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kmu_03_2015_EMAG

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AUSGABE <strong>03</strong>/<strong>2015</strong><br />

Chancen ergreifen<br />

Die neuen flexiblen Arbeitswelten<br />

PHILOSOPHIE & BUSINESS | FREMDE MÄRKTE | MOBILITÄT & SICHERHEIT | GELD & NACHHALTIGKEIT


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Druckfehler bleiben jederzeit vorbehalten.<br />

NEUER PEUGEOT PARTNER


Liebe Leserin, Lieber Leser<br />

Auch in der vorliegenden Ausgabe präsentieren wir Ihnen<br />

wieder einen spannenden Sicherheitsschwerpunkt mit vielen<br />

praktischen und strategischen Hilfestellungen für den Geschäftsalltag.<br />

Ein Thema sind die Fragen der Sicherheit rund<br />

um mobiles Arbeiten.<br />

Das Thema Sicherheit geht aber weit über den angesprochenen<br />

Bereich hinaus. Das ist mir beim Lesen einer Kolumne aus<br />

dieser Ausgabe aufgefallen. Der Autor thematisiert, wie die europäischen<br />

Akteure im globalen Wettbewerb die Nase in der IT-<br />

Branche weiter vorne haben können und fährt dann fort: «Denn<br />

auch wenn wir vielleicht bald selbst fahrende Autos haben werden<br />

– bis die Maschinen uns das Denken abnehmen, geht (hoffentlich)<br />

noch sehr viel Zeit ins Land.» Wollen wir wirklich, dass<br />

uns die Maschinen das Denken abnehmen? Ich will das nicht.<br />

Ohne Frage, die Digitalisierung aller Lebensbereiche verändern<br />

unsere Lebenswelten so fundamental wie die industrielle Revolution<br />

vor über 150 Jahren. Zunächst vereinfachen uns die vielen<br />

digitalen Helferlein den Alltag. Im Business bieten sie uns Lösungen<br />

rund um die Stichworte Big Data und Cloud, um neue<br />

Produktivitätsfortschritte zu erreichen. Wir ahnen aber, dass<br />

das Thema Datenschutz auf der Strecke bleibt. Schon das Wort<br />

klingt wie eine fast ausgestorbene Tierart. Ist das uns im digitalen<br />

Wettlauf um Datamining schon aufgefallen? Unsere informationelle<br />

Selbstbestimmung droht auf der Strecke zu bleiben.<br />

Spähprogramme machen uns zu gläsernen Menschen. Und das<br />

betrifft nicht nur die Geheimdienste.<br />

Google, jetzt auch Alphabet, ist dafür ein Beispiel. Die weltgrösste<br />

Online-Suchmaschine sammelt täglich immense Datenmengen<br />

– wie ein Geheimdienst. Die Menschen sind gewohnt,<br />

per PC- und Smartphone-Suchabfrage jedes Detail<br />

preiszugeben, sogar Dateien direkt in der Google-Cloud zu<br />

speichern oder per Google-Mail zu teilen. Die neue Struktur<br />

des Konzerns macht nun jede Kontrolle oder Regulierung fast<br />

unmöglich.<br />

In den letzten Wochen ist mir ein Buch in die Hände gefallen,<br />

welches die unterschiedlichen Positionierungen der Debatte, wie<br />

sich eine Programmierung der Gesellschaften und des Denkens<br />

verhindern lassen, vorstellt. Beiträge des Sammelbandes sind im<br />

ersten Halbjahr 2014 in der «Frankfurter Allgemeinen» FAZ erschienen<br />

(Technologischer Totalitarismus, bei edition suhrkamp).<br />

Zusammengestellt wurde die Debatte vom inzwischen verstorbenen<br />

Frank Schirrmacher. Er fragt sich zum Beispiel, ob die<br />

neuen Gadget-Armbänder eine neue Gesundheitsökonomie einleiten.<br />

Wird eines Tages eine vermeintlich falsche Lebensführung<br />

abgestraft? Seien solche Daten-Tracker und Wearables «nicht<br />

der Schlussstein der Quantifizierbarkeit des Einzelnen, der sich<br />

nun in nichts mehr vom Modell des Homo oeconomicus unterscheidet:<br />

eines Wesens, das ausschliesslich einer Effizienz- und<br />

Kontrolllogik gehorcht?»<br />

Es geht um nicht weniger als um eine Jahrhundertaufgabe. Mitte<br />

und Ende des 19. Jahrhunderts war es die soziale Frage, Ende<br />

des 20. Jahrhunderts war es die ökologische Frage. Beide sind<br />

auch heute umkämpft und nur in Teilen gelöst, jetzt kommt die<br />

digitale Frage dazu.<br />

Das sind keineswegs nur Fragen für intellektuelle Debattenzirkel.<br />

Wir haben Sie in die Debatte zu Sicherheitsfragen an topsoft<br />

eingebracht.<br />

Georg Lutz<br />

Chefredaktor <strong>kmu</strong>RUNDSCHAU<br />

lutz@rundschaumedien.ch<br />

www.<strong>kmu</strong>rundschau.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 1


Flexible Arbeitswelten in der Praxis<br />

16<br />

Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden<br />

mobil-flexible Arbeitsmodelle an. Obwohl diese neue<br />

Arbeitsform viele Vorzüge mit sich bringt und den Anforderungen<br />

einer global vernetzten Welt entspricht, entfalten<br />

sich diese erst, wenn Führungskräfte wie auch Mitarbeitende<br />

die entsprechenden Kompetenzen ausbilden. Wir<br />

geben in einem Themenschwerpunkt einen Überblick.<br />

22<br />

Philosophie und Business<br />

Ohne wirtschaftliche Vernunft funktioniert kein Geschäft –<br />

allein durch sie aber auch nicht. Werte, Sinnorientierung,<br />

Führungs- und Kommunikationskultur sowie andere<br />

«weiche» Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Ein philosophischer<br />

Ansatz ist hilfreich bei der Auseinandersetzung<br />

mit fundamentalen Fragen der Unternehmensführung.<br />

Hürden in fremden Märkten<br />

40<br />

Nicht nur für multinationale Unternehmen, sondern auch<br />

für Schweizer KMU werden Beziehungen ins Ausland immer<br />

wichtiger. Selbst wenn KMU keine Expansionspläne hegen,<br />

sind Kooperationen und Arbeitskräftebeschaffung über<br />

Grenzen hinweg heute meist unumgänglich. Negativ besetzte<br />

Buzzwords wie Outsourcing und Offshoring verdecken<br />

oft die Potenziale der Internationalität.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 2


Nachhaltige Geldanlagen<br />

Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene<br />

Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein Widerspruch<br />

sein. Kann man beide Herausforderungen unter<br />

einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette Hunziker-<br />

Ebneter, die CEO und Gründungspartnerin von Forma<br />

Futura Invest AG, fragten wir nach Antworten.<br />

60<br />

76<br />

Mobilität und Sicherheit<br />

Es müssen neue Wege gefunden werden, modernen<br />

Hacker angriffen einen Riegel vorzuschieben und sich für<br />

die Herausforderungen durch immer weiter auflösende<br />

Peripherien sowohl in der Geschäfts- als auch Alltagswelt<br />

zu wappnen. Dies gilt insbesondere für mobile Lösungen.<br />

Wir haben einen Themenschwerpunkt zusammengestellt<br />

der unterschiedliche Aspekte beleuchtet.<br />

Wir sind vor Ort<br />

Unter anderem sind wir in den nächsten Monaten an folgenden<br />

Messen und Veranstaltungen vor Ort. Gerne können Sie<br />

im Vorfeld mit uns Termine vereinbaren. Auf Wunsch schauen<br />

wir in Ihrem Unternehmen auch persönlich vorbei.<br />

Rubriken<br />

Editorial01<br />

Kommentar04<br />

Highlight08<br />

Menschen in Unternehmen 22<br />

Global & Lokal 40<br />

Marcom48<br />

Die Welt der Finanzen 60<br />

Unternehmen unterwegs 72<br />

IT-Sicherheit76<br />

Software & Hardware 98<br />

Impressum112<br />

Tages Anzeiger Forum, www.forum-executive.ch<br />

SKO Leader Circle, www.sko.ch<br />

Business Frühstück FFHS, www.ffhs.ch<br />

it-sa – Messe und Kongress für IT-Security, www.it-sa.de<br />

Europaforum Luzern, www.europa-forum-luzern.ch<br />

Sicherheit <strong>2015</strong>, www.sicherheit-messe.ch<br />

Im Web<br />

Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News,<br />

Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden.<br />

Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen.<br />

Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL.<br />

Besuchen Sie www.<strong>kmu</strong>rundschau.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 3


Kommentar<br />

An einem Strang ziehen<br />

von Boris Zürcher<br />

Die Schweiz gehört zu den exportkräftigsten und konkurrenzfähigsten<br />

Ländern der Welt. Diese Leistung ist bemerkenswert,<br />

zumal Kleinstunternehmen, das heisst Unternehmen mit weniger<br />

als zehn Mitarbeitenden, in der Schweizer Wirtschaft, neben<br />

den typischen KMU, eindeutig dominieren. Die Lage der<br />

Weltwirtschaft und insbesondere die Stärke des Schweizer<br />

Frankens beschäftigen zurzeit die Schweizer Wirtschaft. Dessen<br />

ungeachtet bleibt der Engpass verfügbarer Fachkräfte<br />

längerfristig und unabhängig von den konjunkturellen Schwankungen<br />

eine zentrale Herausforderung für unsere Wirtschaft.<br />

Dies erstaunt insofern nicht, als die Schweiz als rohstoffarmes<br />

Land sich hinsichtlich Innovation und Wertschöpfung seit Jahrzehnten<br />

vor allem deshalb erfolgreich an der Weltspitze halten<br />

konnte, weil sie auf eine hohe Verfügbarkeit von bestens ausgebildeten<br />

Fachkräften zählen konnte. Fachkräfte, und mit ihnen<br />

Bildung, Forschung und Innovation, begründen seit jeher<br />

die Stärke der Schweizer Wirtschaft.<br />

Die Anstellung von Fachkräften auf unterschiedlichsten Stufen<br />

wird aber für viele KMU zusehends schwieriger, da sich der<br />

internationale Wettbewerb um gut qualifizierte Fachkräfte akzentuiert<br />

und gleichzeitig im Gefolge der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative<br />

der bisher relativ leichte Zugang<br />

zu ausländischen Fachkräften begrenzt werden soll. Zudem<br />

sind auch unsere wichtigsten Handelspartner in Europa mit<br />

denselben Problemen einer alternden Gesellschaft konfrontiert<br />

– auch sie ergreifen Massnahmen, um ihre Fachkräfte im<br />

eigenen Land zu behalten.<br />

Aufgrund dieser Entwicklungen lancierte das Eidgenössische<br />

Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)<br />

im Jahr 2011 die Fachkräfte-Initiative (FKI). Ziel der FKI ist<br />

es, der rückläufigen Verfügbarkeit von Fachkräften durch Erschliessung<br />

bestehender inländischer Potenziale und durch<br />

die Steigerung der Produktivität entgegenzuwirken und damit<br />

den Fachkräftemangel zu lindern. Als erwünschter Nebeneffekt<br />

soll dabei die Förderung der Akzeptanz für ein weiterhin<br />

liberales Zuwanderungssystem anfallen.<br />

Der Staat erfüllt verschiedene Rollen und kann über Bildungspolitik,<br />

Arbeits- und Sozialpolitik, Migrationspolitik und<br />

nicht zuletzt auch als bedeutender Arbeitgeber Einfluss auf<br />

die Fachkräftesituation ausüben. Der Fachkräftebedarf ist<br />

aber eine Thematik, welche nicht nur die staatlichen Institutionen,<br />

sondern die gesamte Gesellschaft betrifft. Gerade<br />

wenn das Fachkräfteangebot knapp ist, müssen die KMU<br />

an individuelle Lösungen denken wie familienfreundliche<br />

Arbeitsbedingungen oder flexible Arbeitsmodelle im Alter.<br />

Auch eine systematische Weiterbildung des Personals spielt<br />

eine wichtige Rolle, da immer mehr Arbeitskräfte mit arbeitsmarktnahen<br />

Qualifikationen gefragt sind. Kurzum: Auch KMU<br />

sind aufgefordert, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten.<br />

Dabei verfügen sie über andere, ebenso wichtige Trümpfe<br />

wie grosse Unternehmungen: Die Entscheidungswege sind<br />

kürzer und der Kontakt zwischen Chef und Angestellten ist<br />

direkt. Dies ermöglicht eine grosse Flexibilität, eine rasche<br />

Bestimmung der Bedürfnisse auf beiden Seiten und das<br />

Finden massgeschneiderter Lösungen für den jeweiligen Fall.<br />

Die Erfahrungen zeigen zudem, dass Kleinstunternehmen<br />

auch im Verbund mit anderen Betrieben Lösungen hervorbringen<br />

können.<br />

Wir sind zuversichtlich, dass die absehbaren negativen Effekte<br />

der demografischen Alterung durch eine proaktive Haltung und<br />

innovative Strategien bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen<br />

gelindert werden können. Eine der deutlichsten Stärken<br />

der KMU in der Schweiz ist ihr drängender Erfindergeist. Dieser<br />

wird ihnen auch bei der Entschärfung des Fachkräftemangels<br />

hilfreich sein.<br />

ist Leiter der Direktion für Arbeit des SECO.<br />

www.seco.admin.ch<br />

Boris Zürcher<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 4


Kommentar<br />

Fachkräfte-Initiative – Verbindliche<br />

Massnahmen als Standard<br />

von Daniel Lampart<br />

Die sogenannte «Fachkräfte-Initiative» will den Fachkräftemangel<br />

im Inland durch Massnahmen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt<br />

bekämpfen. Dieses Ziel ist wichtig und richtig. Doch die<br />

bisher vom Bundesrat vorgeschlagenen, auf Freiwilligkeit basierenden<br />

Massnahmen werden das Ziel nicht erreichen. Es<br />

braucht verbindliche Massnahmen – für die «älteren Arbeitnehmenden»,<br />

für gute und sichere Löhne, für die Vereinbarkeit für<br />

Beruf und Familie sowie im Bereich der Aus- und Weiterbildung.<br />

Zu Besserstellung der älteren Arbeitnehmenden ist es beispielsweise<br />

überfällig, dass der Bund die Diskriminierung dieser<br />

Arbeitnehmergruppe verhindern soll. In erster Linie braucht es<br />

für ältere Angestellte mit längerer Betriebszugehörigkeit einen<br />

besseren Kündigungsschutz, so wie das in gewissen Gesamtarbeitsverträgen<br />

bereits üblich ist. Das erhöht auch den Anreiz<br />

für die Arbeitgeber, vermehrt in den Gesundheitsschutz sowie<br />

die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zu investieren.<br />

Zur Finanzierung solcher Massnahmen braucht es analog zu den<br />

kantonalen Berufsbildungsfonds einen Solidaritätsfonds, der<br />

vor allem von jenen Firmen finanziert wird, die wenig «Ältere»<br />

beschäftigen. Ausserdem muss den über 50-Jährigen ein Recht<br />

auf bezahlte Weiterbildung und Umschulung zugestanden werden.<br />

Insbesondere bei Arbeitslosigkeit soll eine neue Qualifikation<br />

erworben werden können. Die Mittel dazu sollen im Rahmen<br />

der Revision des Berufsbildungsgesetzes gesprochen werden.<br />

In der Schweiz müssen Schweizer Löhne bezahlt werden. Es<br />

dürfen keine «billigen» Arbeitskräfte auf Kosten der Inländerinnen<br />

und Inländer aus dem Ausland eingestellt werden. Leider<br />

ist dieser Grundsatz in der Realität nur teilweise umgesetzt.<br />

Beispielsweise gibt es in Branchen wie dem Detailhandel, der<br />

Informatik oder dem Gartenbau keine allgemeinverbindlichen<br />

Gesamtarbeitsverträge GAV mit Mindestlöhnen. Arbeitgeber,<br />

die sich nicht an die Schweizer Löhne halten, können nicht zur<br />

Rechenschaft gezogen werden. Die Verstärkung des Lohnschutzes<br />

durch mehr GAV und bessere Durchsetzungsinstrumente<br />

ist deshalb zentral.<br />

Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat die Schweiz<br />

durch die Schaffung von mehr ausserfamiliären Betreuungsplätzen<br />

Fortschritte erzielt. Ein weiterer Ausbauschritt ist aber<br />

nötig. Unverständlich ist es, wenn einzelne Gemeinden aufgrund<br />

vor Sparprogrammen die Qualität der Betreuung verschlechtern<br />

oder sogar den Rückwärtsgang einlegen wollen. Neben den<br />

Betreuungsplätzen sind planbare Arbeitszeiten entscheidend.<br />

Um Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können, muss<br />

klar sein, wann die Arbeit beginnt und wann sie endet. Was nützen<br />

Krippen und Horte, wenn der Feierabend unsicher ist, und<br />

man nicht weiss, wann man die Kinder abholen kann? Gerade<br />

in den Spitälern besteht Handlungsbedarf. Zahlreiche Frauen<br />

müssen wegen der schlecht planbaren Arbeitszeiten ihre Stelle<br />

aufgeben.<br />

Die Schweiz muss diese Probleme lösen. Mit Appellen ist es<br />

aber nicht gemacht. Denn die schwarzen Schafe unter den<br />

Arbeitgebern reagieren nicht darauf. Es braucht verbindliche<br />

Massnahmen. Damit nicht die Egoisten und Profiteure bestimmen,<br />

wie die Schweiz mit den Arbeitnehmenden umgeht. Sondern<br />

damit die Verhaltensweise der vorbildlichen Arbeitgeber<br />

für alle zum Standard wird.<br />

ist Chefökonom des Schweizer Gewerkschaftsbundes (SGB).<br />

www.sgb.ch<br />

Daniel Lampart<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 5


Kommentar<br />

Die Demografie-Krise und ihre Lösung<br />

von Dr. Barbara Lang<br />

Schweizer Unternehmen haben eine gnadenlose Demografie<br />

vor sich. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter ist auf Rekordhöhe<br />

gestiegen. In der Führungsetage ist das Alter noch höher.<br />

Fach- und Führungskräfte erreichen bald das Pensionsalter<br />

und gehen der Wirtschaft verloren: Unternehmen verlieren<br />

mehr Mitarbeiter als je in der Geschichte; die geburtenstarken<br />

Jahrgänge entschwinden in die Rente; Nachwuchs ist knapp.<br />

Die Schweiz hat die «Fachkräfte-Initiative» ausgerufen – mit vier<br />

Handlungsfeldern: Höherqualifizierung entsprechend Bedarf,<br />

Schaffung guter Bedingungen für ältere Arbeitnehmer, Innovation<br />

für Produktivität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.<br />

Der Bund als Arbeitgeber will ältere Arbeitnehmer und Beruf/<br />

Familie fördern mit Kinderbetreuung und Ganztags-Schulen.<br />

Doch auf der Website der «Fachkräfte-Initiative» FKI heisst<br />

es: «Der Fachkräftemangel wird intensiviert durch die Initiative<br />

‹Gegen Masseneinwanderung› von Februar 2014» – und …<br />

«Der Fachkräftemangel kann mit der FKI nicht gelöst werden.»<br />

In anderen Worten: Firmen müssen selbst Lösungen finden.<br />

Der Fachkräftemangel ist längst Realität und kostet Milliarden.<br />

Firmen kompensieren durch «Arbeitsverdichtung». Sie müssen<br />

das Pensum mit weniger Leuten schaffen. Produktivitätserhöhung<br />

ist das Schlagwort. Das bleibt nicht ohne Folgen. Der<br />

Stresspegel steigt.<br />

Wer hat das Hauptproblem? Der Fachkräftemangel ist nicht<br />

mehr das, was wir erwarten: Knappe Ingenieure sind längst<br />

nicht mehr das Hauptproblem: Die produzierende Industrie<br />

beschäftigt im Wandel zur Wissensgesellschaft nur noch etwa<br />

22 Prozent der Erwerbstätigen. Die Dienstleistung beschäftigt<br />

mehr als Dreiviertel der Erwerbstätigen. Wer hier Fachkräfte<br />

sucht, hat überraschende Statistiken vor sich. Der Arbeitsmarkt<br />

besteht überwiegend aus Frauen – im Bereich Bildung, soziale<br />

Dienste und Finanzdienstleistung; der Bereich Gesundheit<br />

und Wellness beschäftigt bereits heute zu knapp 80 Prozent<br />

Frauen. Das nehmen wir nicht wahr, denn Chefärzte und Leiter<br />

von Klinik und Verwaltung sind zu über 90 Prozent Männer.<br />

Früher lockten Schweizer Kliniken Ärzte und Krankenpfleger<br />

aus dem süddeutschen Raum. Kliniken dort haben sich gegen<br />

den «Brain Drain» gewappnet: Attraktive Work-Life-Balance<br />

und Job-Sharing-Angebote halten die Hochqualifizierten – das<br />

Schweizer Gehalt ist Einbussen an Work-Life-Balance nicht<br />

mehr wert. Die Zeiten sind vorbei, wo sich hoch qualifizierte<br />

Menschen antiquierten Strukturen beugen. Häuser, die nicht<br />

innovativ sind, verlieren ihre Mitarbeiter.<br />

In Genf zeigt die Universitätsklinik, wie es geht: Hier sind Positionen<br />

bis hin zum Oberarzt mittels Job-Sharing auf Wunsch hin<br />

aufgeteilt. Und eine hauseigene Kinderbetreuung entlastet die<br />

Ärzte, die rund um die Uhr verfügbar sein müssen. Das Resultat?<br />

Der Krankenstand ist niedrig. Die Loyalität der Mitarbeiter<br />

und ihre Leistung sind hoch.<br />

Wer die neue demografische Realität nicht im Blick hat, verliert<br />

Mitarbeiter nicht nur an innovative Mitbewerber, sondern auch<br />

in den Krankenstand – oder in den «Präsentismus»: Mitarbeiter<br />

sind zwar körperlich anwesend, aber geistig nicht voll da.<br />

Wo Arbeitsmodelle und Zeitsysteme flexibilisiert werden und<br />

Positionen bis hin zu Führungspositionen aufgeteilt werden,<br />

verzeichnet man hervorragende Ergebnisse: Das Unternehmen<br />

ist attraktiv im Markt, die Mitarbeiterschaft ist motiviert und<br />

bleibt, der Dienst am Kunden bringt Umsatzvorteile.<br />

Dr. Barbara Lang<br />

ist CEO der JOBA AG – Corporate Health Made in Switzerland.<br />

barbara.lang@joba-ag.com<br />

www.joba-ag.com<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 6


Fiat Professional mit<br />

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Nutzfahrzeug. Er hat jedoch noch viel mehr zu bieten: neue Technologielösungen,<br />

den tiefsten Kraftstoffverbrauch (5,8 l/100 km) sowie die höchste Nutzlast und<br />

Kapazität seiner Klasse – und ein komplett neues Design.<br />

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Highlight<br />

Fragen und<br />

Antworten<br />

Die zehn «Best of»-Fragen der<br />

Work Smart Week<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 8


Highlight<br />

von Barbara Josef<br />

Im Mai dieses Jahres fand die erste<br />

Work-Smart-Woche der Schweiz statt.<br />

Nach fünf Jahren Home Office Day<br />

haben wir mit dem neuen Format einen<br />

Schritt nach vorne gewagt. Unser<br />

ambitioniertes Ziel: Impulse für<br />

den Wandel in die Köpfe zu setzen.<br />

Es geht um Fakten und konkrete Beispiele<br />

aus der Schweizer Wirtschaft.<br />

Mit dieser Aktionswoche haben wir<br />

einen kleinen Meilenstein erreicht –<br />

wir haben die Diskussion in Gang<br />

gebracht und zum Umdenken angeregt.<br />

Die neuen Arbeitswelten sind<br />

nicht mehr abstrakt. Hier sind die<br />

wichtigsten Fragen und Antworten,<br />

die sich aus den Veranstaltungen ergeben<br />

haben.<br />

von «Work Smart»<br />

nicht nur die Wissensarbeiter, die<br />

1.Profitieren<br />

ohnehin schon der Wirtschaftselite<br />

angehören?<br />

Nein, der Grundgedanke von Work Smart<br />

greift in jeder Branche. Bei Work Smart<br />

geht es darum, bestehende Arbeitsprozesse<br />

zu durchleuchten und Verbesserungen<br />

für Individuum und Organisation<br />

zu erzielen. Der technologische Fortschritt<br />

bringt auch Vorteile für Mitarbeiter,<br />

die keine klassische Wissensarbeit<br />

ausüben. Die Post prüft beispielsweise<br />

aktuell den Einsatz von Tablets für das<br />

Fahrpersonal von Postautos. So kann es<br />

wichtige Informationen und Störungsmeldungen<br />

schneller kommunizieren –<br />

die Post gewinnt dadurch an Agilität,<br />

und dem einzelnen Mitarbeiter wird es<br />

ermöglicht, autonomer zu planen, da er<br />

besser im Netzwerk eingebunden ist.<br />

Gemäss economiesuisse sind heute<br />

schon über 50 Prozent der Schweizer<br />

Arbeitnehmenden als Wissensarbeiter<br />

tätig – zählt man informationsverarbeitende<br />

Berufe dazu, so sind es sogar über<br />

70 Prozent. Das Thema ist daher für eine<br />

grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung<br />

und Wirtschaft hoch relevant. Und<br />

übrigens: Wenn möglichst viele «Bürolisten»<br />

ihre Mobilität smarter planen, hat<br />

der Gärtner oder Arzt mehr Platz auf der<br />

Strasse oder im Zug.<br />

Nein, keineswegs. Flexible Arbeitsformen<br />

stellen eine Wahlmöglichkeit dar –<br />

sie sind als Angebot zu verstehen und<br />

kein «Muss». Den Initianten von Work<br />

Smart geht es darum, auf die Vorzüge<br />

von flexiblen Arbeitsformen aufmerksam<br />

zu machen und konkrete Hilfestellung<br />

zu bieten, wie diese umgesetzt werden<br />

können.<br />

Die Vorteile einer flexiblen Arbeitskultur<br />

liegen in den folgenden drei Kernbereichen:<br />

A) Individuum: Flexible Arbeitsformen<br />

ermöglichen eine bessere<br />

Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben<br />

und sorgen so für eine<br />

grössere Diversität.<br />

B) Unternehmen: Neue Arbeitsmodelle<br />

machen Organisationen agiler,<br />

flexibler und produktiver – eine<br />

Grundvoraussetzung, um in der<br />

dynamischen Wirtschaft langfristig<br />

erfolgreich zu sein.<br />

C) Umwelt: Dank flexibler Arbeitsformen<br />

können Räume, Gebäude<br />

und unsere Verkehrsinfrastruktur<br />

smarter genutzt werden. Unsere<br />

Züge sind beispielsweise nur während<br />

30 Prozent im Tagesschnitt<br />

ausgelastet. Die Tatsache, dass<br />

jedoch die Hälfte der Menschen in<br />

einem Viertel der Zeit unterwegs<br />

ist, führt zu «Dichtestress», obwohl<br />

mehr als genügend Kapazität<br />

vorhanden wäre.<br />

sieht die arbeitsrechtliche<br />

Situation punkto flexibler Arbeitsformen<br />

3.Wie<br />

aus?<br />

Das Schweizer Arbeitsrecht schreibt vor,<br />

dass die Arbeitszeit korrekt erfasst wird.<br />

Die geltende Weisung punkto Arbeitszeiterfassung<br />

wurde laufend überarbeitend,<br />

zuletzt im Februar <strong>2015</strong>. Auch wenn die<br />

aktuelle Regelung dem Alltag und der<br />

Wertschöpfung von Wissensarbeitern<br />

nicht vollumfänglich Rechnung trägt –<br />

Stichwort Erfassung von «bahnbrechenden»<br />

Ideen während der morgendlichen<br />

Joggingrunde –, steht sie der Umsetzung<br />

von flexiblen Arbeitsmodellen nicht im<br />

Wege. Für die Zeiterfassung braucht es<br />

längst keine Stempeluhr mehr, somit kann<br />

die Zeit auch im Zug oder Home Office<br />

erfasst werden. Wichtig sind hier primär<br />

zwei Dinge: Pragmatismus und Fairness.<br />

Je einfacher die Zeiterfassung ausfällt,<br />

desto weniger sorgt sie für Diskussionen.<br />

Ebenso wichtig ist die gegenseitige<br />

Fairness. Es liegt auf der Hand, dass eine<br />

kurze Pendelstrecke im Zug nie zu 100<br />

Pro zent als produktive Arbeitszeit genutzt<br />

werden kann, aber wenn ein Mitarbeiter<br />

auf einer dreistündigen Zugreise eine Präsentation<br />

erstellt, so macht es Sinn, diese<br />

Leistung genauso wie die Zeit im Büro<br />

anzurechnen. Es ist davon auszugehen,<br />

dass die nächste Überarbeitung des Arbeitsgesetzes<br />

hier mehr Klarheit und Vereinfachung<br />

bringt, insbesondere für Funktionen,<br />

wo die physische Präsenz und die<br />

Arbeitsleistung nicht direkt korrelieren.<br />

Der Chef übernimmt die Rolle des Coaches und gibt die Richtung, nicht aber den Weg vor.<br />

jetzt plötzlich alle Mitarbeiter<br />

flexibel und von überall<br />

2.Müssen<br />

aus arbeiten?<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 9


Highlight<br />

Trotz Home Offiece einen aktiven Beitrag für<br />

die Unternehmenskultur zu leisten.<br />

es neue<br />

Führungsformen?<br />

4.Braucht<br />

Wer heute schon klare Zielvereinbarungen<br />

statt Anwesenheitskontrolle führt,<br />

ist auf dem richtigen Weg. Wenn man<br />

den Mitarbeitenden mehr Autonomie<br />

in der Gestaltung ihrer Arbeit einräumt,<br />

verändert sich automatisch auch die<br />

Chef-Mitarbeiter-Beziehung. Der Mitarbeiter<br />

übernimmt mehr Eigenverantwortung,<br />

der Chef schlüpft in die Rolle des<br />

Coaches und Türöffners und gibt die<br />

Richtung, nicht aber den Weg, vor. Wenn<br />

sich beide Parteien auf diese Reise einlassen,<br />

können alle nur profitieren. Es<br />

ist erwiesen, dass mehr Autonomie und<br />

Eigenverantwortung die intrinsische<br />

Motivation erhöht. Der Mitarbeiter wird<br />

zum Mitunternehmer – eine Entwicklung,<br />

von der Unternehmen und deren Kunden<br />

ganz klar profitieren.<br />

kontrolliert man<br />

Mitarbeiter in der Zukunft?<br />

5.Wie<br />

Frage zurück: Wie kontrolliert man Mitarbeiter<br />

heute? Diese Frage haben wir<br />

am häufigsten gehört, als wir den Home<br />

Office Day 2010 ins Leben gerufen haben.<br />

Interessanterweise verschwindet sie immer<br />

mehr – der Wandel in den Köpfen<br />

scheint bereits eingesetzt zu haben. Wissensarbeiter<br />

kann man nicht über ihre<br />

Präsenz messen. Im Gegenteil – oft entstehen<br />

die besten Ideen ausserhalb des<br />

Büros und losgelöst vom Arbeitskontext.<br />

Deshalb ist es wichtig, eine Arbeitskultur<br />

zu schaffen, die Individualität zulässt und<br />

in der jeder Mitarbeiter seine produktiven<br />

Phasen selber gestalten kann. Es<br />

genügt jedoch nicht, wenn nur die Kultur<br />

diese Entwicklung begünstigt – die Führungssysteme<br />

müssen dies ebenfalls ermöglichen.<br />

Es liegt auf der Hand, dass<br />

die Messung der Anwesenheit ein Relikt<br />

der Vergangenheit ist. Vielmehr geht es<br />

darum, die individuelle Leistung von Mitarbeitern<br />

und ihren Beitrag im Team zu<br />

thematisieren und zu beobachten.<br />

es nicht eine sehr hohe<br />

Selbstdisziplin, damit flexibles<br />

6.Braucht<br />

Arbeiten gelingt? Haben alle<br />

Mitarbeiter diese Disziplin?<br />

Wenn ein Mitarbeiter zum ersten Mal<br />

im Home Office arbeitet, so ist das sicherlich<br />

gewöhnungsbedürftig – auch<br />

für sein Umfeld. Am Anfang muss man<br />

etwas experimentieren: Welches ist der<br />

beste Raum zum Arbeiten, wie häufig<br />

mache ich Pausen, wie tausche ich mich<br />

beruflich und privat mit anderen während<br />

des Tages aus, welche Arbeiten<br />

mache ich im Home Office, für welche<br />

eignet sich das Büro besser. Das Thema<br />

Selbstdisziplin hängt mit der oben besprochenen<br />

Frage der Führung zusammen.<br />

Mitarbeiter, die über klare Ziele geführt<br />

werden, entscheiden selber, wann<br />

sie was machen. Und wenn die Energie<br />

zum Denken einmal komplett fehlt,<br />

macht es mehr Sinn, eine Pause einzulegen,<br />

als die Zeit «abzusitzen». Diese<br />

Überlegungen zeigen, dass es eigentlich<br />

gar nicht primär um die Disziplin geht,<br />

sondern viel mehr um Autonomie und<br />

Eigenverantwortung. Diese Kompetenzen<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 10


gezielt zu fördern ist auch eine wichtige<br />

Führungsaufgabe.<br />

lohnt es sich für Firmen,<br />

flexible Arbeitsformen einzuführen?<br />

Von überall aus zu arbeiten 7.Warum<br />

ist per se ja kein Ziel.<br />

Das ist völlig richtig. Das Ziel von flexiblen<br />

Arbeitsformen besteht darin, Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, von denen<br />

sowohl Firmen als auch Mitarbeiter profitieren<br />

– wie im Idealfall auch gleichzeitig<br />

die Umwelt. Der wichtigste Vorteil von<br />

flexiblen Arbeitsformen ist die erhöhte<br />

Flexibilität und Eigenverantwortung.<br />

Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise am<br />

Morgen mit den Kindern frühstückt, von<br />

zu Hause aus die ersten Mails abarbeiten<br />

kann und erst später ins Büro geht,<br />

wenn Strassen und Züge frei sind, so<br />

trägt dies wesentlich zur Stressreduktion<br />

bei, obwohl die Arbeitsleistung vom<br />

Volumen her gleich bleibt. Ein anderes<br />

Beispiel: Ein Kundenanlass dauert bis<br />

spät am Abend. Der Mitarbeiter geht am<br />

Morgen nicht zuerst ins Büro, sondern<br />

arbeitet im Home Office und fährt dann<br />

direkt zum Anlass. So spart er Weg und<br />

Zeit und kann vielleicht sogar noch private<br />

Dinge tagsüber erledigen. Um diese<br />

Form von Win-win-Situationen geht es<br />

uns. Die Schweizer Wirtschaft entwickelt<br />

sich immer mehr zum Wissens- und Innovationsstandort.<br />

Wir können unseren<br />

Erfolg nur dann langfristig sichern, wenn<br />

wir dafür sorgen, dass die Mitarbeiter fit,<br />

zufrieden und motiviert sind.<br />

stelle ich als Manager sicher,<br />

dass flexibles Arbeiten<br />

8.Wie<br />

nicht zu einer höheren Burnout-Rate<br />

führt? «Always on» und verschwindende<br />

Grenzen bergen ja auch<br />

eine gewisse Gefahr.<br />

Das ist eine der zentralsten Fragen, auch<br />

für die Führung. Unsere Studien rund um<br />

das FlexWork-Phasenmodell haben gezeigt,<br />

dass es wichtig ist, den Übergang<br />

von einer Phase zur nächsten, Richtung<br />

mehr Flexibilität, gut zu begleiten. Dabei<br />

ist es äusserst wichtig, dass die gegenseitigen<br />

Erwartungen offen kommuniziert<br />

und neu ausgehandelt werden. Um<br />

einige Beispiele zu nennen:<br />

Highlight<br />

> Ist es in Ordnung, tagsüber mal nicht<br />

erreichbar zu sein und dafür am<br />

Abend zu arbeiten?<br />

> Müssen Mails vom Chef auch am<br />

Wochenende bearbeitet werden?<br />

> Kann ich tagsüber zum Coiffeur<br />

gehen?<br />

> Muss ich ausserhalb der Bürozeiten<br />

auf dem Mobiltelefon erreichbar<br />

sein?<br />

> Wie viele Tage pro Woche wollen<br />

wir uns physisch vor Ort sehen?<br />

> Bin ich in dringenden Fällen in den<br />

Ferien erreichbar?<br />

> Wie gehe ich als Führungskraft damit<br />

um, wenn ein Mitarbeiter immer<br />

nachts Mails verschickt?<br />

Die Erfahrung zeigt, dass Organisationen,<br />

die den Wandel in Richtung mehr<br />

Flexibilität bewusst gestalten und begleiten,<br />

das Burnout-Risiko eher senken<br />

können. Dies zum einen, weil die Mitarbeiter<br />

durch die grössere Autonomie<br />

nach oder sogar während Stressphasen<br />

die Erholung besser planen können.<br />

Zum andern führt die Leistungs- statt<br />

Präsenzorientierung dazu, dass die<br />

Grenzenlose Zusammenarbeit<br />

Die europäische Private Cloud


Highlight<br />

Es geht nicht um<br />

Disziplin ...<br />

Es geht um Autonomie<br />

und Eigenverantwortung.<br />

Anreize für spätes Nachhausegehen<br />

oder Mailen zu später Stunde verschwinden<br />

– weil sie kein Ausdruck für einen<br />

besonders grossen Einsatz sind.<br />

es nicht gefährlich für den<br />

Teamzusammenhalt und -austausch,<br />

wenn sich plötzlich alle 9.Ist<br />

im Home Office «verschanzen»?<br />

Dieser Frage liegt eine falsche Annahme<br />

zugrunde. Wenn man die Mitarbeiter<br />

entscheiden lässt, wann und wo sie arbeiten,<br />

führt das bei einer gesunden Arbeitskultur<br />

nicht automatisch dazu, dass<br />

die Mitarbeiter das Büro meiden. Im Gegenteil<br />

– die meisten Mitarbeiter haben<br />

ein grosses Bedürfnis, sich mit Arbeitskollegen<br />

abzustimmen, formell und informell,<br />

sowie einen aktiven Beitrag an<br />

die Unternehmenskultur zu leisten. Für<br />

viele Aufgaben ist es nach wie vor am<br />

sinnvollsten, sich physisch zu treffen<br />

und auszutauschen – dies wissen auch<br />

die Mitarbeiter. Wir dürfen ruhig etwas<br />

mehr Vertrauen haben, dass Autonomie<br />

nicht automatisch zu Rückzug führt. Hier<br />

setzt auch die Führung und Abstimmung<br />

im Team an. Wenn erste Anzeichen erkennbar<br />

sind, dass einzelne Personen im<br />

Team nicht greifbar sind, so sollte das<br />

offen angesprochen werden.<br />

macht man mit den<br />

schwarzen Schafen in der<br />

10.Was<br />

Organisation? Finden diese<br />

nicht noch mehr Schlupflöcher, wenn<br />

niemand mehr kontrolliert, ob sie arbeiten?<br />

In fast jeder Organisation gibt es demotivierte<br />

Mitarbeiter. Da diese in gesunden<br />

Organisationen in der absoluten<br />

Minderheit sind, wäre es völlig falsch,<br />

die Kultur nach diesen «schwarzen Schafen»<br />

auszurichten. Diese finden immer<br />

Wege, ihren Beitrag zu minimieren. Viel<br />

wichtiger ist es, Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, die die vorhandene Motivation<br />

fördern und nutzbar machen. Es<br />

ist wissenschaftlich erwiesen, dass mehr<br />

Autonomie bei der individuellen Arbeitsgestaltung<br />

zu einer grösseren intrinsischen<br />

Motivation führt. Und genau an<br />

diesen Effekt appellieren flexible Arbeitsformen.<br />

Barbara Josef<br />

ist seit Februar 2008 Leiterin Kommunikation<br />

bei Microsoft Schweiz, seit Juli<br />

2013 verantwortet sie auch das gesellschaftliche<br />

Engagement. Ihre grösste<br />

Leidenschaft gilt dem Projekt Home<br />

Office Day, seit diesem Jahr Work Smart<br />

Week, und damit verbunden dem Thema<br />

«Die Zukunft der Arbeit».<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 12


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Highlight<br />

Angestellte übernehmen Führungsaufgaben.<br />

Arbeitsethik im Wandel<br />

Schlüsselkompetenzen für die Arbeit im «flexiblen Office»<br />

von Leila Gisin<br />

Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden mobil-flexible Arbeitsmodelle an. Obwohl diese neue Arbeitsform<br />

viele Vorzüge mit sich bringt und den Anforderungen einer global vernetzten Welt entspricht, entfalten<br />

sich diese erst, wenn Führungskräfte wie auch Mitarbeitende die entsprechenden Kompetenzen ausbilden.<br />

Die neue Arbeitsform der mobilflexiblen<br />

Arbeit bedeutet, dass<br />

die zu leistende Arbeit grundsätzlich<br />

und zu einem grossen Teil unabhängig<br />

von Zeit und/oder Ort erbracht<br />

werden kann. Dieses Entfallen von festen<br />

Orten und Zeiten der (Zusammen-)Arbeit<br />

fordert Organisationen, Führungskräfte<br />

wie auch Mitarbeitende gleichermassen,<br />

entsprechende Kompetenzen zu entwickeln,<br />

welche dieser neuen Arbeitsform<br />

gerecht werden. Laut einer repräsentativen<br />

Befragung der Schweizer Erwerbstätigen<br />

zur Verbreitung von mobil-flexibler<br />

Arbeit könnte bereits heute mehr als<br />

die Hälfte der abhängig Beschäftigten<br />

theo retisch, aufgrund ihrer Arbeitsaufgaben,<br />

mobil-flexibel arbeiten. Faktisch<br />

tut dies aber nur ein knappes Viertel,<br />

zumindest anteilsmässig. Insbesondere<br />

KMU-Verantwortliche scheinen hier zurückhaltend<br />

zu sein. Das Vorschieben<br />

der Risiken dieser Arbeitsform, welche<br />

vor allem in der Entgrenzung der Arbeit<br />

und der Virtualisierung der Führungsaufgabe<br />

gesehen werden, führt mitunter zu<br />

dieser restriktiven Haltung aller beteiligten<br />

Akteure. Das Institut für Kooperationsforschung<br />

und -entwicklung der<br />

Hochschule für Angewandte Psychologie<br />

(FHNW) beschäftigt sich seit einigen<br />

Jahren mit dem Thema der mobil-flexiblen<br />

Arbeit. In verschiedenen Studien<br />

wurde mitunter der Frage nachgegangen,<br />

welche Schlüsselkompetenzen Organisationen,<br />

Führungskräfte wie auch<br />

Mitarbeitende dazu befähigen, die Potenziale<br />

dieser vielversprechenden Arbeitsform<br />

auszuschöpfen, während Fallstricke<br />

bewusst umgangen werden.<br />

Wandel vom Mitarbeiter zum<br />

Arbeitskraftunternehmer<br />

Während traditionelle Arbeitsformen<br />

die Mitarbeitenden dazu anhalten, nach<br />

mehr oder weniger strikten Anweisungen<br />

der verantwortlichen Führungskräfte<br />

zu arbeiten, verlangt die mobil-flexible<br />

Arbeitsform vermehrt nach «Arbeitskraftunternehmern»,<br />

welche sich selber<br />

organisieren und weitgehend die für<br />

sie erforderliche Strukturierung, Steuerung<br />

und Überwachung der Arbeitsprozesse<br />

übernehmen. Entscheidungen<br />

und Handlungen, welche zuvor der Führungsriege<br />

vorbehalten waren, gehen<br />

auf die Angestellten und Mitarbeitenden<br />

über. Diese neue Selbstverantwortung<br />

wird mit der Freiheit belohnt, die Arbeit<br />

so zu organisieren, dass sie eine ideale<br />

Passung zu den jeweiligen Anforderungen<br />

des Privatlebens ermöglicht. Hierzu<br />

gehört auch, die für sich selbst passenden<br />

Zeiten und Orte für die eigene<br />

Arbeit zu wählen. Diese Kompetenz,<br />

nämlich in der Multispace-Bürolandschaft<br />

oder eben zu Hause den richtigen<br />

Ort für die Bearbeitung der jeweiligen<br />

Aufgabe zu finden, hat sich in unseren<br />

Studien als zentral erwiesen. Mitdenken,<br />

Eigenverantwortung und Selbstständigkeit<br />

bringen so die moderne Arbeitskraft<br />

in die Position, verstärkt eigene subjektive<br />

Ansprüche und Bedürfnisse an die<br />

Arbeit geltend zu machen. Damit Mitarbeitende<br />

diese neue Selbstverantwortung<br />

wahrnehmen können, müssen<br />

sie sich entsprechend befähigen.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 14


In einer Studie, welche diesen Herbst<br />

(<strong>2015</strong>) an der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

(FHNW) erscheinen wird,<br />

wurden insgesamt 1 750 Aussagen zu in<br />

der mobil-flexiblen Arbeit geforderten<br />

Kompetenzen von routinierten Home-<br />

Office-Nutzenden ausgewertet und analysiert.<br />

Wer Erfahrung mit der mobilflexiblen<br />

Arbeit hat, ist der Meinung, dass<br />

folgende fünf Schlüsselkompetenzen<br />

vor allem Erfolg versprechend sind:<br />

> (Arbeits-/Selbst-)Disziplin<br />

> Organisationsfähigkeit, Selbstorganisation,<br />

Selbstmanagement<br />

> Kommunikationsfähigkeit<br />

(insbesondere digital/virtuell)<br />

> Eigenständigkeit, Selbstständigkeit<br />

> Eigenverantwortung, Selbstführung,<br />

Selbstkontrolle.<br />

Weiter werden Abgrenzungsfähigkeit respektive<br />

Boundary Management, Ehrlichkeit,<br />

Flexibilität, technisches Knowhow<br />

und Zuverlässigkeit/Verlässlichkeit<br />

als wichtige Eigenschaften für die mobilflexible<br />

Arbeit angeführt.<br />

Wandel von Führungskraft<br />

zu Coach und Visionär<br />

Das bisherige Führungsverständnis wird<br />

durch den «Arbeitskraftunternehmer»<br />

infrage gestellt. Braucht es noch Führungskräfte,<br />

wenn sich die Mitarbeitenden<br />

verselbstständigen? Welche Führungsverantwortung<br />

bleibt, wenn diese<br />

zu grossen Teilen an die Mitarbeitenden<br />

zurückgeführt wird? Gemäss einer<br />

weiteren Studie unserer Arbeitsgruppe<br />

zur Gestaltung mobil-flexibler Arbeit hat<br />

sich gezeigt, dass auch Führungskräfte<br />

angehalten sind, neue Kompetenzen zu<br />

entwickeln, um den neuen Führungsaufgaben<br />

der mobil-flexiblen Arbeit gerecht<br />

zu werden. Dabei können grob zwei Phasen<br />

unterschieden werden. In einer ersten<br />

Initiierungsphase der mobil-flexiblen<br />

Arbeit sind Führungskräfte angehalten,<br />

die Rolle des Change-Managers einzunehmen.<br />

Es gilt, Mitarbeitende an die<br />

neue Arbeitsform heranzuführen, entsprechend<br />

zu befähigen, eigene Unsicherheiten<br />

zu überwinden und ein vorzeitiges<br />

Zurückkippen in die traditionelle<br />

Arbeitsweise zu verhindern.<br />

Spätestens wenn sich die mobil-flexible<br />

Arbeit im Team etabliert hat, müssen in<br />

einer zweiten Phase das Führungsverhalten<br />

und die Führungsinstrumente der<br />

neuen Form der Zusammenarbeit angepasst<br />

werden. Eine nicht zu unterschätzende<br />

Aufgabe ist hierbei, Kontrolle<br />

Der Chef wird zum «Primus inter Pares».<br />

ab zubauen und im Gegenzug Vertrauen<br />

in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden<br />

aufzubauen. Führung über Ziele und<br />

Ergebnisse (management by objectives)<br />

wird unabdingbar. Weiter kommt der Koordinationsfähigkeit<br />

als Kompetenz eine<br />

grosse Bedeutung zu. Führungskräfte<br />

sind gefordert, Taktiken zu entwickeln,<br />

welche es ihnen ermöglichen, die jeweilige<br />

Auslastungssituation ihrer Mitarbeitenden<br />

zu kennen, um rechtzeitig auf<br />

Über und Unterbelastungen reagieren<br />

zu können. Dann gilt es, die jeweilige<br />

Organisationseinheit im Zusammenhang<br />

zu halten, indem eine Kultur des mobilflexiblen<br />

Arbeitens geschaffen wird. Dies<br />

bedeutet, dass geeignete Spielregeln<br />

für die mobil-flexible Arbeit eingeführt<br />

werden, welche beispielsweise die Erreichbarkeiten<br />

regeln oder festhalten,<br />

wie mit dem knappen Gut der Präsenzzeit<br />

im Büro umgegangen wird. Gegenüber<br />

den Mitarbeitenden ist ein Wandel<br />

weg von der elterlichen Führungsfigur<br />

hin zum entwicklungsorientierten Coach<br />

und Mentor erforderlich. Es gilt, anhand<br />

informeller, personenbezogener Führung<br />

Mitarbeitende individuell zu entwickeln<br />

und auf ihren Karrierepfaden zu<br />

begleiten. Der Chef wird zum «Primus<br />

inter Pares», geht mit gutem Beispiel<br />

voran und ist sich der Botschaft des<br />

eigenen Verhaltens innerhalb der mobilflexiblen<br />

Arbeit bewusst.<br />

Highlight<br />

Nährboden für mobil-flexible Arbeit<br />

Damit Mitarbeitende wie Führungskräfte<br />

diesen neuen Anforderungen der mobilflexiblen<br />

Arbeit gerecht werden können,<br />

müssen Organisationen entsprechende<br />

Leitplanken setzen und die organisationale<br />

Infrastruktur an die neuen Bedingungen<br />

anpassen. Mobil-flexible Arbeit<br />

erfordert beispielsweise das Einführen<br />

neuer Technologien der virtuellen Zusammenarbeit.<br />

Geschäftsräume werden<br />

vermehrt zu Begegnungszonen sowie<br />

Kooperationsflächen und müssen entsprechend<br />

umgestaltet werden. Wichtig<br />

ist auch, dass sich die Geschäftsführung<br />

diese neue Arbeitsform auf die Fahne<br />

schreibt und explizit dazu auffordert.<br />

Denn nur eine Organisation, welche von<br />

den Vorteilen überzeugt ist, gibt dieser<br />

neuen und zukunftsweisenden Arbeitsform<br />

eine reelle Chance, künftige Geschäftserfolge<br />

nachhaltig zu sichern und<br />

das Unternehmen in das Zeitalter der<br />

Wissensgesellschaft zu überführen.<br />

Leila Gisin<br />

ist Psychologin MSc, Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Institut für Kooperationsforschung<br />

und -entwicklung der<br />

Hochschule für Angewandte Psychologie<br />

FHNW.<br />

www.fhnw.ch/aps/ifk/projekte<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 15


Highlight<br />

Angestellte übernehmen Führungsaufgaben.<br />

Das Gebäude wird ein sozialer Raum.<br />

Praktische Erfahrungen<br />

Unternehmenskultur in den neuen Arbeitswelten<br />

von Victoria Mirata<br />

Im Zeitalter der Digitalisierung und Wissensarbeit werden Wertschöpfung und Innovation immer wichtiger. Von<br />

Mitarbeitenden werden immer anspruchsvollere Leistungen und immer mehr Engagement erwartet. Doch unterstützt<br />

die Arbeitswelt diese Ansprüche? Die Verantwortlichen der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) wollen<br />

nicht reagieren, sondern agieren und haben sich in ihrem eignen Hause in die Praxis der neuen Arbeitswelten<br />

begeben. Von den Erfahrungen können auch Unternehmen profitieren.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 16


