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AUSGABE <strong>03</strong>/<strong>2015</strong><br />
Chancen ergreifen<br />
Die neuen flexiblen Arbeitswelten<br />
PHILOSOPHIE & BUSINESS | FREMDE MÄRKTE | MOBILITÄT & SICHERHEIT | GELD & NACHHALTIGKEIT
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Druckfehler bleiben jederzeit vorbehalten.<br />
NEUER PEUGEOT PARTNER
Liebe Leserin, Lieber Leser<br />
Auch in der vorliegenden Ausgabe präsentieren wir Ihnen<br />
wieder einen spannenden Sicherheitsschwerpunkt mit vielen<br />
praktischen und strategischen Hilfestellungen für den Geschäftsalltag.<br />
Ein Thema sind die Fragen der Sicherheit rund<br />
um mobiles Arbeiten.<br />
Das Thema Sicherheit geht aber weit über den angesprochenen<br />
Bereich hinaus. Das ist mir beim Lesen einer Kolumne aus<br />
dieser Ausgabe aufgefallen. Der Autor thematisiert, wie die europäischen<br />
Akteure im globalen Wettbewerb die Nase in der IT-<br />
Branche weiter vorne haben können und fährt dann fort: «Denn<br />
auch wenn wir vielleicht bald selbst fahrende Autos haben werden<br />
– bis die Maschinen uns das Denken abnehmen, geht (hoffentlich)<br />
noch sehr viel Zeit ins Land.» Wollen wir wirklich, dass<br />
uns die Maschinen das Denken abnehmen? Ich will das nicht.<br />
Ohne Frage, die Digitalisierung aller Lebensbereiche verändern<br />
unsere Lebenswelten so fundamental wie die industrielle Revolution<br />
vor über 150 Jahren. Zunächst vereinfachen uns die vielen<br />
digitalen Helferlein den Alltag. Im Business bieten sie uns Lösungen<br />
rund um die Stichworte Big Data und Cloud, um neue<br />
Produktivitätsfortschritte zu erreichen. Wir ahnen aber, dass<br />
das Thema Datenschutz auf der Strecke bleibt. Schon das Wort<br />
klingt wie eine fast ausgestorbene Tierart. Ist das uns im digitalen<br />
Wettlauf um Datamining schon aufgefallen? Unsere informationelle<br />
Selbstbestimmung droht auf der Strecke zu bleiben.<br />
Spähprogramme machen uns zu gläsernen Menschen. Und das<br />
betrifft nicht nur die Geheimdienste.<br />
Google, jetzt auch Alphabet, ist dafür ein Beispiel. Die weltgrösste<br />
Online-Suchmaschine sammelt täglich immense Datenmengen<br />
– wie ein Geheimdienst. Die Menschen sind gewohnt,<br />
per PC- und Smartphone-Suchabfrage jedes Detail<br />
preiszugeben, sogar Dateien direkt in der Google-Cloud zu<br />
speichern oder per Google-Mail zu teilen. Die neue Struktur<br />
des Konzerns macht nun jede Kontrolle oder Regulierung fast<br />
unmöglich.<br />
In den letzten Wochen ist mir ein Buch in die Hände gefallen,<br />
welches die unterschiedlichen Positionierungen der Debatte, wie<br />
sich eine Programmierung der Gesellschaften und des Denkens<br />
verhindern lassen, vorstellt. Beiträge des Sammelbandes sind im<br />
ersten Halbjahr 2014 in der «Frankfurter Allgemeinen» FAZ erschienen<br />
(Technologischer Totalitarismus, bei edition suhrkamp).<br />
Zusammengestellt wurde die Debatte vom inzwischen verstorbenen<br />
Frank Schirrmacher. Er fragt sich zum Beispiel, ob die<br />
neuen Gadget-Armbänder eine neue Gesundheitsökonomie einleiten.<br />
Wird eines Tages eine vermeintlich falsche Lebensführung<br />
abgestraft? Seien solche Daten-Tracker und Wearables «nicht<br />
der Schlussstein der Quantifizierbarkeit des Einzelnen, der sich<br />
nun in nichts mehr vom Modell des Homo oeconomicus unterscheidet:<br />
eines Wesens, das ausschliesslich einer Effizienz- und<br />
Kontrolllogik gehorcht?»<br />
Es geht um nicht weniger als um eine Jahrhundertaufgabe. Mitte<br />
und Ende des 19. Jahrhunderts war es die soziale Frage, Ende<br />
des 20. Jahrhunderts war es die ökologische Frage. Beide sind<br />
auch heute umkämpft und nur in Teilen gelöst, jetzt kommt die<br />
digitale Frage dazu.<br />
Das sind keineswegs nur Fragen für intellektuelle Debattenzirkel.<br />
Wir haben Sie in die Debatte zu Sicherheitsfragen an topsoft<br />
eingebracht.<br />
Georg Lutz<br />
Chefredaktor <strong>kmu</strong>RUNDSCHAU<br />
lutz@rundschaumedien.ch<br />
www.<strong>kmu</strong>rundschau.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 1
Flexible Arbeitswelten in der Praxis<br />
16<br />
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden<br />
mobil-flexible Arbeitsmodelle an. Obwohl diese neue<br />
Arbeitsform viele Vorzüge mit sich bringt und den Anforderungen<br />
einer global vernetzten Welt entspricht, entfalten<br />
sich diese erst, wenn Führungskräfte wie auch Mitarbeitende<br />
die entsprechenden Kompetenzen ausbilden. Wir<br />
geben in einem Themenschwerpunkt einen Überblick.<br />
22<br />
Philosophie und Business<br />
Ohne wirtschaftliche Vernunft funktioniert kein Geschäft –<br />
allein durch sie aber auch nicht. Werte, Sinnorientierung,<br />
Führungs- und Kommunikationskultur sowie andere<br />
«weiche» Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Ein philosophischer<br />
Ansatz ist hilfreich bei der Auseinandersetzung<br />
mit fundamentalen Fragen der Unternehmensführung.<br />
Hürden in fremden Märkten<br />
40<br />
Nicht nur für multinationale Unternehmen, sondern auch<br />
für Schweizer KMU werden Beziehungen ins Ausland immer<br />
wichtiger. Selbst wenn KMU keine Expansionspläne hegen,<br />
sind Kooperationen und Arbeitskräftebeschaffung über<br />
Grenzen hinweg heute meist unumgänglich. Negativ besetzte<br />
Buzzwords wie Outsourcing und Offshoring verdecken<br />
oft die Potenziale der Internationalität.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 2
Nachhaltige Geldanlagen<br />
Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene<br />
Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein Widerspruch<br />
sein. Kann man beide Herausforderungen unter<br />
einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette Hunziker-<br />
Ebneter, die CEO und Gründungspartnerin von Forma<br />
Futura Invest AG, fragten wir nach Antworten.<br />
60<br />
76<br />
Mobilität und Sicherheit<br />
Es müssen neue Wege gefunden werden, modernen<br />
Hacker angriffen einen Riegel vorzuschieben und sich für<br />
die Herausforderungen durch immer weiter auflösende<br />
Peripherien sowohl in der Geschäfts- als auch Alltagswelt<br />
zu wappnen. Dies gilt insbesondere für mobile Lösungen.<br />
Wir haben einen Themenschwerpunkt zusammengestellt<br />
der unterschiedliche Aspekte beleuchtet.<br />
Wir sind vor Ort<br />
Unter anderem sind wir in den nächsten Monaten an folgenden<br />
Messen und Veranstaltungen vor Ort. Gerne können Sie<br />
im Vorfeld mit uns Termine vereinbaren. Auf Wunsch schauen<br />
wir in Ihrem Unternehmen auch persönlich vorbei.<br />
Rubriken<br />
Editorial01<br />
Kommentar04<br />
Highlight08<br />
Menschen in Unternehmen 22<br />
Global & Lokal 40<br />
Marcom48<br />
Die Welt der Finanzen 60<br />
Unternehmen unterwegs 72<br />
IT-Sicherheit76<br />
Software & Hardware 98<br />
Impressum112<br />
Tages Anzeiger Forum, www.forum-executive.ch<br />
SKO Leader Circle, www.sko.ch<br />
Business Frühstück FFHS, www.ffhs.ch<br />
it-sa – Messe und Kongress für IT-Security, www.it-sa.de<br />
Europaforum Luzern, www.europa-forum-luzern.ch<br />
Sicherheit <strong>2015</strong>, www.sicherheit-messe.ch<br />
Im Web<br />
Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News,<br />
Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden.<br />
Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen.<br />
Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL.<br />
Besuchen Sie www.<strong>kmu</strong>rundschau.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 3
Kommentar<br />
An einem Strang ziehen<br />
von Boris Zürcher<br />
Die Schweiz gehört zu den exportkräftigsten und konkurrenzfähigsten<br />
Ländern der Welt. Diese Leistung ist bemerkenswert,<br />
zumal Kleinstunternehmen, das heisst Unternehmen mit weniger<br />
als zehn Mitarbeitenden, in der Schweizer Wirtschaft, neben<br />
den typischen KMU, eindeutig dominieren. Die Lage der<br />
Weltwirtschaft und insbesondere die Stärke des Schweizer<br />
Frankens beschäftigen zurzeit die Schweizer Wirtschaft. Dessen<br />
ungeachtet bleibt der Engpass verfügbarer Fachkräfte<br />
längerfristig und unabhängig von den konjunkturellen Schwankungen<br />
eine zentrale Herausforderung für unsere Wirtschaft.<br />
Dies erstaunt insofern nicht, als die Schweiz als rohstoffarmes<br />
Land sich hinsichtlich Innovation und Wertschöpfung seit Jahrzehnten<br />
vor allem deshalb erfolgreich an der Weltspitze halten<br />
konnte, weil sie auf eine hohe Verfügbarkeit von bestens ausgebildeten<br />
Fachkräften zählen konnte. Fachkräfte, und mit ihnen<br />
Bildung, Forschung und Innovation, begründen seit jeher<br />
die Stärke der Schweizer Wirtschaft.<br />
Die Anstellung von Fachkräften auf unterschiedlichsten Stufen<br />
wird aber für viele KMU zusehends schwieriger, da sich der<br />
internationale Wettbewerb um gut qualifizierte Fachkräfte akzentuiert<br />
und gleichzeitig im Gefolge der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative<br />
der bisher relativ leichte Zugang<br />
zu ausländischen Fachkräften begrenzt werden soll. Zudem<br />
sind auch unsere wichtigsten Handelspartner in Europa mit<br />
denselben Problemen einer alternden Gesellschaft konfrontiert<br />
– auch sie ergreifen Massnahmen, um ihre Fachkräfte im<br />
eigenen Land zu behalten.<br />
Aufgrund dieser Entwicklungen lancierte das Eidgenössische<br />
Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)<br />
im Jahr 2011 die Fachkräfte-Initiative (FKI). Ziel der FKI ist<br />
es, der rückläufigen Verfügbarkeit von Fachkräften durch Erschliessung<br />
bestehender inländischer Potenziale und durch<br />
die Steigerung der Produktivität entgegenzuwirken und damit<br />
den Fachkräftemangel zu lindern. Als erwünschter Nebeneffekt<br />
soll dabei die Förderung der Akzeptanz für ein weiterhin<br />
liberales Zuwanderungssystem anfallen.<br />
Der Staat erfüllt verschiedene Rollen und kann über Bildungspolitik,<br />
Arbeits- und Sozialpolitik, Migrationspolitik und<br />
nicht zuletzt auch als bedeutender Arbeitgeber Einfluss auf<br />
die Fachkräftesituation ausüben. Der Fachkräftebedarf ist<br />
aber eine Thematik, welche nicht nur die staatlichen Institutionen,<br />
sondern die gesamte Gesellschaft betrifft. Gerade<br />
wenn das Fachkräfteangebot knapp ist, müssen die KMU<br />
an individuelle Lösungen denken wie familienfreundliche<br />
Arbeitsbedingungen oder flexible Arbeitsmodelle im Alter.<br />
Auch eine systematische Weiterbildung des Personals spielt<br />
eine wichtige Rolle, da immer mehr Arbeitskräfte mit arbeitsmarktnahen<br />
Qualifikationen gefragt sind. Kurzum: Auch KMU<br />
sind aufgefordert, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten.<br />
Dabei verfügen sie über andere, ebenso wichtige Trümpfe<br />
wie grosse Unternehmungen: Die Entscheidungswege sind<br />
kürzer und der Kontakt zwischen Chef und Angestellten ist<br />
direkt. Dies ermöglicht eine grosse Flexibilität, eine rasche<br />
Bestimmung der Bedürfnisse auf beiden Seiten und das<br />
Finden massgeschneiderter Lösungen für den jeweiligen Fall.<br />
Die Erfahrungen zeigen zudem, dass Kleinstunternehmen<br />
auch im Verbund mit anderen Betrieben Lösungen hervorbringen<br />
können.<br />
Wir sind zuversichtlich, dass die absehbaren negativen Effekte<br />
der demografischen Alterung durch eine proaktive Haltung und<br />
innovative Strategien bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen<br />
gelindert werden können. Eine der deutlichsten Stärken<br />
der KMU in der Schweiz ist ihr drängender Erfindergeist. Dieser<br />
wird ihnen auch bei der Entschärfung des Fachkräftemangels<br />
hilfreich sein.<br />
ist Leiter der Direktion für Arbeit des SECO.<br />
www.seco.admin.ch<br />
Boris Zürcher<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 4
Kommentar<br />
Fachkräfte-Initiative – Verbindliche<br />
Massnahmen als Standard<br />
von Daniel Lampart<br />
Die sogenannte «Fachkräfte-Initiative» will den Fachkräftemangel<br />
im Inland durch Massnahmen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt<br />
bekämpfen. Dieses Ziel ist wichtig und richtig. Doch die<br />
bisher vom Bundesrat vorgeschlagenen, auf Freiwilligkeit basierenden<br />
Massnahmen werden das Ziel nicht erreichen. Es<br />
braucht verbindliche Massnahmen – für die «älteren Arbeitnehmenden»,<br />
für gute und sichere Löhne, für die Vereinbarkeit für<br />
Beruf und Familie sowie im Bereich der Aus- und Weiterbildung.<br />
Zu Besserstellung der älteren Arbeitnehmenden ist es beispielsweise<br />
überfällig, dass der Bund die Diskriminierung dieser<br />
Arbeitnehmergruppe verhindern soll. In erster Linie braucht es<br />
für ältere Angestellte mit längerer Betriebszugehörigkeit einen<br />
besseren Kündigungsschutz, so wie das in gewissen Gesamtarbeitsverträgen<br />
bereits üblich ist. Das erhöht auch den Anreiz<br />
für die Arbeitgeber, vermehrt in den Gesundheitsschutz sowie<br />
die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zu investieren.<br />
Zur Finanzierung solcher Massnahmen braucht es analog zu den<br />
kantonalen Berufsbildungsfonds einen Solidaritätsfonds, der<br />
vor allem von jenen Firmen finanziert wird, die wenig «Ältere»<br />
beschäftigen. Ausserdem muss den über 50-Jährigen ein Recht<br />
auf bezahlte Weiterbildung und Umschulung zugestanden werden.<br />
Insbesondere bei Arbeitslosigkeit soll eine neue Qualifikation<br />
erworben werden können. Die Mittel dazu sollen im Rahmen<br />
der Revision des Berufsbildungsgesetzes gesprochen werden.<br />
In der Schweiz müssen Schweizer Löhne bezahlt werden. Es<br />
dürfen keine «billigen» Arbeitskräfte auf Kosten der Inländerinnen<br />
und Inländer aus dem Ausland eingestellt werden. Leider<br />
ist dieser Grundsatz in der Realität nur teilweise umgesetzt.<br />
Beispielsweise gibt es in Branchen wie dem Detailhandel, der<br />
Informatik oder dem Gartenbau keine allgemeinverbindlichen<br />
Gesamtarbeitsverträge GAV mit Mindestlöhnen. Arbeitgeber,<br />
die sich nicht an die Schweizer Löhne halten, können nicht zur<br />
Rechenschaft gezogen werden. Die Verstärkung des Lohnschutzes<br />
durch mehr GAV und bessere Durchsetzungsinstrumente<br />
ist deshalb zentral.<br />
Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat die Schweiz<br />
durch die Schaffung von mehr ausserfamiliären Betreuungsplätzen<br />
Fortschritte erzielt. Ein weiterer Ausbauschritt ist aber<br />
nötig. Unverständlich ist es, wenn einzelne Gemeinden aufgrund<br />
vor Sparprogrammen die Qualität der Betreuung verschlechtern<br />
oder sogar den Rückwärtsgang einlegen wollen. Neben den<br />
Betreuungsplätzen sind planbare Arbeitszeiten entscheidend.<br />
Um Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können, muss<br />
klar sein, wann die Arbeit beginnt und wann sie endet. Was nützen<br />
Krippen und Horte, wenn der Feierabend unsicher ist, und<br />
man nicht weiss, wann man die Kinder abholen kann? Gerade<br />
in den Spitälern besteht Handlungsbedarf. Zahlreiche Frauen<br />
müssen wegen der schlecht planbaren Arbeitszeiten ihre Stelle<br />
aufgeben.<br />
Die Schweiz muss diese Probleme lösen. Mit Appellen ist es<br />
aber nicht gemacht. Denn die schwarzen Schafe unter den<br />
Arbeitgebern reagieren nicht darauf. Es braucht verbindliche<br />
Massnahmen. Damit nicht die Egoisten und Profiteure bestimmen,<br />
wie die Schweiz mit den Arbeitnehmenden umgeht. Sondern<br />
damit die Verhaltensweise der vorbildlichen Arbeitgeber<br />
für alle zum Standard wird.<br />
ist Chefökonom des Schweizer Gewerkschaftsbundes (SGB).<br />
www.sgb.ch<br />
Daniel Lampart<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 5
Kommentar<br />
Die Demografie-Krise und ihre Lösung<br />
von Dr. Barbara Lang<br />
Schweizer Unternehmen haben eine gnadenlose Demografie<br />
vor sich. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter ist auf Rekordhöhe<br />
gestiegen. In der Führungsetage ist das Alter noch höher.<br />
Fach- und Führungskräfte erreichen bald das Pensionsalter<br />
und gehen der Wirtschaft verloren: Unternehmen verlieren<br />
mehr Mitarbeiter als je in der Geschichte; die geburtenstarken<br />
Jahrgänge entschwinden in die Rente; Nachwuchs ist knapp.<br />
Die Schweiz hat die «Fachkräfte-Initiative» ausgerufen – mit vier<br />
Handlungsfeldern: Höherqualifizierung entsprechend Bedarf,<br />
Schaffung guter Bedingungen für ältere Arbeitnehmer, Innovation<br />
für Produktivität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.<br />
Der Bund als Arbeitgeber will ältere Arbeitnehmer und Beruf/<br />
Familie fördern mit Kinderbetreuung und Ganztags-Schulen.<br />
Doch auf der Website der «Fachkräfte-Initiative» FKI heisst<br />
es: «Der Fachkräftemangel wird intensiviert durch die Initiative<br />
‹Gegen Masseneinwanderung› von Februar 2014» – und …<br />
«Der Fachkräftemangel kann mit der FKI nicht gelöst werden.»<br />
In anderen Worten: Firmen müssen selbst Lösungen finden.<br />
Der Fachkräftemangel ist längst Realität und kostet Milliarden.<br />
Firmen kompensieren durch «Arbeitsverdichtung». Sie müssen<br />
das Pensum mit weniger Leuten schaffen. Produktivitätserhöhung<br />
ist das Schlagwort. Das bleibt nicht ohne Folgen. Der<br />
Stresspegel steigt.<br />
Wer hat das Hauptproblem? Der Fachkräftemangel ist nicht<br />
mehr das, was wir erwarten: Knappe Ingenieure sind längst<br />
nicht mehr das Hauptproblem: Die produzierende Industrie<br />
beschäftigt im Wandel zur Wissensgesellschaft nur noch etwa<br />
22 Prozent der Erwerbstätigen. Die Dienstleistung beschäftigt<br />
mehr als Dreiviertel der Erwerbstätigen. Wer hier Fachkräfte<br />
sucht, hat überraschende Statistiken vor sich. Der Arbeitsmarkt<br />
besteht überwiegend aus Frauen – im Bereich Bildung, soziale<br />
Dienste und Finanzdienstleistung; der Bereich Gesundheit<br />
und Wellness beschäftigt bereits heute zu knapp 80 Prozent<br />
Frauen. Das nehmen wir nicht wahr, denn Chefärzte und Leiter<br />
von Klinik und Verwaltung sind zu über 90 Prozent Männer.<br />
Früher lockten Schweizer Kliniken Ärzte und Krankenpfleger<br />
aus dem süddeutschen Raum. Kliniken dort haben sich gegen<br />
den «Brain Drain» gewappnet: Attraktive Work-Life-Balance<br />
und Job-Sharing-Angebote halten die Hochqualifizierten – das<br />
Schweizer Gehalt ist Einbussen an Work-Life-Balance nicht<br />
mehr wert. Die Zeiten sind vorbei, wo sich hoch qualifizierte<br />
Menschen antiquierten Strukturen beugen. Häuser, die nicht<br />
innovativ sind, verlieren ihre Mitarbeiter.<br />
In Genf zeigt die Universitätsklinik, wie es geht: Hier sind Positionen<br />
bis hin zum Oberarzt mittels Job-Sharing auf Wunsch hin<br />
aufgeteilt. Und eine hauseigene Kinderbetreuung entlastet die<br />
Ärzte, die rund um die Uhr verfügbar sein müssen. Das Resultat?<br />
Der Krankenstand ist niedrig. Die Loyalität der Mitarbeiter<br />
und ihre Leistung sind hoch.<br />
Wer die neue demografische Realität nicht im Blick hat, verliert<br />
Mitarbeiter nicht nur an innovative Mitbewerber, sondern auch<br />
in den Krankenstand – oder in den «Präsentismus»: Mitarbeiter<br />
sind zwar körperlich anwesend, aber geistig nicht voll da.<br />
Wo Arbeitsmodelle und Zeitsysteme flexibilisiert werden und<br />
Positionen bis hin zu Führungspositionen aufgeteilt werden,<br />
verzeichnet man hervorragende Ergebnisse: Das Unternehmen<br />
ist attraktiv im Markt, die Mitarbeiterschaft ist motiviert und<br />
bleibt, der Dienst am Kunden bringt Umsatzvorteile.<br />
Dr. Barbara Lang<br />
ist CEO der JOBA AG – Corporate Health Made in Switzerland.<br />
barbara.lang@joba-ag.com<br />
www.joba-ag.com<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 6
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Highlight<br />
Fragen und<br />
Antworten<br />
Die zehn «Best of»-Fragen der<br />
Work Smart Week<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 8
Highlight<br />
von Barbara Josef<br />
Im Mai dieses Jahres fand die erste<br />
Work-Smart-Woche der Schweiz statt.<br />
Nach fünf Jahren Home Office Day<br />
haben wir mit dem neuen Format einen<br />
Schritt nach vorne gewagt. Unser<br />
ambitioniertes Ziel: Impulse für<br />
den Wandel in die Köpfe zu setzen.<br />
Es geht um Fakten und konkrete Beispiele<br />
aus der Schweizer Wirtschaft.<br />
Mit dieser Aktionswoche haben wir<br />
einen kleinen Meilenstein erreicht –<br />
wir haben die Diskussion in Gang<br />
gebracht und zum Umdenken angeregt.<br />
Die neuen Arbeitswelten sind<br />
nicht mehr abstrakt. Hier sind die<br />
wichtigsten Fragen und Antworten,<br />
die sich aus den Veranstaltungen ergeben<br />
haben.<br />
von «Work Smart»<br />
nicht nur die Wissensarbeiter, die<br />
1.Profitieren<br />
ohnehin schon der Wirtschaftselite<br />
angehören?<br />
Nein, der Grundgedanke von Work Smart<br />
greift in jeder Branche. Bei Work Smart<br />
geht es darum, bestehende Arbeitsprozesse<br />
zu durchleuchten und Verbesserungen<br />
für Individuum und Organisation<br />
zu erzielen. Der technologische Fortschritt<br />
bringt auch Vorteile für Mitarbeiter,<br />
die keine klassische Wissensarbeit<br />
ausüben. Die Post prüft beispielsweise<br />
aktuell den Einsatz von Tablets für das<br />
Fahrpersonal von Postautos. So kann es<br />
wichtige Informationen und Störungsmeldungen<br />
schneller kommunizieren –<br />
die Post gewinnt dadurch an Agilität,<br />
und dem einzelnen Mitarbeiter wird es<br />
ermöglicht, autonomer zu planen, da er<br />
besser im Netzwerk eingebunden ist.<br />
Gemäss economiesuisse sind heute<br />
schon über 50 Prozent der Schweizer<br />
Arbeitnehmenden als Wissensarbeiter<br />
tätig – zählt man informationsverarbeitende<br />
Berufe dazu, so sind es sogar über<br />
70 Prozent. Das Thema ist daher für eine<br />
grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung<br />
und Wirtschaft hoch relevant. Und<br />
übrigens: Wenn möglichst viele «Bürolisten»<br />
ihre Mobilität smarter planen, hat<br />
der Gärtner oder Arzt mehr Platz auf der<br />
Strasse oder im Zug.<br />
Nein, keineswegs. Flexible Arbeitsformen<br />
stellen eine Wahlmöglichkeit dar –<br />
sie sind als Angebot zu verstehen und<br />
kein «Muss». Den Initianten von Work<br />
Smart geht es darum, auf die Vorzüge<br />
von flexiblen Arbeitsformen aufmerksam<br />
zu machen und konkrete Hilfestellung<br />
zu bieten, wie diese umgesetzt werden<br />
können.<br />
Die Vorteile einer flexiblen Arbeitskultur<br />
liegen in den folgenden drei Kernbereichen:<br />
A) Individuum: Flexible Arbeitsformen<br />
ermöglichen eine bessere<br />
Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben<br />
und sorgen so für eine<br />
grössere Diversität.<br />
B) Unternehmen: Neue Arbeitsmodelle<br />
machen Organisationen agiler,<br />
flexibler und produktiver – eine<br />
Grundvoraussetzung, um in der<br />
dynamischen Wirtschaft langfristig<br />
erfolgreich zu sein.<br />
C) Umwelt: Dank flexibler Arbeitsformen<br />
können Räume, Gebäude<br />
und unsere Verkehrsinfrastruktur<br />
smarter genutzt werden. Unsere<br />
Züge sind beispielsweise nur während<br />
30 Prozent im Tagesschnitt<br />
ausgelastet. Die Tatsache, dass<br />
jedoch die Hälfte der Menschen in<br />
einem Viertel der Zeit unterwegs<br />
ist, führt zu «Dichtestress», obwohl<br />
mehr als genügend Kapazität<br />
vorhanden wäre.<br />
sieht die arbeitsrechtliche<br />
Situation punkto flexibler Arbeitsformen<br />
3.Wie<br />
aus?<br />
Das Schweizer Arbeitsrecht schreibt vor,<br />
dass die Arbeitszeit korrekt erfasst wird.<br />
Die geltende Weisung punkto Arbeitszeiterfassung<br />
wurde laufend überarbeitend,<br />
zuletzt im Februar <strong>2015</strong>. Auch wenn die<br />
aktuelle Regelung dem Alltag und der<br />
Wertschöpfung von Wissensarbeitern<br />
nicht vollumfänglich Rechnung trägt –<br />
Stichwort Erfassung von «bahnbrechenden»<br />
Ideen während der morgendlichen<br />
Joggingrunde –, steht sie der Umsetzung<br />
von flexiblen Arbeitsmodellen nicht im<br />
Wege. Für die Zeiterfassung braucht es<br />
längst keine Stempeluhr mehr, somit kann<br />
die Zeit auch im Zug oder Home Office<br />
erfasst werden. Wichtig sind hier primär<br />
zwei Dinge: Pragmatismus und Fairness.<br />
Je einfacher die Zeiterfassung ausfällt,<br />
desto weniger sorgt sie für Diskussionen.<br />
Ebenso wichtig ist die gegenseitige<br />
Fairness. Es liegt auf der Hand, dass eine<br />
kurze Pendelstrecke im Zug nie zu 100<br />
Pro zent als produktive Arbeitszeit genutzt<br />
werden kann, aber wenn ein Mitarbeiter<br />
auf einer dreistündigen Zugreise eine Präsentation<br />
erstellt, so macht es Sinn, diese<br />
Leistung genauso wie die Zeit im Büro<br />
anzurechnen. Es ist davon auszugehen,<br />
dass die nächste Überarbeitung des Arbeitsgesetzes<br />
hier mehr Klarheit und Vereinfachung<br />
bringt, insbesondere für Funktionen,<br />
wo die physische Präsenz und die<br />
Arbeitsleistung nicht direkt korrelieren.<br />
Der Chef übernimmt die Rolle des Coaches und gibt die Richtung, nicht aber den Weg vor.<br />
jetzt plötzlich alle Mitarbeiter<br />
flexibel und von überall<br />
2.Müssen<br />
aus arbeiten?<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 9
Highlight<br />
Trotz Home Offiece einen aktiven Beitrag für<br />
die Unternehmenskultur zu leisten.<br />
es neue<br />
Führungsformen?<br />
4.Braucht<br />
Wer heute schon klare Zielvereinbarungen<br />
statt Anwesenheitskontrolle führt,<br />
ist auf dem richtigen Weg. Wenn man<br />
den Mitarbeitenden mehr Autonomie<br />
in der Gestaltung ihrer Arbeit einräumt,<br />
verändert sich automatisch auch die<br />
Chef-Mitarbeiter-Beziehung. Der Mitarbeiter<br />
übernimmt mehr Eigenverantwortung,<br />
der Chef schlüpft in die Rolle des<br />
Coaches und Türöffners und gibt die<br />
Richtung, nicht aber den Weg, vor. Wenn<br />
sich beide Parteien auf diese Reise einlassen,<br />
können alle nur profitieren. Es<br />
ist erwiesen, dass mehr Autonomie und<br />
Eigenverantwortung die intrinsische<br />
Motivation erhöht. Der Mitarbeiter wird<br />
zum Mitunternehmer – eine Entwicklung,<br />
von der Unternehmen und deren Kunden<br />
ganz klar profitieren.<br />
kontrolliert man<br />
Mitarbeiter in der Zukunft?<br />
5.Wie<br />
Frage zurück: Wie kontrolliert man Mitarbeiter<br />
heute? Diese Frage haben wir<br />
am häufigsten gehört, als wir den Home<br />
Office Day 2010 ins Leben gerufen haben.<br />
Interessanterweise verschwindet sie immer<br />
mehr – der Wandel in den Köpfen<br />
scheint bereits eingesetzt zu haben. Wissensarbeiter<br />
kann man nicht über ihre<br />
Präsenz messen. Im Gegenteil – oft entstehen<br />
die besten Ideen ausserhalb des<br />
Büros und losgelöst vom Arbeitskontext.<br />
Deshalb ist es wichtig, eine Arbeitskultur<br />
zu schaffen, die Individualität zulässt und<br />
in der jeder Mitarbeiter seine produktiven<br />
Phasen selber gestalten kann. Es<br />
genügt jedoch nicht, wenn nur die Kultur<br />
diese Entwicklung begünstigt – die Führungssysteme<br />
müssen dies ebenfalls ermöglichen.<br />
Es liegt auf der Hand, dass<br />
die Messung der Anwesenheit ein Relikt<br />
der Vergangenheit ist. Vielmehr geht es<br />
darum, die individuelle Leistung von Mitarbeitern<br />
und ihren Beitrag im Team zu<br />
thematisieren und zu beobachten.<br />
es nicht eine sehr hohe<br />
Selbstdisziplin, damit flexibles<br />
6.Braucht<br />
Arbeiten gelingt? Haben alle<br />
Mitarbeiter diese Disziplin?<br />
Wenn ein Mitarbeiter zum ersten Mal<br />
im Home Office arbeitet, so ist das sicherlich<br />
gewöhnungsbedürftig – auch<br />
für sein Umfeld. Am Anfang muss man<br />
etwas experimentieren: Welches ist der<br />
beste Raum zum Arbeiten, wie häufig<br />
mache ich Pausen, wie tausche ich mich<br />
beruflich und privat mit anderen während<br />
des Tages aus, welche Arbeiten<br />
mache ich im Home Office, für welche<br />
eignet sich das Büro besser. Das Thema<br />
Selbstdisziplin hängt mit der oben besprochenen<br />
Frage der Führung zusammen.<br />
Mitarbeiter, die über klare Ziele geführt<br />
werden, entscheiden selber, wann<br />
sie was machen. Und wenn die Energie<br />
zum Denken einmal komplett fehlt,<br />
macht es mehr Sinn, eine Pause einzulegen,<br />
als die Zeit «abzusitzen». Diese<br />
Überlegungen zeigen, dass es eigentlich<br />
gar nicht primär um die Disziplin geht,<br />
sondern viel mehr um Autonomie und<br />
Eigenverantwortung. Diese Kompetenzen<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 10
gezielt zu fördern ist auch eine wichtige<br />
Führungsaufgabe.<br />
lohnt es sich für Firmen,<br />
flexible Arbeitsformen einzuführen?<br />
Von überall aus zu arbeiten 7.Warum<br />
ist per se ja kein Ziel.<br />
Das ist völlig richtig. Das Ziel von flexiblen<br />
Arbeitsformen besteht darin, Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, von denen<br />
sowohl Firmen als auch Mitarbeiter profitieren<br />
– wie im Idealfall auch gleichzeitig<br />
die Umwelt. Der wichtigste Vorteil von<br />
flexiblen Arbeitsformen ist die erhöhte<br />
Flexibilität und Eigenverantwortung.<br />
Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise am<br />
Morgen mit den Kindern frühstückt, von<br />
zu Hause aus die ersten Mails abarbeiten<br />
kann und erst später ins Büro geht,<br />
wenn Strassen und Züge frei sind, so<br />
trägt dies wesentlich zur Stressreduktion<br />
bei, obwohl die Arbeitsleistung vom<br />
Volumen her gleich bleibt. Ein anderes<br />
Beispiel: Ein Kundenanlass dauert bis<br />
spät am Abend. Der Mitarbeiter geht am<br />
Morgen nicht zuerst ins Büro, sondern<br />
arbeitet im Home Office und fährt dann<br />
direkt zum Anlass. So spart er Weg und<br />
Zeit und kann vielleicht sogar noch private<br />
Dinge tagsüber erledigen. Um diese<br />
Form von Win-win-Situationen geht es<br />
uns. Die Schweizer Wirtschaft entwickelt<br />
sich immer mehr zum Wissens- und Innovationsstandort.<br />
Wir können unseren<br />
Erfolg nur dann langfristig sichern, wenn<br />
wir dafür sorgen, dass die Mitarbeiter fit,<br />
zufrieden und motiviert sind.<br />
stelle ich als Manager sicher,<br />
dass flexibles Arbeiten<br />
8.Wie<br />
nicht zu einer höheren Burnout-Rate<br />
führt? «Always on» und verschwindende<br />
Grenzen bergen ja auch<br />
eine gewisse Gefahr.<br />
Das ist eine der zentralsten Fragen, auch<br />
für die Führung. Unsere Studien rund um<br />
das FlexWork-Phasenmodell haben gezeigt,<br />
dass es wichtig ist, den Übergang<br />
von einer Phase zur nächsten, Richtung<br />
mehr Flexibilität, gut zu begleiten. Dabei<br />
ist es äusserst wichtig, dass die gegenseitigen<br />
Erwartungen offen kommuniziert<br />
und neu ausgehandelt werden. Um<br />
einige Beispiele zu nennen:<br />
Highlight<br />
> Ist es in Ordnung, tagsüber mal nicht<br />
erreichbar zu sein und dafür am<br />
Abend zu arbeiten?<br />
> Müssen Mails vom Chef auch am<br />
Wochenende bearbeitet werden?<br />
> Kann ich tagsüber zum Coiffeur<br />
gehen?<br />
> Muss ich ausserhalb der Bürozeiten<br />
auf dem Mobiltelefon erreichbar<br />
sein?<br />
> Wie viele Tage pro Woche wollen<br />
wir uns physisch vor Ort sehen?<br />
> Bin ich in dringenden Fällen in den<br />
