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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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1. Dezember<br />

Jesus Christus – Gottes Einsatz<br />

für die Welt<br />

4<br />

Eine jüdische Legende, die Traugott Stählin überliefert hat, trägt den Titel<br />

„Gottes liebste Töchter“. 1 Zwar muss der Dogmatiker ein Auge zudrücken, da<br />

Gott keine Töchter hat, doch ist der Gehalt der Geschichte so tiefsinnig, dass<br />

ich sie erzählen will:<br />

„Als Gott, der Vater, am sechsten Tag seines Schöpfungswerkes noch<br />

einmal <strong>mit</strong> sich zu Rate ging, ob er den Menschen schaffen und wie er ihn<br />

schaffen sollte, da waren seine drei liebsten Töchter bei ihm: die Weisheit, die<br />

Gerechtigkeit und die barmherzige Liebe.<br />

Zuerst trat die Weisheit auf und sagte: ‚Vater, schaffe den Menschen<br />

nicht. Er wird deiner Weisheit nicht folgen. Die Menschen werden sich selbst<br />

zu Narren machen. Dafür aber ist deine Schöpfung zu gut. Gib die Schöpfung<br />

dem Wahnsinn der Menschen nicht preis!‘<br />

Da kam die zweite Tochter, die Gerechtigkeit, zu Wort und sagte: ‚Vater,<br />

schaffe den Menschen nicht. Denn er wird deine Gerechtigkeit verwerfen. Es<br />

wird eine Schwester die andere verleumden vor dir und vor den Menschen.<br />

Es wird ein Bruder den anderen hassen, ja sogar töten. Die Menschen werden<br />

sich um Gerechtigkeit nicht scheren. Sie werden in ihrer Ungerechtigkeit und<br />

in Angst die Hölle aus deiner Welt machen.‘ Und Gott schwieg.<br />

Da trat die dritte Tochter, die barmherzige Liebe, vor und sagte: ‚Vater,<br />

was meine beiden Schwestern vorbrachten, trifft zu. Es wird das eintreten,<br />

was sie vorausgesagt haben – aber erschaffe den Menschen trotzdem!<br />

Schenke ihm als einziger Kreatur Freiheit und Liebe. Zwar kann man die<br />

Freiheit missbrauchen, und die Liebe ist verletzlich. Aber Freiheit und Liebe –<br />

diese beiden – machen die Würde des Menschen und deiner Schöpfung aus.<br />

Ich will zu den Menschen hinabsteigen: Ich will sie Liebe und Freiheit lehren.<br />

Ich will sie selber lieben, so wie sie sind. Dann erst wird deine Schöpfung<br />

vollendet sein; denn die Krone deiner ganzen Schöpfung wird Liebe sein. Ich<br />

gehe zu den Menschen, und wenn es mich das Leben kostet.‘<br />

Da nahm Gott der Vater diese seine dritte Tochter in die Arme, küsste sie<br />

und erschuf danach den Menschen.“<br />

„Ich gehe zu den Menschen, auch wenn es mich das Leben kostet.“ Die<br />

Worte der barmherzigen Liebe erinnern an den Lobgesang des Benedictus,<br />

1 Diese Legende findet sich auf verschiedenen Internet-Seiten, z.B. www.christentum.<br />

ch/gerechtigkeit.htm<br />

6

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