Kandidaten<br />

mittels einiger zusätzlicher Pesos Cubanos spielend durch<br />

den behördlichen Engpass zu schleusen. Von Abgasvorschriften<br />

ist hier ohnehin keine Rede. Aus der nüchternen Perspektive europäischer<br />

Oldtimer-Sammler wäre eine Totalrestaurierung im Sinne<br />

von «Best of Show» bei vielen Exemplaren kaum noch zu verantworten,<br />

denn die Wertzunahme würde die anfallenden Kosten einer<br />

rigorosen Verjüngungskur niemals decken.<br />

Von wegen klassenlos Im heutigen Strassenbild Kubas fällt<br />

auf, dass Autos mit verschiedenfarbigen Kontrollschildern unterwegs<br />

sind. Schwarz ist für Diplomaten, Weiss für Minister,<br />

Gelb für Privatleute, Blau für Taxis und Staatsbedienstete, Grün<br />

für das Verteidigungsministerium, Rot für Touristen und Orange<br />

für ausländische Unternehmer, welche in Joint Ventures investieren<br />

wollen. Jeder weiss also gleich, mit welcher Gattung<br />

Mensch er es zu tun hat.<br />

Kubas erster Pw tauchte 1898 auf, nachdem man die Spanier<br />

aus dem Land vertrieben hatte. Der Spanier José Munoz hatte<br />

das französische Modell – die Marke ist uns leider nicht bekannt<br />

– ins Land gebracht. Im Rahmen des Karnevals bestand das Vehikel<br />

seine Premiere vor dem einheimischen Volk mit Bravour,<br />

obgleich es bloss zehn Stundenkilometer schnell war. Unter<br />

Oberaufsicht der USA wurde Kuba 1902 zur Republik, die neue<br />

Verfassung ermöglichte jedoch den Vereinigten Staaten ein unbeschränktes<br />

Interventionsrecht. 19<strong>13</strong> tauchte der erste Ford T,<br />

zwei Jahre danach der erste Chevrolet auf. Letzterer sollte es zur<br />

beliebtesten Marke bringen; Louis Chevrolet himself hat zwischen<br />

1920 und 1924 mit den von ihm konstruierten Frontenac auf Kuba<br />

Rennen bestritten. 1916 hatte Ford bereits eine Vertriebsorganisation<br />

auf der ganzen Insel aufgebaut.<br />

Im Verlaufe der Jahre wurde Kuba zum Ferienparadies der Amerikaner,<br />

zumal es auch nur 90 Meilen von Florida entfernt liegt. Das<br />

Nachtleben in Havanna blühte, es entstanden von amerikanischen<br />

Mafiageldern finanzierte Spielkasinos, viele US-Bürger liessen<br />

sich in luxuriösen Villen nieder. 1940 kam Fulgencio Batista auf<br />

den Präsidentenstuhl und pflegte die Beziehungen zu den USA<br />

mehr denn je. Amerikanische Autos standen hoch im Kurs.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 091


ABGEFAHREN<br />

Im Dezember 1956 wurde im Stadion von Havanna gar eine gross<br />

angelegte Präsentation amerikanischer Modelle des Jahrgangs<br />

1957 inszeniert, 40 000 Zuschauer wohnten der Show bei. Etwa<br />

zeitgleich landete Fidel Castro zusammen mit dem einstigen argentinischen<br />

Arzt Ernesto «Che» Guevara nach mexikanischem<br />

Exil und in Begleitung von 80 Aufständischen mit der Motoryacht<br />

«Granma» auf Kuba – es war der Beginn des Guerillakriegs.<br />

In den 1950er-Jahren standen<br />

US-amerikanische Neuwagen<br />

bei den Kubanern hoch im Kurs.<br />

Dann kamen Che und Fidel…<br />

Fangios Entführung Kaum einer weiss noch, dass der Motorsport<br />

auf Kuba politisch instrumentalisiert worden ist. Von 1957<br />

bis 1960 gab es viermal einen Grand Prix von Kuba, der für<br />

Sportwagen ausgeschrieben war. Der 5,5 Kilometer messende<br />

Circuit bestand teilweise aus der berühmt-breiten Küstenstrasse<br />

Malecón, die auch an der Bucht Havannas vorbeiführt. Der Grand<br />

Prix 1958 war auf den 23. Februar terminiert und prominent<br />

besetzt: Juan Manuel Fangio und Caroll Shelby jeweils auf<br />

Maserati 450 S, Stirling Moss auf Ferrari 315, Masten Gregory auf<br />

Ferrari 375 plus und Wolfgang von Trips auf Ferrari 315 S zählten<br />

auf der Teilnehmerliste zu den grossen Protagonisten, wobei<br />

Fulgencio Batista allein für Fangio 7000 Dollar als Gage hinblätterte.<br />

Diese «Geldverschwendung» ärgerte den Rebellen Castro<br />

so sehr, dass er Fangio kidnappen liess und am Rennwochenende<br />

in einer Luxusvilla gefangen hielt. Man wollte Batista damit<br />

092 VECTURA #7


RUBRIKEN<br />

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094 VECTURA #7


ABGEFAHREN<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 095


ABGEFAHREN<br />

den renommiertesten Star entreissen und dem verhassten Diktator<br />

damit die Show stehlen. Amüsante Anekdote am Rande: Auf<br />

dem Weg ins Weekend fuhr einer der Entführer noch schnell bei<br />

sich zu Hause vorbei, um seiner Frau und seinem Vater den fünffachen<br />

Weltmeister vorzustellen. Fangio wurde sehr gut behandelt;<br />

nach 28 Stunden war er wieder frei und man teilte der argentinischen<br />

Botschaft mit, wo man den Campionissimo abholen<br />

könne. Die Tat der Rebellen erregte weltweit grosses Aufsehen.<br />

Bei dem von Dilettanten organisierten Rennen dagegen – die Fahrer<br />

mussten ihre privaten Stoppuhren zur Verfügung stellen, um die<br />

Zeitnahme zu ermöglichen – gab es schon nach fünf Runden einen<br />

schweren Unfall, als der Kubaner Armando Cifuentes mit seinem<br />

Ferrari 250 Testa Rossa auf dem Platz gleich hinter dem «Hotel<br />

Nacional» ins Publikum schleuderte und dabei fünf Menschen ums<br />

Leben kamen. Schrecklich. Rote Flaggen, Rennabbruch – Masten<br />

Gregory und Stirling Moss lagen zu diesem Zeitpunkt vorne und<br />

teilten sich das Preisgeld. Die letzte Auflage des Grand Prix von<br />

Kuba lief wie erwähnt 1960 und es gewann wieder Stirling Moss,<br />

diesmal auf einem Maserati T61 «Birdcage». Lang ist’s her.<br />

Kuba bietet heute ein vielschichtiges Bild: In den Städten stehen<br />

Prachtbauten des Klassizismus, des Empire sowie des Jugendstils<br />

neben baufälligen, bröckelnden und teilweise noch bewohnten<br />

Rui nen, in welchen grosse Armut vorherrscht. Neuere Aussenquartiere<br />

sind von Plattenbauten geprägt. Trinkwasser ist manchmal<br />

knapp und es gibt auch einen Riesenbedarf an öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln: Entlang grosser Strassen trifft man immer wieder<br />

auf Menschengruppen, die – bewacht von einem Beamten in gelber<br />

Uniform – mit Geldscheinen winken und damit um eine Mitfahrgelegenheit<br />

bitten, wobei Autofahrer von Amtes wegen verpflichtet<br />

sind, den oder die Anhalter mitzunehmen, sofern genügend Platz<br />

im Wagen vorhanden ist. Viele Nutzfahrzeuge sind mit Holzbänken<br />

ausgerüstet, auf denen die Passagiere eng zusammengedrängt<br />

reisen und sich dabei lautstark unterhalten.<br />

Veränderungen in Sicht Kubaner sind fröhliche Leute, die<br />

Musik lieben, vor allem Salsa, Mambo oder Rumba. Die meisten<br />

von ihnen müssen mit einem kargen Lohn über die Runden kommen.<br />

Medizinische Versorgung und Schulen bis hinauf zur Universität<br />

sind zwar gratis, aber schwer haben es die Menschen<br />

allemal. Es gibt kaum Wohlstand. Auf der Strasse bettelt eine alte<br />

Frau um ein cuc (Peso) oder um ein Stück Seife für die Grosskinder,<br />

gebettelt wird sogar um einen Kugelschreiber, der in der<br />

Schule gebraucht werde. Lebensmittel wie Reis, Eier, Fisch oder<br />

Fleisch sind teilweise rationiert. Der sieche Gesundheitszustand<br />

von Fidel Castro und die desolaten Staatsverhältnisse nähren<br />

derweil bei vielen die Hoffnung, dass demnächst alles besser<br />

werden wird und Kuba sich vom Kommunismus lossagen kann.<br />

Dann kämen Coca-Cola und McDonald’s – und auch Chevy-<br />

Ersatzteile. Ob Letzteres dem Charme der kubanischen Kisten<br />

tatsächlich förderlich ist, bleibt abzuwarten. So makaber es klingen<br />

mag: Es sind gerade der Mangel und die Improvisationskunst,<br />

welche diese Autos so einzigartig machen.<br />

Mehr zum Thema<br />

096 VECTURA #7


Mitsubishi Premiere<br />

All-New OUTLANDER mit<br />

innovativen Assistenzsystemen.<br />

Abb.: Outlander DID Navigator eAssist<br />

Weltpremiere: ab September<br />

auch als 4WD Plug-in Hybrid<br />

Mitsubishi präsentiert die 3. Generation des erfolgreichen<br />

Outlander: leichter, sparsamer, hochwertiger, sicherer und noch<br />

familienfreundlicher. All-Wheel Control 4WD mit Eco-Mode,<br />

5 oder 7 Sitze, variabler Laderaum bis 1’735 Liter, innovative<br />

Assistenzsysteme eAssist (Adaptiver Tempomat, City-Notbrems-<br />

Assistent, Spurhalte-Assistent), 5-Stern-Euro-NCAP-Test, neue<br />

Benzin-/Dieselmotoren mit Stopp-Start-Automatik, 2-Zonen-Klimaanlage,<br />

Smart Key, Wide-Vision Xenon, Touchscreen Navigation.<br />

All-New Outlander 4WD ab CHF 34’999.–*, 2WD für CHF 29’999.–*<br />

www.mitsubishi-motors.ch<br />

* BEST OFFER Nettopreise inkl. Swiss CashBonus CHF 1’000.–. Normverbrauch 2.2 DID/150 PS, 6-Gang: 5.5 l/100 km, 144 g/km CO 2 , Kategorie B. CO 2 -Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 153 g/km


RUBRIKEN<br />

Erfolgreich<br />

durchgeboxt<br />

1923 stellte BMW die Motorradwelt<br />

mit einem Zweizylinder-Boxer-Modell<br />

auf den Kopf. 90 Jahre später liefert<br />

die modernste Ausbaustufe dieses<br />

Konstruktionsprinzips immer noch<br />

viel Dampf. Ein Ende der Erfolgsgeschichte<br />

ist derweil nicht in Sicht:<br />

Wir verbeugen uns mit einem Rückblick<br />

– und der Aussicht auf kommende<br />

Maschinen<br />

Text Markus Schmid · Fotos Werk<br />

098 VECTURA #7


CHRONIK<br />

Das Frontprofil ist unverkennbar. Über dem Rundscheinwerfer<br />

ist ein Lenker und darunter, gleich hinter<br />

dem Vorderrad, ragen waagerecht zwei dicke<br />

Beulen hervor – die Zylinder eines Boxermotors.<br />

Es gibt nur einen Motorradhersteller, der so etwas baut. Die<br />

BMW-Boxermaschinen knattern seit nunmehr 90 Jahren durch<br />

alle Welt – weil es inzwischen so viele gibt, aber auch, weil sie fast<br />

unzerstörbar sind. Das Fahrgefühl ist ebenso einzigartig wie die<br />

Optik, ganz besonders bei den älteren Jahrgängen. Und das liegt<br />

vornehmlich am Rückdrehmoment, das sich besonders gut im<br />

Leerlauf erfahren lässt: Bei diesem Phänomen drückt sich die<br />

ganze Maschine bei jedem Gasstoss von innen an den rechten<br />

Oberschenkel und wackelt dabei mit ihren Zylindern im Takt.<br />

Geschuldet ist diese indiskrete Annäherung den Massen einer<br />

längs liegenden Kurbelwelle und deren Schwungmasse. Diese<br />

konstruktive Auslegung sorgt auch dafür, dass die Hinterhand<br />

einer Boxer-BMW anders als bei anderen Töff beim entschlossenen<br />

Gasgeben erheblich aus den Federn steigt und beim Gaswegnehmen<br />

absackt. Bei Modellen vor Baujahr 1987 ist der Effekt<br />

dramatisch: Wer das Phänomen nicht kennt, wird in jeder<br />

Kurve von anderen Zweirädern abgehängt, während die eigene<br />

Kiste bereits mit allen Anbauteilen auf der Fahrbahn schleift. Merke:<br />

Offenes Gas in der Kurve ist hier gleichbedeutend mit massiv<br />

erhöhter Schräglagenfreiheit, also Kurvenspeed.<br />

1987 lancierte BMW aus diesem Grund den sogenannten Paralever<br />

– eine Parallelogramm-artige Abstützung des Kardans, der<br />

ein zweites Kreuzgelenk vor dem Kegelradgetriebe des Hinterrads<br />

erhielt. Der Paralever reduzierte das Phänomen des steigenden<br />

Hecks beim Gasgeben massiv und machte so das Fahrverhalten<br />

neutraler. Neukunden freute es, altgediente Fahrensleute<br />

trauerten dem verlorenen Vorsprung nach.<br />

Als Motorrad-Testfahrer habe ich in den 80er- und 90er-Jahren<br />

Dutzende BMW-Boxer bewegt. Dabei ist immer der gleiche Eindruck<br />

geblieben: Keine dieser Maschinen glänzte in ihrem Segment<br />

mit einer Top-Motorleistung – aber immer mit einer ab<br />

Standgas druckvollen und im normalen Strasseneinsatz perfekt<br />

abrufbaren Power in genau jenem Drehzahlbereich, der Sinn<br />

machte. Anders formuliert: Was nützt dir das Einliter-Superbike<br />

mit 180 PS bei <strong>13</strong> 000 Touren, wenn du dauernd mit 3000 bis<br />

6000 unterwegs bist und der Rennmotor dort ein Leistungsloch<br />

hat? Genau in diesen Bereichen produziert ein BMW-Boxer seine<br />

besten Durchzugswerte!<br />

Es sind diese Eigenarten, welche eine Boxer-BMW so einzigartig<br />

machen. Deren Geschichte reicht weit an die Anfänge des Herstellers<br />

zurück. Der 6. März 1916 gilt zwar als Geburtstag der Firma<br />

BMW – in knapp drei Jahren wird also ganz gross aufgetischt.<br />

Hervorgegangen ist das Unternehmen jedoch aus der 19<strong>13</strong> gegründeten<br />

«Rapp Motorenwerke GmbH» und der «Gustav Otto<br />

Flugmaschinenfabrik» – den Namen «Bayerische Motoren Werke<br />

GmbH» trug die Firma erst ab 1917, zur AG wurde sie 1918. Von<br />

der Fliegerei blieb das weissblaue Emblem, das einen rotierenden<br />

Propeller stilisiert. Tatsache ist auch, dass am Ende des Ersten<br />

Weltkrieges die Nachfrage für die vorher so begehrten<br />

Erster Boxermotor: der M2B 15 von 1921<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 099