Ferien erreichbar?<br />
> Wie gehe ich als Führungskraft damit<br />
um, wenn ein Mitarbeiter immer<br />
nachts Mails verschickt?<br />
Die Erfahrung zeigt, dass Organisationen,<br />
die den Wandel in Richtung mehr<br />
Flexibilität bewusst gestalten und begleiten,<br />
das Burnout-Risiko eher senken<br />
können. Dies zum einen, weil die Mitarbeiter<br />
durch die grössere Autonomie<br />
nach oder sogar während Stressphasen<br />
die Erholung besser planen können.<br />
Zum andern führt die Leistungs- statt<br />
Präsenzorientierung dazu, dass die<br />
Grenzenlose Zusammenarbeit<br />
Die europäische Private Cloud
Highlight<br />
Es geht nicht um<br />
Disziplin ...<br />
Es geht um Autonomie<br />
und Eigenverantwortung.<br />
Anreize für spätes Nachhausegehen<br />
oder Mailen zu später Stunde verschwinden<br />
– weil sie kein Ausdruck für einen<br />
besonders grossen Einsatz sind.<br />
es nicht gefährlich für den<br />
Teamzusammenhalt und -austausch,<br />
wenn sich plötzlich alle 9.Ist<br />
im Home Office «verschanzen»?<br />
Dieser Frage liegt eine falsche Annahme<br />
zugrunde. Wenn man die Mitarbeiter<br />
entscheiden lässt, wann und wo sie arbeiten,<br />
führt das bei einer gesunden Arbeitskultur<br />
nicht automatisch dazu, dass<br />
die Mitarbeiter das Büro meiden. Im Gegenteil<br />
– die meisten Mitarbeiter haben<br />
ein grosses Bedürfnis, sich mit Arbeitskollegen<br />
abzustimmen, formell und informell,<br />
sowie einen aktiven Beitrag an<br />
die Unternehmenskultur zu leisten. Für<br />
viele Aufgaben ist es nach wie vor am<br />
sinnvollsten, sich physisch zu treffen<br />
und auszutauschen – dies wissen auch<br />
die Mitarbeiter. Wir dürfen ruhig etwas<br />
mehr Vertrauen haben, dass Autonomie<br />
nicht automatisch zu Rückzug führt. Hier<br />
setzt auch die Führung und Abstimmung<br />
im Team an. Wenn erste Anzeichen erkennbar<br />
sind, dass einzelne Personen im<br />
Team nicht greifbar sind, so sollte das<br />
offen angesprochen werden.<br />
macht man mit den<br />
schwarzen Schafen in der<br />
10.Was<br />
Organisation? Finden diese<br />
nicht noch mehr Schlupflöcher, wenn<br />
niemand mehr kontrolliert, ob sie arbeiten?<br />
In fast jeder Organisation gibt es demotivierte<br />
Mitarbeiter. Da diese in gesunden<br />
Organisationen in der absoluten<br />
Minderheit sind, wäre es völlig falsch,<br />
die Kultur nach diesen «schwarzen Schafen»<br />
auszurichten. Diese finden immer<br />
Wege, ihren Beitrag zu minimieren. Viel<br />
wichtiger ist es, Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, die die vorhandene Motivation<br />
fördern und nutzbar machen. Es<br />
ist wissenschaftlich erwiesen, dass mehr<br />
Autonomie bei der individuellen Arbeitsgestaltung<br />
zu einer grösseren intrinsischen<br />
Motivation führt. Und genau an<br />
diesen Effekt appellieren flexible Arbeitsformen.<br />
Barbara Josef<br />
ist seit Februar 2008 Leiterin Kommunikation<br />
bei Microsoft Schweiz, seit Juli<br />
2013 verantwortet sie auch das gesellschaftliche<br />
Engagement. Ihre grösste<br />
Leidenschaft gilt dem Projekt Home<br />
Office Day, seit diesem Jahr Work Smart<br />
Week, und damit verbunden dem Thema<br />
«Die Zukunft der Arbeit».<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 12
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Highlight<br />
Angestellte übernehmen Führungsaufgaben.<br />
Arbeitsethik im Wandel<br />
Schlüsselkompetenzen für die Arbeit im «flexiblen Office»<br />
von Leila Gisin<br />
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden mobil-flexible Arbeitsmodelle an. Obwohl diese neue Arbeitsform<br />
viele Vorzüge mit sich bringt und den Anforderungen einer global vernetzten Welt entspricht, entfalten<br />
sich diese erst, wenn Führungskräfte wie auch Mitarbeitende die entsprechenden Kompetenzen ausbilden.<br />
Die neue Arbeitsform der mobilflexiblen<br />
Arbeit bedeutet, dass<br />
die zu leistende Arbeit grundsätzlich<br />
und zu einem grossen Teil unabhängig<br />
von Zeit und/oder Ort erbracht<br />
werden kann. Dieses Entfallen von festen<br />
Orten und Zeiten der (Zusammen-)Arbeit<br />
fordert Organisationen, Führungskräfte<br />
wie auch Mitarbeitende gleichermassen,<br />
entsprechende Kompetenzen zu entwickeln,<br />
welche dieser neuen Arbeitsform<br />
gerecht werden. Laut einer repräsentativen<br />
Befragung der Schweizer Erwerbstätigen<br />
zur Verbreitung von mobil-flexibler<br />
Arbeit könnte bereits heute mehr als<br />
die Hälfte der abhängig Beschäftigten<br />
theo retisch, aufgrund ihrer Arbeitsaufgaben,<br />
mobil-flexibel arbeiten. Faktisch<br />
tut dies aber nur ein knappes Viertel,<br />
zumindest anteilsmässig. Insbesondere<br />
KMU-Verantwortliche scheinen hier zurückhaltend<br />
zu sein. Das Vorschieben<br />
der Risiken dieser Arbeitsform, welche<br />
vor allem in der Entgrenzung der Arbeit<br />
und der Virtualisierung der Führungsaufgabe<br />
gesehen werden, führt mitunter zu<br />
dieser restriktiven Haltung aller beteiligten<br />
Akteure. Das Institut für Kooperationsforschung<br />
und -entwicklung der<br />
Hochschule für Angewandte Psychologie<br />
(FHNW) beschäftigt sich seit einigen<br />
Jahren mit dem Thema der mobil-flexiblen<br />
Arbeit. In verschiedenen Studien<br />
wurde mitunter der Frage nachgegangen,<br />
welche Schlüsselkompetenzen Organisationen,<br />
Führungskräfte wie auch<br />
Mitarbeitende dazu befähigen, die Potenziale<br />
dieser vielversprechenden Arbeitsform<br />
auszuschöpfen, während Fallstricke<br />
bewusst umgangen werden.<br />
Wandel vom Mitarbeiter zum<br />
Arbeitskraftunternehmer<br />
Während traditionelle Arbeitsformen<br />
die Mitarbeitenden dazu anhalten, nach<br />
mehr oder weniger strikten Anweisungen<br />
der verantwortlichen Führungskräfte<br />
zu arbeiten, verlangt die mobil-flexible<br />
Arbeitsform vermehrt nach «Arbeitskraftunternehmern»,<br />
welche sich selber<br />
organisieren und weitgehend die für<br />
sie erforderliche Strukturierung, Steuerung<br />
und Überwachung der Arbeitsprozesse<br />
übernehmen. Entscheidungen<br />
und Handlungen, welche zuvor der Führungsriege<br />
vorbehalten waren, gehen<br />
auf die Angestellten und Mitarbeitenden<br />
über. Diese neue Selbstverantwortung<br />
wird mit der Freiheit belohnt, die Arbeit<br />
so zu organisieren, dass sie eine ideale<br />
Passung zu den jeweiligen Anforderungen<br />
des Privatlebens ermöglicht. Hierzu<br />
gehört auch, die für sich selbst passenden<br />
Zeiten und Orte für die eigene<br />
Arbeit zu wählen. Diese Kompetenz,<br />
nämlich in der Multispace-Bürolandschaft<br />
oder eben zu Hause den richtigen<br />
Ort für die Bearbeitung der jeweiligen<br />
Aufgabe zu finden, hat sich in unseren<br />
Studien als zentral erwiesen. Mitdenken,<br />
Eigenverantwortung und Selbstständigkeit<br />
bringen so die moderne Arbeitskraft<br />
in die Position, verstärkt eigene subjektive<br />
Ansprüche und Bedürfnisse an die<br />
Arbeit geltend zu machen. Damit Mitarbeitende<br />
diese neue Selbstverantwortung<br />
wahrnehmen können, müssen<br />
sie sich entsprechend befähigen.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 14
In einer Studie, welche diesen Herbst<br />
(<strong>2015</strong>) an der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
(FHNW) erscheinen wird,<br />
wurden insgesamt 1 750 Aussagen zu in<br />
der mobil-flexiblen Arbeit geforderten<br />
Kompetenzen von routinierten Home-<br />
Office-Nutzenden ausgewertet und analysiert.<br />
Wer Erfahrung mit der mobilflexiblen<br />
Arbeit hat, ist der Meinung, dass<br />
folgende fünf Schlüsselkompetenzen<br />
vor allem Erfolg versprechend sind:<br />
> (Arbeits-/Selbst-)Disziplin<br />
> Organisationsfähigkeit, Selbstorganisation,<br />
Selbstmanagement<br />
> Kommunikationsfähigkeit<br />
(insbesondere digital/virtuell)<br />
> Eigenständigkeit, Selbstständigkeit<br />
> Eigenverantwortung, Selbstführung,<br />
Selbstkontrolle.<br />
Weiter werden Abgrenzungsfähigkeit respektive<br />
Boundary Management, Ehrlichkeit,<br />
Flexibilität, technisches Knowhow<br />
und Zuverlässigkeit/Verlässlichkeit<br />
als wichtige Eigenschaften für die mobilflexible<br />
Arbeit angeführt.<br />
Wandel von Führungskraft<br />
zu Coach und Visionär<br />
Das bisherige Führungsverständnis wird<br />
durch den «Arbeitskraftunternehmer»<br />
infrage gestellt. Braucht es noch Führungskräfte,<br />
wenn sich die Mitarbeitenden<br />
verselbstständigen? Welche Führungsverantwortung<br />
bleibt, wenn diese<br />
zu grossen Teilen an die Mitarbeitenden<br />
zurückgeführt wird? Gemäss einer<br />
weiteren Studie unserer Arbeitsgruppe<br />
zur Gestaltung mobil-flexibler Arbeit hat<br />
sich gezeigt, dass auch Führungskräfte<br />
angehalten sind, neue Kompetenzen zu<br />
entwickeln, um den neuen Führungsaufgaben<br />
der mobil-flexiblen Arbeit gerecht<br />
zu werden. Dabei können grob zwei Phasen<br />
unterschieden werden. In einer ersten<br />
Initiierungsphase der mobil-flexiblen<br />
Arbeit sind Führungskräfte angehalten,<br />
die Rolle des Change-Managers einzunehmen.<br />
Es gilt, Mitarbeitende an die<br />
neue Arbeitsform heranzuführen, entsprechend<br />
zu befähigen, eigene Unsicherheiten<br />
zu überwinden und ein vorzeitiges<br />
Zurückkippen in die traditionelle<br />
Arbeitsweise zu verhindern.<br />
Spätestens wenn sich die mobil-flexible<br />
Arbeit im Team etabliert hat, müssen in<br />
einer zweiten Phase das Führungsverhalten<br />
und die Führungsinstrumente der<br />
neuen Form der Zusammenarbeit angepasst<br />
werden. Eine nicht zu unterschätzende<br />
Aufgabe ist hierbei, Kontrolle<br />
Der Chef wird zum «Primus inter Pares».<br />
ab zubauen und im Gegenzug Vertrauen<br />
in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden<br />
aufzubauen. Führung über Ziele und<br />
Ergebnisse (management by objectives)<br />
wird unabdingbar. Weiter kommt der Koordinationsfähigkeit<br />
als Kompetenz eine<br />
grosse Bedeutung zu. Führungskräfte<br />
sind gefordert, Taktiken zu entwickeln,<br />
welche es ihnen ermöglichen, die jeweilige<br />
Auslastungssituation ihrer Mitarbeitenden<br />
zu kennen, um rechtzeitig auf<br />
Über und Unterbelastungen reagieren<br />
zu können. Dann gilt es, die jeweilige<br />
Organisationseinheit im Zusammenhang<br />
zu halten, indem eine Kultur des mobilflexiblen<br />
Arbeitens geschaffen wird. Dies<br />
bedeutet, dass geeignete Spielregeln<br />
für die mobil-flexible Arbeit eingeführt<br />
werden, welche beispielsweise die Erreichbarkeiten<br />
regeln oder festhalten,<br />
wie mit dem knappen Gut der Präsenzzeit<br />
im Büro umgegangen wird. Gegenüber<br />
den Mitarbeitenden ist ein Wandel<br />
weg von der elterlichen Führungsfigur<br />
hin zum entwicklungsorientierten Coach<br />
und Mentor erforderlich. Es gilt, anhand<br />
informeller, personenbezogener Führung<br />
Mitarbeitende individuell zu entwickeln<br />
und auf ihren Karrierepfaden zu<br />
begleiten. Der Chef wird zum «Primus<br />
inter Pares», geht mit gutem Beispiel<br />
voran und ist sich der Botschaft des<br />
eigenen Verhaltens innerhalb der mobilflexiblen<br />
Arbeit bewusst.<br />
Highlight<br />
Nährboden für mobil-flexible Arbeit<br />
Damit Mitarbeitende wie Führungskräfte<br />
diesen neuen Anforderungen der mobilflexiblen<br />
Arbeit gerecht werden können,<br />
müssen Organisationen entsprechende<br />
Leitplanken setzen und die organisationale<br />
Infrastruktur an die neuen Bedingungen<br />
anpassen. Mobil-flexible Arbeit<br />
erfordert beispielsweise das Einführen<br />
neuer Technologien der virtuellen Zusammenarbeit.<br />
Geschäftsräume werden<br />
vermehrt zu Begegnungszonen sowie<br />
Kooperationsflächen und müssen entsprechend<br />
umgestaltet werden. Wichtig<br />
ist auch, dass sich die Geschäftsführung<br />
diese neue Arbeitsform auf die Fahne<br />
schreibt und explizit dazu auffordert.<br />
Denn nur eine Organisation, welche von<br />
den Vorteilen überzeugt ist, gibt dieser<br />
neuen und zukunftsweisenden Arbeitsform<br />
eine reelle Chance, künftige Geschäftserfolge<br />
nachhaltig zu sichern und<br />
das Unternehmen in das Zeitalter der<br />
Wissensgesellschaft zu überführen.<br />
Leila Gisin<br />
ist Psychologin MSc, Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Institut für Kooperationsforschung<br />
und -entwicklung der<br />
Hochschule für Angewandte Psychologie<br />
FHNW.<br />
www.fhnw.ch/aps/ifk/projekte<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 15
Highlight<br />
Angestellte übernehmen Führungsaufgaben.<br />
Das Gebäude wird ein sozialer Raum.<br />
Praktische Erfahrungen<br />
Unternehmenskultur in den neuen Arbeitswelten<br />
von Victoria Mirata<br />
Im Zeitalter der Digitalisierung und Wissensarbeit werden Wertschöpfung und Innovation immer wichtiger. Von<br />
Mitarbeitenden werden immer anspruchsvollere Leistungen und immer mehr Engagement erwartet. Doch unterstützt<br />
die Arbeitswelt diese Ansprüche? Die Verantwortlichen der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) wollen<br />
nicht reagieren, sondern agieren und haben sich in ihrem eignen Hause in die Praxis der neuen Arbeitswelten<br />
begeben. Von den Erfahrungen können auch Unternehmen profitieren.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 16
Highlight<br />
Ein klarer Slogan bringt es auf den<br />
Punkt: «Studieren, wann und wo<br />
Sie wollen» – so lautet die Devise<br />
der Fernfachhochschule Schweiz<br />
(FFHS) und verspricht den Studierenden<br />
eine flexible Lösung. Bereits seit<br />
1998 ist es unser Ziel und Anliegen, den<br />
Studierenden eine maximale Flexibilität<br />
im Studium zu bieten, ohne dabei auf<br />
die Qualität des Studiums zu verzichten.<br />
Durch Entwicklungen innovativer Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien<br />
ist Fernunterricht auch online möglich<br />
geworden. Damit aber das online<br />
Lernen effizient und nachhaltig bleibt<br />
und Studierende von dieser Flexibilität<br />
im Studium profitieren können, setzen<br />
wir seit dem Gründungsjahr ein alternatives<br />
Studienmodell ein, das eLearning<br />
mit dem klassischen Unterricht kombiniert<br />
und es den Studierenden ermöglicht,<br />
Studium, Familie und Job unter einen<br />
Hut zu bringen. Mit der Gestaltung<br />
neuer Lernwelten, in denen Flexibilität<br />
unabdingbar ist, setzen wir uns als eine<br />
E-Hochschule seit Langem auseinander.<br />
Doch wie verhält es sich mit neuen Arbeitswelten<br />
an der FFHS? Trifft auch die<br />
Devise «Arbeiten, wann und wo Sie wollen»<br />
auf die gesamte Organisation zu?<br />
Globalisierung, demografischer Wandel,<br />
technologischer Fortschritt und der<br />
Wandel hin zur Wissens- und Informationsgesellschaft<br />
verändern nicht nur<br />
unsere Lernwelten, sondern auch unsere<br />
Arbeitswelten, die immer flexibler,<br />
mobiler und digitaler werden. Diese<br />
Entwicklungen haben uns an der FFHS<br />
dazu bewegt, unsere eigene Arbeitswelt<br />
genauer zu betrachten. Wir haben<br />
einen dringenden Veränderungsbedarf<br />
erkannt. Um weiterhin die führende E-<br />
Hochschule in der Schweiz zu bleiben,<br />
müssen wir einen Wandel vollziehen.<br />
Zunächst ging es ausschliesslich um die<br />
Veränderung unserer Gebäudesituation,<br />
die nicht mehr den neusten Standards<br />
in Sachen Infrastruktur entspricht. Die<br />
Entscheidung hierzu ist gefallen: Es wird<br />
ein neuer Campus – ein Verwaltungsgebäude<br />
– am FFHS-Hauptsitz in Brig entstehen.<br />
Doch mit dem Bau des neuen<br />
Campus wurde ein Stein ins Wasser geworfen,<br />
der seine Kreise zieht. Der Bau<br />
des neuen Campus ist eine Entscheidung<br />
auf strategischer Ebene, die notwendige<br />
Veränderungen in den anderen<br />
Bereichen der Organisation und vor allem<br />
in den Köpfen der Mitarbeitenden<br />
mit sich bringt. Der angestrebte Wandel<br />
Der Wunsch nach mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort.<br />
ist aufgrund der vielfältigen Veränderungen<br />
nicht leicht zu vollziehen, dennoch<br />
sehen wir ihn als eine positive Herausforderung<br />
und Chance für das ganze<br />
Unternehmen.<br />
Arbeiten an vielen Orten<br />
Die Entscheidung, einen neuen Campus<br />
für eine E-Hochschule zu bauen,<br />
mag auf den ersten Blick widersprüchlich<br />
erscheinen. Braucht eine E-Hochschule<br />
mit ihren einzigartigen Kompetenzen<br />
in eLearning und eCollaboration<br />
einen neuen Campus für ihre Mitarbeitenden?<br />
Die Möglichkeiten der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien<br />
sind heute beinahe grenzenlos<br />
geworden. Zusammenarbeit und Unterricht<br />
verschieben sich immer mehr in<br />
den virtuellen Bereich – eine Entwicklung,<br />
die für eine E-Hochschule günstige<br />
Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung<br />
und andauernde Verbesserung<br />
ihrer Kernkompetenzen (eLearning und<br />
eCollaboration) schafft. Als Wissensarbeiter<br />
in einer mobilen Gesellschaft<br />
können wir heute unseren Tätigkeiten<br />
an verschiedensten Orten und zu<br />
unterschiedlichen Zeiten nachgehen.<br />
Arbeiten im Home Office und an «third<br />
places» (wie Bahnhöfen, Zügen, Cafés<br />
oder in «Co-Working Spaces») gehört<br />
bei vielen Unternehmen schon heute<br />
zum Alltag. «Die Zeit der imposanten<br />
Gebäude läuft ab», prognostizierte Mathis<br />
Hasler, Chef der Popup Office AG,<br />
sogar kürzlich in einem Interview im<br />
«Bund».<br />
Neues Raumverständnis<br />
Dennoch bleibt das Gebäude für uns<br />
wichtig, weil es in Zukunft eine neue<br />
Rolle erhalten wird. Das Gebäude wird<br />
für die FFHS zu einem sozialen Raum<br />
werden, ein Ort der Begegnung und<br />
Zusammenarbeit, an dem sich Mitarbeitende<br />
treffen, um gemeinsam Wissen zu<br />
erarbeiten und neue Ideen zu kreieren,<br />
ein Ort der Identifikation der Mitarbeitenden<br />
mit dem Unternehmen. Eine grosse<br />
Herausforderung ist dabei die Gestaltung<br />
der Räume und ihrer Einrichtung.<br />
Wie können unsere partnerschaftliche<br />
Führungskultur und gemeinsame Wissenskultur,<br />
das heisst Offenheit, Autonomie,<br />
Lernbereitschaft, Zusammenarbeit<br />
und Vertrauen, sowie Wertschätzung<br />
gegenüber den Mitarbeitenden über<br />
räumliche Gestaltung zum Ausdruck<br />
gebracht werden? Lassen sich Normen<br />
und Werte überhaupt materialisieren?<br />
Es ist wichtig, dass die Botschaft der<br />
Räume im neuen Campus zur Identifikation<br />
der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen<br />
beiträgt und den Anforderungen<br />
der neuen Generationen an die<br />
Arbeitsumgebung gerecht wird, um als<br />
Organisation auch im «Kampf um Talente»<br />
bestehen zu können.<br />
Mission «Neue Arbeitswelt Campus»<br />
Das eCollaboration-Team des Instituts<br />
für Fernstudien und eLearning hat den<br />
Auftrag erhalten, ein innovatives Bürokonzept<br />
nach den neusten Anforderungen<br />
der Arbeitswelt zu entwickeln,<br />
welches allen Mitarbeitenden eine motivierende<br />
Arbeitsumgebung auf dem<br />
neuen Campus bietet und Wissenstransfer<br />
und Innovationsprozesse an<br />
der FFHS unterstützt. Der erste Schritt<br />
hin zur neuen Arbeitswelt begann mit<br />
der Vorbereitung der Vorgaben für den<br />
Architekten. Darin flossen gewonnene<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 17
Highlight<br />
Die neuen Arbeitswelten brauchen neue vertrauensbasierte Führungsmodelle.<br />
Erkenntnisse aus der Arbeitsforschung<br />
in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer<br />
IAO aus dem Verbundforschungsprojekt<br />
«OFFICE21» sowie die Ergebnisse interner<br />
Studien ein, die im Rahmen einer<br />
Organisationsanalyse initiiert wurden.<br />
Das Ziel der Studien war es, Arbeitsprozesse,<br />
Tätigkeiten und Kommunikationsund<br />
Interaktionsmuster zwischen den<br />
Mitarbeitenden sowie ihre Bedürfnisse<br />
hinsichtlich einer neuen Arbeitsumgebung<br />
zu untersuchen und diese bei der<br />
Entwicklung des neuen Bürokonzepts zu<br />
berücksichtigen. Dabei haben wir qualitative<br />
und quantitative Methoden wie<br />
beispielweise online Surveys, ein auf der<br />
Experience-Sampling-Methode basierendes<br />
eTagebuch und soziometrische<br />
Technologien zur Erfassung sozialer Interaktionen<br />
angewendet.<br />
Arbeitsorte der Zukunft<br />
Unsere Studien haben interessante Ergebnisse<br />
hervorgebracht. Das Bedürfnis<br />
der Mitarbeitenden nach mehr Kommunikation<br />
und Zusammenarbeit ist gross,<br />
wobei man sich noch mehr virtuelle Zusammenarbeit<br />
wünscht, um Aktivitäten<br />
möglichst effizient ausführen zu können.<br />
Diese Ergebnisse gehen mit dem globalen<br />
Trend hin zu von Kommunikation,<br />
Austausch und Wissensweitergabe geprägten<br />
Arbeitswelten einher.<br />
Zudem wünschen sich die Mitarbeitenden<br />
mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit<br />
und Arbeitsort. In einem über drei<br />
Wochen hinweg geführten eTagebuch haben<br />
wir unsere Mitarbeitenden beispielsweise<br />
nach den gewünschten Arbeitsorten<br />
gefragt, die ihrer Ansicht nach für ihre<br />
aktuellen Tätigkeiten am besten geeignet<br />
sind. 77 Prozent aller Mitarbeitenden<br />
führen heute ihre Aktivitäten, Aufgaben<br />
und Tätigkeiten noch in Zellenbüros aus.<br />
77%<br />
Büroraum<br />
24%<br />
Home Office<br />
10% 13% 4%<br />
mobil unterwegs<br />
4%<br />
7%<br />
Doch sie möchten ihren Aktivitäten in Zukunft<br />
an verschiedensten Orten im FFHS-<br />
Bürokomplex nachgehen können – zum<br />
Beispiel in einer Cafeteria, in einer Bibliothek,<br />
an Treffpunkten, an Rückzugsorten<br />
und in Multi-space-Zonen – sowie<br />
die Möglichkeit haben, noch flexibler von<br />
unterwegs und im Home Office zu arbeiten<br />
(siehe Abbildung oben).<br />
Herausforderung Unternehmenskultur<br />
Bereits in der ersten Phase der Planung<br />
und Entwicklung des Bürokonzepts sahen<br />
wir uns Herausforderungen gegenüber,<br />
die sich vor allem im Bereich der<br />
Unternehmenskultur befinden. Das aus<br />
den Ergebnissen hervorgehende Bürokonzept-Szenario,<br />
das die Bedürfnisse<br />
Arbeitsort heute<br />
*4% – keine Angaben zum Arbeitsort der Zukunft<br />
Frage zu Rot: Wo hast du heute deine Hauptaktivitäten ausgeführt? Frage zu Blau: Was wäre, deiner<br />
Meinung nach, ein optimaler Ort für die Ausführung dieser Aktivität?<br />
Konferenzraum<br />
6%<br />
Arbeitsorte der Zukunft<br />
2%<br />
Cafeteria, Treffpunkt,<br />
Multispaces, Bibliothek<br />
10%<br />
Arbeitsort der Zukunft<br />
Rückzugsort<br />
12%<br />
0% 0%<br />
ortsunabhängig<br />
27%<br />
der Mitarbeitenden berücksichtigt, ihre<br />
differenzierten Arbeitsweisen durch ein<br />
vielfältiges Angebot an Rückzugs- und<br />
Kommunikationszonen unterstützt und<br />
nachhaltige Rahmenbedingungen für<br />
die Förderung neuer, flexibler Arbeitsmodelle<br />
im Unternehmen schafft, stiess<br />
zunächst auf Widerstände. Was verbirgt<br />
sich hinter der Fassade dieser Ableh-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 18
Weiterführende Literatur<br />
Fraunhofer, I. A. O. (2012).<br />
Arbeitswelten 4.0: Wie wir<br />
morgen arbeiten und leben.<br />
Schittich, C. (2011). Arbeitswelten:<br />
Raumkonzepte, Mobilität,<br />
Kommunikation. Walter de Gruyter.<br />
Widuckel, W., de Molina, K.,<br />
Ringlstetter, M. J., & Frey, D. (Eds.).<br />
(<strong>2015</strong>). Arbeitskultur 2020:<br />
Herausforderungen und Best<br />
Practices der Arbeitswelt der<br />
Zukunft. Springer-Verlag.<br />
nung? Es wurde schnell deutlich, dass<br />
ein neues Bürokonzept eine globale Veränderung<br />
für das ganze Unternehmen<br />
bedeutet. Ein solches wirkt sich nicht<br />
nur auf das Verhalten der Mitarbeitenden,<br />
sondern auch auf Arbeitsformen,<br />
die Unternehmenskultur und Führungsmethoden<br />
aus. Diese Veränderung wird<br />
mitunter als Risiko wahrgenommen. Mitarbeitende<br />
haben Angst davor, sich von<br />
klassischen Zellenbüros zu verabschieden.<br />
Wie geht es nun mit der eigenen<br />
Privatsphäre, mit persönlichen Fotos<br />
und mit Pflanzen auf dem Arbeitstisch<br />
weiter? Führungskräfte andererseits befürchten,<br />
durch das Angebot von mehr<br />
Flexibilität die Kontrolle über ihre Mitarbeiter<br />
zu verlieren. Wie längst bekannt,<br />
läuft die Präsenzkontrolle jedoch in virtuellen<br />
Arbeitswelten, wo sich die Leistung<br />
der Wissensarbeiter nicht über die<br />
Präsenz messen lässt, ins Leere. Ein vertrauensbasiertes<br />
Führungsmodell, das<br />
auf gemeinsamen Werten und zielorientierter<br />
Führung beruht, scheint in der<br />
virtuellen Arbeitswelt notwendig zu sein.<br />
Dies erfordert jedoch einen Wandel der<br />
Unternehmenskultur von einer Kontrollhin<br />
zu einer Vertrauenskultur. Der virtuelle<br />
Charakter unserer E-Hochschule<br />
verstärkt diese Notwendigkeit zusätzlich.<br />
Auch deshalb haben wir das letzte<br />
FFHS Business Breakfast Event, das im<br />
Rahmen der Work-Smart-Initiative Ende<br />
Juni <strong>2015</strong> stattgefunden hat, dem Thema<br />
«Neue Unternehmenskultur in den neuen<br />
Arbeitswelten» gewidmet – eine erste<br />
Sensibilisierungsmassnahme auf dem<br />
Weg hinein in die neue Arbeitswelt.<br />
Strategische Ansätze<br />
Wir sehen den Menschen, bei dem erfolgreichen<br />
Durchlaufen dieses Wandels,<br />
als einen Erfolgsfaktor. Die Bereitschaft<br />
zu Veränderung muss in den<br />
Köpfen der Mitarbeitenden durch sorgfältige<br />
Unterstützung des Veränderungsprozesses<br />
wachsen. Hier zeigen wir unsere<br />
Strategien auf, die wir auf unseren<br />
ersten Schritten hin zu neuen Arbeitswelten<br />
einsetzen:<br />
> Sensibilisierung: Wir sensibilisieren<br />
unsere Mitarbeitenden für<br />
das Thema Neue Arbeitswelten.<br />
Es werden Vorträge mit Diskussionsrunden<br />
mit unserem Forschungspartner<br />
Fraunhofer IAO<br />
organisiert. Relevante Ergebnisse<br />
und Informationen werden in<br />
internen Newslettern und Jahresberichten<br />
publiziert und durch<br />
soziale Medien und das interne<br />
e-Informationsbrett ELAN weiterverbreitet.<br />
> Einbindung der Mitarbeitenden:<br />
Mitarbeiter und Führungskräfte<br />
werden von Anfang an kommunikativ<br />
und partizipativ in den Veränderungsprozess<br />
eingebunden.<br />
Jeder Mitarbeitende hat die Möglichkeit,<br />
an der Gestaltung der<br />
neuen Arbeitswelt bei der FFHS<br />
durch die Teilnahme an internen<br />
Highlight<br />
Projekten mitzuwirken.<br />
> Vorbild sein: Im Zusammenhang<br />
mit vertrauensbasierten Führungsmethoden<br />
setzen wir in<br />
unserem eCollaboration-Team 1)<br />
neue Arbeitsformen für räumlich<br />
flexibles Arbeiten im Gebäude<br />
ein. Damit setzen wir ein Zeichen<br />
für den Wandel.<br />
> Ideenmanagement: Für die kollaborative<br />
Bearbeitung von Ideen<br />
zum Thema Neue Arbeitswelten<br />
setzen wir ein eigens entwickeltes<br />
Tool ein.<br />
Auch das Management der FFHS unterstützt<br />
diesen Wandel aktiv. Top-Down-<br />
Kommunikation, transparentes Verhalten<br />
und Bereitschaft für Veränderungen<br />
geben den Mitarbeitenden das Gefühl<br />
von Sicherheit im Veränderungsprozess<br />
und wecken die Lust, Neues auszuprobieren.<br />
Die FFHS befindet sich in einem<br />
Wandel, dem wir als Chance und positive<br />
Herausforderung auf dem Weg zu<br />
neuen Arbeitswelten begegnen.<br />
Anmerkung<br />
1)<br />
Marco Bettoni, Willi Bernhard, Nicole Bittel<br />
und Victoria Mirata<br />
ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />
Institut für Fernstudien- und eLearningforschung<br />
(IFeL) der Fernfachhochschule<br />
Schweiz (FFHS).<br />
www.ffhs.ch<br />
Victoria Mirata
Highlight<br />
«Work Smart» – Mitarbeiter<br />
zu Mitunternehmern machen<br />
von Barbara Josef<br />
Als wir vor über fünf Jahren den «Home Office Day» heute<br />
«Work Smart» gegründet haben, war ich immer leicht stolz,<br />
wenn ich im Zug in einer Konversation den Wortfetzen «Home<br />
Office» hörte. Es war, als ob wir Geburtshelfer einer völlig neuartigen<br />
Idee gewesen wären. Heute ist das orts- und zeitunabhängige<br />
Arbeiten die normalste Sache der Welt; zumindest<br />
wenn man nach der Prominenz des Themas in den Fachblättern<br />
und den Tagesmedien urteilt.<br />
Doch wie verbreitet und akzeptiert sind neue Arbeitsformen<br />
wirklich? Als Marissa Mayer von Yahoo vor zwei Jahren beziehungsweise<br />
unlängst die UBS damit Schlagzeilen machten,<br />
die freiheitsliebenden Home Office Worker wieder an die kürzere<br />
Leine zu nehmen, ging fast schon ein Aufatmen durch<br />
die Reihen. Insbesondere bei Zeitgenossen, die noch mit Fax<br />
und Röhrencomputern gross geworden sind. Die vermeintliche<br />
Erkenntnis: Es ist eben doch besser, wenn alle in der gleichen<br />
Galeere sitzen, statt dass jeder zu Hause nach eigenem<br />
Rhythmus vor sich herrudert. Die differenzierteren Beifallsrufe<br />
verwiesen zumindest darauf, dass Menschen doch besser zusammenarbeiten,<br />
wenn sie sich sehen.<br />
Wer hat nun Recht? Diejenigen, die unbeirrt flexible Arbeitskonzepte<br />
weiter ausrollen, oder die Kritiker, die erst mal abwarten,<br />
bis sich der Hype ums Arbeiten in Hausschuhen gelegt<br />
hat?<br />
An dieser Stelle bietet sich auch etwas Selbstreflexion an. Als<br />
wir 2010 mit grossem Getöse den ersten «Home Office Day»<br />
lancierten, haben wir bewusst auf Effekthascherei durch Vereinfachung<br />
gesetzt. Genauso wie der Nichtrauchertag zu einem<br />
bewussteren Umgang mit der Gesundheit an 365 Tagen<br />
im Jahr aufruft, sollte der «Home Office Day» als Trojanisches<br />
Pferd dienen, um etwas viel Grösseres anzupreisen. Heute<br />
würden wir es wohl «die digitale Transformation der Arbeitswelt»<br />
nennen – oder eben «Work Smart». Damit hätten wir einen<br />
Teil der Diskussion geklärt: Home Office per se ist weder ein<br />
Ziel noch der Weisheit letzter Schluss. Aber der Begriff hat<br />
uns in der Anfangsphase geholfen, viel komplexere Themen<br />
und ihre Fragen elegant getarnt auf die Bürotische zu bringen:<br />
> Welches Menschenbild haben wir?<br />
> Wie führen und motivieren wir Mitarbeiter?<br />
> Wie wollen wir mit dem technologischen Fortschritt umgehen?<br />
> Welche Rolle nimmt Arbeit in unserer Gesellschaft ein?<br />
> Wie verändert sich unsere Vorstellung von Biografien<br />
und Karrieren?<br />
Fünf Jahre später – Home Office ist inzwischen salonfähig als<br />
Ortsangabe in der Outlook-Agenda – müssen und wollen wir<br />
die Diskussion weiterführen. Dabei geht es nicht nur um die<br />
Namensänderung zu «Work Smart», sondern auch darum, uns<br />
ganz genau anzuschauen, was flexible Arbeitsformen denn<br />
wirklich bringen. Dass wir neu in lärmigen Kaffees arbeiten<br />
und zu Zeiten, während denen andere schlafen, ist per se kein<br />
Nutzen – zumindest nicht einer, von dem Firma und Mitarbeiter<br />
gleichermassen profitieren.<br />
Ich hatte unlängst das Vergnügen, das Thema neue Arbeitsformen<br />
mit Mitarbeitern einer Bank zu besprechen. Eine junge<br />