Highlight<br />

Ein klarer Slogan bringt es auf den<br />

Punkt: «Studieren, wann und wo<br />

Sie wollen» – so lautet die Devise<br />

der Fernfachhochschule Schweiz<br />

(FFHS) und verspricht den Studierenden<br />

eine flexible Lösung. Bereits seit<br />

1998 ist es unser Ziel und Anliegen, den<br />

Studierenden eine maximale Flexibilität<br />

im Studium zu bieten, ohne dabei auf<br />

die Qualität des Studiums zu verzichten.<br />

Durch Entwicklungen innovativer Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien<br />

ist Fernunterricht auch online möglich<br />

geworden. Damit aber das online<br />

Lernen effizient und nachhaltig bleibt<br />

und Studierende von dieser Flexibilität<br />

im Studium profitieren können, setzen<br />

wir seit dem Gründungsjahr ein alternatives<br />

Studienmodell ein, das eLearning<br />

mit dem klassischen Unterricht kombiniert<br />

und es den Studierenden ermöglicht,<br />

Studium, Familie und Job unter einen<br />

Hut zu bringen. Mit der Gestaltung<br />

neuer Lernwelten, in denen Flexibilität<br />

unabdingbar ist, setzen wir uns als eine<br />

E-Hochschule seit Langem auseinander.<br />

Doch wie verhält es sich mit neuen Arbeitswelten<br />

an der FFHS? Trifft auch die<br />

Devise «Arbeiten, wann und wo Sie wollen»<br />

auf die gesamte Organisation zu?<br />

Globalisierung, demografischer Wandel,<br />

technologischer Fortschritt und der<br />

Wandel hin zur Wissens- und Informationsgesellschaft<br />

verändern nicht nur<br />

unsere Lernwelten, sondern auch unsere<br />

Arbeitswelten, die immer flexibler,<br />

mobiler und digitaler werden. Diese<br />

Entwicklungen haben uns an der FFHS<br />

dazu bewegt, unsere eigene Arbeitswelt<br />

genauer zu betrachten. Wir haben<br />

einen dringenden Veränderungsbedarf<br />

erkannt. Um weiterhin die führende E-<br />

Hochschule in der Schweiz zu bleiben,<br />

müssen wir einen Wandel vollziehen.<br />

Zunächst ging es ausschliesslich um die<br />

Veränderung unserer Gebäudesituation,<br />

die nicht mehr den neusten Standards<br />

in Sachen Infrastruktur entspricht. Die<br />

Entscheidung hierzu ist gefallen: Es wird<br />

ein neuer Campus – ein Verwaltungsgebäude<br />

– am FFHS-Hauptsitz in Brig entstehen.<br />

Doch mit dem Bau des neuen<br />

Campus wurde ein Stein ins Wasser geworfen,<br />

der seine Kreise zieht. Der Bau<br />

des neuen Campus ist eine Entscheidung<br />

auf strategischer Ebene, die notwendige<br />

Veränderungen in den anderen<br />

Bereichen der Organisation und vor allem<br />

in den Köpfen der Mitarbeitenden<br />

mit sich bringt. Der angestrebte Wandel<br />

Der Wunsch nach mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort.<br />

ist aufgrund der vielfältigen Veränderungen<br />

nicht leicht zu vollziehen, dennoch<br />

sehen wir ihn als eine positive Herausforderung<br />

und Chance für das ganze<br />

Unternehmen.<br />

Arbeiten an vielen Orten<br />

Die Entscheidung, einen neuen Campus<br />

für eine E-Hochschule zu bauen,<br />

mag auf den ersten Blick widersprüchlich<br />

erscheinen. Braucht eine E-Hochschule<br />

mit ihren einzigartigen Kompetenzen<br />

in eLearning und eCollaboration<br />

einen neuen Campus für ihre Mitarbeitenden?<br />

Die Möglichkeiten der Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien<br />

sind heute beinahe grenzenlos<br />

geworden. Zusammenarbeit und Unterricht<br />

verschieben sich immer mehr in<br />

den virtuellen Bereich – eine Entwicklung,<br />

die für eine E-Hochschule günstige<br />

Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung<br />

und andauernde Verbesserung<br />

ihrer Kernkompetenzen (eLearning und<br />

eCollaboration) schafft. Als Wissensarbeiter<br />

in einer mobilen Gesellschaft<br />

können wir heute unseren Tätigkeiten<br />

an verschiedensten Orten und zu<br />

unterschiedlichen Zeiten nachgehen.<br />

Arbeiten im Home Office und an «third<br />

places» (wie Bahnhöfen, Zügen, Cafés<br />

oder in «Co-Working Spaces») gehört<br />

bei vielen Unternehmen schon heute<br />

zum Alltag. «Die Zeit der imposanten<br />

Gebäude läuft ab», prognostizierte Mathis<br />

Hasler, Chef der Popup Office AG,<br />

sogar kürzlich in einem Interview im<br />

«Bund».<br />

Neues Raumverständnis<br />

Dennoch bleibt das Gebäude für uns<br />

wichtig, weil es in Zukunft eine neue<br />

Rolle erhalten wird. Das Gebäude wird<br />

für die FFHS zu einem sozialen Raum<br />

werden, ein Ort der Begegnung und<br />

Zusammenarbeit, an dem sich Mitarbeitende<br />

treffen, um gemeinsam Wissen zu<br />

erarbeiten und neue Ideen zu kreieren,<br />

ein Ort der Identifikation der Mitarbeitenden<br />

mit dem Unternehmen. Eine grosse<br />

Herausforderung ist dabei die Gestaltung<br />

der Räume und ihrer Einrichtung.<br />

Wie können unsere partnerschaftliche<br />

Führungskultur und gemeinsame Wissenskultur,<br />

das heisst Offenheit, Autonomie,<br />

Lernbereitschaft, Zusammenarbeit<br />

und Vertrauen, sowie Wertschätzung<br />

gegenüber den Mitarbeitenden über<br />

räumliche Gestaltung zum Ausdruck<br />

gebracht werden? Lassen sich Normen<br />

und Werte überhaupt materialisieren?<br />

Es ist wichtig, dass die Botschaft der<br />

Räume im neuen Campus zur Identifikation<br />

der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen<br />

beiträgt und den Anforderungen<br />

der neuen Generationen an die<br />

Arbeitsumgebung gerecht wird, um als<br />

Organisation auch im «Kampf um Talente»<br />

bestehen zu können.<br />

Mission «Neue Arbeitswelt Campus»<br />

Das eCollaboration-Team des Instituts<br />

für Fernstudien und eLearning hat den<br />

Auftrag erhalten, ein innovatives Bürokonzept<br />

nach den neusten Anforderungen<br />

der Arbeitswelt zu entwickeln,<br />

welches allen Mitarbeitenden eine motivierende<br />

Arbeitsumgebung auf dem<br />

neuen Campus bietet und Wissenstransfer<br />

und Innovationsprozesse an<br />

der FFHS unterstützt. Der erste Schritt<br />

hin zur neuen Arbeitswelt begann mit<br />

der Vorbereitung der Vorgaben für den<br />

Architekten. Darin flossen gewonnene<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 17


Highlight<br />

Die neuen Arbeitswelten brauchen neue vertrauensbasierte Führungsmodelle.<br />

Erkenntnisse aus der Arbeitsforschung<br />

in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer<br />

IAO aus dem Verbundforschungsprojekt<br />

«OFFICE21» sowie die Ergebnisse interner<br />

Studien ein, die im Rahmen einer<br />

Organisationsanalyse initiiert wurden.<br />

Das Ziel der Studien war es, Arbeitsprozesse,<br />

Tätigkeiten und Kommunikationsund<br />

Interaktionsmuster zwischen den<br />

Mitarbeitenden sowie ihre Bedürfnisse<br />

hinsichtlich einer neuen Arbeitsumgebung<br />

zu untersuchen und diese bei der<br />

Entwicklung des neuen Bürokonzepts zu<br />

berücksichtigen. Dabei haben wir qualitative<br />

und quantitative Methoden wie<br />

beispielweise online Surveys, ein auf der<br />

Experience-Sampling-Methode basierendes<br />

eTagebuch und soziometrische<br />

Technologien zur Erfassung sozialer Interaktionen<br />

angewendet.<br />

Arbeitsorte der Zukunft<br />

Unsere Studien haben interessante Ergebnisse<br />

hervorgebracht. Das Bedürfnis<br />

der Mitarbeitenden nach mehr Kommunikation<br />

und Zusammenarbeit ist gross,<br />

wobei man sich noch mehr virtuelle Zusammenarbeit<br />

wünscht, um Aktivitäten<br />

möglichst effizient ausführen zu können.<br />

Diese Ergebnisse gehen mit dem globalen<br />

Trend hin zu von Kommunikation,<br />

Austausch und Wissensweitergabe geprägten<br />

Arbeitswelten einher.<br />

Zudem wünschen sich die Mitarbeitenden<br />

mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit<br />

und Arbeitsort. In einem über drei<br />

Wochen hinweg geführten eTagebuch haben<br />

wir unsere Mitarbeitenden beispielsweise<br />

nach den gewünschten Arbeitsorten<br />

gefragt, die ihrer Ansicht nach für ihre<br />

aktuellen Tätigkeiten am besten geeignet<br />

sind. 77 Prozent aller Mitarbeitenden<br />

führen heute ihre Aktivitäten, Aufgaben<br />

und Tätigkeiten noch in Zellenbüros aus.<br />

77%<br />

Büroraum<br />

24%<br />

Home Office<br />

10% 13% 4%<br />

mobil unterwegs<br />

4%<br />

7%<br />

Doch sie möchten ihren Aktivitäten in Zukunft<br />

an verschiedensten Orten im FFHS-<br />

Bürokomplex nachgehen können – zum<br />

Beispiel in einer Cafeteria, in einer Bibliothek,<br />

an Treffpunkten, an Rückzugsorten<br />

und in Multi-space-Zonen – sowie<br />

die Möglichkeit haben, noch flexibler von<br />

unterwegs und im Home Office zu arbeiten<br />

(siehe Abbildung oben).<br />

Herausforderung Unternehmenskultur<br />

Bereits in der ersten Phase der Planung<br />

und Entwicklung des Bürokonzepts sahen<br />

wir uns Herausforderungen gegenüber,<br />

die sich vor allem im Bereich der<br />

Unternehmenskultur befinden. Das aus<br />

den Ergebnissen hervorgehende Bürokonzept-Szenario,<br />

das die Bedürfnisse<br />

Arbeitsort heute<br />

*4% – keine Angaben zum Arbeitsort der Zukunft<br />

Frage zu Rot: Wo hast du heute deine Hauptaktivitäten ausgeführt? Frage zu Blau: Was wäre, deiner<br />

Meinung nach, ein optimaler Ort für die Ausführung dieser Aktivität?<br />

Konferenzraum<br />

6%<br />

Arbeitsorte der Zukunft<br />

2%<br />

Cafeteria, Treffpunkt,<br />

Multispaces, Bibliothek<br />

10%<br />

Arbeitsort der Zukunft<br />

Rückzugsort<br />

12%<br />

0% 0%<br />

ortsunabhängig<br />

27%<br />

der Mitarbeitenden berücksichtigt, ihre<br />

differenzierten Arbeitsweisen durch ein<br />

vielfältiges Angebot an Rückzugs- und<br />

Kommunikationszonen unterstützt und<br />

nachhaltige Rahmenbedingungen für<br />

die Förderung neuer, flexibler Arbeitsmodelle<br />

im Unternehmen schafft, stiess<br />

zunächst auf Widerstände. Was verbirgt<br />

sich hinter der Fassade dieser Ableh-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 18


Weiterführende Literatur<br />

Fraunhofer, I. A. O. (2012).<br />

Arbeitswelten 4.0: Wie wir<br />

morgen arbeiten und leben.<br />

Schittich, C. (2011). Arbeitswelten:<br />

Raumkonzepte, Mobilität,<br />

Kommunikation. Walter de Gruyter.<br />

Widuckel, W., de Molina, K.,<br />

Ringlstetter, M. J., & Frey, D. (Eds.).<br />

(<strong>2015</strong>). Arbeitskultur 2020:<br />

Herausforderungen und Best<br />

Practices der Arbeitswelt der<br />

Zukunft. Springer-Verlag.<br />

nung? Es wurde schnell deutlich, dass<br />

ein neues Bürokonzept eine globale Veränderung<br />

für das ganze Unternehmen<br />

bedeutet. Ein solches wirkt sich nicht<br />

nur auf das Verhalten der Mitarbeitenden,<br />

sondern auch auf Arbeitsformen,<br />

die Unternehmenskultur und Führungsmethoden<br />

aus. Diese Veränderung wird<br />

mitunter als Risiko wahrgenommen. Mitarbeitende<br />

haben Angst davor, sich von<br />

klassischen Zellenbüros zu verabschieden.<br />

Wie geht es nun mit der eigenen<br />

Privatsphäre, mit persönlichen Fotos<br />

und mit Pflanzen auf dem Arbeitstisch<br />

weiter? Führungskräfte andererseits befürchten,<br />

durch das Angebot von mehr<br />

Flexibilität die Kontrolle über ihre Mitarbeiter<br />

zu verlieren. Wie längst bekannt,<br />

läuft die Präsenzkontrolle jedoch in virtuellen<br />

Arbeitswelten, wo sich die Leistung<br />

der Wissensarbeiter nicht über die<br />

Präsenz messen lässt, ins Leere. Ein vertrauensbasiertes<br />

Führungsmodell, das<br />

auf gemeinsamen Werten und zielorientierter<br />

Führung beruht, scheint in der<br />

virtuellen Arbeitswelt notwendig zu sein.<br />

Dies erfordert jedoch einen Wandel der<br />

Unternehmenskultur von einer Kontrollhin<br />

zu einer Vertrauenskultur. Der virtuelle<br />

Charakter unserer E-Hochschule<br />

verstärkt diese Notwendigkeit zusätzlich.<br />

Auch deshalb haben wir das letzte<br />

FFHS Business Breakfast Event, das im<br />

Rahmen der Work-Smart-Initiative Ende<br />

Juni <strong>2015</strong> stattgefunden hat, dem Thema<br />

«Neue Unternehmenskultur in den neuen<br />

Arbeitswelten» gewidmet – eine erste<br />

Sensibilisierungsmassnahme auf dem<br />

Weg hinein in die neue Arbeitswelt.<br />

Strategische Ansätze<br />

Wir sehen den Menschen, bei dem erfolgreichen<br />

Durchlaufen dieses Wandels,<br />

als einen Erfolgsfaktor. Die Bereitschaft<br />

zu Veränderung muss in den<br />

Köpfen der Mitarbeitenden durch sorgfältige<br />

Unterstützung des Veränderungsprozesses<br />

wachsen. Hier zeigen wir unsere<br />

Strategien auf, die wir auf unseren<br />

ersten Schritten hin zu neuen Arbeitswelten<br />

einsetzen:<br />

> Sensibilisierung: Wir sensibilisieren<br />

unsere Mitarbeitenden für<br />

das Thema Neue Arbeitswelten.<br />

Es werden Vorträge mit Diskussionsrunden<br />

mit unserem Forschungspartner<br />

Fraunhofer IAO<br />

organisiert. Relevante Ergebnisse<br />

und Informationen werden in<br />

internen Newslettern und Jahresberichten<br />

publiziert und durch<br />

soziale Medien und das interne<br />

e-Informationsbrett ELAN weiterverbreitet.<br />

> Einbindung der Mitarbeitenden:<br />

Mitarbeiter und Führungskräfte<br />

werden von Anfang an kommunikativ<br />

und partizipativ in den Veränderungsprozess<br />

eingebunden.<br />

Jeder Mitarbeitende hat die Möglichkeit,<br />

an der Gestaltung der<br />

neuen Arbeitswelt bei der FFHS<br />

durch die Teilnahme an internen<br />

Highlight<br />

Projekten mitzuwirken.<br />

> Vorbild sein: Im Zusammenhang<br />

mit vertrauensbasierten Führungsmethoden<br />

setzen wir in<br />

unserem eCollaboration-Team 1)<br />

neue Arbeitsformen für räumlich<br />

flexibles Arbeiten im Gebäude<br />

ein. Damit setzen wir ein Zeichen<br />

für den Wandel.<br />

> Ideenmanagement: Für die kollaborative<br />

Bearbeitung von Ideen<br />

zum Thema Neue Arbeitswelten<br />

setzen wir ein eigens entwickeltes<br />

Tool ein.<br />

Auch das Management der FFHS unterstützt<br />

diesen Wandel aktiv. Top-Down-<br />

Kommunikation, transparentes Verhalten<br />

und Bereitschaft für Veränderungen<br />

geben den Mitarbeitenden das Gefühl<br />

von Sicherheit im Veränderungsprozess<br />

und wecken die Lust, Neues auszuprobieren.<br />

Die FFHS befindet sich in einem<br />

Wandel, dem wir als Chance und positive<br />

Herausforderung auf dem Weg zu<br />

neuen Arbeitswelten begegnen.<br />

Anmerkung<br />

1)<br />

Marco Bettoni, Willi Bernhard, Nicole Bittel<br />

und Victoria Mirata<br />

ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />

Institut für Fernstudien- und eLearningforschung<br />

(IFeL) der Fernfachhochschule<br />

Schweiz (FFHS).<br />

www.ffhs.ch<br />

Victoria Mirata


Highlight<br />

«Work Smart» – Mitarbeiter<br />

zu Mitunternehmern machen<br />

von Barbara Josef<br />

Als wir vor über fünf Jahren den «Home Office Day» heute<br />

«Work Smart» gegründet haben, war ich immer leicht stolz,<br />

wenn ich im Zug in einer Konversation den Wortfetzen «Home<br />

Office» hörte. Es war, als ob wir Geburtshelfer einer völlig neuartigen<br />

Idee gewesen wären. Heute ist das orts- und zeitunabhängige<br />

Arbeiten die normalste Sache der Welt; zumindest<br />

wenn man nach der Prominenz des Themas in den Fachblättern<br />

und den Tagesmedien urteilt.<br />

Doch wie verbreitet und akzeptiert sind neue Arbeitsformen<br />

wirklich? Als Marissa Mayer von Yahoo vor zwei Jahren beziehungsweise<br />

unlängst die UBS damit Schlagzeilen machten,<br />

die freiheitsliebenden Home Office Worker wieder an die kürzere<br />

Leine zu nehmen, ging fast schon ein Aufatmen durch<br />

die Reihen. Insbesondere bei Zeitgenossen, die noch mit Fax<br />

und Röhrencomputern gross geworden sind. Die vermeintliche<br />

Erkenntnis: Es ist eben doch besser, wenn alle in der gleichen<br />

Galeere sitzen, statt dass jeder zu Hause nach eigenem<br />

Rhythmus vor sich herrudert. Die differenzierteren Beifallsrufe<br />

verwiesen zumindest darauf, dass Menschen doch besser zusammenarbeiten,<br />

wenn sie sich sehen.<br />

Wer hat nun Recht? Diejenigen, die unbeirrt flexible Arbeitskonzepte<br />

weiter ausrollen, oder die Kritiker, die erst mal abwarten,<br />

bis sich der Hype ums Arbeiten in Hausschuhen gelegt<br />

hat?<br />

An dieser Stelle bietet sich auch etwas Selbstreflexion an. Als<br />

wir 2010 mit grossem Getöse den ersten «Home Office Day»<br />

lancierten, haben wir bewusst auf Effekthascherei durch Vereinfachung<br />

gesetzt. Genauso wie der Nichtrauchertag zu einem<br />

bewussteren Umgang mit der Gesundheit an 365 Tagen<br />

im Jahr aufruft, sollte der «Home Office Day» als Trojanisches<br />

Pferd dienen, um etwas viel Grösseres anzupreisen. Heute<br />

würden wir es wohl «die digitale Transformation der Arbeitswelt»<br />

nennen – oder eben «Work Smart». Damit hätten wir einen<br />

Teil der Diskussion geklärt: Home Office per se ist weder ein<br />

Ziel noch der Weisheit letzter Schluss. Aber der Begriff hat<br />

uns in der Anfangsphase geholfen, viel komplexere Themen<br />

und ihre Fragen elegant getarnt auf die Bürotische zu bringen:<br />

> Welches Menschenbild haben wir?<br />

> Wie führen und motivieren wir Mitarbeiter?<br />

> Wie wollen wir mit dem technologischen Fortschritt umgehen?<br />

> Welche Rolle nimmt Arbeit in unserer Gesellschaft ein?<br />

> Wie verändert sich unsere Vorstellung von Biografien<br />

und Karrieren?<br />

Fünf Jahre später – Home Office ist inzwischen salonfähig als<br />

Ortsangabe in der Outlook-Agenda – müssen und wollen wir<br />

die Diskussion weiterführen. Dabei geht es nicht nur um die<br />

Namensänderung zu «Work Smart», sondern auch darum, uns<br />

ganz genau anzuschauen, was flexible Arbeitsformen denn<br />

wirklich bringen. Dass wir neu in lärmigen Kaffees arbeiten<br />

und zu Zeiten, während denen andere schlafen, ist per se kein<br />

Nutzen – zumindest nicht einer, von dem Firma und Mitarbeiter<br />

gleichermassen profitieren.<br />

Ich hatte unlängst das Vergnügen, das Thema neue Arbeitsformen<br />

mit Mitarbeitern einer Bank zu besprechen. Eine junge<br />

Kundenberaterin brachte es auf den Punkt: Da wir flexibel arbeiten<br />

können, bin ich auch gerne bereit, zu Randzeiten Kundentermine<br />

anzubieten, auch beim Kunden zu Hause. Und hier<br />

kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache. Flexible Arbeitsformen<br />

machen Mitarbeiter zu Mitunternehmern. Weil es um<br />

die Eigenverantwortung und nicht die Präsenz geht. Und das<br />

wiederum ist die wichtigste Voraussetzung, in dynamischen<br />

Märkten zu überleben. Und so ist dann auch «Die nahe Bank»<br />

ein sehr überzeugendes Versprechen – und es klingt auch irgendwie<br />

besser als «Die Bank, die Home Office macht». Um<br />

das geht es bei «Work Smart»: Impulse zu setzen für eine agile<br />

und innovative Schweiz.<br />

Barbara Josef<br />

ist Leiterin Kommunikation und gesellschaftliches Engagement<br />

der Microsoft Schweiz GmbH. Ihr persönliches Steckenpferd ist<br />

die neue flexible Arbeitswelt.<br />

www.microsoft.com<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 20


Highlight<br />

Digitales Lernen als Chance<br />

für kleine Unternehmen<br />

von Wolfgang Hanfstein<br />

Eine der grossen Veränderungen bei Unternehmensverantwortlichen<br />

der letzten 20 Jahre war und ist es, dass «Change»<br />

nicht mehr nur ein Prozess ist oder ein einmaliges Event, sondern<br />

ein Dauerzustand. Methoden, Prozesse und Produkte<br />

stehen heute permanent auf dem Prüfstand. Wer heute ein erfolgreiches<br />

Modell hat, kann sich nicht ausruhen – die Konkurrenz<br />

könnte mit einem besseren oder sogar einem disruptiven<br />

Modell um die Ecke kommen. Die Anforderungen zum permanenten<br />

Change kommen im Wesentlichen aus drei Richtungen:<br />

> Technologie: Die Digitalisierung hat nach und nach alle<br />

Bereiche des Lebens und Arbeitens erfasst. Viele Branchen<br />

mussten sich neu erfinden oder sie verschwanden<br />

ganz – weil der Markt völlig neue Lösungen hervorgebracht<br />

hat. Selbst der Baubranche weht der digitale<br />

Wind ins Gesicht: Der 3-D-Drucker bringt in China ganze<br />

Stadteile hervor.<br />

> Menschen: Es ist bereits viel über die Generationen Y und<br />

Z geschrieben worden. Sicher ist, dass Arbeitgeber sich<br />

auf einen neuen Umgang mit den Mitarbeitern einstellen<br />

müssen. Nur wer es schafft, als Arbeitgeber attraktiv zu<br />

bleiben, wird dem Arbeitskräftemangel trotzen.<br />

> Globalisierung: Telekommunikation und Logistik haben<br />

den Planeten schrumpfen lassen. Der weltweite Wettbewerb<br />

um die besten und günstigsten Ressourcen verlangt<br />

auch vom Mittelstand viel Flexibilität und Schnelligkeit.<br />

Um in diesen drei Bereichen die Nase vorne zu haben, braucht<br />

es vor allem eins: kluge Köpfe. Denn auch wenn wir vielleicht<br />

bald selbst fahrende Autos haben werden – bis die Maschinen<br />

uns das Denken abnehmen, geht (hoffentlich) noch sehr viel<br />

Zeit ins Land. Ob das wünschenswert ist, ist eine Debatte<br />

wert. Was wir den noch so hochgerüsteten Maschinen voraushaben,<br />

ist der Gedankenblitz, das Aha-Erlebnis in einem<br />

Meeting, die Idee auf einem Spaziergang, das Ergebnis eines<br />

kreativen Teams oder auch der gewinnbringende Austausch<br />

am Kaffeeautomaten. Genauso wie ein Patent oder ein herausragendes<br />

Produkt gehört zu den Erfolgsfaktoren heute eine<br />

Unternehmenskultur, die den Wissenserwerb und das Teilen<br />

von Wissen fördert.<br />

Und genau hier können mittelständische Unternehmen von<br />

der Digitalisierung profitieren. Denn auch das Wissen wird<br />

und wurde digitalisiert – mit Kostenvorteilen einerseits und<br />

Effizienzvorteilen andererseits. Bislang waren ausgefeilte Personalentwicklungsprogramme<br />

hauptsächlich Sache der grossen<br />

Unternehmen – und für KMU zeitlich und finanziell kaum<br />

zu stemmen. Heute aber haben selbst kleine Unternehmen die<br />

Möglichkeit, dank der vielen verschiedenen E-Learning-Inhalte<br />

und -Tools ihren Mitarbeitern hochwertige digitale Weiterbildung<br />

anzubieten. Auch die digitalen Systeme zur Verwaltung<br />

und Ausspielung von Trainings und zur Unterstützung des Austauschs<br />

untereinander, die Learning Management Systems<br />

(LMS), sind heute für alle Betriebsgrössen verfügbar.<br />

Um die Herausforderungen der Zukunft zu bestehen, braucht<br />

es Mitarbeiter, die nicht nur Mitarbeiter sind, sondern auch Mitdenker.<br />

Dazu brauchen sie Zugriff auf Wissen, am besten rund<br />

um die Uhr. Und eine Kultur, die dem klugen Satz folgt, wonach<br />

Wissen die einzige Ressource ist, die sich durch Teilen vermehrt.<br />

Wolfgang Hanfstein<br />

ist Leiter Corporate Digital Learning und Mitglied der Geschäftsleitung<br />

des auf Video-Learning spezialisierten Anbieters<br />

Pink University, München D.<br />

www.pinkuniversity.de<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 21


Menschen in Unternehmen<br />

Das Denken auch in den Geschäftswelten in Schwung bringen.<br />

Besser denken – besser handeln<br />

Philosophie für Unternehmen und Führungsverantwortliche<br />

von Dr. Mark Sommerhalder<br />

Ohne wirtschaftliche Vernunft funktioniert kein Geschäft – allein durch sie aber auch nicht. Werte, Sinnorientierung,<br />

Führungs- und Kommunikationskultur sowie andere «weiche» Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Ein<br />

philosophischer Ansatz ist hilfreich bei der Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragen der Unternehmensführung.<br />

Philosophie und Business – passt<br />

das überhaupt zusammen? Oder<br />

handelt es sich um unterschiedliche,<br />

vielleicht sogar unvereinbare Welten?<br />

Auf der einen Seite nutzlose, weltfremd-abgehobene<br />

Grübelei, auf der<br />

anderen Seite wirtschaftliche Realität<br />

und praktische Wertschöpfung –<br />

stimmen diese Vorbehalte und Gegensätze?<br />

Adam Smith, einer der Begründer<br />

der modernen Wirtschaftslehre, sah es<br />

jedenfalls anders. Er wollte die liberale<br />

Marktwirtschaft auf drei Pfeiler gründen:<br />

Klugheit, Gerechtigkeit und Güte – also<br />

nicht auf ökonomische Kategorien. Zahlreiche<br />

Wirtschaftswissenschaftler, aber<br />

auch bedeutende Unternehmerpersönlichkeiten<br />

sind Smith in solchen ethischphilosophischen<br />

Überlegungen gefolgt.<br />

Zu seiner Zeit und bis in die erste Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts war das übergreifende<br />

Denken und Zusammenarbeiten<br />

verschiedener wissenschaftlicher<br />

Disziplinen noch weitgehend üblich.<br />

Im Zuge der Spezialisierung und<br />

Fragmentierung der Wissenschaften<br />

und Wissensgebiete ist von diesen<br />

ursprünglichen Zusammenhängen einiges<br />

verloren gegangen. Es gab und<br />

gibt aber Gegentrends: Interdisziplinäre<br />

Ansätze helfen, über das eigene<br />

Fachgebiet hinauszusehen, sie fördern<br />

das vernetzte Denken und führen<br />

oft zu neuen Sichtweisen und innovativen<br />

Ansätzen. Auch Business und<br />

Philosophie können in diesem Sinn<br />

durchaus voneinander profitieren.<br />

Sokrates auf dem Marktplatz<br />

Der Gegensatz zwischen Unternehmertum<br />

und Philosophie erweist sich<br />

auf den zweiten Blick als nur schein-<br />

Nachfolgeregelung – Werte<br />

Ein Familienunternehmen geht in die<br />

nächste Generation. Wer übernimmt<br />

die Führung? Wie soll die Firma<br />

weitergeführt werden? Neben<br />

betriebswirtschaftlichen Fragen<br />

sorgt auch das Thema «Tradition<br />

und Werte» für Diskussionsstoff:<br />

Um welche Werte geht es überhaupt<br />

und sind sie zukunftsfähig? – Die<br />

Philosophische Praxis unterstützt<br />

den Verwaltungsrat und die<br />

Führungsverantwortlichen bei der<br />

Auseinandersetzung mit solchen<br />

grundsätzlichen Fragen, hilft bei der<br />

klärenden Standortbestimmung und<br />

Neuorientierung. Neben individuellen<br />

Gesprächen und Coachings<br />

finden auch Team-Workshops statt,<br />

die vom externen Berater moderiert<br />

und ausgewertet werden.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 22


arer: Gewiss, für das Klischee der Weltfremdheit<br />

der Philosophie gibt es einige<br />

Beispiele. Philosophie hat sich seit der<br />

Marke und Identität<br />

Ein kleineres, traditionsreiches<br />

Finanzinstitut steckt mitten in einer<br />

Positionierungsdebatte. Von der<br />

Marketing- und Kommunikationsabteilung<br />

werden eine Markenanalyse<br />

und Marktforschungsdaten<br />

präsentiert. Verwaltungsrat und<br />

Geschäftsleitung möchten sicherstellen,<br />

dass es nicht einfach um<br />

oberflächliche «Imagepflege» geht;<br />

die Marken- und Kommunikationsarbeit<br />

soll eine solide Basis bekommen.<br />

Die philosophische Beratung<br />

unterstützt bei dieser Grundlagenarbeit.<br />

Marke und Unternehmensidentität<br />

werden als komplexes<br />

Zusammenspiel von Faktoren in den<br />

Blick genommen, das Verhältnis von<br />

Traditions- und Zukunftswerten wird<br />

genauer analysiert. Bei der Entwicklung<br />

und Prüfung von Szenarien dient<br />

der Berater als Sparringpartner.<br />

Aufklärung immer mehr zu einem<br />

akademischen, für Aussenstehende<br />

weitgehend unverständlichen Spezialgebiet<br />

entwickelt. In ihren antiken<br />

Anfängen hingegen war sie durchaus<br />

praxis- und publikumsorientiert:<br />

Sokrates hat bekanntlich auf dem<br />

Marktplatz diskutiert! Und in der<br />

Philosophie der Lebenskunst ist die<br />

Suche nach dem glücklichen Leben<br />

bis heute ein zentrales Thema. Philosophen<br />

haben auch immer schon beraterische<br />

Funktionen in Politik und<br />

Wirtschaft wahrgenommen – ob als<br />

«graue Eminenzen» hinter den Kulissen,<br />

als Berater in Task-Forces, als<br />

Mitglieder in Think-Tanks und Ethikkommissionen<br />

oder als prominente<br />

Stimmen in den Medien. An diese<br />

praxisorientierten Traditionen knüpft<br />

die philosophische Unternehmensberatung<br />

unter dem Begriff Philosophische<br />

Praxis an.<br />

Ohne Frage, Unternehmer und Manager<br />

werden von betriebswirtschaftlichen<br />

Aufgaben, Zeit- und Veränderungsdruck<br />

mehr als genug<br />

Menschen in Unternehmen<br />

Führung und Kommunikation<br />

im Change-Management<br />

Der Geschäftsführer eines<br />

Industrieunternehmens stellt<br />

Defizite im Führungs- und<br />

Kommunikationsalltag fest.<br />

Missverständnisse und Konflikte<br />

häufen sich und belasten die<br />

Zusammenarbeit. Im Rahmen<br />

eines Strategieworkshops wird<br />

das Thema offen adressiert und<br />

als prioritäres Projekt lanciert.<br />

Der externe Berater nimmt als<br />

Beobachter an Meetings teil und<br />

führt eine Reihe von Einzelgesprächen.<br />

Es kristallisieren sich<br />

unternehmerische und individuelle<br />

Schwächen im Umgang mit<br />

Veränderungen heraus. Spezifische<br />

Zusatzaufgaben von Führung und<br />

Kommunikation im Change<br />

Management werden identifiziert.<br />

Die von einer ausgeprägten<br />

«Ingenieursmentalität» bestimmte<br />

Unternehmenskultur bekommt neue<br />

Impulse – ein Prozess der<br />

Neuorientierung beginnt.<br />

Das Chaos produktiv nutzen.<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 23


Menschen in Unternehmen<br />

Philosophie in der Praxis<br />

Philosophische Praxis, als<br />

professionelles<br />

Beratungsunternehmen, stellt eine<br />

relativ neue Erscheinung dar. In<br />

den 1980er-Jahren entstanden<br />

erste Ansätze in Deutschland.<br />

Mittlerweile haben sich die<br />

Beratungsangebote weltweit<br />

verbreitet. Philosophische Praxis<br />

spielt zum einen auf die Tätigkeit<br />

des Nachdenkens an («Praxis»<br />

meint wörtlich Handeln, Tun), zum<br />

anderen auf den Ort und<br />

professionellen Rahmen dieser<br />

Tätigkeit (vergleichbar einer<br />

Anwalts- oder Arztpraxis).<br />

Philosophie beschäftigt sich mit<br />

grundsätzlichen Fragen: Was kann<br />

ich wissen? Was soll ich tun? Was<br />

darf ich hoffen? Was ist der<br />

Mensch? Etwas lebenspraktischer<br />

formuliert, kann man sich auch an<br />

die drei Schlüsselfragen halten:<br />

Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und<br />

mit wem? Sie beziehen sich auf die<br />

individuelle Lebensführung, lassen<br />

sich aber auch auf die<br />

Unternehmensführung anwenden.<br />

Das Ziel in beiden Fällen: Besser<br />

wissen und verstehen, was man tut.<br />

Wer sich über seine Identität und<br />

Ziele im Klaren ist und sich mit den<br />

passenden Menschen umgibt,<br />

verbessert seine Lebensqualität<br />

und Erfolgschancen.<br />

gefordert. Konzentration auf das Kernbusiness<br />

heisst das zentrale Schlagwort.<br />

Rasche Entscheide und kurzfristige Ergebnisse<br />

stehen im Vordergrund. Langfristig<br />

erfolgreiche Unternehmer bestätigen<br />

allerdings: Nur durch ökonomische<br />

Vernunft funktioniert kein Geschäft. Die<br />

betriebswirtschaftliche Perspektive ist<br />

eindimensional und reicht nicht.<br />

Bei der Unternehmensführung geht es<br />

auch – vielleicht sogar ganz besonders<br />

– um nicht materielle Werte, um<br />

die «Persönlichkeit» und «Kultur» eines<br />

Unternehmens, um Sinnorientierung,<br />

Weiterentwicklung, Kommunikation,<br />

Kreativität, Innovation. Sogenannt «weiche»<br />

Faktoren können sich als knallhart<br />

erweisen und über Erfolg oder Misserfolg<br />

entscheiden. Auf diese erweiterten<br />

Perspektiven fokussiert die Philosophische<br />

Praxis.<br />

Klarheit als Wettbewerbsvorteil<br />

Die vielfältigen Prägefaktoren der<br />

Identität eines Unternehmens werden<br />

zusammenfassend oft als Unternehmensphilosophie<br />

bezeichnet. In<br />

diesem Begriff sind die scheinbaren<br />

Gegensätze von Business und Philosophie<br />

explizit aufgehoben. Allerdings:<br />

Unternehmensphilosophien erweisen<br />

sich bei näherem Hinsehen<br />

oft genug als Lippenbekenntnisse –<br />

schöne «visionäre» Worte mit wenig<br />

Praxisbezug, Leitbilder als Leerformeln.<br />

Kein Wunder: Solide unternehmerische<br />

Grundsätze lassen sich nicht<br />

aus der Schublade ziehen, können<br />

nicht als Pflichtübung wegdelegiert<br />

werden, lassen sich nicht nebenbei<br />

erledigen. Eine authentische Unternehmensphilosophie<br />

bildet das<br />

unternehmensspezifische Fundament,<br />

und dafür ist intensive, präzise<br />

Grundlagenarbeit gefragt. Es<br />

geht um das Finden, Definieren und<br />

Umsetzen solider unternehmerischer<br />

Prinzipien und orientierender Leitlinien.<br />

Der Lohn ist mehr Klarheit.<br />

Und Klarheit schafft Wettbewerbsvorteile,<br />

denn sie führt – nicht immer,<br />

aber oft – zu besseren Entscheiden.<br />

Besser denken, besser handeln<br />

Welche Rolle spielt dabei die Philosophische<br />

Praxis? Auf eine Formel gebracht,<br />

geht es um die konsequente<br />

Verbindung von Theorie und Praxis:<br />

besser denken, besser handeln.<br />

Selbstverständlich wird in Unternehmen<br />

bereits viel und richtig gedacht:<br />

betriebswirtschaftlich, technisch, juristisch<br />

oder logistisch. Aber diese<br />

Denkweisen sind fachspezifisch orientiert<br />

und zielen auf entsprechende<br />

Problemlösungen. Was dabei oft verloren<br />

geht, sind «dazwischen» liegende<br />

Fragen und ein mehrdimensionaler<br />

Ansatz mit übergreifender<br />

Betrachtungsweise. Hier setzt das<br />

philosophische Denken an: Es macht<br />

das Denken und Handeln selbst zum<br />

Thema. Es beschäftigt sich ergebnisoffen<br />

mit auftauchenden Problemen,<br />

sucht nach Verbindungen und<br />

Mechanismen, zeigt «blinde Flecken»<br />

auf. Nachdenken als Vermögen der<br />

Analyse, (Selbst-)Kritik, Argumentation<br />

und Ideenentwicklung ist ihr<br />

Kerngeschäft. Die Philosophische<br />

Praxis will dieses Nachdenken in Bewegung<br />

setzen und dadurch die Möglichkeiten<br />

einer Standortbestimmung und<br />

Neuorientierung verbessern. Angewendet<br />

werden spezifische Methoden des<br />

Fragens und Argumentierens, der Sprachanalyse,<br />

des Identifizierens von Denkund<br />

Handlungsmustern, des Entwickelns<br />

und Prüfens von Optionen und Szenarien<br />

und der konzentrierten Suche nach<br />

Lösungen.<br />

Plädoyer für den Möglichkeitssinn<br />

Zudem birgt die Philosophie einen reichen<br />

Schatz an Denk- und Vorstellungsmöglichkeiten.<br />

Sie eröffnet Perspektiven<br />

für das viel beschworene, aber viel<br />

zu selten praktizierte «thinking outside<br />

the box». Der Möglichkeitssinn bekommt<br />

mehr Raum. In Robert Musils Roman<br />

«Mann ohne Eigenschaften» heisst es<br />

dazu: Jemand mit Möglichkeitssinn orientiert<br />

sich nicht allein daran, was tatsächlich<br />

geschieht, sondern stellt sich<br />

vor, was geschehen könnte, sollte oder<br />

müsste. «Und wenn man ihm von irgendetwas<br />

erklärt, dass es so sei, wie es sei,<br />

dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich<br />

auch anders sein.» Möglichkeitssinn<br />

wird als die Fähigkeit definiert,<br />

«alles, was ebenso gut sein könnte, zu<br />

denken und das, was ist, nicht wichtiger<br />

zu nehmen als das, was nicht ist.» Das<br />

klingt doch eigentlich wie ein Erfolgsrezept<br />

für weitsichtige Unternehmer und<br />

Führungsverantwortliche.<br />

betreibt seit 2014 eine Philosophische<br />

Praxis als Unternehmensberatung und<br />

ist seit 20<strong>03</strong> selbstständiger Unternehmensberater<br />

für Kommunikation mit den<br />

Schwerpunkten Strategie- und Führungsberatung,<br />

Change Management, interne<br />

Kommunikation, Unternehmenspublizistik<br />

und spezifische Methoden des Kommunikationscontrollings.<br />

www.ms-consulting.ch<br />

Dr. Mark Sommerhalder<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 24


Menschen in Unternehmen<br />

Wer setzt sich eher durch?<br />

Achilles oder Odysseus<br />

Moral versus Zielerreichung<br />

von Dr. Georg Kraus<br />

Manager stehen bei ihrer Arbeit immer wieder vor der Frage: Ist es mit meinen Werten vereinbar, dass ich ein bestimmtes<br />

Verhalten zeige, um gewisse Ziele zu erreichen? Das war schon immer so – das zeigen die antiken Beispiele<br />

Achilles und Odysseus. Von welcher klassischen Grösse können wir in der heutigen Businesswelt mehr lernen?<br />

Managementtheorien sind nichts<br />

Neues. Spätestens als 19<strong>03</strong><br />

das erste Hauptwerk «Shop<br />

Management» von Frederick Taylor erschien,<br />

auf dem der Taylorismus basiert,<br />

kommen Jahr für Jahr mehr Bücher auf<br />

den Markt mit Rezepten für ein kluges<br />

Management. Doch die Philosophen und<br />

Denker beschäftigten sich schon viel früher<br />

mit den Prinzipien guter Führung. Die<br />

Begriffe «Manager», «Unternehmensverantwortlicher»<br />

oder «CEO» mögen neu<br />

sein, die mit dieser Rolle verbundenen<br />

Herausforderungen sind es nicht. Die<br />

ersten Management-Handbücher wurden<br />

vor weit mehr als 2 500 Jahren geschrieben.<br />

Damals hiessen die Manager<br />

noch Helden. Und zwei Prototypen dieser<br />

schillernden Figuren begegnen uns<br />

schon in den ältesten Epen der Weltliteratur:<br />

in der Ilias und in der Odyssee, als<br />

deren Verfasser Homer gilt. Liest man<br />

die darin enthaltenen Geschichten und<br />

vergleicht man ihre Hauptfiguren, dann<br />

stellen sich die Fragen: Welche von ihnen<br />

sind die wahren Helden? Und: Wodurch<br />

unterscheiden sie sich?<br />

Achilles – der Aufrichtige<br />

In der Ilias lernen wir Achilles kennen. Er<br />

ist ein nahezu unverwundbarer Krieger,<br />

ein schöner und mutiger Vertreter seiner<br />

Zunft mit einem hohen Ehrenkodex.<br />

Das heisst, sein Handeln orientiert sich<br />

an einem klaren Wertekonstrukt. Entsprechend<br />

eindeutig ist er in seiner Bewertung<br />

«richtig» oder «falsch». Achilles<br />

steht zudem für seine Überzeugungen<br />

ein und wird schnell zornig, wenn seine<br />

Werte infrage gestellt werden. Ausserdem<br />

misst er dem höheren Ziel eine grössere<br />

Bedeutung als dem eigenen Leben<br />

bei. Die Ilias schildert, wie es Achilles im<br />

Krieg um Troja immer wieder gelingt, das<br />

griechische Heer hinter sich zu scharen –<br />

weil er starke Werte verkörpert und bereit<br />

ist, für seine Überzeugung zu kämpfen.<br />

Selbst gegenüber Agamemnon, dem<br />

griechischen König, tritt er für seine Werte<br />

ein. Diese Begebenheit wird als «Zorn des<br />

Achilleus» in der Ilias besungen. Obrigkeitshörig<br />

ist Achilles nicht, sein Kompass<br />

ist seine innere Haltung. Und dafür lieben<br />

ihn seine Männer und folgen ihm.<br />

Odysseus – der Listige<br />

Und Odysseus? Er ist der Listige, bekannt<br />

für seinen scharfen Verstand und<br />

seine klugen Ideen. Ohne ihn hätte es<br />

das Trojanische Pferd nicht gegeben.<br />

Und sogar die Götter spielt er gegeneinander<br />

aus, um seine Ziele zu erreichen.<br />

Für Odysseus gilt: Der Zweck heiligt die<br />

Mittel. Es geht nicht darum, ehrenvoll,<br />

sondern erfolgreich zu sein. Und hierfür<br />

ist es in seiner (Werte-)Welt auch legitim<br />

zu lügen, zu betrügen und zu tricksen.<br />

Interessanterweise hat Odysseus seine<br />

Mannschaft nicht im Griff. Seine Män-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 26


ner stehen zwar zu ihm, doch sie gehorchen<br />

ihm nicht immer. Und auf ihrer<br />

Irrfahrt zurück nach Ithaka sterben sie<br />

alle. Odysseus überlebt als Einziger<br />

diese Reise.<br />

Ein typisches Management-Dilemma<br />

Wer ist der echte, wahre Held? Achilles,<br />

der klare Prinzipien hat und bereit ist,<br />

für sie Opfer zu bringen – und dadurch<br />

eine Mannschaft erzeugt, die hinter<br />

ihm steht? Oder Odysseus, der zweckorientiert<br />

die Moral biegt, seine Ziele<br />

erreicht, jedoch Gefahr läuft, hierüber<br />

seine Mannschaft zu verlieren? Dieses<br />

Dilemma kennen viele Unternehmensverantwortliche.<br />

Dazu passt eine<br />

Geschichte, die mir der Inhaber einer<br />

kleinen Werbeagentur erzählte: Ein Mitarbeiter<br />

seiner Firma kam zu ihm und<br />

sagte: «Chef, wir haben doch einen<br />

Computer bestellt. Die Firma hat zwei<br />

geliefert. Es steht jedoch nur einer auf<br />

der Rechnung. Was soll ich tun? Soll<br />

ich die Firma auf den Fehler hinweisen,<br />

oder soll ich abwarten, ob von denen<br />

noch jemand den Fehler bemerkt?» Ein<br />

Unternehmer, bei dem der Manager-Typ<br />

Odysseus stark ausgeprägt ist, würde<br />

vermutlich dem Mitarbeiter antworten:<br />

«Lass uns den zweiten Computer behalten<br />

und den Vorteil nutzen.» Doch<br />

welche Botschaft würde er damit an den<br />

Mitarbeiter senden? Ganz klar: Sei opportunistisch!<br />

Sei stets auf deinen Vorteil<br />

bedacht – selbst wenn du hiermit<br />

anderen schadest. Wie lange würde es<br />

dann wohl dauern, bis sich auch der Mitarbeiter<br />

– getreu dieser Maxime – auf<br />

Kosten des Unternehmers beziehungsweise<br />

seiner Firma bereichert? Was ist<br />

also besser für Manager, Achilles oder<br />

Odysseus zu sein?<br />

Pferdes – also mit List und Tücke – endlich<br />

den Krieg zu gewinnen. Und Odysseus<br />

schaffte es, indem er seine Identität<br />

verleugnete und sich «Niemand» nannte,<br />

den Zyklop Polyphem zu übertölpeln und<br />

mit den meisten seiner Männer dem<br />

sicheren Tod zu entrinnen. Und mittels<br />

einer List setzte er sogar ein Naturgesetz<br />

beziehungsweise göttliches Gesetz ausser<br />

Kraft – nämlich, dass jeder, der dem<br />

Gesang der Sirenen lauscht, sterben<br />

muss. Odysseus war der erste Mensch,<br />

dem dies nicht widerfuhr. Deshalb nochmals<br />

die Frage: Wer kann Managern eher<br />

als Leitbild dienen: Achilles, der «prinzipientreue<br />

Idealist», oder Odysseus, der<br />

«listige Grenzenüberwinder»? Vermutlich<br />

müssen Manager beide Helden-Typen in<br />

sich vereinen. Sie müssen zudem – situationsabhängig<br />

– für sich, immer wieder<br />

entscheiden, wie viel Raum sie diesen<br />

beiden Manager-Typen bei ihrem Handeln<br />

einräumen, damit sie einerseits die<br />

nötige Wirkung entfalten und andererseits<br />

ihre persönliche Identität und Integrität<br />

bewahren. Ein echtes Dilemma,<br />

das sich vermutlich im Management-<br />

Alltag nie ein für alle Mal lösen lässt –<br />

insbesondere in Zeiten, in denen sich die<br />

Rahmenbedingungen wirtschaftlichen<br />

und unternehmerischen Handelns rasch<br />

ändern und die Zahl der Parameter, die<br />

es bei Entscheidungen zu berücksichtigen<br />

gilt, kontinuierlich steigt. In ihnen<br />

geraten Manager immer wieder in Zielkonflikte.<br />

Und in ihnen braucht auch die<br />

Frage «Was macht eine gute Führung<br />

aus?» immer wieder eine neue Antwort.<br />

Stellen Sie sich dieser Frage, damit Sie<br />

einen Kompass für Ihre alltägliche Führungsarbeit<br />

haben.<br />

Menschen in Unternehmen<br />

Einfach.<br />

Besser.<br />

Organisiert.<br />

Wie das Dilemma lösen?<br />

Jeder Manager steht im übertragenen<br />

Sinn täglich mindestens einmal vor dieser<br />

Frage – im Kontakt mit Kunden, mit<br />

Lieferanten, mit Kollegen und Mitarbeitern.<br />

Und in einer Welt, in der man an<br />

der Zielerreichung gemessen wird, ist<br />

die Versuchung gross, listig zu sein –<br />

also stets zweckorientiert zu handeln, die<br />

Moral, manchmal etwas zu verbiegen,<br />

Unangenehmes zu beschönigen oder<br />

auszublenden. Vielleicht kommt man damit<br />

sogar durch. Doch zu welchem Preis?<br />

Das Problem ist nur: Den Griechen gelang<br />

es, nachdem sie bereits zehn Jahre<br />

erfolglos gegen die Mauern von Troja angerannt<br />

waren, mithilfe des Trojanischen<br />

Dr. Georg Kraus<br />

ist Geschäftsführer der international<br />

agierenden Unternehmensberatung Dr.<br />

Kraus & Partner, Bruchsal (D). Er ist Mit-<br />

Herausgeber des «Handbuch Change-<br />

Management», Cornelsen Verlag.<br />

www.kraus-und-partner.de<br />

Einfach ECM<br />

Dokumenten-Management<br />

Archivierung<br />

Workflow<br />

www.elo.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 27


Menschen in Unternehmen<br />

Zwischen Sündenfall und Genussmoment<br />

Die Bedeutung des Apfels<br />

von Josef Christen<br />

Der Apfel hat nicht nur in der Geschichte verschiedene mythische Bedeutungen. Auch in unserem Geschäftsalltag<br />

kann er sehr nützlich sein. Sich gesund zu ernähren heisst, täglich mindestens fünf Portionen Früchte oder Gemüse<br />

zu essen. Was liegt also näher, als dies mit einem knackigen Apfel zu tun?<br />

Der Apfel als Symbolfrucht für Gesundheit und Vitalität.<br />

So ist es gewesen: Tells Geschoss<br />

durchbohrte den Apfel, seit jeher<br />

das Symbol für Macht und Reichtum.<br />

Hätte er stattdessen seinen Sohn<br />

getroffen, wäre sein zweiter Pfeil für<br />

den tyrannischen Landvogt Gessler bestimmt<br />

gewesen. Dramatisches mit einem<br />

Apfel ereignete sich aber bereits<br />

viel früher, als nämlich Eva den Adam<br />

dazu verführte, in die verbotene Frucht<br />

zu beissen. Gott vertrieb daraufhin<br />

Adam und Eva und mit ihnen die ganze<br />

Menschheit aus dem Paradies. Die Bibel<br />

bezeichnet zwar die verbotene Frucht<br />

nicht namentlich als Apfel; diese Deutung<br />

wurde erst später gemacht. Malus,<br />

«das Böse» wird fortan der Apfel auf Lateinisch<br />

genannt. Ein Stück seines folgenschweren<br />

Genusses blieb Adam im<br />

Hals stecken, daher haben die Männer<br />

den Adamsapfel.<br />

Sinnlichkeit, Macht und<br />

weibliche Schönheit<br />

Schon früh verbanden die Menschen mit<br />

den Äpfeln eine Symbolik des Lebens,<br />

der weiblichen Kraft und Fruchtbarkeit.<br />

Liebesgöttinnen wurden mit einem Korb<br />

voller Äpfel dargestellt, die Göttin Nemesis<br />

hielt einen Apfelzweig in der Hand. In<br />

Griechenland galt der Fruchtbarkeitsgott<br />

Dyonysos als Schöpfer des Apfelbaumes.<br />

Im Mittelalter trugen Kaiser den Reichsapfel<br />

als Sinnbild für die Erde und die<br />

Weltherrschaft. Im fernen China steht<br />

der Apfel für Frieden und Eintracht, wird<br />

aber auch mit der weiblichen Schönheit<br />

assoziiert.<br />

Für Physiker und Kinderherzen<br />

Issac Newton, englischer Physiker, Astronom<br />

und Philosoph, soll wegen eines<br />

Apfels auf das Gesetz der Schwerkraft<br />

gestossen sein. Ihm fiel nämlich während<br />

eines Mittagsschlafes unter einem<br />

Apfelbaum eine der Früchte auf den<br />

Kopf.<br />

Auch Kinderherzen fiebern bei Apfelgeschichten<br />

mit, wenn nämlich die böse<br />

Stiefmutter ihrer Stieftochter Schneewittchen<br />

nach dem Leben trachtet und<br />

die rote Seite des Apfels vergiftet. Oder<br />

die faule Pech-Marie den voll behangenen<br />

Apfelbaum der Frau Holle trotz der<br />

Bitte «Rüttle mich, schüttle mich» links<br />

stehen liess. Nicht zuletzt ist auch die<br />

Samichlaus-Geschichte eng mit dem<br />

Apfel verbunden. Der Legende nach zog<br />

der heilige Nikolaus zur Weihnachtszeit<br />

dick vermummt durch Myra und legte<br />

vergoldete Äpfel und Nüsse vor die Hütten<br />

der Bedürftigen.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 28


100 Prozent Schweiz<br />

Suisse Garantie steht für die<br />

Herkunft Schweiz. Das gilt für die<br />

landwirtschaftliche Produktion und<br />

die gesamte nachfolgende<br />

Verarbeitung. 100 Prozent Schweiz<br />

ist mit «Suisse Garantie» somit<br />

garantiert. «Suisse Garantie» steht<br />

auch für den umweltgerechten<br />

Anbau ohne Gentechnik. Achten<br />

Sie beim Kauf auf das «Suisse<br />

Garantie»-Label. Es lohnt sich für<br />

Sie und der Umwelt zuliebe.<br />

Mythen und Geschichten ranken sich<br />

also um den Apfel. Und heute ist der<br />

Apfel einfach die beliebteste Frucht der<br />

Schweizer. Und das ist kein Märchen.<br />

Die folgenden zehn Punkte belegen dies.<br />

Hätten Sie gewusst, dass …<br />

1. ein roher Apfel auf nüchternen<br />

Magen, gründlich gekaut, gegen<br />

Verstopfung hilft, der gleiche Apfel<br />

aber fein gerieben gegen Durchfall<br />

wirkt?<br />

2. Apfelschalentee gegen Nervosität<br />

und geistige Erschöpfung hilft und<br />

Tee aus Apfelbaumblättern den<br />

Stoffwechsel fördert?<br />

3. die Wirkstoffe des Apfels den Stoffwechsel<br />

anregen und blutreinigend<br />

wirken?<br />

4. gebratene Äpfel mit Honig gegen<br />

Heiserkeit helfen?<br />

5. der Apfel als einzige inländische<br />

Frucht das ganze Jahr über erhältlich<br />

ist? Ab Mitte Juli sind die ersten<br />

Frühsorten auf dem Markt. Einzelne<br />

Sorten sind dank moderner Lagertechnik<br />

von September bis Anfang<br />

Juli lagerbar. Für jeden Geschmack<br />

ist ein Apfel verfügbar. Dutzende<br />

Sorten verleihen jedem Apfel einen<br />

typischen Charakter, von süsslich<br />

bis säuerlichem Geschmack und in<br />

grüner, gelber oder roter Schale.<br />

6. der Apfel viele Mineralstoffe,<br />

Vitamine und gesundheitsfördernde<br />

sekundäre Pflanzenstoffe enthält?<br />

Zwei Äpfel täglich decken die Hälfte<br />

des Vitamin-C-Bedarfs und stärken<br />

damit entscheidend die Abwehrkraft.<br />

Kalium und B-Vitamine sind<br />

gut für die Nerven und Muskeln.<br />

Natrium ist an der Bildung von Verdauungssäften<br />

beteiligt. Pektin<br />

(ein Stoff aus der Schale) bindet<br />

Giftstoffe im Darm und regt die<br />

Darmtätigkeit an.<br />

7. der Apfel wenige Kalorien enthält?<br />

Gerade mal 55 kcal pro 100 Gramm.<br />

Er ist somit ein ideales Schlankmacherobst<br />

und ein erfrischender<br />

Pausensnack.<br />

8. der Apfel ideal als Pausensnack und<br />

Zwischenmahlzeit ist? Er ist von<br />

Natur aus umweltfreundlich verpackt:<br />

Die Schale lässt sich mitessen<br />

und liefert gesundheitsfördernde<br />

sekundäre Pflanzenstoffe.<br />

Er übersteht vollgepackte Schulsäcke<br />

und Hosen- oder Jackentaschen<br />

unbeschadet. Er enthält<br />

viel Frucht- und Traubenzucker, der<br />

die Müdigkeit vertreibt und rasch<br />

verfügbare Energie spendet?<br />

9. Äpfel in der Küche vielseitig verwendbar<br />

sind? Geraffelt im Müesli,<br />

geschnitten in bunten Salatvariationen,<br />

gekocht oder gebacken in<br />

gluschtigen, süssen bis pikanten<br />

Vorspeisen, Hauptgängen oder<br />

in Desserts.<br />

10. sich der Apfel zu Apfelsaft verarbeiten<br />

lässt und ein guter Durstlöscher<br />

ist? Apfelsaft und Apfelschorle<br />

sind natürliche und<br />

erfrischende Trendgetränke.<br />

Ausführliche Hausapotheke<br />

«An apple a day keeps the doctor<br />

away.» Dieser Spruch taucht erstmals<br />

vor 150 Jahren in einer walisischen Zeitschrift<br />

auf. Der Apfel gilt aber seit jeher<br />

als Symbolfrucht für Gesundheit und Vitalität.<br />

Wissenschaftliche Studien und<br />

Untersuchungen untermauern diese Tatsache.<br />

Nahrungsfasern, Vitamine und<br />

Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe<br />

beeinflussen die Gesundheit positiv.<br />

Äpfel enthalten wenig «normalen»<br />

Zucker, dafür viel Fructose. Dies drosselt<br />

den Anstieg des Blutzuckerspiegels. Das<br />

reichlich vorhandene Kalium senkt den<br />

Blutdruck und ist für Nerven und Muskeln<br />

wichtig. Zusammen mit dem Calcium<br />

und Magnesium wirkt Kalium der<br />

Übersäuerung des Magens entgegen.<br />

Die Immunabwehr wird insbesondere<br />

durch den Vitamin-C-Gehalt gestärkt.<br />

Ballaststoffe wie Rohfaser, Zellulose<br />

oder Pektine binden Schadstoffe, sind<br />

für die Verdauung und Darmgesundheit<br />

wichtig und senken den Cholesterinspiegel.<br />

Eine grosse Wirkung wird den<br />

sekundären Pflanzenstoffen zugesprochen,<br />

die gegen Herz-Kreislauf- und andere<br />

Erkrankungen wirken können.<br />

Menschen in Unternehmen<br />

Ein Stück Schweiz<br />

Der Apfel ist die beliebteste einheimische<br />

Frucht von Herr und Frau Schweizer.<br />

Rund 17 Kilogramm werden pro<br />

Person und Jahr gegessen. Die Hauptsorten<br />

sind Gala, Golden Delicious, Braeburn<br />

und Jonagold. Dank ausgeklügelter<br />

Lagertechnik sind Schweizer Äpfel<br />

das ganze Jahr über erhältlich. Schweizer<br />

Früchte werden von unseren Obstbauern<br />

nach strengen Umweltauflagen<br />

produziert. Suisse Garantie steht für<br />

nachhaltigen, ökologischen Anbau ohne<br />

Gentechnik. Achten Sie beim Kauf auf<br />

das Suisse-Garantie-Label. Suisse Garantie<br />

heisst die Herkunftsbezeichnung<br />

der Schweizer Landwirtschaft.<br />

Josef Christen<br />

verantwortet die Leitung Kommunikation<br />

beim Schweizer Obstverband.<br />

www.swissfruit.ch<br />

www.suissegarantie.ch<br />

www.facebook.com/swissfruit<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 29