CHRONIK<br />

Die frühen Jahre: BMW R32 von 1923<br />

Flugmotoren schlagartig zusammenbrach. Wollte BMW überleben,<br />

musste man sich zwangsläufig nach anderen Geschäftsfeldern<br />

umsehen. Unter anderem stellten die Bayern 1920 einen von<br />

dem genialen Flugzeugmotorenkonstrukteur Max Friz gezeichneten<br />

Zweizylinder-Boxermotor, den M2B 15, her und verkauften ihn<br />

an Motorradmarken wie Helios. Dort baute man die Kurbelwelle<br />

quer ein, was wegen der liegenden Zylinder einen extrem langen<br />

Rahmen bedingte. Die Helios wurde so zur unfahrbaren Krücke.<br />

BMW entschloss sich schliesslich dazu, selbst ganze Motorräder<br />

herzustellen – und zwar gute, verkäufliche. Für den Autosalon Paris<br />

1923 konstruierte Friz unter Zeitdruck eine komplette Maschine,<br />

die revolutionäre R32. Sie wurde zur konstruktiven Sensation.<br />

In ihrem Doppel-Stahlrohrrahmen hing – Novum bei einem Motorrad<br />

– der Boxermotor, aber nun mit längs liegender Kurbelwelle<br />

und zwei quer zur Fahrtrichtung angeordneten Zylindern, die<br />

so optimal vom Fahrtwind gekühlt wurden. Hinter dem angeblockten,<br />

handgeschalteten Dreiganggetriebe führte – bei der<br />

Längskurbelwelle eigentlich logisch, aber zuvor von niemandem<br />

erkannt oder umgesetzt – eine Kardanwelle zum Hinterrad. Das<br />

bereits in diesem ersten Modell realisierte Prinzip wurde zur prägenden<br />

Konstante in der Geschichte der Motorrad-Antriebstechnologie<br />

von BMW. Der seitengesteuerte Viertakt-Twin leistete aus<br />

494 ccm und einem quadratischen Bohrungs-Hub-Verhältnis bei<br />

3200/min solide 8,5 PS. Die R32 wog fahrfertig 122 Kilo, lief<br />

100 Stundenkilometer Spitze und kostete 2200 Reichsmark. Baldige<br />

Renneinsätze bewiesen, was das Bike draufhatte – von Anfang<br />

an war es für Siege gut.<br />

In München ruhte man sich aber nicht auf den Lorbeeren aus.<br />

Schon 1925 folgte das Sportmodell R37 mit damals einzigartigen<br />

Aluminium-Zylinderköpfen und Stossstangen-betätigten, hängenden<br />

Ventilen über Stahlzylindern. Der Boxermotor lieferte jetzt<br />

schon 16 PS bei 4000/min – und wurde 1928 für die neue R62 auf<br />

745 Kubik aufgestockt. Ergebnis: 18 PS bei entspannten 3400<br />

Touren. 1929 entwarf BMW für die R63 erstmals einen Kurzhubmotor,<br />

der 24 PS bei 4000/min mobilisierte und für Rekordfahrten<br />

eine Kompressor-Aufladung erhielt. Auf einer solchen Maschine<br />

stellte Ernst Henne noch im gleichen Jahr mit 216,8 km/h den<br />

ersten von insgesamt 76 neuen Geschwindigkeitsweltrekorden<br />

bis 1937 auf.<br />

Die Zeichen standen derweil auf Fortschritt: Bei der ab 1929 gebauten<br />

R16 führte BMW 1932 die Zweivergaser-Technik ein.<br />

Fahrwerksseitig wurde der gelötete Rohrrahmen in den Modellen<br />

R12 und R17 ab 1934 von einem Pressstahlkonstrukt abgelöst.<br />

1935 erhielten dieselben Modelle anstelle der zuvor üblichen<br />

Auslegefeder eine Rennsport-erprobte, hydraulisch gedämpfte<br />

Teleskopgabel. 1936 erfolgte in der neuen R5 die Einführung von<br />

kettengetriebenen, oberhalb der Kurbelwelle platzierten Nockenwellen<br />

und eines Vierganggetriebes mit Fussschalthebel. 1938<br />

stellte man mit der neuen R51 die vorher im Geländesport getestete<br />

Geradweg-Hinterradfederung vor. Unterdessen hatte man<br />

ausschliesslich für den Rennsport den vielleicht legendärsten<br />

Boxer-Twin entwickelt – es war der Kompressor-fähige RS-Motor<br />

mit Königswellenantrieb für die Zweiventilköpfe, doch dann erzwang<br />

der Zweite Weltkrieg eine Entwicklungspause.<br />

Jahre später grub man die Konstruktion aber wieder aus und baute<br />

ein paar Dutzend Motoren – jetzt ohne Kompressor, da die Reglements<br />

inzwischen jede Aufladung verboten. Die Triebwerke<br />

wurden an Werk- und Privatfahrer verteilt und errangen im Gespann-Sport<br />

von Anfang der 1960er bis 1972 praktisch jeden<br />

WM-Titel. Schon 1952 hatte BMW die R68 herausgebracht, deren<br />

Boxer aus knapp 600 Kubik starke 35 PS bei 7000/min schöpfte<br />

– es war die erste BMW mit einer Top Speed von 160 km/h, was<br />

für die Marktakzeptanz eminent wichtig gewesen ist. Und 1955<br />

feierte schliesslich das Vollschwingen-Fahrwerk in den Modellen<br />

R50 und R69 Premiere: Statt Teleskopgabel und Geradwegfederung<br />

kamen eine geschobene Langschwinge vorn und eine<br />

Zweiarmschwinge hinten zum Einsatz, was für zuvor nie gekannten<br />

Fahrkomfort sorgte. Die Kardanwelle war nun erstmals in den<br />

Schwingenholm integriert. 1960 wurde mit der R69 S (für Sport)<br />

der bisherige Schwingsattel durch eine Sitzbank ersetzt, was<br />

auch den Komfort spürbar verbesserte.<br />

1969 debütierte schliesslich die Baureihe /5 – und brachte eine<br />

komplette Revision des Boxers mit sich, die bis 1993 stilprägend<br />

sein sollte. Dessen konstruktive Kennzeichen waren die unterhalb<br />

der Kurbelwelle und Zylinder platzierten Nockenwellen und Stösselstangen.<br />

Zugleich gab es das Comeback einer weiterentwickelten<br />

Teleskopgabel. Als weitere Neuheit verwendete man fortan<br />

einen grundsoliden Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen mit<br />

ovalem Rohrquerschnitt. Die R75/5 erhielt Gleichdruckvergaser,<br />

welche Ansprechverhalten und Laufkultur verbesserten, sowie<br />

einen E-Starter.<br />

1973 brachte die Baureihe /6 und mit ihr eine Hubraumerhöhung<br />

auf 898 ccm sowie den Wechsel vom Vier- zum Fünfganggetriebe.<br />

Die BMW R90 S wiederum war das weltweit erste Grossserienmotorrad<br />

mit einer lenkerfest montierten Verkleidung – ein Meilenstein<br />

in der Geschichte der aerodynamischen Optimierung.<br />

Noch konsequenter wurde die Windkanal-Forschung bei der 1976<br />

zusammen mit der Baureihe /7 präsentierten BMW R100 RS umgesetzt,<br />

war sie doch das international erste Serienmotorrad mit<br />

Vollverkleidung. Mittlerweile bot der um weitere 4 Millimeter aufgebohrte<br />

Boxer knapp einen Liter Hubraum und 70 PS.<br />

1980 definierte BMW nach dem ersten Sieg an der Rallye Paris–<br />

Dakar mit der speziell aufgebauten Geländesportmaschinen<br />

100 VECTURA #7


Biker-Romantik: Postkarte aus den 1930er-Jahren<br />

Senior Tourist Trophy 1939 auf der Isle of Man:<br />

Es siegt Georg Meier auf seiner Kompressor-BMW<br />

Sommer 1953: eine R51/3 in den Schweizer Bergen<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 101


Einsatzbereit: Schweizer Polizei 1954 auf R51/3-Dienstmaschinen…<br />

auf Basis der R75/5 ein neues Motorradsegment – gerade noch<br />

rechtzeitig, denn die Bayern hatte sich lange auf ihren Lorbeeren<br />

ausgeruht und waren von den Japanern rechts überholt worden,<br />

dazu kam ein schwacher Dollarkurs. Das erste Serienmodell, die<br />

BMW R80 G/S (für Gelände/Strasse, nicht Geländesport!), sollte<br />

sich über die Jahre hunderttausendfach verkaufen und dabei immer<br />

den grössten verfügbaren Boxermotor erhalten. Sie trug<br />

auch die erste Einarmschwinge im Motorrad-Grossserienbau,<br />

was weitere Vorteile brachte: weniger Gewicht, sensibleres Ansprechen<br />

der Hinterradfederung, einfacher Radwechsel.<br />

1993 kam mit der R1100 RS ein komplett neu konstruierter Boxer-<br />

Twin. Dieser Motor wies jetzt einen Hubraum von 1085 ccm, Vierventilzylinderköpfe,<br />

dazu seitlich hoch liegende Nockenwellen,<br />

Saugrohr-Einspritzung und einen Dreiwege-Katalysator auf. Sein<br />

Block fungierte jetzt ausserdem als komplett tragendes Teil,<br />

Front- und Heckrahmen waren an ihm verschraubt. Eine revolutionäre<br />

Novität stellte auch die Vorderradführung mittels «Telelever»<br />

dar – eine Kombination aus Teleskopgabel und Dreieckslenker.<br />

Dank dieser Lösung liessen sich die Aufgaben von<br />

Radführung und Dämpfung trennen. In den folgenden Jahren bis<br />

1997 hat BMW den Boxer-Hubraum weiter bis auf 1170 Kubikzentimeter<br />

aufgestockt. Die potenteste Version erschien 2007 in<br />

Form der HP 2 Sport mit je zwei oben liegenden Nockenwellen<br />

pro Zylinder – und einer Höchstleistung von <strong>13</strong>3 PS bei 8750/min.<br />

Die Boxer-Entwicklung und -Geschichte ist damit noch lange<br />

nicht zu Ende. Für den Jahrgang 20<strong>13</strong> brachte BMW in der<br />

… im Wallis während den späten 1950ern mit einer R50…<br />

102 VECTURA #7


CHRONIK<br />

BMW und andere Motorkonzepte Bis 1982 war<br />

klar: Ein Boxer-Zweizylinder-Viertaktmotor gehört zur Marke.<br />

Dennoch hatte BMW zwischen 1925 und ’66 auch Einzylinder-<br />

Viertakter im Programm (von 1925 bis ’27 den Typ R39; von<br />

1931 bis ’40 die Typen R2, R3, R4, R20 sowie R23 und von 1948<br />

bis ’66 die Typen R24 bis R27). Auf der Suche nach neuen Käufern<br />

führte man 1983 die K100 mit wassergekühltem Reihenvierzylinder-Viertakter<br />

ein – und mit dem ein Allerwelts-Motorkonzept.<br />

Etwas Besonderes wollte man sich trotzdem erhalten. Also<br />

baute man ihn längs liegend in den Brückenrahmen ein, woraufhin<br />

die Engländer den leicht spöttischen Kosenamen «flying<br />

brick» (fliegender Ziegelstein) erfanden. Seither wurden neben<br />

den traditionellen Boxer-Twins und wieder aufgenommenen Einzylindern<br />

auch weitere Reihenmotoren mit zwei, drei, vier und<br />

sechs Zylindern produziert. ms<br />

… und Anfang der 1960er auf einer vollverkleideten R60 in Basel<br />

Supersportlich, teilverschalt und heute wieder gefragt: R90 S, hier der Jahrgang 1975<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 103


Chronik<br />

neuesten Version der BMW R1200 GS einen total überarbeiteten<br />

Boxermotor heraus, der nicht mehr eine Öl-Luftkühlung, sondern<br />

eine Flüssigkeitskühlung der Zylinder aufweist. Dieser Wechsel ist<br />

nicht ausschliesslich dem thermischen Haushalt, sondern mindestens<br />

ebenso einer besseren Dämpfung der mechanischen<br />

Geräusche geschuldet.<br />

Das Jahr 20<strong>13</strong> steht ganz im Zeichen des 90-jährigen Boxer-Geburtstags.<br />

Schon im Winter wurden die R1200 R, R1200 GS Adventure<br />

und R1200 RT als Jubiläumseditionen mit schwarzer Lackierung,<br />

goldenen Bremssätteln und einer «90 Jahre Boxer<br />

Sondermodell»-Plakette lanciert. Ohne grosse Werbung hat<br />

BMW allein in der Schweiz 200 Stück verkauft – wer noch eine<br />

haben möchte, sollte sich beeilen.<br />

Zog BMW Motorrad 1980 aus der Krise: die Reiseenduro R80 G/S<br />

Zuletzt liess der Hersteller bei Roland Sands, dem aktuellen US-<br />

Custom-Papst, eine Designstudie zum 40sten Geburtstag der<br />

Ikone R90 S anfertigen. Das Bike nennt sich «Concept Ninety», ist<br />

in Daytona-Orange gehalten und sieht ebenso böse wie reduziert<br />

aus. Wir vermuten, dass es nicht das einzige Boxer-Modell im<br />

Retro-Stil bleiben wird. Was natürlich bleibt, ist das unverkennbare<br />

Frontprofil…<br />

Mehr zum Thema<br />

Cafe Racer im Retro-Look: Die «Concept Ninety» wurde im Frühling präsentiert<br />

104 VECTURA #7


DER NISSAN 370Z NISMO.<br />

PERFORMANCE ENTFESSELT.<br />

344 PS (253 kW). Von 0 – 100 in 5.2 Sekunden. Und das ab<br />

Fr. 64 300.–, inkl. Gratis-Rennfahrerlizenz-Lehrgang. Hört<br />

sich gut an? Dann solltest du erstmal seinen Motor aufheulen<br />

hören – und erleben, wie es sich anfühlt, ihn zu fahren. Bist du<br />

bereit für die Herausforderung? Dann erlebe die Power von<br />

Nismo. Jetzt entfesselt im 370Z. Infos auf www.nissan.ch.<br />

NISSAN 370Z Nismo, 3.7 l V6, 344 PS (253 kW), Gesamtverbrauch l/100 km: kombiniert 10.6; CO2-Emissionen kombiniert: 248 g/km; Energieeffi zienz-Kategorie: G. Durchschnittswert CO2-Emissionen<br />

der Personenwagen in der Schweiz: 153 g/km.


Comeback des<br />

Stufenhecks<br />

Ein Rucksack auf dem Rücken galt einst als spiessig. doch jetzt wird diese<br />

Karosserieform neu entdeckt, wie ein ZEHN aktuelle Beispiele zeigen<br />

Text Stefan Lüscher · Fotos Werk<br />

Grosse Limousinen weisen in der Regel ein klassisches Stufenheck<br />

auf. Dreibox-Design nennt sich das in der Fachsprache – es beschreibt<br />

Motorraum, Fahrgastzelle und Kofferraum. Dieses Layout<br />

hat spätestens seit Erfindung der selbsttragenden Karosserie Tradition,<br />

insbesondere eben bei grösseren, meist konservativ geformten<br />

Fahrzeugen. Bei Kompakt- und Kleinwagen geniesst der<br />

horizontale Kofferraumdeckel in unseren Breitengraden dagegen<br />

wenig Zuspruch. Weltweit gesehen ist diese Spezies allerdings<br />

stark verbreitet; auch in Europa geniesst die Bauform in bestimmten<br />

Regionen grosse Beliebtheit: Spanien, Griechenland und Russland<br />

sind Stufenheckländer. Dort werden mitunter auch Modelle<br />

angeboten, die es bei uns gar nicht gibt. Schweizer bevorzugen<br />

fünftürige Schrägheck-Limousinen oder SUV mit Heckklappen,<br />

hinter denen variable Laderäume stecken. Geht es nach der aktuellen<br />

Modellpolitik vieler Hersteller, sollen sich solche Vorlieben aber<br />

bald ändern. Verkauft wird uns das unter anderem als eine Art Gegentrend<br />

zu den voluminösen Blechschachteln, kurz: den Minivans.<br />

Kompakt-Limousinen sehen klar besser aus – vor allem, wenn sie<br />

auf 19- und noch mehr Zoll-Felgen stehen. Aber reicht das zum<br />

Erfolg? Oder ergeht es den Newcomern wie einst dem VW Jetta<br />

(oder Bora), welche hier nie Standing Ovations bekamen? Urteilen<br />

Sie selbst!<br />

Audi A3<br />

Nach dem Dreitürer und dem fünftürigen Sportback legt Audi den<br />

A3 erstmals als Sedan mit vier Türen auf. Der wurde für China<br />

entwickelt, wird ab Spätsommer aber auch bei uns angeboten.<br />

Dank elegant geschwungener Dachlinie ist er neun Millimeter flacher<br />

als seine Schwestermodelle, überragt den Sportback mit<br />

seiner Länge von 4,46 Meter um ganze 15 cm. Der Kofferraum<br />

fasst 425 Liter, eine Durchladeöffnung schafft zusätzlichen Platz.<br />

Technisch lehnt sich die Kompakt-Limo an ihre bekannten A3-<br />

Geschwister an. Die Motoren (vier Benziner, drei Diesel) leisten<br />

105 bis 184 PS, es gibt Vorder- oder Allradantrieb und den 300 PS<br />

starken S3 quattro als Krönung. Die Preise stehen noch nicht fest.<br />

BMW 3er<br />

Der 3er ist ein Klassiker, sein Stufenheck längst etabliert. Warum<br />

das so ist? Weil es immer gut aussieht! Das aktuelle Modell ist die<br />

sechste Generation, misst in der Länge 4,63 Meter und ist Hauptkonkurrent<br />

von Audi A4 und Mercedes C-Klasse. Das Kofferraumvolumen<br />

beträgt 480 Liter. Nebst traditionellem Hinterradantrieb<br />

steht auch Allradantrieb zur Wahl, der bei BMW xDrive heisst. Die<br />

Motorenpalette umfasst Benziner und Diesel mit 143 bis 306 PS,<br />

dazu kommt der Active Hybrid 3 mit einer Systemleistung von<br />

340 PS. Die Preise beginnen bei 46 800 Franken. Auf den 420 PS<br />

starken M3 müssen Limo-Kunden inzwischen verzichten – es gibt<br />

ihn nur noch als Coupé und Cabrio. Der 3er ist die aktuell kleinste<br />

BMW-Limousine; die aktuell zweite 1er-Reihe wird es frühestens<br />

2015 mit Stufenheck geben.<br />

106 VECTURA #7


showroom<br />

Chevrolet Cruze<br />

Der gefällige Amerikaner wird in Südkorea gebaut und ist technisch<br />

mit dem Opel Astra verwandt. Die viertürige Version misst in<br />

der Länge 4,61 Meter und verfügt über einen Kofferraum mit 450 L<br />

Inhalt, der sich mittels Durchladeöffnung erweitern lässt. Als Antriebsquelle<br />