Kundenberaterin brachte es auf den Punkt: Da wir flexibel arbeiten<br />
können, bin ich auch gerne bereit, zu Randzeiten Kundentermine<br />
anzubieten, auch beim Kunden zu Hause. Und hier<br />
kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache. Flexible Arbeitsformen<br />
machen Mitarbeiter zu Mitunternehmern. Weil es um<br />
die Eigenverantwortung und nicht die Präsenz geht. Und das<br />
wiederum ist die wichtigste Voraussetzung, in dynamischen<br />
Märkten zu überleben. Und so ist dann auch «Die nahe Bank»<br />
ein sehr überzeugendes Versprechen – und es klingt auch irgendwie<br />
besser als «Die Bank, die Home Office macht». Um<br />
das geht es bei «Work Smart»: Impulse zu setzen für eine agile<br />
und innovative Schweiz.<br />
Barbara Josef<br />
ist Leiterin Kommunikation und gesellschaftliches Engagement<br />
der Microsoft Schweiz GmbH. Ihr persönliches Steckenpferd ist<br />
die neue flexible Arbeitswelt.<br />
www.microsoft.com<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 20
Highlight<br />
Digitales Lernen als Chance<br />
für kleine Unternehmen<br />
von Wolfgang Hanfstein<br />
Eine der grossen Veränderungen bei Unternehmensverantwortlichen<br />
der letzten 20 Jahre war und ist es, dass «Change»<br />
nicht mehr nur ein Prozess ist oder ein einmaliges Event, sondern<br />
ein Dauerzustand. Methoden, Prozesse und Produkte<br />
stehen heute permanent auf dem Prüfstand. Wer heute ein erfolgreiches<br />
Modell hat, kann sich nicht ausruhen – die Konkurrenz<br />
könnte mit einem besseren oder sogar einem disruptiven<br />
Modell um die Ecke kommen. Die Anforderungen zum permanenten<br />
Change kommen im Wesentlichen aus drei Richtungen:<br />
> Technologie: Die Digitalisierung hat nach und nach alle<br />
Bereiche des Lebens und Arbeitens erfasst. Viele Branchen<br />
mussten sich neu erfinden oder sie verschwanden<br />
ganz – weil der Markt völlig neue Lösungen hervorgebracht<br />
hat. Selbst der Baubranche weht der digitale<br />
Wind ins Gesicht: Der 3-D-Drucker bringt in China ganze<br />
Stadteile hervor.<br />
> Menschen: Es ist bereits viel über die Generationen Y und<br />
Z geschrieben worden. Sicher ist, dass Arbeitgeber sich<br />
auf einen neuen Umgang mit den Mitarbeitern einstellen<br />
müssen. Nur wer es schafft, als Arbeitgeber attraktiv zu<br />
bleiben, wird dem Arbeitskräftemangel trotzen.<br />
> Globalisierung: Telekommunikation und Logistik haben<br />
den Planeten schrumpfen lassen. Der weltweite Wettbewerb<br />
um die besten und günstigsten Ressourcen verlangt<br />
auch vom Mittelstand viel Flexibilität und Schnelligkeit.<br />
Um in diesen drei Bereichen die Nase vorne zu haben, braucht<br />
es vor allem eins: kluge Köpfe. Denn auch wenn wir vielleicht<br />
bald selbst fahrende Autos haben werden – bis die Maschinen<br />
uns das Denken abnehmen, geht (hoffentlich) noch sehr viel<br />
Zeit ins Land. Ob das wünschenswert ist, ist eine Debatte<br />
wert. Was wir den noch so hochgerüsteten Maschinen voraushaben,<br />
ist der Gedankenblitz, das Aha-Erlebnis in einem<br />
Meeting, die Idee auf einem Spaziergang, das Ergebnis eines<br />
kreativen Teams oder auch der gewinnbringende Austausch<br />
am Kaffeeautomaten. Genauso wie ein Patent oder ein herausragendes<br />
Produkt gehört zu den Erfolgsfaktoren heute eine<br />
Unternehmenskultur, die den Wissenserwerb und das Teilen<br />
von Wissen fördert.<br />
Und genau hier können mittelständische Unternehmen von<br />
der Digitalisierung profitieren. Denn auch das Wissen wird<br />
und wurde digitalisiert – mit Kostenvorteilen einerseits und<br />
Effizienzvorteilen andererseits. Bislang waren ausgefeilte Personalentwicklungsprogramme<br />
hauptsächlich Sache der grossen<br />
Unternehmen – und für KMU zeitlich und finanziell kaum<br />
zu stemmen. Heute aber haben selbst kleine Unternehmen die<br />
Möglichkeit, dank der vielen verschiedenen E-Learning-Inhalte<br />
und -Tools ihren Mitarbeitern hochwertige digitale Weiterbildung<br />
anzubieten. Auch die digitalen Systeme zur Verwaltung<br />
und Ausspielung von Trainings und zur Unterstützung des Austauschs<br />
untereinander, die Learning Management Systems<br />
(LMS), sind heute für alle Betriebsgrössen verfügbar.<br />
Um die Herausforderungen der Zukunft zu bestehen, braucht<br />
es Mitarbeiter, die nicht nur Mitarbeiter sind, sondern auch Mitdenker.<br />
Dazu brauchen sie Zugriff auf Wissen, am besten rund<br />
um die Uhr. Und eine Kultur, die dem klugen Satz folgt, wonach<br />
Wissen die einzige Ressource ist, die sich durch Teilen vermehrt.<br />
Wolfgang Hanfstein<br />
ist Leiter Corporate Digital Learning und Mitglied der Geschäftsleitung<br />
des auf Video-Learning spezialisierten Anbieters<br />
Pink University, München D.<br />
www.pinkuniversity.de<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 21
Menschen in Unternehmen<br />
Das Denken auch in den Geschäftswelten in Schwung bringen.<br />
Besser denken – besser handeln<br />
Philosophie für Unternehmen und Führungsverantwortliche<br />
von Dr. Mark Sommerhalder<br />
Ohne wirtschaftliche Vernunft funktioniert kein Geschäft – allein durch sie aber auch nicht. Werte, Sinnorientierung,<br />
Führungs- und Kommunikationskultur sowie andere «weiche» Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Ein<br />
philosophischer Ansatz ist hilfreich bei der Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragen der Unternehmensführung.<br />
Philosophie und Business – passt<br />
das überhaupt zusammen? Oder<br />
handelt es sich um unterschiedliche,<br />
vielleicht sogar unvereinbare Welten?<br />
Auf der einen Seite nutzlose, weltfremd-abgehobene<br />
Grübelei, auf der<br />
anderen Seite wirtschaftliche Realität<br />
und praktische Wertschöpfung –<br />
stimmen diese Vorbehalte und Gegensätze?<br />
Adam Smith, einer der Begründer<br />
der modernen Wirtschaftslehre, sah es<br />
jedenfalls anders. Er wollte die liberale<br />
Marktwirtschaft auf drei Pfeiler gründen:<br />
Klugheit, Gerechtigkeit und Güte – also<br />
nicht auf ökonomische Kategorien. Zahlreiche<br />
Wirtschaftswissenschaftler, aber<br />
auch bedeutende Unternehmerpersönlichkeiten<br />
sind Smith in solchen ethischphilosophischen<br />
Überlegungen gefolgt.<br />
Zu seiner Zeit und bis in die erste Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts war das übergreifende<br />
Denken und Zusammenarbeiten<br />
verschiedener wissenschaftlicher<br />
Disziplinen noch weitgehend üblich.<br />
Im Zuge der Spezialisierung und<br />
Fragmentierung der Wissenschaften<br />
und Wissensgebiete ist von diesen<br />
ursprünglichen Zusammenhängen einiges<br />
verloren gegangen. Es gab und<br />
gibt aber Gegentrends: Interdisziplinäre<br />
Ansätze helfen, über das eigene<br />
Fachgebiet hinauszusehen, sie fördern<br />
das vernetzte Denken und führen<br />
oft zu neuen Sichtweisen und innovativen<br />
Ansätzen. Auch Business und<br />
Philosophie können in diesem Sinn<br />
durchaus voneinander profitieren.<br />
Sokrates auf dem Marktplatz<br />
Der Gegensatz zwischen Unternehmertum<br />
und Philosophie erweist sich<br />
auf den zweiten Blick als nur schein-<br />
Nachfolgeregelung – Werte<br />
Ein Familienunternehmen geht in die<br />
nächste Generation. Wer übernimmt<br />
die Führung? Wie soll die Firma<br />
weitergeführt werden? Neben<br />
betriebswirtschaftlichen Fragen<br />
sorgt auch das Thema «Tradition<br />
und Werte» für Diskussionsstoff:<br />
Um welche Werte geht es überhaupt<br />
und sind sie zukunftsfähig? – Die<br />
Philosophische Praxis unterstützt<br />
den Verwaltungsrat und die<br />
Führungsverantwortlichen bei der<br />
Auseinandersetzung mit solchen<br />
grundsätzlichen Fragen, hilft bei der<br />
klärenden Standortbestimmung und<br />
Neuorientierung. Neben individuellen<br />
Gesprächen und Coachings<br />
finden auch Team-Workshops statt,<br />
die vom externen Berater moderiert<br />
und ausgewertet werden.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 22
arer: Gewiss, für das Klischee der Weltfremdheit<br />
der Philosophie gibt es einige<br />
Beispiele. Philosophie hat sich seit der<br />
Marke und Identität<br />
Ein kleineres, traditionsreiches<br />
Finanzinstitut steckt mitten in einer<br />
Positionierungsdebatte. Von der<br />
Marketing- und Kommunikationsabteilung<br />
werden eine Markenanalyse<br />
und Marktforschungsdaten<br />
präsentiert. Verwaltungsrat und<br />
Geschäftsleitung möchten sicherstellen,<br />
dass es nicht einfach um<br />
oberflächliche «Imagepflege» geht;<br />
die Marken- und Kommunikationsarbeit<br />
soll eine solide Basis bekommen.<br />
Die philosophische Beratung<br />
unterstützt bei dieser Grundlagenarbeit.<br />
Marke und Unternehmensidentität<br />
werden als komplexes<br />
Zusammenspiel von Faktoren in den<br />
Blick genommen, das Verhältnis von<br />
Traditions- und Zukunftswerten wird<br />
genauer analysiert. Bei der Entwicklung<br />
und Prüfung von Szenarien dient<br />
der Berater als Sparringpartner.<br />
Aufklärung immer mehr zu einem<br />
akademischen, für Aussenstehende<br />
weitgehend unverständlichen Spezialgebiet<br />
entwickelt. In ihren antiken<br />
Anfängen hingegen war sie durchaus<br />
praxis- und publikumsorientiert:<br />
Sokrates hat bekanntlich auf dem<br />
Marktplatz diskutiert! Und in der<br />
Philosophie der Lebenskunst ist die<br />
Suche nach dem glücklichen Leben<br />
bis heute ein zentrales Thema. Philosophen<br />
haben auch immer schon beraterische<br />
Funktionen in Politik und<br />
Wirtschaft wahrgenommen – ob als<br />
«graue Eminenzen» hinter den Kulissen,<br />
als Berater in Task-Forces, als<br />
Mitglieder in Think-Tanks und Ethikkommissionen<br />
oder als prominente<br />
Stimmen in den Medien. An diese<br />
praxisorientierten Traditionen knüpft<br />
die philosophische Unternehmensberatung<br />
unter dem Begriff Philosophische<br />
Praxis an.<br />
Ohne Frage, Unternehmer und Manager<br />
werden von betriebswirtschaftlichen<br />
Aufgaben, Zeit- und Veränderungsdruck<br />
mehr als genug<br />
Menschen in Unternehmen<br />
Führung und Kommunikation<br />
im Change-Management<br />
Der Geschäftsführer eines<br />
Industrieunternehmens stellt<br />
Defizite im Führungs- und<br />
Kommunikationsalltag fest.<br />
Missverständnisse und Konflikte<br />
häufen sich und belasten die<br />
Zusammenarbeit. Im Rahmen<br />
eines Strategieworkshops wird<br />
das Thema offen adressiert und<br />
als prioritäres Projekt lanciert.<br />
Der externe Berater nimmt als<br />
Beobachter an Meetings teil und<br />
führt eine Reihe von Einzelgesprächen.<br />
Es kristallisieren sich<br />
unternehmerische und individuelle<br />
Schwächen im Umgang mit<br />
Veränderungen heraus. Spezifische<br />
Zusatzaufgaben von Führung und<br />
Kommunikation im Change<br />
Management werden identifiziert.<br />
Die von einer ausgeprägten<br />
«Ingenieursmentalität» bestimmte<br />
Unternehmenskultur bekommt neue<br />
Impulse – ein Prozess der<br />
Neuorientierung beginnt.<br />
Das Chaos produktiv nutzen.<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 23
Menschen in Unternehmen<br />
Philosophie in der Praxis<br />
Philosophische Praxis, als<br />
professionelles<br />
Beratungsunternehmen, stellt eine<br />
relativ neue Erscheinung dar. In<br />
den 1980er-Jahren entstanden<br />
erste Ansätze in Deutschland.<br />
Mittlerweile haben sich die<br />
Beratungsangebote weltweit<br />
verbreitet. Philosophische Praxis<br />
spielt zum einen auf die Tätigkeit<br />
des Nachdenkens an («Praxis»<br />
meint wörtlich Handeln, Tun), zum<br />
anderen auf den Ort und<br />
professionellen Rahmen dieser<br />
Tätigkeit (vergleichbar einer<br />
Anwalts- oder Arztpraxis).<br />
Philosophie beschäftigt sich mit<br />
grundsätzlichen Fragen: Was kann<br />
ich wissen? Was soll ich tun? Was<br />
darf ich hoffen? Was ist der<br />
Mensch? Etwas lebenspraktischer<br />
formuliert, kann man sich auch an<br />
die drei Schlüsselfragen halten:<br />
Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und<br />
mit wem? Sie beziehen sich auf die<br />
individuelle Lebensführung, lassen<br />
sich aber auch auf die<br />
Unternehmensführung anwenden.<br />
Das Ziel in beiden Fällen: Besser<br />
wissen und verstehen, was man tut.<br />
Wer sich über seine Identität und<br />
Ziele im Klaren ist und sich mit den<br />
passenden Menschen umgibt,<br />
verbessert seine Lebensqualität<br />
und Erfolgschancen.<br />
gefordert. Konzentration auf das Kernbusiness<br />
heisst das zentrale Schlagwort.<br />
Rasche Entscheide und kurzfristige Ergebnisse<br />
stehen im Vordergrund. Langfristig<br />
erfolgreiche Unternehmer bestätigen<br />
allerdings: Nur durch ökonomische<br />
Vernunft funktioniert kein Geschäft. Die<br />
betriebswirtschaftliche Perspektive ist<br />
eindimensional und reicht nicht.<br />
Bei der Unternehmensführung geht es<br />
auch – vielleicht sogar ganz besonders<br />
– um nicht materielle Werte, um<br />
die «Persönlichkeit» und «Kultur» eines<br />
Unternehmens, um Sinnorientierung,<br />
Weiterentwicklung, Kommunikation,<br />
Kreativität, Innovation. Sogenannt «weiche»<br />
Faktoren können sich als knallhart<br />
erweisen und über Erfolg oder Misserfolg<br />
entscheiden. Auf diese erweiterten<br />
Perspektiven fokussiert die Philosophische<br />
Praxis.<br />
Klarheit als Wettbewerbsvorteil<br />
Die vielfältigen Prägefaktoren der<br />
Identität eines Unternehmens werden<br />
zusammenfassend oft als Unternehmensphilosophie<br />
bezeichnet. In<br />
diesem Begriff sind die scheinbaren<br />
Gegensätze von Business und Philosophie<br />
explizit aufgehoben. Allerdings:<br />
Unternehmensphilosophien erweisen<br />
sich bei näherem Hinsehen<br />
oft genug als Lippenbekenntnisse –<br />
schöne «visionäre» Worte mit wenig<br />
Praxisbezug, Leitbilder als Leerformeln.<br />
Kein Wunder: Solide unternehmerische<br />
Grundsätze lassen sich nicht<br />
aus der Schublade ziehen, können<br />
nicht als Pflichtübung wegdelegiert<br />
werden, lassen sich nicht nebenbei<br />
erledigen. Eine authentische Unternehmensphilosophie<br />
bildet das<br />
unternehmensspezifische Fundament,<br />
und dafür ist intensive, präzise<br />
Grundlagenarbeit gefragt. Es<br />
geht um das Finden, Definieren und<br />
Umsetzen solider unternehmerischer<br />
Prinzipien und orientierender Leitlinien.<br />
Der Lohn ist mehr Klarheit.<br />
Und Klarheit schafft Wettbewerbsvorteile,<br />
denn sie führt – nicht immer,<br />
aber oft – zu besseren Entscheiden.<br />
Besser denken, besser handeln<br />
Welche Rolle spielt dabei die Philosophische<br />
Praxis? Auf eine Formel gebracht,<br />
geht es um die konsequente<br />
Verbindung von Theorie und Praxis:<br />
besser denken, besser handeln.<br />
Selbstverständlich wird in Unternehmen<br />
bereits viel und richtig gedacht:<br />
betriebswirtschaftlich, technisch, juristisch<br />
oder logistisch. Aber diese<br />
Denkweisen sind fachspezifisch orientiert<br />
und zielen auf entsprechende<br />
Problemlösungen. Was dabei oft verloren<br />
geht, sind «dazwischen» liegende<br />
Fragen und ein mehrdimensionaler<br />
Ansatz mit übergreifender<br />
Betrachtungsweise. Hier setzt das<br />
philosophische Denken an: Es macht<br />
das Denken und Handeln selbst zum<br />
Thema. Es beschäftigt sich ergebnisoffen<br />
mit auftauchenden Problemen,<br />
sucht nach Verbindungen und<br />
Mechanismen, zeigt «blinde Flecken»<br />
auf. Nachdenken als Vermögen der<br />
Analyse, (Selbst-)Kritik, Argumentation<br />
und Ideenentwicklung ist ihr<br />
Kerngeschäft. Die Philosophische<br />
Praxis will dieses Nachdenken in Bewegung<br />
setzen und dadurch die Möglichkeiten<br />
einer Standortbestimmung und<br />
Neuorientierung verbessern. Angewendet<br />
werden spezifische Methoden des<br />
Fragens und Argumentierens, der Sprachanalyse,<br />
des Identifizierens von Denkund<br />
Handlungsmustern, des Entwickelns<br />
und Prüfens von Optionen und Szenarien<br />
und der konzentrierten Suche nach<br />
Lösungen.<br />
Plädoyer für den Möglichkeitssinn<br />
Zudem birgt die Philosophie einen reichen<br />
Schatz an Denk- und Vorstellungsmöglichkeiten.<br />
Sie eröffnet Perspektiven<br />
für das viel beschworene, aber viel<br />
zu selten praktizierte «thinking outside<br />
the box». Der Möglichkeitssinn bekommt<br />
mehr Raum. In Robert Musils Roman<br />
«Mann ohne Eigenschaften» heisst es<br />
dazu: Jemand mit Möglichkeitssinn orientiert<br />
sich nicht allein daran, was tatsächlich<br />
geschieht, sondern stellt sich<br />
vor, was geschehen könnte, sollte oder<br />
müsste. «Und wenn man ihm von irgendetwas<br />
erklärt, dass es so sei, wie es sei,<br />
dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich<br />
auch anders sein.» Möglichkeitssinn<br />
wird als die Fähigkeit definiert,<br />
«alles, was ebenso gut sein könnte, zu<br />
denken und das, was ist, nicht wichtiger<br />
zu nehmen als das, was nicht ist.» Das<br />
klingt doch eigentlich wie ein Erfolgsrezept<br />
für weitsichtige Unternehmer und<br />
Führungsverantwortliche.<br />
betreibt seit 2014 eine Philosophische<br />
Praxis als Unternehmensberatung und<br />
ist seit 20<strong>03</strong> selbstständiger Unternehmensberater<br />
für Kommunikation mit den<br />
Schwerpunkten Strategie- und Führungsberatung,<br />
Change Management, interne<br />
Kommunikation, Unternehmenspublizistik<br />
und spezifische Methoden des Kommunikationscontrollings.<br />
www.ms-consulting.ch<br />
Dr. Mark Sommerhalder<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 24
Menschen in Unternehmen<br />
Wer setzt sich eher durch?<br />
Achilles oder Odysseus<br />
Moral versus Zielerreichung<br />
von Dr. Georg Kraus<br />
Manager stehen bei ihrer Arbeit immer wieder vor der Frage: Ist es mit meinen Werten vereinbar, dass ich ein bestimmtes<br />
Verhalten zeige, um gewisse Ziele zu erreichen? Das war schon immer so – das zeigen die antiken Beispiele<br />
Achilles und Odysseus. Von welcher klassischen Grösse können wir in der heutigen Businesswelt mehr lernen?<br />
Managementtheorien sind nichts<br />
Neues. Spätestens als 19<strong>03</strong><br />
das erste Hauptwerk «Shop<br />
Management» von Frederick Taylor erschien,<br />
auf dem der Taylorismus basiert,<br />
kommen Jahr für Jahr mehr Bücher auf<br />
den Markt mit Rezepten für ein kluges<br />
Management. Doch die Philosophen und<br />
Denker beschäftigten sich schon viel früher<br />
mit den Prinzipien guter Führung. Die<br />
Begriffe «Manager», «Unternehmensverantwortlicher»<br />
oder «CEO» mögen neu<br />
sein, die mit dieser Rolle verbundenen<br />
Herausforderungen sind es nicht. Die<br />
ersten Management-Handbücher wurden<br />
vor weit mehr als 2 500 Jahren geschrieben.<br />
Damals hiessen die Manager<br />
noch Helden. Und zwei Prototypen dieser<br />
schillernden Figuren begegnen uns<br />
schon in den ältesten Epen der Weltliteratur:<br />
in der Ilias und in der Odyssee, als<br />
deren Verfasser Homer gilt. Liest man<br />
die darin enthaltenen Geschichten und<br />
vergleicht man ihre Hauptfiguren, dann<br />
stellen sich die Fragen: Welche von ihnen<br />
sind die wahren Helden? Und: Wodurch<br />
unterscheiden sie sich?<br />
Achilles – der Aufrichtige<br />
In der Ilias lernen wir Achilles kennen. Er<br />
ist ein nahezu unverwundbarer Krieger,<br />
ein schöner und mutiger Vertreter seiner<br />
Zunft mit einem hohen Ehrenkodex.<br />
Das heisst, sein Handeln orientiert sich<br />
an einem klaren Wertekonstrukt. Entsprechend<br />
eindeutig ist er in seiner Bewertung<br />
«richtig» oder «falsch». Achilles<br />
steht zudem für seine Überzeugungen<br />
ein und wird schnell zornig, wenn seine<br />
Werte infrage gestellt werden. Ausserdem<br />
misst er dem höheren Ziel eine grössere<br />
Bedeutung als dem eigenen Leben<br />
bei. Die Ilias schildert, wie es Achilles im<br />
Krieg um Troja immer wieder gelingt, das<br />
griechische Heer hinter sich zu scharen –<br />
weil er starke Werte verkörpert und bereit<br />
ist, für seine Überzeugung zu kämpfen.<br />
Selbst gegenüber Agamemnon, dem<br />
griechischen König, tritt er für seine Werte<br />
ein. Diese Begebenheit wird als «Zorn des<br />
Achilleus» in der Ilias besungen. Obrigkeitshörig<br />
ist Achilles nicht, sein Kompass<br />
ist seine innere Haltung. Und dafür lieben<br />
ihn seine Männer und folgen ihm.<br />
Odysseus – der Listige<br />
Und Odysseus? Er ist der Listige, bekannt<br />
für seinen scharfen Verstand und<br />
seine klugen Ideen. Ohne ihn hätte es<br />
das Trojanische Pferd nicht gegeben.<br />
Und sogar die Götter spielt er gegeneinander<br />
aus, um seine Ziele zu erreichen.<br />
Für Odysseus gilt: Der Zweck heiligt die<br />
Mittel. Es geht nicht darum, ehrenvoll,<br />
sondern erfolgreich zu sein. Und hierfür<br />
ist es in seiner (Werte-)Welt auch legitim<br />
zu lügen, zu betrügen und zu tricksen.<br />
Interessanterweise hat Odysseus seine<br />
Mannschaft nicht im Griff. Seine Män-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 26
ner stehen zwar zu ihm, doch sie gehorchen<br />
ihm nicht immer. Und auf ihrer<br />
Irrfahrt zurück nach Ithaka sterben sie<br />
alle. Odysseus überlebt als Einziger<br />
diese Reise.<br />
Ein typisches Management-Dilemma<br />
Wer ist der echte, wahre Held? Achilles,<br />
der klare Prinzipien hat und bereit ist,<br />
für sie Opfer zu bringen – und dadurch<br />
eine Mannschaft erzeugt, die hinter<br />
ihm steht? Oder Odysseus, der zweckorientiert<br />
die Moral biegt, seine Ziele<br />
erreicht, jedoch Gefahr läuft, hierüber<br />
seine Mannschaft zu verlieren? Dieses<br />
Dilemma kennen viele Unternehmensverantwortliche.<br />
Dazu passt eine<br />
Geschichte, die mir der Inhaber einer<br />
kleinen Werbeagentur erzählte: Ein Mitarbeiter<br />
seiner Firma kam zu ihm und<br />
sagte: «Chef, wir haben doch einen<br />
Computer bestellt. Die Firma hat zwei<br />
geliefert. Es steht jedoch nur einer auf<br />
der Rechnung. Was soll ich tun? Soll<br />
ich die Firma auf den Fehler hinweisen,<br />
oder soll ich abwarten, ob von denen<br />
noch jemand den Fehler bemerkt?» Ein<br />
Unternehmer, bei dem der Manager-Typ<br />
Odysseus stark ausgeprägt ist, würde<br />
vermutlich dem Mitarbeiter antworten:<br />
«Lass uns den zweiten Computer behalten<br />
und den Vorteil nutzen.» Doch<br />
welche Botschaft würde er damit an den<br />
Mitarbeiter senden? Ganz klar: Sei opportunistisch!<br />
Sei stets auf deinen Vorteil<br />
bedacht – selbst wenn du hiermit<br />
anderen schadest. Wie lange würde es<br />
dann wohl dauern, bis sich auch der Mitarbeiter<br />
– getreu dieser Maxime – auf<br />
Kosten des Unternehmers beziehungsweise<br />
seiner Firma bereichert? Was ist<br />
also besser für Manager, Achilles oder<br />
Odysseus zu sein?<br />
Pferdes – also mit List und Tücke – endlich<br />
den Krieg zu gewinnen. Und Odysseus<br />
schaffte es, indem er seine Identität<br />
verleugnete und sich «Niemand» nannte,<br />
den Zyklop Polyphem zu übertölpeln und<br />
mit den meisten seiner Männer dem<br />
sicheren Tod zu entrinnen. Und mittels<br />
einer List setzte er sogar ein Naturgesetz<br />
beziehungsweise göttliches Gesetz ausser<br />
Kraft – nämlich, dass jeder, der dem<br />
Gesang der Sirenen lauscht, sterben<br />
muss. Odysseus war der erste Mensch,<br />
dem dies nicht widerfuhr. Deshalb nochmals<br />
die Frage: Wer kann Managern eher<br />
als Leitbild dienen: Achilles, der «prinzipientreue<br />
Idealist», oder Odysseus, der<br />
«listige Grenzenüberwinder»? Vermutlich<br />
müssen Manager beide Helden-Typen in<br />
sich vereinen. Sie müssen zudem – situationsabhängig<br />
– für sich, immer wieder<br />
entscheiden, wie viel Raum sie diesen<br />
beiden Manager-Typen bei ihrem Handeln<br />
einräumen, damit sie einerseits die<br />
nötige Wirkung entfalten und andererseits<br />
ihre persönliche Identität und Integrität<br />
bewahren. Ein echtes Dilemma,<br />
das sich vermutlich im Management-<br />
Alltag nie ein für alle Mal lösen lässt –<br />
insbesondere in Zeiten, in denen sich die<br />
Rahmenbedingungen wirtschaftlichen<br />
und unternehmerischen Handelns rasch<br />
ändern und die Zahl der Parameter, die<br />
es bei Entscheidungen zu berücksichtigen<br />
gilt, kontinuierlich steigt. In ihnen<br />
geraten Manager immer wieder in Zielkonflikte.<br />
Und in ihnen braucht auch die<br />
Frage «Was macht eine gute Führung<br />
aus?» immer wieder eine neue Antwort.<br />
Stellen Sie sich dieser Frage, damit Sie<br />
einen Kompass für Ihre alltägliche Führungsarbeit<br />
haben.<br />
Menschen in Unternehmen<br />
Einfach.<br />
Besser.<br />
Organisiert.<br />
Wie das Dilemma lösen?<br />
Jeder Manager steht im übertragenen<br />
Sinn täglich mindestens einmal vor dieser<br />
Frage – im Kontakt mit Kunden, mit<br />
Lieferanten, mit Kollegen und Mitarbeitern.<br />
Und in einer Welt, in der man an<br />
der Zielerreichung gemessen wird, ist<br />
die Versuchung gross, listig zu sein –<br />
also stets zweckorientiert zu handeln, die<br />
Moral, manchmal etwas zu verbiegen,<br />
Unangenehmes zu beschönigen oder<br />
auszublenden. Vielleicht kommt man damit<br />
sogar durch. Doch zu welchem Preis?<br />
Das Problem ist nur: Den Griechen gelang<br />
es, nachdem sie bereits zehn Jahre<br />
erfolglos gegen die Mauern von Troja angerannt<br />
waren, mithilfe des Trojanischen<br />
Dr. Georg Kraus<br />
ist Geschäftsführer der international<br />
agierenden Unternehmensberatung Dr.<br />
Kraus & Partner, Bruchsal (D). Er ist Mit-<br />
Herausgeber des «Handbuch Change-<br />
Management», Cornelsen Verlag.<br />
www.kraus-und-partner.de<br />
Einfach ECM<br />
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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 27
Menschen in Unternehmen<br />
Zwischen Sündenfall und Genussmoment<br />
Die Bedeutung des Apfels<br />
von Josef Christen<br />
Der Apfel hat nicht nur in der Geschichte verschiedene mythische Bedeutungen. Auch in unserem Geschäftsalltag<br />
kann er sehr nützlich sein. Sich gesund zu ernähren heisst, täglich mindestens fünf Portionen Früchte oder Gemüse<br />
zu essen. Was liegt also näher, als dies mit einem knackigen Apfel zu tun?<br />
Der Apfel als Symbolfrucht für Gesundheit und Vitalität.<br />
So ist es gewesen: Tells Geschoss<br />
durchbohrte den Apfel, seit jeher<br />
das Symbol für Macht und Reichtum.<br />
Hätte er stattdessen seinen Sohn<br />
getroffen, wäre sein zweiter Pfeil für<br />
den tyrannischen Landvogt Gessler bestimmt<br />
gewesen. Dramatisches mit einem<br />
Apfel ereignete sich aber bereits<br />
viel früher, als nämlich Eva den Adam<br />
dazu verführte, in die verbotene Frucht<br />
zu beissen. Gott vertrieb daraufhin<br />
Adam und Eva und mit ihnen die ganze<br />
Menschheit aus dem Paradies. Die Bibel<br />
bezeichnet zwar die verbotene Frucht<br />
nicht namentlich als Apfel; diese Deutung<br />
wurde erst später gemacht. Malus,<br />
«das Böse» wird fortan der Apfel auf Lateinisch<br />
genannt. Ein Stück seines folgenschweren<br />
Genusses blieb Adam im<br />
Hals stecken, daher haben die Männer<br />
den Adamsapfel.<br />
Sinnlichkeit, Macht und<br />
weibliche Schönheit<br />
Schon früh verbanden die Menschen mit<br />
den Äpfeln eine Symbolik des Lebens,<br />
der weiblichen Kraft und Fruchtbarkeit.<br />
Liebesgöttinnen wurden mit einem Korb<br />
voller Äpfel dargestellt, die Göttin Nemesis<br />
hielt einen Apfelzweig in der Hand. In<br />
Griechenland galt der Fruchtbarkeitsgott<br />
Dyonysos als Schöpfer des Apfelbaumes.<br />
Im Mittelalter trugen Kaiser den Reichsapfel<br />
als Sinnbild für die Erde und die<br />
Weltherrschaft. Im fernen China steht<br />
der Apfel für Frieden und Eintracht, wird<br />
aber auch mit der weiblichen Schönheit<br />
assoziiert.<br />
Für Physiker und Kinderherzen<br />
Issac Newton, englischer Physiker, Astronom<br />
und Philosoph, soll wegen eines<br />
Apfels auf das Gesetz der Schwerkraft<br />
gestossen sein. Ihm fiel nämlich während<br />
eines Mittagsschlafes unter einem<br />
Apfelbaum eine der Früchte auf den<br />
Kopf.<br />
Auch Kinderherzen fiebern bei Apfelgeschichten<br />
mit, wenn nämlich die böse<br />
Stiefmutter ihrer Stieftochter Schneewittchen<br />
nach dem Leben trachtet und<br />
die rote Seite des Apfels vergiftet. Oder<br />
die faule Pech-Marie den voll behangenen<br />
Apfelbaum der Frau Holle trotz der<br />
Bitte «Rüttle mich, schüttle mich» links<br />
stehen liess. Nicht zuletzt ist auch die<br />
Samichlaus-Geschichte eng mit dem<br />
Apfel verbunden. Der Legende nach zog<br />
der heilige Nikolaus zur Weihnachtszeit<br />
dick vermummt durch Myra und legte<br />
vergoldete Äpfel und Nüsse vor die Hütten<br />
der Bedürftigen.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 28
100 Prozent Schweiz<br />
Suisse Garantie steht für die<br />
Herkunft Schweiz. Das gilt für die<br />
landwirtschaftliche Produktion und<br />
die gesamte nachfolgende<br />
Verarbeitung. 100 Prozent Schweiz<br />
ist mit «Suisse Garantie» somit<br />
garantiert. «Suisse Garantie» steht<br />
auch für den umweltgerechten<br />
Anbau ohne Gentechnik. Achten<br />
Sie beim Kauf auf das «Suisse<br />
Garantie»-Label. Es lohnt sich für<br />
Sie und der Umwelt zuliebe.<br />
Mythen und Geschichten ranken sich<br />
also um den Apfel. Und heute ist der<br />
Apfel einfach die beliebteste Frucht der<br />
Schweizer. Und das ist kein Märchen.<br />
Die folgenden zehn Punkte belegen dies.<br />
Hätten Sie gewusst, dass …<br />
1. ein roher Apfel auf nüchternen<br />
Magen, gründlich gekaut, gegen<br />
Verstopfung hilft, der gleiche Apfel<br />
aber fein gerieben gegen Durchfall<br />
wirkt?<br />
2. Apfelschalentee gegen Nervosität<br />
und geistige Erschöpfung hilft und<br />
Tee aus Apfelbaumblättern den<br />
Stoffwechsel fördert?<br />
3. die Wirkstoffe des Apfels den Stoffwechsel<br />
anregen und blutreinigend<br />
wirken?<br />
4. gebratene Äpfel mit Honig gegen<br />
Heiserkeit helfen?<br />
5. der Apfel als einzige inländische<br />
Frucht das ganze Jahr über erhältlich<br />
ist? Ab Mitte Juli sind die ersten<br />
Frühsorten auf dem Markt. Einzelne<br />
Sorten sind dank moderner Lagertechnik<br />
von September bis Anfang<br />
Juli lagerbar. Für jeden Geschmack<br />
ist ein Apfel verfügbar. Dutzende<br />
Sorten verleihen jedem Apfel einen<br />
typischen Charakter, von süsslich<br />
bis säuerlichem Geschmack und in<br />
grüner, gelber oder roter Schale.<br />
6. der Apfel viele Mineralstoffe,<br />
Vitamine und gesundheitsfördernde<br />
sekundäre Pflanzenstoffe enthält?<br />
Zwei Äpfel täglich decken die Hälfte<br />
des Vitamin-C-Bedarfs und stärken<br />
damit entscheidend die Abwehrkraft.<br />
Kalium und B-Vitamine sind<br />
gut für die Nerven und Muskeln.<br />
Natrium ist an der Bildung von Verdauungssäften<br />
beteiligt. Pektin<br />
(ein Stoff aus der Schale) bindet<br />
Giftstoffe im Darm und regt die<br />
Darmtätigkeit an.<br />
7. der Apfel wenige Kalorien enthält?<br />
Gerade mal 55 kcal pro 100 Gramm.<br />
Er ist somit ein ideales Schlankmacherobst<br />
und ein erfrischender<br />
Pausensnack.<br />
8. der Apfel ideal als Pausensnack und<br />