Menschen in Unternehmen<br />

Marek Dutkiewicz im Kreis seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Aussergewöhnlicher Weg<br />

Eine Businesskarriere in der Schweiz<br />

Interview mit Marek Gerard Dutkiewicz von Georg Lutz<br />

Karrieren verlaufen selten gleichförmig. Manchmal sind sie auch gar nicht angelegt. Dann zum Beispiel, wenn<br />

man aus einem fremden Land kommt und sich zunächst orientieren und durchbeissen muss. Der Weg von Marek<br />

Dutkiewicz begann in Polen, Anfang der Achtzigerjahre strandete er in Zürich, heute ist er Geschäftsführer der<br />

HR Campus AG. Auch heute kommen Menschen aus fremden Kulturen mit vielen Fähigkeiten in die Schweiz. Diese<br />

Potenziale sollten wir nutzen. Die politische Debatte läuft aber daran oft völlig vorbei.<br />

Wie sind Sie in die Schweiz gekommen,<br />

sind Sie Secondo, oder haben<br />

Sie beide Welten aus Polen und der<br />

Schweiz in Ihrem Rucksack?<br />

Ich bin kein Secondo, sondern bin in Polen<br />

geboren. Ich komme aus der polnischen<br />

Tatra, eine wunderschöne Bergwelt<br />

mit vielen Kühen und Schafen.<br />

Da machen Sie ja der Schweizer Tourismuswerbung<br />

Konkurrenz.<br />

Auf den ersten Blick ja. Auf den zweiten<br />

Blick war das aber eine Kindheit in sehr<br />

ärmlichen, ländlichen Verhältnissen.<br />

Es gab beispielsweise kein fliessendes<br />

Wasser und keinen Strom. Meine Jugend<br />

habe ich dann in Krakau verbracht,<br />

wo ich auch studiert habe. Während<br />

meines Studiums durfte ich ein Praktikum<br />

in der Schweiz absolvieren. Dann<br />

hat mich 1981 das Kriegsrecht in Polen<br />

in Zürich überrascht, und so bin ich in<br />

der Schweiz gestrandet.<br />

In der Schweiz gibt es auch Berge, aber<br />

sonst war vieles anders.<br />

Ja, die vollen Regale bei Migros, Coop<br />

und Globus waren schon ein Kulturschock.<br />

In den Lebensmittelläden in<br />

Polen gab es zu dieser Zeit nur wenige<br />

Produkte. Der zweite Schock betraf<br />

die Limmat. Ich stand auf einer Brücke<br />

und habe Fische im Fluss gesehen.<br />

Wenn Sie damals in Polen die Hand<br />

in die Weichsel gestreckt haben, haben<br />

Sie die Finger nicht mehr gesehen.<br />

So schmutzig war das Wasser. Unser<br />

Wasser aus dem Trinkhahn färbte die<br />

Badewanne gelb. Die Frage stellte<br />

sich fast schon automatisch: Warum<br />

leben die Menschen in diesem Land<br />

so und in dem anderen Land völlig anders?<br />

Wo lagen die zentralen Herausforderungen<br />

am Beginn Ihres Lebens in der<br />

Schweiz?<br />

Ich musste lernen, in der Schweiz zu<br />

leben. Ich habe als Student gearbeitet<br />

und habe etwas über 1 400 CHF im Monat<br />

zur Verfügung gehabt. Die Schweiz<br />

war schon damals ein teures Land. Im<br />

Dolder Quartier, wo ich damals wohnte,<br />

gab es viele Porsches und Ferraris. Ich<br />

habe nicht verstanden wie man sich mit<br />

so einem Geld einen Porsche leisten<br />

kann.<br />

Vielleicht hatten sie die Fahrzeuge nur<br />

geleast?<br />

Das kannte ich alles nicht. Ich kam ja<br />

aus einer anderen Welt und musste hier<br />

alles neu lernen. Von Anfang an war ich<br />

in sehr vielen Jobs unterwegs. Salatputzen<br />

bei Coop, am frühen Morgen<br />

Zeitungen verteilen oder an der Tankstelle<br />

Scheiben putzen, da war einiges<br />

dabei.<br />

Es gab ja keinen reichen Onkel?<br />

Nein, definitiv nicht. Dazu kam, dass<br />

dann in Polen unter dem Kriegsrecht<br />

die Grenzen geschlossen wurden. Zehn<br />

lange Jahre konnte ich und viele andere<br />

nicht zurück nach Polen und sei es nur<br />

zu Besuch.<br />

Welchen offiziellen Status hatten Sie<br />

hier?<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 30


Ich war Praktikant. Dann, als wir, die<br />

aus Polen stammten, nicht zurückgehen<br />

konnten, bekamen wir fast automatisch<br />

politisches Asyl.<br />

Ja, ich habe damals in der untersten<br />

Ebene bei der IT als Operator angefangen.<br />

Das bedeutete damals zum Beispiel,<br />

Bänder zu wechseln.<br />

Das ist auch eine untergegangene Welt.<br />

Menschen in Unternehmen<br />

Ja, damals war SAP auch noch eine<br />

sehr junge Firma und musste sich<br />

gegenüber Big Blue Mother IBM emanzipieren.<br />

Asyl ist ja heute in Europa ein ganz<br />

heisses Thema. Aber da haben Sie vermutlich<br />

von der Situation im Kalten<br />

Krieg profitiert. Wie sind Sie dann auf<br />

den Karriereweg gekommen, auf dem<br />

Sie heute angelangt sind?<br />

Wie gesagt, ich habe viele Jobs gehabt.<br />

Bei meinem Job an der Tankstelle hat ein<br />

Bankdirektor immer wieder getankt, und<br />

wir haben uns kennengelernt. Der hat<br />

dann irgendwann gesagt. «Marek, mach<br />

doch mal was Richtiges. Schalte Dein<br />

Hirn ein!» Er hat mich motiviert, in die<br />

Bürowelt zu wechseln. Dann bin ich bei<br />

MAAG Zahnräder in einem Schulungsprogramm<br />

für Informatiker in Zürich gelandet.<br />

Damals in den Achtzigerjahren<br />

hatten sie 3 000 Mitarbeiter. Heute gibt<br />

es sie aber nicht mehr.<br />

Das ist für Schweizer Verhältnisse ein<br />

Grossbetrieb und verdeutlicht gleichzeitig<br />

den Strukturwandel.<br />

Ja, der grosse Raum, in dem ich damals<br />

mit den Hochleistungsrechnern<br />

gearbeitet habe, hat vermutlich weniger<br />

Arbeitsspeicher zur Verfügung gehabt<br />

wie ein heutiges Smartphone. So<br />

bin ich dann auch zum ersten Mal mit<br />

SAP in Berührung gekommen. Das Unternehmen,<br />

in dem ich damals gearbeitet<br />

habe, war eines der ersten Unternehmen<br />

der Schweiz, die auf eine<br />

SAP-Lösung gesetzt haben.<br />

Das ist jetzt ein wichtiger Ankerpunkt,<br />

der in die Gegenwart verweist, da HR<br />

Campus ja heute ein «Gold Partner»<br />

von SAP ist. Was hat Sie damals an<br />

SAP positiv überrascht?<br />

Das Programmieren und das Stricken<br />

von Programmen ist üblicherweise eine<br />

sehr trockene Angelegenheit. Wenn<br />

man bei SAP die Help-Taste gedrückt<br />

hat, bekam man einen Witz serviert. Das<br />

hat mich dann doch positiv überrascht.<br />

Ich habe gedacht, diese Firma, die mit<br />

Witzen arbeitet, das muss ein geniales<br />

Unternehmen sein.<br />

Marek Gerard Dutkiewicz nimmt den SAP MEE Excellence Cloud Award <strong>2015</strong> entgegen.<br />

Ja, da war Spirit drin. Und ich wollte in<br />

dieser spannenden Welt arbeiten. Das<br />

war der Beginn eines langen Weges,<br />

zusammen mit SAP.<br />

Wie sahen die weiteren Stationen<br />

aus?<br />

Ich bin in meinem Berufsleben zweimal<br />

mitverkauft worden. Beim letzten Mal,<br />

es ging um die Fusion von Siemens Nixdorf,<br />

habe ich mir geschworen, dass<br />

ich mich niemals mehr verkaufen lasse.<br />

Das war der Grund, eine eigene Firma<br />

zu gründen?<br />

Ja, nachdem Nixdorf von Siemens geschluckt<br />

wurde, haben zwei Mitstreiter<br />

und ich eine eigene Firma gegründet.<br />

Wann war das?<br />

Das war 1998.<br />

Und Sie waren da Investor?<br />

Nein. Mein erstes eigenes Haus habe<br />

ich mit einem Darlehen des ersten Kollegen<br />

finanziert. Meinen Anteil am Unternehmen<br />

habe ich mit dem Geld des<br />

zweiten Kollegen finanziert.<br />

Sie haben immer noch kein Geld gehabt,<br />

aber zu diesem Zeitpunkt dann<br />

einen guten Freundeskreis mit spannenden<br />

Geschäftskollegen. Selbstständigkeit<br />

ist aber in den ersten Jahren<br />

ein hartes Brot?<br />

Ja, die Nächte in den ersten Jahren waren<br />

sehr kurz, und viele Kollegen haben<br />

gesagt, das packt ihr nicht. Denn man<br />

sollte gleich eine gesamte ERP Lösung<br />

anbieten. Financial, Controlling, Logistik<br />

… Alles sollte mit an Bord sein.<br />

Trotzdem hatten Sie ja eine spezifische<br />

Idee?<br />

Wir hatten die HR-Welt schon damals<br />

im Fokus. Da gab es aber fast überall<br />

nur abwinkende Kommentare: «Davon<br />

könnt ihr nicht leben.»<br />

Warum? <br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 31


Menschen in Unternehmen<br />

Da damals in den Neunzigerjahren das<br />

HR-Spektrum sehr klein war. Es ging<br />

höchstens um Payroll-Lösungen. Es gab<br />

noch nicht die grossen Herausforderungen<br />

wie beispielsweise das Dokumentenmanagement<br />

oder Talentmanagement.<br />

Das war alles noch nicht in Sichtweite.<br />

Meine zwei Mitstreiter und ich haben<br />

trotzdem die Gelegenheit ergriffen.<br />

Was war dabei wichtig?<br />

Wir haben sehr unterschiedliche Kompetenzen<br />

einbringen können. Es gab<br />

den HR-Experten, den Technologen<br />

und den Kommunikator. Ich war der<br />

Schnurri, wie man in der Schweiz sagt.<br />

Wie sind Sie auf den Namen HR Campus<br />

gekommen, war das eine Reminiszenz<br />

an alte Studententage?<br />

Mein Partner Hendrik hat die Idee mit<br />

dem Wort Campus als ein Ort der Studentenbegegnung<br />

gehabt, von mir kam<br />

HR dazu. In der folgenden Nacht bin ich<br />

aufgewacht und sah den Namen vor mir:<br />

HR Campus.<br />

Nachts hat man oft gute Ideen …<br />

So begann unsere Reise. Wir haben<br />

dann schnell gemerkt, dass selbst<br />

grosse Player wie IBM oder Siemens auf<br />

uns zugekommen sind und nach HR-<br />

Lösungen gefragt haben.<br />

Es gab da eine Lücke, die Sie besetzen<br />

konnten?<br />

Ja, es war so, als hätte der Markt auf uns<br />

gewartet.<br />

Aber dann in den ersten Jahren des<br />

neuen Jahrhunderts gab es ja noch<br />

viele unterschiedliche Insellösungen.<br />

Beispielsweise haben viele HR-Abteilungen<br />

mit SAP gearbeitet. Das hatte<br />

aber mit den Microsoft-Welten im übrigen<br />

Unternehmen herzlich wenig zu<br />

tun.<br />

Das ist exakt richtig. Da gab es gewaltige<br />

Entwicklungen in der HR-Branche.<br />

In den letzten 15 Jahren haben wir im<br />

Vergleich zu anderen Sektoren viel aufgeholt<br />

und sind oft in der Pole-Position.<br />

Heute haben wir in der Schweiz<br />

viele Firmen, die sehr moderne Human-<br />

Capital-Management-Lösungen haben,<br />

Die polnische Kulturstadt Krakau an der Weichsel war der Ausgangspunkt.<br />

die wiederum auch in die anderen Teile<br />

des Unternehmens ausstrahlen. Man<br />

spricht inzwischen nicht mehr von Payroll,<br />

das ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

Wichtig sind emotionale Themen, die<br />

gleichzeitig technologisch wasserdicht<br />

sind und einfach funktionieren.<br />

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?<br />

Ja, gerne. Bewerber bewirbt sich elektronisch,<br />

sein Dossier landet nach der<br />

Einstellung automatisch im e-Dossier<br />

Tool. Seine Akte wächst nur elektronisch<br />

weiter, zum Beispiel Verträge oder<br />

Zeugnisse. Dokumente, die in Onboarding<br />

erstellt werden, werden automatisch<br />

bei Mitarbeitern abgelegt. Zugriff<br />

auf das E-Dossier haben sowohl Mitarbeiter<br />

wie Vorgesetzte.<br />

Es gibt heute ja auch neue Herausforderungen<br />

wie Cloud-Themen oder<br />

Sicherheitslösungen.<br />

Das ist richtig. Jeder überlegt sich<br />

heute, wo seine Daten sind und wie<br />

sicher sie vor Zugriffen sind. Das hat<br />

aber weniger mit einem Rechenzentrum<br />

zu tun, sondern mit Situationen in<br />

der Wolke, wo sich die Daten treffen.<br />

Sicherheit betrifft zudem in erster Linie<br />

den Menschen. Es geht hier kaum um<br />

die Sicherheit im Rechenzentrum, viel<br />

mehr um die Sicherheit in der Wolke.<br />

Man muss die Gesamtprozesse angucken,<br />

wo der Mensch immer noch die<br />

zentrale Rolle spielt.<br />

Unter anderem darum verkaufen Sie<br />

aber nicht Produkte, die man über den<br />

Tresen reicht, sondern Produkte, die<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 32


Menschen in Unternehmen<br />

Herausforderungen. SAP bedient hier<br />

nicht Schweizer Anforderungen.<br />

Wohin geht die Reise in der Zukunft?<br />

Die junge Businessgeneration verändert<br />

uns alte Hasen. Da müssen wir uns anpassen.<br />

Alles wird einfacher und schneller.<br />

Wir sollen für wirklich wichtige Dinge<br />

mehr Zeit bekommen. Wir nutzen das<br />

aber oft nicht, sondern drehen uns weiter<br />

im Hamsterrad. Eigentlich haben wir<br />

die Werkzeuge …<br />

Modernste Technologien sind nicht nur in der Software von HR Campus im Einsatz.<br />

Kommen wir am Schluss des Interviews<br />

nochmals an den Anfang zurück.<br />

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn<br />

Sie Ihre Lebenslinien nachzeichnen,<br />

die ja vom Flüchtling zum Geschäftsführer<br />

mit Reputation reichen?<br />

Lösungen von Herausforderungen abdecken.<br />

Unsere Kunden reagieren beim Wort Verkäufer<br />

sehr allergisch. Sie wollen kein<br />

Produkt kaufen. Bei der vierten Vorstellung<br />

eines Produktes, die ja sehr ähnlich<br />

sind, werden sie müde.<br />

Und denken: «Die sind doch so oder<br />

so nur provisionsgesteuert.»<br />

Wenn wir zum Kunden gehen, fangen<br />

wir zunächst an, mit ihm zu träumen …<br />

Wie bitte?<br />

Wir schauen dem Kunden genau in die<br />

Augen und hören zunächst zu. Welche<br />

Sorgen hat der Kunde, in welcher Situation<br />

befindet er sich? Will er expandieren,<br />

muss er Mitarbeiter entlassen,<br />

hat der wegen der Fast-Parität Franken/<br />

Euro grosse Probleme? Dann sprechen<br />

wir über die aktuellen Projekte und zukünftige<br />

Strategien. Wir sprechen überhaupt<br />

nicht über Software. Wir sprechen<br />

über Herausforderungen und dann Lösungen.<br />

Wir malen mit ihm ein Big Picture.<br />

Das stellt er dann seinem Management<br />

oder Vorgesetzten vor. Das Team,<br />

welches bei uns zu dem Kunden geht,<br />

heisst Campus Dialog. Den Begriff füllen<br />

wir mit Leben, und wir haben damit<br />

gute Erfahrungen gemacht. Die Kunden<br />

merken, sie werden ernst genommen.<br />

Das ist keine Floskel, sondern spiegelt<br />

die Umbrüche in ganzen Branchen wider.<br />

Die Leute wollen keine Produkte,<br />

sondern transparente Gesamtlösungen.<br />

Und Ihr Team muss vermitteln können?<br />

Richtig. Ein HR-Leiter hat meistens keinen<br />

Bezug zu der IT-Welt. Da müssen<br />

wir Übersetzungsarbeit leisten.<br />

Da müssen viele Kompetenzen an<br />

Bord sein.<br />

Wir decken inzwischen alle Themen der<br />

HR-Welten ab, die inzwischen meist<br />

über die Cloud laufen. Das betrifft Saläre,<br />

Administration, Pensionskasse,<br />

Dokumentenmanagement, Arbeitszeugnisse,<br />

Personaleinsatzplanung, Personalkostenplanung,<br />

Zeitwirtschaft, Spesen<br />

… Uns begleiten inzwischen um die<br />

25 Themen. Das Portfolio ist sehr gross<br />

geworden.<br />

Wie finden da KMU eine Lösung, die<br />

sie finanziell stemmen können?<br />

Eine Firma mit 50 Angestellten braucht<br />

oft ähnliche Lösungen wie eine Migros<br />

mit Tausenden von Mitarbeitern. Das<br />

sieht ganz ähnlich aus. Gerade kleine<br />

Unternehmen können mit Cloud-Lösungen<br />

hier massiv Kosten sparen, da sie<br />

oft nicht kaufen, sondern mieten und<br />

die Investitionen sehr viel kleiner sind.<br />

SAP ist Ihre Grundlage, und was kommt<br />

dann?<br />

Wir haben SAP-Lösungen und ergänzen<br />

sie aber. Ich gebe Ihnen ein Beispiel.<br />

Arbeitszeugnisse in der Schweiz und<br />

China sind zwei völlig unterschiedliche<br />

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken.<br />

Es haben mir sehr viele Menschen<br />

in der Schweiz geholfen, hier erfolgreich<br />

zu sein. Auch meine Frau ist<br />

mir immer zur Seite gestanden. Am Anfang<br />

ist es schwierig, und man braucht<br />

ein langsam wachsendes Netzwerk.<br />

Schweizer sind so, wie man sich Bauern<br />

vorstellt. Sie sind lange zurückhaltend.<br />

Aber wenn sie dich dann in ihr<br />

Herz geschlossen haben, lassen sie<br />

dich kaum mehr los. Das konnte ich<br />

persönlich spüren. Heute gibt es viel<br />

mehr Flüchtlinge als zu meiner Zeit. Hier<br />

sind Politiker gefordert, keine Scheinlösungen,<br />

sondern echte Lösung en<br />

zu bieten. Man muss sich, wenn man<br />

von aussen kommt, allerdings auch anpassen.<br />

Man muss zu der Musik tanzen,<br />

die hier gespielt wird, und dann macht<br />

es auch Spass.<br />

ist Geschäftsführer der HR Campus AG.<br />

www.hr-campus.ch<br />

Marek Gerard<br />

Dutkiewicz<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 33


Menschen in Unternehmen<br />

Schönheit als Stigma<br />

Gendergap zwischen Managerinnen und Managern<br />

von Bernhard Bauhofer<br />

Nach dem Philosophen Michel Foucault ist in der Moderne der menschliche Körper «vergesellschaftet» worden.<br />

Seither tobt ein Kampf zwischen Fremd- und Selbstbestimmung – auch in der Businesswelt. Heute sind wir in das<br />

Stadium der Selbstoptimierung eingetreten, mit dem die Schönheitsideale noch befeuert werden. Medien liefern<br />

dazu oft die Zündfunken. Frauen, das zeigen die Beispiele des folgenden Beitrags, haben dabei völlig andere<br />

Zuschreibungen zu ertragen wie Männer.<br />

Wir Menschen lieben Superlative<br />

und Ranglisten: «Die besten Arbeitgeber»,<br />

«Die glücklichsten<br />

Völker» – und neuerdings auch «Die 10<br />

schönsten Managerinnen der Schweiz»,<br />

publiziert auf blick.ch.<br />

Rebecca Guntern Flückiger ist Geschäftsführerin von Sandoz Schweiz, Belgien und<br />

Österreich und muss trotz hoher Wangenknochen durch Leistung bestehen.<br />

Ein vergleichbares Ranking bei Männern<br />

sucht man da vergeblich. Kaum jemand<br />

käme wohl auf die Idee, die Qualitäten<br />

des UBS-Chefs Sergio Ermotti<br />

auf sein Äusseres zu reduzieren. Doch<br />

lassen sich die Medien im Kampf um<br />

Aufmerksamkeit erschreckend weit herunter.<br />

Selbst die «Bilanz», das führende<br />

Business-Magazin der Schweiz, ist sich<br />

für eine Bildmontage nicht zu schade, die<br />

den Business-Beau auf der Titelseite mit<br />

zwei ihm auf die Wangen küssenden Damen<br />

darstellt. «Sergio im Glück. Endlich:<br />

Wir dürfen die UBS wieder lieb haben.»<br />

Vergessen sind die Zeiten des UBS-Bashing,<br />

die harsche Kritik und die Verteufelung<br />

des CEO Marcel Ospel nach den<br />

Milliarden-Abschreibern im Zuge des<br />

Subprime-Debakels. Diese wiederentdeckte<br />

Seichtheit und der Personenkult<br />

wecken böse Erinnerungen an die ersten<br />

Jahre des neuen Jahrtausends, in denen<br />

Firmenchefs zu Stars überhöht wurden<br />

und der ganze Hype in einem Serienplatzen<br />

von Blasen endete.<br />

Als betroffene Person oder Unternehmen<br />

kann man sich zudem kaum geschmeichelt<br />

fühlen, in diesen peinlichen Beauty-<br />

Contests mit von der Partie zu sein. Die<br />

Wirkung nach innen und aussen kann<br />

fatal sein, wenn die Botschaft als «Image<br />

ist alles» interpretiert wird. Mehr noch –<br />

wer einen schönen Menschen zum obersten<br />

Mitarbeitenden des Unternehmens<br />

wählt, sollte sich der Konsequenzen bewusst<br />

sein. Müssen sich da nicht alle Mitarbeitenden<br />

wie Mauerblümchen fühlen<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 34


Menschen in Unternehmen<br />

Würde sich der frühere CEO von Oracle Larry Ellison einem Schönheitswettbewerb stellen?<br />

und sich eingestehen: «Jetzt verdient der<br />

Chef nicht nur ein Vielfaches von mir, sondern<br />

sieht auch um Welten besser aus<br />

als ich!»<br />

Pseudo-Wissenschaftlichkeit<br />

kaschiert Sexismus<br />

Damit das einen einigermassen seriösen<br />

Touch bekommt, bemühen Medien vermeintliche<br />

Experten, wie einen Schönheitschirurgen<br />

im Fall des Blicks. Platz 1<br />

belegt Rebecca Guntern Flückiger, Geschäftsführerin<br />

von Sandoz Schweiz.<br />

Die Schönheitsmerkmale der Walliserin<br />

nach Dr. Dunst: «Schmales Gesicht, weiter<br />

Augenabstand, volle Lippen, dunkle<br />

und schmale Augenbrauen sowie hohe<br />

Wangenknochen». Andere Chefinnen<br />

punkten beispielsweise mit glänzendem<br />

Haar, langen Wimpern oder dem Fehlen<br />

von Augenringen. Statt sich zu freuen<br />

ist Empörung angesagt. Wer beispielsweise<br />

den eindrücklichen Lebenslauf der<br />

Top-Managerin kennt, weiss, dass ihr<br />

Aufstieg harter Arbeit zu verdanken ist.<br />

Anderer seits beweist der Fall Marissa<br />

Meyer, CEO von Yahoo, dass Schönheit<br />

keineswegs Erfolg garantiert. Der Dinosaurier<br />

unter den Internet- und Technologiefirmen<br />

konnte selbst von der mit<br />

vielen Vorschusslorbeeren bedachten<br />

Managerin nicht wachgeküsst werden.<br />

Nur Leistung zählt am Ende<br />

Schönheit hin oder her – schlussendlich<br />

zählen auch bei Managerinnen nur die<br />

Leistung und Ausdauer, mit der sie sich<br />

wie Pepsi-Chefin Indra Nooyi in einem<br />

von Männern dominierten Umfeld langfristig<br />

durchsetzen und ihre Reputation<br />

festigen können. Wer über Jahre hinweg<br />

sich durch Leistung behauptet, bei dem<br />

spielt das Äussere eine sekundäre Rolle.<br />

Hingegen kann Kompetenz gepaart mit<br />

Charme helfen, Differenzen zu überbrücken<br />

und Eis in Stakeholder-Beziehungen<br />

zum Schmelzen zu bringen. Das gilt für<br />

Mann wie Frau.<br />

Kleines Fazit<br />

Erfolg mag schön machen, doch umgekehrt<br />

führt Schönheit keineswegs automatisch<br />

zum Erfolg. Frauen, die an<br />

der Spitze eines Unternehmens stehen,<br />

sind keine Püppchen, sondern Hochleistungsträger,<br />

die beweisen, dass sie besser<br />

sind als ihre männlichen Kontrahenten<br />

und somit althergebrachte Klischees<br />

ad absurdum führen.<br />

Bernhard Bauhofer<br />

ist Managementberater, Autor, Referent<br />

und Gründer von Sparring Partners.<br />

www.sparringpartners.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 35


Menschen in Unternehmen<br />

Betriebliches Vorbild<br />

Energiewende gestalten<br />

Der Energieverbrauch kann sich vom Umsatz eines Unternehmens abkoppeln.<br />

von Hans-Ruedi Schweizer<br />

Von der Energiewende ist viel die Rede. Die vielen Akteure aus Politik und Wirtschaft haben dabei unterschiedliche<br />

Vorstellungen im Kopf. Der politische Pulverdampf trübt oft die Sicht. Was es aber auf jeden Fall braucht,<br />

um hier klarer sehen zu können, sind unternehmerische Vorbilder. Im folgenden Beitrag stellen wir die Ernst<br />

Schweizer AG vor.<br />

Die energetische Fitness eines<br />

Betriebes bringt viele Vorteile –<br />

nicht nur ökologische. Die Ernst<br />

Schweizer AG agiert erfolgreich am<br />

Markt und braucht trotz immer weitersteigendem<br />

Umsatz und mehr Arbeitsplätzen<br />

weniger Energie. In vielen Betrieben<br />

gilt die ungeprüfte Faustformel,<br />

dass mit dem Umsatz der Energieverbrauch<br />

und damit die Umweltbelastung<br />

steigen. Begründet wird die Gleichung<br />

einerseits durch grösseres Produktionsvolumen<br />

und andererseits durch die für<br />

die Wettbewerbsfähigkeit notwendige<br />

kontinuierliche Produktivitätssteigerung.<br />

Tatsächlich kann eine höhere Mechanisierung<br />

respektive Automatisierung zu<br />

einem Mehrverbrauch an Energie führen.<br />

Doch die verkürzte Betrachtungsweise<br />

lässt unberücksichtigt, dass Prozesstechnologien<br />

nicht nur ein produktionstechnisches,<br />

sondern auch ein energietechnisches<br />

Potenzial zur Optimierung<br />

und Substitution aufweisen. Der technische<br />

Fortschritt dient auch der Steigerung<br />

der Energieeffizienz und der Gewinnung<br />

von erneuerbaren Energien. Durch<br />

konsequenten Einsatz dieser Technologien<br />

koppelt sich der Energieverbrauch<br />

vom Umsatz eines Unternehmens ab.<br />

Wie gehen wir diese Abkopplung strategisch<br />

an? Es kommt bei uns ein Leitbild<br />

mit einem mehrstufigen Führungssystem<br />

zur Anwendung. Auf der obersten<br />

Ebene, jener des Leitbildes, ist die langfristige<br />

Ausrichtung des Unternehmens<br />

abgebildet. Die in der zweiten Ebene<br />

positionierte mittelfristige Strategie unterliegt<br />

einer Überprüfung im Dreijahresrhythmus.<br />

Die Jahresplanung, in dritter<br />

Ebene vermerkt, nutzt Sustainability<br />

Balanced Scorecard, SBSC, ein mittlerweile<br />

weit verbreitetes Instrument zur<br />

Integration von nicht monetären und<br />

«weichen» Erfolgsfaktoren in ein Führungssystem<br />

– also «balanced». SBSC<br />

eignet sich deshalb besonders für Aspekte<br />

der sozialen und ökologischen<br />

Nachhaltigkeit. Das Managementsystem<br />

in der vierten Ebene steuert die operativen<br />

Tätigkeiten in der Fabrik, im Büro und<br />

auf der Baustelle. Durch alle vier Ebenen<br />

des Führungssystems ziehen sich die<br />

vier Schweizer Erfolgspunkte: Kundenorientierung,<br />

Mitarbeiter/innen und Gesellschaft,<br />

Umweltorientierung und Wirtschaftlichkeit.<br />

Der Chef gibt die Richtung vor, doch die<br />

Schlüsselfunktion in der Entwicklung zu<br />

einem nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen<br />

kommt den Mitarbeitern/-innen<br />

zu. Das Engagement des Personals<br />

setzt Vertrauen in das Aktionariat und<br />

in die Geschäftsleitung – und vor allem<br />

in die langfristige Ausrichtung des Unternehmens<br />

– voraus. Durch kontinuierliche<br />

Information sowie durch Ausund<br />

Weiterbildung lässt sich dieses<br />

fördern. Vertrauensbildend wirkt auch<br />

Transparenz in Finanz- und Führungsfragen.<br />

Als Ergänzung zur Information<br />

setzt die Geschäftsleitung betriebliche<br />

Vorgaben. Die Organisation der Schweizer<br />

AG spiegelt die Produktepalette<br />

wider, wie dies in vielen Unternehmen<br />

üblich ist. Dagegen sind die Massnahmen<br />

zur Minimierung des Energiebedarfs<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 36


fünf Verbraucherkategorien zugeordnet:<br />

Prozesse, Gebäude, Energieversorgung,<br />

Produktentwicklung und Mobilität.<br />

Trotz der weitgehend optimierten Produktionsprozesse<br />

in den vier Werken<br />

der Ernst Schweizer AG lassen sich immer<br />

wieder Einsparpotenziale orten und<br />

ausschöpfen. Bei der Verbesserung und<br />

Erneuerung von Werkstätten und Fertigungslinien<br />

sind bezüglich des Energieverbrauches<br />

drei Bedingungen zu<br />

erfüllen: Die einzelne Komponente ist<br />

möglichst energieeffizient, arbeitet nur<br />

während der Fertigung und des Bedarfs<br />

entsprechend, also geregelt, und die<br />

dazu notwendige Energie stammt aus<br />

erneuerbaren Quellen. Allein schon wegen<br />

ihrer riesigen Volumen sind Fabrikhallen<br />

grosse Wärmeverbraucher. Umso<br />

wichtiger sind eine gute Dämmung der<br />

Hülle, eingeschlossen die grossformatigen<br />

Tore, und eine effiziente Wärmeerzeugung,<br />

wenn möglich mit erneuerbaren<br />

Energieträgern. Über die Jahre<br />

hinweg wurden ältere Gebäude saniert,<br />

neue in Niedrigenergiebauweise erstellt.<br />

Wende<br />

gestalten<br />

Interview mit Hans-Ruedi Schweizer<br />

Welche Rahmenbedingungen sind nötig,<br />

damit die Energiewende gelingt?<br />

Die Energiewende braucht in erster<br />

Linie und vor allem verlässliche Investitionsbedingungen.<br />

Sie braucht Spielregeln,<br />

die Planungssicherheit geben.<br />

Die Politik ist deshalb gefordert. Sie<br />

definiert, was Gültigkeit hat und auf welche<br />

Energieversorgung unser Land in Zukunft<br />

bauen soll. Ist das geklärt, wird die<br />

Wirtschaft den Umbau zügig vorwärtstreiben.<br />

Technologisch sind wir dafür<br />

längst bereit.<br />

Welche Rolle spielt die Energiestrategie<br />

des Bundes für den Werkplatz<br />

Schweiz, das heisst für KMU und für<br />

neue Arbeitsplätze?<br />

Menschen in Unternehmen<br />

Wir erachten den Umbau von nicht erneuerbaren<br />

Energien (fossile und Kernbrennstoffe)<br />

hin zu Cleantech und intelligenten<br />

Lösungen als grosse Chance für<br />

den Schweizer Werkplatz. Forschung und<br />

Wissenschaft sagen, der Weg hin zu erneuerbarer<br />

Energie und Energieeffizienz-<br />

Steigerung sei richtig. Die ETH kommt<br />

zum Schluss, dass ein Energiemix mit<br />

hohem Anteil erneuerbarer Energie anspruchsvoll,<br />

aber machbar sei. Wir haben<br />

eine technologische Herausforderung in<br />

Teilbereichen wie der Energiespeicherung,<br />

wir haben aber auch die besten<br />

Fachhochschulen und Universitäten,<br />

und wir sind vor allem eine der reichsten<br />

Volkswirtschaften der Welt. Die Schweiz<br />

und mit ihr unsere Wirtschaft wird von<br />

diesem Jahrhundertprojekt profitieren.<br />

Davon bin ich als Unternehmer überzeugt.<br />

Für welche Branchen sehen Sie besondere<br />

Chancen durch die Energiewende?<br />

Für alle Branchen, die sich mit energieeffizienten,<br />

erneuerbaren und intelligenten<br />

Energielösungen auseinandersetzen.


Menschen in Unternehmen<br />

Europa Forum Luzern<br />

Energie ist ein Grundpfeiler für<br />

Wohlfahrt und wirtschaftliche<br />

Prosperität. Welcher Mix ist für<br />

eine sichere Energieversorgung<br />

der richtige? Und welches sind die<br />

erfolgreichen Strategien und<br />

Instrumente für eine nachhaltige<br />

Energiepolitik, die den wirtschaftlichen,<br />

ökologischen und gesellschaftlichen<br />

Anliegen dauerhaft<br />

Rechnung tragen? Die Politik,<br />

sowohl auf europäischer Ebene<br />

wie auch in der Schweiz, ist sich<br />

in verschiedenen Fragen uneinig.<br />

Mit der Energiestrategie 2050 des<br />

Bundesrates werden demnächst im<br />

eidgenössischen Parlament wichtige<br />

Weichen-stellungen getroffen.<br />

Deshalb widmet sich das Europa<br />

Forum Luzern am 16. November <strong>2015</strong><br />

der «Jahrhundertherausforderung<br />

Energie».<br />

Die Ernst Schweizer AG als Beispiel für die Schweizer Cleantech-Wirtschaft.<br />

Wir sind daran, die Strom- und Wärmeversorgung<br />

der Schweiz neu zu bauen,<br />

basierend auf einheimischen und in den<br />

meisten Fällen unendlich verfügbaren<br />

Ressourcen. Chancen bietet die Energiewende<br />

deshalb allen Technologieund<br />

Dienstleistungsunternehmen sowie<br />

Tausenden von Gewerbebetrieben in der<br />

ganzen Schweiz. Sei es der Sanitärinstallateur,<br />

der Heizungstechniker, Fensterbauer<br />

oder Solarunternehmer – alle können<br />

mit Produkten und Dienstleistungen<br />

überzeugen und für das eigene Unternehmen<br />

Einkommen und Arbeitsplätze auf<br />

Jahrzehnte hinaus sichern. Diese Nachfrage<br />

steigt ganz generell. Und mit dem<br />

Qualitätsversprechen «Made in Switzerland»<br />

wird die Schweizer Cleantech-Wirtschaft<br />

auch auf dem globalen Markt eine<br />

wichtige Rolle finden.<br />

Wo braucht es noch besondere Anstrengungen?<br />

Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt,<br />

das nicht nur die gesamte Energiebranche<br />

betrifft. Die Politik ist in<br />

hohem Masse gefordert, nicht nur langfristige<br />

Ziele und Leitplanken zu setzen,<br />

sondern auch die Rahmenbedingungen<br />

so zu gestalten, dass die Energiewende<br />

funktionieren kann. Die Unternehmen<br />

sind gefordert, die Chancen der<br />

Energiewende zu erkennen und zu nutzen.<br />

Dafür braucht es die Bereitschaft,<br />

Neues zu wagen. Innovation zeichnet<br />

die Schweizer Wirtschaft aus. Sie war<br />

der Schlüssel zu unserem Erfolg in den<br />

letzten 200 Jahren. Daran sollten wir anschliessen.<br />

Und schlussendlich ist die<br />

gesamte Gesellschaft in ihrem Verhalten<br />

gefordert: Es braucht einen neuen und<br />

effizienten Umgang mit Energie.<br />

Wie lässt sich Wirtschaftlichkeit und<br />

Energieeffizienz vereinbaren? Können<br />

Sie ein Referenzbeispiel erläutern?<br />

Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz<br />

sind keine Gegensätze, ganz im Gegenteil.<br />

Mehr Effizienz führt zwangsläufig<br />

zu einer besseren Wirtschaftlichkeit –<br />

nicht nur betreffend Energie. Die Ernst<br />

Schweizer AG verfolgt seit 1978 eine<br />

konsequent auf Effizienz ausgerichtete<br />

Energiestrategie. Unser Unternehmen<br />

schaffte die Entkoppelung des Energieverbrauchs<br />

vom Unternehmenswachstum<br />

mit verschiedenen Energieeffizienz-<br />

Massnahmen, unter anderem bei der<br />

Infrastruktur, den Anlagen und dem<br />

Verhalten der Benutzerinnen und Benutzer.<br />

2014 brauchten wir weniger Energie<br />

als 1978, obwohl wir Umsatz und<br />

Arbeitsplätze verdoppelt haben.<br />

Welche Statements würden Sie gerne<br />

im Zusammenhang mit der «Jahrhundertherausforderung<br />

Energie» zusätzlich<br />

abgeben?<br />

Die Schweiz tut gut daran, sich aus der<br />

fossilen Abhängigkeit zu befreien. 40 Prozent<br />

des Schweizer Energieverbrauchs<br />

werden heute für Heizung und Warmwasser<br />

benötigt. Der grösste Teil davon wird<br />

mit fossiler Energie bereitgestellt. Die<br />

im Rahmen der neuen Energie- und Klimapolitik<br />

geplanten Investitionen in die<br />

Gebäude-Energieeffizienz werden diese<br />

Abhängigkeit kappen und Schweizer<br />

Arbeitsplätze schaffen. Das ist eine intelligente<br />

Form von Wirtschaftspolitik, die<br />

die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigert,<br />

die negativen Folgen eines starken<br />

Frankens abfedert und die sich jetzt so<br />

kostengünstig wie noch nie realisieren<br />

lässt.<br />

Hans Ruedi Schweizer<br />

ist Präsident des Verwaltungsrats der<br />

Ernst Schweizer AG.<br />

www.europa-forum-luzern.ch<br />

www.schweizer-metallbau.ch<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 38


FÜR SIE LASSEN WIR QUALITÄT REIFEN<br />

Die Privatbank unter<br />

den Universalbanken –<br />

fünf Gründe, weshalb Sie<br />

bei uns goldrichtig sind auf<br />

www.cic.ch/5<br />

Die Bank der Privat- und Geschäftskunden<br />

Basel, Fribourg, Genf,<br />

Lausanne, Lugano,<br />

Neuchâtel, Sion, Zürich<br />

www.cic.ch


Global & Lokal<br />

Welche Bilder machen wir uns von fremden Kulturen?<br />

Angst vor dem Fremden?<br />

Nein, Begeisterung für Neues!<br />

Aussenwirtschaftsstrategie für kleine Unternehmen<br />

von Prof. Dr. Jörg Bruckner<br />

Nicht nur für multinationale Unternehmen, sondern auch für Schweizer KMU werden Beziehungen ins Ausland immer<br />

wichtiger. Selbst wenn KMU keine Expansionspläne hegen, sind Kooperationen und Arbeitskräftebeschaffung<br />

über Grenzen hinweg heute meist unumgänglich. Negativ besetzte Buzzwords wie Outsourcing und Offshoring verdecken<br />

oft die Potenziale der Internationalität. Daher gilt es, die verschiedenen Länder, Kulturen und Regionen im<br />

Sinne eines erfolgreichen «How to do»-Business kennenzulernen, um in der Folge Markteintrittsstrategien sinnvoll<br />

zu wählen und effizient umzusetzen.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 40


Globalisierung, Internationalität,<br />

Sprachenvielfalt, Multioptionsgesellschaft<br />

und zunehmende Administration<br />

sind für viele Dienstleister<br />

die Schlagworte der Stunde. Nicht nur<br />

für grosse Player wie Banken und Versicherer,<br />

sondern auch für kleine und<br />

mittelständische Unternehmen. Eine<br />

Nischenstrategie kann aufgrund von<br />

Kostendruck und zunehmender Liberalisierung<br />

nicht mehr nur in den gewohnten<br />

Systemgrenzen vermarktet werden.<br />

Expansion tut not und fordert kosmopolitische<br />

Fähigkeiten von Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern.<br />

Doch wie gelingt Unternehmen die Expansion<br />

ins Ausland, ohne dabei die<br />

eigene Firmenkultur zu gefährden? Gerade<br />

KMU haben oftmals eine über viele<br />

Jahre gewachsene, starke innerbetriebliche<br />

Kultur. Das Abwerben von bereits<br />

ausgebildeten Talenten der Konkurrenz<br />

mag auf den ersten Blick als einfachste<br />

Lösung erscheinen, kann die Firmenkultur<br />

und den Zusammenhalt der Mitarbeitenden<br />

jedoch langfristig gefährden.<br />

In den meisten Fällen ist die Investition<br />

in eine interne Entwicklung zielführender,<br />

wenn auch langwieriger.<br />

Zusammenarbeit mit Partnern<br />

Um das nötige Know-how zur internationalen<br />

Tätigkeit zu erlangen, empfiehlt<br />

sich die Zusammenarbeit mit erfahrenen<br />

Partnern. Mittlerweile bieten verschiedene<br />

Institute diverse Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

an. Vom Bachelor<br />

bis zum Executive Master steht dabei<br />

die Zusammenarbeit mit internationalen<br />

Partnern im Fokus. Praxis- oder Theorieteile<br />

im Ausland bilden meist einen obligatorischen<br />

Bestandteil. Geleitet werden<br />

die Studiengänge idealerweise von<br />

Dozierenden, die ebenfalls über einen<br />

starken Praxisbezug verfügen und der<br />

Anwendbarkeit und schnellen Umsetzbarkeit<br />

des Erlernten viel Gewicht beimessen.<br />

Denn KMU, die in die Aus- und<br />

Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren,<br />

profitieren vor allem dann, wenn<br />

die Mitarbeitenden das neu gewonnene<br />

Know-how bereits während ihrer Ausbildung<br />

im Betrieb anwenden können.<br />

Fallstudien nutzen<br />

Um dies zu erreichen, eignen sich vor<br />

allem Fallstudien, sprich Living Cases,<br />

aus der Praxis und für die Praxis. Studierende,<br />

welche berufsbegleitend<br />

studieren, erhalten Einblicke in andere<br />

Unternehmen, Branchen und Kulturen.<br />

Dies verschafft ihnen praktisches Wissen<br />

und eine Reflexionskompetenz, die<br />

sie später auf das eigene Arbeitsumfeld<br />

erfolgreich anwenden können. Auf<br />

der anderen Seite erhalten Unternehmen<br />

unvoreingenommene, neue Ansätze und<br />

Einflüsse von aussen – eine Win-win-<br />

Situation. Waren es lange Zeit grosse<br />

Firmen, die solche Fallstudien anboten,<br />

zeigen mehr und mehr auch KMU Interesse<br />

am Austausch.<br />

Hürden überwinden<br />

Bei einer Expansion über Landesgrenzen<br />

gibt es zwei weitere Hürden: Sprache<br />

und Kultur. Neben Sprachkursen,<br />

um die Verhandlungssicherheit zu erreichen<br />

oder vereinzelte Neueinstellungen<br />

mit benötigten Sprachfähigkeiten, sind<br />

auch Schulungen für kulturelle Besonderheiten<br />

und deren Auswirkungen auf<br />

das Geschäftsleben unabdingbar. Bildlich<br />

gesprochen genügt es nicht, einen<br />

Mitarbeitenden einzustellen, der Russisch<br />

oder Chinesisch spricht, wenn das<br />

gesamte Management keine Ahnung von<br />

den Gepflogenheiten und Sitten der Länder<br />

hat. Fehlende Kenntnisse über Geschäftsgebaren<br />

anderer Kulturen haben<br />

schon manch ein Projekt scheitern lassen.<br />

Da nicht jede KMU über die Möglichkeit<br />

verfügt, eine Filiale im Land des<br />

aktuellen Projekts zu eröffnen und dies<br />

vielleicht auch falsche Zeichen an die<br />

Belegschaft senden würde, bietet sich<br />

auch hier die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen<br />

und deren Praxispartnern<br />

an. Im Feld der Internationalität<br />

hat sich vieles getan; mittlerweile<br />

gibt es nicht nur Vertiefungsrichtungen<br />

im Bereich der Internationalität in englischer<br />

Sprache, sondern teilweise sogar<br />

länderspezifische Bildungs- und Weiterbildungsangebote.<br />

Zahlreiche erfahrene<br />

Profis verschiedener Kontinente und<br />

Kulturen geben als Partner und Dozierende<br />

ihr wertvolles Wissen weiter.<br />

Zu guter Letzt sollten Unternehmen,<br />

die erfolgreich expandieren möchten,<br />

bereits früh bei der Ideologie und Einstellung<br />

ihrer Nachwuchstalente ansetzen,<br />

um die eigene Firmenkultur nachhaltig<br />

interessiert, neugierig und offen<br />

zu gestalten. Anstatt beim Nachwuchs<br />

das Fokussieren auf eine Branche zu<br />

fördern, sollten Unternehmen ihre Talente<br />

viel mehr dazu bewegen, bereits<br />

während ihrer Ausbildung möglichst<br />

breit und in verschiedenen Branchen<br />

Global & Lokal<br />

und Kulturen Erfahrungen zu sammeln.<br />

Denn teils typologische, lange gehegte<br />

Annahmen über andere Branchen und<br />

Kulturen führen zu Misstrauen oder gar<br />

Ablehnung und erschweren die Zusammenarbeit<br />

und dadurch Expansionsbestrebungen.<br />

Als positives Beispiel seien<br />

hier die neuen Discounter-Supermärkte<br />

genannt, welche durch ihre generischen<br />

Ausbildungen auch für finanzinteressierte<br />

Studierende spannende Entwicklungsmöglichkeiten<br />

offerieren.<br />

Auch hier können die Bildungsinstitutionen<br />

einen Mehrwert liefern, indem hier<br />

bereits während der Ausbildung Einblicke<br />

erlaubt werden, welche von aussen<br />

nicht möglich wären:<br />

Persönlichkeit/<br />

Privatkultur<br />

Abteilungskultur<br />

Unternehmenskultur<br />

Branchenkultur<br />

Landeskultur<br />

Kultur-Pyramide im Geschäftsalltag integrieren.<br />

Diese Kultur-Pyramide kann und muss<br />

in einer heutigen Ausbildungslandschaft<br />

berücksichtigt und integriert werden<br />

– sei es on-the-job im Betrieb oder<br />

off-the-job an einer Bildungsinstitution.<br />

Wichtig ist bei beiden Optionen, den<br />

Praxisbezug durch Praktiker und Fallstudien,<br />

Simulationen, reale Beratungsaufträge<br />

und Besuche in Betrieben im<br />

In- und Ausland erlebbar zu machen,<br />

um die Anwendbarkeit sicherzustellen<br />

und andererseits um etwaige Ängste<br />

in Faszination und Begeisterung umzuwandeln.<br />

Abschottung als falscher Weg<br />

Die Expansion ins Ausland ist für viele<br />

KMU auch ein politisches Thema. Nachrichten<br />

über das Geschehen im Ausland,<br />

Flüchtlingswellen oder Wahlkampfparolen<br />

können Ängste schüren. Allerdings<br />

gilt es hier, sorgfältig zu analysieren und<br />

zu entscheiden. Eine wirtschaftliche Abschottung<br />

als auch ein Abgrenzen im<br />

Bildungsbereich wären für die Schweizer<br />

Wirtschaft kontraproduktiv. Hingegen<br />

die Innovationspotenziale durch die<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 41


Global & Lokal<br />

Ängste und Gefahren abbauen und gleichzeitig Chancen nutzen.<br />

Öffnung und Kooperation mit anderen<br />

Kulturen und Nationen erlauben die Konzentration<br />

auf die eigenen Kernkompetenzen<br />

und den Zukauf auf dem Weltmarkt<br />

des Restes. Also ein globales Make<br />

or Buy.<br />

Neben der Entwicklung sind auch die<br />

Vermarktung und der Vertrieb von Nischenprodukten,<br />

wie die Schweiz sie<br />

im Hochqualitätssektor oft anbietet,<br />

erst auf einer globalen Ebene lukrativ.<br />

So können Werbespots aufgrund der<br />

Economies of scale durch höhere Absätze<br />

durch grössere Märkte in anderen<br />

Ländern und Kontinenten teurer produziert<br />

werden und führen hoffentlich zu<br />

mehr Absatz.<br />

Halten wir fest: Wenn wir die verschiedenen<br />

Kulturebenen verstehen, dann eröffnen<br />

sich statt Gefahren und Angst<br />

viele Chancen, welche es gilt, nutzbar<br />

zu machen und zu vermitteln. Neben Unternehmen<br />

sind dabei die verschiedenen<br />

Bildungsinstitutionen gefordert und<br />

bieten schon jetzt die zukunftsweisenden<br />

Bildungsangebote mit einem klaren<br />

Fokus auf Anwendung. Dies findet sich<br />

insbesondere dort, wo berufsbegleitend<br />

gelehrt und gelernt wird und Praktiker<br />

im Einsatz stehen.<br />

ist Mitglied der Schulleitung und Leiter<br />

des Bereichs Ausbildung an der HWZ<br />

Hochschule für Wirtschaft Zürich. Bevor<br />

er sich vor fünf Jahren gänzlich dem<br />

Bildungsbereich verschrieb, war er im<br />

Kader einer Schweizer Grossbank als<br />

Senior-Projektmanager und interner<br />

Strategieberater tätig. Seine Schwerpunkte<br />

liegen neben dem Ausbildungsbereich<br />

in den Disziplinen Strategie,<br />

Marketing und Banking.<br />

www.fh-hwz.ch<br />

Prof. Dr. Jörg Bruckner<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 42


BE SICHERE THE ONE GESCHÄFTSPROZESSE<br />

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– IHR VERDIENST<br />

Erfolgreiches Business geht auf Nummer sicher!<br />

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digitale Gefahren auf uns, die Ihr Business in massive Schwierigkeiten bringen<br />

kann. Die Sicherung Ihres Geschäftserfolges und somit Ihrer Daten ist unser Ziel.<br />