für die Vorderräder stehen beim Sedan vier Triebwerke<br />

mit 124 bis 163 PS zur Wahl. Optional können die Topmotorisierungen<br />

mit einem Sechsstufenautomaten kombiniert werden.<br />

Das Auto bietet keine aufregenden Features, aber vielleicht ist<br />

gerade das seine Stärke. Die Preisspanne reicht von 19 400 bis<br />

31 500 Franken.<br />

Lexus IS<br />

Eigenständig ist der Lexus IS auch in der nunmehr dritten Modellgeneration<br />

geblieben: Es gibt ihn ausschliesslich als Stufenheck-<br />

Limousine, neu aber auch mit Vollhybrid-Antrieb. Ein Elektromotor<br />

mit 106 kW (143 PS) unterstützt den Vierzylinder-2,5-Liter-Benziner<br />

mit 181 PS; als Systemleistung können 223 PS mobilisiert<br />

werden. Alternativ ist der IS auch als reiner Benziner mit 209 PS<br />

erhältlich. Der auf 4,67 Meter Länge gewachsene Viertürer bietet<br />

deutlich mehr Platz als der Vorgänger. Der Kofferraum fasst 480<br />

Liter, beim Hybrid sind es 450. Der IS 250 kostet ab 46 900 Franken,<br />

das Hybridmodell IS 300h ab 48 900 Franken.<br />

Mercedes CLA<br />

Dieser Benz ist ein Schönling mit ganz besonderer Anziehungskraft.<br />

Technisch basiert er auf dem neuen Kompaktmodell A-Klasse,<br />

optisch orientiert er sich aber frech an der erfolgreichen Coupé-Limousine<br />

CLS. In der Länge wurde er zur A-Klasse um 34 cm<br />

auf 4,63 Meter gestreckt – bei identischem Radstand von 2,7 Meter.<br />

Das Gepäckabteil fasst 470 Liter. Als Antriebe stehen zwei<br />

Diesel mit <strong>13</strong>6 und 170 PS sowie drei Benziner mit 122, 156<br />

und 211 PS zur Wahl. Angetrieben werden die Vorderräder. Die<br />

Preise beginnen bei 43 900 Franken. Im Spätsommer folgt der<br />

CLA 45 AMG 4Matic mit 360 PS und Allradantrieb.<br />

Renault Fluence<br />

In unseren Breitengraden tritt dieser Franzose höchst selten auf.<br />

Denn während er in Osteuropa und der Türkei mit diversen Verbrennungsmotoren<br />

angeboten wird, gibt es ihn in der Schweiz ausschliesslich<br />

in der Modellvariante Z.E. mit Elektroantrieb. Der leistet<br />

71 kW, die Batterien mit ihrer Kapazität von 22 Kilowattstunden<br />

ermöglichen nach Werk eine Reichweite von 185 Kilometer, was in<br />

der Praxis rund 120 km entspricht. Der geräumige Fronttriebler gefällt<br />

durch Unauffälligkeit. Er ist 4,75 Meter lang, sein Kofferraum<br />

fasst 315 Liter. Der Preis: ab 30 600 Franken plus Batteriemiete.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 107


showroom<br />

Skoda Rapid<br />

Viel Platz, bezahlbare und moderne Technik vom Volkswagen-<br />

Konzern sowie ein solides, zeitloses Design – das ist der Skoda<br />

Rapid, das tschechische Schwestermodell des Seat Toledo. Wie<br />

dieser überzeugt er auf einer Länge von 4,48 Meter mit einem<br />

überdurchschnittlich grossen Laderaum, der ebenfalls 550 bis<br />

1490 Liter schluckt. Beladen lässt sich der als klassisches Stufenheckmodell<br />

getarnte Rapid wie das Seat-Pendant über eine weit<br />

öffnende, optisch geschickt kaschierte Heckklappe. Die Motoren<br />

(drei Benziner, ein Diesel) leisten 86 bis 122 PS, ab 17 490 Franken<br />

geht es los.<br />

Subaru Impreza<br />

Echten Kultstatus geniesst die auf vielfachen Kundenwunsch wieder<br />

ins Repertoire aufgenommene Sportlimousine WRX STi. Der<br />

4,42 Meter lange Viertürer verfügt über einen 420 L grossen Laderaum<br />

(Hatchback: 380 L). Wichtiger dürften vielen WRX-STi-Fans<br />

aber der grosse, charakteristische Heckflügel – eine Reminiszenz<br />

an einstige Rallyeerfolge – und das unwiderstehliche Temperament<br />

sein. Ein 2,5-Liter-Turboboxer mit tiefem Schwerpunkt generiert<br />

bissige 300 PS und 407 Nm, die nach Art des Hauses permanent<br />

auf alle vier Räder übertragen werden. Ab 45 100 Franken ist<br />

man dabei – so viel Leistung gibt es nirgends günstiger!<br />

Suzuki Kizashi<br />

Das mit 4,65 Meter Länge noch kompakte Stufenheckmodell<br />

überrascht, weil es von einem Klein- und Geländewagen-Spezialisten<br />

gebaut wird. Das tut seiner Attraktivität aber keinen Abbruch.<br />

Der viertürige Japaner überzeugt durch modernes Design,<br />

Eigenständigkeit und einen Laderaum mit 460 Liter Fassungsvermögen.<br />

Der Kizashi kann wahlweise als Allrad-Limousine mit optionalem,<br />

stufenlosem CVT-Getriebe oder reinem Frontantrieb<br />

bestellt werden. Als Kraftquelle kommt ein durchzugsstarker<br />

2,4-Liter-Benziner mit 178 PS zum Einsatz. Besonders attraktiv<br />

sind die Schweizer Sondermodelle «Sergio Cellano». Kostenpunkt:<br />

ab 35 990 Franken.<br />

Volvo S60<br />

Der emotional gestylte Schwede versteckt seine Gesamtlänge<br />

von 4,63 Meter in einer Coupé-haften Erscheinung: Das Stufenheck<br />

verschwindet fast in der elegant abfallenden Dachlinie, fasst<br />

aber brauchbare 390 Liter und bietet eine zusätzliche Durchlademöglichkeit.<br />

Das Motorenangebot ist üppig: Zur Wahl stehen jeweils<br />

vier Vierzylinder-Turbobenziner und Fünfzylinder-Turbodiesel,<br />

die zwischen 115 bis 304 PS leisten. Ausserdem kann man<br />

zwischen Front- und Allradantrieb sowie manuellen und automatischen<br />

Sechsganggetrieben wählen. Die Preise beginnen bei<br />

38 600 Franken.<br />

108 VECTURA #7


HAT KANTEN, LIEBT KURVEN.<br />

DER NEUE CADILLAC ATS.<br />

CADILLAC ATS<br />

NORTH AMERICAN CAR<br />

OF THE YEAR 20<strong>13</strong><br />

Der charakterstärkste und fahraktivste Herausforderer<br />

in der Premium-Mittelklasse seit Langem.<br />

Cadillac ATS 2,0 l Turbo, 4-Türer, 1998 cm 3 , 203 kW/276 PS. Offizieller<br />

Kraftstoffverbrauch (l/100 km): 8,6 l bis 8,2 l; offizielle spezifische CO 2 -<br />

Emission (g/km): 199 g bis 191 g. Effizienzklasse: G bis F. Die durchschnittliche<br />

CO 2 -Emission aller in der Schweiz verkauften Neuwagen beträgt 153 g/km.<br />

WWW.CADILLACEUROPE.COM/ATS


Über Sportcoupés<br />

zur Limousine<br />

110 VECTURA #7


Historie<br />

Ende der 1960er-Jahre standen zahlungskräftige Kunden in Modena Schlange<br />

für ein Auto, das nach einem heissen Wüstenwind benannt war. Anfang<br />

der Neunziger lebte die Bezeichnung wieder auf, ab kommendem Herbst<br />

schmückt sie eine weitere Baureihe. Wir präsentieren die Modellgeschichte<br />

des Maserati Ghibli<br />

Text Dieter Günther · Fotos Werk, Archiv Günther<br />

Der Dreizack zählte stets zum erlesenen Kreis italienischer<br />

Supersportwagen. 1914 von den Maserati-<br />

Brüdern Alfieri, Bindo, Ernesto und Ettore in Bologna<br />

gegründet und 1937 in das Industrie-Imperium der Orsis eingegliedert,<br />

etablierten seit 1926 reinrassige Rennwagen wie<br />

der legendäre 250F, auf dem Juan Manuel Fangio 1957 Weltmeister<br />

wurde, den Ruf der inzwischen in Modena ansässigen<br />

Edelschmiede – in VECTURA #2 haben wir bereits ausführlich<br />

darüber berichtet. Doch nicht nur auf der Rennstrecke sorgte<br />

Maserati für Aufsehen, sondern auch mit kostbaren, hochkarätigen<br />

Sportwagen. Wie eben dem Ghibli.<br />

Diese hinreissende Schöpfung debütierte im Herbst 1966 auf<br />

dem Turiner Salon und fesselte das Publikum sofort. Aus welcher<br />

Perspektive man das rassige Coupé auch betrachtete – es faszinierte<br />

mit seiner streng geometrischen, ebenso aggressiven wie<br />

harmonischen Linienführung. Den Ruhm für diesen brillanten<br />

Entwurf durfte Ghia in Turin für sich beanspruchen, wenngleich er<br />

jenem jungen Mann gebührte, der damals als Chefdesigner bei<br />

dem italienischen Karosseriebetrieb wirkte – Giorgio Giugiaro.<br />

Zum noblen Äusseren des Zweisitzers passte das geräumige Interieur,<br />

wo reichlich Leder, ein üppig bestücktes Armaturenbrett<br />

mit dem Maserati-üblichen Haltegriff sowie ein eher zierliches,<br />

höhenverstellbares Holzlenkrad auf den Fahrer warteten.<br />

Wer probegesessen und einen letzten Blick auf die wundervolle<br />

Ghibli-Aussenhaut geworfen hatte, würde sich nun der technischen<br />

Auslegung zuwenden. Und vermutlich eine Enttäuschung<br />

erleben, denn der Maserati gab sich stockkonservativ. Dass sein<br />

Motor vorne lag, mochte noch angehen; dass er aber mit einer<br />

starren Hinterachse daherkam und die sich auch noch an Blattfedern<br />

abstützte, konnte Sportwagen-Kenner schon irritieren.<br />

Auch beim Preis langte Maserati kräftig zu. In der Schweiz schlug<br />

der Ghibli 1967 mit 65 500 Franken zu Buche, er war damit gut<br />

10 000 Franken teurer als ein Ferrari 275 GT/B4. Dennoch gönnten<br />

sich solvente Sportwagen-Liebhaber auf der ganzen Welt einen<br />

Maserati Ghibli – wie etwa Henry Ford II. In diesen Preisregionen<br />

wurde nun mal anders gekauft als in der Mittelklasse.<br />

Zumal die übrige Technik begeisterte. Das Triebwerk des Ghibli<br />

ging auf den Maserati 450 S zurück, einen der furiosesten Rennsportwagen<br />

der Nachkriegszeit. Mit diesem Geschoss, das aus<br />

4,5 Liter Hubraum über 400 PS mobilisierte, wollte Maserati 1957<br />

die Sportwagen-Weltmeisterschaft gewinnen – und scheiterte<br />

knapp und tragisch. Beim letzten und entscheidenden Rennen<br />

am 3. November in Caracas eliminierten sich die beiden verbliebenen<br />

Werk-Maserati gegenseitig: Joakim Bonnier im 300 S und<br />

sein Team-Gefährte Schell im schnelleren 450 S kollidierten; beide<br />

mussten das Rennen beenden. Immerhin besass Maserati<br />

Damals hochmodern: Klappscheinwerfer<br />

Klare Sache: schnörkelloses Heck<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 111


Meisterhaft: der erste Giugiaro-Entwurf<br />

Bezaubernd:<br />

Spyder offen…<br />

… und mit Hardtop<br />

112 VECTURA #7


Historie<br />

nun einen atemberaubenden Motor, der nicht nur für den Rennsport<br />

weiterentwickelt wurde. So kam der (natürlich modifizierte)<br />

V8 – übrigens der erste Maserati-Achtzylinder nach dem Kriege<br />

– zunächst im 5000 GT zum Einsatz, einem Sportwagen von allerhöchster<br />

Klasse. Etwas ziviler ging es mit dem Quattroporte,<br />

dem Mexico und eben dem Ghibli weiter. Ähnlich lang wie der<br />

Stammbaum dieses Triebwerks ist die Liste seiner Konstrukteure.<br />

Sie beginnt 1952, als der berühmte Gioacchino Colombo (vorher<br />

bei Alfa Romeo und Ferrari tätig) Maserati-Chefkonstrukteur<br />

wurde. Dieser Herr soll die Idee zu einem entsprechenden Entwurf<br />

gehabt und sogar schon mit zwei Vierzylinder-Blöcken herumexperimentiert<br />

haben. Allerdings sollte sein Gastspiel bei Maserati<br />

von nur kurzer Dauer sein, ebenso wie das seines<br />

Nachfolgers Vittorio Bellentani, der das Projekt fortführte. Als er<br />

von Giulio Alfieri abgelöst wurde, konnte dieser auf entsprechende<br />

Ausarbeitungen Bellentanis zurückgreifen und die Aufgabe zu<br />

Ende führen. Schliesslich sei noch der legendäre Guerrino<br />

Bertocchi erwähnt, der schon 1926 zu Maserati kam und hier als<br />

Chef-Tester, Werkstatt-Meister und guter Geist für alles wirkte.<br />

Imponierend waren nicht nur die Eckdaten, sondern auch der<br />

Aufbau des Achtzylinders. Gründlich überarbeitet, leistete er im<br />

intern Tipo 115 genannten Ghibli mindestens 310 PS, die bei<br />

5500 Touren anfielen. Für die Steuerung der V-förmig hängenden<br />

Ventile sorgten je zwei oben liegende Nockenwellen pro Zylinderreihe,<br />

die ihrerseits über Ketten von der vierfach gelagerten Kurbelwelle<br />

angetrieben wurden. Zylinderblock und -kopf bestanden<br />

aus Leichtmetall, nasse, also auswechselbare Laufbüchsen erleichterten<br />

Motorüberholungen, und für die Aufbereitung zündfähigen<br />

Gemischs standen nicht weniger als vier Weber-Doppelvergaser<br />

bereit. Trockensumpfschmierung mit separatem<br />

Behälter (daher der flache Vorderbau!) und ein relativ niedriges<br />

Verdichtungsverhältnis von 8,8:1 waren weitere Merkmale dieses<br />

auch optisch wunderschönen Motors, der noch einen weiteren<br />

Vorteil besass: Er galt als ausgesprochen robust! Damit erreichte<br />

ein 1969 getestetes Coupé die Höchstgeschwindigkeit von<br />

275 km/h – ein absoluter Traumwert, der selbst Jahre später<br />

noch zu einem Spitzenplatz unter den Schnellsten der Schnellen<br />

gereicht hätte. Selbst bei hohen Tempi vermittelte der Ghibli ein<br />

bemerkenswertes Gefühl der Sicherheit. Was massgeblich an<br />

der aufwendigen Bremsanlage lag, die mit vier Scheibenbremsen,<br />

einem ausgeklügelten, servounterstützten Zweikreissystem<br />

sowie je zwei Bremssätteln vorne operierte. Allerdings: Wer mit<br />

dem Ghibli schnell sein wollte, musste zupacken können – die<br />

Bedienung von Bremse, Kupplung und Lenkung erforderte Kraft.<br />

Aber die Zeit blieb nicht stehen, auch für den Ghibli nicht. Zumal<br />

die Konkurrenz in Maranello ebenfalls nicht schlief… Um die (für<br />

einen Supersportwagen) hohen Verkaufszahlen zu halten, musste<br />

sich Maserati etwas einfallen lassen. Das war auch den<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 1<strong>13</strong>