Zwischenmahlzeit ist? Er ist von<br />
Natur aus umweltfreundlich verpackt:<br />
Die Schale lässt sich mitessen<br />
und liefert gesundheitsfördernde<br />
sekundäre Pflanzenstoffe.<br />
Er übersteht vollgepackte Schulsäcke<br />
und Hosen- oder Jackentaschen<br />
unbeschadet. Er enthält<br />
viel Frucht- und Traubenzucker, der<br />
die Müdigkeit vertreibt und rasch<br />
verfügbare Energie spendet?<br />
9. Äpfel in der Küche vielseitig verwendbar<br />
sind? Geraffelt im Müesli,<br />
geschnitten in bunten Salatvariationen,<br />
gekocht oder gebacken in<br />
gluschtigen, süssen bis pikanten<br />
Vorspeisen, Hauptgängen oder<br />
in Desserts.<br />
10. sich der Apfel zu Apfelsaft verarbeiten<br />
lässt und ein guter Durstlöscher<br />
ist? Apfelsaft und Apfelschorle<br />
sind natürliche und<br />
erfrischende Trendgetränke.<br />
Ausführliche Hausapotheke<br />
«An apple a day keeps the doctor<br />
away.» Dieser Spruch taucht erstmals<br />
vor 150 Jahren in einer walisischen Zeitschrift<br />
auf. Der Apfel gilt aber seit jeher<br />
als Symbolfrucht für Gesundheit und Vitalität.<br />
Wissenschaftliche Studien und<br />
Untersuchungen untermauern diese Tatsache.<br />
Nahrungsfasern, Vitamine und<br />
Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe<br />
beeinflussen die Gesundheit positiv.<br />
Äpfel enthalten wenig «normalen»<br />
Zucker, dafür viel Fructose. Dies drosselt<br />
den Anstieg des Blutzuckerspiegels. Das<br />
reichlich vorhandene Kalium senkt den<br />
Blutdruck und ist für Nerven und Muskeln<br />
wichtig. Zusammen mit dem Calcium<br />
und Magnesium wirkt Kalium der<br />
Übersäuerung des Magens entgegen.<br />
Die Immunabwehr wird insbesondere<br />
durch den Vitamin-C-Gehalt gestärkt.<br />
Ballaststoffe wie Rohfaser, Zellulose<br />
oder Pektine binden Schadstoffe, sind<br />
für die Verdauung und Darmgesundheit<br />
wichtig und senken den Cholesterinspiegel.<br />
Eine grosse Wirkung wird den<br />
sekundären Pflanzenstoffen zugesprochen,<br />
die gegen Herz-Kreislauf- und andere<br />
Erkrankungen wirken können.<br />
Menschen in Unternehmen<br />
Ein Stück Schweiz<br />
Der Apfel ist die beliebteste einheimische<br />
Frucht von Herr und Frau Schweizer.<br />
Rund 17 Kilogramm werden pro<br />
Person und Jahr gegessen. Die Hauptsorten<br />
sind Gala, Golden Delicious, Braeburn<br />
und Jonagold. Dank ausgeklügelter<br />
Lagertechnik sind Schweizer Äpfel<br />
das ganze Jahr über erhältlich. Schweizer<br />
Früchte werden von unseren Obstbauern<br />
nach strengen Umweltauflagen<br />
produziert. Suisse Garantie steht für<br />
nachhaltigen, ökologischen Anbau ohne<br />
Gentechnik. Achten Sie beim Kauf auf<br />
das Suisse-Garantie-Label. Suisse Garantie<br />
heisst die Herkunftsbezeichnung<br />
der Schweizer Landwirtschaft.<br />
Josef Christen<br />
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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 29
Menschen in Unternehmen<br />
Marek Dutkiewicz im Kreis seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
Aussergewöhnlicher Weg<br />
Eine Businesskarriere in der Schweiz<br />
Interview mit Marek Gerard Dutkiewicz von Georg Lutz<br />
Karrieren verlaufen selten gleichförmig. Manchmal sind sie auch gar nicht angelegt. Dann zum Beispiel, wenn<br />
man aus einem fremden Land kommt und sich zunächst orientieren und durchbeissen muss. Der Weg von Marek<br />
Dutkiewicz begann in Polen, Anfang der Achtzigerjahre strandete er in Zürich, heute ist er Geschäftsführer der<br />
HR Campus AG. Auch heute kommen Menschen aus fremden Kulturen mit vielen Fähigkeiten in die Schweiz. Diese<br />
Potenziale sollten wir nutzen. Die politische Debatte läuft aber daran oft völlig vorbei.<br />
Wie sind Sie in die Schweiz gekommen,<br />
sind Sie Secondo, oder haben<br />
Sie beide Welten aus Polen und der<br />
Schweiz in Ihrem Rucksack?<br />
Ich bin kein Secondo, sondern bin in Polen<br />
geboren. Ich komme aus der polnischen<br />
Tatra, eine wunderschöne Bergwelt<br />
mit vielen Kühen und Schafen.<br />
Da machen Sie ja der Schweizer Tourismuswerbung<br />
Konkurrenz.<br />
Auf den ersten Blick ja. Auf den zweiten<br />
Blick war das aber eine Kindheit in sehr<br />
ärmlichen, ländlichen Verhältnissen.<br />
Es gab beispielsweise kein fliessendes<br />
Wasser und keinen Strom. Meine Jugend<br />
habe ich dann in Krakau verbracht,<br />
wo ich auch studiert habe. Während<br />
meines Studiums durfte ich ein Praktikum<br />
in der Schweiz absolvieren. Dann<br />
hat mich 1981 das Kriegsrecht in Polen<br />
in Zürich überrascht, und so bin ich in<br />
der Schweiz gestrandet.<br />
In der Schweiz gibt es auch Berge, aber<br />
sonst war vieles anders.<br />
Ja, die vollen Regale bei Migros, Coop<br />
und Globus waren schon ein Kulturschock.<br />
In den Lebensmittelläden in<br />
Polen gab es zu dieser Zeit nur wenige<br />
Produkte. Der zweite Schock betraf<br />
die Limmat. Ich stand auf einer Brücke<br />
und habe Fische im Fluss gesehen.<br />
Wenn Sie damals in Polen die Hand<br />
in die Weichsel gestreckt haben, haben<br />
Sie die Finger nicht mehr gesehen.<br />
So schmutzig war das Wasser. Unser<br />
Wasser aus dem Trinkhahn färbte die<br />
Badewanne gelb. Die Frage stellte<br />
sich fast schon automatisch: Warum<br />
leben die Menschen in diesem Land<br />
so und in dem anderen Land völlig anders?<br />
Wo lagen die zentralen Herausforderungen<br />
am Beginn Ihres Lebens in der<br />
Schweiz?<br />
Ich musste lernen, in der Schweiz zu<br />
leben. Ich habe als Student gearbeitet<br />
und habe etwas über 1 400 CHF im Monat<br />
zur Verfügung gehabt. Die Schweiz<br />
war schon damals ein teures Land. Im<br />
Dolder Quartier, wo ich damals wohnte,<br />
gab es viele Porsches und Ferraris. Ich<br />
habe nicht verstanden wie man sich mit<br />
so einem Geld einen Porsche leisten<br />
kann.<br />
Vielleicht hatten sie die Fahrzeuge nur<br />
geleast?<br />
Das kannte ich alles nicht. Ich kam ja<br />
aus einer anderen Welt und musste hier<br />
alles neu lernen. Von Anfang an war ich<br />
in sehr vielen Jobs unterwegs. Salatputzen<br />
bei Coop, am frühen Morgen<br />
Zeitungen verteilen oder an der Tankstelle<br />
Scheiben putzen, da war einiges<br />
dabei.<br />
Es gab ja keinen reichen Onkel?<br />
Nein, definitiv nicht. Dazu kam, dass<br />
dann in Polen unter dem Kriegsrecht<br />
die Grenzen geschlossen wurden. Zehn<br />
lange Jahre konnte ich und viele andere<br />
nicht zurück nach Polen und sei es nur<br />
zu Besuch.<br />
Welchen offiziellen Status hatten Sie<br />
hier?<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 30
Ich war Praktikant. Dann, als wir, die<br />
aus Polen stammten, nicht zurückgehen<br />
konnten, bekamen wir fast automatisch<br />
politisches Asyl.<br />
Ja, ich habe damals in der untersten<br />
Ebene bei der IT als Operator angefangen.<br />
Das bedeutete damals zum Beispiel,<br />
Bänder zu wechseln.<br />
Das ist auch eine untergegangene Welt.<br />
Menschen in Unternehmen<br />
Ja, damals war SAP auch noch eine<br />
sehr junge Firma und musste sich<br />
gegenüber Big Blue Mother IBM emanzipieren.<br />
Asyl ist ja heute in Europa ein ganz<br />
heisses Thema. Aber da haben Sie vermutlich<br />
von der Situation im Kalten<br />
Krieg profitiert. Wie sind Sie dann auf<br />
den Karriereweg gekommen, auf dem<br />
Sie heute angelangt sind?<br />
Wie gesagt, ich habe viele Jobs gehabt.<br />
Bei meinem Job an der Tankstelle hat ein<br />
Bankdirektor immer wieder getankt, und<br />
wir haben uns kennengelernt. Der hat<br />
dann irgendwann gesagt. «Marek, mach<br />
doch mal was Richtiges. Schalte Dein<br />
Hirn ein!» Er hat mich motiviert, in die<br />
Bürowelt zu wechseln. Dann bin ich bei<br />
MAAG Zahnräder in einem Schulungsprogramm<br />
für Informatiker in Zürich gelandet.<br />
Damals in den Achtzigerjahren<br />
hatten sie 3 000 Mitarbeiter. Heute gibt<br />
es sie aber nicht mehr.<br />
Das ist für Schweizer Verhältnisse ein<br />
Grossbetrieb und verdeutlicht gleichzeitig<br />
den Strukturwandel.<br />
Ja, der grosse Raum, in dem ich damals<br />
mit den Hochleistungsrechnern<br />
gearbeitet habe, hat vermutlich weniger<br />
Arbeitsspeicher zur Verfügung gehabt<br />
wie ein heutiges Smartphone. So<br />
bin ich dann auch zum ersten Mal mit<br />
SAP in Berührung gekommen. Das Unternehmen,<br />
in dem ich damals gearbeitet<br />
habe, war eines der ersten Unternehmen<br />
der Schweiz, die auf eine<br />
SAP-Lösung gesetzt haben.<br />
Das ist jetzt ein wichtiger Ankerpunkt,<br />
der in die Gegenwart verweist, da HR<br />
Campus ja heute ein «Gold Partner»<br />
von SAP ist. Was hat Sie damals an<br />
SAP positiv überrascht?<br />
Das Programmieren und das Stricken<br />
von Programmen ist üblicherweise eine<br />
sehr trockene Angelegenheit. Wenn<br />
man bei SAP die Help-Taste gedrückt<br />
hat, bekam man einen Witz serviert. Das<br />
hat mich dann doch positiv überrascht.<br />
Ich habe gedacht, diese Firma, die mit<br />
Witzen arbeitet, das muss ein geniales<br />
Unternehmen sein.<br />
Marek Gerard Dutkiewicz nimmt den SAP MEE Excellence Cloud Award <strong>2015</strong> entgegen.<br />
Ja, da war Spirit drin. Und ich wollte in<br />
dieser spannenden Welt arbeiten. Das<br />
war der Beginn eines langen Weges,<br />
zusammen mit SAP.<br />
Wie sahen die weiteren Stationen<br />
aus?<br />
Ich bin in meinem Berufsleben zweimal<br />
mitverkauft worden. Beim letzten Mal,<br />
es ging um die Fusion von Siemens Nixdorf,<br />
habe ich mir geschworen, dass<br />
ich mich niemals mehr verkaufen lasse.<br />
Das war der Grund, eine eigene Firma<br />
zu gründen?<br />
Ja, nachdem Nixdorf von Siemens geschluckt<br />
wurde, haben zwei Mitstreiter<br />
und ich eine eigene Firma gegründet.<br />
Wann war das?<br />
Das war 1998.<br />
Und Sie waren da Investor?<br />
Nein. Mein erstes eigenes Haus habe<br />
ich mit einem Darlehen des ersten Kollegen<br />
finanziert. Meinen Anteil am Unternehmen<br />
habe ich mit dem Geld des<br />
zweiten Kollegen finanziert.<br />
Sie haben immer noch kein Geld gehabt,<br />
aber zu diesem Zeitpunkt dann<br />
einen guten Freundeskreis mit spannenden<br />
Geschäftskollegen. Selbstständigkeit<br />
ist aber in den ersten Jahren<br />
ein hartes Brot?<br />
Ja, die Nächte in den ersten Jahren waren<br />
sehr kurz, und viele Kollegen haben<br />
gesagt, das packt ihr nicht. Denn man<br />
sollte gleich eine gesamte ERP Lösung<br />
anbieten. Financial, Controlling, Logistik<br />
… Alles sollte mit an Bord sein.<br />
Trotzdem hatten Sie ja eine spezifische<br />
Idee?<br />
Wir hatten die HR-Welt schon damals<br />
im Fokus. Da gab es aber fast überall<br />
nur abwinkende Kommentare: «Davon<br />
könnt ihr nicht leben.»<br />
Warum? <br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 31
Menschen in Unternehmen<br />
Da damals in den Neunzigerjahren das<br />
HR-Spektrum sehr klein war. Es ging<br />
höchstens um Payroll-Lösungen. Es gab<br />
noch nicht die grossen Herausforderungen<br />
wie beispielsweise das Dokumentenmanagement<br />
oder Talentmanagement.<br />
Das war alles noch nicht in Sichtweite.<br />
Meine zwei Mitstreiter und ich haben<br />
trotzdem die Gelegenheit ergriffen.<br />
Was war dabei wichtig?<br />
Wir haben sehr unterschiedliche Kompetenzen<br />
einbringen können. Es gab<br />
den HR-Experten, den Technologen<br />
und den Kommunikator. Ich war der<br />
Schnurri, wie man in der Schweiz sagt.<br />
Wie sind Sie auf den Namen HR Campus<br />
gekommen, war das eine Reminiszenz<br />
an alte Studententage?<br />
Mein Partner Hendrik hat die Idee mit<br />
dem Wort Campus als ein Ort der Studentenbegegnung<br />
gehabt, von mir kam<br />
HR dazu. In der folgenden Nacht bin ich<br />
aufgewacht und sah den Namen vor mir:<br />
HR Campus.<br />
Nachts hat man oft gute Ideen …<br />
So begann unsere Reise. Wir haben<br />
dann schnell gemerkt, dass selbst<br />
grosse Player wie IBM oder Siemens auf<br />
uns zugekommen sind und nach HR-<br />
Lösungen gefragt haben.<br />
Es gab da eine Lücke, die Sie besetzen<br />
konnten?<br />
Ja, es war so, als hätte der Markt auf uns<br />
gewartet.<br />
Aber dann in den ersten Jahren des<br />
neuen Jahrhunderts gab es ja noch<br />
viele unterschiedliche Insellösungen.<br />
Beispielsweise haben viele HR-Abteilungen<br />
mit SAP gearbeitet. Das hatte<br />
aber mit den Microsoft-Welten im übrigen<br />
Unternehmen herzlich wenig zu<br />
tun.<br />
Das ist exakt richtig. Da gab es gewaltige<br />
Entwicklungen in der HR-Branche.<br />
In den letzten 15 Jahren haben wir im<br />
Vergleich zu anderen Sektoren viel aufgeholt<br />
und sind oft in der Pole-Position.<br />
Heute haben wir in der Schweiz<br />
viele Firmen, die sehr moderne Human-<br />
Capital-Management-Lösungen haben,<br />
Die polnische Kulturstadt Krakau an der Weichsel war der Ausgangspunkt.<br />
die wiederum auch in die anderen Teile<br />
des Unternehmens ausstrahlen. Man<br />
spricht inzwischen nicht mehr von Payroll,<br />
das ist eine Selbstverständlichkeit.<br />
Wichtig sind emotionale Themen, die<br />
gleichzeitig technologisch wasserdicht<br />
sind und einfach funktionieren.<br />
Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?<br />
Ja, gerne. Bewerber bewirbt sich elektronisch,<br />
sein Dossier landet nach der<br />
Einstellung automatisch im e-Dossier<br />
Tool. Seine Akte wächst nur elektronisch<br />
weiter, zum Beispiel Verträge oder<br />
Zeugnisse. Dokumente, die in Onboarding<br />
erstellt werden, werden automatisch<br />
bei Mitarbeitern abgelegt. Zugriff<br />
auf das E-Dossier haben sowohl Mitarbeiter<br />
wie Vorgesetzte.<br />
Es gibt heute ja auch neue Herausforderungen<br />
wie Cloud-Themen oder<br />
Sicherheitslösungen.<br />
Das ist richtig. Jeder überlegt sich<br />
heute, wo seine Daten sind und wie<br />
sicher sie vor Zugriffen sind. Das hat<br />
aber weniger mit einem Rechenzentrum<br />
zu tun, sondern mit Situationen in<br />
der Wolke, wo sich die Daten treffen.<br />
Sicherheit betrifft zudem in erster Linie<br />
den Menschen. Es geht hier kaum um<br />
die Sicherheit im Rechenzentrum, viel<br />
mehr um die Sicherheit in der Wolke.<br />
Man muss die Gesamtprozesse angucken,<br />
wo der Mensch immer noch die<br />
zentrale Rolle spielt.<br />
Unter anderem darum verkaufen Sie<br />
aber nicht Produkte, die man über den<br />
Tresen reicht, sondern Produkte, die<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 32
Menschen in Unternehmen<br />
Herausforderungen. SAP bedient hier<br />
nicht Schweizer Anforderungen.<br />
Wohin geht die Reise in der Zukunft?<br />
Die junge Businessgeneration verändert<br />
uns alte Hasen. Da müssen wir uns anpassen.<br />
Alles wird einfacher und schneller.<br />
Wir sollen für wirklich wichtige Dinge<br />
mehr Zeit bekommen. Wir nutzen das<br />
aber oft nicht, sondern drehen uns weiter<br />
im Hamsterrad. Eigentlich haben wir<br />
die Werkzeuge …<br />
Modernste Technologien sind nicht nur in der Software von HR Campus im Einsatz.<br />
Kommen wir am Schluss des Interviews<br />
nochmals an den Anfang zurück.<br />
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn<br />
Sie Ihre Lebenslinien nachzeichnen,<br />
die ja vom Flüchtling zum Geschäftsführer<br />
mit Reputation reichen?<br />
Lösungen von Herausforderungen abdecken.<br />
Unsere Kunden reagieren beim Wort Verkäufer<br />
sehr allergisch. Sie wollen kein<br />
Produkt kaufen. Bei der vierten Vorstellung<br />
eines Produktes, die ja sehr ähnlich<br />
sind, werden sie müde.<br />
Und denken: «Die sind doch so oder<br />
so nur provisionsgesteuert.»<br />
Wenn wir zum Kunden gehen, fangen<br />
wir zunächst an, mit ihm zu träumen …<br />
Wie bitte?<br />
Wir schauen dem Kunden genau in die<br />
Augen und hören zunächst zu. Welche<br />
Sorgen hat der Kunde, in welcher Situation<br />
befindet er sich? Will er expandieren,<br />
muss er Mitarbeiter entlassen,<br />
hat der wegen der Fast-Parität Franken/<br />
Euro grosse Probleme? Dann sprechen<br />
wir über die aktuellen Projekte und zukünftige<br />
Strategien. Wir sprechen überhaupt<br />
nicht über Software. Wir sprechen<br />
über Herausforderungen und dann Lösungen.<br />
Wir malen mit ihm ein Big Picture.<br />
Das stellt er dann seinem Management<br />
oder Vorgesetzten vor. Das Team,<br />
welches bei uns zu dem Kunden geht,<br />
heisst Campus Dialog. Den Begriff füllen<br />
wir mit Leben, und wir haben damit<br />
gute Erfahrungen gemacht. Die Kunden<br />
merken, sie werden ernst genommen.<br />
Das ist keine Floskel, sondern spiegelt<br />
die Umbrüche in ganzen Branchen wider.<br />
Die Leute wollen keine Produkte,<br />
sondern transparente Gesamtlösungen.<br />
Und Ihr Team muss vermitteln können?<br />
Richtig. Ein HR-Leiter hat meistens keinen<br />
Bezug zu der IT-Welt. Da müssen<br />
wir Übersetzungsarbeit leisten.<br />
Da müssen viele Kompetenzen an<br />
Bord sein.<br />
Wir decken inzwischen alle Themen der<br />
HR-Welten ab, die inzwischen meist<br />
über die Cloud laufen. Das betrifft Saläre,<br />
Administration, Pensionskasse,<br />
Dokumentenmanagement, Arbeitszeugnisse,<br />
Personaleinsatzplanung, Personalkostenplanung,<br />
Zeitwirtschaft, Spesen<br />
… Uns begleiten inzwischen um die<br />
25 Themen. Das Portfolio ist sehr gross<br />
geworden.<br />
Wie finden da KMU eine Lösung, die<br />
sie finanziell stemmen können?<br />
Eine Firma mit 50 Angestellten braucht<br />
oft ähnliche Lösungen wie eine Migros<br />
mit Tausenden von Mitarbeitern. Das<br />
sieht ganz ähnlich aus. Gerade kleine<br />
Unternehmen können mit Cloud-Lösungen<br />
hier massiv Kosten sparen, da sie<br />
oft nicht kaufen, sondern mieten und<br />
die Investitionen sehr viel kleiner sind.<br />
SAP ist Ihre Grundlage, und was kommt<br />
dann?<br />
Wir haben SAP-Lösungen und ergänzen<br />
sie aber. Ich gebe Ihnen ein Beispiel.<br />
Arbeitszeugnisse in der Schweiz und<br />
China sind zwei völlig unterschiedliche<br />
An dieser Stelle möchte ich mich bedanken.<br />
Es haben mir sehr viele Menschen<br />
in der Schweiz geholfen, hier erfolgreich<br />
zu sein. Auch meine Frau ist<br />
mir immer zur Seite gestanden. Am Anfang<br />
ist es schwierig, und man braucht<br />
ein langsam wachsendes Netzwerk.<br />
Schweizer sind so, wie man sich Bauern<br />
vorstellt. Sie sind lange zurückhaltend.<br />
Aber wenn sie dich dann in ihr<br />
Herz geschlossen haben, lassen sie<br />
dich kaum mehr los. Das konnte ich<br />
persönlich spüren. Heute gibt es viel<br />
mehr Flüchtlinge als zu meiner Zeit. Hier<br />
sind Politiker gefordert, keine Scheinlösungen,<br />
sondern echte Lösung en<br />
zu bieten. Man muss sich, wenn man<br />
von aussen kommt, allerdings auch anpassen.<br />
Man muss zu der Musik tanzen,<br />
die hier gespielt wird, und dann macht<br />
es auch Spass.<br />
ist Geschäftsführer der HR Campus AG.<br />
www.hr-campus.ch<br />
Marek Gerard<br />
Dutkiewicz<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 33
Menschen in Unternehmen<br />
Schönheit als Stigma<br />
Gendergap zwischen Managerinnen und Managern<br />
von Bernhard Bauhofer<br />
Nach dem Philosophen Michel Foucault ist in der Moderne der menschliche Körper «vergesellschaftet» worden.<br />
Seither tobt ein Kampf zwischen Fremd- und Selbstbestimmung – auch in der Businesswelt. Heute sind wir in das<br />
Stadium der Selbstoptimierung eingetreten, mit dem die Schönheitsideale noch befeuert werden. Medien liefern<br />
dazu oft die Zündfunken. Frauen, das zeigen die Beispiele des folgenden Beitrags, haben dabei völlig andere<br />
Zuschreibungen zu ertragen wie Männer.<br />
Wir Menschen lieben Superlative<br />
und Ranglisten: «Die besten Arbeitgeber»,<br />
«Die glücklichsten<br />
Völker» – und neuerdings auch «Die 10<br />
schönsten Managerinnen der Schweiz»,<br />
publiziert auf blick.ch.<br />
Rebecca Guntern Flückiger ist Geschäftsführerin von Sandoz Schweiz, Belgien und<br />
Österreich und muss trotz hoher Wangenknochen durch Leistung bestehen.<br />
Ein vergleichbares Ranking bei Männern<br />
sucht man da vergeblich. Kaum jemand<br />
käme wohl auf die Idee, die Qualitäten<br />
des UBS-Chefs Sergio Ermotti<br />
auf sein Äusseres zu reduzieren. Doch<br />
lassen sich die Medien im Kampf um<br />
Aufmerksamkeit erschreckend weit herunter.<br />
Selbst die «Bilanz», das führende<br />
Business-Magazin der Schweiz, ist sich<br />
für eine Bildmontage nicht zu schade, die<br />
den Business-Beau auf der Titelseite mit<br />
zwei ihm auf die Wangen küssenden Damen<br />
darstellt. «Sergio im Glück. Endlich:<br />
Wir dürfen die UBS wieder lieb haben.»<br />
Vergessen sind die Zeiten des UBS-Bashing,<br />
die harsche Kritik und die Verteufelung<br />
des CEO Marcel Ospel nach den<br />
Milliarden-Abschreibern im Zuge des<br />
Subprime-Debakels. Diese wiederentdeckte<br />
Seichtheit und der Personenkult<br />
wecken böse Erinnerungen an die ersten<br />
Jahre des neuen Jahrtausends, in denen<br />
Firmenchefs zu Stars überhöht wurden<br />
und der ganze Hype in einem Serienplatzen<br />
von Blasen endete.<br />
Als betroffene Person oder Unternehmen<br />
kann man sich zudem kaum geschmeichelt<br />
fühlen, in diesen peinlichen Beauty-<br />
Contests mit von der Partie zu sein. Die<br />
Wirkung nach innen und aussen kann<br />
fatal sein, wenn die Botschaft als «Image<br />
ist alles» interpretiert wird. Mehr noch –<br />
wer einen schönen Menschen zum obersten<br />
Mitarbeitenden des Unternehmens<br />
wählt, sollte sich der Konsequenzen bewusst<br />
sein. Müssen sich da nicht alle Mitarbeitenden<br />
wie Mauerblümchen fühlen<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 34
Menschen in Unternehmen<br />
Würde sich der frühere CEO von Oracle Larry Ellison einem Schönheitswettbewerb stellen?<br />
und sich eingestehen: «Jetzt verdient der<br />
Chef nicht nur ein Vielfaches von mir, sondern<br />
sieht auch um Welten besser aus<br />
als ich!»<br />
Pseudo-Wissenschaftlichkeit<br />
kaschiert Sexismus<br />
Damit das einen einigermassen seriösen<br />
Touch bekommt, bemühen Medien vermeintliche<br />
Experten, wie einen Schönheitschirurgen<br />
im Fall des Blicks. Platz 1<br />
belegt Rebecca Guntern Flückiger, Geschäftsführerin<br />
von Sandoz Schweiz.<br />
Die Schönheitsmerkmale der Walliserin<br />
nach Dr. Dunst: «Schmales Gesicht, weiter<br />
Augenabstand, volle Lippen, dunkle<br />
und schmale Augenbrauen sowie hohe<br />
Wangenknochen». Andere Chefinnen<br />
punkten beispielsweise mit glänzendem<br />
Haar, langen Wimpern oder dem Fehlen<br />
von Augenringen. Statt sich zu freuen<br />
ist Empörung angesagt. Wer beispielsweise<br />
den eindrücklichen Lebenslauf der<br />
Top-Managerin kennt, weiss, dass ihr<br />
Aufstieg harter Arbeit zu verdanken ist.<br />
Anderer seits beweist der Fall Marissa<br />
Meyer, CEO von Yahoo, dass Schönheit<br />
keineswegs Erfolg garantiert. Der Dinosaurier<br />
unter den Internet- und Technologiefirmen<br />
konnte selbst von der mit<br />
vielen Vorschusslorbeeren bedachten<br />
Managerin nicht wachgeküsst werden.<br />
Nur Leistung zählt am Ende<br />
Schönheit hin oder her – schlussendlich<br />
zählen auch bei Managerinnen nur die<br />
Leistung und Ausdauer, mit der sie sich<br />
wie Pepsi-Chefin Indra Nooyi in einem<br />
von Männern dominierten Umfeld langfristig<br />
durchsetzen und ihre Reputation<br />
festigen können. Wer über Jahre hinweg<br />
sich durch Leistung behauptet, bei dem<br />
spielt das Äussere eine sekundäre Rolle.<br />
Hingegen kann Kompetenz gepaart mit<br />
Charme helfen, Differenzen zu überbrücken<br />
und Eis in Stakeholder-Beziehungen<br />
zum Schmelzen zu bringen. Das gilt für<br />
Mann wie Frau.<br />
Kleines Fazit<br />
Erfolg mag schön machen, doch umgekehrt<br />
führt Schönheit keineswegs automatisch<br />
zum Erfolg. Frauen, die an<br />
der Spitze eines Unternehmens stehen,<br />
sind keine Püppchen, sondern Hochleistungsträger,<br />
die beweisen, dass sie besser<br />
sind als ihre männlichen Kontrahenten<br />
und somit althergebrachte Klischees<br />
ad absurdum führen.<br />
Bernhard Bauhofer<br />
ist Managementberater, Autor, Referent<br />
und Gründer von Sparring Partners.<br />
www.sparringpartners.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 35
Menschen in Unternehmen<br />
Betriebliches Vorbild<br />
Energiewende gestalten<br />
Der Energieverbrauch kann sich vom Umsatz eines Unternehmens abkoppeln.<br />
von Hans-Ruedi Schweizer<br />
Von der Energiewende ist viel die Rede. Die vielen Akteure aus Politik und Wirtschaft haben dabei unterschiedliche<br />
Vorstellungen im Kopf. Der politische Pulverdampf trübt oft die Sicht. Was es aber auf jeden Fall braucht,<br />
um hier klarer sehen zu können, sind unternehmerische Vorbilder. Im folgenden Beitrag stellen wir die Ernst<br />
Schweizer AG vor.<br />
Die energetische Fitness eines<br />
Betriebes bringt viele Vorteile –<br />
nicht nur ökologische. Die Ernst<br />
Schweizer AG agiert erfolgreich am<br />
Markt und braucht trotz immer weitersteigendem<br />
Umsatz und mehr Arbeitsplätzen<br />
weniger Energie. In vielen Betrieben<br />
gilt die ungeprüfte Faustformel,<br />
dass mit dem Umsatz der Energieverbrauch<br />
und damit die Umweltbelastung<br />
steigen. Begründet wird die Gleichung<br />
einerseits durch grösseres Produktionsvolumen<br />
und andererseits durch die für<br />
die Wettbewerbsfähigkeit notwendige<br />
kontinuierliche Produktivitätssteigerung.<br />
Tatsächlich kann eine höhere Mechanisierung<br />
respektive Automatisierung zu<br />
einem Mehrverbrauch an Energie führen.<br />
Doch die verkürzte Betrachtungsweise<br />
lässt unberücksichtigt, dass Prozesstechnologien<br />
nicht nur ein produktionstechnisches,<br />
sondern auch ein energietechnisches<br />
Potenzial zur Optimierung<br />
und Substitution aufweisen. Der technische<br />
Fortschritt dient auch der Steigerung<br />
der Energieeffizienz und der Gewinnung<br />
von erneuerbaren Energien. Durch<br />
konsequenten Einsatz dieser Technologien<br />
koppelt sich der Energieverbrauch<br />
vom Umsatz eines Unternehmens ab.<br />
Wie gehen wir diese Abkopplung strategisch<br />
an? Es kommt bei uns ein Leitbild<br />
mit einem mehrstufigen Führungssystem<br />
zur Anwendung. Auf der obersten<br />
Ebene, jener des Leitbildes, ist die langfristige<br />
Ausrichtung des Unternehmens<br />
abgebildet. Die in der zweiten Ebene<br />
positionierte mittelfristige Strategie unterliegt<br />
einer Überprüfung im Dreijahresrhythmus.<br />
Die Jahresplanung, in dritter<br />
Ebene vermerkt, nutzt Sustainability<br />
Balanced Scorecard, SBSC, ein mittlerweile<br />
weit verbreitetes Instrument zur<br />
Integration von nicht monetären und<br />
«weichen» Erfolgsfaktoren in ein Führungssystem<br />
– also «balanced». SBSC<br />
eignet sich deshalb besonders für Aspekte<br />
der sozialen und ökologischen<br />
Nachhaltigkeit. Das Managementsystem<br />
in der vierten Ebene steuert die operativen<br />
Tätigkeiten in der Fabrik, im Büro und<br />
auf der Baustelle. Durch alle vier Ebenen<br />
des Führungssystems ziehen sich die<br />
vier Schweizer Erfolgspunkte: Kundenorientierung,<br />
Mitarbeiter/innen und Gesellschaft,<br />
Umweltorientierung und Wirtschaftlichkeit.<br />
Der Chef gibt die Richtung vor, doch die<br />
Schlüsselfunktion in der Entwicklung zu<br />
einem nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen<br />
kommt den Mitarbeitern/-innen<br />
zu. Das Engagement des Personals<br />
setzt Vertrauen in das Aktionariat und<br />
in die Geschäftsleitung – und vor allem<br />
in die langfristige Ausrichtung des Unternehmens<br />
– voraus. Durch kontinuierliche<br />
Information sowie durch Ausund<br />
Weiterbildung lässt sich dieses<br />
fördern. Vertrauensbildend wirkt auch<br />
Transparenz in Finanz- und Führungsfragen.<br />
Als Ergänzung zur Information<br />
setzt die Geschäftsleitung betriebliche<br />
Vorgaben. Die Organisation der Schweizer<br />
AG spiegelt die Produktepalette<br />
wider, wie dies in vielen Unternehmen<br />
üblich ist. Dagegen sind die Massnahmen<br />
zur Minimierung des Energiebedarfs<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 36
fünf Verbraucherkategorien zugeordnet:<br />
Prozesse, Gebäude, Energieversorgung,<br />
Produktentwicklung und Mobilität.<br />
Trotz der weitgehend optimierten Produktionsprozesse<br />
in den vier Werken<br />
der Ernst Schweizer AG lassen sich immer<br />
wieder Einsparpotenziale orten und<br />
ausschöpfen. Bei der Verbesserung und<br />
Erneuerung von Werkstätten und Fertigungslinien<br />
sind bezüglich des Energieverbrauches<br />
drei Bedingungen zu<br />
erfüllen: Die einzelne Komponente ist<br />
möglichst energieeffizient, arbeitet nur<br />
während der Fertigung und des Bedarfs<br />
entsprechend, also geregelt, und die<br />
dazu notwendige Energie stammt aus<br />
erneuerbaren Quellen. Allein schon wegen<br />
ihrer riesigen Volumen sind Fabrikhallen<br />
grosse Wärmeverbraucher. Umso<br />
wichtiger sind eine gute Dämmung der<br />
Hülle, eingeschlossen die grossformatigen<br />
Tore, und eine effiziente Wärmeerzeugung,<br />
wenn möglich mit erneuerbaren<br />
Energieträgern. Über die Jahre<br />
hinweg wurden ältere Gebäude saniert,<br />
neue in Niedrigenergiebauweise erstellt.<br />
Wende<br />
gestalten<br />
Interview mit Hans-Ruedi Schweizer<br />
Welche Rahmenbedingungen sind nötig,<br />
damit die Energiewende gelingt?<br />
Die Energiewende braucht in erster<br />
Linie und vor allem verlässliche Investitionsbedingungen.<br />
Sie braucht Spielregeln,<br />
die Planungssicherheit geben.<br />
Die Politik ist deshalb gefordert. Sie<br />
definiert, was Gültigkeit hat und auf welche<br />
Energieversorgung unser Land in Zukunft<br />
bauen soll. Ist das geklärt, wird die<br />
Wirtschaft den Umbau zügig vorwärtstreiben.<br />
Technologisch sind wir dafür<br />
längst bereit.<br />
Welche Rolle spielt die Energiestrategie<br />
des Bundes für den Werkplatz<br />
Schweiz, das heisst für KMU und für<br />
neue Arbeitsplätze?<br />
Menschen in Unternehmen<br />
Wir erachten den Umbau von nicht erneuerbaren<br />
Energien (fossile und Kernbrennstoffe)<br />
hin zu Cleantech und intelligenten<br />
Lösungen als grosse Chance für<br />
den Schweizer Werkplatz. Forschung und<br />
Wissenschaft sagen, der Weg hin zu erneuerbarer<br />
Energie und Energieeffizienz-<br />
Steigerung sei richtig. Die ETH kommt<br />
zum Schluss, dass ein Energiemix mit<br />
hohem Anteil erneuerbarer Energie anspruchsvoll,<br />
aber machbar sei. Wir haben<br />
eine technologische Herausforderung in<br />
Teilbereichen wie der Energiespeicherung,<br />
wir haben aber auch die besten<br />
Fachhochschulen und Universitäten,<br />
und wir sind vor allem eine der reichsten<br />
Volkswirtschaften der Welt. Die Schweiz<br />
und mit ihr unsere Wirtschaft wird von<br />
diesem Jahrhundertprojekt profitieren.<br />
Davon bin ich als Unternehmer überzeugt.<br />
Für welche Branchen sehen Sie besondere<br />
Chancen durch die Energiewende?<br />
Für alle Branchen, die sich mit energieeffizienten,<br />
erneuerbaren und intelligenten<br />
Energielösungen auseinandersetzen.