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Das Ergebnis – eine flexible Arbeitsumgebung ohne Sicherheitsrisiken.<br />

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Global & Lokal<br />

Zahlungsrisiken vermeiden<br />

Liquidität für Exportgeschäfte<br />

von SERV Schweizerische Exportrisikoversicherung<br />

Die Situation für die Exporteure in der Schweiz bleibt schwierig. Die Kunden haben an Kaufkraft verloren,<br />

und die ausländische Konkurrenz produziert günstiger. Einfach nur gute Ware herzustellen, genügt nicht mehr.<br />

Sichere Finanzierungen und genügend Liquidität führt zu Vorteilen in den Vertragsverhandlungen und damit zu<br />

einem Wettbewerbsvorteil. Dass hierbei eine Exportrisikoversicherung helfen kann, ist kaum bekannt.<br />

Wenn die herkömmlichen Beschaffungswege<br />

für Finanzierungen<br />

versiegen und die Sicherstellung<br />

von genügend Liquidität<br />

immer schwieriger wird, kann sich eine<br />

Anfrage bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung<br />

SERV lohnen. Die<br />

SERV versichert Exportgeschäfte von<br />

Schweizer Unternehmen gegen Zahlungsausfall<br />

in Folge wirtschaftlicher oder<br />

politischer Risiken. Bei den versicherbaren<br />

Geschäften handelt es sich nicht nur<br />

um den Export von Konsum- und Investitionsgütern,<br />

sondern auch um Dienstleistungen<br />

für ausländische Kunden.<br />

Praxisbeispiel Contexa<br />

Die Firma Contexa beschäftigt in Genf<br />

knapp 30 Mitarbeitende. Über 100 ihrer<br />

Anlagen mit Dosierungssystemen für die<br />

Herstellung von Duft- und Aromastoffen<br />

sind weltweit in Betrieb. Ein deutscher<br />

Hersteller ist auf das Produktionssystem<br />

«Colibri» der Contexa aufmerksam<br />

geworden.<br />

Knacknuss Bankgarantie<br />

So schnell sich Exporteur und Käufer auf<br />

technischer Seite einig waren – die Vertragsverhandlung<br />

und die Finanzierung<br />

waren deutlich schwieriger. Die Finanzverantwortlichen<br />

des deutschen Kunden<br />

waren vorsichtig, denn mit dem Erwerb<br />

der neuen Anlage würde die Firma<br />

ihren gesamten Produktionsprozess revolutionieren.<br />

Ausserdem war Contexa<br />

als Geschäftspartner noch unbekannt.<br />

Sämtliche Anzahlungen mussten mit<br />

Rückzahlungsgarantien gedeckt werden.<br />

Ein kleines Unternehmen wie Contexa<br />

erhält solche Garantien von den Banken<br />

nur gegen Stellung einer Bargarantie,<br />

was die flüssigen Mittel für alle übrigen<br />

Geschäfte für die Dauer des Auftrags<br />

bindet. Mit rund zwei Millionen Euro entsprach<br />

der Wert dieses Exportgeschäfts<br />

nach Deutschland gut einem Viertel des<br />

jährlichen Umsatzes von Contexa und<br />

übertraf deren Eigenkapital.<br />

Wahrung der Liquidität<br />

«Die SERV konnte dieses Problem zu<br />

100 Prozent lösen», berichtet der Technische<br />

Direktor von Contexa, Daniel<br />

Schupbach. Mit einer Bondgarantie<br />

deckte die SERV die benötigten Garantien<br />

gegenüber der Bank. So brauchte<br />

Contexa für die Bankgarantien keine<br />

eigenen flüssigen Mittel zu hinterlegen.<br />

Ihre Liquidität blieb unangetastet<br />

und konnte weiterhin für die Produktion<br />

der bestellten Dosierungsanlagen<br />

eingesetzt werden. Eine Vertragsgarantieversicherung<br />

der SERV schützte<br />

Contexa zudem für den Fall, dass der<br />

deutsche Kunde die Anzahlungsgarantien<br />

ungerechtfertigt in Anspruch<br />

nehmen würde. Ohne die SERV hätte<br />

Contexa versuchen müssen, die Höhe<br />

der vom Kunden verlangten Garantiebeträge<br />

herunterzuhandeln. «Das wäre<br />

äusserst schwierig und heikel geworden.<br />

Eine solche Verhandlung hätte die<br />

Vertrauensbasis gleich zu Beginn der<br />

Partnerschaft stark beeinträchtigt. Und<br />

bei neuen Geschäftspartnern ist das gegenseitige<br />

Vertrauen entscheidend», ist<br />

Schupbach überzeugt.<br />

Unterstützung vor allem für KMU<br />

Vor allem für KMU lohnt es sich, bei jedem<br />

Exportgeschäft die Möglichkeit einer<br />

SERV-Deckung zu prüfen. Die SERV kann<br />

dabei helfen, dass die Liquidität nicht eingeschränkt<br />

wird. In vielen Fällen kann es<br />

sogar sein, dass ein KMU nur dank der<br />

Zusammenarbeit mit der SERV einen Auftrag<br />

überhaupt annehmen kann, da es<br />

ihm sonst an den flüssigen Mitteln für die<br />

Produktion fehlen würde.<br />

www.serv-ch.com<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 44


Global & Lokal<br />

Digital ist überall – Industrie 4.0<br />

und der Arbeitsmarkt von morgen<br />

von Frank Zahn<br />

Die Vorstellungen vom perfekten Arbeitsplatz und den eigenen<br />

Karrieremöglichkeiten haben einen radikalen Wertewandel<br />

vollzogen. Der Nachwuchs geht mit vollkommen anderen Erwartungen<br />

und Ansprüchen an die Wahl seines Ausbildungsund<br />

Arbeitsplatzes heran als noch seine Elterngeneration.<br />

Jetzt steht die Wirtschaft vor der Herkulesaufgabe, attraktive<br />

Rahmenbedingungen für die nächste Generation zu schaffen.<br />

Heutzutage definieren Gehaltscheck und die Position im<br />

Unternehmen nicht mehr einen guten Arbeitsplatz oder eine<br />

lohnende Zukunft im Unternehmen. Softe Indikatoren gewinnen<br />

hingegen immer mehr an Bedeutung. Junge Arbeitnehmer<br />

suchen nach einer guten Work-Life-Balance, nach ethischen<br />

Grundsätzen und Sinn in ihren Aufgaben. Nicht zuletzt suchen<br />

junge Talente nach einem innovativen Firmenklima und einem<br />

fortschrittlich orientierten Arbeitsumfeld.<br />

In diesem Zusammenhang gewinnt eine progressive Digitalisierungsstrategie<br />

immer mehr an Bedeutung. Es reicht nicht<br />

mehr, an der industriellen Revolution 4.0 teilzunehmen; es geht<br />

darum, aktiv mitzugestalten. Das Thema HR darf bei Digitalisierung<br />

nicht vergessen werden. Vielmehr ist sie ein wichtiges<br />

Thema auch beim Recruiting. Digital Natives, die quasi mit<br />

dem Smartphone geboren wurden, werden kaum bei einem<br />

Unternehmen anheuern, das den digitalen Wandel ignoriert.<br />

Es gilt, die digitale Transformation zu leben und gestalten.<br />

Mutige Projekte sollten in Angriff genommen werden, um zukunftsweisende<br />

Strategien und Produkte zu finden und am<br />

Markt zu etablieren. Unternehmensverantwortliche sollten<br />

immer nach Talenten suchen, die diesen Weg mitgehen und<br />

gestalten wollen. Das Ziel ist es, die stetige Weiterentwicklung<br />

des Portfolios und der Talente aller Mitarbeiter sicherzustellen.<br />

Digitalisierung ist ein fortschreitender Prozess,<br />

darum schauen wir ständig über den Tellerrand und beobachten,<br />

welche Entwicklungen ausserhalb unserer Agentur<br />

stattfinden. Mentorenship-Programme mit Start-ups sind<br />

zum Beispiel ein guter Einstieg. Dabei geht es um gegenseitiges<br />

Lernen. Dort finden wir in der gemeinsamen Arbeit<br />

originelle und innovative Lösungen für die verschiedensten<br />

Fragestellungen.<br />

Innovation ist für uns nicht nur ein Ziel, es ist eine Haltung. Es<br />

geht um den unbedingten Willen, zusammen mit mutigen und<br />

klugen Entrepreneuren die digitale Landschaft von morgen zu<br />

erkunden und zu erschliessen. Gemeinsam entwerfen wir den<br />

Arbeitsmarkt von morgen. Und für alle Unternehmen wird es<br />

darum gehen, dort zu bestehen. Am Ende wird dies nur durch<br />

eine gelungene Digitalisierungsstrategie möglich sein, sowohl<br />

nach innen als auch nach aussen.<br />

ist CEO und Gründer von Exozet. Die Agentur für Digitale<br />

Transformation arbeitet für Unternehmen aus den Branchen<br />

Medien, Entertainment, Brands, Start-ups, Finance, Telekommunikation<br />

sowie für öffentliche Auftraggeber.<br />

www.exozet.com<br />

Frank Zahn<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 45


Global & Lokal<br />

Mehrwert für KMU – die logistische Komplettlösung YellowCube der Post.<br />

Lieferversprechen einhalten<br />

Kundenbindung beginnt bei der Logistik<br />

von Ueli Lüdi<br />

Das A und O einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit ist eine perfekt funktionierende Logistik. Sie garantiert die<br />

Erfüllung von Lieferversprechen, trägt zum Service-Erlebnis bei und erhöht dadurch die Kundenbindung. Gerade<br />

für KMU ist dieser hohe Anspruch jedoch nicht einfach zu bewerkstelligen.<br />

Kleinen und mittleren Unternehmen<br />

fehlt es oft an Know-how, Personal<br />

und nicht zuletzt an räumlichen<br />

Ressourcen, um ihre Logistik kostenoptimiert,<br />

aber dennoch perfekt organisiert<br />

abzuwickeln. Wachsen bestimmte Geschäftszweige<br />

schnell, zum Beispiel der<br />

Onlinehandel, kommen KMU logistisch<br />

rasch an ihre Grenzen. Denn wer logistische<br />

Leistungen nicht nur für die eigene<br />

Unternehmung, sondern auch für seine<br />

Kunden erbringt, steht vor der Herausforderung,<br />

Lieferversprechen einzuhalten<br />

und seinen Kunden einen guten Service<br />

zu bieten. Wenn dieser Service stimmt, ist<br />

die Logistik ein wirksames Instrument zur<br />

Kundenbindung. Eine perfekte Logistik<br />

ist deshalb eine Voraussetzung für eine<br />

erfolgreiche Geschäftstätigkeit.<br />

Lagerplatz auf Abruf<br />

Viele KMU führen für ihre Waren ein eigenes<br />

Lager. Das ist praktisch, verursacht<br />

aber hohe Fixkosten, vor allem wenn<br />

das Lager nicht ausgelastet ist. Und in<br />

Spitzenzeiten oder wenn ein Unternehmen<br />

wächst, können der Lagerplatz und<br />

das Personal schnell an Grenzen stossen.<br />

Eventuell muss sogar zusätzlicher<br />

Lagerplatz gemietet oder temporäres<br />

Personal eingestellt werden. Dies führt<br />

einerseits zu zusätzlichen Kosten und<br />

kann andererseits zu Lieferverzögerungen<br />

führen. Es lohnt sich deshalb, den<br />

Aufwand und die Kosten eines eigenen<br />

Lagers mit einer Outsourcing-Lösung<br />

zu vergleichen. Externe Lager senken<br />

die Fixkosten, erhöhen die Flexibilität<br />

zu Spitzenzeiten und die Lagerprozesse<br />

sind in den Händen von Profis.<br />

Wer zahlt, erwartet Service<br />

Haben die Waren das Lager einmal in<br />

Richtung Kunde verlassen, wird eine<br />

schnelle Lieferung erwartet. Alleine mit<br />

Geschwindigkeit vermag sich ein Unternehmen,<br />

gerade im Onlinehandel, heute<br />

aber kaum mehr am Markt zu differenzieren.<br />

Besteller wollen ihre Ware immer<br />

häufiger am Ort und zur Zeit ihrer Wahl<br />

erhalten. In der Zwischenzeit möchten<br />

sie wissen, wo sich ihre Bestellung befindet.<br />

Haben Sie die Zustellung verpasst,<br />

möchten sie ohne grossen Aufwand<br />

zu ihrer Sendung kommen und<br />

diese bei Nichtgefallen ebenso einfach<br />

zurückschicken. Das Zauberwort für<br />

Onlinehändler heisst Zusatzleistungen.<br />

Die Post bietet verschiedene Zustellservices<br />

an, mit denen Onlinehändler ihren<br />

Kunden ein Plus an Komfort bieten.<br />

Ein Aufstellservice für technische oder<br />

sperrige Produkte ist zum Beispiel ein<br />

wirksames Marketinginstrument, welches<br />

den Komfort der Kunden und dadurch<br />

die Kundenbindung erhöht.<br />

Full-Service-Lösung für Onlinehändler<br />

Geschwindigkeit, Service beim Erhalt der<br />

Ware und reibungslose logistische Abläufe,<br />

all dies ist für KMU eine Herausforderung.<br />

Die logistische Komplettlösung<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 46


Global & Lokal<br />

YellowCube der Post setzt hier an. Die<br />

Post holt die Ware beim Lieferanten im Inoder<br />

Ausland ab und lagert sie in der hoch<br />

automatisierten Lageranlage von Yellow-<br />

Cube ein. Beim Eingang einer Bestellung<br />

transportieren Roboter die gewünschten<br />

Produkte zu einem Mitarbeitenden. Dieser<br />

stellt das Paket zusammen und verpackt<br />

es versandfertig. Das Retourenmanagement<br />

erfolgt genau gleich, einfach in<br />

entgegengesetzter Richtung. Diese Lösung<br />

ist besonders für KMU interessant,<br />

da sie ihnen logistische Strukturen und<br />

die Geschwindigkeit bietet, über die sonst<br />

nur grosse Anbieter verfügen.<br />

Ueli Lüdi<br />

ist Mitglied der Geschäftsleitung Post-<br />

Logistics, die Schweizerische Post.<br />

Zusatzleistungen bei Online-Bestellungen sauber lösen.<br />

www.post.ch/geschaeftlich<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 47


Marcom<br />

Botschaften prägnant rüberbringen<br />

Rebranding richtig aufgleisen<br />

Interview mit Catherine Martin von Georg Lutz<br />

Marken spiegelten früher die Produktkennzeichen und bauten so eine Differenz zu Wettbewerbern auf. Heute<br />

sind sie Ausdruck von spezifischen Unternehmenswerten und Unternehmensphilosophien. Kunden sollen die dazugehörenden<br />

Botschaften möglichst schnell und einfach erfassen. Worauf kommt es dabei an? Wir haben ein<br />

Interview mit einer Expertin geführt.<br />

Ob auf der Verpackung oder dem Bildschirm: Die optische Botschaft muss für die angestrebte Zielgruppe klar erkennbar sein.<br />

Das optische Auftreten einer Marke<br />

ist ein wichtiger Baustein im Rahmen<br />

der Unternehmensphilosophie, die so<br />

nach aussen kommuniziert wird. Worauf<br />

kommt es dabei an?<br />

Erst der visuelle Auftritt haucht der<br />

Marke Leben ein, gibt ihr eine Identität<br />

und stärkt ihre Persönlichkeit. Es ist eigentlich<br />

wie bei uns Menschen. Unsere<br />

Kleider bringen unsere Persönlichkeit<br />

zum Ausdruck. Ein modern angezogener<br />

Mensch strahlt etwas völlig anderes aus<br />

als eine konservativ gekleidete Person.<br />

So ist es auch bei einem Auftritt einer<br />

Marke: Sie muss die Persönlichkeit der<br />

Marke richtig zum Ausdruck bringen und<br />

Erfolg versprechend positionieren beim<br />

Konsumenten.<br />

Oft wird aber teilweise sehr aufwendig<br />

ein Rebranding inszeniert, welches<br />

mit den früheren Kernbotschaften<br />

wenig zu tun hat. Ein aktuelles Beispiel:<br />

Der Billigdiscounter Lidl stellt<br />

mit einer grossen Kampagne seine<br />

Qualität in den Vordergrund. Was sagt<br />

uns das?<br />

Bei diesem Beispiel erkennt man gut,<br />

dass sich eine Marke nicht verleugnen<br />

kann, wer sie ist. Im Kern ist Lidl ein Billigdiscounter<br />

und kann sich nicht wie ein<br />

edler Comestible verkaufen. Die neue<br />

Imagekampagne widerspiegelt nicht<br />

ihre reale «Persönlichkeit» und kann vom<br />

Konsumenten nicht ernst genommen<br />

werden. Das neue Motto «Gute Qualität<br />

erkennt man an guter Qualität» stimmt<br />

nicht mit der Identität der Marke überein.<br />

Der Konsument wird spätestens im<br />

Laden enttäuscht sein. Die Produkte bei<br />

Lidl werden es sehr schwer haben, das<br />

hohe Markenversprechen zu erfüllen.<br />

Wenn Sie zu einem Kunden kommen,<br />

haben Sie dann einen strategischen<br />

Masterplan in der Tasche, der dann<br />

umgesetzt wird, oder wie nähern Sie<br />

sich dem Auftrag an?<br />

Nein. Jeder Kunde hat eine andere Fragestellung<br />

respektive eine andere Herausforderung,<br />

die komplett neu behandelt<br />

werden muss. Zuerst muss ich viel zuhören<br />

und herausfinden, welche Bedürfnisse<br />

der Kunde mit seiner Marke hat.<br />

Ähnlich wie bei einem Arztbesuch. Zuerst<br />

muss der Patient den Arzt gut und detailliert<br />

informieren, damit dieser ihn gezielt<br />

behandeln kann.<br />

Wie findet man im Rahmen optischer<br />

Dauerberieselung seine Nische?<br />

Wir müssen die Konsumenten mit einer<br />

guten Idee, einem klaren Design überraschen<br />

und sehr gut unterhalten. Und<br />

die Marke begehrlich machen. Langfristig<br />

funktioniert das aber nur, wenn<br />

das Produkt auch zu überzeugen vermag.<br />

Ist es wieder der Rückzug auf die nüchterne<br />

Ästhetik in Verbindung mit der<br />

klaren Nische?<br />

Heute leben wir in einer medialen Überreizung,<br />

da ist es sehr wichtig, klar und<br />

einfach zu kommunizieren. Wobei einfach<br />

nicht mit banal verwechselt werden darf.<br />

Können Sie uns die Meilensteine eines<br />

Projekts verraten, welches Sie betreut<br />

haben?<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 48


Nehmen wir das Rebranding von Otto<br />

Fischer. Die erste Phase des Projekts<br />

nenne ich gerne für mich «Cocooning». In<br />

der Konzeptphase ziehe ich mich gerne<br />

zurück und wüte in meiner Kammer, bis<br />

ich die richtige Idee und Lösung gefunden<br />

habe. Danach folgt die Umsetzungsphase,<br />

in der ich für jede Idee die perfekte<br />

grafische Form suche.<br />

Heute müssen die Unternehmensbotschaften<br />

durch sehr viel mehr Kommunikationskanäle<br />

fliessen. In welcher<br />

Form beeinflusst das Ihre Arbeit?<br />

In keiner. Meine Arbeit ist geprägt von<br />

einer guten Idee und einer klaren Umsetzung.<br />

Das gezielte Implementieren<br />

geschieht als zweiter Schritt. Eine gute<br />

Idee funktioniert für alle Kanäle.<br />

Mit der heutigen Kommunikation im<br />

Zeichen von Social Media hat sich<br />

aber vieles verändert. Wie sieht das<br />

bei Ihnen aus?<br />

Ein klares Branding, CI/CD und Website<br />

sind heute ein «must» für ein Unternehmen.<br />

Und ein virales Konzept möchte<br />

heute jeder Kunde sehen. Was man bei<br />

all diesen heutigen Möglichkeiten nicht<br />

vergessen darf: Wo ist meine Zielgruppe,<br />

und macht das Sinn?<br />

Kleine Unternehmen haben nicht die<br />

Gelder zur Verfügung, um sich eine<br />

grosse Rebranding-Kampagne zu<br />

leisten. Was ist bei kleinen Unternehmen<br />

unwichtig und wichtig?<br />

Das ist bei jedem Unternehmen unterschiedlich<br />

und kommt auf die Branche<br />

des Unternehmens an. Generell kann<br />

man sagen, dass kleinere Unternehmen<br />

vermehrt auf die konsequente Anwendung<br />

der Botschaft achten sollten. Immer<br />

den gleichen Ball zuspielen, damit die<br />

Botschaft draussen beim Konsumenten<br />

wahrgenommen wird. Das ist genauso<br />

zentral wie das Nutzen von Synergien.<br />

Welche Rolle spielen heute noch Firmenlogos?<br />

Ein Firmenlogo widerspiegelt die Persönlichkeit<br />

und die Tätigkeit eines Unternehmens.<br />

Viele Unternehmen machen heute<br />

ein Rebranding ihres Logos und ihres CI/<br />

CD, um zeitgemäss und kompetent weiter<br />

erfolgreich im Markt bestehen zu können.<br />

Kommen wir nochmals auf das Beispiel<br />

von Otto Fischer zurück. Es wurde<br />

einem Fresh up unterzogen, ohne dass<br />

die Wurzeln des Unternehmens verleugnet<br />

wurden.<br />

«Wir müssen die<br />

Konsumenten<br />

mit einer guten<br />

Idee, einem<br />

klaren Design<br />

überraschen<br />

und sehr gut<br />

unterhalten.»<br />

Lassen Sie uns noch auf den grünen<br />

Trend eingehen. Es gibt jetzt sogar<br />

schon grüne Coca-Cola. Wie kann<br />

man sich hier noch als grün verkaufen,<br />

wenn man beispielsweise noch<br />

Naturkosmetika vertreibt?<br />

Der grüne Trend ist ein Versuch, den «kritischen»<br />

Konsumenten ein besseres Gefühl<br />

zu vermitteln. Das grüne Coca-Cola<br />

wirkt gesünder. Die Coca-Cola Range<br />

ist somit vergrössert und auf jeden<br />

Konsumenten-Typ angepasst.<br />

Sie haben für die Naturkosmetik-<br />

Linie Moringa Pure das Branding umgesetzt.<br />

Wie kommt das Naturerlebnis<br />

hier atmosphärisch rüber?<br />

Das Logo hat im «a» ein grünes Blatt.<br />

Ein Moringa-Blatt genauer genommen.<br />

Schon das Logo suggeriert Natur. Dazu<br />

kam der Claim: Back to Balance. Somit<br />

wird der Benefit der Marke und des Produkts<br />

klar und prägnant kommuniziert.<br />

Der Rohstoff für Moringa Pure wird in Teneriffa<br />

ohne Dünger und unter Ausschluss<br />

jeglicher Pflanzenschutzmittel bio-zertifiziert<br />

angebaut. Deshalb zeigt das Packaging<br />

die Insel von Teneriffa. Teneriffa<br />

wird bei verschiedenen Tageszeiten von<br />

frühmorgens bis spätabends gezeigt.<br />

Denn es gibt für alle Tageszeiten ein geeignetes<br />

Moringa-Pure-Produkt. Der Tag<br />

beginnt mit einer Moringa-Pure-Dusche<br />

und der Tag endet mit der Anti-Aging-<br />

Nachtcreme von Moringa Pure. Durch<br />

Marcom<br />

dieses Konzept überzeugte ich auch die<br />

internationale Jury des Lürzers Archiv und<br />

wurde somit zu den «200 Best Packaging<br />

Designers worldwide <strong>2015</strong>/16» erkoren.<br />

Das Marktumfeld ist hier mit den Wettbewerbern<br />

sehr anspruchsvoll. Kann<br />

man da noch Alleinstellungsmerkmale<br />

erzielen?<br />

Je klarer die Identität, desto mehr Chancen<br />

hat man, sich zu differenzieren.<br />

Was haben Sie sich für die nächsten<br />

zwei, drei Jahre vorgenommen?<br />

Weiterhin meine KMU-Kunden mit<br />

guten Ideen und klaren Umsetzungen<br />

zu überraschen, damit sie sich in dem<br />

anspruchsvollen Umfeld gut positionieren<br />

und differenzieren können. Durch<br />

meine schlanke Infrastruktur bezahlen<br />

meine Kunden immer nur jene Leistung,<br />

die sie wirklich brauchen und die für ihr<br />

Unternehmen von Vorteil ist. Wo nötig,<br />

ziehe ich Spezialisten aus meinem Netzwerk<br />

bei. Diese Dienstleistung bekommen<br />

meine Kunden bei keiner Werbeund<br />

Designagentur. Mein erweitertes<br />

Team wähle ich massgeschneidert zum<br />

jeweiligen Projekt.<br />

Beim Logo geht es heute klar und funktional zu.<br />

Catherine Martin<br />

ist verantwortlich für CATHERINE<br />

MARTIN DIRECTION.<br />

www.catherinemartin.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 49


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<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 50


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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 51<br />

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Marcom<br />

Ein Orchester und ein Verkaufsgespräch klingen bei einer guten Kombination überzeugend.<br />

Musik liegt im Vertrieb<br />

Das stimmige Verkaufskonzert<br />

von Ralf Koschinski<br />

Die Musik im klassischen Sinn ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher Instrumente, verschiedener Menschen,<br />

mannigfacher Fertigkeiten und Fähigkeiten. Sie klingt nur dann wundervoll, wenn Musiker ihr in all ihren Facetten<br />

gerecht werden. Wie im Orchester, gilt es auch im Verkauf, sich richtig auf den Kunden und das Gespräch<br />

einzustimmen. Das gelingt am besten mit einer wirkungsvollen Komposition aus Ratio und Emotionen.<br />

Eine Vorbemerkung ist nötig. «Den<br />

rationalen und bewussten Kunden<br />

gibt es nicht. Viele Kaufsignale eines<br />

Produkts oder einer Dienstleistung<br />

werden vom Gehirn in direktes Kaufverhalten<br />

umgesetzt, ohne dass das<br />

Bewusstsein des Kunden etwas davon<br />

mitbekommt. Produkte oder Dienstleistungen,<br />

die keine Emotionen auslösen,<br />

sind für das Gehirn wertlos», ist sich<br />

Diplom-Psychologe Dr. Hans-Georg<br />

Häusel sicher. Umso wichtiger ist es für<br />

den Verkäufer, die komplexen Zusammenhänge<br />

zwischen Vernunfts- und Gefühlswelt<br />

leichter einzuordnen sowie in<br />

seiner Verkaufstechnik anzuwenden.<br />

Vier von acht –<br />

die Ouvertüre der Extra klasse<br />

Verkäufer haben auf der technischen,<br />

von Zahlen geprägten Seite immer weniger<br />

Spielraum. Viel zu viele Wettbewerber<br />

bieten vergleichbare Produkte<br />

zu vergleichbaren Konditionen an. Umso<br />

wichtiger ist es, dass Verkäufer ihre emotionalen<br />

Werkzeuge schärfen. Wer zukünftig<br />

im Vertrieb Erfolg haben will,<br />

braucht neben einem gut geschnürten<br />

«technischen Paket» vor allem empathisches<br />

Charisma. Dafür ist eine stimmige<br />

Verbindung zwischen Rationalität und<br />

Emotionen gefragt. Der folgende Auszug<br />

in vier Sätzen bietet einen Überblick über<br />

den ratiomotion ® -8E-Verkaufsprozess.<br />

Das Verkaufsgespräch bleibt damit nicht<br />

nur eine Aufführung, sondern avanciert<br />

zu einem Konzert der Extraklasse.<br />

1. Satz: Engagement zeigen<br />

Engagement ist ein Begriff, der gerne verwendet<br />

wird, wenn es um den persönlichen<br />

Einsatz für eine Sache geht. Zugleich<br />

ist er eine wesentliche Grundlage<br />

des kompletten Vertriebs. Ob ehrenamtlich<br />

oder im Beruf – wenn das Feuer in<br />

uns tatsächlich brennt, empfinden wir die<br />

Anstrengung dabei durchaus als leicht. In<br />

der Musik ist Engagement doppeldeutig<br />

zu verstehen: Auf der einen Seite bezeichnet<br />

es die vertragliche Verpflichtung<br />

eines Künstlers, beispielsweise als Mitglied<br />

eines Orchesters, auf der anderen<br />

Seite ist es die persönliche Leidenschaft<br />

des Musikers. Sie lässt ihn Tag für Tag<br />

und oft stundenlang üben. Schliesslich<br />

möchte er sein Leistungsniveau halten<br />

und sich weiterentwickeln. Was würde<br />

wohl passieren, wenn Verkäu-fer mit dem<br />

gleichen Engagement, das sie manchmal<br />

beim Kunden an den Tag legen, an ihren<br />

eigenen verkäuferischen Fähigkeiten<br />

arbeiten? Erst wenn der innere Antrieb<br />

stimmt, können herausragende Ergebnisse<br />

erzielt werden. Das ist in der Musik<br />

und im Verkauf ähnlich. Nur wenn wir motiviert<br />

sind und das lange bevor wir beim<br />

Kunden sitzen oder ein Konzert geben,<br />

werden wir erfolgreich sein. Nur wenn<br />

Verkäufer sich selbst in einen guten Zustand<br />

versetzen können, werden sie auch<br />

ihrem Gesprächspartner ein positives<br />

Gefühl vermitteln. Nur wenn sie willens<br />

sind, sich immer wieder vorzubereiten,<br />

auf den jeweiligen Kunden, die Situation<br />

und die gemeinsamen Ziele, sind sie auch<br />

in der Lage, Abschlüsse zu machen.<br />

2. Satz: Erwartungen erfüllen<br />

Stellen wir uns Zuschauer vor, die im<br />

Konzertsaal sitzen: Der Vorhang wackelt<br />

gerade ein wenig und weckt die Erwartung,<br />

dass er bald auf- und es bald losgeht.<br />

Selbstverständlich wird erwartet,<br />

dass sich dahinter das Orchester be-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 52


Marcom<br />

Schritt für Schritt: Der ratiomotion ® -8E-Verkaufsprozess<br />

Jeder Verkäufer hat die Möglichkeit, sein Gegenüber zu<br />

beeindrucken, für seinen Kunden wichtig und prägend<br />

zu sein. Er kann ermutigen, inspirieren und den<br />

Käufern andere, neue, emotionale Erfahrungen<br />

Entwicklung bereiten. Wenn im Vertrieb tatsächlich Musik<br />

Entschluss liegen soll, ist das verbindende Element<br />

Einwand zwischen Rationalität und Emotionen gefragt.<br />

Erfüllung<br />

Nur wer selbst berührende Emotionen<br />

sendet, erreicht sein Gegenüber. Dann<br />

Engpass<br />

kommt neben der Vernunft und allen<br />

Erwartung<br />

logisch sinnvollen Elementen auch der<br />

Einstieg<br />

wichtige emotionale Part nicht zu kurz,<br />

Engagement<br />

und aus einer Aufführung wird ein<br />

Quelle: Musik liegt im Verkauf, Ralf Koschinski <strong>2015</strong> (Verkaufs-)Konzert der Extraklasse.<br />

findet. Und auch beim Stück selbst, erweckt<br />

die Ouvertüre, in der die Hauptthemen<br />

angespielt werden, die Erwartung<br />

des Zuhörers auf mehr. Nicht viel anders<br />

ist es im Verkauf: Gelingt es einem Verkäufer<br />

nicht, im Kopf des Kunden eine<br />

Erwartung zu erzeugen, die ihn neugierig<br />

macht, wird es im weiteren Verlauf<br />

des Verkaufsgesprächs schwierig. Worauf<br />

soll sich der Kunde denn freuen?<br />

Kunden wollen zumindest die Aussicht<br />

auf eine bestmögliche Lösung, sozusagen<br />

den Fortschritt – ob persönlich oder<br />

beruflich – haben. Eine zentrale Aufgabe<br />

jedes Verkäufers ist es daher, neue Perspektiven<br />

zu eröffnen und die Aussicht zu<br />

erzeugen auf etwas Neues, etwas anderes.<br />

Verkäufer, die diese Erwartung nicht<br />

nur initiieren, sondern inszenieren, heben<br />

die Beziehung zum Kunden auf ein<br />

ganz anderes Niveau. Vom Produktverkauf<br />

über den Lösungsverkauf wird der<br />

Verkäufer der neuen Generation immer<br />

öfter zum «Sales-Client-Coach». Er ist<br />

nicht mehr nur Berater, sondern erkennt<br />

Ursachen sowie Wirkungszusammenhänge<br />

der Kundensituation und kann<br />

darauf aufbauend als Ideenlieferant und<br />

Impulsgeber wirken. Letztendlich erfüllt<br />

er die Hoffnung und Erwartung des Kunden,<br />

dass er der richtige Gesprächs- und<br />

Geschäftspartner ist.<br />

3. Satz: Engpass identifizieren<br />

Schmale Stelle, Durchgang, Durchbruch –<br />

die ursprüngliche Bedeutung des Wortes<br />

Engpass ist uns vertraut. Ebenso kennen<br />

wir den Begriff in seiner übertragenen<br />

Bedeutung als Barriere oder Mangelerscheinung.<br />

Im Verkauf ist ein Engpass etwas,<br />

das Kunden hemmt, es als Mangel<br />

empfinden und dessen Beseitigung sie<br />

erfolgreicher oder glücklicher machen<br />

könnte. Engpässe sind die Quelle der<br />

wirklichen Kundenwünsche. Deshalb<br />

Ins_Rundschau_210x148mm_Layout 1 20.11.12 11:20 Seite 1<br />

IT-Services. Fair und kompetent.<br />

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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 53


Das Buch zum Beitrag<br />

Musik liegt im Vertrieb<br />

Kunden emotional erreichen<br />

von Ralf Koschinski<br />

200 Seiten, Broschur<br />

€ 29,95<br />

ISBN 978-3-648-06724-6<br />

Haufe, <strong>2015</strong><br />

Für den Kunden eine Perspektive eröffnen.<br />

ist es Aufgabe des Verkäufers, diesen<br />

Engpass, der das eigentliche (Wunsch-)<br />

Motiv des Kunden ist, mit viel Geschick<br />

und Methodik herauszufinden. Auch Musiker<br />

beschäftigen sich vor einem Konzert<br />

oder Auftritt intensiv mit der Titelauswahl,<br />

dem Repertoire des Abends,<br />

um die Bedürfnisse ihres Publikums zu<br />

befriedigen: «Was wollen die Leute hören?<br />

Wie kann eine möglichst hohe Begeisterung<br />

erreicht werden? Und welche<br />

Töne gilt es zu finden, damit die Musik<br />

richtig anklingt?» Übertragen und essenziell<br />

auf den Verkauf komprimiert,<br />

heisst das: «Was ist beim Kunden nicht<br />

oder nicht ausreichend vorhanden? Wovon<br />

braucht er mehr?» Derjenige, der<br />

Probleme für Kunden am optimalsten<br />

löst, ist letztendlich der Gewinner und<br />

darf auf weitere Aufträge hoffen. Motive<br />

sind also Antriebe, die zur Entscheidung<br />

führen. Einkäufer kaufen nicht nur nach<br />

dem Preis, auch wenn es oft so wirkt.<br />

Sie kaufen bei dem Anbieter, bei dem<br />

sie ihre wirklichen Beweggründe (Prestige,<br />

Macht, Verhand-lungsergebnis,<br />

Anerkennung, Sicherheit, Abwechslung<br />

oder Spontaneität) realisiert sehen. Deshalb<br />

nehmen erfolgreiche Verkäufer die<br />

Suche nach dem Engpass, den Kaufmotiven<br />

ihrer Kunden auf, um die Verkaufsbühne<br />

so richtig zu rocken.<br />

4. Satz: Entwicklung antreiben<br />

Faszinierte Zuhörer eines Konzerts rufen<br />

Zugabe oder geben den Musikern Standing<br />

Ovations. Sie sind rundum begeistert<br />

und drücken dies gerne aus. Auch<br />

Verkäufer sollten täglich nach dem Applaus<br />

ihrer Kunden streben. Deshalb<br />

gehört zur Entwicklung im Verkauf das<br />

Spielen auf der Klaviatur der Kundenbegeisterung.<br />

Entwicklung bedeutet zum<br />

einen die zugesagten Leistungen zuverlässig<br />

abzuliefern, zum anderen, die<br />

Kundenbeziehung weiter auszubauen.<br />

Wird bei Ersterem eher die Ratio bedient,<br />

bezieht sich der zweite Bereich<br />

stärker auf die Emotionen. Es geht also<br />

nicht nur um Kundenzufriedenheit durch<br />

eine reine und inzwischen fast selbstverständliche<br />

Leistungserbringung, sondern<br />

um positive Emotionen wie Neugierde,<br />

Überraschung und Spass. Kunden als<br />

selbstverständlich zu betrachten, ist ein<br />

grosser Fehler so mancher Verkäufer.<br />

Der Wettbewerb schläft nicht und lauert<br />

meist nur darauf, bis der Konkurrent<br />

nachlässig wird. Wer im Hinblick auf die<br />

Kundenbeziehung nachlässt, verpasst<br />

nicht nur wertvolle Entwicklungsmöglichkeiten,<br />

sondern stagniert meist in allen<br />

Bereichen. Es gilt, auch nach dem<br />

Verkaufsabschluss einzigartig zu bleiben.<br />

«Wie können Kunden auf kreative<br />

Weise an das Unternehmen gebunden<br />

werden?» Die wiederkehrende Beantwortung<br />

dieser Frage stellt eine nachhaltige<br />

Entwicklung sicher. Erfolgreiche<br />

Verkäufer begeistern durch eine zuverlässige<br />

Umsetzung und hören auf Zwischentöne.<br />

Sie gleichen aufgekommene<br />

Dissonanzen zwischen den Erwartungen<br />

des Kunden und der realen Umsetzung<br />

durch ihre Persönlichkeit aus. Auf diese<br />

Weise geben sie ihrem Wettbewerb erst<br />

gar keinen Spielraum für Störsignale.<br />

ist Experte für Vertriebsmeisterschaft<br />

und Führungserfolg im Technischen<br />

Vertrieb. Als Coach, Trainer und Speaker<br />

hilft er, Verkaufserfolge deutlich auszubauen<br />

und Unternehmensziele mit<br />

werteorientierter Führungskompetenz<br />

schnell zu erreichen.<br />

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Ralf Koschinski<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 54


Sie können damit surfen,<br />

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Marcom<br />

Wie können solche Schweizer Eindrücke in die Businesswelt übersetzt werden?<br />

Business Excellence<br />

Stärkung der Swissness-Philosophie<br />

von Daniel Buchs<br />

Swissness liegt im Trend. Nur, wie kann man Swissness strategisch in den Unternehmensalltag integrieren? Der<br />

folgende Beitrag zeigt Lösungsschritte auf. KMU, welche den Business-Excellence-Ansatz anwenden, steigern<br />

die Swissness-Philosophie. Das EFQM-Modell unterstützt dabei die ganzheitliche und integrale Unternehmensführung<br />

in Schweizer KMU.<br />

Das ist typisch schweizerisch! Zuverlässig<br />

– genau – pünktlich – fair<br />

und auch präzise. Sind wir dies<br />

nur im privaten Umfeld, wenn es um unser<br />

Erspartes geht, oder handeln wir auch in<br />

unserem beruflichen Alltag nach diesen<br />

Attributen? Business Excellence zeigt uns<br />

den Weg und hilft, dies auch im Unternehmen<br />

anzuwenden. Durch den Einsatz des<br />

EFQM-Modells (European Foundation for<br />

Quality Management) wird eine ganzheitliche<br />

und integrale Unternehmensführung<br />

erzielt, die für mehr Effizienz und Effektivität<br />

des Unternehmens sorgt.<br />

Der Begriff «Swissness»<br />

Das Schweizerkreuz als Corporate Design<br />

ziert heutzutage so manches Produkt<br />

oder Unternehmenslogo. Die Marke<br />

Schweiz, auch «Swissness» genannt,<br />

findet sich in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen<br />

und auch in der Gesellschaft<br />

wieder. Doch für was steht<br />

der Begriff «Swissness»? Neue wie alte<br />

Medien schreiben von Fairness – Präzision<br />

und Genauigkeit –Zuverlässigkeit –<br />

Natürlichkeit – Sauberkeit sowie politischer<br />

Stabilität. Doch sind diese positiven<br />

Attribute leere Hüllen. Sie können<br />

nur nachhaltig wirken, wenn eine intensive<br />

und systemorientierte Pflege und<br />

Bearbeitung seitens Unternehmen, Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern stattfindet.<br />

Business Excellence bietet hierzu<br />

optimale und leistungsfähige Instrumente,<br />

um die Effizienz und die Effektivität<br />

dieser Swissness-Attribute zu halten<br />

oder stetig zu steigern.<br />

Vorsicht, Verwechslungsgefahr!<br />

Zunächst gilt es, eine Verwechslung zu<br />

vermeiden. Die Swissness-Philosophie<br />

ist nicht zu verwechseln mit dem aktuellen<br />

Gesetzgebungsprojekt «Swissness».<br />

Die Swissness-Vorlage soll den Schutz<br />

der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» und<br />

des Schweizerkreuzes im Inland mit Blick<br />

auf die Rechtsdurchsetzung im Ausland<br />

stärken. Schweizer Produkte und Dienstleistungen<br />

geniessen einen hervorragenden<br />

Ruf im In- und Ausland. Schweizer<br />

Herkunftsangaben werden deshalb<br />

gerne und häufig verwendet, leider aber<br />

auch zunehmend von Trittbrettfahrern.<br />

Das Gesetzgebungsprojekt «Swissness»<br />

bezweckt einen besseren Schutz der<br />

Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes<br />

und soll dazu beitragen, deren<br />

Missbrauch zu verhindern und einzudämmen.<br />

Damit der Wert der Marke Schweiz<br />

auch langfristig erhalten bleibt.<br />

Quelle: www.ige.ch/de/herkunftsangaben/<br />

swissness.htm; April 2014<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 56


Marcom<br />

Der Entscheid des Bundesrates über<br />

das Inkrafttreten wird voraussichtlich<br />

vor Ende <strong>2015</strong> stattfinden.<br />

Anspruchsvoller<br />

Unternehmensstandort<br />

In den letzten Jahren ist der Druck<br />

auf die Schweizer Wirtschaft und die<br />

Schweizer Unternehmen stetig angestiegen.<br />

Manch einer musste Kurzarbeit<br />

einführen, wurde durch einen Mitbewerber<br />

überrollt oder musste sich im<br />

schlimmsten Fall vom Unternehmertum<br />

trennen und die Firma schliessen. Nach<br />

der Aufhebung des festen Wechselkurses<br />

geht das produzierende Gewerbe<br />

der Schweiz durch ein Stahlbad. Oft gibt<br />

es aber auch interne Gründe für Misserfolge.<br />

Fehlende Strategien sowie veraltete<br />

Visionen, Missionen und Leitbilder,<br />

falsche Standorte (Produktions-,<br />

Innovations-, Vertriebs-, Finanzstandorte),<br />

Fehlplanungen, mangelnde Risikoanalysen<br />

oder unvollständige Wettbewerbsanalysen.<br />

Handlungsfelder bei<br />

Business Excellence<br />

Basis zur Verbesserung kann das europäische<br />

EFQM-Excellence-Modell<br />

bieten. Dieses international anerkannte<br />

Managementmodell berücksichtigt professionelle<br />

Werkzeuge und Instrumente,<br />

welche nicht nur in Grosskonzernen,<br />

sondern auch bei Schweizer KMU zum<br />

Einsatz kommen und optimal eingesetzt<br />

werden können. Das dem EFQM-Modell<br />

zugehörende Grundkonzept beschreibt<br />

auf einfache Art und Weise die<br />

acht Grundprinzipien, auf welchen eine<br />

nachhaltige Excellence beruht. Diese<br />

acht Grundprinzipien sind unterteilt in<br />

weitere richtungsweisende Grundsätze.<br />

Oft sind dies die Grundsteine, welche<br />

über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens<br />

entscheiden und somit<br />

die Leitlinien in den Führungsetagen<br />

darstellen. Anhand der Grafik «Grundkonzept<br />

EFQM» wird ersichtlich, wie<br />

die Merkmale dieses Konzeptes um<br />

das EFQM-Kriterienmodell kreisen: ein<br />

atomähnliches Gebilde, welches sich bei<br />

korrektem Anstoss und anschliessender<br />

Pflege in Bewegung hält und an Effizienz<br />

und Effektivität zunimmt. Bei der Betrachtung<br />

dieses Modells aus Schweizer<br />

Unternehmersicht stellt man fest, dass<br />

sich die Swissness-Attribute problemlos<br />

mit dem Grundkonzept der Excellence<br />

verbinden lassen. Wird zum Beispiel ein<br />

erfundener Swissness-Kern eingesetzt,<br />

Das Grundkonzept von EFQM. © EFOM 2012<br />

Grundkonzept von EFQM gepaart mit Swissness-Attributen. © D. Buchs 2014<br />

umrunden die bekannten acht Merkmale<br />

die typischen schweizerischen Attribute<br />

und fördern bei korrekter Anwendung die<br />

positive Ausrichtung und Entwicklung<br />

der Organisation. Doch diese Grundgedanken<br />

alleine bedeuten noch kein exzellentes<br />

Vorgehen. Es braucht das Kriterienmodell,<br />

um auch die Ursachen und<br />

Wirkungen aufzuzeigen. Das EFQM-Modell<br />

2013 beinhaltet neun vorgegebene<br />

Kriterien. Diese für jedes Unternehmen<br />

offene Grundstruktur ist aufgeteilt in fünf<br />

sogenannte Befähiger-Kriterien und vier<br />

Ergebnis-Kriterien. Jedes Kriterium ist<br />

definiert und erklärt den jeweiligen übergeordneten<br />

Aspekt. Die Kriterien werden<br />

durch weitere Teilkriterien ergänzt und<br />

enthalten wiederum Aussagen zu den<br />

Aspekten. Um die Teilkriterien zu erläutern,<br />

bietet das EFQM-Modell weitere<br />

Orientierungspunkte. Diese beziehen<br />

sich zum Teil direkt auf das Grundkonzept<br />

– eine Art von Interaktion im Sinne<br />

des wechselseitigen aufeinander Einwirkens<br />

von Systemen. Richtig angewendet<br />

bildet dieses Instrument in sich<br />

selbst einen wiederholenden Kreislauf<br />

unter Berücksichtigung aller Interessengruppen.<br />

Auf der Befähigerseite werden<br />

zum Beispiel Ziele definiert, Prozesse<br />

entwickelt und festgelegt, Zielvereinbarungen<br />

erschaffen, Produkte hergestellt<br />

und Dienstleistungen vollbracht.<br />

Die daraus resultierenden Zahlen, Daten<br />

und Fakten werden auf der Ergebnisseite<br />

in ihrer Wahrnehmung und Leistung<br />

erfasst und in Erfolgsmessgrössen und<br />

Schlüsselleistungsindikatoren (strategische<br />

und operative Kennzahlen) umgelegt.<br />

Durch den Prozess des Lernens, der<br />

Kreativität und der Innovation fliessen<br />

die Schlüsselergebnisse zurück in die<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 57


Marcom<br />

Das EFQM-Kriterienmodell von 2013. © EFOM 2012<br />

Befähigerseite und bilden damit einen integralen<br />

Bestandteil zur Unternehmensführung<br />

und zur strategischen Planung.<br />

Unabhängig davon, welche Überlegungen<br />

angestellt werden, das EFQM-<br />

Modell folgt immer dem Kreislauf der<br />

RADAR-Logik:<br />

R – Results (Ergebnisse)<br />

A – Approach (Vorgehen)<br />

D – Deployment (Umsetzung)<br />

A – Assessment (Bewertung)<br />

R – Refinement (Verbesserung)<br />

EFQM RADAR-Logik © EFOM 2012<br />

Nur wenn wir verstehen, was wir tun und<br />

welche Einflüsse dies auf die Ergebnisse<br />

hat, können wir den Weg der stetigen<br />

Verbesserung aktiv fördern!<br />

Strategisches Management<br />

Angeordnet im Bereich der Strategie befindet<br />

sich die Aufgabe des strategischen<br />

Managements. Als eine Grundvoraussetzung<br />

für ein funktionierendes und<br />

erfolgreiches Unternehmen, welches auf<br />

Nachhaltigkeit setzt, ist dies eine zyklische<br />

Aufgabe, die im stetigen Abgleich<br />

zwischen Vision, Mission und Leitbild<br />

steht. Doch warum den Schwerpunkt im<br />

strategischen Management setzen? Strategie<br />

ist ein Kriterium, welches auf alle<br />

weiteren Kriterien direkten Einfluss hat.<br />

Kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensstrategie,<br />

Preisstrategie, Wettbewerbsstrategie,<br />

Prozess-Strategie etc.:<br />

All diese Strategien verfolgen die Unter-<br />

nehmensziele, zeigen den Orientierungsrahmen<br />

und dienen zur Entscheidungsfindung<br />

während der Planung sowie in<br />

operativen Geschäftsaktivitäten.<br />

SWOT als Matrix<br />

Bereits im ersten Quartal werden Schlüsselergebnisse<br />

benötigt, um die Informationsanalyse<br />

durchführen zu können. Der<br />

Fokus bei dieser Informationsbeschaffung<br />

richtet sich zum einen an die Unternehmensanalyse<br />

und zum andern an die<br />

Umweltanalyse. In der Unternehmensanalyse<br />

können mit einer Ressourcenanalyse<br />

die Kennzahlen für Personal,<br />

Finanzen, Infrastruktur, Organisation und<br />

Know-how aufgearbeitet werden. Auch<br />

die SEP (Strategischen Erfolgspositionen)<br />

müssen zwingend mit in diese Analyse<br />

einbezogen werden. Diese sind je<br />

nach Unternehmen und Organisationsstruktur<br />

sehr unterschiedlich. Faktoren<br />

wie örtliche Gegebenheiten, laufende<br />

Patente, spezielle Fertigungstechnik und<br />

auch die Swissness-Attribute können<br />

hier ausschlaggebend sein. Danach folgt<br />

die Umweltanalyse nach der PESTE-<br />

Methode (Political – Economic – Social<br />

(cultural) – Technology – Environment<br />

(Ecological). Hier werden die wichtigsten<br />

direkten Umwelteinflüsse aufgelistet<br />

und somit sichtbar gemacht, was<br />

wiederum einen Input für eine Risikoanalyse<br />

bietet. Ergänzend sollte noch<br />

eine Stakeholder-Analyse ausgearbeitet<br />

werden sowie die 5-Forces-Analyse<br />

(5 Wettbewerbskräfte) von Porter. Diese<br />

Kräfteanalyse veranschaulicht für jeden<br />

Unternehmer die grössten Bedrohungen<br />

seitens des Wettbewerbs und bietet<br />

die weitere Basis für die strategische<br />

Analyse anhand einer SWOT Matrix.<br />

Die SWOT-Analyse – sozusagen als<br />

Motor zur Strategieentwicklung – führt<br />

genau diese Umweltfaktoren und Unternehmensfaktoren<br />

auf. Auf der vertikalen<br />

Achse dieser Matrix befinden sich getrennt<br />

voneinander die Unternehmensfaktoren<br />

Strengths (Stärken) sowie Weaknesses<br />

(Schwächen) der Organisation.<br />

Die horizontale Achse hingegen legt den<br />

Augenschein auf die analysierten Umweltfaktoren.<br />

Opportunities (Chancen)<br />

und Threats (Gefahren) runden die SWOT<br />

Matrix ab. Erst jetzt ist es dem Unternehmer<br />

möglich, bestehende Gefahren klar<br />

zu erkennen oder auch Chancen aufzuzeigen,<br />

indem zum Beispiel SO (Stärken –<br />

Chancen) miteinander verknüpft werden<br />

oder auch ST (Stärken – Gefahren).<br />

Diese SWOT-Kombinationen ermöglichen,<br />

eine strategische Stossrichtung<br />

zu erkennen und legen den Grundstein<br />

für Wachstumsstrategien und Konkurrenzstrategien.<br />

Wachstumsstrategien<br />

nach Ansoff beschäftigen sich mit der<br />

Marktdurchdringung; Marktentwicklung;<br />

Produktentwicklung und Diversifikation.<br />

Konkurrenzstrategien bewegen sich im<br />

Wettbewerbsfeld branchenweit oder<br />

segmentspezifisch. Zum einen kann die<br />

Kostenführerschaft angestrebt werden<br />

oder die Differenzierung. Um die heutigen<br />

komplexen Wirtschaftsschwankungen<br />

abzufangen, wird oftmals auch eine<br />

sogenannte Dualstrategie aufgesetzt.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 58