Verantwortlichen klar. Also beauftragten sie Ghia, dem Coupé<br />

eine Offen-Version zur Seite zu stellen - ein Wunsch, den man in<br />

der Turiner Via Agostino da Montefeltro gerne erfüllte. So konnte im<br />

November 1968 der entzückten Öffentlichkeit der Ghibli Spyder<br />

präsentiert werden. Er stand, wie sich das für ein italienisches<br />

Auto damals gehörte, wieder auf dem Turiner Salon und schien<br />

wie die Verkörperung des Traums vom sonnigen Süden. Dass<br />

seine Linienführung nicht so harmonisch und ausgewogen wie<br />

die des Coupés wirkte, liess sich angesichts des gebotenen<br />

Frischluft-Vergnügens verschmerzen. Sogar ein Hardtop konnte<br />

ab Werk geliefert werden.<br />

Trotzdem: Obwohl sich der Ghibli gut verkaufte, stellte sich die<br />

finanzielle Situation des Unternehmens düster dar. Vater und<br />

Sohn Orsi, denen bekanntlich Maserati gehörte, entschlossen<br />

sich jedenfalls, Firmenanteile an Citroën zu veräussern: Insgesamt<br />

sollte der französische Hersteller bis Ende der 1960er-Jahre<br />

60 Prozent des Maserati-Kapitals halten. Dass sich so manche<br />

italienische Nobelmarke in einer ähnlichen Situation befand und<br />

auch Ferrari etwa gleichzeitig seine Unabhängigkeit verlor, dürfte<br />

ein nur schwacher Trost gewesen sein.<br />

Um den Absatz – mit Blickrichtung auf den immer noch lukrativen<br />

US-Markt – anzukurbeln, tat die Firmenleitung etwas Ungewöhnliches,<br />

zumindest für einen Hersteller von Supersportwagen: Maserati<br />

führte ein automatisches Getriebe ein! Wem die serienmässige<br />

ZF-Fünfgangschaltung zu viel Arbeit machte, konnte seinen<br />

Ghibli nun mit einer Borg-Warner-Box und – wenn schon, dann<br />

gleich richtig – einer Servolenkung (ebenfalls von ZF) ordern. Allein<br />

mit der Erhöhung des Bedienungskomforts mochte sich freilich<br />

niemand in Modena zufriedengeben. Folglich machte sich<br />

Chefingenieur Giulio Alfieri an die Arbeit und vergrösserte, dank<br />

einer anderen Kurbelwelle, den Ghibli-Hubraum auf 4,9 Liter. Viel<br />

änderte sich dadurch in Sachen PS-Leistung nicht: Das nun<br />

115/49 genannte Triebwerk mobilisierte 335 PS, die nach wie vor<br />

bei 5500 U/min anlagen; auch das maximale Drehmoment wuchs<br />

nur bescheiden: Statt 441 Newtonmeter bei 4000/min bot der<br />

Neuling nun 480 Nm bei gleicher Drehzahl. Eingeführt wurde diese<br />

Änderung Anfang 1970. Sie bescherte dem Ghibli, der nun die<br />

Zusatzbezeichnung 5000 SS trug, aber auch geänderte Ausstattungs-Details<br />

wie etwa ein bedienungsfreundlicheres Armaturenbrett,<br />

bei dem die Kippschalter ersetzt worden waren – eine Modifikation,<br />

die auch dem 4,7-L-Modell zugutekam.<br />

Zu diesem Zeitpunkt spielte der Ghibli schon nicht mehr die entscheidende<br />

Rolle bei Maserati. Einerseits arbeitete man an einem<br />

Frontmotor-Nachfolger, der als Khamsin 1972 auf dem Turiner Salon<br />

seine Aufwartung machen und kurz darauf in Serie gehen sollte.<br />

Andererseits stand das Bora genannte Mittelmotor-Coupé kurz<br />

vor seiner Vollendung. Vive la France – es lebe das Citroën-Kapital!<br />

So kam es, dass der Ghibli bis 1973 gebaut wurde. Dann stellte<br />

Maserati die Produktion dieses herrlichen Sportwagens ein – etwa<br />

zum gleichen Zeitpunkt, als Ferrari den 365 GT/B in Pension<br />

schickte. Sogar die Produktionszahlen dieser beiden sich in vielen<br />

Punkten ähnelnden Hochkaräter entsprachen sich weitgehend:<br />

Während Ferrari 1412 Exemplare (davon 127 Spider) verkaufte,<br />

konnte Maserati 1122 Coupés und 125 Spyder absetzen. Womit<br />

bewiesen ist, dass es nicht immer zwölf Zylinder sein müssen!<br />

Für einen guten Ghibli<br />

werden längst stolze<br />

Preise bezahlt<br />

114 VECTURA #7


Historie<br />

Weniger heiss, aber sehr erfolgreich:<br />

Maserati Ghibli II<br />

(1992–’97)<br />

Maserati liess den klangvollen Modellnamen im November<br />

1992 auferstehen und präsentierte einen<br />

neuen Ghibli, dessen Fertigung schon wenig später<br />

anlief. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Argentinier Alejandro<br />

de Tomaso, ein seit Jahrzehnten in Italien lebender Entrepreneur<br />

und Ex-Rennfahrer, bei Maserati das Sagen – noch. De<br />

Tomaso, der unter eigenem Namen Sportwagen baute, hatte<br />

die exklusive Manufaktur 1975 übernommen, auf industrielle<br />

Produktionsweise getrimmt und mit dem 1982 vorgestellten<br />

Biturbo vor dem Ruin gerettet. Als zwei- und viertürige Limousine<br />

sowie als Spyder erwies sich diese sportlich-elegante<br />

Baureihe als Zugpferd, das der Marke mit dem Dreizack<br />

bisher nie gekannte Produktionszahlen bescherte. Und<br />

die geschärften Varianten Karif und Shamal zeigten, dass<br />

das Biturbo-Thema genug Raum für noch aufregendere Variationen<br />

liess.<br />

Jetzt, Ende 1992, war die Luft raus, befanden sich die Produktionszahlen<br />

im Sturzflug. Nicht unerwartet zog sich Alejandro de<br />

Tomaso zurück, dafür übernahm Fiat 1993 die Aktienmehrheit an<br />

Maserati. In dieser kritischen Situation erschien also der neue<br />

Ghibli, der als knapp 260 km/h schnelles Sportcoupé mit vier<br />

Sitzen gekonnt Stilmerkmale des Biturbo und des Shamal verknüpfte.<br />

Zunächst ausschliesslich mit einem dank zweier Turbolader<br />

305 PS starken Zweiliter-V6, Katalysator und Fünfgang-<br />

Schaltgetriebe am Start, ergänzte im Jahr darauf eine (nicht auf<br />

allen Märkten verfügbare) 2,8-L-Version das Programm, die<br />

280 PS leistete und wahlweise mit einem manuellen Sechsgangoder<br />

einem automatischen Getriebe geliefert werden konnte. Sogar<br />

eine eigene Rennserie gab es, den Ghibli Open Cup, aus dem<br />

ein besonders dynamisches, Ghibli Cup genanntes Sondermodell<br />

für den alltäglichen Strassenverkehr entwickelt wurde. Obwohl<br />

streng genommen eine Notlösung, schlug sich der 1994<br />

satte 99 500 Franken teure Ghibli tapfer: Bis 1997 entstanden<br />

knapp 2200 Exemplare. Chapeau!<br />

Mehr zum Thema<br />

Sommer 20<strong>13</strong><br />

115


RUBRIKEN<br />

Alternative<br />

für Geniesser<br />

Mit dem sechsten und über 5,25 Meter langen Quattroporte<br />

spricht Maserati vorwiegend US- und asiatische Käufer an. Umso wichtiger<br />

wird für Europa ein neues Modell, das Sportlichkeit und<br />

Raumangebot auf attraktive Weise zu kombinieren versteht.<br />

Wir präsentieren – Ghibli den Dritten<br />

Text Matthias Pfannmüller · Fotos Werk


Vorstellung<br />

Standortbestimmung:<br />

Obwohl knapp fünf Meter lang,<br />

spricht der Hersteller von seiner<br />

«ersten mittelgrossen Sport-Luxuslimousine»<br />

Die Schlichtheit der Modellbezeichnung täuscht: Eine<br />

Luxuslimousine einfach «Viertürer» zu nennen, hat<br />

aber weniger mit Pragmatismus denn vorsichtiger<br />

Bescheidenheit zu tun. Denn als Maserati 1963 und damit vor<br />

genau 50 Jahren den ersten Quattroporte vorstellte, waren<br />

die Claims in der automobilen Oberklasse weitgehend abgesteckt.<br />

Teutonische S-Klassen, nebelfeuchte Silver Cloud<br />

oder Continental und – vielleicht noch – transatlantische de-<br />

Ville machten das Buhlen um besonders solvente wie anspruchsvolle<br />

Kunden unter sich aus. Einen repräsentativen<br />

Wagen aus Italien hatte es dagegen seit den 1940er-Jahren<br />

nicht mehr gegeben: Isotta Fraschini war Geschichte, der De<br />

Tomaso Deauville folgte erst acht Jahre später.<br />

Umso mehr Beachtung fand der viertürige Maserati, und die<br />

Erwartungen wurden nicht enttäuscht – sportlich war er, gut<br />

verarbeitet und komfortabel dazu. Allein die Stückzahlen blieben<br />

bescheiden, was aber weniger am Auto, sondern der damaligen<br />

wirtschaftlichen Situation unserer südlichen Nachbarn<br />

gelegen hat. Im Ausland galt der 4porte zunächst als Exot,<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 117


Vorstellung<br />

was sich im Laufe der vier folgenden Modellgenerationen aber ändern<br />

sollte. Seit Anfang Jahr gibt es nun eine sechste Auflage und<br />

die ist deutlich grösser und teurer als ihre Vorgänger. Damit positioniert<br />

sich die Fiat-Tochter geschickt oberhalb von Audi, BMW,<br />

Jaguar, Lexus und Mercedes, aber auch unterhalb von Bentley<br />

oder Rolls-Royce. In dieser Lücke hofft man auf mehr Volumina,<br />

und das vorrangig in Asien, wo Chauffeur-Limousinen besonders<br />

gefragt sind. Maserati hat ambitionierte Ziele: Bis 2015 will man jährlich<br />

50 000 Autos verkaufen. Zum Vergleich: 2012 lieferte man 6288<br />

Fahrzeuge aus, was einer Steigerung von zwei Prozent gegenüber<br />

dem Vorjahr entspricht. Um die Vorgabe zu erreichen, muss also<br />

mit grosser Kelle angerührt werden, und gross sind die Modeneser<br />

Modelle inklusive Gran Tourismo und Gran Cabrio allemal.<br />

In Europa tut sich damit eine Lücke auf – und die soll ab September<br />

eine mit 4,97 Meter Länge etwas kompaktere Stufenheck-Limousine<br />

schliessen, die Ende April auf dem Salon in<br />

Shanghai präsentiert wurde. Ihr Name ist exklusiver als der des<br />

Quattroporte: Ghibli wird sie heissen und damit bezieht man<br />

sich auf elitäre Vorfahren (siehe Seite 110). Intern spricht man<br />

also vom Ghibli III, und dessen Stahlkarosserie wartet trotz insgesamt<br />

klassischer Maserati-Linien mit markanten Gesichtszügen<br />

oder sehnig akzentuierten Flanken auf. Damit ist schon<br />

rein optisch ein Statement zum eher barocken 4porte gesetzt,<br />

was sportive Käufer zusätzlich locken dürfte. Die italienische<br />

Grandezza wurde im hauseigenen Centro Stile entworfen – und<br />

fährt der Phalanx der genannten Rivalen auch technisch in die<br />

Parade. Als Kraftquelle fungieren nämlich hochmoderne<br />

118 VECTURA #7


Wie man es von Maserati erwartet,<br />

bietet auch der neue Ghibli einen opulenten Innenraum<br />

mit viel Leder und allerhand Komfort-Features<br />

V6-Biturbomotoren mit jeweils drei Liter Hubraum und Stopp-<br />

Start-System – zwei Benziner (330/410 PS sowie 500/550 Nm)<br />

oder ein Selbstzünder mit 275 PS und besonders sattem Drehmoment<br />

von 600 Nm. Es handelt sich dabei um den ersten<br />

Diesel der Markengeschichte: Das Common-Rail-Aggregat<br />

wurde unter der Leitung des früheren Ferrari-Motorenkonstrukteurs<br />

Paolo Martinelli entwickelt und soll bei aller Kraft besonders<br />

sparsam sein; der Hersteller verspricht einen Durchschnittsverbrauch<br />

von unter sechs Liter auf 100 Kilometer – und<br />

kernigen Klang mittels «Active Sound System», welches sich<br />

per Sport-Taste in der Mittelkonsole variieren lässt.<br />

Alle neuen Ghibli entsprechen technisch weitgehend dem aktuellen<br />

Quattroporte, verfügen also über eine ZF-Achtstufenautomatik<br />

und Heckantrieb. Das Topmodell Ghibli S kann wahlweise mit<br />

einem Q4 genannten adaptiven Allradantrieb geordert werden.<br />

Letzterer verteilt die Kraft situativ von 0:100 bis zu 50:50 auf Vorder-<br />

und Hinterräder, die in den Dimensionen 19, 20 oder 21 Zoll<br />

verfügbar sind. Dank besserer Traktion beschleunigt die Q4-Modellvariante<br />

in 4,8 Sekunden auf 100 km/h; der kleinere Benziner<br />

schafft das in 5,6, der Diesel in 6,3 Sekunden. Als Topspeed gibt<br />

das Unternehmen 263 km/h für die Basis, 284 km/h für den<br />

Ghibli S (Q4: 284) und 250 Stundenkilometer für den Turbodiesel<br />

an. Üppig dimensionierte Scheibenbremsen verzögern nachhaltig;<br />

selbst der 1870 Kilo schwere Ghibli S Q4 steht aus Tempo<br />

100 schon nach 36 Meter. Ausserdem ist der Ghibli das einzige<br />

Fahrzeug dieses Segments, das serienmässig über ein mechanisches<br />

Sperrdifferential verfügt.<br />

Über die Preise will Maserati erst nach Redaktionsschluss informieren.<br />

Fest steht bereits, dass die Topversion unter 100 000<br />

Franken kosten soll. Das legt einen Einstieg um 85 000 Franken<br />

nahe, womit sich der Italiener sehr kompetitiv gibt und als günstigster<br />

aller Maserati antritt. Trotzdem darf ruhigen Gewissens<br />

davon ausgegangen werden, dass in puncto Ausstattung auf<br />

nichts verzichtet werden muss. Das Cockpit ist bewusst fahraktiv<br />

gestaltet, ohne auf die Insignien der Oberklasse zu verzichten.<br />

Auch das Innenraumangebot steht dank einem Radstand von<br />

knapp drei Meter dem von S-Klasse und Co in nichts nach. Das<br />

Kofferraumvolumen beträgt 500 Liter.<br />

Auf die Performance des Ghibli darf man also gespannt sein –<br />

sowohl fahrdynamisch als auch bei den Verkaufszahlen. Uns gefällt<br />

der Italiener gut, weil er die Traditionsmarke in die richtige<br />

Richtung führt. Denn bei dieser dritten Baureihe wird es angesichts<br />

der Absatzplanung kaum bleiben: Im Gespräch ist unter<br />

anderem ein edler Ableger des kommenden Alfa Romeo C4, mit<br />

dem Maserati auch jüngere Kunden ansprechen würde.<br />

Mehr zum Thema<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 119


120 VECTURA #7


perspektive<br />

La dolce vita<br />

Ja, auch Maserati wird 100 Jahre alt, allerdings erst ende 2014.<br />

Gefeiert wird aber schon diesen Herbst in Montreux: Infos zu einem<br />

Marken-Event der Dreizack-Klasse<br />

Text Simon Baumann<br />

Sonnenstrahlen glitzern im Wasser. Verdi-Klänge wabern<br />

über den Parkplatz; ab und zu werden sie von<br />

trockenen Gasstössen unterbrochen. So ungefähr darf<br />

man sich vorstellen, was vom 19. bis 22. September in Montreux<br />

passiert. Dann nämlich lädt der Maserati Club Schweiz<br />

als saisonaler Gastgeber zur «Maserati International Rally»<br />

(www.mir20<strong>13</strong>.ch), die jährlich an verschiedenen Orten ausgetragen<br />

wird und 2012 in Belgien stattfand. Die kommende<br />

Spätsommer-Veranstaltung wird vom Werk sowie weiteren<br />

Sponsoren unterstützt und ist etwas Besonderes, bildet sie<br />

doch den Auftakt zum «Centenario», dem 100. Geburtstag der<br />

italienischen Traditionsmarke. Ergo gibt es ein attraktives Rahmenprogramm,<br />

und dazu passt auch das Motto der Veranstaltung<br />

«99 Years of Passion».<br />

Maserati – das ist Rennsport, Lebensart und natürlich Bella Italia.<br />

Der seit nunmehr 20 Jahren zum Fiat-Konzern zählende Hersteller<br />

hat sich für die Zukunft viel vorgenommen (siehe Seite 118). So gilt<br />

es nicht nur die Vergangenheit zu zelebrieren, sondern auch in die<br />

Zukunft zu schauen: Neben 120 Renn- und Serienfahrzeugen aller<br />

Epochen wird der neue Ghibli in Montreux zu sehen sein; Probefahrten<br />

sind ebenfalls möglich.<br />

Austragungsort der Rally ist das Fünfsterne-Hotel Fairmont Palace,<br />

welches auch über eine grosse Tiefgarage verfügt. Eingeladen sind<br />

Modelle sämtlicher Baujahre und -reihen sowie OSCA und sonstige<br />

Hybride, die Maserati-Gene in sich tragen und aus ganz Europa<br />

erwartet werden. Einzige Bedingung: Jedes teilnehmende Fahrzeug<br />

muss für den Strassenbetrieb zugelassen, verkehrstauglich<br />

und ausreichend versichert sein. Auch lehnen die Veranstalter jegliche<br />

Verantwortung oder Haftung ab, aber das ist üblich bei derartigen<br />

Anlässen.<br />

Programm MIR 20<strong>13</strong><br />

19. bis 22. September in Montreux<br />

Donnerstag<br />

> Ankunft der Teilnehmer im Fairmont Le Montreux Palace<br />

> Ab 19 Uhr Drinks, Dinner und Briefing im Hotel<br />

Freitag<br />

> Autotour durch die Romandie<br />

> Besuch eines Uhrenherstellers im Jura;<br />

> Mittagessen vor Ort<br />

> Rückfahrt<br />

> Schweizer Abend in einem nahegelegenen Château<br />

(Shuttle ab/an Hotel)<br />

Samstag<br />

> Ausfahrt durch die Berge des Kantons Waadt<br />

> Lunchstopp auf dem Col des Mosses<br />

> Ab <strong>13</strong>:30 Concours d’Elégance<br />

auf dem Marktplatz von Montreux<br />

> Ab 19:30 Gala-Dinner mit Preisverleihung<br />

und Überraschungsgästen im Hotel<br />

Sonntag<br />

> Frühstück und individuelle Heimreise<br />

> Optionale Aktivitäten<br />

Schon jetzt steht fest, dass es sich um ein herausragendes Treffen<br />

handeln wird, das die gesamte Markengeschichte abbildet. Hingehen<br />

lohnt sich also; das Zuschauen, Staunen und Fotografieren ist<br />

gratis. Anders für die Teilnehmer: Das komplette Wochenend-Paket<br />

kostet pro Person ab 2150 Franken und beinhaltet neben der standesgemässen<br />

Unterkunft auch Verpflegung und Getränke; die<br />

meisten Plätze waren bei Redaktionsschluss schon vergeben. Was<br />

bleibt zu sagen? Bienvenue à Montreux!<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 121