Menschen in Unternehmen<br />
Europa Forum Luzern<br />
Energie ist ein Grundpfeiler für<br />
Wohlfahrt und wirtschaftliche<br />
Prosperität. Welcher Mix ist für<br />
eine sichere Energieversorgung<br />
der richtige? Und welches sind die<br />
erfolgreichen Strategien und<br />
Instrumente für eine nachhaltige<br />
Energiepolitik, die den wirtschaftlichen,<br />
ökologischen und gesellschaftlichen<br />
Anliegen dauerhaft<br />
Rechnung tragen? Die Politik,<br />
sowohl auf europäischer Ebene<br />
wie auch in der Schweiz, ist sich<br />
in verschiedenen Fragen uneinig.<br />
Mit der Energiestrategie 2050 des<br />
Bundesrates werden demnächst im<br />
eidgenössischen Parlament wichtige<br />
Weichen-stellungen getroffen.<br />
Deshalb widmet sich das Europa<br />
Forum Luzern am 16. November <strong>2015</strong><br />
der «Jahrhundertherausforderung<br />
Energie».<br />
Die Ernst Schweizer AG als Beispiel für die Schweizer Cleantech-Wirtschaft.<br />
Wir sind daran, die Strom- und Wärmeversorgung<br />
der Schweiz neu zu bauen,<br />
basierend auf einheimischen und in den<br />
meisten Fällen unendlich verfügbaren<br />
Ressourcen. Chancen bietet die Energiewende<br />
deshalb allen Technologieund<br />
Dienstleistungsunternehmen sowie<br />
Tausenden von Gewerbebetrieben in der<br />
ganzen Schweiz. Sei es der Sanitärinstallateur,<br />
der Heizungstechniker, Fensterbauer<br />
oder Solarunternehmer – alle können<br />
mit Produkten und Dienstleistungen<br />
überzeugen und für das eigene Unternehmen<br />
Einkommen und Arbeitsplätze auf<br />
Jahrzehnte hinaus sichern. Diese Nachfrage<br />
steigt ganz generell. Und mit dem<br />
Qualitätsversprechen «Made in Switzerland»<br />
wird die Schweizer Cleantech-Wirtschaft<br />
auch auf dem globalen Markt eine<br />
wichtige Rolle finden.<br />
Wo braucht es noch besondere Anstrengungen?<br />
Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt,<br />
das nicht nur die gesamte Energiebranche<br />
betrifft. Die Politik ist in<br />
hohem Masse gefordert, nicht nur langfristige<br />
Ziele und Leitplanken zu setzen,<br />
sondern auch die Rahmenbedingungen<br />
so zu gestalten, dass die Energiewende<br />
funktionieren kann. Die Unternehmen<br />
sind gefordert, die Chancen der<br />
Energiewende zu erkennen und zu nutzen.<br />
Dafür braucht es die Bereitschaft,<br />
Neues zu wagen. Innovation zeichnet<br />
die Schweizer Wirtschaft aus. Sie war<br />
der Schlüssel zu unserem Erfolg in den<br />
letzten 200 Jahren. Daran sollten wir anschliessen.<br />
Und schlussendlich ist die<br />
gesamte Gesellschaft in ihrem Verhalten<br />
gefordert: Es braucht einen neuen und<br />
effizienten Umgang mit Energie.<br />
Wie lässt sich Wirtschaftlichkeit und<br />
Energieeffizienz vereinbaren? Können<br />
Sie ein Referenzbeispiel erläutern?<br />
Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz<br />
sind keine Gegensätze, ganz im Gegenteil.<br />
Mehr Effizienz führt zwangsläufig<br />
zu einer besseren Wirtschaftlichkeit –<br />
nicht nur betreffend Energie. Die Ernst<br />
Schweizer AG verfolgt seit 1978 eine<br />
konsequent auf Effizienz ausgerichtete<br />
Energiestrategie. Unser Unternehmen<br />
schaffte die Entkoppelung des Energieverbrauchs<br />
vom Unternehmenswachstum<br />
mit verschiedenen Energieeffizienz-<br />
Massnahmen, unter anderem bei der<br />
Infrastruktur, den Anlagen und dem<br />
Verhalten der Benutzerinnen und Benutzer.<br />
2014 brauchten wir weniger Energie<br />
als 1978, obwohl wir Umsatz und<br />
Arbeitsplätze verdoppelt haben.<br />
Welche Statements würden Sie gerne<br />
im Zusammenhang mit der «Jahrhundertherausforderung<br />
Energie» zusätzlich<br />
abgeben?<br />
Die Schweiz tut gut daran, sich aus der<br />
fossilen Abhängigkeit zu befreien. 40 Prozent<br />
des Schweizer Energieverbrauchs<br />
werden heute für Heizung und Warmwasser<br />
benötigt. Der grösste Teil davon wird<br />
mit fossiler Energie bereitgestellt. Die<br />
im Rahmen der neuen Energie- und Klimapolitik<br />
geplanten Investitionen in die<br />
Gebäude-Energieeffizienz werden diese<br />
Abhängigkeit kappen und Schweizer<br />
Arbeitsplätze schaffen. Das ist eine intelligente<br />
Form von Wirtschaftspolitik, die<br />
die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigert,<br />
die negativen Folgen eines starken<br />
Frankens abfedert und die sich jetzt so<br />
kostengünstig wie noch nie realisieren<br />
lässt.<br />
Hans Ruedi Schweizer<br />
ist Präsident des Verwaltungsrats der<br />
Ernst Schweizer AG.<br />
www.europa-forum-luzern.ch<br />
www.schweizer-metallbau.ch<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 38
FÜR SIE LASSEN WIR QUALITÄT REIFEN<br />
Die Privatbank unter<br />
den Universalbanken –<br />
fünf Gründe, weshalb Sie<br />
bei uns goldrichtig sind auf<br />
www.cic.ch/5<br />
Die Bank der Privat- und Geschäftskunden<br />
Basel, Fribourg, Genf,<br />
Lausanne, Lugano,<br />
Neuchâtel, Sion, Zürich<br />
www.cic.ch
Global & Lokal<br />
Welche Bilder machen wir uns von fremden Kulturen?<br />
Angst vor dem Fremden?<br />
Nein, Begeisterung für Neues!<br />
Aussenwirtschaftsstrategie für kleine Unternehmen<br />
von Prof. Dr. Jörg Bruckner<br />
Nicht nur für multinationale Unternehmen, sondern auch für Schweizer KMU werden Beziehungen ins Ausland immer<br />
wichtiger. Selbst wenn KMU keine Expansionspläne hegen, sind Kooperationen und Arbeitskräftebeschaffung<br />
über Grenzen hinweg heute meist unumgänglich. Negativ besetzte Buzzwords wie Outsourcing und Offshoring verdecken<br />
oft die Potenziale der Internationalität. Daher gilt es, die verschiedenen Länder, Kulturen und Regionen im<br />
Sinne eines erfolgreichen «How to do»-Business kennenzulernen, um in der Folge Markteintrittsstrategien sinnvoll<br />
zu wählen und effizient umzusetzen.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 40
Globalisierung, Internationalität,<br />
Sprachenvielfalt, Multioptionsgesellschaft<br />
und zunehmende Administration<br />
sind für viele Dienstleister<br />
die Schlagworte der Stunde. Nicht nur<br />
für grosse Player wie Banken und Versicherer,<br />
sondern auch für kleine und<br />
mittelständische Unternehmen. Eine<br />
Nischenstrategie kann aufgrund von<br />
Kostendruck und zunehmender Liberalisierung<br />
nicht mehr nur in den gewohnten<br />
Systemgrenzen vermarktet werden.<br />
Expansion tut not und fordert kosmopolitische<br />
Fähigkeiten von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern.<br />
Doch wie gelingt Unternehmen die Expansion<br />
ins Ausland, ohne dabei die<br />
eigene Firmenkultur zu gefährden? Gerade<br />
KMU haben oftmals eine über viele<br />
Jahre gewachsene, starke innerbetriebliche<br />
Kultur. Das Abwerben von bereits<br />
ausgebildeten Talenten der Konkurrenz<br />
mag auf den ersten Blick als einfachste<br />
Lösung erscheinen, kann die Firmenkultur<br />
und den Zusammenhalt der Mitarbeitenden<br />
jedoch langfristig gefährden.<br />
In den meisten Fällen ist die Investition<br />
in eine interne Entwicklung zielführender,<br />
wenn auch langwieriger.<br />
Zusammenarbeit mit Partnern<br />
Um das nötige Know-how zur internationalen<br />
Tätigkeit zu erlangen, empfiehlt<br />
sich die Zusammenarbeit mit erfahrenen<br />
Partnern. Mittlerweile bieten verschiedene<br />
Institute diverse Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
an. Vom Bachelor<br />
bis zum Executive Master steht dabei<br />
die Zusammenarbeit mit internationalen<br />
Partnern im Fokus. Praxis- oder Theorieteile<br />
im Ausland bilden meist einen obligatorischen<br />
Bestandteil. Geleitet werden<br />
die Studiengänge idealerweise von<br />
Dozierenden, die ebenfalls über einen<br />
starken Praxisbezug verfügen und der<br />
Anwendbarkeit und schnellen Umsetzbarkeit<br />
des Erlernten viel Gewicht beimessen.<br />
Denn KMU, die in die Aus- und<br />
Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren,<br />
profitieren vor allem dann, wenn<br />
die Mitarbeitenden das neu gewonnene<br />
Know-how bereits während ihrer Ausbildung<br />
im Betrieb anwenden können.<br />
Fallstudien nutzen<br />
Um dies zu erreichen, eignen sich vor<br />
allem Fallstudien, sprich Living Cases,<br />
aus der Praxis und für die Praxis. Studierende,<br />
welche berufsbegleitend<br />
studieren, erhalten Einblicke in andere<br />
Unternehmen, Branchen und Kulturen.<br />
Dies verschafft ihnen praktisches Wissen<br />
und eine Reflexionskompetenz, die<br />
sie später auf das eigene Arbeitsumfeld<br />
erfolgreich anwenden können. Auf<br />
der anderen Seite erhalten Unternehmen<br />
unvoreingenommene, neue Ansätze und<br />
Einflüsse von aussen – eine Win-win-<br />
Situation. Waren es lange Zeit grosse<br />
Firmen, die solche Fallstudien anboten,<br />
zeigen mehr und mehr auch KMU Interesse<br />
am Austausch.<br />
Hürden überwinden<br />
Bei einer Expansion über Landesgrenzen<br />
gibt es zwei weitere Hürden: Sprache<br />
und Kultur. Neben Sprachkursen,<br />
um die Verhandlungssicherheit zu erreichen<br />
oder vereinzelte Neueinstellungen<br />
mit benötigten Sprachfähigkeiten, sind<br />
auch Schulungen für kulturelle Besonderheiten<br />
und deren Auswirkungen auf<br />
das Geschäftsleben unabdingbar. Bildlich<br />
gesprochen genügt es nicht, einen<br />
Mitarbeitenden einzustellen, der Russisch<br />
oder Chinesisch spricht, wenn das<br />
gesamte Management keine Ahnung von<br />
den Gepflogenheiten und Sitten der Länder<br />
hat. Fehlende Kenntnisse über Geschäftsgebaren<br />
anderer Kulturen haben<br />
schon manch ein Projekt scheitern lassen.<br />
Da nicht jede KMU über die Möglichkeit<br />
verfügt, eine Filiale im Land des<br />
aktuellen Projekts zu eröffnen und dies<br />
vielleicht auch falsche Zeichen an die<br />
Belegschaft senden würde, bietet sich<br />
auch hier die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen<br />
und deren Praxispartnern<br />
an. Im Feld der Internationalität<br />
hat sich vieles getan; mittlerweile<br />
gibt es nicht nur Vertiefungsrichtungen<br />
im Bereich der Internationalität in englischer<br />
Sprache, sondern teilweise sogar<br />
länderspezifische Bildungs- und Weiterbildungsangebote.<br />
Zahlreiche erfahrene<br />
Profis verschiedener Kontinente und<br />
Kulturen geben als Partner und Dozierende<br />
ihr wertvolles Wissen weiter.<br />
Zu guter Letzt sollten Unternehmen,<br />
die erfolgreich expandieren möchten,<br />
bereits früh bei der Ideologie und Einstellung<br />
ihrer Nachwuchstalente ansetzen,<br />
um die eigene Firmenkultur nachhaltig<br />
interessiert, neugierig und offen<br />
zu gestalten. Anstatt beim Nachwuchs<br />
das Fokussieren auf eine Branche zu<br />
fördern, sollten Unternehmen ihre Talente<br />
viel mehr dazu bewegen, bereits<br />
während ihrer Ausbildung möglichst<br />
breit und in verschiedenen Branchen<br />
Global & Lokal<br />
und Kulturen Erfahrungen zu sammeln.<br />
Denn teils typologische, lange gehegte<br />
Annahmen über andere Branchen und<br />
Kulturen führen zu Misstrauen oder gar<br />
Ablehnung und erschweren die Zusammenarbeit<br />
und dadurch Expansionsbestrebungen.<br />
Als positives Beispiel seien<br />
hier die neuen Discounter-Supermärkte<br />
genannt, welche durch ihre generischen<br />
Ausbildungen auch für finanzinteressierte<br />
Studierende spannende Entwicklungsmöglichkeiten<br />
offerieren.<br />
Auch hier können die Bildungsinstitutionen<br />
einen Mehrwert liefern, indem hier<br />
bereits während der Ausbildung Einblicke<br />
erlaubt werden, welche von aussen<br />
nicht möglich wären:<br />
Persönlichkeit/<br />
Privatkultur<br />
Abteilungskultur<br />
Unternehmenskultur<br />
Branchenkultur<br />
Landeskultur<br />
Kultur-Pyramide im Geschäftsalltag integrieren.<br />
Diese Kultur-Pyramide kann und muss<br />
in einer heutigen Ausbildungslandschaft<br />
berücksichtigt und integriert werden<br />
– sei es on-the-job im Betrieb oder<br />
off-the-job an einer Bildungsinstitution.<br />
Wichtig ist bei beiden Optionen, den<br />
Praxisbezug durch Praktiker und Fallstudien,<br />
Simulationen, reale Beratungsaufträge<br />
und Besuche in Betrieben im<br />
In- und Ausland erlebbar zu machen,<br />
um die Anwendbarkeit sicherzustellen<br />
und andererseits um etwaige Ängste<br />
in Faszination und Begeisterung umzuwandeln.<br />
Abschottung als falscher Weg<br />
Die Expansion ins Ausland ist für viele<br />
KMU auch ein politisches Thema. Nachrichten<br />
über das Geschehen im Ausland,<br />
Flüchtlingswellen oder Wahlkampfparolen<br />
können Ängste schüren. Allerdings<br />
gilt es hier, sorgfältig zu analysieren und<br />
zu entscheiden. Eine wirtschaftliche Abschottung<br />
als auch ein Abgrenzen im<br />
Bildungsbereich wären für die Schweizer<br />
Wirtschaft kontraproduktiv. Hingegen<br />
die Innovationspotenziale durch die<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 41
Global & Lokal<br />
Ängste und Gefahren abbauen und gleichzeitig Chancen nutzen.<br />
Öffnung und Kooperation mit anderen<br />
Kulturen und Nationen erlauben die Konzentration<br />
auf die eigenen Kernkompetenzen<br />
und den Zukauf auf dem Weltmarkt<br />
des Restes. Also ein globales Make<br />
or Buy.<br />
Neben der Entwicklung sind auch die<br />
Vermarktung und der Vertrieb von Nischenprodukten,<br />
wie die Schweiz sie<br />
im Hochqualitätssektor oft anbietet,<br />
erst auf einer globalen Ebene lukrativ.<br />
So können Werbespots aufgrund der<br />
Economies of scale durch höhere Absätze<br />
durch grössere Märkte in anderen<br />
Ländern und Kontinenten teurer produziert<br />
werden und führen hoffentlich zu<br />
mehr Absatz.<br />
Halten wir fest: Wenn wir die verschiedenen<br />
Kulturebenen verstehen, dann eröffnen<br />
sich statt Gefahren und Angst<br />
viele Chancen, welche es gilt, nutzbar<br />
zu machen und zu vermitteln. Neben Unternehmen<br />
sind dabei die verschiedenen<br />
Bildungsinstitutionen gefordert und<br />
bieten schon jetzt die zukunftsweisenden<br />
Bildungsangebote mit einem klaren<br />
Fokus auf Anwendung. Dies findet sich<br />
insbesondere dort, wo berufsbegleitend<br />
gelehrt und gelernt wird und Praktiker<br />
im Einsatz stehen.<br />
ist Mitglied der Schulleitung und Leiter<br />
des Bereichs Ausbildung an der HWZ<br />
Hochschule für Wirtschaft Zürich. Bevor<br />
er sich vor fünf Jahren gänzlich dem<br />
Bildungsbereich verschrieb, war er im<br />
Kader einer Schweizer Grossbank als<br />
Senior-Projektmanager und interner<br />
Strategieberater tätig. Seine Schwerpunkte<br />
liegen neben dem Ausbildungsbereich<br />
in den Disziplinen Strategie,<br />
Marketing und Banking.<br />
www.fh-hwz.ch<br />
Prof. Dr. Jörg Bruckner<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 42
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Global & Lokal<br />
Zahlungsrisiken vermeiden<br />
Liquidität für Exportgeschäfte<br />
von SERV Schweizerische Exportrisikoversicherung<br />
Die Situation für die Exporteure in der Schweiz bleibt schwierig. Die Kunden haben an Kaufkraft verloren,<br />
und die ausländische Konkurrenz produziert günstiger. Einfach nur gute Ware herzustellen, genügt nicht mehr.<br />
Sichere Finanzierungen und genügend Liquidität führt zu Vorteilen in den Vertragsverhandlungen und damit zu<br />
einem Wettbewerbsvorteil. Dass hierbei eine Exportrisikoversicherung helfen kann, ist kaum bekannt.<br />
Wenn die herkömmlichen Beschaffungswege<br />
für Finanzierungen<br />
versiegen und die Sicherstellung<br />
von genügend Liquidität<br />
immer schwieriger wird, kann sich eine<br />
Anfrage bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung<br />
SERV lohnen. Die<br />
SERV versichert Exportgeschäfte von<br />
Schweizer Unternehmen gegen Zahlungsausfall<br />
in Folge wirtschaftlicher oder<br />
politischer Risiken. Bei den versicherbaren<br />
Geschäften handelt es sich nicht nur<br />
um den Export von Konsum- und Investitionsgütern,<br />
sondern auch um Dienstleistungen<br />
für ausländische Kunden.<br />
Praxisbeispiel Contexa<br />
Die Firma Contexa beschäftigt in Genf<br />
knapp 30 Mitarbeitende. Über 100 ihrer<br />
Anlagen mit Dosierungssystemen für die<br />
Herstellung von Duft- und Aromastoffen<br />
sind weltweit in Betrieb. Ein deutscher<br />
Hersteller ist auf das Produktionssystem<br />
«Colibri» der Contexa aufmerksam<br />
geworden.<br />
Knacknuss Bankgarantie<br />
So schnell sich Exporteur und Käufer auf<br />
technischer Seite einig waren – die Vertragsverhandlung<br />
und die Finanzierung<br />
waren deutlich schwieriger. Die Finanzverantwortlichen<br />
des deutschen Kunden<br />
waren vorsichtig, denn mit dem Erwerb<br />
der neuen Anlage würde die Firma<br />
ihren gesamten Produktionsprozess revolutionieren.<br />
Ausserdem war Contexa<br />
als Geschäftspartner noch unbekannt.<br />
Sämtliche Anzahlungen mussten mit<br />
Rückzahlungsgarantien gedeckt werden.<br />
Ein kleines Unternehmen wie Contexa<br />
erhält solche Garantien von den Banken<br />
nur gegen Stellung einer Bargarantie,<br />
was die flüssigen Mittel für alle übrigen<br />
Geschäfte für die Dauer des Auftrags<br />
bindet. Mit rund zwei Millionen Euro entsprach<br />
der Wert dieses Exportgeschäfts<br />
nach Deutschland gut einem Viertel des<br />
jährlichen Umsatzes von Contexa und<br />
übertraf deren Eigenkapital.<br />
Wahrung der Liquidität<br />
«Die SERV konnte dieses Problem zu<br />
100 Prozent lösen», berichtet der Technische<br />
Direktor von Contexa, Daniel<br />
Schupbach. Mit einer Bondgarantie<br />
deckte die SERV die benötigten Garantien<br />
gegenüber der Bank. So brauchte<br />
Contexa für die Bankgarantien keine<br />
eigenen flüssigen Mittel zu hinterlegen.<br />
Ihre Liquidität blieb unangetastet<br />
und konnte weiterhin für die Produktion<br />
der bestellten Dosierungsanlagen<br />
eingesetzt werden. Eine Vertragsgarantieversicherung<br />
der SERV schützte<br />
Contexa zudem für den Fall, dass der<br />
deutsche Kunde die Anzahlungsgarantien<br />
ungerechtfertigt in Anspruch<br />
nehmen würde. Ohne die SERV hätte<br />
Contexa versuchen müssen, die Höhe<br />
der vom Kunden verlangten Garantiebeträge<br />
herunterzuhandeln. «Das wäre<br />
äusserst schwierig und heikel geworden.<br />
Eine solche Verhandlung hätte die<br />
Vertrauensbasis gleich zu Beginn der<br />
Partnerschaft stark beeinträchtigt. Und<br />
bei neuen Geschäftspartnern ist das gegenseitige<br />
Vertrauen entscheidend», ist<br />
Schupbach überzeugt.<br />
Unterstützung vor allem für KMU<br />
Vor allem für KMU lohnt es sich, bei jedem<br />
Exportgeschäft die Möglichkeit einer<br />
SERV-Deckung zu prüfen. Die SERV kann<br />
dabei helfen, dass die Liquidität nicht eingeschränkt<br />
wird. In vielen Fällen kann es<br />
sogar sein, dass ein KMU nur dank der<br />
Zusammenarbeit mit der SERV einen Auftrag<br />
überhaupt annehmen kann, da es<br />
ihm sonst an den flüssigen Mitteln für die<br />
Produktion fehlen würde.<br />
www.serv-ch.com<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 44
Global & Lokal<br />
Digital ist überall – Industrie 4.0<br />
und der Arbeitsmarkt von morgen<br />
von Frank Zahn<br />
Die Vorstellungen vom perfekten Arbeitsplatz und den eigenen<br />
Karrieremöglichkeiten haben einen radikalen Wertewandel<br />
vollzogen. Der Nachwuchs geht mit vollkommen anderen Erwartungen<br />
und Ansprüchen an die Wahl seines Ausbildungsund<br />
Arbeitsplatzes heran als noch seine Elterngeneration.<br />
Jetzt steht die Wirtschaft vor der Herkulesaufgabe, attraktive<br />
Rahmenbedingungen für die nächste Generation zu schaffen.<br />
Heutzutage definieren Gehaltscheck und die Position im<br />
Unternehmen nicht mehr einen guten Arbeitsplatz oder eine<br />
lohnende Zukunft im Unternehmen. Softe Indikatoren gewinnen<br />
hingegen immer mehr an Bedeutung. Junge Arbeitnehmer<br />
suchen nach einer guten Work-Life-Balance, nach ethischen<br />
Grundsätzen und Sinn in ihren Aufgaben. Nicht zuletzt suchen<br />
junge Talente nach einem innovativen Firmenklima und einem<br />
fortschrittlich orientierten Arbeitsumfeld.<br />
In diesem Zusammenhang gewinnt eine progressive Digitalisierungsstrategie<br />
immer mehr an Bedeutung. Es reicht nicht<br />
mehr, an der industriellen Revolution 4.0 teilzunehmen; es geht<br />
darum, aktiv mitzugestalten. Das Thema HR darf bei Digitalisierung<br />
nicht vergessen werden. Vielmehr ist sie ein wichtiges<br />
Thema auch beim Recruiting. Digital Natives, die quasi mit<br />
dem Smartphone geboren wurden, werden kaum bei einem<br />
Unternehmen anheuern, das den digitalen Wandel ignoriert.<br />
Es gilt, die digitale Transformation zu leben und gestalten.<br />
Mutige Projekte sollten in Angriff genommen werden, um zukunftsweisende<br />
Strategien und Produkte zu finden und am<br />
Markt zu etablieren. Unternehmensverantwortliche sollten<br />
immer nach Talenten suchen, die diesen Weg mitgehen und<br />
gestalten wollen. Das Ziel ist es, die stetige Weiterentwicklung<br />
des Portfolios und der Talente aller Mitarbeiter sicherzustellen.<br />
Digitalisierung ist ein fortschreitender Prozess,<br />
darum schauen wir ständig über den Tellerrand und beobachten,<br />
welche Entwicklungen ausserhalb unserer Agentur<br />
stattfinden. Mentorenship-Programme mit Start-ups sind<br />
zum Beispiel ein guter Einstieg. Dabei geht es um gegenseitiges<br />
Lernen. Dort finden wir in der gemeinsamen Arbeit<br />
originelle und innovative Lösungen für die verschiedensten<br />
Fragestellungen.<br />
Innovation ist für uns nicht nur ein Ziel, es ist eine Haltung. Es<br />
geht um den unbedingten Willen, zusammen mit mutigen und<br />
klugen Entrepreneuren die digitale Landschaft von morgen zu<br />
erkunden und zu erschliessen. Gemeinsam entwerfen wir den<br />
Arbeitsmarkt von morgen. Und für alle Unternehmen wird es<br />
darum gehen, dort zu bestehen. Am Ende wird dies nur durch<br />
eine gelungene Digitalisierungsstrategie möglich sein, sowohl<br />
nach innen als auch nach aussen.<br />
ist CEO und Gründer von Exozet. Die Agentur für Digitale<br />
Transformation arbeitet für Unternehmen aus den Branchen<br />
Medien, Entertainment, Brands, Start-ups, Finance, Telekommunikation<br />
sowie für öffentliche Auftraggeber.<br />
www.exozet.com<br />
Frank Zahn<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 45
Global & Lokal<br />
Mehrwert für KMU – die logistische Komplettlösung YellowCube der Post.<br />
Lieferversprechen einhalten<br />
Kundenbindung beginnt bei der Logistik<br />
von Ueli Lüdi<br />
Das A und O einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit ist eine perfekt funktionierende Logistik. Sie garantiert die<br />
Erfüllung von Lieferversprechen, trägt zum Service-Erlebnis bei und erhöht dadurch die Kundenbindung. Gerade<br />
für KMU ist dieser hohe Anspruch jedoch nicht einfach zu bewerkstelligen.<br />
Kleinen und mittleren Unternehmen<br />
fehlt es oft an Know-how, Personal<br />
und nicht zuletzt an räumlichen<br />
Ressourcen, um ihre Logistik kostenoptimiert,<br />
aber dennoch perfekt organisiert<br />
abzuwickeln. Wachsen bestimmte Geschäftszweige<br />
schnell, zum Beispiel der<br />
Onlinehandel, kommen KMU logistisch<br />
rasch an ihre Grenzen. Denn wer logistische<br />
Leistungen nicht nur für die eigene<br />
Unternehmung, sondern auch für seine<br />
Kunden erbringt, steht vor der Herausforderung,<br />
Lieferversprechen einzuhalten<br />
und seinen Kunden einen guten Service<br />
zu bieten. Wenn dieser Service stimmt, ist<br />
die Logistik ein wirksames Instrument zur<br />
Kundenbindung. Eine perfekte Logistik<br />
ist deshalb eine Voraussetzung für eine<br />
erfolgreiche Geschäftstätigkeit.<br />
Lagerplatz auf Abruf<br />
Viele KMU führen für ihre Waren ein eigenes<br />
Lager. Das ist praktisch, verursacht<br />
aber hohe Fixkosten, vor allem wenn<br />
das Lager nicht ausgelastet ist. Und in<br />
Spitzenzeiten oder wenn ein Unternehmen<br />
wächst, können der Lagerplatz und<br />
das Personal schnell an Grenzen stossen.<br />
Eventuell muss sogar zusätzlicher<br />
Lagerplatz gemietet oder temporäres<br />
Personal eingestellt werden. Dies führt<br />
einerseits zu zusätzlichen Kosten und<br />
kann andererseits zu Lieferverzögerungen<br />
führen. Es lohnt sich deshalb, den<br />
Aufwand und die Kosten eines eigenen<br />
Lagers mit einer Outsourcing-Lösung<br />
zu vergleichen. Externe Lager senken<br />
die Fixkosten, erhöhen die Flexibilität<br />
zu Spitzenzeiten und die Lagerprozesse<br />
sind in den Händen von Profis.<br />
Wer zahlt, erwartet Service<br />
Haben die Waren das Lager einmal in<br />
Richtung Kunde verlassen, wird eine<br />
schnelle Lieferung erwartet. Alleine mit<br />
Geschwindigkeit vermag sich ein Unternehmen,<br />
gerade im Onlinehandel, heute<br />
aber kaum mehr am Markt zu differenzieren.<br />
Besteller wollen ihre Ware immer<br />
häufiger am Ort und zur Zeit ihrer Wahl<br />
erhalten. In der Zwischenzeit möchten<br />
sie wissen, wo sich ihre Bestellung befindet.<br />
Haben Sie die Zustellung verpasst,<br />
möchten sie ohne grossen Aufwand<br />
zu ihrer Sendung kommen und<br />
diese bei Nichtgefallen ebenso einfach<br />
zurückschicken. Das Zauberwort für<br />
Onlinehändler heisst Zusatzleistungen.<br />
Die Post bietet verschiedene Zustellservices<br />
an, mit denen Onlinehändler ihren<br />
Kunden ein Plus an Komfort bieten.<br />
Ein Aufstellservice für technische oder<br />
sperrige Produkte ist zum Beispiel ein<br />
wirksames Marketinginstrument, welches<br />
den Komfort der Kunden und dadurch<br />
die Kundenbindung erhöht.<br />
Full-Service-Lösung für Onlinehändler<br />
Geschwindigkeit, Service beim Erhalt der<br />
Ware und reibungslose logistische Abläufe,<br />
all dies ist für KMU eine Herausforderung.<br />
Die logistische Komplettlösung<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 46
Global & Lokal<br />
YellowCube der Post setzt hier an. Die<br />
Post holt die Ware beim Lieferanten im Inoder<br />
Ausland ab und lagert sie in der hoch<br />
automatisierten Lageranlage von Yellow-<br />
Cube ein. Beim Eingang einer Bestellung<br />
transportieren Roboter die gewünschten<br />
Produkte zu einem Mitarbeitenden. Dieser<br />
stellt das Paket zusammen und verpackt<br />
es versandfertig. Das Retourenmanagement<br />
erfolgt genau gleich, einfach in<br />
entgegengesetzter Richtung. Diese Lösung<br />
ist besonders für KMU interessant,<br />
da sie ihnen logistische Strukturen und<br />
die Geschwindigkeit bietet, über die sonst<br />
nur grosse Anbieter verfügen.<br />
Ueli Lüdi<br />
ist Mitglied der Geschäftsleitung Post-<br />
Logistics, die Schweizerische Post.<br />
Zusatzleistungen bei Online-Bestellungen sauber lösen.<br />
www.post.ch/geschaeftlich<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 47
Marcom<br />
Botschaften prägnant rüberbringen<br />
Rebranding richtig aufgleisen<br />
Interview mit Catherine Martin von Georg Lutz<br />
Marken spiegelten früher die Produktkennzeichen und bauten so eine Differenz zu Wettbewerbern auf. Heute<br />
sind sie Ausdruck von spezifischen Unternehmenswerten und Unternehmensphilosophien. Kunden sollen die dazugehörenden<br />
Botschaften möglichst schnell und einfach erfassen. Worauf kommt es dabei an? Wir haben ein<br />
Interview mit einer Expertin geführt.<br />
Ob auf der Verpackung oder dem Bildschirm: Die optische Botschaft muss für die angestrebte Zielgruppe klar erkennbar sein.<br />
Das optische Auftreten einer Marke<br />
ist ein wichtiger Baustein im Rahmen<br />
der Unternehmensphilosophie, die so<br />
nach aussen kommuniziert wird. Worauf<br />
kommt es dabei an?<br />
Erst der visuelle Auftritt haucht der<br />
Marke Leben ein, gibt ihr eine Identität<br />
und stärkt ihre Persönlichkeit. Es ist eigentlich<br />
wie bei uns Menschen. Unsere<br />
Kleider bringen unsere Persönlichkeit<br />
zum Ausdruck. Ein modern angezogener<br />
Mensch strahlt etwas völlig anderes aus<br />
als eine konservativ gekleidete Person.<br />
So ist es auch bei einem Auftritt einer<br />
Marke: Sie muss die Persönlichkeit der<br />
Marke richtig zum Ausdruck bringen und<br />
Erfolg versprechend positionieren beim<br />
Konsumenten.<br />
Oft wird aber teilweise sehr aufwendig<br />
ein Rebranding inszeniert, welches<br />
mit den früheren Kernbotschaften<br />
wenig zu tun hat. Ein aktuelles Beispiel:<br />
Der Billigdiscounter Lidl stellt<br />
mit einer grossen Kampagne seine<br />
Qualität in den Vordergrund. Was sagt<br />
uns das?<br />
Bei diesem Beispiel erkennt man gut,<br />
dass sich eine Marke nicht verleugnen<br />
kann, wer sie ist. Im Kern ist Lidl ein Billigdiscounter<br />
und kann sich nicht wie ein<br />
edler Comestible verkaufen. Die neue<br />
Imagekampagne widerspiegelt nicht<br />
ihre reale «Persönlichkeit» und kann vom<br />
Konsumenten nicht ernst genommen<br />
werden. Das neue Motto «Gute Qualität<br />
erkennt man an guter Qualität» stimmt<br />
nicht mit der Identität der Marke überein.<br />
Der Konsument wird spätestens im<br />
Laden enttäuscht sein. Die Produkte bei<br />
Lidl werden es sehr schwer haben, das<br />
hohe Markenversprechen zu erfüllen.<br />
Wenn Sie zu einem Kunden kommen,<br />
haben Sie dann einen strategischen<br />
Masterplan in der Tasche, der dann<br />
umgesetzt wird, oder wie nähern Sie<br />
sich dem Auftrag an?<br />
Nein. Jeder Kunde hat eine andere Fragestellung<br />
respektive eine andere Herausforderung,<br />
die komplett neu behandelt<br />
werden muss. Zuerst muss ich viel zuhören<br />