Die rollierende Jahresplanung in der Praxis zur<br />

Drehung bringen. © D. Buchs 2014<br />

Viele KMU konnten mit einer guten strategischen<br />

Ausgangslage zum Beispiel<br />

die Euro-Krise ohne grösseren Schaden<br />

abfangen. Auch das rechtzeitige<br />

Erkennen der Marktveränderung oder<br />

der mögliche Zusammenschluss mit<br />

neuen Partnern, welche mit den gleichen<br />

Marktschwierigkeiten konfrontiert<br />

sind, bilden Chancen für nachhaltiges<br />

Unternehmertum. In Bezug auf<br />

Handelsunternehmen ist sicherlich der<br />

Blick auf den bestehenden Vertriebskanal<br />

beziehungsweise Absatzkanal<br />

Definition des Kriteriums<br />

Strategie durch das<br />

EFQM-Modell 2013<br />

«Exzellente Organisationen<br />

verwirklichen ihre Mission und<br />

erreichen ihre Vision, indem sie<br />

eine auf die Interessengruppen<br />

ausgerichtete Strategie entwickeln.<br />

Leitlinien, Pläne, Zielsetzungen und<br />

Prozesse werden entwickelt und<br />

umgesetzt, um diese Strategie zu<br />

realisieren.»<br />

zwingend. Ist der Fokus nicht auf den<br />

Kunden und dessen Nutzen orientiert,<br />

werden hier oftmals Kosten und Margen<br />

künstlich aufgebaut, wodurch sich<br />

das Endprodukt verteuert und somit<br />

wiederum Spielraum für den Wettbewerb<br />

entsteht. Diese über die Jahre gewachsen<br />

«Vertriebsblindheit» erscheint<br />

zwar auf den ersten Eindruck nachhaltig<br />

und Stakeholder orientiert, kann aber in<br />

der mittelfristigen Planung katastrophale<br />

Folgen für ein KMU haben. Nach der<br />

Durchführung des gesamten Strategieprozesses<br />

stehen dem Unternehmer beziehungsweise<br />

der Geschäftsleitung genügend<br />

transparente Informationen zur<br />

Verfügung, um die Strategie detailliert<br />

auszuarbeiten und das Strategiepapier<br />

termingerecht zur Generalversammlung<br />

bereitzustellen. Durch die Freigabe<br />

anlässlich der Generalversammlung beginnt<br />

die Umsetzung, und das Controlling<br />

wird aktiv. Die Planung wird bis ins<br />

Detail ausgearbeitet. Gegen Ende eines<br />

Jahres können fundamentierte Ziele<br />

für das neue Geschäftsjahr vereinbart<br />

werden. Bisherige Ziele fliessen wieder<br />

als Input in die Informationsanalyse<br />

ein, und der Zyklus beginnt von vorne.<br />

Wem es gelingt, zusätzlich seine Swissness-Attribute<br />

analog dem EFQM-Grundkonzept<br />

in der Strategie zu verankern,<br />

stärkt nachhaltig seine eigene Swissness-<br />

Philosophie und verschafft sich klare<br />

Marktvorteile. Der inländische Schweizer<br />

Anbieter wird gegenüber ausländischen<br />

Mitbewerbern gestärkt und trägt somit<br />

klar zur Leistungssteigerung des eigenen<br />

Unternehmens bei. Trotzdem: Um<br />

erfolgreich und nachhaltig zu wirtschaften,<br />

wird es nicht genügen, alle Karten<br />

auf die Swissness-Attribute zu setzen.<br />

Die stetige und kontinuierliche Verbesserung<br />

von Prozessen (KVP) und Abläufen,<br />

das Festlegen und Überwachen von<br />

strategischen Erfolgspositionen (SEP)<br />

sowie kritischen Erfolgsfaktoren (KEF)<br />

Daniel Buchs<br />

Marcom<br />

sind im heutigen Unternehmertum nicht<br />

mehr wegzudenken und zeigen nur einen<br />

kleinen Teil der heutigen Anforderungen<br />

an das Unternehmensmanagement. Das<br />

EFQM-Modell 2013 bietet hierzu das<br />

geeignete Managementmodell zur professionellen<br />

Initialimplementierung von<br />

Business Excellence – der Start in eine<br />

nachhaltige Zukunftsförderung des Wirtschaftsstandortes<br />

Schweiz.<br />

Sind Sie bereit für die Nachhaltigkeit und<br />

die Stärkung von «Swissness»?<br />

ist Absolvent des Nachdiplomstudiums<br />

Master of Advanced Studies in Business<br />

Excellence an der Hochschule Luzern<br />

Wirtschaft.<br />

www.efqm.ch/#ConceptsDE<br />

Fachkräftemangel<br />

–<br />

Lösungsansätze<br />

für<br />

die Praxis<br />

2. SKO-LeaderCircle Plus<br />

Do. 24. September <strong>2015</strong>, 13.30-21h, Zürich<br />

Setzen Sie sich am 2. SKO-LeaderCircle Plus vom 24.<br />

September mit Lösungsideen aus der Wirtschaftspraxis<br />

auseinander und diskutieren Sie mit zum aktuellen Thema<br />

„Fachkräftemangel“. Wählen Sie 2 der 6 Impuls-Sessions ab<br />

13.30 Uhr und bringen Sie die Erkenntnisse in die Diskussion<br />

mit dem kompetent besetzten Podium ab 18 Uhr mit ein.<br />

Eva Jaisli<br />

CEO<br />

PB Swiss<br />

Tools<br />

Ruedi Noser<br />

FDP<br />

Nationalrat<br />

VR-Präsident<br />

Noser Gruppe<br />

Kareen<br />

Vaisbrot<br />

Leit. Arbeitgeberpolitik<br />

Swissmem<br />

Antoinette<br />

Weibel<br />

Prof. Dr.<br />

IFPM-HSG<br />

Uni St. Gallen<br />

Anmeldung: www.sko.ch/leadercircle | info@sko.ch<br />

Stefan<br />

Barmettler<br />

Chefredaktor<br />

Handelszeitung<br />

Moderation


Die Welten der Finanzen<br />

Es geht auch anders<br />

Nachhaltige Geldanlagen<br />

Interview mit Antoinette Hunziker-Ebneter von Georg Lutz<br />

Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein<br />

Widerspruch sein. Kann man beide Herausforderungen unter einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette<br />

Hunziker-Ebneter, CEO und Gründungspartnerin von Forma Futura Invest AG, fragten wir nach Antworten.<br />

Schon auf der Startseite des Webauftritts<br />

Ihres Hauses kann man die beiden<br />

zentralen Begrifflichkeiten Ihrer<br />

Unternehmensphilosophie sofort erkennen.<br />

Es geht um Nachhaltigkeit<br />

und Vermögensverwaltung. Wie bringen<br />

Sie diese beiden Stichworte zusammen?<br />

Der Begriff Nachhaltigkeit<br />

hat in den letzten Jahren an Klarheit<br />

verloren. Können Sie hier wieder mehr<br />

Schärfe reinbringen?<br />

Für uns ist eine Unternehmung nachhaltig,<br />

wenn sie finanziell solide ist und<br />

mit ihren Produkten und Dienstleistungen<br />

zur nachhaltigen Lebensqualität beiträgt.<br />

Das war jetzt der Satz zum Warmlaufen …<br />

Nein, dahinter stehen klare und überprüfbare<br />

Kriterien. Es geht schlicht darum,<br />

ob die Produkte für die Kunden<br />

Sinn machen und wie die Unternehmung<br />

geführt wird. Wir stellen uns da sehr<br />

klare Fragen: Welche Ziele setzen sich<br />

die Verantwortlichen, und wie gehen sie<br />

mit den Ressourcen um? Wie gehen sie<br />

mit den Themen Energie oder Wasser<br />

um? Nachhaltigkeit betrifft aber auch<br />

die Unternehmensphilosophie. Wie gut<br />

oder schlecht ist das Geschäftsklima?<br />

Führung und Förderung von Mitarbeitenden,<br />

der Innovationsgrad von Produkten<br />

und Strategien sowie der Umgang mit<br />

knappen Ressourcen stehen bei uns auf<br />

gleicher Augenhöhe. Wir investieren in<br />

Unternehmen, die eine nachhaltige Lebensqualität<br />

fördern.<br />

Um diese Punkte abzuklären, brauchen<br />

Sie ein Team mit sehr unterschiedlichen<br />

Fähigkeiten?<br />

Anlegen muss Sinn machen. Und Sie<br />

haben Recht, wir mussten zunächst ein<br />

Team zusammenstellen, das die Kompetenz<br />

hat, solche Fragen abzuklären.<br />

Bei uns gibt es Biologen, Ethnologen,<br />

Elektroingenieure und Umwelttechnologen,<br />

Philosophen und natürlich auch<br />

Ökonomen an Bord.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 60


Die Welten der Finanzen<br />

Geld ist eine Ressource und bewegt die Welt – die Frage ist nur, in welche Richtung?<br />

Geld wollen Sie trotzdem verdienen?<br />

Geld verdienen ist wichtig. Es fragt sich<br />

einfach, wie und in welchem Rahmen.<br />

Umweltfreundliche Technologien können<br />

nur mit Geld weiterentwickelt werden.<br />

Auch für die Bezahlung von Löhnen<br />

braucht es Geld. Wir leben eine Sowohlals-auch-Philosophie.<br />

Unsere Kundinnen<br />

und Kunden haben keinen Heiligenschein.<br />

Sie wollen auch eine marktgerechte Rendite<br />

erzielen. Ich bin von Haus aus Betriebsökonomin.<br />

Die Portfolios unserer<br />

Kunden erzielen mit Aktien und Obligationen<br />

von nachhaltigen Unternehmen mindestens<br />

gleich gute Renditen, wie andere<br />

Mitbewerber mit konventionellen Unternehmen<br />

erreichen. Das lässt sich auch<br />

statistisch beweisen.<br />

Wo liegen die zentralen Gründe?<br />

Wir analysieren die Firmen wesentlich<br />

genauer. Zum Beispiel ist das Risikomanagement<br />

der Firmen, die wir auswählen,<br />

besser aufgestellt, und dies hat einen<br />

Einfluss auf die Ertragsentwicklung.<br />

Gibt es bei der Auswahl der Anlagen<br />

für Ihre Kunden Meilensteine, damit<br />

wir das Bild etwas praktischer zeichnen<br />

können?<br />

Am Anfang steht eine externe Basisprüfung,<br />

die eine Analyse von 160 Nachhaltigkeitskriterien<br />

umfasst. In einem<br />

zweiten Schritt analysieren wir, ob die<br />

Unternehmen finanziell solide sind. Im<br />

«Auch Geldanlegen<br />

muss<br />

Sinn machen,<br />

nicht nur<br />

Gewinn.»<br />

dritten Schritt gibt es eine interne, vertiefte<br />

Nachhaltigkeitsanalyse. Zurzeit schaffen<br />

es von 5 000 Unternehmen weltweit<br />

rund 200 Unternehmen in unser Forma-<br />

Futura-Anlageuniversum. Schlussendlich<br />

kauft und verkauft der Portfoliomanager<br />

Aktien und Obligationen von Unternehmen<br />

aus dem Forma-Futura-Anlageuniversum,<br />

gemäss dem mit dem Kunden<br />

vereinbarten Anlageprofil.<br />

Vonseiten des Kunden gedacht, bieten<br />

Sie individualisierte Vermögensverwaltungsmandate<br />

an?<br />

Ja, der Kunde kann auch Wertebausteine<br />

setzen, die ihm besonders wichtig<br />

sind.<br />

Eine persönliche Frage schliesst sich<br />

an. Sie waren eigentlich eine klassische<br />

Bankerin. Was hat den Umschwung<br />

ausgelöst?<br />

Vor bald zehn Jahren, mit 45 Jahren,<br />

habe ich mich entschieden, dass ich<br />

meine persönlichen Werte noch viel konsequenter<br />

umsetzen will. Das umfasst<br />

das persönliche und berufliche Umfeld.<br />

Es geht mir dabei um Integrität und Respekt<br />

vor Mensch und Umwelt, Transparenz,<br />

auch im Preis, Verantwortung<br />

übernehmen und den Mut haben, auch<br />

Nein zu sagen. Der ganze Finanzsektor<br />

hat eine wichtige volkswirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir<br />

wirklich die Verantwortung übernehmen,<br />

dann werden wir für diese Welt weniger<br />

Kosten und weniger Probleme verursachen.<br />

Es kann nicht mehr sein, dass es<br />

uns egal ist, in welche Unternehmen wir<br />

investieren, wie diese geführt werden<br />

und welche Emissionen diese verursachen.<br />

Ich habe vor zehn Jahren erlebt,<br />

wie sich Kunden in ihren Unternehmungen<br />

nachhaltige Gedanken machten,<br />

diese auch umsetzten und wir in der<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 61


Die Welten der Finanzen<br />

Finanzbranche diese Gelder irgendwie<br />

und irgendwo anlegten. Dies stimmte<br />

für mich nicht mehr. Auch Geldanlegen<br />

muss Sinn machen, nicht nur Gewinn.<br />

Darf ich hier kritisch nachfragen?<br />

Selbstverständlich …<br />

Es gibt ja jetzt im Zeichen der Energiewende<br />

viele schnell wachsende<br />

Player auf dem Markt, bei denen aber<br />

auch das Potenzial des Absturzes besteht.<br />

Nehmen Sie nur die europäische<br />

Solar branche. Zunächst gab es einen<br />

beeindruckenden Boom, dann wurde<br />

die Branche in den Schwitzkasten der<br />

chine sischen Wettbewerber genommen.<br />

Parallel schossen nachhaltige Anlagemöglichkeiten<br />

in die Höhe. Einige<br />

Geschäftsmodelle waren aber nicht seriös.<br />

Wie gehen Sie damit um?<br />

Das alte Wissen des Portfoliomanagements<br />

darf nicht vergessen werden. Eine<br />

gute Diversifikation steht dabei an erster<br />

Stelle. Hier hat die Nachhaltigkeitsbranche<br />

grosse Fehler gemacht. Sie hat<br />

beispielsweise Themenfonds angeboten,<br />

und auch Kunden kamen mit dem<br />

Wunsch auf uns zu, doch bitte ihr ganzes<br />

Vermögen in erneuerbare Energien<br />

anzulegen. Das können wir aus Diversifikationsgründen<br />

nicht verantworten.<br />

Die Risikodiversifikation ist eines unserer<br />

wichtigsten Prinzipien.<br />

Können Sie uns da ein Beispiel verraten?<br />

Eine australische Firma hat Solarzellen<br />

entwickelt, die sogar an den Innenwänden<br />

der Häuser technologisch funktionieren.<br />

Als Nachhaltigkeitsfreundin bin<br />

ich zunächst begeistert. Man hat grosse<br />

Freude an solchen neuen Lösungen. Das<br />

nützt aber alles nichts, wenn es auf finanziell<br />

wackligem Boden steht. Die<br />

Produktion von einfachen Solarzellen ist<br />

ein reines Economy-of-Scale-Ertragsgeschäft.<br />

Spätestens als hoch subventionierte<br />

chinesische Player auf dem Markt<br />

aufgetaucht sind, hätten die Alarmglocken<br />

läuten müssen. Die chinesische<br />

Regierung hat klare Vorgaben gemacht.<br />

Wir rollen den Weltmarkt mit zirka 20 Unternehmen<br />

auf. Da mussten dann sogar<br />

einige chinesische Anbieter die Segel<br />

streichen. In solch einem Marktumfeld<br />

alles auf eine Karte zu setzen ist falsch.<br />

Jetzt haben wir viele Anleger auf dem<br />

Auf Herz und Nieren nach verschiedenen Kriterien prüfen.<br />

Markt, die leider nach dem Motto handeln:<br />

«Ein gebranntes Kind scheut das<br />

Feuer.» Ich kann mich da nur wiederholen:<br />

Legen Sie nicht alle Eier in einen<br />

Korb. Sie dürfen keine Klumpenrisiken<br />

eingehen. Nur sehr vermögende Kunden<br />

können es sich leisten, in Neugründungen<br />

von Unternehmen zu investieren.<br />

Sie drücken bei Innovationen und<br />

neuen Businessmöglichkeiten sehr<br />

auf die Bremse?<br />

Nein, aber Banking ist grundsätzlich kein<br />

innovatives Geschäft. Es geht vor allem<br />

um Finanzieren und Anlegen. Bei uns<br />

gibt es Grundprinzipien, an die wir uns<br />

halten müssen. Wichtige Innovationen<br />

sind bei uns selten. Der Bancomat gehört<br />

dazu wie auch gute Aktienfonds<br />

und gute Mikrofinanzfonds. Die Grundprinzipien<br />

müssen auch bei der Transformation<br />

zur Digitalisierung mitberücksichtigt<br />

werden.<br />

Sie werden aber bei jungen Kundinnen<br />

und Kunden nur überzeugen, wenn Sie<br />

beispielsweise Ihre Kommunikationslösungen<br />

einsetzen.<br />

Richtig. Dies hat jedoch mit dem Inhalt<br />

der Anlage nichts zu tun.<br />

Kommen wir nochmals zurück zum<br />

Wettbewerb in Ihrer Branche. Ihre<br />

strategischen Prüfverfahren kosten<br />

mehr Zeit und mehr Geld. Zudem ächzt<br />

die Branche gerade unter neuen regulatorischen<br />

Auflagen. Eigentlich<br />

müssten die Angebote Ihres Hauses<br />

schlicht teurer sein. Ist das so, und<br />

wie halten Sie diese zusätzlichen Kosten<br />

niedrig?<br />

Unsere Gebühren sind absolut kompetitiv.<br />

Ich habe mit meinen Geschäftspartnern<br />

von Anfang an entschieden,<br />

keine Boni zu bezahlen. Diese Regelung<br />

betrifft auch uns selbst. Wir bezahlen<br />

nur gute, fixe und marktgerechte Saläre.<br />

Das hat zur Folge, dass wir Transaktionen<br />

nur vornehmen, wenn sie wirklich<br />

notwendig sind. Damit haben wir auch<br />

Interessenkonflikte ausgeschaltet, was<br />

sicher auch unserer Performance hilft.<br />

Die Obligationen kaufen wir meistens<br />

auf Verfall. Man findet bei uns keine Obligationenfonds.<br />

Aktien verkaufen wir bei<br />

Übertreibungen nach oben wie nach unten.<br />

Dadurch minimieren wir Gebühren.<br />

Im aktuellen Tiefzinsumfeld ist das auch<br />

eine zentrale Voraussetzung.<br />

Es gibt aber auch Banken in der<br />

Schweiz, wo hohe Boni und nachhaltige<br />

Anlageprodukte, jedenfalls eine<br />

gewisse Zeit, unter einem Dach Platz<br />

haben. Eine davon ist Pionierin bei<br />

nachhaltigen Anlagemöglichkeiten.<br />

Gleichzeitig ist man in einem Markt tätig,<br />

bei dem steueroptimierte Fonds mit<br />

verdammt hohen Renditemöglichkeiten<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 62


Die Welten der Finanzen<br />

Ihre Branche steht aber nicht nur<br />

wegen Reputationsproblemen unter<br />

Druck. Es gibt Studien, die sehen in<br />

der Schweiz ein Bankensterben kommen.<br />

Gerade kleinere Akteure sollen in<br />

den nächsten Jahren vom Markt verschwinden.<br />

Wie beurteilen Sie die Situation,<br />

und wo sehen Sie mittelfristig<br />

Ihr Haus aufgestellt?<br />

Das Wissen des Portfoliomanagements nicht vergessen.<br />

Wir sind in der Schweiz schlicht overbanked.<br />

Der Kuchen ist verteilt. Sie<br />

müssen etwas Spezielles anbieten,und<br />

genau das tun wir mit unserem Nachhaltigkeitsansatz.<br />

Das Geldgeschäft wird<br />

es weiterhin geben und auch finanziell<br />

solide Banken, welche auf professionelle<br />

und faire Weise Lösungen für Finanzieren,<br />

Zahlen und Anlegen anbieten. Die<br />

Kommunikationsmöglichkeiten nehmen<br />

zu. Neben virtuellen Lösungen werden<br />

die Kunden für gewisse Geschäfte auch<br />

weiterhin ein persönliches Beratungsgespräch<br />

wünschen.<br />

angeboten werden, die haarscharf am<br />

geltenden Recht angesiedelt sind oder<br />

sogar darüber hinausschiessen. Was<br />

lief da aus Ihrer Sicht schief?<br />

Wir müssen uns hier die Führungsqualitäten<br />

anschauen. Wenn Sie den Mitarbeitern<br />

sehr hohe Ziele vorgeben, in<br />

Kombination mit einem Bonussystem,<br />

mit sehr hohen Anreizen, dann fördern<br />

Sie eine ungesunde Kultur. Ich habe<br />

bereits im Banking gearbeitet, als es<br />

bei gutem Geschäftsgang nur eine Zusatzgratifikation,<br />

sprich ein 13. Monatsgehalt,<br />

gab. Dann kamen über die Optionen<br />

die Hebel auch im Bonibereich.<br />

Wir achten bei den Unternehmen sehr<br />

genau auf die Entlöhnung und analysieren<br />

auch das betreffende System.<br />

Das habe ich vorher vergessen zu erwähnen.<br />

Selbst wenn das Unternehmen<br />

einen noch so schönen Nachhaltigkeitsbericht<br />

auf Ökopapier mit schönen Fotos<br />

von Wäldern, aufgehenden Sonnen<br />

und Wasserfällen vorweisen kann, ist<br />

das für uns nur ein Punkt.<br />

Wenn die Lohnstruktur auf kurzfristiges<br />

Denken ausgelegt ist, investieren wir<br />

nicht. Das ist bei dieser Bank in Teilen<br />

so gewesen. Auf der einen Seite war<br />

diese Bank eine der ersten Banken,<br />

die vor 20 Jahren ein ausgezeichnetes<br />

Nachhaltigkeitsteam aufgebaut hat. Auf<br />

der anderen Seite hatten sie Leute in<br />

ihrem Haus, die den Blick fest auf die<br />

Wahnsinnsboni gerichtet haben. Da besteht<br />

ein Risiko.<br />

ist CEO und Gründungspartnerin von<br />

Forma Futura Invest AG.<br />

www.formafutura.com<br />

Antoinette<br />

Hunziker-Ebneter<br />

Vertrauen<br />

Sicherheit<br />

Wir sind die führende Generalunter<br />

nehmerin für Vorsorge­ und<br />

Anlagedienstleistungen und bieten<br />

jedem seine individuelle Lösung.<br />

www.tellco.ch


Die Welten der Finanzen<br />

Finanzen für Unternehmer<br />

In fünf Schritten zum Einklang zwischen privaten und beruflichen Bedürfnissen<br />

von Reto Bornhauser und Christian Iten<br />

Gerade Geschäftskunden wollen von ihrer Bank effektive Lösungen und belastbare Resultate. Oft vermengen sich<br />

dabei private und geschäftliche Bereiche. Daher gilt es ganzheitliche Antworten zu entwickeln.<br />

Professionelle Beratung mit ganzheitlicher Betrachtungsweise.<br />

Als Unternehmer sind Sie es gewohnt,<br />

täglich Entscheidungen<br />

zu treffen und kalkulierte Risiken<br />

einzugehen. Als Privatperson steht dagegen<br />

oft der werterhaltende, nachhaltige<br />

Vermögensaufbau im Mittelpunkt.<br />

Darüber hinaus wollen Sie Ihre Familie<br />

absichern, das private Vermögen vom<br />

unternehmerischen trennen und je nach<br />

Lebenssituation flexibel agieren und die<br />

Nachfolge vorbereiten. Finanzangelegenheiten<br />

erfordern deshalb eine ganzheitliche<br />

Betrachtungsweise.<br />

1. Liquiditätsmanagement<br />

Eine mangelhafte Finanzierung, verspätete<br />

Zahlungen von Kunden wie auch<br />

Forderungsausfälle sind oftmals der<br />

Grund, dass ein Unternehmen in finanzielle<br />

Schwierigkeiten gerät. Die Steuerung<br />

der Liquidität ist somit eines der<br />

wichtigsten Ziele der Unternehmensführung.<br />

Fast die Hälfte der Schweizer<br />

Unternehmer fühlt sich gemäss einer<br />

repräsentativen Studie zur Financial<br />

Literacy von Unternehmern 1) schlecht<br />

oder weniger gut durch die Bank beraten.<br />

Gleichzeitig sehen über 40 Prozent der<br />

Unternehmer deutliches Optimierungspotenzial<br />

in ihrer Liquiditätsplanung.<br />

Viele Unternehmer haben hier Handlungsbedarf.<br />

2. Anlegen<br />

Geldanlagen sind Vertrauenssache. Für<br />

Ihren persönlichen Anspruch finden wir<br />

das passende Anlagekonzept. Die Basis<br />

dafür bildet eine umfassende Bedürfnisanalyse<br />

für eine ganzheitliche Vermögensberatung.<br />

Im gemeinsamen Dialog<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 64


Die Welten der Finanzen<br />

Wir sind die Bank<br />

für Unternehmer<br />

Die Banque CIC (Suisse) ist fassbar.<br />

Mit unseren über 300 Mitarbeitenden<br />

an acht Standorten in drei Sprachregionen<br />

haben wir eine überschaubare<br />

Grösse. Unsere<br />

Kundinnen und Kunden schätzen<br />

die kurzen Entscheidungswege<br />

und die direkte Erreichbarkeit der<br />

verantwortlichen Personen. Die<br />

Banque CIC (Suisse) besteht seit<br />

über 100 Jahren und verfügt über<br />

eine grosse Erfahrung in den<br />

Finanzgeschäften für Unternehmer,<br />

Unternehmen und Privatpersonen.<br />

Für Sie möchten wir unternehmen!<br />

LIQUIDITÄTSMANAGEMENT<br />

NACHFOLGEPLANUNG<br />

ANLEGEN<br />

FINANZIEREN<br />

VORSORGEN<br />

Bei der Bedürfnisanalyse stellen wir eine ganzheitliche Betrachtung sicher und stimmen die einzelnen<br />

Themenbereiche auf Ihre unternehmerische wie private Situation ab.<br />

erfassen wir Ihre persönlichen und unternehmerischen<br />

Ziele und Bedürfnisse,<br />

die aktuellen Vermögenswerte und Verpflichtungen<br />

sowie den Liquiditäts- und<br />

Investitionsbedarf in Ihrem Unternehmen.<br />

Das daraus entstehende ganzheitliche<br />

Bild über Ihre Risikofähigkeit gibt<br />

Auskunft darüber, welche finanziellen<br />

Risiken Sie aufgrund Ihrer Lebens-, Einkommens-<br />

und Vermögenssituation privat<br />

und unternehmerisch tragen können.<br />

Neben der Risikofähigkeit spielt Ihre<br />

Risikobereitschaft eine zentrale Rolle.<br />

Wie viel Risiko sind Sie bereit zu akzeptieren?<br />

3. Vorsorge<br />

Viele Unternehmer behalten Gewinne<br />

aus finanziellen und steuerlichen Überlegungen<br />

oft jahrelang im Betrieb. Die<br />

persönliche Vorsorge zur Sicherung des<br />

Lebensstandards im Ruhestand wird<br />

dabei vernachlässigt. Ein optimaler Vorsorgeplan<br />

zahlt sich doppelt aus. Nebst<br />

der optimalen persönlichen Vorsorge<br />

steigern gute Vorsorgelösungen für Mitarbeitende<br />

auch deren Motivation und<br />

Zufriedenheit und beeinflussen wiederum<br />

die Unternehmenswicklung positiv.<br />

Wir unterstützen Sie in Zusammenarbeit<br />

mit ausgesuchten Partnern umfassend<br />

bei der privaten wie auch geschäftlichen<br />

Vorsorgeplanung. Unsere Spezialisten<br />

zeigen Ihnen, wo Risiken und Vorsorgelücken<br />

bestehen und wie Sie diese<br />

schliessen können.<br />

4. Finanzieren<br />

Unternehmer wünschen sich gemäss<br />

der Studie Financial Literacy der Unternehmer<br />

von ihrer Bank in Sachen Finanzierung<br />

in erster Linie mehr Flexibilität<br />

und eine aktive Beratung. Das Angebot<br />

an Finanzierungslösungen hat zugenommen.<br />

Entsprechend ist der Bedarf<br />

an Beratung gestiegen, denn die Wahl<br />

der richtigen Finanzierungsform einerseits<br />

und die Ausgestaltung der Konditionen<br />

andererseits sichern die Wettbewerbsfähigkeit<br />

eines Unternehmens und<br />

steigern die Konkurrenzfähigkeit. Mehr<br />

denn je gilt: Die richtige Lösung ist individuell<br />

und auf die Bedürfnisse des<br />

Kunden zugeschnitten. Dabei berücksichtigen<br />

wir Ihre privaten wie auch unternehmerischen<br />

Bedürfnisse und Ziele<br />

und sichern insbesondere auch die damit<br />

verbundenen Risiken ab.<br />

5. Nachfolgeplanung<br />

Bei der Nachfolgeplanung geht es darum,<br />

Ihr Lebenswerk zu sichern und für<br />

Ihre Zukunft finanziell vorzusorgen. Die<br />

Planung Ihrer persönlichen Nachfolge<br />

im Unternehmen ist häufig mit schwierigen<br />

und emotionalen Entscheidungen<br />

verbunden. Ziel der Nachfolgeplanung<br />

ist, die betriebliche Nachfolge in<br />

Ihrem Sinne zu regeln und die privaten<br />

Finanzen optimal auf Ihren persönlichen<br />

zukünftigen Bedarf auszurichten. Der<br />

Prozess kann durch Beteiligung verschiedenster<br />

Partner beziehungsweise<br />

Berater sehr komplex sein. Fragen zur<br />

Finanzierung, zur rechtlichen Situation,<br />

zu Steuern, zur Erbsituation sowie zu<br />

den Familienverhältnissen etc. müssen<br />

geklärt werden. Ein Nachfolgeprozess<br />

dauert oft mehrere Jahre. Wir empfehlen<br />

deshalb eine frühzeitige Planung. Neben<br />

der Nachfolgeplanung im Falle einer<br />

Pensionierung, ist es besonders wichtig,<br />

auch eine Notfall-Nachfolgeplanung zu<br />

haben. Bei einem unvorhersehbaren Ereignis<br />

wie Unfall, Krankheit oder Todesfall<br />

muss eine Nachfolgelösung praktisch<br />

sofort verfügbar sein.<br />

Anmerkung<br />

1)<br />

Die Studie zur Financial Literacy der Unternehmer<br />

ist im Auftrag der Banque CIC (Suisse) durch die<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) durchgeführt<br />

und Ende 2014 publiziert worden. Befragt<br />

wurden insgesamt 363 Entscheidungsträger von<br />

Unternehmen beziehungsweise von selbständigen<br />

Unternehmern in der Deutschschweiz. Die<br />

Studie kann als Infografik bestellt werden unter<br />

www.unternehmer-und-finanzen.ch.<br />

ist Leiter Key Clients der Banque CIC<br />

(Suisse) in Basel.<br />

ist Kundenberater der Banque CIC<br />

(Suisse) in Zürich.<br />

www.cic.ch<br />

Reto Bornhauser<br />

Christian Iten<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 65


Die Welten der Finanzen<br />

Transparenz und Planungssicherheit dank Digitalisierung.<br />

Zentral und doch oft unterschätzt<br />

Cash Management<br />

von Andreas Schiendorfer<br />

Der starke Franken bereitet vielen KMU Sorgen. Um die eigene Situation zu verbessern, gilt es mehr denn je, jede<br />

scheinbar noch so kleine Chance wahrzunehmen. Dem Cash Management wird dabei meist zu wenig Beachtung<br />

geschenkt.<br />

Die KMU, die nach wie vor zwei<br />

Drittel aller Arbeitsplätze stellen,<br />

sind das Rückgrat der Schweizer<br />

Wirtschaft. Die Bevölkerung weiss dies<br />

zu schätzen. Nicht weniger als 94 Prozent<br />

der Stimmbürger sind gemäss Sorgenbarometerumfrage<br />

der Credit Suisse<br />

stolz auf die erfolgreichen Schweizer<br />

KMU. Tatsächlich haben die Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer in den letzten<br />

Jahren immer wieder viel Rückgrat<br />

bewiesen und alle Problemstellungen<br />

dank Flexibilität, Produktivitätssteigerung,<br />

Innovationskraft und Risikobereitschaft<br />

bravourös gemeistert.<br />

Starker Franken hemmt Export<br />

Nun steht den KMU eine weitere grosse<br />

Herausforderung ins Haus, wie der aktuelle<br />

KMU-Exportindikator von Switzerland<br />

Global Enterprise und Credit<br />

Suisse unmissverständlich aufgezeigt<br />

hat: Mit Ausnahme des Konsumgüterbereichs<br />

werden nämlich für alle Produktionssektoren<br />

im dritten Quartal<br />

<strong>2015</strong> sinkende Ausfuhren befürchtet.<br />

Und dies trotz steigender Nachfrage im<br />

Ausland! Die Erklärung liegt im starken<br />

Franken. Als Folge der Frankenstärke ist<br />

das Exportwachstum etwa um fünf Prozentpunkte<br />

tiefer, als es angesichts der<br />

Nachfragestärke im Ausland zu erwarten<br />

wäre. Die KMU sehen der schwierigen<br />

Währungssituation keineswegs<br />

tatenlos zu. Im Vordergrund ihrer Anstrengungen<br />

stehen die Optimierung der<br />

Beschaffung und die Senkung der Produktionskosten.<br />

Preiserhöhungen sowie<br />

die Suche nach neuen Märkten werden<br />

gemäss KMU-Exportindikator ebenfalls<br />

ins Auge gefasst, weit weniger hingegen<br />

eine Senkung der Lohnkosten. Hier<br />

scheinen die Möglichkeiten bereits ausgereizt<br />

zu sein.<br />

Wenig beachtete Herausforderungen<br />

Über die Potenziale einer anderen unternehmerischen<br />

Funktion sind sich viele<br />

KMU weit weniger bewusst: das Cash<br />

Management. Die Kontrolle und Planung<br />

der Liquidität ist für jedes KMU<br />

von zentraler Bedeutung. Die dabei zu<br />

meisternden Aufgaben werden aber<br />

angesichts der steigenden Komplexität<br />

und Vernetzung der Unternehmen immer<br />

schwieriger. Hat ein KMU seine Liquidität<br />

über mehrere Konten bei verschiedenen<br />

Bankhäusern in verschiedenen<br />

Währungen im In- und Ausland verteilt,<br />

so entsteht ein beträchtlicher Aufwand,<br />

um den gewünschten Überblick über die<br />

Liquiditätsentwicklung zu erhalten und<br />

die Guthaben optimal zu allozieren. Die<br />

dafür aufgebrachte Energie fehlt letztlich<br />

bei der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts.<br />

Daher gilt es, sich frühzeitig<br />

mit der Umsetzung eines weitsichtigen<br />

Cash Management auseinanderzusetzen<br />

(siehe Interview).<br />

Neben den stetig wachsenden Vernetzungen<br />

und Abhängigkeiten verdient ein<br />

weiteres Thema Beachtung: die Schaffung<br />

des einheitlichen Euro-Zahlungsraums<br />

SEPA auf den 1. Februar 2014<br />

(SEPA steht für Single Euro Payment<br />

Area). Der Finanzplatz Schweiz verfolgt<br />

eine weitgehende Annäherung an die<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 66


Die Welten der Finanzen<br />

neuen europäischen Standards und<br />

beabsichtigt, seine Zahlungsverkehrsverfahren<br />

und -systeme bis Mitte 2020<br />

auf ISO 20022 umzustellen. Diese Umstellung<br />

hat auch für die KMU Auswirkungen<br />

bei den Überweisungen, beim<br />

Einzahlungsschein mit Datencode sowie<br />

bei den Lastschriften. Alles in allem<br />

überwiegen die Vorteile der Migration<br />

eindeutig. Deshalb sollten die KMU nicht<br />

bis zum letzten Moment der Umstellungsfrist<br />

warten, sondern die Situation<br />

mit ihren Finanz- und IT-Partnern frühzeitig<br />

analysieren.<br />

Kompetente Berater noch wichtiger<br />

Auch wenn die Herausforderungen Cash<br />

Management und Migration Zahlungsverkehr<br />

Schweiz für die KMU wichtig<br />

sind, muss sich jeder einzelne Unternehmer<br />

letztlich klar darüber werden,<br />

wie viel Energie er persönlich in diese<br />

Themenbereiche stecken soll. In unserer<br />

zunehmend komplexer werdenden globalen<br />

Wirtschaft ist es für den Unternehmer<br />

von existenzieller Bedeutung, sich<br />

ein (kleines) Netzwerk fachkompetenter<br />

Berater seines Vertrauens aufzubauen.<br />

Letztlich gehört die Zukunft jenen KMU,<br />

denen es gelingt, sich ganz auf ihre eigenen<br />

und unverwechselbaren Stärken<br />

zu konzentrieren.<br />

Effizientes<br />

Management<br />

von Andreas Schiendorfer<br />

Was macht ein modernes Cash Management<br />

aus und wie wichtig ist es<br />

für die Schweizer KMU? Wir baten<br />

Andreas Gerber, Leiter KMU-Geschäft<br />

Schweiz der Credit Suisse, um Auskunft.<br />

Herr Gerber, was versteht man gemeinhin<br />

unter dem Begriff «Cash<br />

Management»?<br />

Wir unterscheiden grundlegend vier Teilbereiche<br />

und -aufgaben. Erstens geht<br />

es darum, sich als KMU einen Überblick<br />

über die Liquidität zu verschaffen.<br />

Zweitens beinhaltet es die Planung der<br />

aktuellen und zukünftigen Vermögensströme.<br />

Des Weiteren ist auch die optimale<br />

Verteilung der Liquidität innerhalb<br />

verschiedener Konten als Teilbereich<br />

des Cash Management zu verstehen. Zu<br />

guter Letzt geht es um die Ausschöpfung<br />

der Rendite-Potenziale.<br />

Das Cash Management ist demnach<br />

eine zentrale Aufgabe von KMU?<br />

Auf jeden Fall. Ein effizientes Cash Management<br />

kann die Ertragslage eines<br />

KMU deutlich verbessern, vor allem aber<br />

wird dank eines klugen Cash Management<br />

Zeit freigesetzt, die man in den<br />

Ausbau des Kerngeschäfts investieren<br />

kann. Für mich kann man das Cash Management<br />

auch als Herzstück eines Unternehmens<br />

bezeichnen. Mit Verlusten<br />

kann eine Unternehmung eine gewisse<br />

Zeit weitergeführt werden, ohne Liquidität<br />

funktioniert jedoch nichts mehr.<br />

Gibt es aktuelle Trends im Cash Management?<br />

Die Reise geht immer mehr in Richtung<br />

Automation und Digitalisierung, sodass<br />

die Unternehmer mit wenigen Klicks vollständige<br />

Transparenz und Planungssicherheit<br />

erhalten. Ein Beispiel dafür<br />

ist der «Credit Suisse Corporate Cash<br />

Manager». Diese Applikation ermöglicht<br />

die bequeme Übersicht über alle Konten<br />

mitsamt Transaktionen sowie über Vermögen,<br />

Verbindlichkeiten und Fremdwährungspositionen.<br />

Alle Bankguthaben<br />

können nach Banken, Währungen und<br />

Regionen virtuell konsolidiert und auch<br />

Andreas Gerber ist Leiter KMU-Geschäft Schweiz der Credit Suisse.<br />

nach verschiedenen Bereichen des Unternehmens<br />

gruppiert werden.<br />

Wird eine solche Applikation zum Muss<br />

für jedes KMU?<br />

Je komplexer und internationaler die Herausforderungen<br />

eines Unternehmens<br />

sind, desto eher kommt eine solche Applikation<br />

in Frage. Ein Muss aus Sicht<br />

aller KMU ist einzig die aktive Auseinandersetzung<br />

mit der Liquidität. Hier ist<br />

eine enge Begleitung seitens des Kundenberaters<br />

von grossem Vorteil, so<br />

kann gemeinsam eine optimale Lösung<br />

entwickelt werden.<br />

Andreas Schiendorfer, freier Journalist.<br />

www.credit-suisse.com<br />

Andreas Schiendorfer<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 67


Die Welten der Finanzen<br />

Auf den Puls gefühlt: Sind Sie in der richtigen Krankenkasse?<br />

Viele zahlen viel zu viel<br />

Die Wahl der Krankenversicherung<br />

von Georg Lutz<br />

Das Gesundheitswesen der Schweiz gilt als eines der besten weltweit. Es ist aber auch eines der kompliziertesten<br />

und teuersten. Finanziert wird es von jedem Einzelnen mit der Prämie seiner Krankenversicherung. Kaum einer<br />

versteht jedoch das Leistungsspektrum und die Bedingungen seiner Krankenversicherung, für die er im Jahr<br />

mehrere tausend Franken bezahlt. Hier lohnt sich eine unabhängige Beratung.<br />

Die Krankenversicherung ist in der<br />

Wahrnehmung der Menschen<br />

oft eine heiklere Sache als beispielsweise<br />

eine Motorfahrzeug- oder<br />

eine Hausratversicherung. Da geht es<br />

um Sachwerte, hier geht es um die Gesundheit.<br />

Und die ist den meisten Menschen<br />

heilig und daher sehr viel wert –<br />

viel mehr als sie eigentlich müsste. «Die<br />

Erfahrung aus fast 20 Jahren Beratertätigkeit<br />

zeigt, dass über 50 Prozent der<br />

Krankenversicherten in der Schweiz<br />

zu viel Prämien im Jahr bezahlen», sagt<br />

Stephan M. Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung<br />

der Maklerzentrum Schweiz AG,<br />

dem grössten unabhängigen Versicherungsbroker<br />

im Bereich Privatkunden<br />

mit Sitz in Basel.<br />

Versicherte halten oft jahre- und jahrzehntelang<br />

an einmal geschlossenen<br />

Verträgen fest, obwohl sich die persönlichen<br />

Lebensumstände ebenso ändern<br />

wie die Produktvielfalt der Krankenversicherer.<br />

«Viele Menschen nehmen keinen<br />

Wechsel in der Grundversicherung<br />

vor, weil sie denken, dass es ihnen als<br />

Vorteil ausgelegt wird, wenn sie seit Jahr<br />

und Tag Kunde eines einzigen Anbieters<br />

sind», weiss Wirz. Oder sie fürchten<br />

einen Gesundheitscheck oder lästige<br />

Gesundheitsfragen, die bei einem<br />

Wechsel des Anbieters einer Zusatzversicherung<br />

oftmals verlangt werden. Vor<br />

allem aber scheuen die meisten Versicherten<br />

den Papierkram und die eigentliche<br />

inhaltliche Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema Krankenversicherung.<br />

Dieser Unmut ist angesichts der in den<br />

letzten Jahren gestiegenen Komplexität<br />

des Krankenversicherungsbereichs<br />

verständlich. Es gilt nicht mehr nur zwischen<br />

den Prämien in der Grundversicherung<br />

und den einzelnen Leistungen<br />

aus möglichen Zusatzversicherungen zu<br />

unterscheiden – schon die Wahl des Versicherungsmodells<br />

in der Grundversicherung<br />

ist kompliziert geworden. Zwar<br />

sind die Leistungen in der Grundversicherung<br />

gesetzlich geregelt und jeder<br />

Versicherer zur Übernahme der Kosten<br />

für diese Leistungen verpflichtet, aber<br />

die Anbieter haben im Rahmen der alternativen<br />

Versicherungsmodelle den gesetzlichen<br />

Spielraum genutzt und diese<br />

Leistungen an bestimmte Bedingungen<br />

geknüpft, die je nachdem höhere oder<br />

niedrigere Prämien zur Folge haben. So<br />

betragen die Prämienunterschiede in der<br />

Grundversicherung zwischen dem Standardmodell<br />

ohne Einschränkungen und<br />

dem Alternativmodell der telefonischen<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 68


Die Welten der Finanzen<br />

Kollektivvertrag<br />

Unternehmen haben im<br />

Bereich der Krankenkassen-<br />

Zusatzversicherungen die<br />

Möglichkeit, Kollektivverträge<br />

für ihre Beschäftigten abzuschliessen.<br />

Diese ermöglichen<br />

je nach Unternehmensgrösse und<br />

Versicherungsgesellschaft Rabatte<br />

von bis zu 25 Prozent auf die<br />

Prämien der Zusatzversicherungen<br />

und/oder erleichterte<br />

Aufnahmebedingungen.<br />

Die Versicherungslösung den Lebensumständen anpassen.<br />

Erstkonsultation je nach Versicherer teilweise<br />

bis zu 20 Prozent. «Für wen sich<br />

welches Modell eignet, kann nur in einer<br />

umfassenden Bedarfsanalyse geklärt<br />

werden», betont Stephan Wirz.<br />

Dieser unabhängige Versicherungsbroker<br />

hat sich mit seinen rund 170 Mitarbeitenden<br />

auf die Betreuung von Privat- und<br />

Unternehmenskunden in Krankenversicherungsfragen<br />

spezialisiert. «Da insbesondere<br />

im Krankenversicherungsbereich<br />

bei den meisten Gesellschaften<br />

ein kompetenter Aussendienst fehlt, war<br />

einer der wesentlichen Gründe für uns,<br />

die Maklerzentrum Schweiz AG aufzubauen»,<br />

führt Stephan Wirz weiter aus.<br />

Er ist Inhaber der eidgenössischen Fachausweise<br />

für Sozialversicherungen, Versicherungen<br />

und Finanzplanung. «Bei<br />

Kollektivlösungen für Unternehmenskunden<br />

sollte es eben auch um die einzelnen<br />

Versicherten gehen, daher legen wir als<br />

Spezialisten für Versicherungslösungen<br />

von Privatkunden genau auf den Einzelnen<br />

den Fokus.» Während der Agent einer<br />

Versicherungsgesellschaft naturgemäss<br />

vor allem die Produkte des eigenen<br />

Arbeitgebers im Detail kennt, überblickt<br />

der unabhängige Broker den gesamten<br />

Angebotsmarkt und kann das Leistungsspektrum<br />

der Versicherungen und daran<br />

geknüpfte Bedingungen zwischen allen<br />

Anbietern auf dem Markt vergleichen.<br />

Dabei geht es nicht nur um die Klärung<br />

der Frage, welches Versicherungsmodell<br />

von welchem Anbieter individuell<br />

am besten passt, sondern auch welche<br />

Franchise am meisten Sinn macht. Setzt<br />

man den Selbsthalt auf 300 Franken oder<br />

auf 2 500 Franken im Jahr, oder – für alle<br />

die, die es nicht genau wissen – wählt<br />

man die goldene Mitte von 1 500 Franken?<br />

«Mittlere Prämien sind meistens<br />

am ungünstigsten für den Versicherten»,<br />

räumt Wirz ein. Menschen, die häufig<br />

medizinische Leistungen in Anspruch<br />

nehmen, sind meistens mit dem tiefsten<br />

Selbstbehalt von 300 Franken am besten<br />

beraten, Menschen, die kaum je einen<br />

Arzt aufsuchen, mit der höchsten Franchise.<br />

Die Unbekannte in dieser Rechnung<br />

ist der persönliche Gesundheitszustand<br />

von morgen, den jeder für sich<br />

selbst einschätzen muss. Auch dabei<br />

hilft eine Beratung von ausserhalb. Die<br />

richtigen Fragen zu Lebenswandel und<br />

Ernährung ermöglichen es, sich selbst<br />

treffend einzuschätzen.<br />

«Beratung ist für uns mehr, als nur auszurechnen,<br />

mit welcher Prämie und<br />

Franchise man wie viel mehr oder weniger<br />

zahlt», erklärt Wirz. Es geht vor<br />

allem bei der Krankenversicherung um<br />

eine neutrale Auseinandersetzung mit<br />

der eigenen Gesundheit, dem Lebenswandel<br />

und den Zielen und Wünschen,<br />

die man im Leben noch hat. «Die Lebensumstände<br />

und die Prioritäten ändern<br />

sich im Laufe der Zeit, und dann<br />

sollte auch die Krankenversicherung angepasst<br />

werden», sagt Wirz. Beispielsweise<br />

wenn der eingefleischte Single<br />

Ende dreissig doch die Liebe seines<br />

Lebens getroffen hat und plötzlich das<br />

Heiraten und Eine-Familie-Gründen<br />

ganz oben auf seiner Wunschliste stehen,<br />

wo zuvor Reisen, Fallschirmspringen<br />

und Motorradfahren waren. «Nahezu<br />

die Hälfte unserer Beratungen sind<br />

Vertragsanpassungen und keine Neuabschlüsse»,<br />

bestätigt Wirz.<br />

Verdienen tut er an beiden. Als Versicherungsbroker<br />

erhält die Maklerzentrum<br />

Schweiz AG von den Versicherungsgesellschaften<br />

eine Provision, wenn sie<br />

deren Produkte verkauft. «Aber die Berater<br />

der Maklerzentrum Schweiz AG<br />

sind im Fixlohn angestellt, dies soll erst<br />

gar nicht den Verdacht aufkommen lassen,<br />

dass ein Berater die Produkte des<br />

Versicherers vorzieht, der die grosszügigste<br />

Provision leistet», erklärt Wirz.<br />

Klar sei aber, dass die Maklerzentrum<br />

Schweiz AG für ihre Dienstleistung durch<br />

deren Partnergesellschaften, also die<br />

Krankenversicherungsgesellschaften,<br />

entschädigt wird. Diese Entschädigung<br />

erfolgt sowohl für Neukunden als auch<br />

für Deckungsanpassungen und Vertragsverlängerungen.<br />

Die Höhe der Entschädigung<br />

hängt von den abgeschlossenen<br />

Verträgen ab. Der Vorteil dieses<br />

Systems ist, dass die Beratung für die<br />

Kunden nicht mit direkten Kosten verbunden<br />

ist. Indirekt zahlt natürlich jeder<br />

Versicherte diese Vertriebskosten der<br />

Versicherungsgesellschaften – ebenso<br />

wie er indirekt jeden Werbespot und jedes<br />

Kundenmagazin mit seinen Prämien<br />

berappt.<br />

Georg Lutz<br />

ist Chefredaktor von <strong>kmu</strong>RUNDSCHAU.<br />

www.maklerzentrum.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 69


Die Welten der Finanzen<br />

Bei Vorsorgemodellen die Situation analysieren und dem Kunden mögliche Lösungen anbieten.<br />

Generalunternehmerin in der Vorsorge<br />

Dienstleistungen aus einer Hand<br />

Interview mit Yves Fischli von Georg Lutz<br />

Die berufliche Vorsorge und mit ihr die Pensionskassen, Sammelstiftungen und schlussendlich ihre Kunden<br />

stehen unter Druck. Das betrifft nicht nur den demografischen Wandel. Wir fragten bei einem Experten aus der<br />

Vorsorgebranche nach.<br />

Können Ihre Anlageexperten noch ruhig<br />

schlafen?<br />

Ja, unser Team ist professionell aufgestellt<br />

und organisiert und hat die Kompetenzen,<br />

auch in turbulenten Zeiten mit<br />

einer ruhigen Hand zu agieren. Unsere<br />

Strategie basiert nicht auf kurzfristigen<br />

«Trends», sondern ist Risiko-adjustiert<br />

und langfristig.<br />

Da will ich gleich nachhaken. Besteht<br />

nicht die Gefahr angesichts der niedrigen<br />

Zinsen, der drohenden Franken-Euro-Parität<br />

und der noch nicht<br />

ausgestandenen Finanzkrise, dass zu<br />

hohe Risiken eingegangen werden?<br />

Auf den ersten Blick besteht sicherlich<br />

ein gewisser Zwang für Vorsorgeeinrichtungen,<br />

höhere Risiken einzugehen. In<br />

der Folge heisst dies, dass man in Anlageformen<br />

mit einer höheren Risikoklasse<br />

investieren muss. Wir sehen die Gefahr<br />

auch. Unsere Strategien waren und sind<br />

jedoch risikoscheu und tragen somit der<br />

heutigen Situation Sorge. Die Portfolios<br />

sind sehr gut diversifiziert aufgestellt,<br />

und wir streben schon seit längerer Zeit<br />

den Einklang zwischen Risiko, Ertrag wie<br />

Kosten an. Aus diesem Grund arbeiten<br />

unsere Anlage- und Pensionskassenexperten<br />

Hand in Hand, was unsere<br />

Struktur als Tellco Vorsorge AG möglich<br />

macht. Wir mussten so nicht wie andere<br />

Mitbewerber strategische Anpassungen<br />

aufgrund der Franken-Euro-Parität oder<br />

diverser wirtschaftspolitischer Turbulenzen<br />

vornehmen, da wir von jeher dynamische,<br />

Risiko-adjustierte Strategien<br />

wie Taktik für Vorsorgeeinrichtungen<br />

anbieten wie vertreten.<br />

In Ihrem Hause ist das fast schon eingepreist?<br />

Formulieren wir es so: Wir sind gut vorbereitet.<br />

Selbstverständlich gibt es bei<br />

uns auch wöchentliche Sitzungen mit<br />

den Anlageexperten und quartalsweise<br />

mit dem Investmentkomitee. Hier werden<br />

die strategischen Ausrichtungen auf<br />

Herz und Nieren geprüft.<br />

Wagen wir noch einen Blick auf das<br />

Big Picture. Das Modell der drei Säulen<br />

wird international gelobt, steht<br />

aber trotzdem unter Druck, zum Beispiel<br />

wegen der demografischen Entwicklung.<br />

Wir haben dazu in der letz­<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 70