oldtimer<br />

Party<br />

time<br />

Partyti<br />

Jeden Sommer versammeln sich<br />

viele Menschen an illustren Orten,<br />

um ihrer Liebe zum Automobil Ausdruck<br />

zu verleihen. Den Auftakt<br />

machen traditionell Villa d’Este<br />

und Mille Miglia, dann geht es<br />

Schlag auf Schlag bis in den Herbst.<br />

Wir huldigen diesen besonderen<br />

Motor-Momenten mit dem Ausblick<br />

auf herausragende Events, die<br />

man einmal besucht haben sollte<br />

Text map · Fotos Dermo S. Kane, Andy Mettler, Gabriele Spalluto, map<br />

Ob in den Alpen oder an der Küste, ob Europa oder<br />

Übersee: Die Oldtimer-Begeisterung kennt keine<br />

Grenzen. Allen Restriktionen und Ausgrenzungen<br />

zum Trotz ist unser liebstes Fortbewegungsmittel immer noch<br />

für Besucherrekorde gut. Mehr noch – je mehr es verteufelt<br />

wird, umso intensiver entwickelt sich der weltweite Klassik-<br />

Kult. In den letzten Jahren hat sich die Zahl einschlägiger Veranstaltungen<br />

vervielfacht. Und während der warmen Jahreszeit<br />

gibt es praktisch kein Wochenende mehr, an dem nicht<br />

irgendwo Motoren aufheulen. Die Anlässe selbst könnten dabei<br />

kaum unterschiedlicher sein: Von ambitionierten Landstrassenrallyes<br />

über Rundstreckenrennen, Markentreffen und<br />

Schönheitswettbewerbe bis hin zu Stern-, Fern- oder reinen<br />

Kaffeefahrten wird alles geboten. Das Leuchten in den Augen<br />

der Teilnehmer und Zuschauer ist aber immer das gleiche.<br />

VECTURA präsentiert fünf verschiedene Termine, die exemplarisch<br />

für die vielen anderen ihrer Art stehen: Es sind immer auch<br />

Familien-Erlebnisse, weil sie Männer, Frauen und Kinder gleichermassen<br />

zu begeistern wissen. Das Rahmenprogramm ist entsprechend<br />

vielseitig; Langeweile kommt hier nicht auf. Dazu sind<br />

die Austragungsorte selbst spektakulär genug und locken mit<br />

allerlei Abwechslung für Gross und Klein. Mit USA, Deutschland<br />

und Grossbritannien schweifen wir in die Ferne, zwei Events finden<br />

in der Schweiz statt und sind deshalb besonders zu empfehlen.<br />

Natürlich geht es bei solchen Gelegenheiten um Atmosphäre.<br />

Deshalb sollen hier Bilder sprechen und das Gefühl vermitteln,<br />

wie es wäre, hautnah dabei zu sein. Viel Vergnügen!<br />

122 VECTURA #7


me<br />

British Classic<br />

Car Meeting<br />

11. – 14. Juli<br />

Mountains high Nicht nur in und um St. Moritz ist diese Veranstaltung<br />

inzwischen eine Institution: Das British Classic Car Meeting<br />

– kurz BCCM – hat auch über Schweizer Grenzen hinaus einen<br />

hervorragenden Ruf. Diesen Sommer findet das Treffen<br />

bereits zum 20sten Mal statt und dauert deshalb nicht nur zwei,<br />

sondern drei Tage. Einmal mehr zelebriert das BCCM die feine<br />

englische Art auf vier Rädern und bietet Teilnehmern wie Zuschauern<br />

damit ein Spektakel der Extraklasse. Eine Alpenrallye<br />

mit traumhafter Route, der Schönheitswettbewerb oder Fish and<br />

Chips zählen dabei zu den traditionellen Zutaten. Zum Jubiläum<br />

werden die rund 200 gemeldeten Fahrzeuge zusätzlich eine<br />

«Horseshoe Challenge» bestreiten – bei diesem Hill Climb geht es<br />

darum, die steile Strecke zweimal in möglichst identischer Zeit zu<br />

bestreiten. Für Spannung ist also gesorgt: Ladies and Gentlemen,<br />

please start your engines! www.bccm-stmoritz.ch<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 123


124 VECTURA #7


oldtimer<br />

Monterey<br />

Car Week<br />

12. – 18. AUGUST<br />

Unbegrenzte Möglichkeiten Sie wollen mit Jay Leno oder<br />

George Lucas sprechen und dabei die seltensten Oldtimer der<br />

Welt ansehen – in einem perfekten Zustand, wie es ihn seinerzeit<br />

nicht mal ab Werk gab? Dann müssen Sie nach Kalifornien!<br />

Am 18. Loch des Golfclubs von Pebble Beach versammeln sich<br />

alljährlich die Schönsten der Schönen in der Hoffnung, zum<br />

«Best of Show» gekürt zu werden. Der 1950 erstmals ausgetragene<br />

Wettbewerb ist auch ein Gesellschaftsspiel der US-amerikanischen<br />

High Society und wird in diesen Kreisen sehr ernst<br />

genommen. Top-restauriert und auf Hochglanz poliert treten die<br />

Sammlerstücke an, und das fein säuberlich sortiert in verschiedenen<br />

Klassen. Wer diese Wattestäbchen-Pingeligkeit nicht erträgt,<br />

freut sich über die 2001 eingeführte Kategorie «Preservation<br />

Cars», in der Patina ausdrücklich erwünscht ist. Doch der<br />

Concours d’Elegance von Pebble Beach setzt nur den Schlusspunkt<br />

der Monterey Car Week: Eine ganze Woche lang dreht<br />

sich hier alles um die Liebe zum Automobil. Es gibt einen sehenswerten<br />

Concorso Italiano oder die «Legends of the German<br />

Autobahn», zahlreiche Auktionen, Teilemärkte, Markentreffen<br />

und nicht zuletzt die historischen Rennen in Laguna Seca gleich<br />

um die Ecke. Und das alles in traumhafter Landschaft und mit<br />

Blick auf den Pazifik – we love it! www.montereycarweek.com<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 125


oldtimer


RUBRIKEN<br />

Betörende Formen, traumhaftes Ambiente:<br />

Der Concorso Italiano zählt für viele zu<br />

den absoluten Highlights der Monterey Car Week<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 127


RUBRIKEN<br />

Passione<br />

Engadina<br />

23. – 25. AUGUST<br />

Hier treffen sich ausschliesslich<br />

italienische Klassiker<br />

bis Baujahr 1983<br />

128 VECTURA #7


Wiederholungstäter Eine ähnliche Veranstaltung wie das<br />

BCCM (siehe Seite 122), sogar am gleichen Ort – aber mit einem<br />

feinen Unterschied: Hier treffen sich ausschliesslich italienische<br />

Klassiker bis Baujahr 1983! Das Event wird 20<strong>13</strong> zum zweiten<br />

Mal ausgetragen und Organisator Paolo Spalluto hat sich vorgenommen,<br />

eine Fünf-Sterne-Veranstaltung in Graubünden zu<br />

etablieren. Namhafte Sponsoren und das automobile Umfeld –<br />

in diesem Jahr wird Jubilar Lamborghini als Gastmarke auftreten<br />

– sind da vielversprechende Indizien. Ausserdem kommt<br />

Motoren- und Rennwagenkonstrukteur Mauro Forghieri, um<br />

über seine Zeit bei Ferrari, Lamborghini und Bugatti zu erzählen<br />

– bravissimo! www.passione-engadina.ch<br />

oldtimer


RUBRIKEN<br />

Schloss<br />

Bensberg<br />

Classics<br />

06. – 08. September<br />

Fürstlicher Rahmen Längst haben die Hersteller die positive Wirkung namhafter Oldtimer-<br />

Termine erkannt. Und während beispielsweise die elitäre Concorso d’Eleganza Villa d’Este von<br />

BMW organisiert wird, ist Bensberg ein hochkarätiges Event der Volkswagen Group. Dass es sich<br />

dennoch um keine PR-Veranstaltung handelt, liegt nicht zuletzt am Konzept: Hier ist jede klassische<br />

Automarke herzlich willkommen. Unter dem Motto «very important cars only» startet die<br />

diesjährige SBC zum fünften Mal und dürfte ähnlich exklusiv ausfallen wie bisher. Zugelassen sind<br />

herausragende Fahrzeuge und Einzelstücke bis Baujahr 1979, die selbst Autokenner begeistern<br />

können. Neben dem temporären Open-Air-Museum im Park gibt es eine Rallye Historique durch<br />

das Bergische Land; der sonntägliche Concours d’Elégance wird zusätzlich durch eine prominente<br />

Jury und den FIVA-A-Status geadelt. www.sbc20<strong>13</strong>.de<br />

<strong>13</strong>0 VECTURA #7


oldtimer<br />

Sommer 20<strong>13</strong> <strong>13</strong>1


RUBRIKEN<br />

«Very important cars only»:<br />

elitärer Rahmen,<br />

aussergewöhnliche Autos<br />

<strong>13</strong>2 VECTURA #7


www.prestig<strong>emag</strong>.ch<br />

THEim Jahr.<br />

LuxuRy<br />

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LIFE<br />

Abonnieren Sie<br />

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für nur CHF 39.–


RUBRIKEN<br />

Goodwood<br />

Revival<br />

<strong>13</strong>. – 15. September<br />

<strong>13</strong>4 VECTURA #7


oldtimer<br />

Nobody does it better Wenn der Earl of March auf sein malerisches<br />

Anwesen bittet, kommt alles, was Rang, Namen oder Räder<br />

hat. Neben dem Festival of Speed, das jeweils im Juli stattfindet<br />

und 20<strong>13</strong> zum 20sten Mal ausgetragen wird, gilt das<br />

Goodwood Revival als Delikatesse: Akteure wie Publikum werden<br />

nämlich angehalten, sich zeitgenössisch zu kleiden. Und so<br />

begeben sich alle rund um die Rennstrecke auf eine einzigartige<br />

Zeitreise – alte Flugzeuge inklusive. Dass der nur rudimentär abgesperrte<br />

Goodwood-Circuit zu den gefährlichsten seiner Art<br />

zählt, macht die Sache noch authentischer. Und während der Ruf<br />

nach mehr Sicherheit immer lauter wird, buchen wir schnell noch<br />

ein paar Tickets. www.goodwood.co.uk<br />

Sommer 20<strong>13</strong> <strong>13</strong>5


oldtimer<br />

RUBRIKEN<br />

Goodwood ist gleichzeitig<br />

Motor-Mekka und<br />

Gesellschafts-Event in Einem


Zürich-Dielsdorf<br />

Renntag<br />

Green Turf presented by Gübelin<br />

Tickets<br />

im Vorverkauf<br />

bei Ticketcorner<br />

CHF 10.–<br />

günstiger<br />

www.ticketcorner.ch<br />

So, 30. Juni | Ab 10:30 Uhr<br />

Parkrennbahn Dielsdorf<br />

www.greenturfracing.ch


Nachwuchsförderung à la Goodwood:<br />

Parc Fermé für Junior-Piloten<br />

<strong>13</strong>8 VECTURA #7


oldtimer<br />

Sommer 20<strong>13</strong> <strong>13</strong>9


fahrtenbuch<br />

18 Länder in 45 Tagen<br />

Mit einem Kleinwagen durch Eurasien<br />

Übernachten im Freien unter dem sternenklaren Himmel,<br />

Abendbrot am Lagerfeuer und Tag für Tag dem Horizont entgegenreisen<br />

– wer träumt schon nicht davon? Wir nahmen zu dritt<br />

an der Mongol Rally teil und legten dabei knapp 19 000 Kilometer<br />

zurück. Das wohlbemerkt in einem gebrauchten Fiat Panda<br />

4x4 Baujahr 2004, der zuvor bei der Schweizerischen Post im<br />

Einsatz war und für den Trip komplett umgerüstet werden<br />

musste. Aber wie kommt man auf eine solche Idee?<br />

Die Mongol Rally ist alles andere als ein Hochglanz-Event. Erstmals<br />

ausgetragen wurde sie 2004 mit lediglich sechs Teilnehmern;<br />

inzwischen starten an die 300 Teams. Diesen Sommer findet das<br />

etwas andere Strassenrennen das zehnte und vielleicht letzte Mal<br />

statt. Der Veranstalter (www.theadventurists.com) ist eine herrlich<br />

schräge britische Organisation und richtet inzwischen auch andere<br />

Verrücktheiten aus, etwa den Rickshaw Run quer durch<br />

Indien oder die Mototaxi Junket in Peru. Die Tatsache, dass an<br />

der Mongol Rally in der Regel nur rund 60 Prozent der Teams<br />

den Zielort Ulaanbaatar erreichen, hält nur wenige Abenteurer<br />

davon ab, an diesem legendären Hardcore-Marathon mitzumachen.<br />

Die Mongol Rally als Rennen zu betiteln, mag für viele etwas<br />

zynisch klingen. Als Charity-Anlass verfolgt sie nämlich<br />

auch einen sozialen Zweck. Alle Teilnehmer verpflichten sich,<br />

eine gewisse Summe für wohltätige Organisationen zu sammeln,<br />

und spenden im Anschluss ihr Fahrzeug. Mit dem erzielten<br />

Erlös werden gemeinnützige Entwicklungsprojekte in der<br />

Mongolei unterstützt. Auch in puncto Fahrzeug geben die Organisatoren<br />

strikte Regeln vor: Das Auto darf bei Rennantritt<br />

höchstens zehn Jahre alt sein und maximal 1,2 Liter Hubraum<br />

haben. So betrachtet hat die lange Reise in die Mongolei mehr<br />

meditativen Charakter…<br />

Als wir 2010 erstmals von der Rally hörten, waren wir sofort fasziniert<br />

und beschlossen, mitzumachen. Wir waren reiselustig<br />

und wollten etwas erleben – der Weg ist das Ziel. Die Vorbereitung<br />

gestaltete sich jedoch extrem aufwendig: Fahrzeugbeschaffung<br />

und -vorbereitung, Visaanträge, eine Auflistung der<br />

wichtigsten kyrillischen Schriftzeichen oder die Auseinandersetzung<br />

mit korrupten Grenzbeamten nahmen rund zwei Jahre<br />

in Anspruch. In dieser Phase werden potentielle Teilnehmer weder<br />

beim Kauf eines geeigneten Fahrzeuges noch bei der Wahl<br />

der Reiseroute unterstützt. Jedes Team muss alles selbst organisieren<br />

und auch während der Fahrt bieten die Briten keinerlei<br />

Hilfestellungen an. Volles Risiko also – nicht zuletzt bei der Finanzierung,<br />

wenn die Karre irgendwo in der kasachischen Steppe<br />

liegen bleibt und auf Biegen und Brechen wieder zurück<br />

nach Europa geschafft werden muss.<br />

Doch wir hatten Glück und mit Stefan auch einen ausgebildeten<br />

Mechaniker an Bord, der sich für den Panda entschied und ihn<br />

auswendig lernte. Es war eine aufregende Zeit und passenderweise<br />

nannten wir uns fortan «Pandanauten». Manuel und ich kümmerten<br />

uns derweil um die Finanzierung; mit einem umfassenden<br />

Konzept wurden gezielt Sponsoren angefragt, Spenden-Events<br />

veranstaltet und Merchandising-Artikel angefertigt. So konnten einerseits<br />

ein gewisser Teil der Reisekosten gedeckt und andererseits<br />

Gelder für das von uns unterstützte Hilfswerk gesammelt<br />

werden (www.freundeskreis-mongolei.org). Die Regel ist das nicht:<br />

Andere Teams kratzen nur den Mindestspendenbetrag von 1000<br />

Pfund zusammen und fahren auf eigene Rechnung drauflos. Uns<br />

war das zu unsicher, doch um das ganze Projekt überhaupt stemmen<br />

zu können, waren wir im Vorfeld auf fremde Hilfe angewiesen.<br />

Über 15 Freunde halfen mit, die genannten Punkte abzuarbeiten.<br />

140 VECTURA #7


Je näher der Rennstart im südenglischen Goodwood rückte,<br />

desto intensiver wurden die Diskussionen über die «richtige»<br />

Ausrüstung. War es wirklich notwendig, eine komplette Feldküche<br />

mitzunehmen? Oder gar Ersatz-Stossdämpfer? Rückblickend<br />

hätten wir wohl auf vieles verzichten können, nur darauf<br />

nicht… Am Vorabend der Abreise verluden wir schliesslich nach<br />

dem Ausschlussverfahren: Was uns nicht wirklich nützlich erschien,<br />

zu sperrig oder unhandlich war, wurde zurückgelassen.<br />

Alles andere verstauten wir nicht nur im Kofferraum, sondern<br />

auch auf der Rückbank, unter der Motorhaube oder auf dem<br />

Dachgepäckträger. Letzterer trug ein Vielfaches der zugelassenen<br />

Last und zu Stefans Erstaunen liess sich der Fiat dennoch<br />

ganz passabel steuern.<br />

Die ersten Stints waren aufgrund hervorragender europäischer<br />

Strassenverhältnisse noch keine Bewährungsprobe für den gelben<br />

Flitzer. Auch für die Besatzung war der Weg nach England<br />

und zurück – abgesehen vom anhaltenden Regen – Erholung<br />

pur. Der Panda kämpfte sich tapfer über die Autobahn; Verständigungsschwierigkeiten<br />