und herausfinden, welche Bedürfnisse<br />
der Kunde mit seiner Marke hat.<br />
Ähnlich wie bei einem Arztbesuch. Zuerst<br />
muss der Patient den Arzt gut und detailliert<br />
informieren, damit dieser ihn gezielt<br />
behandeln kann.<br />
Wie findet man im Rahmen optischer<br />
Dauerberieselung seine Nische?<br />
Wir müssen die Konsumenten mit einer<br />
guten Idee, einem klaren Design überraschen<br />
und sehr gut unterhalten. Und<br />
die Marke begehrlich machen. Langfristig<br />
funktioniert das aber nur, wenn<br />
das Produkt auch zu überzeugen vermag.<br />
Ist es wieder der Rückzug auf die nüchterne<br />
Ästhetik in Verbindung mit der<br />
klaren Nische?<br />
Heute leben wir in einer medialen Überreizung,<br />
da ist es sehr wichtig, klar und<br />
einfach zu kommunizieren. Wobei einfach<br />
nicht mit banal verwechselt werden darf.<br />
Können Sie uns die Meilensteine eines<br />
Projekts verraten, welches Sie betreut<br />
haben?<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 48
Nehmen wir das Rebranding von Otto<br />
Fischer. Die erste Phase des Projekts<br />
nenne ich gerne für mich «Cocooning». In<br />
der Konzeptphase ziehe ich mich gerne<br />
zurück und wüte in meiner Kammer, bis<br />
ich die richtige Idee und Lösung gefunden<br />
habe. Danach folgt die Umsetzungsphase,<br />
in der ich für jede Idee die perfekte<br />
grafische Form suche.<br />
Heute müssen die Unternehmensbotschaften<br />
durch sehr viel mehr Kommunikationskanäle<br />
fliessen. In welcher<br />
Form beeinflusst das Ihre Arbeit?<br />
In keiner. Meine Arbeit ist geprägt von<br />
einer guten Idee und einer klaren Umsetzung.<br />
Das gezielte Implementieren<br />
geschieht als zweiter Schritt. Eine gute<br />
Idee funktioniert für alle Kanäle.<br />
Mit der heutigen Kommunikation im<br />
Zeichen von Social Media hat sich<br />
aber vieles verändert. Wie sieht das<br />
bei Ihnen aus?<br />
Ein klares Branding, CI/CD und Website<br />
sind heute ein «must» für ein Unternehmen.<br />
Und ein virales Konzept möchte<br />
heute jeder Kunde sehen. Was man bei<br />
all diesen heutigen Möglichkeiten nicht<br />
vergessen darf: Wo ist meine Zielgruppe,<br />
und macht das Sinn?<br />
Kleine Unternehmen haben nicht die<br />
Gelder zur Verfügung, um sich eine<br />
grosse Rebranding-Kampagne zu<br />
leisten. Was ist bei kleinen Unternehmen<br />
unwichtig und wichtig?<br />
Das ist bei jedem Unternehmen unterschiedlich<br />
und kommt auf die Branche<br />
des Unternehmens an. Generell kann<br />
man sagen, dass kleinere Unternehmen<br />
vermehrt auf die konsequente Anwendung<br />
der Botschaft achten sollten. Immer<br />
den gleichen Ball zuspielen, damit die<br />
Botschaft draussen beim Konsumenten<br />
wahrgenommen wird. Das ist genauso<br />
zentral wie das Nutzen von Synergien.<br />
Welche Rolle spielen heute noch Firmenlogos?<br />
Ein Firmenlogo widerspiegelt die Persönlichkeit<br />
und die Tätigkeit eines Unternehmens.<br />
Viele Unternehmen machen heute<br />
ein Rebranding ihres Logos und ihres CI/<br />
CD, um zeitgemäss und kompetent weiter<br />
erfolgreich im Markt bestehen zu können.<br />
Kommen wir nochmals auf das Beispiel<br />
von Otto Fischer zurück. Es wurde<br />
einem Fresh up unterzogen, ohne dass<br />
die Wurzeln des Unternehmens verleugnet<br />
wurden.<br />
«Wir müssen die<br />
Konsumenten<br />
mit einer guten<br />
Idee, einem<br />
klaren Design<br />
überraschen<br />
und sehr gut<br />
unterhalten.»<br />
Lassen Sie uns noch auf den grünen<br />
Trend eingehen. Es gibt jetzt sogar<br />
schon grüne Coca-Cola. Wie kann<br />
man sich hier noch als grün verkaufen,<br />
wenn man beispielsweise noch<br />
Naturkosmetika vertreibt?<br />
Der grüne Trend ist ein Versuch, den «kritischen»<br />
Konsumenten ein besseres Gefühl<br />
zu vermitteln. Das grüne Coca-Cola<br />
wirkt gesünder. Die Coca-Cola Range<br />
ist somit vergrössert und auf jeden<br />
Konsumenten-Typ angepasst.<br />
Sie haben für die Naturkosmetik-<br />
Linie Moringa Pure das Branding umgesetzt.<br />
Wie kommt das Naturerlebnis<br />
hier atmosphärisch rüber?<br />
Das Logo hat im «a» ein grünes Blatt.<br />
Ein Moringa-Blatt genauer genommen.<br />
Schon das Logo suggeriert Natur. Dazu<br />
kam der Claim: Back to Balance. Somit<br />
wird der Benefit der Marke und des Produkts<br />
klar und prägnant kommuniziert.<br />
Der Rohstoff für Moringa Pure wird in Teneriffa<br />
ohne Dünger und unter Ausschluss<br />
jeglicher Pflanzenschutzmittel bio-zertifiziert<br />
angebaut. Deshalb zeigt das Packaging<br />
die Insel von Teneriffa. Teneriffa<br />
wird bei verschiedenen Tageszeiten von<br />
frühmorgens bis spätabends gezeigt.<br />
Denn es gibt für alle Tageszeiten ein geeignetes<br />
Moringa-Pure-Produkt. Der Tag<br />
beginnt mit einer Moringa-Pure-Dusche<br />
und der Tag endet mit der Anti-Aging-<br />
Nachtcreme von Moringa Pure. Durch<br />
Marcom<br />
dieses Konzept überzeugte ich auch die<br />
internationale Jury des Lürzers Archiv und<br />
wurde somit zu den «200 Best Packaging<br />
Designers worldwide <strong>2015</strong>/16» erkoren.<br />
Das Marktumfeld ist hier mit den Wettbewerbern<br />
sehr anspruchsvoll. Kann<br />
man da noch Alleinstellungsmerkmale<br />
erzielen?<br />
Je klarer die Identität, desto mehr Chancen<br />
hat man, sich zu differenzieren.<br />
Was haben Sie sich für die nächsten<br />
zwei, drei Jahre vorgenommen?<br />
Weiterhin meine KMU-Kunden mit<br />
guten Ideen und klaren Umsetzungen<br />
zu überraschen, damit sie sich in dem<br />
anspruchsvollen Umfeld gut positionieren<br />
und differenzieren können. Durch<br />
meine schlanke Infrastruktur bezahlen<br />
meine Kunden immer nur jene Leistung,<br />
die sie wirklich brauchen und die für ihr<br />
Unternehmen von Vorteil ist. Wo nötig,<br />
ziehe ich Spezialisten aus meinem Netzwerk<br />
bei. Diese Dienstleistung bekommen<br />
meine Kunden bei keiner Werbeund<br />
Designagentur. Mein erweitertes<br />
Team wähle ich massgeschneidert zum<br />
jeweiligen Projekt.<br />
Beim Logo geht es heute klar und funktional zu.<br />
Catherine Martin<br />
ist verantwortlich für CATHERINE<br />
MARTIN DIRECTION.<br />
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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 49
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<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 50
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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 51<br />
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Marcom<br />
Ein Orchester und ein Verkaufsgespräch klingen bei einer guten Kombination überzeugend.<br />
Musik liegt im Vertrieb<br />
Das stimmige Verkaufskonzert<br />
von Ralf Koschinski<br />
Die Musik im klassischen Sinn ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher Instrumente, verschiedener Menschen,<br />
mannigfacher Fertigkeiten und Fähigkeiten. Sie klingt nur dann wundervoll, wenn Musiker ihr in all ihren Facetten<br />
gerecht werden. Wie im Orchester, gilt es auch im Verkauf, sich richtig auf den Kunden und das Gespräch<br />
einzustimmen. Das gelingt am besten mit einer wirkungsvollen Komposition aus Ratio und Emotionen.<br />
Eine Vorbemerkung ist nötig. «Den<br />
rationalen und bewussten Kunden<br />
gibt es nicht. Viele Kaufsignale eines<br />
Produkts oder einer Dienstleistung<br />
werden vom Gehirn in direktes Kaufverhalten<br />
umgesetzt, ohne dass das<br />
Bewusstsein des Kunden etwas davon<br />
mitbekommt. Produkte oder Dienstleistungen,<br />
die keine Emotionen auslösen,<br />
sind für das Gehirn wertlos», ist sich<br />
Diplom-Psychologe Dr. Hans-Georg<br />
Häusel sicher. Umso wichtiger ist es für<br />
den Verkäufer, die komplexen Zusammenhänge<br />
zwischen Vernunfts- und Gefühlswelt<br />
leichter einzuordnen sowie in<br />
seiner Verkaufstechnik anzuwenden.<br />
Vier von acht –<br />
die Ouvertüre der Extra klasse<br />
Verkäufer haben auf der technischen,<br />
von Zahlen geprägten Seite immer weniger<br />
Spielraum. Viel zu viele Wettbewerber<br />
bieten vergleichbare Produkte<br />
zu vergleichbaren Konditionen an. Umso<br />
wichtiger ist es, dass Verkäufer ihre emotionalen<br />
Werkzeuge schärfen. Wer zukünftig<br />
im Vertrieb Erfolg haben will,<br />
braucht neben einem gut geschnürten<br />
«technischen Paket» vor allem empathisches<br />
Charisma. Dafür ist eine stimmige<br />
Verbindung zwischen Rationalität und<br />
Emotionen gefragt. Der folgende Auszug<br />
in vier Sätzen bietet einen Überblick über<br />
den ratiomotion ® -8E-Verkaufsprozess.<br />
Das Verkaufsgespräch bleibt damit nicht<br />
nur eine Aufführung, sondern avanciert<br />
zu einem Konzert der Extraklasse.<br />
1. Satz: Engagement zeigen<br />
Engagement ist ein Begriff, der gerne verwendet<br />
wird, wenn es um den persönlichen<br />
Einsatz für eine Sache geht. Zugleich<br />
ist er eine wesentliche Grundlage<br />
des kompletten Vertriebs. Ob ehrenamtlich<br />
oder im Beruf – wenn das Feuer in<br />
uns tatsächlich brennt, empfinden wir die<br />
Anstrengung dabei durchaus als leicht. In<br />
der Musik ist Engagement doppeldeutig<br />
zu verstehen: Auf der einen Seite bezeichnet<br />
es die vertragliche Verpflichtung<br />
eines Künstlers, beispielsweise als Mitglied<br />
eines Orchesters, auf der anderen<br />
Seite ist es die persönliche Leidenschaft<br />
des Musikers. Sie lässt ihn Tag für Tag<br />
und oft stundenlang üben. Schliesslich<br />
möchte er sein Leistungsniveau halten<br />
und sich weiterentwickeln. Was würde<br />
wohl passieren, wenn Verkäu-fer mit dem<br />
gleichen Engagement, das sie manchmal<br />
beim Kunden an den Tag legen, an ihren<br />
eigenen verkäuferischen Fähigkeiten<br />
arbeiten? Erst wenn der innere Antrieb<br />
stimmt, können herausragende Ergebnisse<br />
erzielt werden. Das ist in der Musik<br />
und im Verkauf ähnlich. Nur wenn wir motiviert<br />
sind und das lange bevor wir beim<br />
Kunden sitzen oder ein Konzert geben,<br />
werden wir erfolgreich sein. Nur wenn<br />
Verkäufer sich selbst in einen guten Zustand<br />
versetzen können, werden sie auch<br />
ihrem Gesprächspartner ein positives<br />
Gefühl vermitteln. Nur wenn sie willens<br />
sind, sich immer wieder vorzubereiten,<br />
auf den jeweiligen Kunden, die Situation<br />
und die gemeinsamen Ziele, sind sie auch<br />
in der Lage, Abschlüsse zu machen.<br />
2. Satz: Erwartungen erfüllen<br />
Stellen wir uns Zuschauer vor, die im<br />
Konzertsaal sitzen: Der Vorhang wackelt<br />
gerade ein wenig und weckt die Erwartung,<br />
dass er bald auf- und es bald losgeht.<br />
Selbstverständlich wird erwartet,<br />
dass sich dahinter das Orchester be-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 52
Marcom<br />
Schritt für Schritt: Der ratiomotion ® -8E-Verkaufsprozess<br />
Jeder Verkäufer hat die Möglichkeit, sein Gegenüber zu<br />
beeindrucken, für seinen Kunden wichtig und prägend<br />
zu sein. Er kann ermutigen, inspirieren und den<br />
Käufern andere, neue, emotionale Erfahrungen<br />
Entwicklung bereiten. Wenn im Vertrieb tatsächlich Musik<br />
Entschluss liegen soll, ist das verbindende Element<br />
Einwand zwischen Rationalität und Emotionen gefragt.<br />
Erfüllung<br />
Nur wer selbst berührende Emotionen<br />
sendet, erreicht sein Gegenüber. Dann<br />
Engpass<br />
kommt neben der Vernunft und allen<br />
Erwartung<br />
logisch sinnvollen Elementen auch der<br />
Einstieg<br />
wichtige emotionale Part nicht zu kurz,<br />
Engagement<br />
und aus einer Aufführung wird ein<br />
Quelle: Musik liegt im Verkauf, Ralf Koschinski <strong>2015</strong> (Verkaufs-)Konzert der Extraklasse.<br />
findet. Und auch beim Stück selbst, erweckt<br />
die Ouvertüre, in der die Hauptthemen<br />
angespielt werden, die Erwartung<br />
des Zuhörers auf mehr. Nicht viel anders<br />
ist es im Verkauf: Gelingt es einem Verkäufer<br />
nicht, im Kopf des Kunden eine<br />
Erwartung zu erzeugen, die ihn neugierig<br />
macht, wird es im weiteren Verlauf<br />
des Verkaufsgesprächs schwierig. Worauf<br />
soll sich der Kunde denn freuen?<br />
Kunden wollen zumindest die Aussicht<br />
auf eine bestmögliche Lösung, sozusagen<br />
den Fortschritt – ob persönlich oder<br />
beruflich – haben. Eine zentrale Aufgabe<br />
jedes Verkäufers ist es daher, neue Perspektiven<br />
zu eröffnen und die Aussicht zu<br />
erzeugen auf etwas Neues, etwas anderes.<br />
Verkäufer, die diese Erwartung nicht<br />
nur initiieren, sondern inszenieren, heben<br />
die Beziehung zum Kunden auf ein<br />
ganz anderes Niveau. Vom Produktverkauf<br />
über den Lösungsverkauf wird der<br />
Verkäufer der neuen Generation immer<br />
öfter zum «Sales-Client-Coach». Er ist<br />
nicht mehr nur Berater, sondern erkennt<br />
Ursachen sowie Wirkungszusammenhänge<br />
der Kundensituation und kann<br />
darauf aufbauend als Ideenlieferant und<br />
Impulsgeber wirken. Letztendlich erfüllt<br />
er die Hoffnung und Erwartung des Kunden,<br />
dass er der richtige Gesprächs- und<br />
Geschäftspartner ist.<br />
3. Satz: Engpass identifizieren<br />
Schmale Stelle, Durchgang, Durchbruch –<br />
die ursprüngliche Bedeutung des Wortes<br />
Engpass ist uns vertraut. Ebenso kennen<br />
wir den Begriff in seiner übertragenen<br />
Bedeutung als Barriere oder Mangelerscheinung.<br />
Im Verkauf ist ein Engpass etwas,<br />
das Kunden hemmt, es als Mangel<br />
empfinden und dessen Beseitigung sie<br />
erfolgreicher oder glücklicher machen<br />
könnte. Engpässe sind die Quelle der<br />
wirklichen Kundenwünsche. Deshalb<br />
Ins_Rundschau_210x148mm_Layout 1 20.11.12 11:20 Seite 1<br />
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Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 53
Das Buch zum Beitrag<br />
Musik liegt im Vertrieb<br />
Kunden emotional erreichen<br />
von Ralf Koschinski<br />
200 Seiten, Broschur<br />
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Haufe, <strong>2015</strong><br />
Für den Kunden eine Perspektive eröffnen.<br />
ist es Aufgabe des Verkäufers, diesen<br />
Engpass, der das eigentliche (Wunsch-)<br />
Motiv des Kunden ist, mit viel Geschick<br />
und Methodik herauszufinden. Auch Musiker<br />
beschäftigen sich vor einem Konzert<br />
oder Auftritt intensiv mit der Titelauswahl,<br />
dem Repertoire des Abends,<br />
um die Bedürfnisse ihres Publikums zu<br />
befriedigen: «Was wollen die Leute hören?<br />
Wie kann eine möglichst hohe Begeisterung<br />
erreicht werden? Und welche<br />
Töne gilt es zu finden, damit die Musik<br />
richtig anklingt?» Übertragen und essenziell<br />
auf den Verkauf komprimiert,<br />
heisst das: «Was ist beim Kunden nicht<br />
oder nicht ausreichend vorhanden? Wovon<br />
braucht er mehr?» Derjenige, der<br />
Probleme für Kunden am optimalsten<br />
löst, ist letztendlich der Gewinner und<br />
darf auf weitere Aufträge hoffen. Motive<br />
sind also Antriebe, die zur Entscheidung<br />
führen. Einkäufer kaufen nicht nur nach<br />
dem Preis, auch wenn es oft so wirkt.<br />
Sie kaufen bei dem Anbieter, bei dem<br />
sie ihre wirklichen Beweggründe (Prestige,<br />
Macht, Verhand-lungsergebnis,<br />
Anerkennung, Sicherheit, Abwechslung<br />
oder Spontaneität) realisiert sehen. Deshalb<br />
nehmen erfolgreiche Verkäufer die<br />
Suche nach dem Engpass, den Kaufmotiven<br />
ihrer Kunden auf, um die Verkaufsbühne<br />
so richtig zu rocken.<br />
4. Satz: Entwicklung antreiben<br />
Faszinierte Zuhörer eines Konzerts rufen<br />
Zugabe oder geben den Musikern Standing<br />
Ovations. Sie sind rundum begeistert<br />
und drücken dies gerne aus. Auch<br />
Verkäufer sollten täglich nach dem Applaus<br />
ihrer Kunden streben. Deshalb<br />
gehört zur Entwicklung im Verkauf das<br />
Spielen auf der Klaviatur der Kundenbegeisterung.<br />
Entwicklung bedeutet zum<br />
einen die zugesagten Leistungen zuverlässig<br />
abzuliefern, zum anderen, die<br />
Kundenbeziehung weiter auszubauen.<br />
Wird bei Ersterem eher die Ratio bedient,<br />
bezieht sich der zweite Bereich<br />
stärker auf die Emotionen. Es geht also<br />
nicht nur um Kundenzufriedenheit durch<br />
eine reine und inzwischen fast selbstverständliche<br />
Leistungserbringung, sondern<br />
um positive Emotionen wie Neugierde,<br />
Überraschung und Spass. Kunden als<br />
selbstverständlich zu betrachten, ist ein<br />
grosser Fehler so mancher Verkäufer.<br />
Der Wettbewerb schläft nicht und lauert<br />
meist nur darauf, bis der Konkurrent<br />
nachlässig wird. Wer im Hinblick auf die<br />
Kundenbeziehung nachlässt, verpasst<br />
nicht nur wertvolle Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
sondern stagniert meist in allen<br />
Bereichen. Es gilt, auch nach dem<br />
Verkaufsabschluss einzigartig zu bleiben.<br />
«Wie können Kunden auf kreative<br />
Weise an das Unternehmen gebunden<br />
werden?» Die wiederkehrende Beantwortung<br />
dieser Frage stellt eine nachhaltige<br />
Entwicklung sicher. Erfolgreiche<br />
Verkäufer begeistern durch eine zuverlässige<br />
Umsetzung und hören auf Zwischentöne.<br />
Sie gleichen aufgekommene<br />
Dissonanzen zwischen den Erwartungen<br />
des Kunden und der realen Umsetzung<br />
durch ihre Persönlichkeit aus. Auf diese<br />
Weise geben sie ihrem Wettbewerb erst<br />
gar keinen Spielraum für Störsignale.<br />
ist Experte für Vertriebsmeisterschaft<br />
und Führungserfolg im Technischen<br />
Vertrieb. Als Coach, Trainer und Speaker<br />
hilft er, Verkaufserfolge deutlich auszubauen<br />
und Unternehmensziele mit<br />
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Ralf Koschinski<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 54
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Marcom<br />
Wie können solche Schweizer Eindrücke in die Businesswelt übersetzt werden?<br />
Business Excellence<br />
Stärkung der Swissness-Philosophie<br />
von Daniel Buchs<br />
Swissness liegt im Trend. Nur, wie kann man Swissness strategisch in den Unternehmensalltag integrieren? Der<br />
folgende Beitrag zeigt Lösungsschritte auf. KMU, welche den Business-Excellence-Ansatz anwenden, steigern<br />
die Swissness-Philosophie. Das EFQM-Modell unterstützt dabei die ganzheitliche und integrale Unternehmensführung<br />
in Schweizer KMU.<br />
Das ist typisch schweizerisch! Zuverlässig<br />
– genau – pünktlich – fair<br />
und auch präzise. Sind wir dies<br />
nur im privaten Umfeld, wenn es um unser<br />
Erspartes geht, oder handeln wir auch in<br />
unserem beruflichen Alltag nach diesen<br />
Attributen? Business Excellence zeigt uns<br />
den Weg und hilft, dies auch im Unternehmen<br />
anzuwenden. Durch den Einsatz des<br />
EFQM-Modells (European Foundation for<br />
Quality Management) wird eine ganzheitliche<br />
und integrale Unternehmensführung<br />
erzielt, die für mehr Effizienz und Effektivität<br />
des Unternehmens sorgt.<br />
Der Begriff «Swissness»<br />
Das Schweizerkreuz als Corporate Design<br />
ziert heutzutage so manches Produkt<br />
oder Unternehmenslogo. Die Marke<br />
Schweiz, auch «Swissness» genannt,<br />
findet sich in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen<br />
und auch in der Gesellschaft<br />
wieder. Doch für was steht<br />
der Begriff «Swissness»? Neue wie alte<br />
Medien schreiben von Fairness – Präzision<br />
und Genauigkeit –Zuverlässigkeit –<br />
Natürlichkeit – Sauberkeit sowie politischer<br />
Stabilität. Doch sind diese positiven<br />
Attribute leere Hüllen. Sie können<br />
nur nachhaltig wirken, wenn eine intensive<br />
und systemorientierte Pflege und<br />
Bearbeitung seitens Unternehmen, Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern stattfindet.<br />
Business Excellence bietet hierzu<br />
optimale und leistungsfähige Instrumente,<br />
um die Effizienz und die Effektivität<br />
dieser Swissness-Attribute zu halten<br />
oder stetig zu steigern.<br />
Vorsicht, Verwechslungsgefahr!<br />
Zunächst gilt es, eine Verwechslung zu<br />
vermeiden. Die Swissness-Philosophie<br />
ist nicht zu verwechseln mit dem aktuellen<br />
Gesetzgebungsprojekt «Swissness».<br />
Die Swissness-Vorlage soll den Schutz<br />
der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» und<br />
des Schweizerkreuzes im Inland mit Blick<br />
auf die Rechtsdurchsetzung im Ausland<br />
stärken. Schweizer Produkte und Dienstleistungen<br />
geniessen einen hervorragenden<br />
Ruf im In- und Ausland. Schweizer<br />
Herkunftsangaben werden deshalb<br />
gerne und häufig verwendet, leider aber<br />
auch zunehmend von Trittbrettfahrern.<br />
Das Gesetzgebungsprojekt «Swissness»<br />
bezweckt einen besseren Schutz der<br />
Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes<br />
und soll dazu beitragen, deren<br />
Missbrauch zu verhindern und einzudämmen.<br />
Damit der Wert der Marke Schweiz<br />
auch langfristig erhalten bleibt.<br />
Quelle: www.ige.ch/de/herkunftsangaben/<br />
swissness.htm; April 2014<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 56
Marcom<br />
Der Entscheid des Bundesrates über<br />
das Inkrafttreten wird voraussichtlich<br />
vor Ende <strong>2015</strong> stattfinden.<br />
Anspruchsvoller<br />
Unternehmensstandort<br />
In den letzten Jahren ist der Druck<br />
auf die Schweizer Wirtschaft und die<br />
Schweizer Unternehmen stetig angestiegen.<br />
Manch einer musste Kurzarbeit<br />
einführen, wurde durch einen Mitbewerber<br />
überrollt oder musste sich im<br />
schlimmsten Fall vom Unternehmertum<br />
trennen und die Firma schliessen. Nach<br />
der Aufhebung des festen Wechselkurses<br />
geht das produzierende Gewerbe<br />
der Schweiz durch ein Stahlbad. Oft gibt<br />
es aber auch interne Gründe für Misserfolge.<br />
Fehlende Strategien sowie veraltete<br />
Visionen, Missionen und Leitbilder,<br />
falsche Standorte (Produktions-,<br />
Innovations-, Vertriebs-, Finanzstandorte),<br />
Fehlplanungen, mangelnde Risikoanalysen<br />
oder unvollständige Wettbewerbsanalysen.<br />
Handlungsfelder bei<br />
Business Excellence<br />
Basis zur Verbesserung kann das europäische<br />
EFQM-Excellence-Modell<br />
bieten. Dieses international anerkannte<br />
Managementmodell berücksichtigt professionelle<br />
Werkzeuge und Instrumente,<br />
welche nicht nur in Grosskonzernen,<br />
sondern auch bei Schweizer KMU zum<br />
Einsatz kommen und optimal eingesetzt<br />
werden können. Das dem EFQM-Modell<br />
zugehörende Grundkonzept beschreibt<br />
auf einfache Art und Weise die<br />
acht Grundprinzipien, auf welchen eine<br />
nachhaltige Excellence beruht. Diese<br />
acht Grundprinzipien sind unterteilt in<br />
weitere richtungsweisende Grundsätze.<br />
Oft sind dies die Grundsteine, welche<br />
über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens<br />
entscheiden und somit<br />
die Leitlinien in den Führungsetagen<br />
darstellen. Anhand der Grafik «Grundkonzept<br />
EFQM» wird ersichtlich, wie<br />
die Merkmale dieses Konzeptes um<br />
das EFQM-Kriterienmodell kreisen: ein<br />
atomähnliches Gebilde, welches sich bei<br />
korrektem Anstoss und anschliessender<br />
Pflege in Bewegung hält und an Effizienz<br />
und Effektivität zunimmt. Bei der Betrachtung<br />
dieses Modells aus Schweizer<br />
Unternehmersicht stellt man fest, dass<br />
sich die Swissness-Attribute problemlos<br />
mit dem Grundkonzept der Excellence<br />
verbinden lassen. Wird zum Beispiel ein<br />
erfundener Swissness-Kern eingesetzt,<br />
Das Grundkonzept von EFQM. © EFOM 2012<br />
Grundkonzept von EFQM gepaart mit Swissness-Attributen. © D. Buchs 2014<br />
umrunden die bekannten acht Merkmale<br />
die typischen schweizerischen Attribute<br />
und fördern bei korrekter Anwendung die<br />
positive Ausrichtung und Entwicklung<br />
der Organisation. Doch diese Grundgedanken<br />
alleine bedeuten noch kein exzellentes<br />
Vorgehen. Es braucht das Kriterienmodell,<br />
um auch die Ursachen und<br />
Wirkungen aufzuzeigen. Das EFQM-Modell<br />
2013 beinhaltet neun vorgegebene<br />
Kriterien. Diese für jedes Unternehmen<br />
offene Grundstruktur ist aufgeteilt in fünf<br />
sogenannte Befähiger-Kriterien und vier<br />
Ergebnis-Kriterien. Jedes Kriterium ist<br />
definiert und erklärt den jeweiligen übergeordneten<br />
Aspekt. Die Kriterien werden<br />
durch weitere Teilkriterien ergänzt und<br />
enthalten wiederum Aussagen zu den<br />
Aspekten. Um die Teilkriterien zu erläutern,<br />
bietet das EFQM-Modell weitere<br />
Orientierungspunkte. Diese beziehen<br />
sich zum Teil direkt auf das Grundkonzept<br />
– eine Art von Interaktion im Sinne<br />
des wechselseitigen aufeinander Einwirkens<br />
von Systemen. Richtig angewendet<br />
bildet dieses Instrument in sich<br />
selbst einen wiederholenden Kreislauf<br />
unter Berücksichtigung aller Interessengruppen.<br />
Auf der Befähigerseite werden<br />
zum Beispiel Ziele definiert, Prozesse<br />
entwickelt und festgelegt, Zielvereinbarungen<br />
erschaffen, Produkte hergestellt<br />
und Dienstleistungen vollbracht.<br />
Die daraus resultierenden Zahlen, Daten<br />
und Fakten werden auf der Ergebnisseite<br />
in ihrer Wahrnehmung und Leistung<br />
erfasst und in Erfolgsmessgrössen und<br />
Schlüsselleistungsindikatoren (strategische<br />
und operative Kennzahlen) umgelegt.<br />
Durch den Prozess des Lernens, der<br />
Kreativität und der Innovation fliessen<br />
die Schlüsselergebnisse zurück in die<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 57
Marcom<br />
Das EFQM-Kriterienmodell von 2013. © EFOM 2012<br />
Befähigerseite und bilden damit einen integralen<br />
Bestandteil zur Unternehmensführung<br />
und zur strategischen Planung.<br />
Unabhängig davon, welche Überlegungen<br />
angestellt werden, das EFQM-<br />
Modell folgt immer dem Kreislauf der<br />
RADAR-Logik:<br />
R – Results (Ergebnisse)<br />
A – Approach (Vorgehen)<br />
D – Deployment (Umsetzung)<br />
A – Assessment (Bewertung)<br />
R – Refinement (Verbesserung)<br />
EFQM RADAR-Logik © EFOM 2012<br />
Nur wenn wir verstehen, was wir tun und<br />
welche Einflüsse dies auf die Ergebnisse<br />
hat, können wir den Weg der stetigen<br />
Verbesserung aktiv fördern!<br />
Strategisches Management<br />
Angeordnet im Bereich der Strategie befindet<br />
sich die Aufgabe des strategischen<br />
Managements. Als eine Grundvoraussetzung<br />
für ein funktionierendes und<br />
erfolgreiches Unternehmen, welches auf<br />
Nachhaltigkeit setzt, ist dies eine zyklische<br />
Aufgabe, die im stetigen Abgleich<br />
zwischen Vision, Mission und Leitbild<br />
steht. Doch warum den Schwerpunkt im<br />
strategischen Management setzen? Strategie<br />
ist ein Kriterium, welches auf alle<br />
weiteren Kriterien direkten Einfluss hat.<br />
Kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensstrategie,<br />
Preisstrategie, Wettbewerbsstrategie,<br />
Prozess-Strategie etc.:<br />
All diese Strategien verfolgen die Unter-<br />
nehmensziele, zeigen den Orientierungsrahmen<br />
und dienen zur Entscheidungsfindung<br />
während der Planung sowie in<br />
operativen Geschäftsaktivitäten.<br />
SWOT als Matrix<br />
Bereits im ersten Quartal werden Schlüsselergebnisse<br />
benötigt, um die Informationsanalyse<br />
durchführen zu können. Der<br />
Fokus bei dieser Informationsbeschaffung<br />
richtet sich zum einen an die Unternehmensanalyse<br />
und zum andern an die<br />
Umweltanalyse. In der Unternehmensanalyse<br />
können mit einer Ressourcenanalyse<br />
die Kennzahlen für Personal,<br />
Finanzen, Infrastruktur, Organisation und<br />
Know-how aufgearbeitet werden. Auch<br />
die SEP (Strategischen Erfolgspositionen)<br />
müssen zwingend mit in diese Analyse<br />
einbezogen werden. Diese sind je<br />
nach Unternehmen und Organisationsstruktur<br />
sehr unterschiedlich. Faktoren<br />
wie örtliche Gegebenheiten, laufende<br />
Patente, spezielle Fertigungstechnik und<br />
auch die Swissness-Attribute können<br />
hier ausschlaggebend sein. Danach folgt<br />
die Umweltanalyse nach der PESTE-<br />
Methode (Political – Economic – Social<br />
(cultural) – Technology – Environment<br />
(Ecological). Hier werden die wichtigsten<br />
direkten Umwelteinflüsse aufgelistet<br />
und somit sichtbar gemacht, was<br />
wiederum einen Input für eine Risikoanalyse<br />
bietet. Ergänzend sollte noch<br />
eine Stakeholder-Analyse ausgearbeitet<br />
werden sowie die 5-Forces-Analyse<br />
(5 Wettbewerbskräfte) von Porter. Diese<br />
Kräfteanalyse veranschaulicht für jeden<br />
Unternehmer die grössten Bedrohungen<br />
seitens des Wettbewerbs und bietet<br />
die weitere Basis für die strategische<br />
Analyse anhand einer SWOT Matrix.<br />
Die SWOT-Analyse – sozusagen als<br />
Motor zur Strategieentwicklung – führt<br />
genau diese Umweltfaktoren und Unternehmensfaktoren<br />
auf. Auf der vertikalen<br />
Achse dieser Matrix befinden sich getrennt<br />
voneinander die Unternehmensfaktoren<br />
Strengths (Stärken) sowie Weaknesses<br />
(Schwächen) der Organisation.<br />
Die horizontale Achse hingegen legt den<br />
Augenschein auf die analysierten Umweltfaktoren.<br />
Opportunities (Chancen)<br />
und Threats (Gefahren) runden die SWOT<br />
Matrix ab. Erst jetzt ist es dem Unternehmer<br />
möglich, bestehende Gefahren klar<br />
zu erkennen oder auch Chancen aufzuzeigen,<br />
indem zum Beispiel SO (Stärken –<br />
Chancen) miteinander verknüpft werden<br />
oder auch ST (Stärken – Gefahren).<br />
Diese SWOT-Kombinationen ermöglichen,<br />
eine strategische Stossrichtung<br />
zu erkennen und legen den Grundstein<br />