Die Welten der Finanzen<br />

ten Ausgabe eine Debatte geführt. Wie<br />

sehen Sie die Situation?<br />

Die demografische Entwicklung betrifft<br />

uns alle. Wir versuchen, mit unseren Fachexperten<br />

für unsere Kunden den besten<br />

Weg zu finden. Dies auf der Aktiv- wie<br />

Passivseite. Eine politische Diskussion<br />

für die Zukunft bringt unsere Kunden<br />

nicht weiter. Wir analysieren mit unseren<br />

Kunden die Situation und bieten mögliche<br />

Lösungen an. Diese ist sehr pragmatisch<br />

und in der Sprache unserer Kunden.<br />

Beim Thema demografische Kurve<br />

und dem Thema der Überalterung der<br />

Gesellschaft gehen da schnell einige<br />

emotionale Pferde durch …<br />

Bei uns nicht. Es gilt allerdings hier, vorausschauend<br />

zu agieren. Das betrifft vor<br />

allem Sammelstiftungen wie aber auch<br />

firmeneigene Pensionskassen. Innerhalb<br />

einer Sammelstiftung ist eine gewisse<br />

Diversifikation auch innerhalb der angeschlossenen<br />

Gesellschaften und somit<br />

auch bei den Versicherten anzustreben.<br />

Bei firmeneigenen Pensionskassen ist<br />

meist der Weg zu einer neuen Struktur<br />

nötig. Hier emotional zu handeln wäre<br />

somit falsch. Man muss die Lage abschätzen<br />

und eine nachhaltige Lösung<br />

suchen und sie so dann auch umsetzen.<br />

Sie suchen folgerichtig Unternehmen<br />

aus dem Dienstleistungsbereich?<br />

Nicht nur, es ist für eine Sammelstiftung<br />

wichtig, dass sie eine gewisse Diversifikation<br />

auch in den Branchen aufweist. Industriegesellschaften<br />

zum Beispiel haben<br />

aufgrund der Vergangenheit ein höheres<br />

Durchschnittsalter als in der IT-Branche.<br />

Ein somit nachhaltiges Wachstum ist für<br />

eine Sammelstiftung sehr wichtig, dies<br />

immer mit der Prüfung der Risiken auf<br />

der Anlage- wie Passivseite.<br />

Wie sieht die Situation von der regulatorischen<br />

Seite aus? Hier werden die<br />

Hürden doch auch höher?<br />

Der Druck der Regulatoren wird steigen.<br />

Unsere Vorsorgelösungen berücksichtigen<br />

aber das schon heute. Wir bieten<br />

unseren Kunden weiterhin die autonome<br />

Lösung als firmeneigene Pensionskasse<br />

an oder den Anschluss an eine Sammelstiftung.<br />

Bei den Sammelstiftungen kann<br />

die gesamte Aufgabe übergeben werden<br />

oder aber auch eine gewisse Teilautonomie<br />

bewahrt bleiben (Anlagen, Depotbank,<br />

Rückversicherung oder gewisse<br />

technische Grundlagen). Wichtig ist,<br />

dass man dem Kunden alle Möglichkeiten<br />

erläutern kann, dass somit auch der<br />

für die Gesellschaft richtige Entscheid gefällt<br />

wird. Wir als Generalunternehmerin<br />

in der Vorsorge sind somit die korrekte<br />

Ansprechpartnerin, um die nötigen Möglichkeiten<br />

aufzeigen zu können.<br />

Die höheren Herausforderungen können<br />

viele nicht mehr stemmen. Das<br />

Pensionskassensterben und Fusionierungen<br />

gehen weiter. Sie selbst haben<br />

diesen Sommer wieder eine andere<br />

Pensionskasse an Bord geholt. Wo und<br />

wann ist das Ende dieser Entwicklung<br />

zu sehen?<br />

Es gibt ganz klar die Tendenz einer<br />

Schrumpfung der Anzahl der Pensionskassen,<br />

insbesondere der firmeneigenen<br />

Pensionskassen. Die meisten schliessen<br />

sich einer Sammelstiftung an. Dort ist es<br />

sicher wichtig, variable Möglichkeiten<br />

zu haben. Ich glaube aber auch, dass<br />

«Wichtig ist,<br />

dass man dem<br />

Kunden alle<br />

Möglichkeiten<br />

erläutern<br />

kann.»<br />

grössere Gesellschaften weiterbestehen<br />

müssen. Der Kunde soll weiter die Möglichkeit<br />

haben, zwischen unterschiedlichen<br />

Kassen auszuwählen. Einheitskassen<br />

sind für mich nicht zielführend und<br />

stellen keine Lösung dar.<br />

Oftmals wird Pensionskassen Intransparenz<br />

vorgeworfen. Wie gehen Sie<br />

diese Hürde strukturell an?<br />

Wir halten uns an die Vorschriften des<br />

Regulators und versuchen, unsere Kunden<br />

in einem komplexen Markt fortlaufend<br />

aufzuklären. Der Vergleich von verschiedenen<br />

Vorsorgeeinrichtungen wird<br />

nie einfach sein und ist schwer umsetzbar,<br />

da verschiedene Kennzahlen wie<br />

technische Grundlagen nicht so einfach<br />

eins zu eins verglichen werden können.<br />

Die Zusammenhänge müssen ebenso<br />

hervorgehoben werden wie die Risiken<br />

seitens der Anlagen wie der Passivseite.<br />

Was würde, auf die Situation von Pensionskassen<br />

bezogen, der Satz «Der<br />

Kunde ist König» bedeuten?<br />

Es gibt hier keine Unterschiede wie bei<br />

anderen Branchen. Man muss auf den<br />

Kunden eingehen, ihn ernst nehmen und<br />

mit einer verständlichen Lösung abholen.<br />

Dies als Partnerschaft für eine lange<br />

Frist. Wir sind eine KMU. Wir haben die<br />

gleichen Herausforderungen wie KMU-<br />

Unternehmungen. Somit kennen wir die<br />

Probleme der KMU-Verantwortlichen.<br />

Wir sind ein Generalunternehmen und<br />

können so auch alle Bedürfnisse abdecken<br />

und sprechen die gleiche Sprache<br />

wie unsere Kunden. Ich glaube, dass<br />

wir hier den Mehrwert schaffen, dass<br />

wir eine Beratung aus einem Hause für<br />

unsere Partner wie Kunden anbieten<br />

können und unsere Mitarbeiter die Bedürfnisse<br />

der Kunden kennen und gemeinsam<br />

Lösungen gefunden werden.<br />

Was heisst das konkret für ein Beratungsgespräch<br />

mit einem Kunden?<br />

Wir legen dem Kunden konkrete Referenzbeispiele<br />

vor, die zu ihm passen und<br />

an denen er sich orientieren kann. Dies<br />

wird lediglich erreicht, indem man auf die<br />

Bedürfnisse eingeht und die Erfahrungswerte<br />

miteinbezieht. So entsteht das nötige<br />

Vertrauen wie Sicherheit. Der Kunde<br />

lässt sich bei uns nicht auf Tests ein. Wir<br />

selbst haben eine eigene IT-Abteilung.<br />

Das heisst, wir können flexible, spezielle<br />

Lösungen für unsere Kunden kreieren wie<br />

anbieten, und sie sind so nicht von starren<br />

Strukturen abhängig. Ich bin überzeugt,<br />

dass wir der richtige Partner für gemeinsame,<br />

zukünftige Lösungen der Vorsorgewerke<br />

sind.<br />

ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der<br />

Tellco Vorsorge AG.<br />

www.tellco.ch<br />

Yves Fischli<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 71


Unternehmen unterwegs<br />

Transparente Kommunikation zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer vermeidet böse Überraschungen.<br />

Die richtige Wahl<br />

So leasen Sie einen Geschäftswagen<br />

von Beat Imwinkelried<br />

Das Leasing von Firmenfahrzeugen ist populär, weil es mit günstigen Konditionen lockt, somit die Liquidität der<br />

Firma schont und ihr Steuervorteile bringt. Doch es birgt auch Risiken und kann am Ende teuer werden. Worauf ist<br />

bei dieser Finanzierungsform unter anderem zu achten?<br />

Warum stehen gerade bei kleinen<br />

Unternehmen immer noch viele<br />

privat gekaufte Fahrzeuge auf<br />

dem Firmenparkplatz? Die Vorteile von<br />

Leasing und Flottenmanagement liegen<br />

doch auf der Hand. Die Antwort: Manchmal<br />

knirscht es zwischen Leasinggeber<br />

und Leasingnehmer. Im Folgenden stelle<br />

ich die zentralen Fragen und gebe Antworten<br />

darauf, die aufzeigen, wie solche<br />

Konflikte zu vermeiden sind.<br />

Warum gibt es am Vertragsende oft<br />

Streit beim Leasing?<br />

Meist stimmt der Restwert des Autos<br />

nicht mehr, weil zu Vertragsbeginn der<br />

Restwert mit anderen Annahmen kalkuliert<br />

wurde, der Markt sich geändert hat<br />

oder Schäden den Wiederverkauf erschweren.<br />

Wenn der Restwert des Autos<br />

nicht mit der kalkulierten Annahme<br />

übereinstimmt, hat in der Regel der Leasinggeber<br />

ein Problem. Doch nicht jeden<br />

Mangel und jede Instandsetzung<br />

muss man zahlen. Wer sich im Vorfeld<br />

gut informiert und mit der Leasingfirma<br />

klare Regeln festhält, kann Streit aus<br />

dem Weg gehen. Der Kunde sollte sich<br />

den richtigen Leasingpartner suchen,<br />

welcher auch am Ende des Vertrages<br />

fair abrechnet. Die günstigste Offerte zu<br />

Beginn ist oft nicht der beste Leasingvertrag<br />

bei Vertragsende.<br />

Haftet der Kunde immer für den Restwert?<br />

Nein, ganz und gar nicht. Dies hängt vom<br />

gewählten Vertragsmodell ab. Das Restwertrisiko<br />

liegt beim geschlossenen Vertrag<br />

in der Regel beim Leasinggeber. Bei<br />

einer offenen Kalkulation liegt das Risiko<br />

meistens beim Kunden. Nachzahlungen<br />

werden jedoch bei Mehrkilometern oder<br />

Schäden fällig. Kleine Dellen fallen oft<br />

unter die vertragsgemässe Abnutzung.<br />

Welche Schäden muss der Kunde<br />

zahlen?<br />

Nicht alle Schäden müssen die Kunden<br />

begleichen. Es existieren in Europa<br />

bereits Urteile, die leichte Lackkratzer<br />

sowie Beulen als typische Gebrauchsspuren<br />

einstufen und sie somit als vertragsgemässe<br />

Abnutzung ansehen.<br />

Zudem trägt der Leasinggeber die Beweislast<br />

für angeblich übermässige Abnutzung.<br />

Mittlerweile haben viele Leasing-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 72


Interessante Fakten zum<br />

Firmenfahrzeugmarkt<br />

Der Firmenwagen bleibt der<br />

beliebteste Anreiz im Arbeitsbereich<br />

und spielt für die<br />

Motivation eine grosse Rolle. Nach<br />

wie vor finden sich die meisten<br />

Fahrzeugnutzer im mittleren und<br />

oberen Management. Frauen<br />

bestellen in der Regel günstigere<br />

Dienstwagen: Während in<br />

Deutschland weibliche Führungskräfte<br />

Autos für rund 39’000 Euro<br />

wählen, beträgt die Summe bei<br />

männlichen Vorgesetzten etwa<br />

48.000 Euro. In der Schweiz dürften<br />

die Verhältnisse etwas ähnlich sein.<br />

Neben Vertriebsfachkräften fahren<br />

vor allem Fachkräfte aus dem<br />

Bereich Technik, IT und Personalwesen<br />

einen Firmenwagen. Obwohl<br />

im Finanzwesen weniger oft<br />

Dienstautos genutzt werden,<br />

findet man hier Fahrzeuge von<br />

überdurchschnittlich hohem<br />

Wert. Das zeigt sich vor allem bei<br />

Banken: Hier werden die teuersten<br />

Firmenwagen gefahren – dicht<br />

gefolgt von der Autobranche und<br />

Wirtschafts- und IT-Beratungsfirmen.<br />

VW, Audi, BMW und Mercedes<br />

bleiben die Markenfavoriten bei<br />

Firmenwagennutzern in den<br />

Chefetagen. Die Marke Skoda hat<br />

stark aufgeholt und wird heute von<br />

Mitarbeitern aus Technik,<br />

Produktion und Verkauf oft sogar<br />

favorisiert.<br />

anbieter im Gewerbebereich Kataloge<br />

entwickelt, die transparent aufzeigen,<br />

welche Schäden normale Abnutzung<br />

sind und welche nicht.<br />

Wie kann man Nachzahlungen vermeiden?<br />

Offensichtliche Mängel sollte man frühzeitig<br />

reparieren lassen. Werden sie bei<br />

der Autorückgabe entdeckt, kann man<br />

sie in der Regel nicht mehr selbst beheben<br />

lassen, und dann werden sie nachbelastet.<br />

Worauf kommt es bei der Autorückgabe<br />

an?<br />

Die Leasingfirma möchte die Übergabe<br />

gerne genau dokumentieren (Übergabeprotokoll).<br />

Nehmen Sie sich diese Zeit.<br />

Die saubere Dokumentation der Übergabe<br />

hilft, Streit und unerwarteten Forderungen<br />

aus dem Weg zu gehen. Alle<br />

Schäden müssen aufgenommen und<br />

konkret bezeichnet werden. Wer Auseinandersetzungen<br />

befürchtet, kann<br />

vor dem Rückgabetermin bei Sachverständigen<br />

eine Bewertung oder Prüfung<br />

machen lassen. Das hilft, unerwarteten<br />

Forderungen vorzubeugen. Auch wichtig:<br />

Der Gutachter sollte bei der Autorückgabe<br />

vertragsgemässe Abnützungen<br />

von den Mängeln trennen.<br />

Kann man zum Autokauf gezwungen<br />

werden?<br />

Je nach Vertrag. Deshalb Vorsicht bei<br />

Verträgen, wo das Modell nicht klar festgelegt<br />

ist.<br />

Sind Leasingverträge vorzeitig kündbar?<br />

Im Prinzip ja, zum Beispiel wenn sich<br />

eine der beiden Parteien nicht an die<br />

vertraglichen Verpflichtungen hält. So<br />

kann zum Beispiel der Leasinggeber eine<br />

Kündigung aussprechen und den Schadenersatz<br />

verlangen, wenn der Kunde<br />

mit einer gewissen Anzahl Raten im Verzug<br />

ist. Eine vorzeitige Vertragsauflösung<br />

ist in der Regel mit zusätzlichen<br />

Kosten verbunden. Mittlerweile bieten<br />

einige Leasinggeber spezielle Klauseln<br />

zum Ausstieg oder zu Änderungen der<br />

Vertragslaufzeit an. Doch die Modalitäten<br />

sind unterschiedlich und sollten vor<br />

Leasingbeginn geprüft werden.<br />

Worauf ist bei den beliebten Full-Service-Verträgen<br />

im Leasing zu achten?<br />

Wichtig ist, welche Leistungen geboten<br />

werden. Denn es kann vorkommen,<br />

dass ein gängiger Schaden als aussergewöhnliche<br />

Nutzung oder Gewaltschaden<br />

eingestuft und nicht übernommen<br />

wird. Auch bei der Reifenklausel gibt es<br />

Unterschiede. Neben den Kosten für<br />

die Ersatzbereifung sollten auch das<br />

Wechseln, Auswuchten und Einlagern<br />

der Pneus über den Vertrag gedeckt<br />

sein. Da Full-Service-Verträge einiges an<br />

Kosten verursachen, bieten die Leasinggesellschaften<br />

zwei Abrechnungsmöglichkeiten<br />

an. Bei der geschlossenen<br />

Kalkulation vereinbaren Leasinggeber<br />

und Kunde eine monatliche Rate, die<br />

während der gesamten Vertragslaufzeit<br />

Unternehmen unterwegs<br />

konstant bleibt. Das verschafft Planungssicherheit.<br />

Bei der offenen Kalkulation<br />

dagegen bleibt das Kostenrisiko<br />

beim Kunden – die Abrechnung kommt<br />

am Ende. Entweder wartet eine Rückerstattung<br />

oder eine Nachzahlung auf<br />

den Kunden.<br />

Wie lange sollte ein Full-Service-Leasing<br />

dauern?<br />

Das hängt vom Fahrzeugrestwert und<br />

von den Reparaturkosten ab. Das Auto<br />

büsst in den ersten Jahren überproportional<br />

viel an Wert ein, während die Reparaturkosten<br />

mit dem Alter zunehmend<br />

steigen. Ausserdem ist die geplante jährliche<br />

KM-Leistung ein zentraler Bestandteil<br />

für die Laufzeit. Statistiken sprechen<br />

nach drei bis vier Jahren von einem optimalen<br />

Ersatzzeitpunkt, an dem die Addition<br />

von Wertverlust und Reparaturaufwendung<br />

am niedrigsten ist. Jedoch ist<br />

der richtige Zeitpunkt vom Modell abhängig,<br />

deshalb sollte der Leasinggeber<br />

Angebote für verschiedene Laufzeiten<br />

machen. Tendenziell gehen die Laufzeiten<br />

heute in Richtung 48 bis 60 Monate.<br />

Sind steuerliche Aspekte zu beachten?<br />

Da gibt es von mir ein klares Ja. Die<br />

steuerliche Behandlung von Geschäftsfahrzeugen<br />

ist in jedem Land unterschiedlich.<br />

Auch in der Schweiz gibt es<br />

zwischen den Kantonen unterschiedliche<br />

Behandlungen. Diese Aspekte sollten<br />

in jedem Fall gut geprüft und allenfalls<br />

mit der Revisionsstelle oder dem<br />

Steuerberater analysiert werden.<br />

Beat Imwinkelried<br />

ist VR-Delegierter und Geschäftsführer<br />

der Auto-Interleasing AG.<br />

www.auto-interleasing.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 73


Unternehmen unterwegs<br />

Professionelle Anbieter können den bürokratischen Aufwand bei Grenzgängern mit Unternehmensfahrzeugen mindern.<br />

Viele offene Fragen<br />

Die neue Regelung für Firmenfahrzeuge von Grenzgängern<br />

von Martin Erb<br />

Anfangs mehr eine Randnotiz – seit einigen Wochen ein Topthema in vielen Personalabteilungen, Steuerberatungskanzleien<br />

bei Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatungen. Es geht um Grenzgänger, die vom Unternehmen<br />

gestellte Fahrzeuge benutzen. Hier gibt es eine neue europäische Rechtsgrundlage, und die Verwirrung ist gross.<br />

Die seit 1. Mai <strong>2015</strong> wirksam gewordene<br />

Durchführungsverordnung<br />

(EU, <strong>2015</strong>/234 vom 13.02.<strong>2015</strong>)<br />

schränkt die steuer- und zollfreie Nutzung<br />

von in der Schweiz zugelassenen<br />

Firmenfahrzeugen für Arbeitnehmer mit<br />

Wohnsitz in europäischen Nachbarländern<br />

dramatisch ein. Konnten Mitarbeitende<br />

von Schweizer Unternehmen, die<br />

in Italien, Österreich, Frankreich oder<br />

Deutschland wohnen, bis Ende April völlig<br />

unbekümmert und uneingeschränkt<br />

ihr Schweizer Firmenfahrzeug geschäftlich<br />

wie privat über die Landesgrenzen<br />

hinweg nutzen, hat die EU-Bürokratie<br />

nun erhebliche formale und finanzielle<br />

Hürden geschaffen.<br />

Wird das in der Schweiz zugelassene<br />

Firmenfahrzeug von im Ausland wohnenden<br />

Mitarbeitenden auch für private<br />

Fahrten genutzt, was viele Unternehmen<br />

als Teil des Lohns vertraglich zugesichert<br />

haben, so fallen seit dem 1. Mai <strong>2015</strong><br />

für diese Nutzung erhebliche Kosten an.<br />

Alternativ kann die private Nutzung auf<br />

die direkten Fahrten zwischen Wohnung<br />

und Arbeitsstätte eingeschränkt werden.<br />

Wir erachten das als heikel. Einerseits<br />

ist die Gefahr gross, dass der Mitarbeitende<br />

sich doch mal eine kleine Ausnahme<br />

zugesteht, und anderseits wirft<br />

diese Einschränkung die Frage auf, wie<br />

dieser nun wegfallende Lohnanteil kompensiert<br />

werden kann.<br />

Die Neuregelung ist nun in Kraft, und<br />

viele Unternehmen fragen sich: Was für<br />

Alternativen gibt es, und wie sind diese<br />

zu bewerten?<br />

Um es vorweg zu nehmen: Diese Fragen<br />

können zum heutigen Zeitpunkt noch<br />

nicht abschliessend beantwortet werden.<br />

Bei den meisten Firmen sind in der<br />

Zwischenzeit Millionenbeträge an Beratungshonoraren<br />

geflossen, und/oder<br />

unternehmensinterne Fachstellen haben<br />

viele Stunden in Recherchen und Abklärungen<br />

aufgewendet. Die Verunsicherung<br />

bleibt aber trotzdem gross und das<br />

hat mehrere Gründe:<br />

1. Die betroffenen Steuer- und Zollverwaltungen<br />

auf beiden Seiten der<br />

Grenzen sind nicht gut auf die Neuregelung<br />

vorbereitet. Es kommt innerhalb der<br />

Verwaltungen immer wieder zu widersprüchlichen<br />

Aussagen und unterschiedlichen<br />

Interpretationen der Rechtslage.<br />

2. Einige Länder haben sich seitens<br />

der Verwaltungen noch gar nicht positioniert,<br />

was den Beamten vor Ort grossen<br />

Interpretationsspielraum lässt und es<br />

Betroffenen nahezu unmöglich macht, eigene<br />

Rechte wirksam geltend zu machen.<br />

3. Die nationalen Verwaltungen innerhalb<br />

der EU-Staaten haben kein harmonisiertes<br />

Steuerrecht, was insbesondere<br />

die Handhabung der Umsatzsteuer –<br />

die den grössten Teil der möglichen Kostenbelastung<br />

ausmacht – erheblich verkompliziert.<br />

Das, was in Deutschland<br />

hinsichtlich der Umsatzsteuer gilt, gilt<br />

nicht gleichermassen in Frankreich und<br />

schon gar nicht in Italien.<br />

Ein Beispiel und seine Hürden<br />

Das Unternehmen XY beschäftigt einen<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 74


Kadermitarbeiter mit Wohnsitz in Deutschland<br />

und hat diesem Mitarbeiter einen<br />

Dienstwagen auch zur privaten Nutzung<br />

zur Verfügung gestellt. Was ist nun zu tun,<br />

wenn das Fahrzeug wie bisher vom Mitarbeiter<br />

genutzt werden soll?<br />

Das Fahrzeug muss offiziell in Deutschland<br />

zum «freien Verkehr» angemeldet<br />

werden. Dies wiederum zieht Folgendes<br />

nach sich:<br />

1. Der Zeitwert des Fahrzeugs muss<br />

mittels Expertise (zum Beispiel<br />

Euro tax) ermittelt werden.<br />

2. Erstellen einer Proforma-Rechnung<br />

über den Zeitwert.<br />

3. Das Unternehmen muss eine sogenannte<br />

EORI-Registrierung beantragen<br />

(falls noch nicht vorhanden).<br />

4. Für innerhalb der EU produzierte<br />

Fahrzeuge sollte eine Warenverkehrsbescheinigung<br />

(EUR.1) beim<br />

Hersteller oder Importeur beantragt<br />

werden.<br />

5. Zoll-Versteuerungsdeklaration (Formular<br />

für die Verzollung).<br />

6. Das Fahrzeug muss beim Zollamt<br />

vorgeführt werden.<br />

7. Die Zollunterlagen sind stets im<br />

Fahrzeug mitzuführen, damit bei allfälligen<br />

Kontrollen der Nachweis der<br />

Verzollung erbracht werden kann.<br />

8. Eine Kopie des Arbeitsvertrags oder<br />

der Nutzungsüberlassungsvereinbarung<br />

ist ebenfalls mitzuführen,<br />

damit der Fahrer sich als «berechtigter<br />

Nutzer» ausweisen kann.<br />

Mit welchen Kosten ist nun zu rechnen?<br />

Spielt man Fallbeispiele durch, lässt sich<br />

folgende zusammenfassende These wagen:<br />

Für durch deutsche oder französische<br />

Mitarbeiter genutzte und in der<br />

EU produzierte Fahrzeuge fällt ein hoher<br />

Verwaltungsaufwand an, für die Verzollung<br />

entstehen am Ende aber weder Zoll<br />

noch Einfuhrumsatzsteuer. Anders sieht<br />

es für ausserhalb der EU produzierte<br />

Fahrzeuge aus. Für einen BMW X 5, der<br />

in den USA produziert wird, fallen zehn<br />

Prozent Zoll vom Zeitwert an.<br />

Zuständigkeiten beachten<br />

Bei geleasten Fahrzeugen müssen die<br />

Zoll- und Steuerformalitäten durch die<br />

Leasinggesellschaft vorgenommen werden.<br />

Diese entrichten auch die Zölle und<br />

Steuern, belasten sie ihren Kunden aber<br />

weiter, sofern keine Erstattungsmöglichkeiten<br />

bestehen.<br />

Ob das Fahrzeug innerhalb der EU produziert<br />

wurde, kann nur der Importeur<br />

bescheinigen. Zwischenzeitlich werden<br />

auch zahlreiche Modelle asiatischer<br />

oder auch amerikanischer Hersteller in<br />

einem EU-Land produziert. Oder eben<br />

auch umgekehrt – wie das Beispiel des<br />

BMW X 5 zeigt – werden Fahrzeuge europäischer<br />

Hersteller ausserhalb der EU<br />

produziert.<br />

Für die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer<br />

ist eine steuerliche Registrierung<br />

in Deutschland erforderlich, und das Unternehmen<br />

muss steuerpflichtige Umsätze<br />

innerhalb Deutschlands generieren.<br />

Umsätze im Sinne des Gesetzes<br />

generiert ein Unternehmen aber alleine<br />

schon durch den Umstand, dass sein<br />

Mitarbeiter in Deutschland wohnt und<br />

ein Firmenfahrzeug auch privat nutzt.<br />

Dann wird nämlich Umsatzsteuer auf<br />

den sogenannten geldwerten Vorteil<br />

fällig – und zwar in der Schweiz und<br />

in Deutschland. Im Gegenzug können<br />

die Unternehmen dadurch aber die Einfuhrumsatzsteuer<br />

für das Fahrzeug zurückerstattet<br />

bekommen, auch wenn sie<br />

ansonsten keine in Deutschland umsatzsteuerpflichtigen<br />

Geschäfte tätigen.<br />

Unterschiede beachten<br />

Wirtschaftspolitisch ist das Szenario ein<br />

Armutszeugnis: viel Aufwand auf beiden<br />

Seiten, mit hohen Verwaltungskosten<br />

und kaum oder geringen Einnahmen<br />

für den Staat.<br />

In der Praxis stellt sich die Situation in<br />

Frankreich und in Italien etwas anders<br />

dar. Hinsichtlich des Zolls sind die Bestimmungen<br />

identisch. Hinsichtlich der<br />

Einfuhrumsatzsteuer gibt es aber erhebliche<br />

Unterschiede. Neben den unterschiedlichen<br />

Hebesätzen (Österreich<br />

und Frankreich 20 Prozent, Italien 22 Prozent)<br />

regeln diese Länder die Möglichkeit<br />

zur Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer<br />

unterschiedlich.<br />

Alle Einzelheiten, Ausnahmeregelungen<br />

und Besonderheiten darzustellen, würde<br />

den Umfang dieses Artikels sprengen.<br />

Wir empfehlen allen betroffenen Unternehmen,<br />

erfahrene Dienstleistungsunternehmen<br />

zur Erledigung der Formalitäten<br />

einzuschalten. Die anfallenden<br />

Gebühren werden nur einen Bruchteil<br />

der Kosten ausmachen, die anfallen,<br />

wenn man sich selbst durch den Behördendschungel<br />

kämpft.<br />

Unternehmen unterwegs<br />

Aufgrund der eingangs geschilderten<br />

Umstände haben führende Leasinggesellschaften<br />

eine Arbeitsgruppe gebildet,<br />

um schnellstmöglich einen verbindlichen<br />

Überblick zur Situation in den<br />

einzelnen Nachbarländern zu erhalten.<br />

Viele Betroffene haben in den letzten<br />

Wochen mit Recht mehr oder weniger<br />

grossen Verdruss über die Regelungen<br />

entwickelt, was die Einschätzungen gegenüber<br />

der EU sicher nicht verbessert.<br />

Der Fairness halber muss aber gesagt<br />

werden, dass die EU in diesem Jahr erst<br />

das nachgeholt hat, was die Schweizer<br />

Zollbehörden schon seit vielen Jahren<br />

mit aller Konsequenz praktizieren. Deshalb<br />

ist es auch keine Lösung für die<br />

Betroffenen, die Fahrzeuge in Deutschland<br />

oder Frankreich einzulösen oder<br />

Mitarbeitern anstatt des Dienstwagens<br />

eine Entschädigung zu bezahlen, um<br />

auf ein Privatauto umzusteigen. Ein im<br />

Ausland zugelassenes Fahrzeug darf<br />

innerhalb der Schweiz nicht durch einen<br />

Mitarbeiter eines Schweizer Unternehmens<br />

dienstlich genutzt werden. Es fallen<br />

dann sofort Schweizer Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer<br />

an.<br />

Wir möchten den Unternehmen weiter<br />

davon abraten, es «darauf ankommen»<br />

zu lassen und nichts zu tun. Eine Missachtung<br />

der Regelungen stellt ein Zollund<br />

Steuervergehen dar, das strafrechtliche<br />

Konsequenzen haben kann. Darüber<br />

hinaus sind bereits erste Fälle aufgetreten,<br />

bei denen Fahrzeuge beschlagnahmt<br />

wurden und erst nach mehreren<br />

Wochen und erfolgter Verzollung wieder<br />

ausgehändigt wurden.<br />

ist Managing Director der Alphabet<br />

Fuhrparkmanagement (Schweiz) AG.<br />

www.alphabet.ch<br />

Martin Erb<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 75


IT-Sicherheit<br />

Highlight<br />

Ein Server hat die Kontrolle.<br />

Einer für alle – alle für einen<br />

IT-Sicherheit mit Musketier-Effekt<br />

von Andrej Massaro<br />

Tradition ist gut und notwendig. Das gilt auch für IT-Sicherheitslösungen. Ohne die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte<br />

wären Infrastrukturen bei Weitem nicht so gut geschützt, wie sie es heute sind. Allerdings ist das alleinige<br />

Vertrauen auf traditionelle Wege eine Sackgasse. Es müssen neue Wege gefunden werden, modernen Hackerangriffen<br />

einen Riegel vorzuschieben und sich für die Herausforderungen durch immer weiter auflösende Peripherien sowohl<br />

in der Geschäfts- als auch Alltagswelt zu wappnen.<br />

Dass wir gerade jetzt an einem<br />

Scheideweg in Sachen IT-Sicherheit<br />

stehen, zeigen die immer<br />

häufigeren Schlagzeilen über gross angelegte<br />

Cyberattacken oder die Diskussion<br />

über Sinn und Unsinn von dedizierten<br />

Antivirenprogrammen. Egal, ob<br />

Sony oder Deutscher Bundestag, selbst<br />

Systeme, bei denen man getrost davon<br />

ausgehen darf, dass State-of-the-Art-<br />

Lösungen im Einsatz sind, lassen zu<br />

viele Lücken zu. Erkennungsraten top,<br />

die Firewall perfekt eingerichtet, Technologien<br />

wie Advance Threat Protection<br />

installiert – und dennoch Einbrüche über<br />

den Onlinekanal? «Wie kann das sein?»,<br />

werden sich viele fragen. Die Antwort ist<br />

recht einfach. Während bislang mit den<br />

traditionellen Herangehensweisen Hacker<br />

meist ausreichend in die Schranken<br />

gewiesen werden konnten, hat sich<br />

auch der Cyberkriminalismus weiterentwickelt<br />

und ist sehr viel versatiler geworden.<br />

Und genau jene Flexibilität macht<br />

den traditionellen Sicherheitssystemen<br />

zu schaffen, da ihnen die Schwarmintelligenz<br />

fehlt. Sämtliche Funktionen für<br />

sich gesehen funktionieren einwandfrei,<br />

aber entscheidend ist heute, dass alle<br />

diese Systeme intelligent miteinander<br />

verknüpft sind, miteinander kommunizieren.<br />

Nur so lassen sich die Lücken<br />

zwischen den Lösungen schliessen und<br />

die immer ausgeklügelteren Attacken erfolgreich<br />

abblocken. Denn was nutzen<br />

die besten Erkennungsraten des Antivirensystems,<br />

wenn der Schädling über<br />

andere Wege ins System eindringt und<br />

unerkannt sein Werk vollbringen kann?<br />

Das Wanken stoppen<br />

Die Nutzung neuer Technologien wie<br />

Cloud, Big Data sowie die Möglichkeit,<br />

verschiedene IT-Security-«Silos»<br />

(zum Beispiel Netzwerk, Endpoint, Mobile)<br />

miteinander zu verknüpfen, bietet<br />

enorme Möglichkeiten. Aus diesem<br />

Grund müssen innovative IT-Security-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 76


IT-Sicherheit<br />

1. Sicherheit muss umfassend sein:<br />

Eine Lösung muss alle Funktionen beinhalten,<br />

die notwendig sind, um die Sicherheitsanforderungen<br />

gänzlich zu erfüllen<br />

– egal, ob Netzwerk, Server oder<br />

Nutzer.<br />

2. Sicherheit muss<br />

einfach zu managen sein:<br />

Diese Einfachheit darf sich nicht auf einzelne<br />

Bereiche beschränken, sondern<br />

muss sich auf alle Aspekte der Lösung<br />

erstrecken, u. a. auf die Bereitstellung,<br />

Verwaltung, Lizenzierung, den Support<br />

und die Bedienung.<br />

3. Sicherheit ist effektiver im Teamplay:<br />

Wenn Technologiekomponenten kommunizieren<br />

und kooperieren, anstatt isoliert<br />

voneinander zu agieren, ergeben<br />

sich ganz neue Möglichkeiten.<br />

Eine echte Sicherheitsintegration<br />

Wir alle kennen die Vorteile einer Integration<br />

mehrerer Produkte in eine<br />

zentrale Management-Konsole: Kostensenkungen,<br />

einheitlichere Richtliniendurchsetzung<br />

und einfachere Verwaltung.<br />

Eine echte Integration sollte<br />

aber auch den Schutz verbessern. Herkömmliche<br />

mehrschichtige Sicherheit<br />

gleicht einem Bürogebäude, das von<br />

zwei Wachmännern gesichert wird: einer<br />

draussen und einer drinnen. Zwei<br />

Wachmänner zu haben ist sinnvoll,<br />

denn wenn der Wachmann draussen<br />

übersieht, dass jemand sich ins Gebäude<br />

schleicht, besteht immer noch<br />

die Chance, dass der Wachmann drinnen<br />

den Eindringling bemerkt. Solange<br />

die zwei Wachmänner jedoch unabhängig<br />

voneinander agieren und nicht<br />

miteinander kommunizieren, muss der<br />

Eindringling sich nur an jedem der beiden<br />

vorbeischleichen und kann dann<br />

sein Unwesen treiben. Stellen Sie sich<br />

jetzt vor, dass die zwei Wachmänner<br />

mit Funksprechgeräten ausgestattet<br />

werden, um miteinander kommunizieren<br />

zu können, und darauf geschult<br />

werden, im Team zu arbeiten. Wenn<br />

der Wachmann draussen nun ein verdächtiges<br />

Geräusch hört, kann er den<br />

Wachmann drinnen informieren. Wenn<br />

der Wachmann drinnen jemanden aus<br />

dem Gebäude rennen sieht, kann er<br />

den Wachmann draussen informieren,<br />

damit dieser den Fluchtweg versperrt.<br />

Durch diese einfache Zusammenarbeit<br />

wird die Sicherheit des Gebäudes deutlich<br />

erhöht.<br />

Strategien auf die intelligente Kommunikation<br />

ihrer einzelnen Lösungen ausgerichtet<br />

sein. Ansonsten gerät unser<br />

heutiges Sicherheitskonzept zunehmend<br />

ins Wanken. Informationssicherheits-<br />

Experten sehen sich mit bruchstückhaften<br />

Lösungen konfrontiert, die unvollständig,<br />

kompliziert und ineffektiv sind.<br />

Als Folge nehmen Sicherheitsvorfälle wie<br />

Systemkompromittierungen und Datenpannen<br />

sowie entsprechende Schadensfälle<br />

immer mehr zu. Laut dem Verizon<br />

Data Breach Investigations Report <strong>2015</strong><br />

gab es im Jahr 2014 knapp 80’000 gemeldete<br />

Vorfälle, 2013 waren es noch<br />

rund 63’000 Meldungen. Dieser starke<br />

Zuwachs und die Aussage, dass keine<br />

Industrie sowie keine Unternehmensgrösse<br />

vor Angriffen gefeit ist, machen<br />

deutlich, dass das aktuelle Sicherheitskonzept<br />

der Zukunft neu überdacht werden<br />

muss, um sowohl punkto Effektivität<br />

als auch Management unabhängig von<br />

personellen Voraussetzungen mithalten<br />

zu können. Das bedeutet im Klartext:<br />

Sicherheit braucht umfassende Lösungen.<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 77


IT-Sicherheit<br />

Ein gemeinsames Dach<br />

Ein weiteres Beispiel für eine Vernetzung<br />

bestehender IT-Lösungen wäre<br />

ein sogenanntes «Compromise Center»,<br />

das verdächtige Ereignisse von<br />

mehreren Endpoints, Servern und Netzwerkgeräten<br />

zusammentragen kann.<br />

Zu solchen Ereignissen gehören beispielsweise<br />

Fehlversuche einer Software,<br />

ihre Berechtigungen zu erhöhen,<br />

das heisst wie ein Administrator zu handeln,<br />

der Versuch einer Anwendung, die<br />

nicht auf der Whitelist des Servers aufgeführt<br />

ist, auf dem Server zu laufen,<br />

oder eine Netzwerkverbindung zu einem<br />

mutmasslich kriminellen «Command-and-Control»-Server.<br />

Dank Big-<br />

Data-Analysen und Know-how kann ein<br />

solches Compromise Center diese Ereignisse<br />

korrelieren und infizierte Systeme<br />

und Netzwerkinfektionen erkennen.<br />

Wenn dann auch noch die zentrale<br />

Verwaltung mehrerer Produkte über die<br />

Cloud erfolgt, kann die komplette Bandbreite<br />

der in diesen Produkten verfügbaren<br />

Kontrollen – zum Beispiel Dateiverschlüsselung,<br />

Malware-Beseitigung,<br />

Netzwerkisolation – genutzt werden, um<br />

Daten zu schützen und andere Schäden<br />

abzuwenden. Das Ergebnis ist eine<br />

bessere Abwehr, Erkennung und Beseitigung<br />

von Malware und modernen Bedrohungen<br />

– wahlweise sogar komplett<br />

und einfach über die Cloud verwaltet.<br />

Eine nachhaltige Sicherheitslösung verlangt Teamplayer, wie bei dem historischen Vorbild.<br />

ten: Eine hoch entwickelte Bedrohung,<br />

die ansonsten vielleicht unentdeckt<br />

bliebe, wird gefunden und automatisch<br />

unschädlich gemacht – ganz ohne zeitraubende<br />

oder fehleranfällige Nachforschungen<br />

und Analysen durch die IT.<br />

Nicht hilflos<br />

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass<br />

wir den immer komplexeren Malware-<br />

Attacken keinesfalls hilflos gegenüberstehen<br />

müssten. Auch dann nicht, wenn<br />

das nötige Budget oder das Personal<br />

fehlt, um den ganzen IT-Security-Flickenteppich,<br />

der bislang oftmals vorherrschte,<br />

am Laufen zu halten Ein einheitliches<br />

System, bei dem die einzelnen<br />

Sicherheitsstufen effektiv und zentral<br />

gesteuert zusammenarbeiten, ist nicht<br />

nur wirksamer, sondern spart zudem<br />

auch noch Geld. Denn eine Umstrukturierung<br />

muss nicht zwangsläufig ein<br />

höheres Budget bedeuten. Der richtige<br />

Mix aus Tradition und Innovation macht<br />

IT-Sicherheit stark für die Aufgaben der<br />

Zukunft. Denn eines ist klar: Die Malware-Evolution<br />

ist bereits in vollem<br />

Gange. Jetzt müssen IT-Sicherheitslösungen<br />

die Musketiere rauslassen und<br />

konzertiert ihre Degen ziehen!<br />

Mit der Zunahme raffinierter Bedrohungen,<br />

die verschiedenste Techniken anwenden,<br />

um Abwehrmassnahmen zu<br />

überlisten, wird es immer schwieriger,<br />

Systeme mit nur einer Schutzschicht<br />

umfassend zu schützen. Es ist an der<br />

Zeit, dass Sicherheitsprodukte zusammenarbeiten<br />

und Informationen austauschen.<br />

So erhalten wir einen Schutz, der<br />

nicht nur einfacher, sondern auch effektiver<br />

ist. Konkret sieht dieses Konzept<br />

zum Beispiel so aus, dass eine<br />

Unified Threat Management (UTM) erkennt,<br />

wenn ein Endpoint kompromittiert<br />

wurde, den Endpoint benachrichtigt,<br />

damit dieser Massnahmen ergreifen<br />

kann, den Administrator informiert und<br />

den Endpoint vom Internet isoliert. Der<br />

Endpoint kann die Schadanwendung<br />

unterdessen identifizieren und beenden<br />

sowie an die UTM und den Administrator<br />

zurückmelden, welche Massnahme<br />

genau ergriffen wurde. Mit anderen Worist<br />

Regional Manager Switzerland<br />

bei Sophos.<br />

www.sophos.com<br />

Andrej Massaro<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 78


IT-Sicherheit<br />

Acht Stufen meistern<br />

Nachhaltige Cyber-Sicherheit<br />

von Martin Andenmatten<br />

Widerstandsfähigkeit wird zum kritischen Erfolgsfaktor, um Cyber-Attacken zu überleben. Der folgende Beitrag<br />

analysiert die Situation und gibt einige strategische Hinweise.<br />

Man ist sich heute bewusst, dass<br />

mit der Nutzung von Cloud-<br />

Diensten nicht nur enorme<br />

Chancen offenbart werden, sondern<br />

darin auch grosse Risiken schlummern.<br />

Insbesondere die Sicherheit der Daten,<br />

welche in die Wolke verschoben wird,<br />

könnte kompromittiert werden und in falsche<br />

Hände gelangen. Verantwortungsbewusste<br />

Unternehmen wählen daher<br />

auch sehr gezielt die Datenbereiche aus,<br />

welche überhaupt mit Cloud-Diensten<br />

bearbeitet werden dürfen. Andere denken<br />

sich, dass niemand ernsthaft an ihren<br />

Daten interessiert sein kann und gehen<br />

diesbezüglich etwas sorgloser damit<br />

um. Dies gilt im geschäftlichen wie aber<br />

insbesondere auch im persönlichen Bereich.<br />

Eine Trennung in den Netzen ist<br />

heute kaum realisierbar, da alle mit ihren<br />

eigenen privaten mobilen Gerätschaften<br />

arbeiten.<br />

Was sich die wenigsten Unternehmen<br />

heute aber wirklich bewusst sind, ist die<br />

Tatsache, dass über ihre Firmennetze<br />

bereits mehrere hundert Cloud-Services<br />

genutzt werden, ohne dass die Verantwortlichen<br />

überhaupt Kentniss davon<br />

haben. Sie denken, niemals in ihrem<br />

Haus? Die Firma Skyhigh Networks<br />

(skyhighnetworks.com) ist auf das Aufspüren<br />

und Risikobewerten von Netzwerkverkehr<br />

in Unternehmen spezialisiert.<br />

Gemäss ihren Erfahrungen werden<br />

in Unternehmen heute durchschnittlich<br />

pro Monat weit mehr als 1 000 Cloud-<br />

Services genutzt. Und dies nicht etwa<br />

primär in Gross-, sondern explizit auch<br />

in mittleren Unternehmen.<br />

Durch den Einsatz mobiler Geräte, Vermischung<br />

von privater und geschäftlicher<br />

Nutzung im Firmennetz werden<br />

heute im Durchschnitt bis zu 27 Cloud-<br />

Apps pro Mitarbeiter verwendet, insbesondere<br />

in den Bereichen Collaboration,<br />

Social Media, Content Sharing und<br />

File Sharing. Auch wenn Unternehmen<br />

heute Dienste wie Dropbox oder Facebook<br />

in ihrem Firmennetz ausschliessen,<br />

gibt es Mittel und Wege, an die<br />

Dienste zu kommen oder Ersatz-Services<br />

zu nutzen. Bei der Analyse dieser<br />

Services stellt sich zudem heraus, dass<br />

vielfach mehr als 100 Dienste in Anspruch<br />

genommen werden, von denen<br />

bekannt ist, dass diese für Cyber-Attacken<br />

genutzt werden. Es werden zudem<br />

monatlich mehrere Gigabyte Daten<br />

in Cloud-Dienste verschoben, welche<br />

bekannterweise aus risikoreichen und<br />

zweifelhaften Ländern betrieben werden.<br />

Es herrscht ein regelrechter Cyber-Krieg.<br />

Während man einerseits bemüht<br />

ist, alle erdenklichen Massnahmen<br />

zu ergreifen, um gefährliche Services<br />

und Quellen zu unterbinden, rüsten sich<br />

Anbieter von solchen Diensten mit immer<br />

neuen Möglichkeiten, um an die Benutzer<br />

zu gelangen. Es sind dabei nicht<br />

bloss Fälle von Phishing-Mails oder Viren-Attacken<br />

– es sind heute vielfach<br />

gezielte Attacken auf Firmen und Einzelpersonen,<br />

um an sensitive Informationen<br />

zu gelangen. Man nennt dies sinnigerweise<br />

auch «Whaling», der gezielte<br />

Angriff auf «grosse Fische».<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 80


Die Anwender lieben die meist kostenlosen<br />

Cloud-Services und finden immer<br />

neue Wege, um an Services zu gelangen,<br />

welche aktuell vom Unternehmen<br />

noch nicht blockiert sind. Es sind daher<br />

nicht primär die Daten, welche man<br />

aus Sicht des Unternehmens bewusst<br />

in externen Cloud-Services gespeichert<br />

hat, welche in Gefahr sind. Gefährdet ist<br />

mittlerweile das gesamte System des<br />

Unternehmens, weil der Angriff über die<br />

verschiedensten Kanäle möglich ist.<br />

Das ist heute die Realität. Wenn wir<br />

über Cyber-Risiken sprechen, dann ist<br />

es keine Frage, ob man betroffen wird –<br />

es ist eher eine Frage, wann es klingelt.<br />

Und wenn wir auch alles unternehmen,<br />

um diese High-Risk-Services in den Griff<br />

zu bekommen, wird das Unternehmen<br />

früher oder später auf dem linken Fuss<br />

erwischt. Je nach Vorfall kann dies die<br />

Existenz eines Unternehmens ernsthaft<br />

gefährden.<br />

Prävention reicht nicht mehr aus<br />

Es wird heute bereits sehr viel in die<br />

Sicherheit von Unternehmensnetzwerken<br />

investiert. Man schätzt, dass davon<br />

zirka 80 Prozent in der Prävention<br />

und damit Vermeidung von Sicherheitsattacken<br />

angelegt wird. Dabei wird Sicherheit<br />

noch zu stark als Aufgabe einer<br />

dafür spezialisierten Funktion innerhalb<br />

der Organisation verstanden – oder extern<br />

ausgelagert. Man kauft sich damit<br />

oft bloss eine Scheinsicherheit ein. Technische<br />

Massnahmen verhelfen oft nur zu<br />

Punktlösungen. Das System ist trotzdem<br />

löchrig wie ein Schweizer Käse.<br />

Das Risiko, als Person oder Unternehmen<br />

durch Cyber-Attacken getroffen<br />

zu werden, steigt zunehmend. Nie war<br />

es einfacher für Cyber-Kriminelle, an ihr<br />

Ziel zu kommen. Wir müssen erkennen,<br />

dass die Tage der Implementierung von<br />

Sicherheitssystemen und sich dann zurückzulehnen,<br />

definitiv vorbei sind.<br />

Die traditionell auf Prävention ausgerichtete<br />

Informationssicherheit genügt daher<br />

nicht mehr. Die Widerstandsfähigkeit und<br />

damit das Erkennen und entsprechend<br />

Reagieren auf Sicherheitsverletzungen<br />

wird ein Überlebensmerkmal von Organisationen<br />

in der Zukunft sein. Wenn<br />

man davon ausgeht, dass man getroffen<br />

wird – so sollte man sicherstellen, dass<br />

dies nicht zu hart geschieht. Prävention<br />

ist sicher wichtig, aber es braucht auch<br />

eine ausgeglichene Investition in die Erkennung<br />

von Attacken und in die Reaktionsmassnahmen<br />

im Ereignisfall. Das<br />

Wichtigste aber ist, dass Cyber Security<br />

– oder besser Cyber Resilience in<br />

der Agenda der Geschäftsführung einen<br />

festen Platz erhält. Das Thema darf nicht<br />

mehr den Experten alleine überlassen<br />

werden, welche in der Organisation oft<br />

nicht wirklich verstanden werden. Die<br />

Lücke des Wissens zwischen den Experten<br />

und dem Rest der Organisation<br />

ist vielfach so gross, dass die heutigen<br />

Sicherheitsmassnahmen nur zur Hälfte<br />

wirken. Der Mitarbeiter ist das höchste<br />

Gut in einer Organisation – er ist aber<br />

bezüglich der Cyber-Kriminalität auch<br />

der kritischste Erfolgsfaktor. Wenn er<br />

nicht wirklich in den Schutzprozess eingebunden<br />

und sein Bewusstsein auf die<br />

Risiken geschärft wird, bleibt er immer<br />

die grösste Schwachstelle im System.<br />

Eine ganzheitliche Cyber Resilience<br />

Die Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-<br />

Attacken muss in die Firmenstrategie und<br />

in das Betriebskonzept des Unternehmens<br />

integriert werden. Mit folgenden acht Stufen<br />

kann eine Organisation sich auf das<br />

Unvermeidbare besser vorbereiten:<br />

1. Machen Sie das Thema Cyber Security<br />

zur Chefsache. Cyber-Kriminalität<br />

ist eine Gefahr für das Unternehmen<br />

und darf nicht technischen<br />

Experten alleine überlassen werden.<br />

2. Sind Sie sich der Verletzbarkeit Ihrer<br />

Assets und damit Ihres Unternehmens<br />

bewusst. Führen Sie<br />

dazu ein ganzheitliches Risiko-<br />

Assessment durch und erstellen<br />

Sie für Ihr Unternehmen eine Bedrohungsanalyse.<br />

Berücksichtigen<br />

Sie dabei nicht bloss technische,<br />

sondern insbesondere auch nicht<br />

technische Angriffsflächen.<br />

3. Stellen Sie den Menschen, insbesondere<br />

Ihre Mitarbeiter, Kunden<br />

und Lieferanten ins Zentrum<br />

der Massnahmen und sorgen Sie<br />

für ein Risiko- und Verhaltens-Bewusstsein.<br />

4. Stützen Sie sich auf bewährte Cyber-Sicherheitspraktiken<br />

ab. Dabei<br />

geht es nicht um eine einzelne<br />

Handlung oder Technik – es ist vielmehr<br />

eine ausgewogene Mischung<br />

von Präventions-, Erkennungs- und<br />

Korrektur-Aktivitäten abgestimmt<br />

mit Prozessen, Technologie und<br />

involvierten Personen.<br />

IT-Sicherheit<br />

5. Planen Sie für das Schlimmste. Sie<br />

können nicht alle Attacken verhindern<br />

– aber Sie können sich für<br />

das Schlimmste vorbereiten. Die<br />

Fähigkeit, Datenverlust zu verhindern,<br />

den Service innert kurzer Zeit<br />

wieder herzustellen und damit das<br />

Vertrauen der Kunden und Lieferanten<br />

aufrechtzuerhalten, wird<br />

zum Überlebensfaktor von Unternehmen<br />

in Zukunft.<br />

6. Haben Sie ein spezielles Auge auf<br />

versteckte Gefahren von Drittanbietern<br />

und Geschäftspartnern. Sicherheitsbewusste<br />

Unternehmen<br />

verstehen, dass Bedrohungen hinsichtlich<br />

der Datensicherheit vor<br />

allem aus mehreren Quellen und<br />

Richtungen, auch von vertrauenswürdigen<br />

Drittparteien wie Lieferanten,<br />

Partnern und anderen assoziierten<br />

Unternehmen stammen<br />

können.<br />

7. Beachten Sie auch die Gefahren<br />

von internen Bedrohungen. Die<br />

grösste Gefahr geht vielfach von<br />

internen Quellen aus, in aller Regel<br />

von privilegierten Accounts.<br />

8. Stellen Sie die Cyber-Sicherheit<br />

fortlaufend sicher. Neue Mitarbeiter<br />

werden eingestellt, neue Partnerschaften<br />

gebildet und aufgelöst.<br />

Jedes Mal können neue Sicherheitsrisiken<br />

auftreten, welchen man<br />

sich laufend bewusst sein muss.<br />

Cloud-Dienste haben ein enormes Potenzial<br />

für die weitere Digitalisierung der<br />

Geschäftsprozesse. Unternehmen müssen<br />

aber lernen, mit den Gefahren umzugehen,<br />

um den Nutzen auch nachhaltig<br />

geniessen zu können.<br />

ist Gründer und Geschäftsführer<br />

der Glenfis AG.<br />

www.glenfis.ch<br />

Martin Andenmatten<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 81


IT-Sicherheit<br />

Strategisches Vorgehen<br />

Das IT-Sicherheitskonzept<br />

Wer hat wann zu welchen Daten Zugriff?<br />

von Andreas Wisler<br />

Die Grundlagen für jede IT-Umgebung sind ein IT-Konzept und darauf aufbauend ein IT-Sicherheitskonzept. Beide<br />

Dokumente sind von der Firmenstrategie abgeleitet.<br />

Das IT-Sicherheitskonzept beschreibt<br />

die notwendigen Massnahmen<br />

zur Realisierung und Aufrechterhaltung<br />

des für das Unternehmen<br />

angemessenen, definierten Sicherheitsniveaus.<br />

Das IT-Sicherheitskonzept betrifft<br />

alle Stufen: Die Geschäftsleitung ist<br />

ebenso beteiligt wie die IT-Leitung, die IT-<br />

Abteilung und die Mitarbeiter. Sollte einer<br />

der Genannten nicht an Bord sein, droht<br />

schon hier der Keim des Scheiterns.<br />

Damit ein IT-Sicherheitskonzept erstellt<br />

werden kann, müssen vier Fragen beantwortet<br />

werden:<br />

1. Was will ich schützen?<br />

2. Wogegen soll ich mich schützen?<br />

3. Wie kann ich diesen Schutz erzielen?<br />

4. Kann ich mir diesen Schutz leisten?<br />

Die Frage nach dem Schutzbedarf<br />

Die erste Frage gilt dem Schutzbedarf.<br />

Was will ich schützen? Die drei Grundwerte<br />

Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit<br />

helfen, diese Frage zu beantworten.<br />

Die Verfügbarkeit gibt an, welche Systeme,<br />

Prozesse, Abläufe und Personen<br />

für welche Situation zur Verfügung stehen<br />

müssen. Unter der Integrität wird die<br />

Unversehrtheit der Daten verstanden.<br />

Die Vertraulichkeit schützt die Daten vor<br />

fremden Blicken. Immer wichtiger wird<br />

der vierte Grundwert: die Nicht-Abstreitbarkeit.<br />

Es muss klar ersichtlich sein,<br />

wer etwas gemacht beziehungsweise<br />

verändert hat.<br />

Die Frage nach dem Wogegen<br />

Ein Unternehmen muss sich klar sein,<br />

welche Gefährdungen einwirken können<br />

und ab welchem Punkt ein Schaden bedrohlich<br />

wird. Hier gilt es, verschiedene<br />

Szenarien und die Folgen abzuschätzen.<br />

Dies können zum Beispiel Stromausfall,<br />

Wassereinbruch, Mitarbeiterabsenz,<br />

Systemabsturz, Malware, Hacker oder<br />

Sabotage sein. Die Grundschutzkataloge<br />

des BSI (Bundesamt für Sicherheit<br />

in der Informationstechnik) zählen eine<br />

Vielzahl von weiteren Gefährdungen auf.<br />

Massnahmenauswahl einleiten<br />

Aus dem Schutzbedarf und der Risikoanalyse<br />

leiten sich Massnahmen ab und<br />

weitere strategische Fragestellungen.<br />

Welche Massnahmen sind möglich?<br />

Damit auch verbunden, welche Gefährdungen<br />

kann eine einzelne Massnahme<br />

abdecken? Hat diese allenfalls Einfluss<br />

auf andere Gefährdungen oder Massnahmen?<br />

Welche Bereiche werden zusätzlich<br />

tangiert? Je nachdem, welche<br />

Bereiche abgedeckt werden, sind mehr<br />

Personen, eventuell sogar Externe involviert,<br />

oder es müssen allenfalls Prozesse<br />

angepasst werden. Eine zentrale<br />

Frage ist auch der Nutzen. Was bringt<br />

es mir, wenn ich eine Massnahme umsetze?<br />

Habe ich anschliessend die Ressourcen,<br />

diese Massnahme aufrechtzuerhalten?<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 82