gab es noch nicht. Dies änderte sich<br />

schlagartig mit der Einreise in den Iran. Plötzlich waren alle Schilder<br />

in Farsi angeschrieben und die Leute sprachen kein oder nur<br />

sehr wenig Englisch. Wir schafften es trotzdem, den gebrochenen<br />

Dachträger schweissen zu lassen – für 80 Rappen. Überall<br />

wurden wir Pandanauten mit offenen Armen empfangen. Kaum<br />

tauchte der leuchtend gelbe Fiat in einem Dorf auf, kam gleich<br />

die halbe Bevölkerung zusammen, um das Fahrzeug zu begutachten,<br />

die Karosserie zu signieren und drei Luzerner mit Früchten<br />

und Gemüse zu beschenken. Einmal hielt man uns gar für<br />

eine Rock-Band… Die überschwängliche Gastfreundschaft und<br />

Herzlichkeit hielt auch in den folgenden Reiseländern Turkmenistan,<br />

Usbekistan, Kasachstan und Russland an; Sprachbarrieren<br />

wurden zur Nebensache. Kommuniziert wurde mit Händen,<br />

Füssen und nicht zuletzt auch Zeichnungen oder Fotos.<br />

Schwierigkeiten liessen trotzdem nicht lange auf sich warten.<br />

Obschon die vielverbreitete Korruption nicht überall offensichtlich<br />

war, mussten wir uns einige Male auf fadenscheinige Diskussionen<br />

einlassen. Insbesondere in Kasachstan gab es nicht<br />

viel zu lachen. Aufgrund eines fehlenden Registrierungsstempels<br />

landeten wir sogar vor Gericht und wurden verurteilt – allerdings<br />

nicht wegen des fehlenden Stempels, sondern wegen<br />

angeblich abgelaufener Reisevisa. Bis heute ist unklar, ob die<br />

Verhandlung nur inszeniert war – es existiert weder ein Protokoll<br />

noch gibt es den Zahlungsbeleg. Das Bussgeld in vierstelliger<br />

Höhe musste bar überreicht werden und wir waren letztlich nur<br />

noch froh, Kasachstan und seine unwirklich glitzernde Hauptstadt<br />

Astana nach vier Tagen Untersuchungshaft verlassen zu<br />

können. Glücklicherweise gehörte eine solche Beamtenwillkür<br />

nicht zur Tagesordnung und die unglaubliche Schönheit der<br />

Landschaft verdrängte den Ärger.<br />

Abenteuerlich war auch die Nahrungsbeschaffung, vor allem während<br />

des Ramadan. In den orientalischen Ländern herrscht ein<br />

ganz anderer Tagesrhythmus, der erst einmal gelernt werden will.<br />

Der Speiseplan selbst ist sehr vielseitig – es gibt zahlreiche Variationen<br />

von Schaschlik, Gemüse, Reiseintöpfen und dazu oftmals<br />

gegorene Stutenmilch, für die es einen starken Magen braucht.<br />

Begegnung der etwas anderen Art am ausgetrockneten Aralsee<br />

Auf einer solchen Reise gibt es unzählige Orte, Begegnungen<br />

oder Erlebnisse, die eine Erwähnung verdient hätten. Zu den absoluten<br />

Höhepunkten gehörte der Abstecher zum Gaskrater von<br />

Darvaza in der turkmenischen Wüste. Ursprünglich von den Sowjets<br />

zur Erdgasgewinnung gebaut, explodierte die Anlage Anfang<br />

der 1970er-Jahre. Seither klafft an dieser Stelle ein Loch mit<br />

über 100 Meter Durchmesser, in dem es bis heute brennt. Bei<br />

Nacht ist der Krater schon von weitem deutlich zu erkennen.<br />

Fehlt nur noch der Teufel, und Reisende hätten wirklich das Gefühl,<br />

auf direktem Weg in die Hölle zu fahren. Faszinierend war<br />

auch die alte Seidenstrassen-Route, der wir bis Bukhara folgten.<br />

In den zentralasiatischen Ländern war gleichzeitig auch Schluss<br />

mit guten Strassen. Obschon es immer wieder neu gebaute Abschnitte<br />

gab, mussten wir abseits der «richtigen» Strasse fahren<br />

– und oftmals entscheiden, welches Loch dem Fiat weniger<br />

Schaden zufügen würde. Auf manchen Pisten hatten wir dagegen<br />

gar keine Wahl und der Panda litt immer stärker unter den<br />

Fahrbahnverhältnissen – nach und nach gaben die Stossdämpfer<br />

den Geist auf. Weil aber die nächste Fiat-Garage einige tausend<br />

Kilometer weit weg war, musste improvisiert werden. Wir<br />

behalfen uns schliesslich mit Klostöpseln vom Markt, aus denen<br />

wir Gummiringe schnitten, um das Fahrwerk höher zu legen: Es<br />

hat tatsächlich funktioniert! Überhaupt hielten sich die Schäden<br />

in erfreulichen Grenzen: Eine lose Lenksäule festschrauben, das<br />

war’s eigentlich. Einzig in der Mongolei musste nochmals eine<br />

Garage aufgesucht werden, wo wir die Ersatzbatterie und einen<br />

Werkzeugsatz gegen einen – man glaubt es kaum – fast neuen<br />

Fiat-Stossdämpfer eintauschen konnten. Der stammte aus einem<br />

gestrandeten Panda, der im Vorjahr an der Mongol Rally<br />

teilgenommen und aufgegeben hatte. Wir kamen dagegen<br />

durch – und konnten unsere Wagenschlüssel schon wenige Tage<br />

und insgesamt 1400 Liter Benzin später in Ulaanbaatar gegen<br />

ein wohlverdientes kaltes Bier eintauschen.<br />

V.l.n.r.: Daniel Meier (28), Stefan Haldi (29) und Manuel Bossard (24)<br />

aus dem Kanton Luzern kennen sich seit Kindesbeinen an. Gemeinsam beschlossen<br />

sie vor drei Jahren, an der Rally 2012 teilzunehmen. Die Erlebnisse<br />

ihrer Reise und mehr gibt es unter www.pandanauten.ch<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 141


Der Zwei-Millionen-Deal<br />

Ende 20<strong>13</strong> ist es 80 Jahre her, dass der heute grösste Automobilhersteller<br />

der Welt beschloss, eine Autoabteilung zu gründen. Bislang baute<br />

man in den Toyoda Automatic Loom Works nämlich nur Webstühle. Und das<br />

wäre auch beinahe so geblieben<br />

Text Roland Löwisch · Fotos Werk<br />

Kiichiro Toyoda redet sich während einer eilig anberaumten<br />

Vorstandssitzung die Seele aus dem Leib.<br />

«… Eine Gesellschaft ist wie ein Lebewesen», sagt er<br />

gestenreich, «sie sollte nicht bei einem Produkt bleiben. Darf<br />

ich ausserdem daran erinnern, dass Sakichi genau dasselbe<br />

dachte?» Damit meint er Sakichi Toyoda, seinen Vater und den<br />

Firmengründer des weltweit anerkannten Webstuhlherstellers<br />

Toyoda Automatic Loom Works. «Wir sind ein Maschinenbaubetrieb,<br />

keine Kosmetikfirma und auch kein Textilunternehmen»,<br />

fährt Kiichiro eindringlich fort, «deshalb möchte ich Sie<br />

bitten, an das Automobil zu denken. Wir könnten unsere Satzung<br />

jederzeit so ergänzen, dass sie Forschung und Versuchsbau<br />

von Automobilen zuliesse…» Es ist der 30. Dezember<br />

1933. Kiichiro ist fast fertig. Jetzt kann er nur noch hoffen.<br />

Firmengründer Sakichi Toyoda wurde am 14. Februar 1867 in<br />

Yamaguchi geboren. Er musste Zimmermann lernen, wie sein<br />

Vater Ikichi, aber seine Gedanken waren nicht beim Holz. Obwohl<br />

in Yamaguchi alle vom Ackerbau lebten, stand in jedem<br />

Haus ein Webstuhl – das Weben gehört zu den ältesten japanischen<br />

Handwerkskünsten. Inzwischen war aber die glatte<br />

Baumwolle aus dem Westen der japanischen Machart überlegen.<br />

Sakichi wollte kein Zimmermann sein. Traditionen waren<br />

nicht seine Sache – umso mehr faszinierte ihn der Vortrag eines<br />

Lehrers, den er als 18-Jähriger hörte: Man müsse vom Westen<br />

lernen, sagt der weise Mann, sich neue Methoden zu eigen machen,<br />

geistiges Eigentum patentieren lassen. Da beschloss Sakichi,<br />

Erfinder zu werden.<br />

Seine erste Idee: Webstühle effizienter machen! Fünf Jahre würde<br />

er mit diesem «Nebenjob» beschäftigt sein. 1890 besuchte er die<br />

erste nationale Industrieausstellung in Tokio, auf der 1700 der<br />

neuesten ausländischen Erzeugnisse zu sehen waren. 14 Tage<br />

blieb Sakichi dort, zeichnete verschiedene Systeme und Techniken<br />

ab. Anschliessend besuchte er mehrere Webereien, um die<br />

Stühle in Aktion zu sehen. Im Herbst 1890 hatte er seinen ersten<br />

eigenen Webstuhl fertiggestellt, meldete den zum Patent an und<br />

zog nach Tokio, um Unternehmer zu werden. Zwar scheiterte er<br />

zunächst, gab aber nicht auf. Sein nächstes Ziel: bessere Garnhaspel-Maschinen.<br />

Diesmal klappte es – auch mit dem Nachwuchs:<br />

Aus einer Zwangshochzeit ging sein Sohn Kiichiro hervor.<br />

Für den hatte Sakichi allerdings keine Zeit – Maschinen waren<br />

seine Welt. Beim Mitsui-Konzern heuerte er als Chefingenieur an,<br />

nebenbei führte er noch seine eigene Firma Toyoda Shokai. Ab<br />

Sakichi Toyoda Kiichiro Toyoda Risaburo Toyoda<br />

142 VECTURA #7


Motormenschen<br />

Kiichiro wusste:<br />

Ein Auto ist viel komplizierter<br />

als ein Webstuhl<br />

Ständig weiterentwickelt: Toyoda-Webstuhl<br />

1906 stellte er dort monatlich über 100 Webstühle her und<br />

forschte parallel an Stahlwebstühlen. Der grosse Durchbruch<br />

blieb aber aus und deshalb reiste Toyoda im Mai 1910 nach Amerika<br />

– als Emigrant. Hier begegnete er der industriellen Zukunft<br />

und erkannte zudem mechanische Ähnlichkeiten bei Webstühlen<br />

und Autos – die USA produzierten zu dieser Zeit schon rund<br />

100 000 Personenwagen pro Jahr… Voller Elan kehrte Sakichi<br />

nach Japan zurück und baute nun vollautomatische Webstühle.<br />

Ab 1918 hiess seine neue Firma Toyoda Spinning & Weaving<br />

Company.<br />

Obwohl ihr Verhältnis nicht das Beste war, zog Kiichiro Toyoda in<br />

dieser Zeit zu seinem Vater. Und obwohl er ein schlechter und<br />

unaufmerksamer Schüler war, besuchte er die höhere Schule.<br />

Sein Interesse galt der Technik und da war er hellwach: Nachdem<br />

er einige Maschinen skizziert hatte, perfektionierte Kiichiro den<br />

vollautomatischen Webstuhl seines Vaters.<br />

Am 1. September 1923 wurde Tokio von einem schweren Erdbeben<br />

der Stärke 7,9 erschüttert. Gerade mal <strong>13</strong> 000 Autos waren<br />

damals im Land zugelassen – hauptsächlich Taxis, Omnibusse,<br />

Firmenwagen und kaum Privatwagen. Für Aufräumarbeiten<br />

brauchte Japan dringend mehr Fahrzeuge – deshalb senkte es<br />

die Einfuhrzölle auf Autos und 800 Lkw-Chassis aus den USA<br />

durften so ins Land. Schon 1907 hatte das Heereswaffenamt im<br />

Russisch-Japanischen Krieg zwar eine Versuchsfertigung für<br />

Lastwagen aufbauen lassen, doch die verlief im Sande. Zu Beginn<br />

des Ersten Weltkrieges besass die japanische Armee ganze<br />

zehn Autos – die Briten im Vergleich 20 000 Stück und die Vereinigten<br />

Staaten immerhin 15 000. Anfang der 1920er-Jahre versuchte<br />

die japanische Armee erneut, eigene Autos auf die Räder<br />

zu stellen, und nahm dazu erstmals ausländische Hilfe in Anspruch:<br />

Ford durfte in Japan Autos montieren und gründete im<br />

April 1924 mit vier Millionen Yen Kapital «Ford Japan» in Yokohama.<br />

1925 zog GM nach und investierte in Osaka acht Millionen<br />

Yen. Ford verdoppelte daraufhin sein Kapital in Japan – gegen so<br />

viel Macht und Geld hatte die heimische Industrie keine Chance.<br />

1924 beendete Kiichiro, seines Zeichens inzwischen ein fähiger<br />

Ingenieur, die Arbeit am vollautomatischen Webstuhl. Sein Vater<br />

Sakichi gründete 1927 die Toyoda Automatic Loom Works und<br />

nahm die Produktion auf. Andere Firmen kauften seine Rechte an<br />

der Webstuhlproduktion, Sakichi verdiente auf einmal viel Geld<br />

und glaubte an die Zukunft des Automobils. Kiichiro sollte das<br />

Autoprojekt forcieren, doch er wusste: Ein Auto ist viel komplizierter<br />

als ein Webstuhl. So fehlten ihm zum Beispiel die erforderlichen<br />

Spezialstähle. Doch Sakichi liess nicht locker – und schickte<br />

seinen Sohn nach Amerika. Zurück in Japan zerlegte Kiichiro<br />

zunächst einen kleinen Motorradmotor Marke Smith mit 60 Kubik.<br />

Sakichi erlebte die Folgen allerdings nicht mehr: Er erkältete sich<br />

und starb am 30. Oktober an akuter Lungenentzündung. Während<br />

Kiichiro den Smith-Motor in zehn Prototypen nachbauen<br />

liess, legten die Amis in Japan kräftig zu: 1929 bauten GM und<br />

Ford zusammen knapp 30 000 Autos, über 50 000 weitere wurden<br />

eingeführt. Lediglich 437 Autos in Japan stammten aus einheimischer<br />

Produktion – mit Armeevorgaben von 1918. Im Jahr<br />

1930 gab es nur drei japanische Autohersteller, deren Wagen per<br />

Hand zusammengebaut wurden. Da schraubten die Amerikaner<br />

bereits an 1000 Meter langen Fliessbändern; alle 25 Minuten war<br />

ein Auto fertig.<br />

Zu dieser Zeit kam Risaburo Toyoda ins Spiel. Er trug von Geburt<br />

einen anderen Familiennamen, war er doch der Sohn von Mitsui-<br />

Chef Ichizo Kodama. Weil Sakichi Toyoda aber schon vor Jahren<br />

einen Schwiegersohn für seine Tochter Aiko sowie einen tüchtigen<br />

Geschäftsführer für seine Firma suchte, der unbedingt Toyoda<br />

heissen sollte, adoptierte er kurzerhand Risaburo und vermählte<br />

ihn mit seiner Tochter. Weil Risaburo älter war als Kiichiro,<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 143