für Wachstumsstrategien und Konkurrenzstrategien.<br />
Wachstumsstrategien<br />
nach Ansoff beschäftigen sich mit der<br />
Marktdurchdringung; Marktentwicklung;<br />
Produktentwicklung und Diversifikation.<br />
Konkurrenzstrategien bewegen sich im<br />
Wettbewerbsfeld branchenweit oder<br />
segmentspezifisch. Zum einen kann die<br />
Kostenführerschaft angestrebt werden<br />
oder die Differenzierung. Um die heutigen<br />
komplexen Wirtschaftsschwankungen<br />
abzufangen, wird oftmals auch eine<br />
sogenannte Dualstrategie aufgesetzt.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 58
Die rollierende Jahresplanung in der Praxis zur<br />
Drehung bringen. © D. Buchs 2014<br />
Viele KMU konnten mit einer guten strategischen<br />
Ausgangslage zum Beispiel<br />
die Euro-Krise ohne grösseren Schaden<br />
abfangen. Auch das rechtzeitige<br />
Erkennen der Marktveränderung oder<br />
der mögliche Zusammenschluss mit<br />
neuen Partnern, welche mit den gleichen<br />
Marktschwierigkeiten konfrontiert<br />
sind, bilden Chancen für nachhaltiges<br />
Unternehmertum. In Bezug auf<br />
Handelsunternehmen ist sicherlich der<br />
Blick auf den bestehenden Vertriebskanal<br />
beziehungsweise Absatzkanal<br />
Definition des Kriteriums<br />
Strategie durch das<br />
EFQM-Modell 2013<br />
«Exzellente Organisationen<br />
verwirklichen ihre Mission und<br />
erreichen ihre Vision, indem sie<br />
eine auf die Interessengruppen<br />
ausgerichtete Strategie entwickeln.<br />
Leitlinien, Pläne, Zielsetzungen und<br />
Prozesse werden entwickelt und<br />
umgesetzt, um diese Strategie zu<br />
realisieren.»<br />
zwingend. Ist der Fokus nicht auf den<br />
Kunden und dessen Nutzen orientiert,<br />
werden hier oftmals Kosten und Margen<br />
künstlich aufgebaut, wodurch sich<br />
das Endprodukt verteuert und somit<br />
wiederum Spielraum für den Wettbewerb<br />
entsteht. Diese über die Jahre gewachsen<br />
«Vertriebsblindheit» erscheint<br />
zwar auf den ersten Eindruck nachhaltig<br />
und Stakeholder orientiert, kann aber in<br />
der mittelfristigen Planung katastrophale<br />
Folgen für ein KMU haben. Nach der<br />
Durchführung des gesamten Strategieprozesses<br />
stehen dem Unternehmer beziehungsweise<br />
der Geschäftsleitung genügend<br />
transparente Informationen zur<br />
Verfügung, um die Strategie detailliert<br />
auszuarbeiten und das Strategiepapier<br />
termingerecht zur Generalversammlung<br />
bereitzustellen. Durch die Freigabe<br />
anlässlich der Generalversammlung beginnt<br />
die Umsetzung, und das Controlling<br />
wird aktiv. Die Planung wird bis ins<br />
Detail ausgearbeitet. Gegen Ende eines<br />
Jahres können fundamentierte Ziele<br />
für das neue Geschäftsjahr vereinbart<br />
werden. Bisherige Ziele fliessen wieder<br />
als Input in die Informationsanalyse<br />
ein, und der Zyklus beginnt von vorne.<br />
Wem es gelingt, zusätzlich seine Swissness-Attribute<br />
analog dem EFQM-Grundkonzept<br />
in der Strategie zu verankern,<br />
stärkt nachhaltig seine eigene Swissness-<br />
Philosophie und verschafft sich klare<br />
Marktvorteile. Der inländische Schweizer<br />
Anbieter wird gegenüber ausländischen<br />
Mitbewerbern gestärkt und trägt somit<br />
klar zur Leistungssteigerung des eigenen<br />
Unternehmens bei. Trotzdem: Um<br />
erfolgreich und nachhaltig zu wirtschaften,<br />
wird es nicht genügen, alle Karten<br />
auf die Swissness-Attribute zu setzen.<br />
Die stetige und kontinuierliche Verbesserung<br />
von Prozessen (KVP) und Abläufen,<br />
das Festlegen und Überwachen von<br />
strategischen Erfolgspositionen (SEP)<br />
sowie kritischen Erfolgsfaktoren (KEF)<br />
Daniel Buchs<br />
Marcom<br />
sind im heutigen Unternehmertum nicht<br />
mehr wegzudenken und zeigen nur einen<br />
kleinen Teil der heutigen Anforderungen<br />
an das Unternehmensmanagement. Das<br />
EFQM-Modell 2013 bietet hierzu das<br />
geeignete Managementmodell zur professionellen<br />
Initialimplementierung von<br />
Business Excellence – der Start in eine<br />
nachhaltige Zukunftsförderung des Wirtschaftsstandortes<br />
Schweiz.<br />
Sind Sie bereit für die Nachhaltigkeit und<br />
die Stärkung von «Swissness»?<br />
ist Absolvent des Nachdiplomstudiums<br />
Master of Advanced Studies in Business<br />
Excellence an der Hochschule Luzern<br />
Wirtschaft.<br />
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Fachkräftemangel<br />
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Lösungsansätze<br />
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die Praxis<br />
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Do. 24. September <strong>2015</strong>, 13.30-21h, Zürich<br />
Setzen Sie sich am 2. SKO-LeaderCircle Plus vom 24.<br />
September mit Lösungsideen aus der Wirtschaftspraxis<br />
auseinander und diskutieren Sie mit zum aktuellen Thema<br />
„Fachkräftemangel“. Wählen Sie 2 der 6 Impuls-Sessions ab<br />
13.30 Uhr und bringen Sie die Erkenntnisse in die Diskussion<br />
mit dem kompetent besetzten Podium ab 18 Uhr mit ein.<br />
Eva Jaisli<br />
CEO<br />
PB Swiss<br />
Tools<br />
Ruedi Noser<br />
FDP<br />
Nationalrat<br />
VR-Präsident<br />
Noser Gruppe<br />
Kareen<br />
Vaisbrot<br />
Leit. Arbeitgeberpolitik<br />
Swissmem<br />
Antoinette<br />
Weibel<br />
Prof. Dr.<br />
IFPM-HSG<br />
Uni St. Gallen<br />
Anmeldung: www.sko.ch/leadercircle | info@sko.ch<br />
Stefan<br />
Barmettler<br />
Chefredaktor<br />
Handelszeitung<br />
Moderation
Die Welten der Finanzen<br />
Es geht auch anders<br />
Nachhaltige Geldanlagen<br />
Interview mit Antoinette Hunziker-Ebneter von Georg Lutz<br />
Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein<br />
Widerspruch sein. Kann man beide Herausforderungen unter einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette<br />
Hunziker-Ebneter, CEO und Gründungspartnerin von Forma Futura Invest AG, fragten wir nach Antworten.<br />
Schon auf der Startseite des Webauftritts<br />
Ihres Hauses kann man die beiden<br />
zentralen Begrifflichkeiten Ihrer<br />
Unternehmensphilosophie sofort erkennen.<br />
Es geht um Nachhaltigkeit<br />
und Vermögensverwaltung. Wie bringen<br />
Sie diese beiden Stichworte zusammen?<br />
Der Begriff Nachhaltigkeit<br />
hat in den letzten Jahren an Klarheit<br />
verloren. Können Sie hier wieder mehr<br />
Schärfe reinbringen?<br />
Für uns ist eine Unternehmung nachhaltig,<br />
wenn sie finanziell solide ist und<br />
mit ihren Produkten und Dienstleistungen<br />
zur nachhaltigen Lebensqualität beiträgt.<br />
Das war jetzt der Satz zum Warmlaufen …<br />
Nein, dahinter stehen klare und überprüfbare<br />
Kriterien. Es geht schlicht darum,<br />
ob die Produkte für die Kunden<br />
Sinn machen und wie die Unternehmung<br />
geführt wird. Wir stellen uns da sehr<br />
klare Fragen: Welche Ziele setzen sich<br />
die Verantwortlichen, und wie gehen sie<br />
mit den Ressourcen um? Wie gehen sie<br />
mit den Themen Energie oder Wasser<br />
um? Nachhaltigkeit betrifft aber auch<br />
die Unternehmensphilosophie. Wie gut<br />
oder schlecht ist das Geschäftsklima?<br />
Führung und Förderung von Mitarbeitenden,<br />
der Innovationsgrad von Produkten<br />
und Strategien sowie der Umgang mit<br />
knappen Ressourcen stehen bei uns auf<br />
gleicher Augenhöhe. Wir investieren in<br />
Unternehmen, die eine nachhaltige Lebensqualität<br />
fördern.<br />
Um diese Punkte abzuklären, brauchen<br />
Sie ein Team mit sehr unterschiedlichen<br />
Fähigkeiten?<br />
Anlegen muss Sinn machen. Und Sie<br />
haben Recht, wir mussten zunächst ein<br />
Team zusammenstellen, das die Kompetenz<br />
hat, solche Fragen abzuklären.<br />
Bei uns gibt es Biologen, Ethnologen,<br />
Elektroingenieure und Umwelttechnologen,<br />
Philosophen und natürlich auch<br />
Ökonomen an Bord.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 60
Die Welten der Finanzen<br />
Geld ist eine Ressource und bewegt die Welt – die Frage ist nur, in welche Richtung?<br />
Geld wollen Sie trotzdem verdienen?<br />
Geld verdienen ist wichtig. Es fragt sich<br />
einfach, wie und in welchem Rahmen.<br />
Umweltfreundliche Technologien können<br />
nur mit Geld weiterentwickelt werden.<br />
Auch für die Bezahlung von Löhnen<br />
braucht es Geld. Wir leben eine Sowohlals-auch-Philosophie.<br />
Unsere Kundinnen<br />
und Kunden haben keinen Heiligenschein.<br />
Sie wollen auch eine marktgerechte Rendite<br />
erzielen. Ich bin von Haus aus Betriebsökonomin.<br />
Die Portfolios unserer<br />
Kunden erzielen mit Aktien und Obligationen<br />
von nachhaltigen Unternehmen mindestens<br />
gleich gute Renditen, wie andere<br />
Mitbewerber mit konventionellen Unternehmen<br />
erreichen. Das lässt sich auch<br />
statistisch beweisen.<br />
Wo liegen die zentralen Gründe?<br />
Wir analysieren die Firmen wesentlich<br />
genauer. Zum Beispiel ist das Risikomanagement<br />
der Firmen, die wir auswählen,<br />
besser aufgestellt, und dies hat einen<br />
Einfluss auf die Ertragsentwicklung.<br />
Gibt es bei der Auswahl der Anlagen<br />
für Ihre Kunden Meilensteine, damit<br />
wir das Bild etwas praktischer zeichnen<br />
können?<br />
Am Anfang steht eine externe Basisprüfung,<br />
die eine Analyse von 160 Nachhaltigkeitskriterien<br />
umfasst. In einem<br />
zweiten Schritt analysieren wir, ob die<br />
Unternehmen finanziell solide sind. Im<br />
«Auch Geldanlegen<br />
muss<br />
Sinn machen,<br />
nicht nur<br />
Gewinn.»<br />
dritten Schritt gibt es eine interne, vertiefte<br />
Nachhaltigkeitsanalyse. Zurzeit schaffen<br />
es von 5 000 Unternehmen weltweit<br />
rund 200 Unternehmen in unser Forma-<br />
Futura-Anlageuniversum. Schlussendlich<br />
kauft und verkauft der Portfoliomanager<br />
Aktien und Obligationen von Unternehmen<br />
aus dem Forma-Futura-Anlageuniversum,<br />
gemäss dem mit dem Kunden<br />
vereinbarten Anlageprofil.<br />
Vonseiten des Kunden gedacht, bieten<br />
Sie individualisierte Vermögensverwaltungsmandate<br />
an?<br />
Ja, der Kunde kann auch Wertebausteine<br />
setzen, die ihm besonders wichtig<br />
sind.<br />
Eine persönliche Frage schliesst sich<br />
an. Sie waren eigentlich eine klassische<br />
Bankerin. Was hat den Umschwung<br />
ausgelöst?<br />
Vor bald zehn Jahren, mit 45 Jahren,<br />
habe ich mich entschieden, dass ich<br />
meine persönlichen Werte noch viel konsequenter<br />
umsetzen will. Das umfasst<br />
das persönliche und berufliche Umfeld.<br />
Es geht mir dabei um Integrität und Respekt<br />
vor Mensch und Umwelt, Transparenz,<br />
auch im Preis, Verantwortung<br />
übernehmen und den Mut haben, auch<br />
Nein zu sagen. Der ganze Finanzsektor<br />
hat eine wichtige volkswirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir<br />
wirklich die Verantwortung übernehmen,<br />
dann werden wir für diese Welt weniger<br />
Kosten und weniger Probleme verursachen.<br />
Es kann nicht mehr sein, dass es<br />
uns egal ist, in welche Unternehmen wir<br />
investieren, wie diese geführt werden<br />
und welche Emissionen diese verursachen.<br />
Ich habe vor zehn Jahren erlebt,<br />
wie sich Kunden in ihren Unternehmungen<br />
nachhaltige Gedanken machten,<br />
diese auch umsetzten und wir in der<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 61
Die Welten der Finanzen<br />
Finanzbranche diese Gelder irgendwie<br />
und irgendwo anlegten. Dies stimmte<br />
für mich nicht mehr. Auch Geldanlegen<br />
muss Sinn machen, nicht nur Gewinn.<br />
Darf ich hier kritisch nachfragen?<br />
Selbstverständlich …<br />
Es gibt ja jetzt im Zeichen der Energiewende<br />
viele schnell wachsende<br />
Player auf dem Markt, bei denen aber<br />
auch das Potenzial des Absturzes besteht.<br />
Nehmen Sie nur die europäische<br />
Solar branche. Zunächst gab es einen<br />
beeindruckenden Boom, dann wurde<br />
die Branche in den Schwitzkasten der<br />
chine sischen Wettbewerber genommen.<br />
Parallel schossen nachhaltige Anlagemöglichkeiten<br />
in die Höhe. Einige<br />
Geschäftsmodelle waren aber nicht seriös.<br />
Wie gehen Sie damit um?<br />
Das alte Wissen des Portfoliomanagements<br />
darf nicht vergessen werden. Eine<br />
gute Diversifikation steht dabei an erster<br />
Stelle. Hier hat die Nachhaltigkeitsbranche<br />
grosse Fehler gemacht. Sie hat<br />
beispielsweise Themenfonds angeboten,<br />
und auch Kunden kamen mit dem<br />
Wunsch auf uns zu, doch bitte ihr ganzes<br />
Vermögen in erneuerbare Energien<br />
anzulegen. Das können wir aus Diversifikationsgründen<br />
nicht verantworten.<br />
Die Risikodiversifikation ist eines unserer<br />
wichtigsten Prinzipien.<br />
Können Sie uns da ein Beispiel verraten?<br />
Eine australische Firma hat Solarzellen<br />
entwickelt, die sogar an den Innenwänden<br />
der Häuser technologisch funktionieren.<br />
Als Nachhaltigkeitsfreundin bin<br />
ich zunächst begeistert. Man hat grosse<br />
Freude an solchen neuen Lösungen. Das<br />
nützt aber alles nichts, wenn es auf finanziell<br />
wackligem Boden steht. Die<br />
Produktion von einfachen Solarzellen ist<br />
ein reines Economy-of-Scale-Ertragsgeschäft.<br />
Spätestens als hoch subventionierte<br />
chinesische Player auf dem Markt<br />
aufgetaucht sind, hätten die Alarmglocken<br />
läuten müssen. Die chinesische<br />
Regierung hat klare Vorgaben gemacht.<br />
Wir rollen den Weltmarkt mit zirka 20 Unternehmen<br />
auf. Da mussten dann sogar<br />
einige chinesische Anbieter die Segel<br />
streichen. In solch einem Marktumfeld<br />
alles auf eine Karte zu setzen ist falsch.<br />
Jetzt haben wir viele Anleger auf dem<br />
Auf Herz und Nieren nach verschiedenen Kriterien prüfen.<br />
Markt, die leider nach dem Motto handeln:<br />
«Ein gebranntes Kind scheut das<br />
Feuer.» Ich kann mich da nur wiederholen:<br />
Legen Sie nicht alle Eier in einen<br />
Korb. Sie dürfen keine Klumpenrisiken<br />
eingehen. Nur sehr vermögende Kunden<br />
können es sich leisten, in Neugründungen<br />
von Unternehmen zu investieren.<br />
Sie drücken bei Innovationen und<br />
neuen Businessmöglichkeiten sehr<br />
auf die Bremse?<br />
Nein, aber Banking ist grundsätzlich kein<br />
innovatives Geschäft. Es geht vor allem<br />
um Finanzieren und Anlegen. Bei uns<br />
gibt es Grundprinzipien, an die wir uns<br />
halten müssen. Wichtige Innovationen<br />
sind bei uns selten. Der Bancomat gehört<br />
dazu wie auch gute Aktienfonds<br />
und gute Mikrofinanzfonds. Die Grundprinzipien<br />
müssen auch bei der Transformation<br />
zur Digitalisierung mitberücksichtigt<br />
werden.<br />
Sie werden aber bei jungen Kundinnen<br />
und Kunden nur überzeugen, wenn Sie<br />
beispielsweise Ihre Kommunikationslösungen<br />
einsetzen.<br />
Richtig. Dies hat jedoch mit dem Inhalt<br />
der Anlage nichts zu tun.<br />
Kommen wir nochmals zurück zum<br />
Wettbewerb in Ihrer Branche. Ihre<br />
strategischen Prüfverfahren kosten<br />
mehr Zeit und mehr Geld. Zudem ächzt<br />
die Branche gerade unter neuen regulatorischen<br />
Auflagen. Eigentlich<br />
müssten die Angebote Ihres Hauses<br />
schlicht teurer sein. Ist das so, und<br />
wie halten Sie diese zusätzlichen Kosten<br />
niedrig?<br />
Unsere Gebühren sind absolut kompetitiv.<br />
Ich habe mit meinen Geschäftspartnern<br />
von Anfang an entschieden,<br />
keine Boni zu bezahlen. Diese Regelung<br />
betrifft auch uns selbst. Wir bezahlen<br />
nur gute, fixe und marktgerechte Saläre.<br />
Das hat zur Folge, dass wir Transaktionen<br />
nur vornehmen, wenn sie wirklich<br />
notwendig sind. Damit haben wir auch<br />
Interessenkonflikte ausgeschaltet, was<br />
sicher auch unserer Performance hilft.<br />
Die Obligationen kaufen wir meistens<br />
auf Verfall. Man findet bei uns keine Obligationenfonds.<br />
Aktien verkaufen wir bei<br />
Übertreibungen nach oben wie nach unten.<br />
Dadurch minimieren wir Gebühren.<br />
Im aktuellen Tiefzinsumfeld ist das auch<br />
eine zentrale Voraussetzung.<br />
Es gibt aber auch Banken in der<br />
Schweiz, wo hohe Boni und nachhaltige<br />
Anlageprodukte, jedenfalls eine<br />
gewisse Zeit, unter einem Dach Platz<br />
haben. Eine davon ist Pionierin bei<br />
nachhaltigen Anlagemöglichkeiten.<br />
Gleichzeitig ist man in einem Markt tätig,<br />
bei dem steueroptimierte Fonds mit<br />
verdammt hohen Renditemöglichkeiten<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 62
Die Welten der Finanzen<br />
Ihre Branche steht aber nicht nur<br />
wegen Reputationsproblemen unter<br />
Druck. Es gibt Studien, die sehen in<br />
der Schweiz ein Bankensterben kommen.<br />
Gerade kleinere Akteure sollen in<br />
den nächsten Jahren vom Markt verschwinden.<br />
Wie beurteilen Sie die Situation,<br />
und wo sehen Sie mittelfristig<br />
Ihr Haus aufgestellt?<br />
Das Wissen des Portfoliomanagements nicht vergessen.<br />
Wir sind in der Schweiz schlicht overbanked.<br />
Der Kuchen ist verteilt. Sie<br />
müssen etwas Spezielles anbieten,und<br />
genau das tun wir mit unserem Nachhaltigkeitsansatz.<br />
Das Geldgeschäft wird<br />
es weiterhin geben und auch finanziell<br />
solide Banken, welche auf professionelle<br />
und faire Weise Lösungen für Finanzieren,<br />
Zahlen und Anlegen anbieten. Die<br />
Kommunikationsmöglichkeiten nehmen<br />
zu. Neben virtuellen Lösungen werden<br />
die Kunden für gewisse Geschäfte auch<br />
weiterhin ein persönliches Beratungsgespräch<br />
wünschen.<br />
angeboten werden, die haarscharf am<br />
geltenden Recht angesiedelt sind oder<br />
sogar darüber hinausschiessen. Was<br />
lief da aus Ihrer Sicht schief?<br />
Wir müssen uns hier die Führungsqualitäten<br />
anschauen. Wenn Sie den Mitarbeitern<br />
sehr hohe Ziele vorgeben, in<br />
Kombination mit einem Bonussystem,<br />
mit sehr hohen Anreizen, dann fördern<br />
Sie eine ungesunde Kultur. Ich habe<br />
bereits im Banking gearbeitet, als es<br />
bei gutem Geschäftsgang nur eine Zusatzgratifikation,<br />
sprich ein 13. Monatsgehalt,<br />
gab. Dann kamen über die Optionen<br />
die Hebel auch im Bonibereich.<br />
Wir achten bei den Unternehmen sehr<br />
genau auf die Entlöhnung und analysieren<br />
auch das betreffende System.<br />
Das habe ich vorher vergessen zu erwähnen.<br />
Selbst wenn das Unternehmen<br />
einen noch so schönen Nachhaltigkeitsbericht<br />
auf Ökopapier mit schönen Fotos<br />
von Wäldern, aufgehenden Sonnen<br />
und Wasserfällen vorweisen kann, ist<br />
das für uns nur ein Punkt.<br />
Wenn die Lohnstruktur auf kurzfristiges<br />
Denken ausgelegt ist, investieren wir<br />
nicht. Das ist bei dieser Bank in Teilen<br />
so gewesen. Auf der einen Seite war<br />
diese Bank eine der ersten Banken,<br />
die vor 20 Jahren ein ausgezeichnetes<br />
Nachhaltigkeitsteam aufgebaut hat. Auf<br />
der anderen Seite hatten sie Leute in<br />
ihrem Haus, die den Blick fest auf die<br />
Wahnsinnsboni gerichtet haben. Da besteht<br />
ein Risiko.<br />
ist CEO und Gründungspartnerin von<br />
Forma Futura Invest AG.<br />
www.formafutura.com<br />
Antoinette<br />
Hunziker-Ebneter<br />
Vertrauen<br />
Sicherheit<br />
Wir sind die führende Generalunter<br />
nehmerin für Vorsorge und<br />
Anlagedienstleistungen und bieten<br />
jedem seine individuelle Lösung.<br />
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Die Welten der Finanzen<br />
Finanzen für Unternehmer<br />
In fünf Schritten zum Einklang zwischen privaten und beruflichen Bedürfnissen<br />
von Reto Bornhauser und Christian Iten<br />
Gerade Geschäftskunden wollen von ihrer Bank effektive Lösungen und belastbare Resultate. Oft vermengen sich<br />
dabei private und geschäftliche Bereiche. Daher gilt es ganzheitliche Antworten zu entwickeln.<br />
Professionelle Beratung mit ganzheitlicher Betrachtungsweise.<br />
Als Unternehmer sind Sie es gewohnt,<br />
täglich Entscheidungen<br />
zu treffen und kalkulierte Risiken<br />
einzugehen. Als Privatperson steht dagegen<br />
oft der werterhaltende, nachhaltige<br />
Vermögensaufbau im Mittelpunkt.<br />
Darüber hinaus wollen Sie Ihre Familie<br />
absichern, das private Vermögen vom<br />
unternehmerischen trennen und je nach<br />
Lebenssituation flexibel agieren und die<br />
Nachfolge vorbereiten. Finanzangelegenheiten<br />
erfordern deshalb eine ganzheitliche<br />
Betrachtungsweise.<br />
1. Liquiditätsmanagement<br />
Eine mangelhafte Finanzierung, verspätete<br />
Zahlungen von Kunden wie auch<br />
Forderungsausfälle sind oftmals der<br />
Grund, dass ein Unternehmen in finanzielle<br />
Schwierigkeiten gerät. Die Steuerung<br />
der Liquidität ist somit eines der<br />
wichtigsten Ziele der Unternehmensführung.<br />
Fast die Hälfte der Schweizer<br />
Unternehmer fühlt sich gemäss einer<br />
repräsentativen Studie zur Financial<br />
Literacy von Unternehmern 1) schlecht<br />
oder weniger gut durch die Bank beraten.<br />
Gleichzeitig sehen über 40 Prozent der<br />
Unternehmer deutliches Optimierungspotenzial<br />
in ihrer Liquiditätsplanung.<br />
Viele Unternehmer haben hier Handlungsbedarf.<br />
2. Anlegen<br />
Geldanlagen sind Vertrauenssache. Für<br />
Ihren persönlichen Anspruch finden wir<br />
das passende Anlagekonzept. Die Basis<br />
dafür bildet eine umfassende Bedürfnisanalyse<br />
für eine ganzheitliche Vermögensberatung.<br />
Im gemeinsamen Dialog<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 64
Die Welten der Finanzen<br />
Wir sind die Bank<br />
für Unternehmer<br />
Die Banque CIC (Suisse) ist fassbar.<br />
Mit unseren über 300 Mitarbeitenden<br />
an acht Standorten in drei Sprachregionen<br />
haben wir eine überschaubare<br />
Grösse. Unsere<br />
Kundinnen und Kunden schätzen<br />
die kurzen Entscheidungswege<br />
und die direkte Erreichbarkeit der<br />
verantwortlichen Personen. Die<br />
Banque CIC (Suisse) besteht seit<br />
über 100 Jahren und verfügt über<br />
eine grosse Erfahrung in den<br />
Finanzgeschäften für Unternehmer,<br />
Unternehmen und Privatpersonen.<br />
Für Sie möchten wir unternehmen!<br />
LIQUIDITÄTSMANAGEMENT<br />
NACHFOLGEPLANUNG<br />
ANLEGEN<br />
FINANZIEREN<br />
VORSORGEN<br />
Bei der Bedürfnisanalyse stellen wir eine ganzheitliche Betrachtung sicher und stimmen die einzelnen<br />
Themenbereiche auf Ihre unternehmerische wie private Situation ab.<br />
erfassen wir Ihre persönlichen und unternehmerischen<br />
Ziele und Bedürfnisse,<br />
die aktuellen Vermögenswerte und Verpflichtungen<br />
sowie den Liquiditäts- und<br />
Investitionsbedarf in Ihrem Unternehmen.<br />
Das daraus entstehende ganzheitliche<br />
Bild über Ihre Risikofähigkeit gibt<br />
Auskunft darüber, welche finanziellen<br />
Risiken Sie aufgrund Ihrer Lebens-, Einkommens-<br />
und Vermögenssituation privat<br />
und unternehmerisch tragen können.<br />
Neben der Risikofähigkeit spielt Ihre<br />
Risikobereitschaft eine zentrale Rolle.<br />
Wie viel Risiko sind Sie bereit zu akzeptieren?<br />
3. Vorsorge<br />
Viele Unternehmer behalten Gewinne<br />
aus finanziellen und steuerlichen Überlegungen<br />
oft jahrelang im Betrieb. Die<br />
persönliche Vorsorge zur Sicherung des<br />
Lebensstandards im Ruhestand wird<br />
dabei vernachlässigt. Ein optimaler Vorsorgeplan<br />
zahlt sich doppelt aus. Nebst<br />
der optimalen persönlichen Vorsorge<br />
steigern gute Vorsorgelösungen für Mitarbeitende<br />
auch deren Motivation und<br />
Zufriedenheit und beeinflussen wiederum<br />
die Unternehmenswicklung positiv.<br />
Wir unterstützen Sie in Zusammenarbeit<br />
mit ausgesuchten Partnern umfassend<br />
bei der privaten wie auch geschäftlichen<br />
Vorsorgeplanung. Unsere Spezialisten<br />
zeigen Ihnen, wo Risiken und Vorsorgelücken<br />
bestehen und wie Sie diese<br />
schliessen können.<br />
4. Finanzieren<br />
Unternehmer wünschen sich gemäss<br />
der Studie Financial Literacy der Unternehmer<br />
von ihrer Bank in Sachen Finanzierung<br />
in erster Linie mehr Flexibilität<br />
und eine aktive Beratung. Das Angebot<br />
an Finanzierungslösungen hat zugenommen.<br />
Entsprechend ist der Bedarf<br />
an Beratung gestiegen, denn die Wahl<br />
der richtigen Finanzierungsform einerseits<br />
und die Ausgestaltung der Konditionen<br />
andererseits sichern die Wettbewerbsfähigkeit<br />
eines Unternehmens und<br />
steigern die Konkurrenzfähigkeit. Mehr<br />
denn je gilt: Die richtige Lösung ist individuell<br />
und auf die Bedürfnisse des<br />
Kunden zugeschnitten. Dabei berücksichtigen<br />
wir Ihre privaten wie auch unternehmerischen<br />
Bedürfnisse und Ziele<br />
und sichern insbesondere auch die damit<br />
verbundenen Risiken ab.<br />
5. Nachfolgeplanung<br />
Bei der Nachfolgeplanung geht es darum,<br />
Ihr Lebenswerk zu sichern und für<br />
Ihre Zukunft finanziell vorzusorgen. Die<br />
Planung Ihrer persönlichen Nachfolge<br />
im Unternehmen ist häufig mit schwierigen<br />
und emotionalen Entscheidungen<br />
verbunden. Ziel der Nachfolgeplanung<br />
ist, die betriebliche Nachfolge in<br />
Ihrem Sinne zu regeln und die privaten<br />
Finanzen optimal auf Ihren persönlichen<br />
zukünftigen Bedarf auszurichten. Der<br />
Prozess kann durch Beteiligung verschiedenster<br />
Partner beziehungsweise<br />
Berater sehr komplex sein. Fragen zur<br />
Finanzierung, zur rechtlichen Situation,<br />
zu Steuern, zur Erbsituation sowie zu<br />
den Familienverhältnissen etc. müssen<br />
geklärt werden. Ein Nachfolgeprozess<br />
dauert oft mehrere Jahre. Wir empfehlen<br />
deshalb eine frühzeitige Planung. Neben<br />
der Nachfolgeplanung im Falle einer<br />
Pensionierung, ist es besonders wichtig,<br />
auch eine Notfall-Nachfolgeplanung zu<br />
haben. Bei einem unvorhersehbaren Ereignis<br />
wie Unfall, Krankheit oder Todesfall<br />
muss eine Nachfolgelösung praktisch<br />
sofort verfügbar sein.<br />
Anmerkung<br />
1)<br />
Die Studie zur Financial Literacy der Unternehmer<br />
ist im Auftrag der Banque CIC (Suisse) durch die<br />
Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) durchgeführt<br />
und Ende 2014 publiziert worden. Befragt<br />
wurden insgesamt 363 Entscheidungsträger von<br />
Unternehmen beziehungsweise von selbständigen<br />
Unternehmern in der Deutschschweiz. Die<br />
Studie kann als Infografik bestellt werden unter<br />
www.unternehmer-und-finanzen.ch.<br />
ist Leiter Key Clients der Banque CIC<br />
(Suisse) in Basel.<br />
ist Kundenberater der Banque CIC<br />
(Suisse) in Zürich.<br />
www.cic.ch<br />
Reto Bornhauser<br />
Christian Iten<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 65
Die Welten der Finanzen<br />
Transparenz und Planungssicherheit dank Digitalisierung.<br />
Zentral und doch oft unterschätzt<br />
Cash Management<br />
von Andreas Schiendorfer<br />
Der starke Franken bereitet vielen KMU Sorgen. Um die eigene Situation zu verbessern, gilt es mehr denn je, jede<br />
scheinbar noch so kleine Chance wahrzunehmen. Dem Cash Management wird dabei meist zu wenig Beachtung<br />
geschenkt.<br />
Die KMU, die nach wie vor zwei<br />
Drittel aller Arbeitsplätze stellen,<br />
sind das Rückgrat der Schweizer<br />
Wirtschaft. Die Bevölkerung weiss dies<br />
zu schätzen. Nicht weniger als 94 Prozent<br />
der Stimmbürger sind gemäss Sorgenbarometerumfrage<br />
der Credit Suisse<br />
stolz auf die erfolgreichen Schweizer<br />
KMU. Tatsächlich haben die Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer in den letzten<br />
Jahren immer wieder viel Rückgrat<br />
bewiesen und alle Problemstellungen<br />
dank Flexibilität, Produktivitätssteigerung,<br />
Innovationskraft und Risikobereitschaft<br />
bravourös gemeistert.<br />
Starker Franken hemmt Export<br />
Nun steht den KMU eine weitere grosse<br />
Herausforderung ins Haus, wie der aktuelle<br />
KMU-Exportindikator von Switzerland<br />
Global Enterprise und Credit<br />
Suisse unmissverständlich aufgezeigt<br />
hat: Mit Ausnahme des Konsumgüterbereichs<br />
werden nämlich für alle Produktionssektoren<br />
im dritten Quartal<br />
<strong>2015</strong> sinkende Ausfuhren befürchtet.<br />
Und dies trotz steigender Nachfrage im<br />
Ausland! Die Erklärung liegt im starken<br />
Franken. Als Folge der Frankenstärke ist<br />
das Exportwachstum etwa um fünf Prozentpunkte<br />
tiefer, als es angesichts der<br />
Nachfragestärke im Ausland zu erwarten<br />
wäre. Die KMU sehen der schwierigen<br />
Währungssituation keineswegs<br />
tatenlos zu. Im Vordergrund ihrer Anstrengungen<br />
stehen die Optimierung der<br />
Beschaffung und die Senkung der Produktionskosten.<br />
Preiserhöhungen sowie<br />
die Suche nach neuen Märkten werden<br />
gemäss KMU-Exportindikator ebenfalls<br />
ins Auge gefasst, weit weniger hingegen<br />
eine Senkung der Lohnkosten. Hier<br />
scheinen die Möglichkeiten bereits ausgereizt<br />
zu sein.<br />
Wenig beachtete Herausforderungen<br />
Über die Potenziale einer anderen unternehmerischen<br />
Funktion sind sich viele<br />
KMU weit weniger bewusst: das Cash<br />
Management. Die Kontrolle und Planung<br />
der Liquidität ist für jedes KMU<br />
von zentraler Bedeutung. Die dabei zu<br />
meisternden Aufgaben werden aber<br />
angesichts der steigenden Komplexität<br />
und Vernetzung der Unternehmen immer<br />
schwieriger. Hat ein KMU seine Liquidität<br />
über mehrere Konten bei verschiedenen<br />
Bankhäusern in verschiedenen<br />
Währungen im In- und Ausland verteilt,<br />
so entsteht ein beträchtlicher Aufwand,<br />
um den gewünschten Überblick über die<br />
Liquiditätsentwicklung zu erhalten und<br />
die Guthaben optimal zu allozieren. Die<br />
dafür aufgebrachte Energie fehlt letztlich<br />
bei der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts.<br />