IT-Sicherheit<br />

Inhaltsverzeichnis eines IT-Sicherheitskonzeptes<br />

> Grundlage, Zweck<br />

Die Einleitung beschreibt die<br />

Grundlagen der Firma, die<br />

Infrastruktur und die vorhandenen<br />

Mittel (Infrastruktur, Mitarbeiter<br />

und Prozesse).<br />

> Anforderungen Infrastruktur<br />

Die Anforderungen an eine<br />

Infra struktur sind zahlreich. Jede<br />

Abteilung hat andere Ansprüche<br />

an die Umgebung. Daher ist es<br />

sinnvoll, die Funktionen und<br />

Prozesse über alle Stufen<br />

aufzuschreiben.<br />

> Anforderungen Sicherheit<br />

Mit diesen Anforderungen leiten<br />

sich die Bedürfnisse an die (IT-)<br />

Sicherheit ab.<br />

> Sicherheitsorganisation<br />

> Zuständigkeiten<br />

Die Sicherheit gehört in den<br />

Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung.<br />

Die Verantwortung<br />

kann gemäss Gesetz nicht<br />

delegiert werden. Jedoch können<br />

weitere Stellen bestimmt werden,<br />

die für (Teil-)Bereiche zuständig<br />

sind und gegenüber der Geschäftsführung<br />

Bericht ablegen.<br />

> Rahmen für die<br />

Informations-Sicherheit<br />

Das IT-Sicherheitskonzept muss<br />

von der Geschäftsleitung initiiert<br />

werden. Die IT-Leitung erstellt<br />

Anforderungen an die Informatik-<br />

Umgebung und schlägt Lösungen<br />

vor. Diese werden durch die<br />

Geschäftsleitung genehmigt.<br />

> Pflege und Wartung des<br />

Sicherheitskonzepts<br />

Die Anforderungen an eine<br />

IT-Infrastruktur wechseln ständig.<br />

Auch das Umfeld der Firma ändert<br />

sich sehr schnell. Das IT-Sicherheitskonzept<br />

muss den veränderten<br />

Bedingungen Rechnung tragen.<br />

> Sicherheit beim Personal<br />

> Vertraulichkeitsvereinbarung<br />

Informationen der Firma gehören<br />

auch der Firma und stellen das<br />

Potenzial beziehungsweise den<br />

wirtschaftlichen Vorteil gegenüber<br />

Mitbewerbern dar. Dieses Wissen<br />

muss geschützt werden. Alle<br />

Mitarbeiter werden schriftlich zur<br />

Vertraulichkeit verpflichtet.<br />

> Mitarbeiterausbildung in<br />

Sicherheitsfragen<br />

Nur was bekannt ist, kann auch<br />

gelebt werden. Die Mitarbeiter sind<br />

in regelmässigen Abständen zu<br />

sensibilisieren.<br />

> Reaktion auf sicherheitsrelevante<br />

Ereignisse und Schwachstellen<br />

Wie wird auf unerwartete Ereignisse<br />

reagiert? Sollte ein Ereignis<br />

eintreten, sollte bekannt sein, wie<br />

dieses behandelt wird.<br />

> Physische Sicherheit<br />

> Sicherheitsbereiche<br />

Welches sind besonders<br />

schützens werte Bereiche? Dazu<br />

zählt zum Beispiel der Serverraum.<br />

> Verkabelung, Wireless LAN<br />

Die Verkabelung gehört ebenfalls<br />

in die physische Sicherheit. Kabel<br />

sollten nicht durch ungeschützte<br />

Bereiche führen. Auch kabellose<br />

Netzwerke sind in die Planung<br />

aufzunehmen.<br />

> Betrieb von Systemen<br />

und Netzwerken<br />

> Operative Verfahren<br />

und Aufgaben<br />

Daily-Business der Administratoren:<br />

Welche Dienste und Protokollierungen<br />

sind regelmässig zu<br />

kontrollieren?<br />

> Systemplanung und -abnahme<br />

Neue Systeme sind auf die Verträglichkeit<br />

mit den bestehenden Mitteln<br />

zu testen. Dazu gehört ein Kontrollund<br />

Abnahmeverfahren.<br />

> Systemverwaltung<br />

Systeme werden regelmässig<br />

angepasst (zum Beispiel durch<br />

Patches, Updates, neue Versionen).<br />

Alle Änderungen sind zu protokollieren.<br />

> Internet<br />

Das Internet ist eine ideale<br />

Informationsquelle. Ebenso leicht<br />

ist es, unerwünschte Software<br />

einzuschleusen. Die gewählten<br />

Massnahmen sind festzuhalten<br />

und zu kommunizieren.<br />

> Schutz gegen Malware<br />

Der Schutz davor muss durch ein<br />

mehrstufiges Verfahren sichergestellt<br />

werden.<br />

> Zugriffskontrolle<br />

> Benutzer Administration<br />

Dieser Punkt behandelt die Art der<br />

Identifikation, der Kontrolle und der<br />

Administration der Benutzer<br />

(Gruppen, Rechte, Vergabe und<br />

Einschränkungen)<br />

> Betriebssystem-Zugriffskontrolle<br />

Wie wird der Zugriff auf das<br />

System geregelt? Wie werden die<br />

Zugriffe kontrolliert?<br />

> Einsatz mobiler Geräte<br />

Mobile Geräte sind sehr schwer zu<br />

kontrollieren, da sie oft unterwegs<br />

sind. Bevor sie jedoch an das<br />

Firmennetz angeschlossen werden,<br />

müssen verschiedene Kontrollen<br />

stattfinden (Patches oder Malware)<br />

> Unterhalt von Informationssystemen<br />

> Änderungswesen<br />

Änderungen an Systemen und<br />

Abläufen sind schriftlich festzuhalten,<br />

zum Beispiel in einem Logbuch.<br />

> Not-Organisation<br />

> Welche Mittel sind für einen<br />

eingeschränkten Betrieb notwendig?<br />

Gibt es Ausweichmöglichkeiten<br />

(andere Gebäude, Lieferanten-<br />

und Wartungsverträge)?<br />

> Einhaltung und Überprüfung<br />

der Aufgaben<br />

> Konformität mit gesetzlichen<br />

Angaben<br />

Gesetzlichen Anforderungen müssen<br />

bekannt sein und eingehalten werden<br />

> Überprüfung der Sicherheitspolitik<br />

und der technischen Konformität<br />

Regelmässige Überprüfungen<br />

durch interne und externe Stellen<br />

gewährleisten, dass das Konzept<br />

aktuell und komplett ist.<br />

> Anhänge<br />

> Gefährdung und Risikoanalyse<br />

Inkl. Restrisiken<br />

> IT-Strategie und -Organisation<br />

> Betrieb der IT-Struktur<br />

> Nutzung von PC, Netzwerk<br />

und Online-Diensten<br />

> Nutzung von Hard- und Software<br />

> Backup-Konzept<br />

> Backup-Plan<br />

> Firewall-Konzept<br />

> Akzeptierte Ausfallzeiten<br />

und Not-Organisation<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 83


IT-Sicherheit<br />

Verantwortlichkeiten sind klar zu definieren.<br />

Sobald Massnahmen für die einzelnen<br />

Bereiche definiert wurden, gilt es, diese<br />

zusammenzufassen und Synergien zu<br />

finden.<br />

Wirtschaftlichkeit einbeziehen<br />

Schlussendlich dreht sich alles um das<br />

Geld. Kann und will ich mir diesen Schutz<br />

leisten? Es ist wichtig zu definieren, welchen<br />

Schaden eine Gefährdung anrichten<br />

kann. Teilen Sie die Auswirkungen<br />

in Kategorien von niedriger bis mittlerer<br />

Schaden, hoher Schaden und sehr hoher<br />

Schaden ein. Dort, wo der Schaden am<br />

grössten ist, sollten die ersten Massnahmen<br />

umgesetzt werden.<br />

Allerdings: Nicht alle Massnahmen können<br />

umgesetzt werden. Dieses Restrisiko<br />

muss bewusst durch die Geschäftsleitung<br />

getragen werden.<br />

Strategisches Vorgehen<br />

Mit den Antworten auf diese vier Fragen<br />

kann das weitere Vorgehen definiert werden.<br />

Die Resultate sind zu bewerten und<br />

detailliert auszuarbeiten. Damit verbunden<br />

sind die finanziellen und personellen<br />

Aufwände. Mit der Auswahl der Massnahmen<br />

kann auch die Reihenfolge definiert<br />

werden. Welche Massnahmen sind<br />

zeitkritisch? Welche Massnahmen lassen<br />

sich auch später noch realisieren? Was<br />

konsolidiert werden kann, sollte auch<br />

gleichzeitig umgesetzt werden.<br />

Der wichtigste Punkt bei der Umsetzung<br />

sind die Verantwortlichkeiten. Wer trägt<br />

die Verantwortung für eine Massnahme?<br />

Nur wer sich verpflichtet fühlt, wird auch<br />

das Zepter in der Hand halten.<br />

Gleichzeitig mit der Umsetzung stellen<br />

begleitende Massnahmen einen wichtigen<br />

Handlungsrahmen dar. Die Schulung<br />

und die Sensibilisierung von Mitarbeitern<br />

sind wichtig. Die Mitarbeiter müssen genug<br />

früh auf die Umstellungen vorbereitet<br />

werden, um möglichen Missverständnissen<br />

vorzubeugen.<br />

Verantwortung festlegen<br />

Eine regelmässige Kontrolle ist notwendig,<br />

um Abweichungen und veränderte<br />

Bedingungen zu erkennen und Anpassungen<br />

zu treffen. Die Verantwortlichkeiten<br />

sind entsprechend festzuhalten.<br />

Sollte es zu Änderungen kommen, ist<br />

das Management miteinzubeziehen und<br />

die entscheidenden Schritte zu treffen.<br />

Denken Sie auch hier daran, frühzeitig<br />

alle Mitarbeiter über die veränderten<br />

Situationen zu orientieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Ein IT-Sicherheitskonzept ist nicht in einem<br />

Tag erstellt. Die Vorbereitungsarbeiten<br />

nehmen viel Zeit in Anspruch. Doch<br />

diese Zeit lohnt sich. Massnahmen, die<br />

sich auf kritische Systeme auswirken,<br />

sollten anschliessend im ersten Schritt<br />

umgesetzt werden. Halten Sie fest, wer<br />

die Verantwortung für die Umsetzung<br />

und Kontrolle von Massnahmen trägt.<br />

Während und nach der Umsetzung gilt<br />

es, die Massnahmen zu kontrollieren, sei<br />

dies durch interne oder externe Stellen.<br />

Schulen und sensibilisieren Sie alle Stufen,<br />

von der Geschäftsleitung bis zum<br />

Mitarbeiter. So wird auch Ihr Konzept<br />

zum Erfolg!<br />

Andreas Wisler<br />

(CISSP, CISA, ISO 22301 + 27001 Lead-<br />

Auditor) ist Geschäftsführer und Senior-<br />

Security-Auditor bei der goSecurity<br />

GmbH, welche IT-Sicherheitsüberprüfungen<br />

und -beratungen durchführt.<br />

Weiter unterrichtet er unter anderem an<br />

der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

FHNW IT-Sicherheitsthemen.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 84


IT-Sicherheit<br />

Es geht um die lückenlose Überwachung aller Ereignisse.<br />

Cyber Threat Management<br />

Während Sie dies lesen, werden Sie vielleicht gerade gehackt<br />

von Umberto Annino<br />

Ohne Internet geht gar nichts mehr in der heutigen Wirtschaftswelt. Das machen sich auch die Kriminellen zunutze.<br />

Defensive IT-Sicherheit reicht dabei nicht mehr: Heutzutage braucht es ein Cyber Security Management.<br />

Denn es geht um viel mehr als um eine reine Abwehr von Angriffen aus dem Internet. Es braucht eine eigentliche<br />

Bedrohungsaufklärung, welche bereits bei der Analyse beginnt und bei der Fähigkeit, Bedrohungen zu erfassen, zu<br />

beurteilen und rasch zu reagieren.<br />

Vollbestand im Abwehrdispositiv<br />

der weltweiten Unternehmen: Gemäss<br />

verschiedenen Berichten<br />

hatten 100 Prozent der einmal gehackten<br />

Unternehmen die aktuellsten Antiviren-<br />

Updates auf ihren Rechnern, und<br />

99.9 Prozent der Schwachstellen waren<br />

über ein Jahr alt. 75 Prozent der Sicherheitsexperten<br />

meinen, dass langjährige<br />

und bewährte Methoden zunehmend ineffektiv<br />

werden, 243 Tage vergingen, bis<br />

ein gezielter Angriff (zumeist von Drittparteien)<br />

entdeckt wurde. Die Rede ist<br />

von Advanced Persistent Threats (APT),<br />

komplexen, zielgerichteten und effektiven<br />

Angriffen auf kritische IT-Infrastrukturen<br />

und vertrauliche Daten von Gross- und<br />

immer mehr auch Mittelstandsunternehmen<br />

aller Branchen, welche aufgrund<br />

ihres USP potenzielle Opfer darstellen.<br />

Lockende und lohnende Beute<br />

KMU bilden, wie so schön gesagt wird,<br />

das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft<br />

und machen den Grossteil der Unternehmen<br />

hierzulande aus. Und sie gelten<br />

als besonders innovativ: Antriebssysteme,<br />

Kaffeemaschinen, Sensorik,<br />

Pharmaceuticals, in der Schweiz mangelt<br />

es gewiss nicht an herausragenden<br />

Klein- und Mittelunternehmen.<br />

Auch Ihre eigene Firma hat Produkte<br />

und Dienstleistungen zu bieten,<br />

deren Daten einen lohnenden Besitz<br />

darstellen. Dass dies auch die Gegenseite<br />

so sieht, lässt sich anhand diverser<br />

Beispiele erhärten. Da wäre die<br />

Geschichte des Freiburger Unternehmens,<br />

das im Januar <strong>2015</strong> mittels eines<br />

eingeschleusten Trojaners und dem damit<br />

verbundenen Zugriff auf firmeneigene<br />

Bankkonten um eine Million Franken<br />

erleichtert wurde. Ebenso verbreitet ist<br />

Ransomware, bei welcher bei Betrieben<br />

sensible Informationen gestohlen und<br />

verschlüsselt werden – die Dechiffrierung<br />

erfolgt dann erst gegen Bezahlung von<br />

Lösegeldern.<br />

So lohnend die Angriffe sind, so wenig<br />

wird auch dagegen unternommen. Es<br />

sind auch Mitte <strong>2015</strong> noch immer drei<br />

Schwachstellen, durch welche Kriminelle<br />

hauptsächlich ihren Weg in ein<br />

Unternehmensnetzwerk finden, um dort<br />

entweder wertvolle Daten zu entwenden<br />

oder ein Maximum an Schaden anzurichten.<br />

Gefahrenherd erster Güte bleibt<br />

der Mensch. Aus ihm lassen sich naturgemäss<br />

mittels Social Engineering,<br />

Phishing und Auskundschaften auf<br />

Social Media vieles an Firmen-Interna<br />

entlocken. Ein beliebtes Leck sind private<br />

Mobilgeräte im Unternehmen und<br />

deren externer Zugriff auf die Unternehmens-IT<br />

sowie Web-Anwendungen.<br />

So kann relativ einfach in ein System<br />

oder Netzwerk eingedrungen werden.<br />

Deutliches Verbesserungspotenzial besteht<br />

auch bei den geschäftskritischen<br />

Informationssicherheitsprozessen, dem<br />

Umgang mit Sicherheitsvorfällen, dem<br />

entsprechenden Notfallprozedere so-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 86


IT-Sicherheit<br />

wie der Bewertung der Gefahrenbereiche<br />

und systematische Bewirtschaftung<br />

von Risiken. Hier zeigen sich aufgrund<br />

unserer Erfahrung deutliche Schwächen.<br />

Identifikation statt Pflästerlipolitik<br />

«Heute stellt sich jedem Unternehmen<br />

nicht mehr die Frage, ob, sondern nur<br />

noch, wann es gehackt wurde. Stand<br />

bis vor Kurzem der reine Schutz vor<br />

Cyber-Attacken im Zentrum des Interesses,<br />

braucht es heute ein umfassendes<br />

Cyber Threat Management: Dieses zielt<br />

darauf ab, Attacken zu erkennen, daraus<br />

die entsprechenden Lehren zu ziehen<br />

und somit mit den Angreifern stets<br />

Schritt zu halten», resümierte Thomas<br />

Meier, CEO von InfoGuard anlässlich der<br />

diesjährigen Security Lounge im Juni<br />

<strong>2015</strong>. Ging man früher davon aus, dass<br />

ein Drittel aller Betriebe einmal Ziel einer<br />

Cyber-Attacke würde, liegt diese Zahl<br />

heute bei gegen 100 Prozent. Dabei sind<br />

die Angriffe so raffiniert, dass es die Unternehmen,<br />

wie eingangs erwähnt, aufgrund<br />

fehlender Monitoring- und Kontrollverfahren<br />

über Monate hin gar nicht<br />

bemerken.<br />

Gelegenheit macht Diebe: Letztere wird<br />

es immer geben, darum müssen die Gelegenheiten<br />

ausgemerzt werden. Denn<br />

die betroffenen Anwender und ihre für<br />

die Informationssicherheit zuständigen<br />

Personen stehen in der Verantwortung<br />

gegenüber ihren Anspruchsgruppen wie<br />

den Aktionären, Kunden, Gläubigern<br />

und den Mitarbeitern. Nur ein verantwortungsbewusster<br />

Umgang mit erkannten<br />

Risiken führt zu einer Verminderung der<br />

Aufwände durch Vermeidung materieller<br />

und immaterieller Schäden und Verluste.<br />

Wie aber kann mit nicht erkannten<br />

Risiken umgegangen werden? Der Fokus<br />

bewegt sich zunehmend auf die Erkennung<br />

von (bisher unbekannten) Angriffen<br />

und Mustern, um die defensiven<br />

Sicherheitsmassnahmen – die insbesondere<br />

auf identifizierte Risiken reagieren –<br />

ideal zu ergänzen.<br />

Vier Pfeiler<br />

Zur Abwehr der Bedrohung wird ein<br />

mehrstufiges und laufend weiterentwickeltes<br />

Konzept zur Abwehr krimineller<br />

Eindringversuche mit periodischer<br />

Wirksamkeitsprüfung benötigt sowie ein<br />

eingespieltes Krisenmanagement nach<br />

Feststellung eines erfolgten Angriffs.<br />

Cyber Threat Management umfasst<br />

demzufolge nicht nur die Reaktion auf<br />

Cyber Threat Management sorgt für Transparenz und Sicherheit.<br />

Vorfälle. Die Bedrohungsaufklärung besteht<br />

aus vier Pfeilern, der Analyse von<br />

Bedrohungen, der Abwehr von Angriffen<br />

durch Sicherheitsmassnahmen, der<br />

raschen Erkennung und Eskalation von<br />

Sicherheitsvorfällen sowie einer schnellen<br />

Reaktion auf Vorfälle und Verdachtsmeldungen,<br />

Analyse der Auswirkungen<br />

und einer zeitnahen Wiederherstellung<br />

des Betriebs.<br />

Zentral hierzu ist die lückenlose Überwachung<br />

aller Ereignisse. In den zune hmend<br />

komplexen Unternehmensnetzwerken<br />

von heute werden täglich Tausende von<br />

Log-Files, IDS- und IPS-Reports sowie<br />

Vulnerabilty-Benachrichtigungen generiert.<br />

Angesichts der schieren Datenmenge<br />

kapitulieren viele Unternehmen,<br />

und sie werten die Daten weder systematisch<br />

aus, noch werden sie analysiert, sie<br />

werden lediglich gespeichert und dann<br />

überschrieben.<br />

Um dem immer professionelleren Vorgehen<br />

der Angreifer mit geeigneten Sicherheitsmassnahmen<br />

Herr zu werden,<br />

müssen diese Vorfälle jedoch bereits<br />

während ihrer Entstehung entdeckt und<br />

im Keim erstickt werden. Hierzu braucht<br />

es ein Security Information & Event Management<br />

(SIEM).<br />

Dieses überwacht laufend die sicherheitsrelevanten<br />

Ereignisse, erkennt Bedrohungen<br />

und informiert im Krisenfall<br />

eskalationsstufengerecht das Management.<br />

Es ist ein wichtiges Glied einer<br />

jeden Security-Strategie im Unternehmen<br />

und fungiert als Überwachungssystem<br />

innerhalb des gesamten Unternehmensnetzwerks.<br />

So können Angriffe erkannt,<br />

ist Senior Security Consultant<br />

der InfoGuard AG.<br />

www.infoguard.ch<br />

Die Fähigkeit, Bedrohungen<br />

zu erfassen, zu aggregieren<br />

und zu analysieren<br />

Abwehr von Angriffen durch<br />

Sicherheitsmassnahmen,<br />

Schwachstellen- & Risikomanagement<br />

Rasche Erkennung und<br />

Eskalation von Sicherheitsvorfällen<br />

zu Incident Response<br />

Teams<br />

Schnelle Reaktion auf Vorfälle,<br />

Analyse der Auswirkung und<br />

Wiederherstellung des Betriebs<br />

ein Einblick in Abläufe gewährt und Berichte<br />

und Alarme generiert werden.<br />

Schweizer Informationssicherheit<br />

aus der Cloud<br />

Der SIEM-Service der InfoGuard deckt<br />

Schwachstellen und Angriffe auf die IT-<br />

Infrastruktur auf, sodass diese gezielt<br />

und schnell eliminiert werden können.<br />

Gleichzeitig erhalten die Kunden dadurch<br />

die vollständige Transparenz<br />

über den Sicherheitszustand im Netzwerk<br />

und können dadurch das Sicherheitsniveau<br />

nachhaltig erhöhen. Dank<br />

des Outtasking des Security Information<br />

& Event Management an das Info-<br />

Guard Security Operation Center stehen<br />

den Kunden die Schweizer Sicherheitsexperten<br />

rund um die Uhr mit ihrer langjährigen<br />

Erfahrung in der Informationssicherheit<br />

zur Verfügung.<br />

Umberto Annino<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 87


IT-Sicherheit<br />

Ein gemeinsames Verständnis von Sicherheit erarbeiten.<br />

Die passende Lösung finden<br />

Mobilität und Sicherheit im Unternehmen<br />

Interview mit Manuel P. Nappo von Georg Lutz<br />

Als Bildungsinstitut betreibt die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) die schweizweit erste Fachstelle für<br />

Social Media Management. Damit soll der Strukturwandel in der Kommunikation gerade auch für kleine Unternehmen<br />

unterstützt werden. Wir führten mit dem Leiter des Instituts ein Interview zum Themenkomplex Mobilität<br />

und Sicherheit.<br />

Beim Thema Sicherheit gibt es unter<br />

vielen KMU-Verantwortlichen zwei<br />

Sichtweisen. Entweder man fühlt sich<br />

nicht betroffen, da man für internationale<br />

Hacker scheinbar keine spannenden<br />

Daten hat, oder man gibt fatalistisch<br />

zu verstehen, als kleiner Player<br />

kann ich gegen die immer perfideren<br />

Angriffe, von denen ich jeden Tag<br />

höre, nichts machen. Beide Sichtweisen<br />

münden in Nichtstun. Wie ist Ihre<br />

Sicht der Dinge, was die grundsätzlichen<br />

Einstellungen betrifft?<br />

Auch ich kenne die beiden Sichtweisen<br />

und kann sie bestätigen. Es gibt die Verantwortlichen,<br />

die das Thema Sicherheit<br />

überernst nehmen. Für sie ist schon das<br />

Hosten von Daten auf einem US-Server<br />

ein No-Go. Andere schieben das Thema<br />

weit weg. Sie sagen sich: Ich bin klein<br />

und unbedeutend und brauche Gratis-<br />

Tools. Ich glaube, dass beide Wege im<br />

Kern auch eine Berechtigung haben. Es<br />

geht immer um den konkreten Fall. Die<br />

Sicherheitsherausforderungen können<br />

sehr unterschiedlich sein. Es gibt sehr<br />

unterschiedliche Rahmenbedingungen.<br />

In einigen wenigen Fällen können sogar<br />

Gratis-Tools ausreichen. Andere Unternehmen,<br />

die mit sehr wertvollen Daten<br />

agieren, brauchen eine Verschlüsselungslösung<br />

oder eine professionelle<br />

24-Stunden-Überwachung. Die zentrale<br />

Herausforderung ist eine Art Risk-<br />

Management, das mir einen passenden<br />

Weg aufzeichnet.<br />

Wie könnte hier ein aufklärerischer<br />

Ansatz aussehen, der diese Sichtweisen<br />

aufbricht?<br />

Das ist natürlich eine Frage, die weit<br />

über das Thema hinausgeht, was Mobilität<br />

und Sicherheit betrifft. Da geht es<br />

ja um die Entwicklung einer ganzen Sicherheitsphilosophie.<br />

Das ist auch notwendig.<br />

Wir planen, im Herbst einen Studiengang<br />

mit dem Thema Digital Risk<br />

Management zu lancieren, um hier in dieser<br />

Fragestellung weiterzukommen. Wir<br />

sehen da – ohne Frage – einen enormen<br />

Handlungsbedarf.<br />

Heute arbeiten Businessmenschen<br />

auf unterschiedlichster Hardware, an<br />

den unterschiedlichsten Orten. Dabei<br />

verwischen sich private mit geschäftlichen<br />

Anwendungen. Wie sieht aus<br />

Ihrer Sicht die Situation aus?<br />

Heute werden die Trends in den IT-Welten<br />

von den Konsumenten getrieben. Businesswelten<br />

reagieren hier meist nur. Das<br />

ist der zentrale Trend. Bring Your Own Device<br />

(BYOD) ist ein Paradebeispiel dafür.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 88


Ich komme aus einer Zeit als Arbeitgeber,<br />

die was auf sich hielten, die beste<br />

Infrastruktur geliefert haben. Heute hat<br />

fast jeder Praktikant in unserem Hause<br />

ein schnelleres Smartphone wie das des<br />

Arbeitgebers, der es zur Verfügung stellt.<br />

Unternehmen stehen hier vor einigen Herausforderungen.<br />

Soll ich Mitarbeiter mit<br />

den gleichen veralteten Geräten arbeiten<br />

lassen, damit ich einen Standard<br />

habe, den ich einfach managen kann,<br />

oder soll ich den Mitarbeiter mit den Geräten<br />

arbeiten lassen, bei dem sie sich<br />

wohlfühlen. Das führt zunächst zu einem<br />

Wildwuchs an Hardware, Software und<br />

Betriebssystemen, die schwierig zu steuern<br />

sind.<br />

BYOD-Geräte haben auf den ersten<br />

Blick ein Sicherheitsproblem. Wie wird<br />

diese Herausforderung heute gelöst?<br />

Es gibt ja Unternehmen, die auf den<br />

Geräten eine sichere Zone einrichten,<br />

die nur für Businessaufgaben reserviert<br />

sind.<br />

Das ist ein Modell, welches wir in sehr<br />

grossen Unternehmen beobachten<br />

können. Die sagen sich, lass doch dem<br />

Herrn Lutz seine privaten Dinge auf<br />

seinem Handy. Wir installieren darauf<br />

einige Programme in einem definierten<br />

Bereich, bei dem die Daten abgesperrt<br />

und damit sicher sind.<br />

Warum bietet sich diese Lösung nicht<br />

für kleine Unternehmen an?<br />

Das ist in erster Linie eine Budgetfrage.<br />

Zudem brauchen sie genügend Datenmaterial,<br />

welches sie trennen müssen<br />

beziehungsweise können, sonst macht<br />

das keinen Sinn. Wenn es nur darum<br />

geht, dass sie noch ein Geschäfts-Mail<br />

darauf laufen lassen, Kalender-Sharing<br />

dort betreiben, ist der Aufwand eindeutig<br />

zu hoch.<br />

Wie sieht die Lösung in kleinen Unternehmen<br />

aus?<br />

Das ist ganz einfach und gleichzeitig<br />

schwierig. Sie brauchen in erster Linie<br />

eine gelebte Sicherheitskultur im Unternehmen.<br />

Dabei müssen Mitarbeiter<br />

aus allen Bereichen und Hierarchiestufen<br />

grundlegende Dinge, aus denen sich<br />

Handlungsweisen ableiten lassen, im<br />

Kopf haben. Die Anzahl der Mitarbeiter<br />

in einem durchschnittlichen Schweizer<br />

KMU ist ja überschaubar …<br />

… Wir sprechen von 40 oder 60 Mitarbeitern.<br />

Da kann man ein gemeinsames Verständnis<br />

von Sicherheit erarbeiten. Man<br />

hat ja noch den Überblick. Ja, bringt eure<br />

privaten Geräte mit und fühlt euch bei der<br />

Arbeit damit wohl. Aber wir haben eine<br />

Guideline, die es zu beachten gilt, und<br />

Verantwortungen, denen man sich stellen<br />

sollte. Die Kultur von KMU lässt solch<br />

ein Vorgehen zu. Sie kann dann auch flexibler<br />

sein als die starren Vorgaben und<br />

Lösungen bei grossen Unternehmen.<br />

Und das muss nicht teuer sein?<br />

Richtig und man kann ausprobieren. Die<br />

HWZ ist mit 70 Mitarbeitern auch ein<br />

KMU. Wir probieren aktuell zwei neue<br />

Tools aus. Wenn wir sehen, dass sie funktionieren,<br />

kommunizieren wir das auch<br />

andern weiter. Das funktioniert fast auf<br />

Grassroot-Level in kleineren Zusammenhängen<br />

sehr gut.<br />

Wie sieht das in der Praxis aus?<br />

Ganz einfach. In die Drop Box sollten<br />

keine Geschäftsdaten. Wir stellen dann<br />

auch Tools zur Verfügung, die Alternativen<br />

bieten. Es geht dann um eine Firmenlösung,<br />

die es an einem Standort gibt,<br />

und wo es keine Vermischungen gibt. Der<br />

wichtigste Punkt aber sind Schulungen,<br />

bei denen das Wissen für die Sicherheitskultur<br />

im Unternehmen vermittelt wird. Es<br />

gibt Fragerunden, wo man Erfahrungen<br />

austauschen kann. Es geht darum, Rahmen<br />

zu schaffen, in denen Zeit und Raum<br />

zur Verfügung gestellt werden und das<br />

Lernen als inspirierend empfunden wird.<br />

Wie viel Unterstützung braucht es da<br />

von aussen?<br />

Ich bin ein Verfechter von Austausch innerhalb<br />

von Unternehmen. Vor Kurzem<br />

hatte ich einen Workshop für ein Schweizer<br />

Unternehmen realisiert. Das ist ein<br />

typischer KMU-Industriebetrieb. Das gesamte<br />

Kader war da. Das Thema war,<br />

YouTube-Videos zu erstellen, um Employer<br />

Branding zu realisieren. Nach einem<br />

spannenden Brainstorming hakte<br />

die HR-Verantwortliche ein: «Das klingt<br />

gut, kostet aber uns mindestens wieder<br />

7 000 Franken. Dann habe ich gefragt,<br />

wer von den 30 Anwesenden privat Videos<br />

macht und auch bearbeitet. Sieben<br />

Leute haben die Hände gestreckt.<br />

Warum soll man dieses Wissen nicht im<br />

IT-Sicherheit<br />

Unternehmen nutzen? Warum muss man<br />

alles extern nach aussen geben? Geben<br />

Sie es Frau Müller, die kann es Ihnen erklären<br />

und hat daheim das Schnittprogramm<br />

«Final Cut Pro». Das ist ihr Hobby.<br />

Man kann hier versteckte Schätze heben.<br />

Ja, man muss nur energisch nachfragen,<br />

und dann meldet sich oft jemand, von<br />

dem man es gar nicht erwartet hätte.<br />

Das Wissensmanagement ist die grosse<br />

Herausforderung für Unternehmen. Ich<br />

sehe Ihnen ja auch nicht an, ob Sie Segelexperte<br />

sind …<br />

Ich kann eine Wende von einer Halse<br />

unterscheiden.<br />

Bitte, da haben Sie es. Für fast jede Fragestellung<br />

findet man im Unternehmen<br />

jemanden, der einem weiterhelfen kann.<br />

Welche spezifischen Anstösse können<br />

Sie hier in der Fachstelle Social Media<br />

Management geben?<br />

Wir sind schlicht auf ein Bedürfnis eingegangen.<br />

Der Studiengang Social Media<br />

war und ist ausgebucht. KMU haben viele<br />

Fragen. Wir wollten den Rahmen verbessern<br />

und gleichzeitig anwendungsorientiert<br />

bleiben. Das Center umfasst heute<br />

auch weitere Bereiche wie Multi Chanel<br />

Management, Mobilität und Business<br />

oder Technologien. In Zukunft wollen<br />

wir KMU ein umfassendes IT-Rüstzeug<br />

mitgeben. Wir wollen KMU fit machen.<br />

Das beinhaltet auch ein gutes Risk-Management.<br />

ist Leiter Fachstelle Social Media Management<br />

der Hochschule für Wirtschaft<br />

Zürich (HWZ).<br />

www.fh-hwz.ch/masdb<br />

Manuel P. Nappo<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 89


IT-Sicherheit<br />

Mehrwerte im Fokus<br />

Sicherheit, Mobilität und die IT-Infrastruktur<br />

Interview mit Philipp Negele von Georg Lutz<br />

Heute gibt es viele Angebote, um mobiles Arbeiten sicherer und einfacher zu machen. Die Frage stellt sich nur,<br />

welche Lösungen braucht mein Unternehmen wirklich? Im folgenden Interview präsentieren wir einige wichtige<br />

strategische Handlungsanleitungen.<br />

Welche Businesslösungen haben Sie<br />

auf Ihrem Smartphone?<br />

In meiner Rolle als Verantwortlicher für<br />

Sales und Marketing beim KMU Dinotro<br />

nic AG sind es primär Produktivitätsund<br />

Kommunikationslösungen, die ich<br />

mobil einsetze. Konkret: Outlook und den<br />

Rest der Microsoft-Office-Palette, Social<br />

Media und andere Apps, aber auch Zugriff<br />

auf unser CRM. Mittels Citrix-Technologien<br />

und einer Zwei-Faktoren-Authentisierung<br />

greife ich von Smartphone<br />

und Tablet auf zentrale Datei-Ablagen<br />

und Fachapplikationen zu. Andere Mitarbeiter<br />

in unserem Hause, wie System<br />

Engineers oder Consultants, brauchen<br />

andere Lösungen, zum Beispiel Applikationen<br />

zum Erfassen von Arbeitsaufwänden<br />

oder dem Projektstatus.<br />

Das hört sich für Businessmenschen,<br />

die wenig mit der IT-Welt vertraut sind,<br />

ziemlich massiv an. Mit Ihrem Smartphone<br />

telefonieren Sie in erster Linie.<br />

Zudem verschicken Sie einige SMS<br />

und haben vielleicht eine Kalenderfunktion<br />

auf ihrer mobilen Hardware.<br />

Was antworten Sie auf folgenden Einwand:<br />

«Herr Negele, das mag für Sie<br />

in einer IT-Firma wichtig sein, ich als<br />

KMU-Verantwortlicher brauche das<br />

aber nicht.»<br />

Wenn ich in meiner Funktion in einer<br />

Dienstleistungsfirma in einer anderen<br />

Branche oder in einem Industriebetrieb<br />

wäre, hätte ich die gleichen Anforderungen:<br />

Ich will kommunizieren, ich<br />

will Dokumente erstellen und einsehen<br />

beziehungsweise verändern können.<br />

Auch auf ein CRM und andere wichtige<br />

Fachapplikationen will ich zugreifen<br />

können – und dies im Büro, von unterwegs<br />

und von zu Hause. Und das möglichst<br />

komfortabel und ohne dass dabei<br />

firmenkritische Informationen kompromittiert<br />

werden. Das gilt alles nicht nur<br />

für Unternehmen in der IT-Branche. Der<br />

Vorteil in unserer Branche ist nur, dass<br />

wir hier mehr IT-Fachkompetenz versammelt<br />

haben. Sonst agieren wir hier<br />

deckungsgleich.<br />

Auch KMU-Verantwortliche sollte dies<br />

alles interessieren?<br />

Natürlich. Nur schon deshalb, weil eine<br />

gezielte «Mobilisierung» von allen oder<br />

Teilen der Mitarbeitenden zu Steigerungen<br />

in Mitarbeiter-Zufriedenheit, Produktivität<br />

und Umsatz führen.<br />

Sehen Sie aber nicht doch Unterschiede<br />

zwischen Mittel und Klein<br />

oder auch Branchen?<br />

Teilweise. In der Unternehmenswelt der<br />

Schweiz erlebe ich eine Kluft zwischen<br />

auf der einen Seite ganz grossen und<br />

eher kleinen, auf dem Weltmarkt agierenden<br />

Firmen, die IT-Innovationen und<br />

die entsprechenden Mehrwerte stark<br />

nutzen. Auf der anderen Seite treffe ich<br />

viele mittelgrosse Firmen an, die in der<br />

IT-Nutzung noch Luft nach oben haben.<br />

Der Mittelbau hat oft noch klassisch<br />

geprägte eigene IT-Strukturen. Die Grossen<br />

und die innovativen kleinen Player<br />

nutzen meist schon neueste Technologien<br />

wie Cloud, Mobility, Big Data oder<br />

Social Media.<br />

Wir halten fest. Die Bruchlinie verläuft<br />

nicht zwischen gross und klein, son­<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 90


dern es geht eher um den dazwischen<br />

liegenden Mittelbau.<br />

Schauen wir uns das Thema Mobilität<br />

nochmals genauer an. Wie defi nie ren<br />

Sie die Entwicklungsstufen der Mobilität<br />

in den Businesswelten der Schweiz?<br />

Am Anfang gab es ja nur die grossen Natels,<br />

mit denen wir telefonierten und mit<br />

der Zeit immer mehr SMS versandten.<br />

Als Nächstes nutzten wir Personal Information<br />

Manager, mit denen wir Mails,<br />

Kalender, Kontakte und Aufgaben mobil<br />

machten. Neben Desktops und Laptops<br />

kamen also Palmtops dazu. Die letzten<br />

Jahre waren geprägt vom rasanten Zuwachs<br />

an Smartphones und Tablets mit<br />

den Betriebssystemen der Hersteller<br />

Apple, Google und Microsoft. Im Business-Umfeld<br />

ist das Smartphone aber<br />

auch heute immer noch in erster Linie<br />

das mobile Arbeitsmittel für die Telefonie<br />

und Organisation von Mails, Kalender<br />

und Kontakten.<br />

Und wo ist jetzt der nächste qualitative<br />

und sinnvolle Schritt zu identifizieren?<br />

In der weiter zunehmenden mobilen<br />

Unterstützung von Kernprozessen. Es<br />

geht also darum, nicht nur die allgemeinen<br />

Informationsarbeiter mobil zu unterstützen,<br />

sondern immer mehr auch<br />

die Fachspezialisten, die die Wertschöpfung<br />

im Unternehmen erbringen.<br />

Nehmen Sie beispielsweise ein Industrie-Unternehmen,<br />

welches technische<br />

Geräte bei seinen Kunden installiert und<br />

dann auch Serviceleistungen erbringt.<br />

Die Sales- und Service-Techniker werden<br />

nun mit Tablets ausgerüstet, auf<br />

denen eine spezielle CRM-Anwendung<br />

läuft. Sie erhalten mobil ihre Aufträge,<br />

können mobil ihre Arbeiten planen und<br />

auf die Informationen über die Kunden<br />

und die Geräte zugreifen, und sie können<br />

ihre Arbeiten mobil dokumentieren.<br />

Der Techniker muss also nicht zuerst<br />

ins Büro, um Papier zu holen, sondern<br />

kann sofort den ersten Kunden bedienen.<br />

Nach Arbeitsschluss sind alle Daten<br />

in digitalem Format schon in den<br />

nachgelagerten Systemen der Firma<br />

vorhanden.<br />

Das bringt Produktivitätsfortschritte.<br />

Gleichzeitig hat man viele kritische<br />

Daten auf vielen Geräten.<br />

Exakt. Ich gebe Ihnen noch ein weiteres<br />

Beispiel aus der öffentlichen Verwaltung:<br />

Wir haben dort gerade ein Projekt<br />

in einer Abteilung abgeschlossen,<br />

in der sensitive Bürgerdaten mobil genutzt<br />

werden sollten. Wir haben eine<br />

Lösung eingeführt, bei der die entsprechenden<br />

Anwendungen und Daten auf<br />

den mobilen Geräten in einem separaten,<br />

verschlüsselten und zentral kontrollierten<br />

Bereich liegen. In beiden Beispielen<br />

hat die Kritikalität der Daten<br />

und Anwendungen auf den mobilen Geräten<br />

stark zugenommen, aber mit den<br />

geeigneten Massnahmen konnten die<br />

IT-Sicherheit<br />

Security und die Produktivität gesteigert<br />

werden.<br />

Es gilt, immer diese beiden Punkte im<br />

Auge zu haben?<br />

Es geht immer um die Frage: An welchen<br />

Punkten erhöhen mobile Lösungen die<br />

Wertschöpfung, die Effizienz oder die<br />

Produktivität? Der Wert für das Kernbusiness<br />

ist Leitschnur des Handelns.<br />

Andere Lösungen sollten nachrangig<br />

«An welchen<br />

Punkten<br />

erhöhen mobile<br />

Lösungen die<br />

Wertschöpfung,<br />

die Effizienz<br />

oder die<br />

Produktivität?»<br />

behandelt werden. Wo bringt Mobilität<br />

Zusatznutzen und reduziert Ineffizienzen<br />

und Doppelspurigkeiten oder Fehlerquellen?<br />

Das sind auch Ihre strategischen Ansatzpunkte<br />

bei Kundengesprächen?<br />

Im Business-Umfeld ist das Smartphone noch heute in erster Linie<br />

das mobile Arbeitsmittel für die Telefonie und Organisation.<br />

Unsere Consultants und auch ich sind<br />

praktisch jeden Tag bei Kunden. Dort<br />

geht es zunächst überhaupt nicht um<br />

Technologien, sondern primär um Szenarien,<br />

bei denen mobile Lösungen wirklichen<br />

Zusatznutzen generieren. Dann erst<br />

folgen Themen wie bestehende IT-Infrastruktur,<br />

Erbringung des neuen mobilen<br />

Service vor Ort oder aus einer Cloud oder<br />

Produkte und Lizenzierungsformen.<br />

Wie lösen Sie die Herausforderung<br />

Bring Your Own Device (BYOD)?<br />

Technisch ist diese Herausforderung mit<br />

den weiter oben erwähnten separaten<br />

und verschlüsselten Bereichen auf den<br />

mobilen Endgeräten gelöst – ob das Gerät<br />

der Firma gehört oder nicht. Die offenen<br />

Fragen sind meist rechtlicher, organisatorischer<br />

oder emotionaler Art.<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 91


IT-Sicherheit<br />

Mit dem «IT Mobility Health Check» Szenarien abdecken.<br />

In jedem Unternehmen gibt es zwischen<br />

10 und 20 Prozent sensitive Informationen<br />

– bei einem Spengler sind es eher<br />

weniger, bei einem Finanzdienstleister<br />

fallen mehr sensible Daten an. Diese<br />

sollen nicht an die Öffentlichkeit gelangen<br />

oder zur Konkurrenz wandern.<br />

Wenn die Daten mobil genutzt werden<br />

sollen, dann muss die Firma eine nachhaltige<br />

Lösung anstreben. Neben den<br />

oben erwähnten gibt es auch ganz klassische<br />

technische Massnahmen, um<br />

diese Daten zu schützen – beispielsweise<br />

mittels Applikations- oder Desktop-Virtualisierung.<br />

Die Benutzer haben<br />

in diesem Fall keine Firmendaten direkt<br />

auf den mobilen Endgeräten, sondern<br />

greifen remote auf zentral laufende Anwendungen<br />

und Daten zu. Da gibt es in<br />

der Zwischenzeit etablierte Lösungen<br />

von Herstellern wie Citrix, Microsoft oder<br />

VMware.<br />

Der entsprechende Zugang kann mit Benutzernamen<br />

und Passwort geschützt<br />

werden. Wir empfehlen heutzutage allerdings<br />

eine sogenannte Zwei-Faktoren-<br />

Authentifizierung: Nach Eingabe von<br />

Benutzernamen und Passwort erhält der<br />

Benutzer auf seinem eigenen Smartphone<br />

einen Code, den er zusätzlich eingeben<br />

muss. Erst dann kann er auf die<br />

zentralen Services zugreifen. Ein weiterer<br />

Vorteil von solchen Lösungen ist es,<br />

dass die Benutzer jederzeit von jedem<br />

Ort mit jedem Gerät gesichert auf die<br />

Firmen-IT zugreifen können.<br />

Manchmal will ich aber offline arbeiten.<br />

Mit der richtigen Beratung können alle<br />

Bedürfnisse analysiert und mit den richtigen<br />

Technologien umgesetzt werden, damit<br />

jeder Benutzer richtig arbeiten kann.<br />

Welche Ankerpunkte beinhalten die<br />

Anforderungen von Mobile Device Management<br />

(MDM) aus Ihrer Sicht?<br />

Da arbeiten wir mit einem ein sehr standardisierten<br />

Vorgehen. Bei kleinen und<br />

lokal agierenden Unternehmen sind<br />

meist nur die mobile Telefonie, mobiles<br />

E-Mail und ein mobiler Kalender wichtig.<br />

Die damit zusammenhängenden Daten<br />

werden meist als nicht sehr sensitiv eingestuft.<br />

Die Geschäftsführung oder Bereichsleitung<br />

kann hier aufgrund ziemlich<br />

rationaler Kriterien entscheiden,<br />

ob über den Standard hinausgehende<br />

MDM-Funktionalitäten notwendig sind.<br />

Da beraten wir ihn gerne. Vor wenigen<br />

Tagen hatten wir Lüftungstechniker bei<br />

uns in den Büroräumen. Sie rapportierten<br />

kurz vor Feierabend ihre Leistungen<br />

per Telefon oder Papier, und diese wurden<br />

dann von der Buchhaltung manuell<br />

erfasst. Das war es auch schon – kein<br />

MDM notwendig.<br />

Wenn der Einsatz von mobiler IT aber<br />

Wettbewerbs- oder Produktivitäts-Vorteile<br />

bringen kann, dann lohnen sich Lösungen,<br />

die wir angesprochen haben.<br />

Wenn auf Kundenseite hier noch Unklarheit<br />

herrscht, dann führen wir unseren<br />

«IT Mobility Health Check» durch.<br />

Da schauen wir uns Szenarien und Benutzererwartungen<br />

an. Auf dieser Basis<br />

geben wir unsere Empfehlungen technologischer<br />

und organisatorischer Art ab.<br />

Fragen wir nochmals konkret nach.<br />

Warum sind Sie ein Ansprechpartner<br />

für KMU-Verantwortliche?<br />

Wir sind selbst ein inhabergeführtes KMU<br />

mit bald 20 Jahren Erfahrung, 30 kompetenten<br />

Mitarbeitenden und einer hohen<br />

Innovationskraft. Wir haben rund<br />

500 erfolgreiche Projekte durchgeführt,<br />

100 Kunden in unserem Schweizer Rechenzentrum<br />

und 40 Kunden in die Microsoft-Cloud<br />

gebracht. Unsere technische<br />

Kompetenz liegt in den Bereichen<br />

IT-Infrastruktur, Cloud, Security und Mobility.<br />

Unsere Dienstleistungskompetenz<br />

deckt Beratung, Projekt-Management,<br />

Implementation, Betrieb und Support<br />

ab. Wir haben enge Partnerschaften mit<br />

den wichtigsten Software- und Hardware-Herstellern.<br />

Und: Der Kundennutzen<br />

steht für uns immer im Zentrum.<br />

ist Chief Sales and Marketing Officer bei<br />

der Dinotronic AG.<br />

www.dinotronic.ch<br />

Philipp Negele<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 92


Ihr persönlicher Kontakt<br />

für herausragende Leistung und<br />

fortschrittliche Lösungen.<br />

Alphabet<br />

Ihr Partner für innovative Mobilitätslösungen.<br />

Full-Service-Leasing schont Ihre Liquidität. Dank garantierten Mobilitätskosten fahren Sie<br />

ausserdem risikofrei, denn Versicherungen, Restwert, Service- und Reifenkosten gehören bei uns<br />

zum Full-Service-Paket dazu. Und ausserdem: Verträge können während der Laufzeit bequem<br />

an die wechselnden Bedürfnisse angepasst werden.<br />

Steigen Sie ein in die Mobilitätslösung von morgen!<br />

Auch für KMU-Flotten die erste Wahl: www.alphabet.ch


IT-Sicherheit<br />

Sicherheitslösungen für den nomadischen Arbeitsalltag.<br />

Hand in Hand<br />

Erst die Cloud macht Mobilität sicher<br />

von Hansjörg Gruber<br />

Viele Unternehmensverantwortliche haben beim Thema Cloud noch Berührungsängste. Wenn dann mobile Lösungen<br />

noch dazukommen, verstärken sich die Vorbehalte. Sind meine Daten wirklich sicher? Es gibt aber Wege, um<br />

diese Vorbehalte zu entkräften, wie der folgende Beitrag zeigt.<br />

Das «Everywhere Enterprise» basierend<br />

auf breiter Mobilität der<br />

Mitarbeiter ist heute längst keine<br />

Zukunftsvision mehr, sondern ökonomisches<br />

Gebot der Stunde und daher<br />

in vielen Unternehmen praktizierter<br />

Geschäftsalltag. So sind laut dem Forschungsunternehmen<br />

MSM Research<br />

bereits eine Million Schweizer Erwerbstätige<br />

mobil. Des Weiteren gehen die<br />

Researcher davon aus, dass die Schweizer<br />

Unternehmen aktuell rund 2.5 Milliarden<br />

Franken in mobile Arbeitsplätze<br />

investieren werden. Der Trend zu wechselnden,<br />

ortsunabhängigen Arbeitsplätzen,<br />

ob zu Hause, in Hotels, Flughäfen<br />

und Bahnhöfen, neuerdings auch in<br />

sämtlichen Transportmitteln sowie in<br />

urbanen Coworking Spaces, hat aber<br />

gerade erst richtig begonnen. Immer<br />

mehr Menschen greifen auch in der Arbeitswelt<br />

auf ihre im Privatleben bewährten<br />

Devices wie intelligente Smartphones<br />

und Tablets zurück. Derzeit sind<br />

in der Schweiz übrigens 2.2 Millionen<br />

Tablets im Umlauf. «BYOD» (bring your<br />

own device) heisst zudem, dass Mitarbeiter<br />

nicht selten sensible Unternehmensdaten<br />

auf ihren privaten Endgeräten<br />

speichern beziehungsweise diese<br />

ohne Wissen der IT in öffentliche Clouds<br />

auslagern. Auch die Nutzung von Apps<br />

für berufliche Zwecke scheint sich zunehmend<br />

mehr jeder unternehmerischen<br />

Kontrolle zu entziehen.<br />

Dem Sachzwang zur Flexibilisierung der<br />

Arbeit in Raum und Zeit stehen grosse<br />

Sicherheitsrisiken entgegen. Gerade<br />

mo bile Endgeräte sind in der jüngeren<br />

Vergangenheit beliebte Angriffsziele für<br />

Cyberkriminelle geworden. Eine direkte<br />

Korrelation zwischen der Verbreitung<br />

smarter, mobiler Devices und von Betrugsfällen<br />

im Netz ist kaum von der Hand<br />

zu weisen. Dem Tablet-Boom in Deutschland<br />

mit über zwei Millionen verkauften<br />

Geräten pro Jahr folgt gemäss AV-Test,<br />

dem unabhängigen IT-Security Institute,<br />

ein organisiertes Bedrohungskartell auf<br />

den Fuss. An die 55’000 neue Schadprogramme<br />

werden laut den dortigen<br />

Experten täglich neu entdeckt.<br />

Mobile Sicherheit braucht die Cloud<br />

Schon die begrenzte Akkulaufzeit, Rechnerleistung<br />

und Speicherkapazität von<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 94


mobilen Devices erfordert im Grunde<br />

die Auslagerung von Unternehmensdaten<br />

in die Cloud, auf die dann über<br />

Internet im Bedarfsfall jederzeit und<br />

von überall zugegriffen werden kann.<br />

In der Cloud können auch sämtliche<br />

Security-Aspekte besser, weil einheitlich<br />

für alle im Einsatz befindlichen Endgeräte<br />

administrierbar, gemanagt werden.<br />

Da mobiles Cloud Computing auf<br />

einer Kombination von mobilen Netzwerken<br />

und Cloud Computing beruht,<br />

muss in der Security-Politik auch ein<br />

zweifacher Ansatz verfolgt werden:<br />

einerseits der Schutz von mobilen Applikationen<br />

und der Privatheit der Benutzer<br />

mobiler Devices und andererseits<br />

der Schutz aller Informationen in der<br />

Cloud. Ergänzend zum zentralen Security-Management<br />

in der Cloud braucht<br />

es aber auch ein Mobile Policy Management<br />

(MPM), mit dem neben der Eliminierung<br />

üblicher Bedrohungen der<br />

Datensicherheit auch das Kostenmanagement<br />

für die mobile Workforce effizient<br />

adressiert werden kann.<br />

Vorreiter bei mobiler Sicherheit<br />

Fabasoft hat mit seinen mobilen Apps<br />

für Android und iOS den mobilen Wissens-<br />

und Dokumentenaustausch über<br />

die Cloud revolutioniert. Die webbasierte<br />

Anwendung sorgt mit Zwei-Faktor-<br />

Authentifizierung und Digital ID dafür,<br />

Die Herausforderung: Cloud muss sicher sein.<br />

dass nur berechtigte Personen von<br />

unterwegs Zugriff auf sensible Unternehmensdaten<br />

haben. Das Teamroom-<br />

Konzept der Fabasoft Cloud spielt im<br />

mobilen Cloud Computing seine Stärken<br />

ganz besonders aus. So können<br />

zentral Rechte für bestimmte Gruppen<br />

wie zum Beispiel Unternehmensverantwortliche,<br />

Verwaltungsräte oder auch<br />

das Vertriebspersonal eingerichtet werden,<br />

die bei Vorortpräsentationen dann<br />

über einen Link mobil auf sämtliche vorher<br />

im Teamroom abgelegten Informationen<br />

zugreifen können. Auch Gast-<br />

Accounts für Kunden und Lieferanten<br />

lassen sich unbürokratisch für den<br />

Zugriff auf Teamrooms einrichten. Das<br />

Feature «Zeitreise» ermöglicht zudem,<br />

den Bearbeitungsstand von Dokumenten<br />

zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der<br />

Vergangenheit einzusehen und weiterzubearbeiten.<br />

Rundum-Sicherheit erweitern<br />

Gerade im Zeitalter mobilen Arbeitens<br />

kommt der Sicherung von Applikationen<br />

und Daten sowohl auf den eingesetzten<br />

Endgeräten als auch am Transportweg<br />

und in der Cloud selbst höchste Bedeutung<br />

zu. Fabasoft ist daher im Schulterschluss<br />

mit der Wissenschaft im letzten<br />

Jahr noch einmal neue Wege gegangen,<br />

welche die Cloud Security insgesamt auf<br />

eine neue Entwicklungsstufe gehoben<br />

IT-Sicherheit<br />

haben. Mit der Entwicklung einer Appliance<br />

für eine Private Cloud-Inhouse-<br />

Lösung und mit SECOMO für sichere<br />

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei begleitender<br />

Verwendung von Hardware-<br />

Encryption-Modulen und der parallelen<br />

Verlagerung des gesamten Schlüsselmanagements<br />

hin zum Kunden sorgt<br />

Fabasoft für höchste Cloud-Sicherheit in<br />

europäischen Cloud-Umgebungen.<br />

Von diesen beiden revolutionären Eigenentwicklungen<br />

profitieren Unternehmen<br />

hochgradig auch im mobilen Cloud<br />

Computing. Sie sorgen als Business-<br />

Environment bei den Kunden dafür,<br />

dass alle von Fabasoft sukzessive entwickelten<br />

Sicherheitsparameter auch<br />

im nomadischen Arbeitsalltag uneingeschränkt<br />

zur Anwendung gelangen.<br />

Mobiles Cloud Computing ist bei<br />

Fabasoft so sicher wie der Zugriff auf die<br />

Cloud vom Büroarbeitsplatz aus. Die<br />

Usablity der mobilen Fabasoft-Apps<br />

sorgt zudem dafür, dass unternehmerisches<br />

MPM nicht nur Richtlinien für<br />

den Einsatz von mobilen Geräten ausgeben<br />

muss, sondern auch eine perfekte<br />

Lösung für mobiles Cloud Computing<br />

anbieten kann, das keine Alternativen<br />

braucht.<br />

Mobiles Cloud Computing kann seine<br />

Vorzüge nur ausspielen, wenn das<br />

Sicherheitsmanagement für mobile<br />

Endgeräte und deren Zugriff auf Applikationen<br />

und Daten in einer hoch sicheren<br />

Cloud auch in der Cloud selbst aufgesetzt<br />

ist und MCC auf Basis von Cloud-<br />

Apps auch anwenderfreundlich und<br />

einfach genutzt werden kann. Das ist<br />

meine Überzeugung.<br />

Hansjörg Gruber<br />

ist Leiter von Fabasoft Cloud.<br />

www.fabasoft.com<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 95


IT-Sicherheit<br />

B2B und B2C neu definiert<br />

Zusammenarbeit in Unternehmen<br />

von René Eberhard<br />

Moderne Kollaborationsplattformen<br />

unter Verwendung von Rights Management<br />

Services und elektronischen<br />

Signaturen, eröffnen neue Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit und garantieren<br />

den effizienten und sicheren<br />

Austausch von Daten.<br />

Bekannte Anforderungen …<br />

Sicher, strukturiert, klassifiziert und<br />

nachvollziehbar sollen Informationen innerhalb<br />

von Unternehmen, im Bereich<br />

B2B und B2C ausgetauscht werden.<br />

Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen,<br />

dass Business-Anforderungen,<br />

Organisationseinheiten, Prozesse oder<br />

Teams dynamischen Wechseln unterzogen<br />

sind.<br />

Im Weiteren muss die Integrität und Vertraulichkeit<br />

sensibler Daten jederzeit und<br />

überall gewährleistet sein. Dies gilt für<br />

Daten, die innerhalb eines Unternehmens,<br />

auf mobilen Geräten oder in der<br />

Cloud gespeichert werden. Zudem soll es<br />

die Möglichkeit geben, Genehmigungsoder<br />

Freigabeprozesse innerhalb von<br />

Unternehmen oder Vertragsabschlüsse<br />

über Unternehmensgrenzen hinweg sicher<br />

und nachvollziehbar umzusetzen.<br />

… neu und effektiv umgesetzt.<br />

Die folgend aufgeführten Schlüsseltechnologien<br />

ermöglichen es, die zuvor genannten<br />

Anforderungen effektiv umzusetzen.<br />

In Kombination eingesetzt bieten sie<br />

Eigenschaften, die mit traditionellen Lösungsansätzen<br />

nicht abgebildet werden<br />

können. Die Technologien sind verfügbar<br />

und erprobt und kommen in verschiedenen<br />

Unternehmen bereits zum Einsatz.<br />

Kollaborationsplattformen on prem …<br />

Moderne Kollaborationsplattformen, wie<br />

beispielsweise SharePoint, werden genutzt,<br />

um Workflows oder strukturierte<br />

Ablagesysteme abzubilden. Sie ersetzen<br />

mehr und mehr den Austausch von Daten<br />

per E-Mail oder Fileshares.<br />

Über Identity- und Access-Management-<br />

Systeme werden Benutzer auf Projekt-,<br />

Team- oder Themenräume berechtigt,<br />

um die entsprechenden Daten oder<br />

Prozesse zu verarbeiten oder abzuspeichern.<br />

Personalisierte Newsfeeds<br />

informieren die Benutzer über wichtige<br />

Änderungen in den jeweiligen Räumen<br />

und fordern sie gegebenenfalls zu Aktionen<br />

auf. Der Austausch von Daten per<br />

E-Mail oder Fileshares entfällt. Neue<br />

Mitarbeiter oder Teammitglieder können<br />

die Entwicklung eines Projektes von<br />

Beginn weg nachvollziehen und finden<br />

sich durch die strukturierten Ablagen<br />

und Prozesse schnell zurecht.<br />

... und in der Cloud<br />

Daten werden heute traditionell per E-<br />

Mail über Unternehmensgrenzen hinweg<br />

ausgetauscht. Dies ist weder sicher<br />

noch strukturiert und erschwert<br />

auch den Einbezug von Stellvertretern<br />

oder neuen Teammitgliedern auf beiden<br />

Seiten.<br />

Mit einer Kollaborationsplattform in der<br />

Cloud können die zuvor genannten Anwendungsfälle<br />

analog über Unternehmensgrenzen<br />

hinweg umgesetzt werden.<br />

Aufgrund der grossen Verbreitung<br />

von SharePoint und den zukunftsträchtigen<br />

Eigenschaften der Microsoft Azure<br />

Cloud bietet sich hierzu SharePoint Online<br />

an. Sobald die Kollaborationspartner<br />

ihre Identitäten im Azure AD verwalten,<br />

können die Berechtigungen zu den jeweiligen<br />

Räumen unternehmensübergreifend<br />

verwaltet werden. Der Zugriff<br />

erfolgt sicher über föderierte Authentisierung.<br />

Rights Management mit systemunabhängiger<br />

Zugriffskontrolle …<br />

Berechtigungsgruppen regeln den Zugriff<br />

auf Daten in der Kollaborationsplattform.<br />

Diese können effizient über<br />

Identity- Management-Systeme sowie<br />

Synchronisationsprozesse in der Azure<br />

Cloud verwaltet werden. Der Zugriff auf<br />

Daten soll aber auch ausserhalb der Kollaborationsplattform<br />

geregelt sein. Im<br />

Idealfall analog, wie wenn die Daten innerhalb<br />

der Kollaborationsplattform liegen<br />

würden.<br />

Mit Rights Management kann sichergestellt<br />

werden, dass nur berechtigte Personen<br />

Einsicht in Daten haben, unabhängig<br />

vom Ort, der Anzahl Kopien und den<br />

Medien, worauf die Daten gespeichert<br />

sind. Im Unterschied zu anderen Technologien<br />

ist der Schutz untrennbar mit<br />

den Daten verbunden. Neben dem reinen<br />

Schutz kann über Rights Management<br />

festgelegt werden, ob spezifische<br />

Benutzer die Daten beispielsweise editieren,<br />

drucken oder an weitere Benutzer<br />

weiterleiten dürfen. Darüber hinaus können<br />

die Daten klassifiziert werden.<br />

Sobald Daten die Kollaborationsplattform<br />

verlassen, werden sie klassifiziert<br />

und unter Anwendung von Rights Management<br />

verschlüsselt. Somit wird sichergestellt,<br />

dass der Zugriff auch ausserhalb<br />

der Kollaborationsplattform<br />

analog geregelt ist.<br />

Sichere Architekturmodelle aufbauen, um<br />

gegen Gefahren gewappnet zu sein.