Motormenschen<br />

Der erste Toyota: Modell AA Baujahr 1935<br />

Ein Hauch Komfort: AA-Interieur<br />

galt er nun als Erstgeborener und damit auch als wichtigstes Kind<br />

und Erbfolger der Familie Toyoda. Kiichiro würde sich damit nie<br />

so richtig abfinden können.<br />

Risaburo war 1930 für die Toyoda Automatic Loom Works und<br />

alle ihre Arbeiter verantwortlich. Er wusste, wie intensiv Kiichiro<br />

am Auto arbeitete – und reagierte gespalten. Einerseits war er<br />

nicht der leibliche Sohn Sakichis, andererseits trug er eine grosse<br />

Verantwortung. Eine mögliche Autoproduktion müsste ein paar<br />

Jahre lang aus Gewinnen der Toyoda Automatic Loom Works gespeist<br />

werden – konnte der Autobau wirklich so wichtig sein?<br />

Risaburo und Kiichiro gingen sich so weit wie möglich aus dem<br />

Weg, doch im September 1933 empfing Risaburo seinen Stiefbruder.<br />

Der erklärte ihm, dass die Prototypenfertigung eines Motorrads<br />

erfolgreich abgeschlossen wurde und nun mehr Geld für<br />

die angedachte Automobilentwicklung notwendig sei. Im Jahr<br />

1933 hatten die Toyoda Automatic Loom Works eine Million Yen<br />

Kapital und machten 182 000 Yen Gewinn; der Umsatz lag bei<br />

knapp zwei Millionen Yen. Kiichiro hatte inzwischen in seiner<br />

Werkstatt einen 1933er-Chevrolet zerlegt und genau untersucht.<br />

Jetzt überlegte er, ein eigenes Stahlwerk zu bauen…<br />

Risaburo wurde in diesen Tagen nicht nur von Kiichiro bedrängt:<br />

Die Firma Nihon Sangyo (kurz darauf Jidosha Seizo und schon<br />

wenig später Nissan Motor Company) hatte die Herstellungsund<br />

Verkaufsrechte am Kleinwagen Datsun erworben und weitere<br />

zehn Millionen Yen zur Verfügung. Nissan plante eine stattliche<br />

Fabrik auf 68 000 Quadratmeter Gelände, gut ein Drittel<br />

davon sollte bebaut werden. Das geplante Montageband war<br />

75 Meter lang und für 10 000 Datsun pro Jahr ausgelegt. Das<br />

Werk entsprach damit achtmal der Grösse, die Kiichiro für Toyoda<br />

geplant hatte. Zusätzlich drohten vom japanischen Militär<br />

protektionistische Automobilgesetze: Staatliche Unterstützung<br />

sollte es nur noch für Firmen geben, die eine Serienfertigung<br />

vorweisen konnten.<br />

Risaburo muss zur Entscheidung, Geld für eine Automobilproduktion<br />

zur Verfügung zu stellen, eine ausserplanmässige Vorstandssitzung<br />

einberufen. Hauptredner ist Kiichiro Toyoda, und<br />

seine Ansprache beeindruckt. Sie endet mit den Worten: «Es liegt<br />

im nationalen Interesse, in Japan eine Automobilindustrie zu<br />

gründen…» Daraufhin bewilligt der Vorstand der Toyoda Automatic<br />

Loom Works am 30. Dezember 1933 tatsächlich eine Kapitalerhöhung<br />

von zwei Millionen Yen, um diese neue Abteilung aufzubauen,<br />

die man rückwirkend zum 1. September 1933 gründet.<br />

Ausserdem wird die Autofertigung in die Statuten aufgenommen.<br />

Am 29. Januar 1934 stockt die Aktionärsversammlung das Kapital<br />

auf drei Millionen Yen auf, weil das zuvor bewilligte Geld nicht<br />

ausreichen wird. Im Nu sind fünf Millionen Yen weg, aber 1000<br />

Mitarbeiter eingestellt. Risaburo Toyoda tobt. Schon im September<br />

1934 ist der erste Motor namens Typ A, ein Sechszylinder mit<br />

3389 Kubik, einsatzbereit. Doch das Aggregat leistet nur 30 PS<br />

– sein Vorbild, der besagte Chevy-Motor, schafft 60 PS. Erst mit<br />

viel Nacharbeit erreicht die Toyoda-Maschine 62 PS und alle sind<br />

zufrieden. Im Mai 1935 ist schliesslich der erste Prototyp namens<br />

A1 fertig. Er ähnelt sehr seinem Vorbild, dem DeSoto Airflow. Alles<br />

bis auf Motorblock, Zylinderkopf, Getriebegehäuse und ein<br />

paar Zubehörteile ist kopiert worden. Danach produziert man<br />

noch zwei Prototypen, bevor der Automobilbau zunächst eingestellt<br />

wird – Lastwagen sind wichtiger. Der Lw-Prototyp G1 ist am<br />

25. August 1935 fertig, sechs Meter lang und für 1,5 Tonnen<br />

Nutzlast ausgelegt. Sein Motor entspricht dem es A1. Am<br />

14. September 1935 stellt Toyoda in Tokio erstmals das gesamte<br />

Produktportfolio aus – den AA als verbesserten A1, die offene<br />

Version AB und den weiterentwickelten Laster GA. Risaburo Toyoda<br />

will jetzt nur noch eines: die Namensänderung von Toyoda<br />

in Toyota. Grund: Für Toyoda braucht man zehn Pinselstriche –<br />

und die bringen kein Glück. Der Name Toyota benötigt dagegen<br />

nur acht – in Japan gilt das als Glückszahl und zudem als Zeichen<br />

für Wachstum…<br />

Mehr zum Thema<br />

144 VECTURA #7


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[lat.: das Fahren]<br />

#7 | Sommer 20<strong>13</strong><br />

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Travel in Style<br />

Silbrig glänzende Wohnwagen «Made in USA» sind die Stars auf jedem<br />

Campingplatz. Begonnen hat der Kult vor rund 80 Jahren<br />

Text Armin Heun/map · Fotos Werk<br />

Airstream – das klingt nach Aerodynamik und bedeutet<br />

so viel wie Luftstrom oder Fahrtwind. In Verbindung mit<br />

dem gleichnamigen Reisewohnwagen US-amerikanischer<br />

Abstammung fügt sich gleich das passende Bild zusammen:<br />

das klassische Design, die glänzende Leichtmetallbehausung<br />

mit allem Komfort, endlose Highways, ein laues Lüftchen<br />

bei entspanntem Tempo, dazu der Sonnenuntergang am Strand.<br />

Es wäre jedoch stereotyp, einen Airstream auf dieses Klischee zu<br />

reduzieren. Die mobilen Luxussuiten aus Jackson Center/Ohio<br />

sind längst Legende, gebaut für den American Dream «on the<br />

road» und jeden, der ihn erleben will.<br />

Die Geschichte dieser Wohnwagen-Ikone begann 1927. Damals<br />

kaufte der reiselustige Anwalt Wally Byam ein Ford-T-Fahrgestell<br />

und stattete es mit einem ausklappbaren Faltzelt aus. Das funktionierte<br />

zwar, war aber auch sehr umständlich, zumal Byam so<br />

nicht viel Ausrüstung transportieren konnte. Sein nächster Versuch<br />

bestand aus Holzfaserplatten, wies aber noch einige Detailmängel<br />

auf. Dafür kam er auf die schlaue Idee, eine kleine Broschüre<br />

herauszugeben, die den Titel «Wie baue ich mir für 100<br />

Dollar einen Wohnwagen» trug. Für seine Tipps verlangte er jeweils<br />

einen Dollar – und verkaufte sie 15 000-mal!<br />

Anfang der 1930er-Jahre wurde auch William Hawley Bowlus<br />

(siehe Kasten rechts) auf Byam aufmerksam – und stellte ihn als<br />

Werbefachmann für seine genialen, aber teuren und deshalb<br />

schwer verkäuflichen Aluminium-Wohnwagen ein. Die Weltwirtschaftskrise<br />

tat ein Übriges: Bowlus musste Konkurs anmelden.<br />

Byam übernahm daraufhin die Firma und baut ab 1936 einen<br />

ähnlichen, wenn auch weiterentwickelten «Clipper»-Caravan, den<br />

er unter dem Label «Airstream» verkaufte und trotz Leichtmetallbauweise<br />

etwas günstiger anbot. Dass Byam für seine Kundschaft<br />

ausserdem weite Fernreisen organisierte, kurbelte das Interesse<br />

zusätzlich an – der Kult war geboren! Und mit ihm die<br />

Nachahmer: Avion, Silver Streak, Spartan oder Streamline sind<br />

nur einige Konkurrenten gewesen – und alle längst wieder Geschichte.<br />

Nur Airstream ist es gelungen zu überleben und erfreut<br />

sich bis heute einer weltweiten Fangemeinde, die niemals einen<br />

normalen Wohnwagen kaufen würde.<br />

In der Wahrnehmung fahrender Menschen gilt die Marke als Ikone,<br />

auch wenn das abgedroschen klingen mag. Immerhin steht ein<br />

Airstream im New Yorker Museum of Modern Art, John F. Kennedy<br />

setzte ihn als Wahlkampfbüro ein und die NASA einen extra angefertigten<br />

«Astrovan» als mobile Quarantäne-Station für heimge-<br />

146 VECTURA #7


kehrte Astronauten – nur für den Fall, dass die sich eine Mond-<br />

Grippe eingefangen haben könnten. Es war übrigens eine Tradition,<br />

die bis zum Ende des Space-Shuttle-Programms fortgeführt wurde.<br />

Nicht zuletzt ist die Liste jener Hollywoodstars, welche einen<br />

Airstream besassen, genauso lang wie eine durchschnittliche Dankesrede<br />

nach dem Erhalt des Oscars. Auch an aktuell prominenten<br />

Besitzern mangelt es nicht: So lebte Lenny Kravitz lange Zeit in<br />

seinem Airstream am Strand von Malibu Beach, Tom Hanks bekam<br />

einen von seiner Frau geschenkt, Sandra Bullock benutzt ihren<br />

als Gartenhaus und auch Denzel Washington, Sean Penn,<br />

Matthew McConaughey oder Brad Pitt gehören zur Kundschaft.<br />

Reloaded: Bowlus Road Chief Das Vorbild aller Stromlinien-Wohnwagen<br />

heisst Bowlus Road Chief. Erdacht vom Flugzeugkonstrukteur<br />

William Hawley Bowlus – er baute die «Spirit<br />

of St. Louis», mit der Charles Lindbergh 1927 den Atlantik<br />

überquerte –, bestach dieser Trailer mit seiner genieteten Aluminiumhaut,<br />

windschlüpfigen Form und geringem Gewicht<br />

von unter 550 Kilo. Zwischen 1934 und ’36 entstanden rund<br />

80 Exemplare, die Überlebenden sind heute entsprechend<br />

gesucht und teuer. Zu den glücklichen Besitzern eines Originals<br />

gehört auch der passionierte Sammler von Stromlinien-<br />

Automobilen, John Long IV aus Oxnard bei Los Angeles. Er<br />

restaurierte seinen Road Chief und beschloss 2010, den Klassiker<br />

in aktualisierter Form nachzubauen und damit auch anderen<br />

zugänglich zu machen. Mit 7,2 Meter über alles etwas<br />

länger und geräumiger, wiegt die Ende 2012 fertiggestellte<br />

Neuinterpretation immer noch unter einer Tonne und kann<br />

deshalb auch von einem Kompaktwagen gezogen werden.<br />

Das Interieur ist geschmackvoll, bietet neben Wohn- und<br />

Schlafraum auch Küche und Duschbad. Besonderer Clou:<br />

Durch eine Bugtür lässt sich sperriges Sportgerät einladen<br />

und auch sicher befestigen. Eine Klimaanlage oder die moderne<br />

Elektronik sind unsichtbar integriert. Der stylishe Wohnwagen<br />

kommt wahlweise mattiert oder hochglanzpoliert und<br />

ist kein Sonderangebot: Er kostet ab 100 000 Dollar und<br />

wird nur auf Bestellung in Handarbeit zusammengebaut<br />

(www.bowlusroadchief.com). Exporte ausserhalb der USA<br />

sind eigentlich nicht vorgesehen, doch bei ernsthaften Anfragen<br />

will man gerne versuchen, die gesetzlichen Vorgaben des<br />

jeweiligen Landes zu berücksichtigen. map<br />

Der Airstream-Hype ist derweil nicht auf die Vereinigten Staaten<br />

beschränkt. Schon 1948 hatte Byam die ersten «Land-Yachten»<br />

nach Europa gebracht, um mit ihnen den Kontinent zu bereisen.<br />

Als Höhepunkte seiner Abenteuerlust gelten die beiden bekanntesten<br />

Touren – die 18 000 Meilen von Kapstadt nach Kairo<br />

in den Jahren 1959 bis ’60 und die 35 000 Meilen von Singapur<br />

nach Lissabon 1964/65. Das wiederum gewann schnell die Aufmerksamkeit<br />

von abenteuerhungrigen Amerikanern: Anfang der<br />

1960er besuchten Tausende die Airstream-Fabrikation, die Verkaufszahlen<br />

explodierten und 1974 kamen unglaubliche<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 147


markenkult<br />

JFK nutzte seinen Airstream auch noch als US-Präsident<br />

In den letzten Jahren erlebte das Unternehmen eine wahre Renaissance.<br />

Inzwischen Tochterunternehmen des Nutzfahrzeug-<br />

Konzerns Thor Industries, profitiert Airstream von Synergien,<br />

kann aber unabhängig agieren. Jährlich werden Hunderte<br />

Wohnwagen gebaut; die Werkführung gehört laut Fox News zu<br />

den zehn besten in den Staaten. Parallel bietet man die «Silver<br />

Bullets» auch in speziellen EU-Ausführungen an. Diese Modelle<br />

werden in den USA vorproduziert und in England nach europäischen<br />

Standards zusammengebaut. Selbst in China ist<br />

Airstream mittlerweile präsent; längst gibt es mehrere Modelle<br />

in verschiedenen Längen und Ausstattungsvarianten. Kurzum:<br />

Der «American Way of Caravaning» ist heute wieder so lebendig<br />

wie einst.<br />

4493 Wohnwagen zu einem Airstream-Treffen in den USA! Die<br />

technische Entwicklung, aber auch Ölkrise und Rezession zwangen<br />

Airstream dazu, mit Fiberglas und anderen Materialien, aber<br />

auch Spezialausführungen für die verschiedensten Zwecke zu<br />

experimentieren. Eines aber hat es während aller Höhen und Tiefen<br />

immer gegeben – die wunderschönen Aluminium-Modelle,<br />

von denen erstaunliche 70 Prozent aller je hergestellten Exemplare<br />

heute noch existieren.<br />

Mehr zum Thema<br />

148 VECTURA #7


So cool kann heiss sein.<br />

Der Subaru BRZ. Mit 200 PS starkem Boxermotor und Heckantrieb.<br />

Schon ab Fr. 39’800.– (man., abgebildetes Modell).<br />

Energieeffizienz-Kategorie G/F, CO 2 181/164 g/km, Verbrauch<br />

gesamt 7,8/7,1 l /100 km (man./Aut.). Fr. 41’800.– (Aut.).<br />

Durchschnitt aller in der Schweiz verkauften Neuwagenmodelle<br />

(markenübergreifend): 153 g/km.<br />

www.subaru.ch SUBARU Schweiz AG, 5745 Safenwil,<br />

Tel. 062 788 89 00. Subaru-Vertreter: rund 200. www.multilease.ch<br />

Unverbindliche Preisempfehlung netto, inkl. 8% MWSt.<br />

Preisänderungen vorbehalten.


150 VECTURA #7<br />

zieleingabe


Ein Heim in der<br />

Fremde<br />

Bei der Wahl einer passenden<br />

Destination schweifen wir diesmal<br />

in die Ferne. Es geht nach<br />

Marrakesch, und das mit allem<br />

erdenklichen Komfort britischen<br />

Fahrzeugbaus. Nur eines<br />

würden wir beim nächsten Mal<br />

anders machen – mehr<br />

Zeit einpacken<br />

Text Peter Hawkins<br />

Fotos Matthew Howell, Ben Samuelson, Marqués de Riscal<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 151