… und ermöglicht das Tracking<br />

von Dokumenten<br />

Mit Rights Management wird jede<br />

Datei individuell verschlüsselt. Damit<br />

eine Datei entschlüsselt werden<br />

kann, muss der jeweilig kryptografische<br />

Schlüssel von einem zentralen<br />

Server bezogen werden. Dieser prüft<br />

vorab die Berechtigung des Benutzers.<br />

Diese Eigenschaft ermöglicht<br />

es, den Zugriff auf Dokumente fortwährend<br />

aufzuzeichnen und zu prüfen.<br />

Mit entsprechendem Report kann beispielsweise<br />

eingesehen werden, welche<br />

Benutzer in welchen Organisationseinheiten<br />

an welchen Standorten zu welchen<br />

Zeiten ein Dokument geöffnet oder<br />

versucht haben, es zu öffnen. Dies gibt<br />

einem Unternehmen erstmals die Möglichkeit,<br />

die Verwendung von Daten zu<br />

analysieren.<br />

Wird Rights Management über die Azure<br />

Cloud verwaltet und im Zusammenhang<br />

mit SharePoint Online eingesetzt, können<br />

diese Anwendungsfälle auch über<br />

Unternehmensgrenzen hinweg erfolgen.<br />

Präsentation an der<br />

Security-Zone <strong>2015</strong><br />

Keyon präsentiert praktische<br />

Anwendungsfälle im Bereich der<br />

sicheren Kollaboration inkl. Live-<br />

Demo (23. Sept. <strong>2015</strong>, 11.00 Uhr,<br />

Börse Zürich).<br />

Elektronische Signaturen<br />

sichern Nachvollziehbarkeit<br />

Business-relevante Genehmigungsoder<br />

Freigabeprozesse können innerhalb<br />

eines Workflows auf der Kollaborationsplattform<br />

umgesetzt werden.<br />

Oftmals müssen mehrere Personen im<br />

Vieraugenprinzip zustimmen, bevor ein<br />

Prozess weitergeführt werden kann.<br />

Analoges gilt für die Abwicklung von<br />

wichtigen Geschäftsfällen oder Vertragsabschlüssen<br />

über die Kollaborationsplattform<br />

im Bereich B2B. Da Projekträume<br />

einmal archiviert werden,<br />

muss die Zustimmung so umgesetzt<br />

werden, dass sie später unabhängig<br />

von der Kollaborationsplattform nachvollzogen<br />

werden kann.<br />

ist CEO von Keyon.<br />

www.keyon.ch<br />

IT-Sicherheit<br />

Mit elektronischen Signaturen können<br />

Genehmigungs- oder Freigabeprozesse<br />

sowie Vertragsabschlüsse effizient auf<br />

Office- oder PDF-Dokumenten umgesetzt<br />

werden. Die elektronischen Signaturen<br />

werden innerhalb eines Workflows<br />

oder auf dem lokalen PC erstellt. Die<br />

benötigten Signaturschlüssel werden<br />

zentral verwaltet. Erhält ein Benutzer<br />

Zugang auf einen Raum in der Kollaborationsplattform,<br />

kann er automatisch<br />

auf die Signaturapplikation aufgeschaltet<br />

werden.<br />

René Eberhard<br />

Auch im Maschinenbau:<br />

Die SERV versichert Exporte von Konsumund<br />

Investitionsgütern ebenso wie Dienstleistungen<br />

an ausländische Käufer.<br />

Exportieren? Aber sicher!<br />

Die SERV – für finanzielle Sicherheit bei Exportgeschäften und Hilfe bei Liquiditätsengpässen.<br />

Besteht die Gefahr, dass Sie exportieren, aber Ihr Vertrags partner<br />

plötzlich nicht mehr zahlen kann oder will? Könnten Sie einen<br />

interes santen Auftrag an Land ziehen, aber es fehlt Ihnen die<br />

Liqui dität für die Herstellung des Exportgutes? Die SERV versichert<br />

die politischen und wirtschaftlichen Risiken eines Exportgeschäftes,<br />

um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Zudem hilft sie Schweizer<br />

Exporteuren und Dienstleistern bei Liquiditätsproblemen.<br />

SERV Schweizerische Exportrisikoversicherung<br />

+41 58 551 55 55<br />

info@serv-ch.com<br />

www.serv-ch.com


Software & Hardware<br />

Die erste industrielle Revolution ist Vergangenheit.<br />

Transformation to Smart Factory<br />

Industrie 4.0 braucht Beratung<br />

von Dr. Ing. Miriam Schleipen<br />

Die vierte industrielle Revolution steht vor der Tür. Durch Industrie 4.0 bieten sich Unternehmen im Umfeld<br />

der Produktion viele Chancen und Herausforderungen. Manufacturing Execution Systems (MES) sind dabei eine<br />

wichtige Grundlage. Das IT-Unternehmen Atos und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fraunhofer<br />

IOSB aus Deutschland bauen hier gemeinsame Beratungsleitungen auf.<br />

Der Verein Deutscher Ingenieure<br />

definiert in seinen Richtlinien eine<br />

klare Ausgangssituation. «Manufacturing<br />

Execution Systems (MES) sind<br />

ein umfassender Treiber für die Organisation<br />

und Durchführung des Produktionsprozesses»<br />

(VDI-Richtlinie 5600<br />

Blatt 1). Mit einem grossen Kommunikationsbedürfnis,<br />

in der Position zwischen<br />

Feld- und ERP-Ebene, sind MES Datenund<br />

Informationsdrehscheibe und können<br />

in dieser Rolle auch in Kombination<br />

mit Technologien aus dem Internet der<br />

Dinge und Dienste in dieser spannenden<br />

neuen Welt verstärkt zur Wertschöpfung<br />

beitragen. Die heutigen MES-Aufgaben<br />

werden sich dadurch zukünftig ebenso<br />

verändern wie die zugrunde liegende<br />

Architektur. Hier wollen Atos und das<br />

Fraunhofer IOSB gemeinsam helfen und<br />

unterstützen und bieten eine gemeinsame<br />

standardisierte Beratungsleistung<br />

an. Das Beratungskonzept «Transformation<br />

to Smart Factory MES» befasst sich<br />

mit der Identifikation von technischen<br />

und organisatorischen Massnahmen<br />

für MES auf Basis von zukünftigen Herausforderungen<br />

und erzielbarem Nutzen,<br />

auch unter Berücksichtigung nicht funktionaler<br />

Anforderungen wie zum Beispiel<br />

IT-Sicherheit.<br />

Häufig stellt sich nicht die Frage, ob Industrie<br />

4.0 ein Thema in der Produktion<br />

werden wird und soll. Eher geht es<br />

meist darum, welche Leistungen aus<br />

dem Industrie-4.0-Umfeld genutzt oder<br />

angeboten werden können. Es geht<br />

folglich darum, mit welchen Massnahmen<br />

der vierten industriellen Revolution<br />

begegnet wird und welchen Nutzen<br />

Industrie 4.0 für das Unternehmen tatsächlich<br />

bringen kann. Massnahmen<br />

können dabei organisatorischer oder<br />

In der vierten industriellen Revolution verschmelzen IT- und Produktionswelten.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 98


Software & Hardware<br />

technischer Natur sein. Beispielsweise<br />

kann dies die Umsetzung oder Einführung<br />

einer bestimmten Technologie sein,<br />

aber auch der Einsatz eines bestehenden<br />

Standards. Dabei stehen auch grundlegende<br />

Dinge wie die Software-Architektur<br />

oder das Software-Engineering im<br />

Fokus. Es geht also nicht nur um kurzfristige<br />

Werttreiber, sondern ebenfalls um die<br />

mittelfristige Transformation bezogen auf<br />

projektunabhängige Tätigkeiten. Hierbei<br />

steht ein ganzheitliches Handeln (nicht<br />

nur Produktion, IT oder Geschäftsprozesse,<br />

sondern alles in Wechselwirkung)<br />

im Vordergrund. Um dies zu erreichen,<br />

wurde eine gemeinsame Wissensdatenbank<br />

aufgebaut und ein entsprechendes<br />

Vorgehensmodell entwickelt.<br />

Das Vorgehensmodell und seine strategischen Meilensteine.<br />

Erstens: Awareness<br />

Die Haupt- und Unterthemen innerhalb<br />

der Wissensdatenbank werden im ersten<br />

Schritt (Awareness) auf relevante<br />

Innovativer Hintergrund<br />

Die Gruppe «Leitsysteme und<br />

Anlagenmodellierung» der<br />

Abteilung «Informationsmanagement<br />

und Leittechnik»<br />

des Fraunhofer IOSB befasst<br />

sich seit über 25 Jahren mit<br />

produktionsnahen IT-Systemen,<br />

unter anderem Manufacturing<br />

Execution Systems (MES). Atos<br />

bringt aufgrund von Erfahrungen<br />

aus mehr als 400 Manufacturing-<br />

Projekten weltweit in den<br />

zurückliegenden 20 Jahren<br />

ebenfalls fundierte Praxiskenntnisse<br />

mit. Damit agieren<br />

beide Partner im Spannungsfeld<br />

zwischen IT und Produktion,<br />

das hier fokussiert wird.<br />

Gerade der starke und wichtige<br />

Schweizer und deutsche KMU-<br />

Sektor in der Produktion<br />

profitiert von einer praxisnahen,<br />

in kurzer Zeit definierten Strategie,<br />

die gemeinsam mit dem Endanwender<br />

entsteht und konkrete<br />

Massnahmen und Schritte zur<br />

Umsetzung von Industrie 4.0<br />

vorgibt. Hier gilt es, dem Thema<br />

Industrie 4.0 die Komplexität zu<br />

nehmen und mit einem Zeithorizont<br />

von ein bis zwei Zeit-Monaten<br />

zu einer individuellen Lösung,<br />

einem Massnahmenplan, zu<br />

kommen, der konkret<br />

umgesetzt werden kann.<br />

Bereiche eingegrenzt, indem auf Basis<br />

der MES-Funktionalitäten gemäss<br />

VDI5600-1 (beispielsweise Qualitätsanalyse)<br />

oder den Kategorien der ISA95<br />

(Production) eine Vorauswahl relevanter<br />

Industrie 4.0-Kategorien getroffen wird.<br />

Dies kann beispielsweise die eingeführte<br />

Industrie 4.0-Kategorie «Connected<br />

Machines and Products» sein.<br />

Auch der Bezug zum Referenzarchitekturmodell<br />

Industrie 4.0 (RAMI) wird nicht<br />

vergessen. So werden auf Basis der vorgeschlagenen<br />

Industrie 4.0-Kategorien<br />

einzelne Ausschnitte des RAMI (beispielsweise<br />

die Hierarchie-Ebenen der<br />

IEC 62264 und IEC 61512) abgebildet.<br />

Zweitens und drittens:<br />

Assesment und Identification<br />

Bezogen auf die ausgewählten Kategorien<br />

wird nun im zweiten Schritt (Assesment)<br />

ein Katalog von Haupt- und<br />

Unterthemen bereitgestellt, der zur Bestimmung<br />

der Ist-Situation, aber auch<br />

zur anschliessenden Festlegung zu adressierender<br />

Themen – der Soll-Situation<br />

im dritten Schritt (Identification) –<br />

genutzt wird. Ein Thema könnte hier das<br />

Smart Product sein. Die zu adressierenden<br />

Themen sind jeweils mit konkreten<br />

funktionalen Massnahmen in der Industrie<br />

4.0 Wissensdatenbank belegt. Beispielsweise<br />

muss für das Smart Product<br />

bestimmt werden, welcher Umfang von<br />

Informationen auf dem Produkt selbst<br />

gespeichert werden soll. Weiterhin werden<br />

im dritten Schritt auch nicht funktionale<br />

Anforderungen festgelegt wie<br />

beispielsweise die Wartbarkeit oder Benutzerfreundlichkeit,<br />

die im konkreten<br />

Fall erfüllt werden müssen.<br />

Viertens und fünftens:<br />

Justification und Implementation<br />

Gleichzeitig sind aber auch mögliche<br />

qualitative Nutzenpotenziale in der Wissensdatenbank<br />

enthalten wie beispielsweise<br />

weniger unnötige Lagerzeiten oder<br />

weniger manueller Aufwand, um die ausgewählten<br />

Massnahmen nach verschiedenen<br />

Zielkriterien priorisieren zu können<br />

und daraus im vierten Schritt (Justification)<br />

einen entsprechenden Umsetzungsplan<br />

zu erzeugen. Nach erfolgter Umsetzung<br />

im fünften Schritt (Implementation)<br />

geht es zurück in eine Überprüfung zur<br />

iterativen Fortschreibung der Strategie.<br />

So kann die Entwicklung in Richtung Industrie<br />

4.0 Schritt für Schritt erfolgen.<br />

Dr. Ing.<br />

Miriam Schleipen<br />

arbeitet am Fraunhofer IOSB und leitet<br />

aktuell die Gruppe Leitsysteme und Anlagenmodellierung<br />

in der Abteilung Informationsmanagement<br />

und Leittechnik.<br />

Ihr Schwerpunkt liegt auf der Adaptivität<br />

und Interoperabilität von Teilsystemen<br />

in Produktionsanlagen, speziell für die<br />

MES-Ebene.<br />

www.iosb.fraunhofer.de/?fabrik+und+tools<br />

www.de.atos.net<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 99


Software & Hardware<br />

Im Fokus<br />

Sicherheitsherausforderungen<br />

bei Industrie 4.0<br />

von Karl Schrade<br />

Im Bereich Office sind die Sicherheitslösungen heute<br />

auf einem guten Weg, auch wenn sie oft noch einige<br />

Luft nach oben haben. Die Sensibilisierung für<br />

die Gefahren ist bei Unternehmensverantwortlichen<br />

meist vorhanden. Wenn man die Produktion im Zeichen<br />

von Industrie 4.0 mit einbezieht, sieht die Situation<br />

aber düster aus. Wir baten einen Experten um<br />

einen analytischen Überblick.<br />

Unter dem Schlagwort Industrie 4.0<br />

wird die vierte Industrielle Revolution<br />

verstanden, nach Mechanisierung,<br />

Elektrifizierung und Digitalisierung<br />

der Industrie. Grundlage von<br />

Industrie 4.0 ist die Vernetzung von Systemen,<br />

Maschinen und Betriebsmitteln<br />

zu einem intelligenten Gesamtsystem,<br />

das eine hohe Flexibilität und Automatisierung<br />

erlaubt. Das letztendliche Ziel<br />

von Industrie 4.0 ist eine Smart Factory,<br />

die aus miteinander vernetzten Cyber<br />

Physical Systems (CPS) besteht: Eine<br />

hoch automatisierte Fabrik, in der die<br />

Produktionsabläufe über alle Ebenen<br />

hinweg durch Systeme gesteuert werden,<br />

idealerweise mit so wenig wie möglich<br />

menschlicher Beeinflussung der<br />

Abläufe. Maschinen holen sich ihre Produktionsdaten<br />

automatisch aus zentralen<br />

ERP-Systemen, Komponenten und Bauteile<br />

kennen ihren eigenen Endzustand<br />

und können den Weg dahin beeinflussen.<br />

Anlagen kommunizieren regelmässig<br />

mit den Herstellern und melden<br />

relevante Betriebsdaten, um potenzielle<br />

Störungen durch Wartungsarbeiten<br />

planbarer zu machen und somit für geringere<br />

Ausfallzeiten zu sorgen, und so<br />

weiter und so fort. Letztendlich soll Industrie<br />

4.0 sowohl den produzierenden<br />

Unternehmen als auch deren Kunden<br />

immense Vorteile bringen: Effizienzsteigerung,<br />

Kostensenkung, Losgrösse 1)<br />

sind hier nur einige der Schlagwörter.<br />

Aber Industrie 4.0 bringt auch eine Reihe<br />

von Herausforderungen mit sich, vor<br />

allem in Bezug auf das Thema Informa-<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 100


tions- beziehungsweise Datensicherheit.<br />

Während grosse Unternehmen sich<br />

schon seit Längerem mit Industrie 4.0<br />

beschäftigen, was nicht heissen soll,<br />

dass der Grossteil der Herausforderungen<br />

auch wirklich gelöst ist, scheint das<br />

typische KMU-Umfeld das Thema erst<br />

jetzt so langsam aufzugreifen.<br />

Unterschied von Safety und Security<br />

Wie bereits erwähnt, ist eine enge Vernetzung<br />

der bisher typischerweise getrennten<br />

Welten Office-IT und Produktions-IT<br />

unabdingbar für den Erfolg von<br />

Industrie 4.0. Daraus ergibt sich eine Öffnung<br />

der weitestgehend abgeschotteten<br />

Produktions-IT und konfrontiert diese<br />

mit bisher unbekannten beziehungsweise<br />

neuen Sicherheitsrisiken. Hinzu<br />

kommt ein oftmals fehlendes Verständnis<br />

für Belange der Informationssicherheit<br />

auf Seiten der Betreiber der Produktions-IT.<br />

Sicherheit in der Produktion<br />

bezieht sich in der Regel auf die Fragen<br />

der Betriebssicherheit, im anglistischen<br />

Sprachkontext unter dem Begriff<br />

Safety zusammengefasst. Damit ist<br />

gemeint, dass von Produktionsanlagen<br />

und Maschinen keine Gefahr für Umwelt<br />

und Menschen ausgehen darf und<br />

dass die Verfügbarkeit an oberster Stelle<br />

steht. Die Ziele von (Informations-)Sicherheit,<br />

im Englischen Security genannt,<br />

sind vielfältiger und zielen auf den Schutz<br />

von Daten und Systemen ab. Die klassischen<br />

Ziele von Security sind Vertraulichkeit,<br />

Integrität und Verfügbarkeit. In der<br />

Regel werden sie genau in dieser Reihenfolge<br />

abgehandelt.<br />

insbesondere bei Unternehmensverantwortlichen<br />

von KMU. Um dies zu verdeutlichen,<br />

hier ein Zitat aus dem Deutschen<br />

Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV):<br />

«Die Gefahr, dass sensible Informationen<br />

aus einem Betrieb in die falschen Hände<br />

fallen, ist (…) real. Besonders innovative<br />

mittelständische Unternehmen sollten ihr<br />

Potenzial daher ausreichend schützen.<br />

Viele mittelständische deutsche Unternehmen<br />

sind leichte Beute. Sie können<br />

oft nur schlecht einschätzen, was ihre<br />

Kronjuwelen sind, wofür sich die Gegenseite<br />

interessiert …»<br />

Gerade in diesem Umfeld herrscht oftmals<br />

die Meinung, dass Informationssicherheit<br />

keinen Mehrwert für das<br />

Geschäft bringt, sondern nur Kosten<br />

verursacht. Aus diesem Grund finden<br />

sich dann in solchen Unternehmen<br />

oftmals nur technische Lösungen wie<br />

Firewalls und Proxyserver in Richtung<br />

Software & Hardware<br />

gen, Richtlinien und Standards, es fehlt<br />

bei den Betroffenen oft einfach nur am<br />

Wissen darüber. So gibt es in Deutschland<br />

entsprechende Richtlinien oder<br />

Best-Practices-Empfehlungen einzelner<br />

Branchenverbände. Vom VDI/VDE-IT,<br />

einem führenden Dienstleister für Fragen<br />

rund um Innovation und Technik, gibt es<br />

die Richtlinie 2182, die einen achtstufigen<br />

generischen Kreislauf beschreibt,<br />

der pragmatisch und somit einfach umzusetzen<br />

ist. Auch wenn es sich hierbei<br />

um Verbände und Gremien aus Deutschland<br />

handelt, die in den Dokumenten gemachten<br />

Aussagen und Empfehlungen<br />

haben generell Gültigkeit auch in der<br />

Schweiz. Auf internationaler Ebene ist<br />

die Normenreihe IEC 62443 zu erwähnen,<br />

der Nachfolger bzw. die Weiterentwicklung<br />

von ISA 99. Auch vonseiten ISO<br />

gibt es in der ISO-27XXX-Reihe entsprechende<br />

Standards, die auf bestimmte<br />

Branchen zugeschnitten sind, wie zum<br />

Parallel dazu gibt es eine Reihe von Unterschieden<br />

in beiden Welten, die es nicht<br />

einfacher machen. Hier seien exemplarisch<br />

Themen wie Alter beziehungsweise<br />

Lebensdauer von Komponenten,<br />

zum Einsatz kommende Betriebssysteme<br />

und Applikationen, Klartextprotokolle,<br />

Fernwartungszugriffe, mangelnde oder<br />

unzureichende Methoden zur Authentifizierung<br />

oder Echtzeitanforderungen erwähnt,<br />

die in der modernen Office-IT in<br />

der Regel keine oder nur eine untergeordnete<br />

Rolle spielen, in der Produktions-IT<br />

jedoch mit entsprechend hoher Wichtigkeit<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

Sensibilisierung für Gefahren<br />

Neben diesen eher technischen Aspekten<br />

ist die Sensibilisierung der Geschäftsführung<br />

für Belange der Informationssicherheit<br />

von zentraler Bedeutung,<br />

Der achtstufige generische Kreislauf, der pragmatisch und somit einfach umzusetzen ist.<br />

Quelle: Richtlinie VDI/VDE 2182<br />

Internet oder Anti-Virus-Lösungen, die<br />

gegen aktuelle Bedrohungen nur einen<br />

rudimentären Basisschutz bieten können<br />

und weit davon entfernt sind, eine auf das<br />

jeweilige Unternehmen zugeschnittene<br />

Sicherheitsarchitektur darzustellen.<br />

Best Practices und Richtlinien<br />

In verschiedenen Umfragen und Studien<br />

wird immer wieder erwähnt, dass es<br />

keine Richtlinien oder Best Practices<br />

für Industrial Control Systems Security<br />

gäbe, so zum Beispiel in einer Umfrage<br />

des Verbands Deutscher Maschinen-<br />

und Anlagenbau aus dem Jahr<br />

2014. Dem muss klar widersprochen<br />

werden: Es gibt eine Vielzahl von nationalen<br />

und internationalen Empfehlun-<br />

Beispiel ISO 27019 und ISO 27011. Abschliessend<br />

seien hier noch die US-amerikanischen<br />

Standards und Richtlinien<br />

NIST SP 800-82 und NERC-CIP erwähnt.<br />

Proaktiv handeln<br />

Egal, nach welchem Standard oder nach<br />

welcher Richtlinie ein Unternehmen<br />

das Thema angehen will beziehungsweise<br />

muss, eines steht immer ganz am<br />

Anfang: ein Trigger 2) , der die entsprechenden<br />

Aktionen auslöst. Dieser sollte<br />

idealerweise nicht ein Vorfall (Incident)<br />

sein, sondern proaktiv von der Unternehmensführung<br />

ausgelöst werden. Beispielhaft<br />

sei hier die Vorgehensweise<br />

nach VDI/VDE 2182 zu nennen, mit<br />

ihrem achtstufigen Kreislauf.<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 101


Software & Hardware<br />

Security beinhaltet ein umfassendes Konzept und zielt auf den Schutz von Daten und Systemen ab.<br />

Neben dem initialen Trigger kommt der<br />

ersten Stufe eine hohe Bedeutung zu:<br />

Assets identifizieren. Gerade in Produktionsumgebungen<br />

gibt es oftmals<br />

keine umfängliche Aufstellung aller Assets<br />

und deren Kommunikationsbeziehungen.<br />

Das ist in der Regel dem Umstand<br />

geschuldet, dass es sich hier um<br />

über Jahrzehnte gewachsene Infrastrukturen<br />

handelt, die zusätzlich von der<br />

Office-IT entkoppelt waren. Solch eine<br />

notwendige Aufstellung erfordert typischerweise<br />

eine Mischung aus automatisierter<br />

Erhebung mit entsprechenden<br />

technischen Lösungen und manueller<br />

Vor-Ort-Begehung. Bei solchen Vor-<br />

Ort-Begehungen werden regelmässig in<br />

Vergessenheit geratene Komponenten<br />

gefunden, die nicht mehr gebraucht werden,<br />

wie zum Beispiel analoge Modems<br />

und ISDN Router für die Fernwartung.<br />

Solche Komponenten stellen ein hohes<br />

Risiko dar, da sie einen direkten und<br />

oftmals schlecht geschützten Zugang<br />

direkt auf Produktionssysteme erlauben.<br />

Ein idealer Einstiegspunkt für Angreifer<br />

jeglicher Couleur.<br />

Nützliche Informationen zum Themenkomplex<br />

finden sich auch beim Deutschen<br />

Bundesamt für Sicherheit in der<br />

Informationstechnik (BSI). Neben einem<br />

ausführlichen ICS Security Kompendium<br />

veröffentlicht das BSI auch regelmässig<br />

aktualisierte Empfehlungen wie<br />

zum Beispiel BSI-CS 005 oder BSI-CS<br />

108 3) . In der Schweiz ist die Melde- und<br />

Analysestelle Informationssicherung<br />

MELANI die zentrale staatliche Anlaufstelle<br />

für Sicherheitsfragen und Sicherheitsstandards.<br />

Konkrete Vorschläge<br />

In nahezu allen Publikationen findet sich<br />

ein Ausdruck, der in der Office-IT Security<br />

schon lange bekannt ist und entsprechend<br />

Beachtung findet: Layered<br />

Defense beziehungsweise Defense in<br />

Depth. Der Grundgedanke dahinter ist,<br />

dass Massnahmen verschiedener Art<br />

und auf verschiedenen Ebenen implementiert<br />

werden, um im Falle eines Ausfalls<br />

oder der Unwirksamkeit einer einzelnen<br />

Massnahme immer noch einen<br />

funktionierenden Schutz zu haben. Das<br />

Konzept von Defense in Depth besteht<br />

grob aus einer Mischung aus Kontrollen<br />

für Prävention, Erkennung und aktiver<br />

Korrektur beziehungsweise Behebung<br />

von Sicherheitsvorfällen. Dazu gehören<br />

eher technische Grundmassnahmen wie<br />

Netzwerksegmentierung mit Verkehrskontrolle,<br />

Intrusion Detection/Prevention<br />

Systeme, Endpoint Protection, Application<br />

Whitelisting, zentralisierte Fernwartungszugänge,<br />

Einsatz von Kryptografie<br />

und Network Access Control. Aber auch<br />

eher organisatorische Prozesse, wie<br />

Asset Management, Patch Management,<br />

Configuration Management, Richtlinien<br />

zum sicheren Umgang mit Daten und<br />

Komponenten, Awareness Trainings und<br />

nicht zuletzt auch ein wirksames Incident<br />

Response Management und Forensische<br />

Analyse sind wichtig.<br />

Das Beispiel Netzwerkumgebungen<br />

Allerdings ist eine reine Beschränkung<br />

auf pure Technikaspekte ein unzureichender<br />

Ratgeber und bringt auch<br />

keinen echten Mehrwert. Das sind oft<br />

Massnahmen, die in vielen Unternehmen<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 102


in der Office-IT schon seit Langem genutzt<br />

werden. Eine Adaption an die Produktions-IT<br />

kann jedoch in der Realität<br />

nicht ohne gründliche Planung und<br />

Evaluierung durchgeführt werden, da<br />

es hier völlig andere Rahmenparameter<br />

gibt, die insbesondere bei technischen<br />

Massnahmen entsprechende Berücksichtigung<br />

finden müssen. Beispielhaft<br />

versuchen. Aber auch immer wieder<br />

auftretende Infektionen mit «alten Bekannten»<br />

wie zum Beispiel Conficker<br />

verursachen hohe Schäden, weil sie<br />

sich ungehindert in der Produktions-IT<br />

einnisten und verbreiten können. Aktuell<br />

wird eine Zunahme von Angriffen<br />

beobachtet, die sich genau dieser Strategie<br />

bedient: Ausnutzung von längst<br />

Software & Hardware<br />

Kleines Fazit<br />

Unternehmen aus dem Bereich KMU<br />

können sich nicht länger dem Themenkomplex<br />

Industrie 4.0 entziehen, um<br />

weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Gerade<br />

in Bezug auf die hierfür notwendige<br />

Vernetzung von Office-IT und Produktions-IT,<br />

und die damit verbundene<br />

Informationssicherheit, stehen diese<br />

Unternehmen vor Herausforderungen.<br />

Die Konvergenz der bisher getrennten<br />

Welten stellt den idealen Zeitpunkt dar,<br />

sich diesen Herausforderungen auf der<br />

Ebene der Geschäftsführung zu stellen.<br />

Informationssicherheit darf nicht länger<br />

als Kostenfaktor gesehen werden, sondern<br />

als strategische Investition mit einem<br />

Mehrwert für das Unternehmen. Ein<br />

Mehrwert, der vor Angriffen schützt, unternehmenskritische<br />

Systeme und Daten<br />

sichert und letztendlich einen hohen<br />

Beitrag zum langfristigen Geschäftserfolg<br />

leistet.<br />

Eine Netzwerksegmentierung, basierend auf einem Zonen- und Zellenkonzept,<br />

ist ein guter Grundschutz, um Infektionen einzugrenzen.<br />

soll hier die Massnahme bei der Netzwerksegmentierung<br />

näher betrachtet<br />

werden. Gerade im KMU-Umfeld finden<br />

sich regelmässig flache Netzwerkumgebungen,<br />

bei denen Office- und<br />

Produktions-IT ohne Verkehrskontrolle<br />

miteinander vernetzt sind. Nicht nur,<br />

dass ein potenzieller Innentäter damit<br />

sehr einfach Zugang zu IT-Systemen<br />

in der Produktion erlangen kann, stellt<br />

ein hohes Risiko dar. Viel höher ist das<br />

Risiko, dass eine Malware-Infektion in<br />

der Office-IT sich auf die Produktions-<br />

IT ausbreiten und dort Schaden anrichten<br />

kann, teils mit verheerenden Folgen.<br />

Auf der einen Seite gibt es stark<br />

zunehmend zielgerichtete Angriffe über<br />

Spearfishing oder Waterholing, wie zum<br />

Beispiel eingesetzt bei Dragonfly/Havex<br />

oder Black Energy, die über diesen<br />

Weg Zugang in Produktionsumgebungen<br />

finden. Die Auswirkungen reichen<br />

von Industrie- und Wirtschaftsspionage,<br />

System- und Datenmanipulation<br />

bis hin zur Kompromittierung einzelner<br />

Komponenten oder ganzer Anlagen,<br />

oftmals verbunden mit Erpressungsbekannten<br />

Schwachstellen, gegen welche<br />

die Office-IT immun, die Produktions-IT<br />

jedoch weitestgehend ungeschützt<br />

ist. Hier hilft eine durchdachte<br />

Netzwerksegmentierung basierend auf<br />

einem Zonen- und Zellenkonzept als<br />

guter Grundschutz, um Infektionen einzugrenzen<br />

und eine unkontrollierte Verbreitung<br />

zu verhindern.<br />

Die auf den unteren Ebenen zum Einsatz<br />

kommenden Sicherheitskomponenten<br />

erfordern in der Regel bestimmte Rahmenparameter<br />

wie Formfaktor, erweiterter<br />

Temperaturbereich, EMV-Verträglichkeit<br />

etc., die von Komponenten aus<br />

der Office-IT nicht gewährleistet werden<br />

können. Dies aber sind letztendlich technische<br />

Details der Sicherheitsarchitektur<br />

und deren Umsetzung, entsprechende<br />

Lösungen sind am Markt vorhanden.<br />

Und wie bereits erwähnt, handelt es sich<br />

bei Netzwerksegmentierung nur um eine<br />

Massnahme von vielen des Konzepts<br />

Defense in Depth. Wichtig ist das Zusammenspiel<br />

von an die jeweilige Umgebung<br />

angepassten Massnahmen.<br />

Anmerkung<br />

1)<br />

Menge einer Produktart oder einer Baugruppe, die<br />

in einer Produktionsstufe als geschlossener Posten<br />

(Los) ohne Unterbrechung durch die Produktion<br />

anderer Produkte oder Baugruppen gefertigt wird.<br />

2)<br />

Triggerung bedeutet das definierte zeitliche oder regelmässige<br />

Auslösen einer Funktion. Ausgelöst wird<br />

die Triggerung von einem Triggersignal. Das Triggersignal<br />

kann einen bestimmten Zustand repräsentieren,<br />

beispielsweise die ansteigende oder abfallende<br />

Flanke eines Impulses, eine logische Verknüpfung,<br />

wenn zwei Signale eine logische UND-Funktion erfüllen,<br />

oder einen bestimmten Pegel, der bei unteroder<br />

überschreiten ein Triggersignal auslöst.<br />

3)<br />

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik<br />

(BSI) hat mit dem «ICS Security Kompendium»<br />

ein Grundlagenwerk für die IT-Sicherheit in<br />

Automatisierungs-, Prozesssteuerungs- und Prozessleitsystemen<br />

(Industrial Control Systems, ICS)<br />

veröffentlicht. Das ICS Security Kompendium ermöglicht<br />

sowohl IT-Sicherheits- als auch ICS-Experten<br />

einen einfachen Zugang zum Thema IT-Sicherheit in<br />

industriellen Steuerungsanlagen. Es bildet den Rahmen<br />

für verschiedene Anwendungsbereiche industrieller<br />

Steuerungssysteme und dient als gemeinsame<br />

Basis für Experten in Anwendungsgebieten wie<br />

ZFabrikautomation und Prozesssteuerung.<br />

Karl Schrade<br />

ist Senior Solution Manager – Industrial<br />

Security bei NTT Com Security.<br />

www.nttcomsecurity.ch<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 1<strong>03</strong>


Software & Hardware<br />

Das Thema Datenschutz in der Cloud ernst nehmen.<br />

In der Cloud<br />

Die drei am häufigsten gestellten Fragen<br />

von Frank Müller<br />

Das Thema Cloud ist in aller Munde. Dennoch ist für viele der Begriff der Cloud nach wie vor mit zahlreichen<br />

Fragen behaftet. Der Gründer des Marktplatzes cloud world, Frank Müller, räumt mit den am häufigsten gestellten<br />

Fragen über die digitale Wolke auf.<br />

Für viele Geschäftsverantwortliche<br />

von kleinen Unternehmen liegt<br />

die Cloud immer noch hinter einer<br />

nebligen Wolkenwand. Dies gilt es zu<br />

lüften. Wir machen die ersten Schritte.<br />

1. Wo ist die Cloud?<br />

Die Cloud ist überall dort, wo es Rechenserver<br />

und eine Netzverbindung<br />

gibt. Sprechen wir von der technischen<br />

Seite der Cloud, dann reden wir eigentlich<br />

vom Virtualisieren. Eine virtualisierte<br />

Hard- oder Software kann ortsunabhängig<br />

genutzt werden, während wir andere<br />

Software oder Spiele lediglich an den<br />

Computern nutzen können, auf denen sie<br />

installiert sind. Für den Zugriff auf Spiele<br />

«aus der Cloud» benötigt man dagegen<br />

einzig und allein einen Internetzugang.<br />

Ähnlich funktioniert es mit der Hardware.<br />

Ein einfacher Computerbildschirm ohne<br />

Rechner bringt mir nicht viel, da ich quasi<br />

keinen «Motor» habe, um ihn zu starten.<br />

Die Cloud ermöglicht die Erweiterung<br />

von Anwendungen, Speicher und<br />

mehr, ohne dass der Server neben mir<br />

stehen muss. Das ist besonders dann<br />

praktisch, wenn ich zahlreiche Server<br />

bräuchte, um alle meine Daten und Pro-<br />

gramme unterzubringen. Diese stehen<br />

beim Cloud Computing meist in grossen<br />

Rechenzentren, die gut gekühlt sein<br />

sollten, sodass sie nicht heisslaufen. Um<br />

Energie zu sparen, sind daher besonders<br />

jene Standorte beliebt, die von Natur<br />

aus die meiste Zeit des Jahres niedrigere<br />

Temperaturen verzeichnen wie zum<br />

Beispiel Finnland. Trotzdem befindet sich<br />

die Mehrzahl der Server in den USA, was<br />

aus datenschutzrechtlichen Gründen<br />

zum Unmut vieler Nutzer führt. Denn im<br />

Gegensatz zu deutschen und skandinavischen<br />

Standorten müssen Server<br />

in Amerika weitaus weniger Massnahmen<br />

zum Schutz der Personendaten auf<br />

sich nehmen. Empfohlen wird daher, bei<br />

der Auswahl eines Cloud-Angebots auf<br />

den jeweiligen Server-Standort zu achten<br />

und auch bei der Software zu fragen,<br />

ob der Anbieter diese auf einem lokalen<br />

oder internationalen Server hostet.<br />

2. Wie gross ist die Cloud?<br />

Eine Pauschalantwort gibt es auf diese<br />

Frage nicht. Doch mit Sicherheit ist zu<br />

sagen: Sie wächst beständig. Die Cloud<br />

ist bodenlos, denn eigentlich könnte<br />

man immer mehr Speicher hinzubuchen,<br />

wenn man es wollte. Da es zahlreiche<br />

Cloud-Anbieter gibt, die sicherlich<br />

nicht öffentlich machen wollen, wie<br />

gross ihre Rechenzentren sind, ist kaum<br />

eine Aussage über die Grösse der Cloud<br />

zu treffen. Doch durch den steigenden<br />

Bedarf wächst auch die Anzahl an Rechenzentren,<br />

die gebaut werden. Der<br />

Anbieter mit dem wohl grössten Angebot<br />

ist aktuell Amazon. Dass die Menge der<br />

Daten gross sein muss, ist klar, wie viel<br />

jedoch genau gelagert wird, weiss man<br />

nicht. Bei etlichen Cloud-Anbietern kann<br />

man schon als Privatperson mehrere<br />

Terabytes an Datenspeicher buchen.<br />

Ein Terabyte sind 1’000’000 Megabytes<br />

(MB). Im Vergleich: Ein Song ist durchschnittlich<br />

drei Megabytes gross, es<br />

könnten also mehr als 333’333 Songs<br />

gespeichert werden. Grosse Unternehmen<br />

nutzen weitaus mehr Speicherplatz,<br />

nicht zuletzt da beispielsweise<br />

Plattformen wie Facebook nicht<br />

nur die Profilinformationen aller Nutzer<br />

(circa 120 Milliarden, Stand 01/2014),<br />

sondern auch deren Fotos (Bilder sind<br />

durchschnittlich zirka zwei bis vier Megabytes<br />

gross) speichern. Das sind angeblich<br />

mehr als 220 Milliarden Bilder,<br />

also rund 450 Terabytes, wenn wir von<br />

der kleinsten Bildergrösse ausgehen.<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 104


3. Einmal in der Cloud,<br />

immer in der Cloud?<br />

Der Mythos, dass alles, was einmal<br />

hochgeladen wurde, nicht mehr gelöscht<br />

werden kann, stimmt nur zum<br />

Teil. Studiert man AGB und nutzt die<br />

Einstellungsmöglichkeiten, um seine<br />

Daten zu schützen, hat man wenig zu<br />

befürchten. Kritisch wird es erst, wenn<br />

Fremde an private Daten gelangen und<br />

diese als «neue» Urheber vervielfältigen.<br />

Wenn wieder einmal die Accounts<br />

und privaten Bilder von Stars gehackt<br />

werden, wird die Schuld oft in erster<br />

Linie den Opfern in die Schuhe geschoben,<br />

da sie doch ihre Daten in der Cloud<br />

gespeichert haben. Zudem hält sich<br />

wacker die Aussage, dass man Daten,<br />

wenn sie einmal im Netz waren, niemals<br />

löschen kann. Das ist allerdings nur bedingt<br />

korrekt. Für seriöse Cloud-Anbieter,<br />

insbesondere solche, die Dienste für<br />

Unternehmen, Wissenschaftler und Behörden<br />

anbieten, hat der Datenschutz<br />

höchste Priorität. Das Problem mit den<br />

Cloud-Angeboten für Privatanwender<br />

(und auch Stars mit ihren Privatfotos)<br />

ist derweil, dass diese oftmals kostenlos<br />

Software & Hardware<br />

angeboten werden und der Anwender<br />

das Gratis-Angebot mit seinen Daten<br />

und eher wenig Datenschutz bezahlt.<br />

In den AGB steht drin, was mit den eigenen<br />

Daten passiert, wenn man sie<br />

auf Facebook hochlädt. Da diese aber<br />

oftmals kompliziert geschrieben und<br />

sehr lang sind, lesen wir sie meist nur<br />

oberflächlich. Und auch bei den Fotoeinstellungen<br />

ist Achtung geboten: So<br />

sollten sich User die Frage stellen, ob<br />

Fotos und Co. auf sozialen Netzwerken<br />

für jedermann öffentlich zugänglich<br />

sind. Können private Daten einfach via<br />

Google- oder Facebook-Suche gefunden<br />

werden, steigt das Risiko unliebsamer<br />

Veröffentlichungen durch Fremde.<br />

In diesem Fall ist es dann fast unmöglich,<br />

alle Kopien zu finden und zu löschen.<br />

Diese Probleme treten insbesondere<br />

bei YouTube-Videos auf, die<br />

von anderen herunter- und dann unter<br />

anderen Namen und Accounts hochgeladen<br />

werden und etwa in den sozialen<br />

Netzwerken die Runde machen.<br />

Auch Meme-Bilder, sprich Bilder, die<br />

aufgrund ihres interessanten – meist<br />

witzigen – Inhalts sehr schnell verbreitet<br />

werden, gehören oftmals zu den Inhalten,<br />

die – einmal in Umlauf geraten –<br />

kaum aufgehalten werden können.<br />

Je strikter man also mit seinen Privateinstellungen<br />

umgeht und je sparsamer<br />

man seine Daten preisgibt (und Fotos<br />

hochlädt), desto sicherer sind diese<br />

Daten auch vor der illegalen Vervielfältigung.<br />

Frank Müller<br />

ist einer von drei Gründern der cloud<br />

world ag mit Sitz in Pfäffikon CH. Darüber<br />

hinaus existieren Standorte in Berlin<br />

und Karlsruhe D.<br />

blog.cloud.de/leitfaden-5-dumme-fragen<br />

Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 105


Software & Hardware<br />

Damit Ihre Daten nicht baden gehen<br />

von Helmar Steinmann<br />

Die zunehmende Flut an E-Mails, Briefen, Rechnungen, Verträgen<br />

und anderen geschäftsrelevanten Dokumenten machen<br />

die elektronische Archivierung zu einem immer dringenderen<br />

Thema in KMU. Dabei existieren in vielen Unternehmen<br />

gar keine klaren Regelungen, welche Informationen wo abgespeichert<br />

beziehungsweise archiviert werden sollen. So<br />

kommt es rasch zu Duplikaten, unterschiedlichen Versionen<br />

von Dokumenten oder die zuständige Person verliert einfach<br />

den Überblick.<br />

Für den Verlust von Daten gibt es verschiedene Ursachen. Sie<br />

können gelöscht oder überschrieben werden. Auch Malware,<br />

falsch installierte oder System-inkompatible Programme sowie<br />

Add-ons können ein System lahmlegen. Des Weiteren<br />

kann ein Kurzschluss oder anderweitig herbeigeführter mechanischer<br />

Defekt die Festplatte und damit die darauf gespeicherten<br />

Daten zerstören (gerade während der Ferienzeit machen<br />

Notebooks erstaunlich häufig Bekanntschaft mit einem<br />

Swimmingpool – mit unangenehmen Folgen für ihre Besitzer).<br />

Bei kleinen Datenmengen, die selten verändert werden, mag<br />

ein manuelles Backup auf USB-Stick, CD / DVD oder einer<br />

externen Festplatte eine gute Idee sein. Für wichtige Daten<br />

sind diese jedoch ungenügend.<br />

Doch wo sollen Unternehmen den Hebel ansetzen und welche<br />

zeitliche und finanzielle Investition lohnt sich für ein Einzel-<br />

oder Kleinunternehmen? Ich empfehle eine Lösung mit<br />

einem professionellen Dokumenten-Management-System<br />

(DMS). Weshalb? Es bildet einerseits den Rahmen für eine<br />

sichere kunden- beziehungsweise vorgangsbezogene digitale<br />

Archivierung – wahlweise auf dem eigenen Server oder bei<br />

einem externen Backup-Speicher-Dienst. Andererseits sorgt<br />

es für effizientere Geschäftsabläufe. Mit nur einem Klick stellt<br />

es die gewünschten Dokumente zur Verfügung, hilft dabei,<br />

Duplikate zu vermeiden und kann versehentlich gelöschte<br />

oder überschriebene Dokumente wiederherstellen.<br />

Moderne DMS sind leicht in bestehende Anwendungen wie<br />

Microsoft-Office-Programme oder CRM-Systeme integrierbar<br />

– dies ist ein absolutes Must-Kriterium für die meisten<br />

KMU, die gewohnt sind, mit diesen Programmen zu arbeiten.<br />

Dazu kommt in der Regel eine ganze Bandbreite an Optionen,<br />

die ein DMS anbieten kann. Im Detail hängt dies vom jeweiligen<br />

Produkt, von den individuellen Bedürfnissen und dem<br />

Workflow der Unternehmen ab. Heutige DMS können jedoch<br />

viel mehr als einfach nur digital archivieren. Sie entwickeln<br />

sich immer mehr zu komplexen Enterprise-Content-Management-(ECM)-Systemen,<br />

die im Unternehmen für effizientere<br />

Geschäftsabläufe sorgen.<br />

Die Einführung einer DMS-Lösung lohnt sich für jedes Unternehmen<br />

– unabhängig von der Anzahl der Computerarbeitsplätze.<br />

Im Vordergrund stehen dabei immer der Nutzen<br />

der zentralen Verwaltung aller geschäftsrelevanten Informationen<br />

und Dokumente sowie die schnelle Verfügbarkeit dieser<br />

Informationen für alle berechtigten Mitarbeiter. Je nach<br />

Unternehmensgrösse variieren auch die Kosten für eine professionelle<br />

Lösung. Die Zeit, die Sie damit bei der Suche von<br />

Dokumenten einsparen, gibt’s gratis dazu – damit Sie Ihre<br />

nächsten Ferien ein wenig verlängern können.<br />

ist Niederlassungsleiter der ELO Digital Office CH AG.<br />

www.elo.ch<br />

Helmar Steinmann<br />

<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 106


Software & Hardware<br />

Grosse Datenmengen ohne Logik<br />

sind nur ein Datenfriedhof<br />

von Daniele Tedesco<br />

Sucht man nach einer allgemein gültigen Definition von Big<br />

Data, so wird man nicht so leicht fündig. Im Allgemeinen beschreibt<br />

Big Data die Verarbeitung von grossen, sich schnell<br />

ändernden und komplexen Datenmengen aus einer grossen<br />

Anzahl Quellen. Die Definition von gross, schnell und komplex<br />

ist allerdings schwierig und abhängig vom Betrachter.<br />

Für Unternehmer, die sich über dieses Thema informieren<br />

möchten, stellt Big Data oft ein undurchschaubares Rätsel dar.<br />

Dennoch scheint sich jeder darüber informieren zu müssen,<br />

um am Ball zu bleiben.<br />

Doch welchen Vorteil kann ein Unternehmen bei der Umsetzung<br />

einer Big-Data-Strategie erzielen und welche Risiken sind<br />

damit verbunden? Viele Unternehmen wissen, dass sie bereits<br />

über den Zug