Auffälliger geht es kaum. Das haben wir schon<br />

auf der ganzen Anreise gemerkt und es wird<br />

uns hier, am südlichsten europäischen Grenzposten<br />

in Ceuta, nochmals deutlich vor Augen<br />

geführt. Schliesslich fahren wir <strong>13</strong> Meter<br />

des glänzendsten, mit insgesamt<br />

215 000 Franken aber auch teuersten<br />

Aluminiums, das man derzeit auf Rädern<br />

kaufen kann. Der neue Range<br />

Rover ist in Marokko noch völlig<br />

unbekannt und auch die silberne<br />

Riesenpille im Schlepptau<br />

dürfte hier noch nicht allzu oft<br />

gesichtet worden sein…<br />

Nach einer etwas längeren Fahrzeug-<br />

und Ausweiskontrolle verlassen wir diesen europäischen<br />

Zipfel und sind gleich mittendrin im nordafrikanischen Getümmel<br />

– um uns herum verbeulte Autos, die ausschliesslich aus den<br />

80ern stammen, dazwischen ein paar Eselkarren und Fahrräder.<br />

In unserem Edelschlitten ist das ein Kulturschock, auch für die<br />

anderen. Es geht zunächst nur im Schritttempo voran, und das<br />

vollkommen geräuschlos – die Laufruhe des Range-Motors und<br />

seine Doppelverglasung lassen die Welt um uns herum noch surrealer<br />

erscheinen. Keine Frage: Mit dem intelligentesten Wohnwagen<br />

der Welt, gezogen vom derzeit modernsten, elegantesten<br />

Geländewagen, sind wir auf unserer Tour äusserst privilegiert<br />

unterwegs. Der Trip war von langer Hand vorbereitet worden und<br />

beruhte auf einer Frage: Schon der alte Range Rover ist ein ziemlich<br />

gutes Zugfahrzeug gewesen, aber wie würde sich der neue<br />

anstellen, mit einem immerhin 2,4 Tonnen schweren Luxus-<br />

Wohnwagen am Haken? Bei Land Rover in Solihull fand man Gefallen<br />

an unserer Idee und stellte uns mit dem 4.4 SDV8 einen<br />

bestens motorisierten Testwagen zur Verfügung.<br />

In gewissem Sinne handelt es sich bei unserem «Roadtrain» um<br />

ein britisches Gespann, denn der US-amerikanische Hersteller<br />

Airstream (siehe S. 146) hat seine Wohnwagen über die letzten<br />

paar Jahre hinweg im Lake District direkt an der M6 bei Tebay<br />

entworfen und produziert. Unser Modell heisst International 684<br />

und bildet die Speerspitze des aktuellen Angebots. Wie es sich<br />

für die Kultmarke gehört, zeigt auch der 684 (die Ziffern beziehen<br />

sich auf die Länge von 6,8 Meter und die Anzahl der Betten) aussen<br />

poliertes Alu; allein moderne Leichtmetallfelgen sind ein opti-<br />

152 VECTURA #7


RUBRIKEN<br />

zieleingabe<br />

sches Zugeständnis an die Gegenwart. Von innen erinnert der<br />

Airstream an die Suite eines kleinen Luxushotels: Komfort ist<br />

Trumpf und das Leder in unserem Demo-Modell knallrot, worüber<br />

man sich streiten mag (natürlich kann jede andere nur denkbare<br />

Farbe bestellt werden). Die Verarbeitung macht Freude; an<br />

Bord sind Arbeitsplatten aus schickem Corian oder ein riesiger<br />

Flachbildfernseher. Trotz der Tatsache, dass man mittlerweile einen<br />

noch breiteren 684 (2,5 Meter im Vergleich zu unserem<br />

2,3-Meter-Modell) kaufen kann, ist unser Airstream innen sehr<br />

geräumig. Achtern im Heck steht ein vollwertiges Doppelbett mit<br />

viel Stauraum drum herum; dazu kommt eine gut proportionierte<br />

Nasszelle. Mittschiffs ist eine Bordküche mit genügend Ausstattung<br />

untergebracht, um auch eine grössere Gruppe satt zu kriegen.<br />

Ganz vorne befinden sich der Esstisch und ein Sofa, das<br />

man mit wenigen Handgriffen in ein weiteres Doppelbett umfunktionieren<br />

kann.<br />

Wenn man unabhängig bleiben und von einem Kontinent zum<br />

anderen fahren will, gibt es wohl nichts Besseres als den<br />

Airstream. Schon gar nicht, wenn vorne ein Range mit elektrisch<br />

ausfahrbarer Kupplung zieht. Unser Roadtrip begann im pulsierenden<br />

Land-Rover-Werk Solihull, dessen Selbstbewusstsein<br />

auch Beweis ist für die sehr lebendige und gute Autoindustrie in<br />

Grossbritannien. Von dort aus fuhren wir bei strömendem Regen<br />

auf der M40 Richtung Süden bis nach Portsmouth, um uns einzuschiffen.<br />

Bei normaler Reisegeschwindigkeit dreht der 339 PS<br />

Ob vor dem «Marqués de Riscal»<br />

oder an den Sandstränden Marokkos –<br />

der Airstream macht überall eine<br />

hervorragende Figur<br />

starke Turbodiesel des Top-Range nur knapp über 1000 Touren.<br />

Und obwohl die ganze Fuhre rund fünf Tonnen auf die Waage<br />

bringt, gab es keine Steigung, die uns gezwungen hätte, langsamer<br />

zu werden. Okay, so geschah es im seichten England, aber<br />

ganz im Ernst: Der neue Range Rover zieht so mühelos davon,<br />

dass man ab und an vergessen mag, dass hinten noch etwas<br />

dranhängt.<br />

In Portsmouth parkten wir auf einer Brittany-Fähre, die uns nach<br />

Santander bringen und so runde 1000 Kilometer Strasse einsparen<br />

würde. Schliesslich waren es die Strecken im Süden, auf die<br />

wir uns freuten! Die Fähre selbst ist zu empfehlen; sie hat elegante<br />

Restaurants an Bord, mehr als akzeptable Kabinen, WLAN<br />

und sogar Handyempfang. Doch nach zwei Nächten und<br />

33 Stunden auf See waren wir wieder Asphalt-reif. Am Flughafen<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 153


RUBRIKEN<br />

Technische Daten<br />

Airstream International 684 2.3m<br />

Series 2<br />

Konzept Fullsize-Luxuswohnwagen mit US-amerikanischen Wurzeln.<br />

Semi-Monocoque, Leichtbauweise (Aluminiumrahmen und<br />

-beplankung). Glaswolle-Isolierung, Panoramafenster aus<br />

Echtglas. Interieur mit kompletter Möblierung inkl. Tisch-<br />

Sitzgruppe, Radio/CD/MP3, Küche (inkl. Corian-Arbeitsplatte,<br />

Flammenherd mit Ofen, Spüle, Kühlschrank und Gefrierfach),<br />

Duschbad/WC und vier vollwertigen Schlafplätzen plus individueller<br />

Ausstattung (Klimaanlage, Onboard-Stromaggregat,<br />

Leder, Satelliten-TV, Solarpanels, Markise etc.). Wasser-, Abwasser-<br />

und Stromanschluss für den stationären Gebrauch.<br />

Vollbeheizung mit 7,5 kW Leistung<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm<br />

Reifen und Räder<br />

Kabinenvolumen (L/B/H)<br />

Leergewicht in kg<br />

Zulässiges Zuggewicht in kg<br />

Kuplungshöhe in cm<br />

Max. Kupplungslast in kg<br />

Preis ab CHF<br />

825/228,5/265<br />

185/60 R 15 auf 5,5 J<br />

680,5/212,5/199<br />

2250<br />

2680<br />

150<br />

46,5<br />

75 900.–<br />

154 VECTURA #7


RUBRIKEN<br />

Bilbao stieg unser Fotograf Matt ein und hatte auch schon Pläne<br />

für erste Bilder. Doch keiner von uns war auf die Schönheit dieses<br />

Küstenabschnitts gefasst.<br />

Unser erstes Ziel lag in den Bergen: Das Weingut und Hotel Marqués<br />

de Riscal ist ein atemberaubendes Gebäude, designt von<br />

Frank Gehry, dessen exzessiver Verbrauch an Aluminium international<br />

bekannt ist. Diese Parallelen zum neuen Range und unserem<br />

Wohnwagen machten den Ort zur adäquaten Foto-Location.<br />

Und während die Sonne unterging, diskutierten wir bei einer<br />

schönen Flasche Rioja, dass wir in weniger als 36 Stunden schon<br />

in Marokko sein und bereits in sechs Tagen wieder durch Spanien<br />

zurückfahren würden…<br />

Unsere Airstream-Premiere fand auf dem Campingplatz Fuentes<br />

Blancas in Burges statt, den wir in stockdunkler Nacht und bei eisiger<br />

Kälte erreichten. Nachdem wir die Stützen fixiert, unser Abwassersystem<br />

angeschlossen und die Heizung angeworfen hatten, zogen<br />

wir los – um noch mehr Rioja und etwas zu essen zu kaufen.<br />

Noch vor Sonnenaufgang waren wir wieder unterwegs, denn bis<br />

zum nächsten Nachtlager galt es, knapp 900 Kilometer abzuspulen.<br />

Die sagenhaften spanischen Autobahnen bilden die perfekte<br />

Umgebung für den Range Rover. Dank seinem überragenden<br />

Fahrwerk, dessen Luftfederung alles glattbügelt, was nicht glatt<br />

ist, gleitet er wie auf Wolken dahin. Auf der Iberischen Halbinsel<br />

gibt es streckenweise aber auch legendäre Schlaglöcher und wir<br />

haben einige gesehen, jedoch nie gespürt. Und dann, auf einer<br />

Höhe von circa 1000 Meter über dem Meeresspiegel, schwächelte<br />

der Range erstmals: Während einer besonders langen und<br />

schwierigen Steigung schaffte er es nicht, die programmierte Geschwindigkeit<br />

des Tempomaten zu halten. Also gab ich Gas, aber<br />

etwas zu viel – und schon schoss unser Gespann nach vorne, als<br />

gäbe es kein Morgen. Das satte Drehmoment von 700 Nm ist in<br />

Kombination mit der Achtgang-Automatik schon eine Klasse für<br />

sich. Als wir die andere Seite des Berges wieder hinunterfuhren,<br />

nahmen wir heftige Seitenwinde wahr, was uns kurz beunruhigte.<br />

Der serienmässige Stabilitätsassistent des Range Rover bremst<br />

jedoch jedes einzelne Rad gefühlvoll ab, um Schlingern zu verhindern,<br />

bevor es überhaupt beginnt. Grossartig!<br />

Den zweiten Camp-Platz erreichten wir erneut im Dunkeln und<br />

stellten begeistert fest, dass man über die Strasse von Gibraltar<br />

hinweg schon die Lichter Afrikas sehen konnte! Wenige Stunden<br />

später, nach einer kurzen Fährpassage, erreichten wir die spanische<br />

Enklave Ceuta.<br />

Und jetzt sind wir tatsächlich hier, parken den Range, schliessen<br />

ihn gut ab, klettern einen Hügel hinauf und geniessen den Augenblick.<br />

Dann geht es weiter, es wird bergiger als bisher, doch der<br />

Range gibt sich unbeeindruckt. Marokkanische Strassen sind<br />

generell in keinem sehr guten Zustand, jedoch kaum schlechter<br />

als einige britische. Wir bleiben zunächst auf der Autobahn Richtung<br />

Rabat und Casablanca, wo wir auch erstmals tanken. Die<br />

Raststätte ist aufgeräumt und sauber, der Sprit unglaublich billig.<br />

Vor der Weiterfahrt unterhalten wir uns noch mit dem Fahrer eines<br />

in Genf registrierten Pinzgauer und erfahren, dass er ein Arzt<br />

und auf dem Weg nach Malawi ist. Sein Fahrzeug sieht aus wie<br />

das unbequemste Transportmittel aller Zeiten. Beeindruckt von<br />

den Nehmerqualitäten und der Furchtlosigkeit dieses Mannes<br />

entern wir demütig unsere Luxussänfte mit den beheiz- oder<br />

kühlbaren Massagesitzen plus Landyacht im Schlepptau.<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 155


zieleingabe<br />

Weiter geht’s durch den Norden des Landes, das hier tatsächlich<br />

aussieht wie Norditalien. Einziger Unterschied: Auf den Wiesen<br />

am Strassenrand grasen keine Kühe, sondern Kamele. Kurz vor<br />

Rabat beschliessen wir aus gutem Grund, die engen Strassen<br />

der Stadt zu meiden, und steuern direkt unseren nächsten Campingplatz<br />

Océan Bleu an, der direkt am Strand von Mohammedia<br />

ausserhalb Casablancas liegt. Dort hat bereits ein Paar aus Cornwall<br />

samt Baby sein Zelt aufgeschlagen: Es will mit seinem Allrad-<br />

Camper gen Süden und mal schauen, wohin der weitere Weg sie<br />

führen wird. Ein anderer Brite trifft mit einem Motorrad ein, das er<br />

kürzlich für 150 Euro gekauft hat. Jetzt will er es wissen – Sahara<br />

und zurück. Als wir seine karge Ausrüstung sehen, kommen wir<br />

uns schon etwas verweichlicht vor. Doch beim Anblick der örtlichen<br />

sanitären Anlagen sind wir wieder sehr froh, unsere eigene<br />

dabei zu haben…<br />

In der Frühe servieren wir dem Biker eine Tasse guten englischen<br />

Frühstückstees sowie Toast und Marmite, dann brechen<br />

wir auf. Marrakesch ruft und die Landschaft wird immer beeindruckender.<br />

Obwohl wir weiterhin auf der Mautstrasse unterwegs<br />

sind – sie ist den meisten Einheimischen zu teuer und deswegen<br />

sehr leer –, kriegen wir viel von der Umgebung mit. Häuser aus<br />

roten Ziegelsteinen und kleine Schafherden säumen die Strecke<br />

auf unserem Weg, als es immer sandiger und steiniger wird. Kurz<br />

vor der knapp tausendjährigen Metropole nimmt der Verkehr wieder<br />

zu: Teils hupende Taxis versuchen sich zwischen Range und<br />

Airstream zu drängen, schwer beladene Mopeds mit einer kompletten<br />

Familie samt Wocheneinkauf hinten drauf jonglieren im<br />

Zentimeterabstand um uns herum. Es ist Stress pur und wir sind<br />

froh, einen geeigneten Parkplatz zu erreichen. Von dort aus besuchen<br />

wir die historische Altstadt zu Fuss, doch unser tatsächliches<br />

Ziel liegt noch etwas weiter südlich: Es ist das Atlasgebirge,<br />

welches sich ungefähr 40 Kilometer südlich von Marrakesch in<br />

schwindelerregende Höhen erstreckt. Also lassen wir die Ebene<br />

und das bunte Treiben hinter uns. Mit Einbruch der Dunkelheit<br />

suchen wir uns am Fuss der Berge einen geeigneten Rastplatz<br />

und machen es uns im Airstream gemütlich, der schon ein vertrautes<br />

Zuhause geworden ist.<br />

156 VECTURA #7


Ziehmoment: Fünf Tonnen<br />

Gesamtwicht am Hang<br />

sind kein Problem für den<br />

neuen Range Rover<br />

Sommer 20<strong>13</strong> 157


zieleingabe<br />

Früh am nächsten Morgen gilt es, den nicht nur geografischen<br />

Höhepunkt unserer Reise zu erklimmen. Der Weg wird anspruchsvoller<br />

und steiler, auch die Beschaffenheit der Menschen<br />

und des Bodens verändert sich. Einheimische grüssen<br />

uns mit einem würdevollen, fast feierlichen Nicken, wenn wir an<br />

ihnen vorbeifahren. Das tun wir immer langsamer, denn die Pisten<br />

werden enger und kurviger, während es auf einer Seite oftmals<br />

ungesichert in die Tiefe geht. Und dann erreichen wir den<br />

Gipfel in Oukaimeden, einem kleinen Ort auf 2700 Meter Höhe.<br />

Neben der kleinen Militärbasis ist er besser bekannt für sein<br />

Skigebiet.<br />

Das Panorama ist sensationell. Trotzdem werden wir etwas<br />

wehmütig, denn Oukaimeden ist auch der Wendepunkt unseres<br />

ausschweifend-dekadenten Luxus-Trips. Von nun an geht es<br />

wieder 3000 Kilometer zurück, also richten wir unser Gespann<br />

am nächsten Tag Richtung Nordwesten aus. Schon zur Mittagszeit<br />

haben wir Marrakesch passiert, erneut Wüste erreicht – und<br />

rekapitulieren mit Cruise Control: viel erlebt in den letzten Tagen!<br />

Es waren derer zu wenige und alle sind sich einig, dass<br />

unser exzellentes Gespann eigentlich längere Ferien und noch<br />

mehr Abenteuer verdient hätte.<br />

Den Kilometer-Marathon steckt das Material jedenfalls klaglos<br />

weg; auch für uns Passagiere ist es ein Spaziergang. Am Ende<br />

werden wir 836 Liter Diesel verbraucht haben – ein guter Wert für<br />

unseren «Road Train». Allein nächtliche Etappen durch Nordafrika<br />

können wir niemandem empfehlen – sie sind gespickt mit komplett<br />

unbeleuchteten Eselkarren und Schlaglöchern von der<br />

Grös se eines Kleinwagens. Aber auch das schaffen wir, bevor am<br />

Horizont wieder die Alte Welt vor uns auftaucht. Was wir gerne<br />

dorthin mitnehmen würden? Den marokkanischen Himmel!<br />

Mehr zum Thema<br />

158 VECTURA #7


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9 772235 369009<br />

RUBRIKEN Impressum<br />

Herausgeberin Prestige Media AG,<br />

Bösch 73, CH-6331 Hünenberg (ZG)<br />

Verleger Francesco J. Ciringione<br />

Verlagsleitung Boris Jaeggi<br />

Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map)<br />

m.pfannmueller@prestigemedia.ch<br />

Marketing- und Anzeigenleitung<br />

Cumi Karagülle ck@prestigemedia.ch<br />

Gestaltung Tobias Merz<br />

t.merz@prestigemedia.ch<br />

Autoren dieser Ausgabe Simon Baumann,<br />

Clauspeter Becker, Adriano Cimarosti,<br />

Gisbert L. Brunner, Dieter Günther,<br />

Peter Hawkins, Armin Heun,<br />

Hubertus Hoslin, Stefan Lüscher,<br />

Roland Löwisch, Daniel Meier,<br />

Klaas Rosenboom, Markus Schmid,<br />

Mark Stehrenberger<br />

Fotografen dieser Ausgabe Christian Bittmann,<br />

Adriano Cimarosti, Nick Dimbleby,<br />

Matthew Howell, Dermo S. Kane,<br />

Andy Mettler, Ben Samuelson,<br />

David Shepherd, Gabriele Spalluto,<br />

Robert Waltmann, Ian G.C. White, map<br />

Lektorat Andreas Probst<br />

Produktionsleitung Nicole Senn<br />

n.senn@prestigemedia.ch<br />

Verlag / Produktion Prestige Media AG,<br />

Leimgrubenweg 4, CH-4053 Basel<br />

Telefon +41 (0) 61 335 60 80<br />

Telefax +41 (0) 61 335 60 88<br />

info@prestigemedia.ch<br />

www.prestigemedia.ch<br />

www.prestigenews.ch<br />

Web & IT Dejan Djokic<br />

Koordination Laura Giarratana<br />

Abo Service Serpil Dursun<br />

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info@prestigemedia.ch<br />

Einzelnummer CHF 10.–<br />

Jahresabo CHF 39.–<br />

Erscheinungsweise vierteljährlich<br />

WEMF 2012/<strong>13</strong> – 14 368 Exemplare<br />

Wiedergabe von Artikeln und Bildern,<br />

auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit<br />

ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.<br />

Für unverlangte Zusendungen wird von<br />

Redaktion und Verlag jede Haftung abgelehnt<br />

VECTURA #8<br />

liegt ab dem<br />

09. September<br />

20<strong>13</strong> am Kiosk.<br />

Abonnenten<br />

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Magazin eine<br />

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[lat.: das Fahren]<br />

#7 | Sommer 20<strong>13</strong><br />

Neu geboren<br />

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wilder westeN // seat leON sC<br />

legeNdär // bOxer-bikes vON bMW<br />

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JubiläuMs-eDitiON<br />

Titelfoto Aldo Ferrero<br />

160 VECTURA #7


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