Daher gilt es, sich frühzeitig<br />
mit der Umsetzung eines weitsichtigen<br />
Cash Management auseinanderzusetzen<br />
(siehe Interview).<br />
Neben den stetig wachsenden Vernetzungen<br />
und Abhängigkeiten verdient ein<br />
weiteres Thema Beachtung: die Schaffung<br />
des einheitlichen Euro-Zahlungsraums<br />
SEPA auf den 1. Februar 2014<br />
(SEPA steht für Single Euro Payment<br />
Area). Der Finanzplatz Schweiz verfolgt<br />
eine weitgehende Annäherung an die<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 66
Die Welten der Finanzen<br />
neuen europäischen Standards und<br />
beabsichtigt, seine Zahlungsverkehrsverfahren<br />
und -systeme bis Mitte 2020<br />
auf ISO 20022 umzustellen. Diese Umstellung<br />
hat auch für die KMU Auswirkungen<br />
bei den Überweisungen, beim<br />
Einzahlungsschein mit Datencode sowie<br />
bei den Lastschriften. Alles in allem<br />
überwiegen die Vorteile der Migration<br />
eindeutig. Deshalb sollten die KMU nicht<br />
bis zum letzten Moment der Umstellungsfrist<br />
warten, sondern die Situation<br />
mit ihren Finanz- und IT-Partnern frühzeitig<br />
analysieren.<br />
Kompetente Berater noch wichtiger<br />
Auch wenn die Herausforderungen Cash<br />
Management und Migration Zahlungsverkehr<br />
Schweiz für die KMU wichtig<br />
sind, muss sich jeder einzelne Unternehmer<br />
letztlich klar darüber werden,<br />
wie viel Energie er persönlich in diese<br />
Themenbereiche stecken soll. In unserer<br />
zunehmend komplexer werdenden globalen<br />
Wirtschaft ist es für den Unternehmer<br />
von existenzieller Bedeutung, sich<br />
ein (kleines) Netzwerk fachkompetenter<br />
Berater seines Vertrauens aufzubauen.<br />
Letztlich gehört die Zukunft jenen KMU,<br />
denen es gelingt, sich ganz auf ihre eigenen<br />
und unverwechselbaren Stärken<br />
zu konzentrieren.<br />
Effizientes<br />
Management<br />
von Andreas Schiendorfer<br />
Was macht ein modernes Cash Management<br />
aus und wie wichtig ist es<br />
für die Schweizer KMU? Wir baten<br />
Andreas Gerber, Leiter KMU-Geschäft<br />
Schweiz der Credit Suisse, um Auskunft.<br />
Herr Gerber, was versteht man gemeinhin<br />
unter dem Begriff «Cash<br />
Management»?<br />
Wir unterscheiden grundlegend vier Teilbereiche<br />
und -aufgaben. Erstens geht<br />
es darum, sich als KMU einen Überblick<br />
über die Liquidität zu verschaffen.<br />
Zweitens beinhaltet es die Planung der<br />
aktuellen und zukünftigen Vermögensströme.<br />
Des Weiteren ist auch die optimale<br />
Verteilung der Liquidität innerhalb<br />
verschiedener Konten als Teilbereich<br />
des Cash Management zu verstehen. Zu<br />
guter Letzt geht es um die Ausschöpfung<br />
der Rendite-Potenziale.<br />
Das Cash Management ist demnach<br />
eine zentrale Aufgabe von KMU?<br />
Auf jeden Fall. Ein effizientes Cash Management<br />
kann die Ertragslage eines<br />
KMU deutlich verbessern, vor allem aber<br />
wird dank eines klugen Cash Management<br />
Zeit freigesetzt, die man in den<br />
Ausbau des Kerngeschäfts investieren<br />
kann. Für mich kann man das Cash Management<br />
auch als Herzstück eines Unternehmens<br />
bezeichnen. Mit Verlusten<br />
kann eine Unternehmung eine gewisse<br />
Zeit weitergeführt werden, ohne Liquidität<br />
funktioniert jedoch nichts mehr.<br />
Gibt es aktuelle Trends im Cash Management?<br />
Die Reise geht immer mehr in Richtung<br />
Automation und Digitalisierung, sodass<br />
die Unternehmer mit wenigen Klicks vollständige<br />
Transparenz und Planungssicherheit<br />
erhalten. Ein Beispiel dafür<br />
ist der «Credit Suisse Corporate Cash<br />
Manager». Diese Applikation ermöglicht<br />
die bequeme Übersicht über alle Konten<br />
mitsamt Transaktionen sowie über Vermögen,<br />
Verbindlichkeiten und Fremdwährungspositionen.<br />
Alle Bankguthaben<br />
können nach Banken, Währungen und<br />
Regionen virtuell konsolidiert und auch<br />
Andreas Gerber ist Leiter KMU-Geschäft Schweiz der Credit Suisse.<br />
nach verschiedenen Bereichen des Unternehmens<br />
gruppiert werden.<br />
Wird eine solche Applikation zum Muss<br />
für jedes KMU?<br />
Je komplexer und internationaler die Herausforderungen<br />
eines Unternehmens<br />
sind, desto eher kommt eine solche Applikation<br />
in Frage. Ein Muss aus Sicht<br />
aller KMU ist einzig die aktive Auseinandersetzung<br />
mit der Liquidität. Hier ist<br />
eine enge Begleitung seitens des Kundenberaters<br />
von grossem Vorteil, so<br />
kann gemeinsam eine optimale Lösung<br />
entwickelt werden.<br />
Andreas Schiendorfer, freier Journalist.<br />
www.credit-suisse.com<br />
Andreas Schiendorfer<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 67
Die Welten der Finanzen<br />
Auf den Puls gefühlt: Sind Sie in der richtigen Krankenkasse?<br />
Viele zahlen viel zu viel<br />
Die Wahl der Krankenversicherung<br />
von Georg Lutz<br />
Das Gesundheitswesen der Schweiz gilt als eines der besten weltweit. Es ist aber auch eines der kompliziertesten<br />
und teuersten. Finanziert wird es von jedem Einzelnen mit der Prämie seiner Krankenversicherung. Kaum einer<br />
versteht jedoch das Leistungsspektrum und die Bedingungen seiner Krankenversicherung, für die er im Jahr<br />
mehrere tausend Franken bezahlt. Hier lohnt sich eine unabhängige Beratung.<br />
Die Krankenversicherung ist in der<br />
Wahrnehmung der Menschen<br />
oft eine heiklere Sache als beispielsweise<br />
eine Motorfahrzeug- oder<br />
eine Hausratversicherung. Da geht es<br />
um Sachwerte, hier geht es um die Gesundheit.<br />
Und die ist den meisten Menschen<br />
heilig und daher sehr viel wert –<br />
viel mehr als sie eigentlich müsste. «Die<br />
Erfahrung aus fast 20 Jahren Beratertätigkeit<br />
zeigt, dass über 50 Prozent der<br />
Krankenversicherten in der Schweiz<br />
zu viel Prämien im Jahr bezahlen», sagt<br />
Stephan M. Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung<br />
der Maklerzentrum Schweiz AG,<br />
dem grössten unabhängigen Versicherungsbroker<br />
im Bereich Privatkunden<br />
mit Sitz in Basel.<br />
Versicherte halten oft jahre- und jahrzehntelang<br />
an einmal geschlossenen<br />
Verträgen fest, obwohl sich die persönlichen<br />
Lebensumstände ebenso ändern<br />
wie die Produktvielfalt der Krankenversicherer.<br />
«Viele Menschen nehmen keinen<br />
Wechsel in der Grundversicherung<br />
vor, weil sie denken, dass es ihnen als<br />
Vorteil ausgelegt wird, wenn sie seit Jahr<br />
und Tag Kunde eines einzigen Anbieters<br />
sind», weiss Wirz. Oder sie fürchten<br />
einen Gesundheitscheck oder lästige<br />
Gesundheitsfragen, die bei einem<br />
Wechsel des Anbieters einer Zusatzversicherung<br />
oftmals verlangt werden. Vor<br />
allem aber scheuen die meisten Versicherten<br />
den Papierkram und die eigentliche<br />
inhaltliche Auseinandersetzung mit<br />
dem Thema Krankenversicherung.<br />
Dieser Unmut ist angesichts der in den<br />
letzten Jahren gestiegenen Komplexität<br />
des Krankenversicherungsbereichs<br />
verständlich. Es gilt nicht mehr nur zwischen<br />
den Prämien in der Grundversicherung<br />
und den einzelnen Leistungen<br />
aus möglichen Zusatzversicherungen zu<br />
unterscheiden – schon die Wahl des Versicherungsmodells<br />
in der Grundversicherung<br />
ist kompliziert geworden. Zwar<br />
sind die Leistungen in der Grundversicherung<br />
gesetzlich geregelt und jeder<br />
Versicherer zur Übernahme der Kosten<br />
für diese Leistungen verpflichtet, aber<br />
die Anbieter haben im Rahmen der alternativen<br />
Versicherungsmodelle den gesetzlichen<br />
Spielraum genutzt und diese<br />
Leistungen an bestimmte Bedingungen<br />
geknüpft, die je nachdem höhere oder<br />
niedrigere Prämien zur Folge haben. So<br />
betragen die Prämienunterschiede in der<br />
Grundversicherung zwischen dem Standardmodell<br />
ohne Einschränkungen und<br />
dem Alternativmodell der telefonischen<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 68
Die Welten der Finanzen<br />
Kollektivvertrag<br />
Unternehmen haben im<br />
Bereich der Krankenkassen-<br />
Zusatzversicherungen die<br />
Möglichkeit, Kollektivverträge<br />
für ihre Beschäftigten abzuschliessen.<br />
Diese ermöglichen<br />
je nach Unternehmensgrösse und<br />
Versicherungsgesellschaft Rabatte<br />
von bis zu 25 Prozent auf die<br />
Prämien der Zusatzversicherungen<br />
und/oder erleichterte<br />
Aufnahmebedingungen.<br />
Die Versicherungslösung den Lebensumständen anpassen.<br />
Erstkonsultation je nach Versicherer teilweise<br />
bis zu 20 Prozent. «Für wen sich<br />
welches Modell eignet, kann nur in einer<br />
umfassenden Bedarfsanalyse geklärt<br />
werden», betont Stephan Wirz.<br />
Dieser unabhängige Versicherungsbroker<br />
hat sich mit seinen rund 170 Mitarbeitenden<br />
auf die Betreuung von Privat- und<br />
Unternehmenskunden in Krankenversicherungsfragen<br />
spezialisiert. «Da insbesondere<br />
im Krankenversicherungsbereich<br />
bei den meisten Gesellschaften<br />
ein kompetenter Aussendienst fehlt, war<br />
einer der wesentlichen Gründe für uns,<br />
die Maklerzentrum Schweiz AG aufzubauen»,<br />
führt Stephan Wirz weiter aus.<br />
Er ist Inhaber der eidgenössischen Fachausweise<br />
für Sozialversicherungen, Versicherungen<br />
und Finanzplanung. «Bei<br />
Kollektivlösungen für Unternehmenskunden<br />
sollte es eben auch um die einzelnen<br />
Versicherten gehen, daher legen wir als<br />
Spezialisten für Versicherungslösungen<br />
von Privatkunden genau auf den Einzelnen<br />
den Fokus.» Während der Agent einer<br />
Versicherungsgesellschaft naturgemäss<br />
vor allem die Produkte des eigenen<br />
Arbeitgebers im Detail kennt, überblickt<br />
der unabhängige Broker den gesamten<br />
Angebotsmarkt und kann das Leistungsspektrum<br />
der Versicherungen und daran<br />
geknüpfte Bedingungen zwischen allen<br />
Anbietern auf dem Markt vergleichen.<br />
Dabei geht es nicht nur um die Klärung<br />
der Frage, welches Versicherungsmodell<br />
von welchem Anbieter individuell<br />
am besten passt, sondern auch welche<br />
Franchise am meisten Sinn macht. Setzt<br />
man den Selbsthalt auf 300 Franken oder<br />
auf 2 500 Franken im Jahr, oder – für alle<br />
die, die es nicht genau wissen – wählt<br />
man die goldene Mitte von 1 500 Franken?<br />
«Mittlere Prämien sind meistens<br />
am ungünstigsten für den Versicherten»,<br />
räumt Wirz ein. Menschen, die häufig<br />
medizinische Leistungen in Anspruch<br />
nehmen, sind meistens mit dem tiefsten<br />
Selbstbehalt von 300 Franken am besten<br />
beraten, Menschen, die kaum je einen<br />
Arzt aufsuchen, mit der höchsten Franchise.<br />
Die Unbekannte in dieser Rechnung<br />
ist der persönliche Gesundheitszustand<br />
von morgen, den jeder für sich<br />
selbst einschätzen muss. Auch dabei<br />
hilft eine Beratung von ausserhalb. Die<br />
richtigen Fragen zu Lebenswandel und<br />
Ernährung ermöglichen es, sich selbst<br />
treffend einzuschätzen.<br />
«Beratung ist für uns mehr, als nur auszurechnen,<br />
mit welcher Prämie und<br />
Franchise man wie viel mehr oder weniger<br />
zahlt», erklärt Wirz. Es geht vor<br />
allem bei der Krankenversicherung um<br />
eine neutrale Auseinandersetzung mit<br />
der eigenen Gesundheit, dem Lebenswandel<br />
und den Zielen und Wünschen,<br />
die man im Leben noch hat. «Die Lebensumstände<br />
und die Prioritäten ändern<br />
sich im Laufe der Zeit, und dann<br />
sollte auch die Krankenversicherung angepasst<br />
werden», sagt Wirz. Beispielsweise<br />
wenn der eingefleischte Single<br />
Ende dreissig doch die Liebe seines<br />
Lebens getroffen hat und plötzlich das<br />
Heiraten und Eine-Familie-Gründen<br />
ganz oben auf seiner Wunschliste stehen,<br />
wo zuvor Reisen, Fallschirmspringen<br />
und Motorradfahren waren. «Nahezu<br />
die Hälfte unserer Beratungen sind<br />
Vertragsanpassungen und keine Neuabschlüsse»,<br />
bestätigt Wirz.<br />
Verdienen tut er an beiden. Als Versicherungsbroker<br />
erhält die Maklerzentrum<br />
Schweiz AG von den Versicherungsgesellschaften<br />
eine Provision, wenn sie<br />
deren Produkte verkauft. «Aber die Berater<br />
der Maklerzentrum Schweiz AG<br />
sind im Fixlohn angestellt, dies soll erst<br />
gar nicht den Verdacht aufkommen lassen,<br />
dass ein Berater die Produkte des<br />
Versicherers vorzieht, der die grosszügigste<br />
Provision leistet», erklärt Wirz.<br />
Klar sei aber, dass die Maklerzentrum<br />
Schweiz AG für ihre Dienstleistung durch<br />
deren Partnergesellschaften, also die<br />
Krankenversicherungsgesellschaften,<br />
entschädigt wird. Diese Entschädigung<br />
erfolgt sowohl für Neukunden als auch<br />
für Deckungsanpassungen und Vertragsverlängerungen.<br />
Die Höhe der Entschädigung<br />
hängt von den abgeschlossenen<br />
Verträgen ab. Der Vorteil dieses<br />
Systems ist, dass die Beratung für die<br />
Kunden nicht mit direkten Kosten verbunden<br />
ist. Indirekt zahlt natürlich jeder<br />
Versicherte diese Vertriebskosten der<br />
Versicherungsgesellschaften – ebenso<br />
wie er indirekt jeden Werbespot und jedes<br />
Kundenmagazin mit seinen Prämien<br />
berappt.<br />
Georg Lutz<br />
ist Chefredaktor von <strong>kmu</strong>RUNDSCHAU.<br />
www.maklerzentrum.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 69
Die Welten der Finanzen<br />
Bei Vorsorgemodellen die Situation analysieren und dem Kunden mögliche Lösungen anbieten.<br />
Generalunternehmerin in der Vorsorge<br />
Dienstleistungen aus einer Hand<br />
Interview mit Yves Fischli von Georg Lutz<br />
Die berufliche Vorsorge und mit ihr die Pensionskassen, Sammelstiftungen und schlussendlich ihre Kunden<br />
stehen unter Druck. Das betrifft nicht nur den demografischen Wandel. Wir fragten bei einem Experten aus der<br />
Vorsorgebranche nach.<br />
Können Ihre Anlageexperten noch ruhig<br />
schlafen?<br />
Ja, unser Team ist professionell aufgestellt<br />
und organisiert und hat die Kompetenzen,<br />
auch in turbulenten Zeiten mit<br />
einer ruhigen Hand zu agieren. Unsere<br />
Strategie basiert nicht auf kurzfristigen<br />
«Trends», sondern ist Risiko-adjustiert<br />
und langfristig.<br />
Da will ich gleich nachhaken. Besteht<br />
nicht die Gefahr angesichts der niedrigen<br />
Zinsen, der drohenden Franken-Euro-Parität<br />
und der noch nicht<br />
ausgestandenen Finanzkrise, dass zu<br />
hohe Risiken eingegangen werden?<br />
Auf den ersten Blick besteht sicherlich<br />
ein gewisser Zwang für Vorsorgeeinrichtungen,<br />
höhere Risiken einzugehen. In<br />
der Folge heisst dies, dass man in Anlageformen<br />
mit einer höheren Risikoklasse<br />
investieren muss. Wir sehen die Gefahr<br />
auch. Unsere Strategien waren und sind<br />
jedoch risikoscheu und tragen somit der<br />
heutigen Situation Sorge. Die Portfolios<br />
sind sehr gut diversifiziert aufgestellt,<br />
und wir streben schon seit längerer Zeit<br />
den Einklang zwischen Risiko, Ertrag wie<br />
Kosten an. Aus diesem Grund arbeiten<br />
unsere Anlage- und Pensionskassenexperten<br />
Hand in Hand, was unsere<br />
Struktur als Tellco Vorsorge AG möglich<br />
macht. Wir mussten so nicht wie andere<br />
Mitbewerber strategische Anpassungen<br />
aufgrund der Franken-Euro-Parität oder<br />
diverser wirtschaftspolitischer Turbulenzen<br />
vornehmen, da wir von jeher dynamische,<br />
Risiko-adjustierte Strategien<br />
wie Taktik für Vorsorgeeinrichtungen<br />
anbieten wie vertreten.<br />
In Ihrem Hause ist das fast schon eingepreist?<br />
Formulieren wir es so: Wir sind gut vorbereitet.<br />
Selbstverständlich gibt es bei<br />
uns auch wöchentliche Sitzungen mit<br />
den Anlageexperten und quartalsweise<br />
mit dem Investmentkomitee. Hier werden<br />
die strategischen Ausrichtungen auf<br />
Herz und Nieren geprüft.<br />
Wagen wir noch einen Blick auf das<br />
Big Picture. Das Modell der drei Säulen<br />
wird international gelobt, steht<br />
aber trotzdem unter Druck, zum Beispiel<br />
wegen der demografischen Entwicklung.<br />
Wir haben dazu in der letz<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 70
Die Welten der Finanzen<br />
ten Ausgabe eine Debatte geführt. Wie<br />
sehen Sie die Situation?<br />
Die demografische Entwicklung betrifft<br />
uns alle. Wir versuchen, mit unseren Fachexperten<br />
für unsere Kunden den besten<br />
Weg zu finden. Dies auf der Aktiv- wie<br />
Passivseite. Eine politische Diskussion<br />
für die Zukunft bringt unsere Kunden<br />
nicht weiter. Wir analysieren mit unseren<br />
Kunden die Situation und bieten mögliche<br />
Lösungen an. Diese ist sehr pragmatisch<br />
und in der Sprache unserer Kunden.<br />
Beim Thema demografische Kurve<br />
und dem Thema der Überalterung der<br />
Gesellschaft gehen da schnell einige<br />
emotionale Pferde durch …<br />
Bei uns nicht. Es gilt allerdings hier, vorausschauend<br />
zu agieren. Das betrifft vor<br />
allem Sammelstiftungen wie aber auch<br />
firmeneigene Pensionskassen. Innerhalb<br />
einer Sammelstiftung ist eine gewisse<br />
Diversifikation auch innerhalb der angeschlossenen<br />
Gesellschaften und somit<br />
auch bei den Versicherten anzustreben.<br />
Bei firmeneigenen Pensionskassen ist<br />
meist der Weg zu einer neuen Struktur<br />
nötig. Hier emotional zu handeln wäre<br />
somit falsch. Man muss die Lage abschätzen<br />
und eine nachhaltige Lösung<br />
suchen und sie so dann auch umsetzen.<br />
Sie suchen folgerichtig Unternehmen<br />
aus dem Dienstleistungsbereich?<br />
Nicht nur, es ist für eine Sammelstiftung<br />
wichtig, dass sie eine gewisse Diversifikation<br />
auch in den Branchen aufweist. Industriegesellschaften<br />
zum Beispiel haben<br />
aufgrund der Vergangenheit ein höheres<br />
Durchschnittsalter als in der IT-Branche.<br />
Ein somit nachhaltiges Wachstum ist für<br />
eine Sammelstiftung sehr wichtig, dies<br />
immer mit der Prüfung der Risiken auf<br />
der Anlage- wie Passivseite.<br />
Wie sieht die Situation von der regulatorischen<br />
Seite aus? Hier werden die<br />
Hürden doch auch höher?<br />
Der Druck der Regulatoren wird steigen.<br />
Unsere Vorsorgelösungen berücksichtigen<br />
aber das schon heute. Wir bieten<br />
unseren Kunden weiterhin die autonome<br />
Lösung als firmeneigene Pensionskasse<br />
an oder den Anschluss an eine Sammelstiftung.<br />
Bei den Sammelstiftungen kann<br />
die gesamte Aufgabe übergeben werden<br />
oder aber auch eine gewisse Teilautonomie<br />
bewahrt bleiben (Anlagen, Depotbank,<br />
Rückversicherung oder gewisse<br />
technische Grundlagen). Wichtig ist,<br />
dass man dem Kunden alle Möglichkeiten<br />
erläutern kann, dass somit auch der<br />
für die Gesellschaft richtige Entscheid gefällt<br />
wird. Wir als Generalunternehmerin<br />
in der Vorsorge sind somit die korrekte<br />
Ansprechpartnerin, um die nötigen Möglichkeiten<br />
aufzeigen zu können.<br />
Die höheren Herausforderungen können<br />
viele nicht mehr stemmen. Das<br />
Pensionskassensterben und Fusionierungen<br />
gehen weiter. Sie selbst haben<br />
diesen Sommer wieder eine andere<br />
Pensionskasse an Bord geholt. Wo und<br />
wann ist das Ende dieser Entwicklung<br />
zu sehen?<br />
Es gibt ganz klar die Tendenz einer<br />
Schrumpfung der Anzahl der Pensionskassen,<br />
insbesondere der firmeneigenen<br />
Pensionskassen. Die meisten schliessen<br />
sich einer Sammelstiftung an. Dort ist es<br />
sicher wichtig, variable Möglichkeiten<br />
zu haben. Ich glaube aber auch, dass<br />
«Wichtig ist,<br />
dass man dem<br />
Kunden alle<br />
Möglichkeiten<br />
erläutern<br />
kann.»<br />
grössere Gesellschaften weiterbestehen<br />
müssen. Der Kunde soll weiter die Möglichkeit<br />
haben, zwischen unterschiedlichen<br />
Kassen auszuwählen. Einheitskassen<br />
sind für mich nicht zielführend und<br />
stellen keine Lösung dar.<br />
Oftmals wird Pensionskassen Intransparenz<br />
vorgeworfen. Wie gehen Sie<br />
diese Hürde strukturell an?<br />
Wir halten uns an die Vorschriften des<br />
Regulators und versuchen, unsere Kunden<br />
in einem komplexen Markt fortlaufend<br />
aufzuklären. Der Vergleich von verschiedenen<br />
Vorsorgeeinrichtungen wird<br />
nie einfach sein und ist schwer umsetzbar,<br />
da verschiedene Kennzahlen wie<br />
technische Grundlagen nicht so einfach<br />
eins zu eins verglichen werden können.<br />
Die Zusammenhänge müssen ebenso<br />
hervorgehoben werden wie die Risiken<br />
seitens der Anlagen wie der Passivseite.<br />
Was würde, auf die Situation von Pensionskassen<br />
bezogen, der Satz «Der<br />
Kunde ist König» bedeuten?<br />
Es gibt hier keine Unterschiede wie bei<br />
anderen Branchen. Man muss auf den<br />
Kunden eingehen, ihn ernst nehmen und<br />
mit einer verständlichen Lösung abholen.<br />
Dies als Partnerschaft für eine lange<br />
Frist. Wir sind eine KMU. Wir haben die<br />
gleichen Herausforderungen wie KMU-<br />
Unternehmungen. Somit kennen wir die<br />
Probleme der KMU-Verantwortlichen.<br />
Wir sind ein Generalunternehmen und<br />
können so auch alle Bedürfnisse abdecken<br />
und sprechen die gleiche Sprache<br />
wie unsere Kunden. Ich glaube, dass<br />
wir hier den Mehrwert schaffen, dass<br />
wir eine Beratung aus einem Hause für<br />
unsere Partner wie Kunden anbieten<br />
können und unsere Mitarbeiter die Bedürfnisse<br />
der Kunden kennen und gemeinsam<br />
Lösungen gefunden werden.<br />
Was heisst das konkret für ein Beratungsgespräch<br />
mit einem Kunden?<br />
Wir legen dem Kunden konkrete Referenzbeispiele<br />
vor, die zu ihm passen und<br />
an denen er sich orientieren kann. Dies<br />
wird lediglich erreicht, indem man auf die<br />
Bedürfnisse eingeht und die Erfahrungswerte<br />
miteinbezieht. So entsteht das nötige<br />
Vertrauen wie Sicherheit. Der Kunde<br />
lässt sich bei uns nicht auf Tests ein. Wir<br />
selbst haben eine eigene IT-Abteilung.<br />
Das heisst, wir können flexible, spezielle<br />
Lösungen für unsere Kunden kreieren wie<br />
anbieten, und sie sind so nicht von starren<br />
Strukturen abhängig. Ich bin überzeugt,<br />
dass wir der richtige Partner für gemeinsame,<br />
zukünftige Lösungen der Vorsorgewerke<br />
sind.<br />
ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der<br />
Tellco Vorsorge AG.<br />
www.tellco.ch<br />
Yves Fischli<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 71
Unternehmen unterwegs<br />
Transparente Kommunikation zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer vermeidet böse Überraschungen.<br />
Die richtige Wahl<br />
So leasen Sie einen Geschäftswagen<br />
von Beat Imwinkelried<br />
Das Leasing von Firmenfahrzeugen ist populär, weil es mit günstigen Konditionen lockt, somit die Liquidität der<br />
Firma schont und ihr Steuervorteile bringt. Doch es birgt auch Risiken und kann am Ende teuer werden. Worauf ist<br />
bei dieser Finanzierungsform unter anderem zu achten?<br />
Warum stehen gerade bei kleinen<br />
Unternehmen immer noch viele<br />
privat gekaufte Fahrzeuge auf<br />
dem Firmenparkplatz? Die Vorteile von<br />
Leasing und Flottenmanagement liegen<br />
doch auf der Hand. Die Antwort: Manchmal<br />
knirscht es zwischen Leasinggeber<br />
und Leasingnehmer. Im Folgenden stelle<br />
ich die zentralen Fragen und gebe Antworten<br />
darauf, die aufzeigen, wie solche<br />
Konflikte zu vermeiden sind.<br />
Warum gibt es am Vertragsende oft<br />
Streit beim Leasing?<br />
Meist stimmt der Restwert des Autos<br />
nicht mehr, weil zu Vertragsbeginn der<br />
Restwert mit anderen Annahmen kalkuliert<br />
wurde, der Markt sich geändert hat<br />
oder Schäden den Wiederverkauf erschweren.<br />
Wenn der Restwert des Autos<br />
nicht mit der kalkulierten Annahme<br />
übereinstimmt, hat in der Regel der Leasinggeber<br />
ein Problem. Doch nicht jeden<br />
Mangel und jede Instandsetzung<br />
muss man zahlen. Wer sich im Vorfeld<br />
gut informiert und mit der Leasingfirma<br />
klare Regeln festhält, kann Streit aus<br />
dem Weg gehen. Der Kunde sollte sich<br />
den richtigen Leasingpartner suchen,<br />
welcher auch am Ende des Vertrages<br />
fair abrechnet. Die günstigste Offerte zu<br />
Beginn ist oft nicht der beste Leasingvertrag<br />
bei Vertragsende.<br />
Haftet der Kunde immer für den Restwert?<br />
Nein, ganz und gar nicht. Dies hängt vom<br />
gewählten Vertragsmodell ab. Das Restwertrisiko<br />
liegt beim geschlossenen Vertrag<br />
in der Regel beim Leasinggeber. Bei<br />
einer offenen Kalkulation liegt das Risiko<br />
meistens beim Kunden. Nachzahlungen<br />
werden jedoch bei Mehrkilometern oder<br />
Schäden fällig. Kleine Dellen fallen oft<br />
unter die vertragsgemässe Abnutzung.<br />
Welche Schäden muss der Kunde<br />
zahlen?<br />
Nicht alle Schäden müssen die Kunden<br />
begleichen. Es existieren in Europa<br />
bereits Urteile, die leichte Lackkratzer<br />
sowie Beulen als typische Gebrauchsspuren<br />
einstufen und sie somit als vertragsgemässe<br />
Abnutzung ansehen.<br />
Zudem trägt der Leasinggeber die Beweislast<br />
für angeblich übermässige Abnutzung.<br />
Mittlerweile haben viele Leasing-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 72
Interessante Fakten zum<br />
Firmenfahrzeugmarkt<br />
Der Firmenwagen bleibt der<br />
beliebteste Anreiz im Arbeitsbereich<br />
und spielt für die<br />
Motivation eine grosse Rolle. Nach<br />
wie vor finden sich die meisten<br />
Fahrzeugnutzer im mittleren und<br />
oberen Management. Frauen<br />
bestellen in der Regel günstigere<br />
Dienstwagen: Während in<br />
Deutschland weibliche Führungskräfte<br />
Autos für rund 39’000 Euro<br />
wählen, beträgt die Summe bei<br />
männlichen Vorgesetzten etwa<br />
48.000 Euro. In der Schweiz dürften<br />
die Verhältnisse etwas ähnlich sein.<br />
Neben Vertriebsfachkräften fahren<br />
vor allem Fachkräfte aus dem<br />
Bereich Technik, IT und Personalwesen<br />
einen Firmenwagen. Obwohl<br />
im Finanzwesen weniger oft<br />
Dienstautos genutzt werden,<br />
findet man hier Fahrzeuge von<br />
überdurchschnittlich hohem<br />
Wert. Das zeigt sich vor allem bei<br />
Banken: Hier werden die teuersten<br />
Firmenwagen gefahren – dicht<br />
gefolgt von der Autobranche und<br />
Wirtschafts- und IT-Beratungsfirmen.<br />
VW, Audi, BMW und Mercedes<br />
bleiben die Markenfavoriten bei<br />
Firmenwagennutzern in den<br />
Chefetagen. Die Marke Skoda hat<br />
stark aufgeholt und wird heute von<br />
Mitarbeitern aus Technik,<br />
Produktion und Verkauf oft sogar<br />
favorisiert.<br />
anbieter im Gewerbebereich Kataloge<br />
entwickelt, die transparent aufzeigen,<br />
welche Schäden normale Abnutzung<br />
sind und welche nicht.<br />
Wie kann man Nachzahlungen vermeiden?<br />
Offensichtliche Mängel sollte man frühzeitig<br />
reparieren lassen. Werden sie bei<br />
der Autorückgabe entdeckt, kann man<br />
sie in der Regel nicht mehr selbst beheben<br />
lassen, und dann werden sie nachbelastet.<br />
Worauf kommt es bei der Autorückgabe<br />
an?<br />
Die Leasingfirma möchte die Übergabe<br />
gerne genau dokumentieren (Übergabeprotokoll).<br />
Nehmen Sie sich diese Zeit.<br />
Die saubere Dokumentation der Übergabe<br />
hilft, Streit und unerwarteten Forderungen<br />
aus dem Weg zu gehen. Alle<br />
Schäden müssen aufgenommen und<br />
konkret bezeichnet werden. Wer Auseinandersetzungen<br />
befürchtet, kann<br />
vor dem Rückgabetermin bei Sachverständigen<br />
eine Bewertung oder Prüfung<br />
machen lassen. Das hilft, unerwarteten<br />
Forderungen vorzubeugen. Auch wichtig:<br />
Der Gutachter sollte bei der Autorückgabe<br />
vertragsgemässe Abnützungen<br />
von den Mängeln trennen.<br />
Kann man zum Autokauf gezwungen<br />
werden?<br />
Je nach Vertrag. Deshalb Vorsicht bei<br />
Verträgen, wo das Modell nicht klar festgelegt<br />
ist.<br />
Sind Leasingverträge vorzeitig kündbar?<br />
Im Prinzip ja, zum Beispiel wenn sich<br />
eine der beiden Parteien nicht an die<br />
vertraglichen Verpflichtungen hält. So<br />
kann zum Beispiel der Leasinggeber eine<br />
Kündigung aussprechen und den Schadenersatz<br />
verlangen, wenn der Kunde<br />
mit einer gewissen Anzahl Raten im Verzug<br />
ist. Eine vorzeitige Vertragsauflösung<br />
ist in der Regel mit zusätzlichen<br />
Kosten verbunden. Mittlerweile bieten<br />
einige Leasinggeber spezielle Klauseln<br />
zum Ausstieg oder zu Änderungen der<br />
Vertragslaufzeit an. Doch die Modalitäten<br />
sind unterschiedlich und sollten vor<br />
Leasingbeginn geprüft werden.<br />
Worauf ist bei den beliebten Full-Service-Verträgen<br />
im Leasing zu achten?<br />
Wichtig ist, welche Leistungen geboten<br />
werden. Denn es kann vorkommen,<br />
dass ein gängiger Schaden als aussergewöhnliche<br />
Nutzung oder Gewaltschaden<br />
eingestuft und nicht übernommen<br />
wird. Auch bei der Reifenklausel gibt es<br />
Unterschiede. Neben den Kosten für<br />
die Ersatzbereifung sollten auch das<br />
Wechseln, Auswuchten und Einlagern<br />
der Pneus über den Vertrag gedeckt<br />
sein. Da Full-Service-Verträge einiges an<br />
Kosten verursachen, bieten die Leasinggesellschaften<br />
zwei Abrechnungsmöglichkeiten<br />
an. Bei der geschlossenen<br />
Kalkulation vereinbaren Leasinggeber<br />
und Kunde eine monatliche Rate, die<br />
während der gesamten Vertragslaufzeit<br />
Unternehmen unterwegs<br />
konstant bleibt. Das verschafft Planungssicherheit.<br />
Bei der offenen Kalkulation<br />
dagegen bleibt das Kostenrisiko<br />
beim Kunden – die Abrechnung kommt<br />
am Ende. Entweder wartet eine Rückerstattung<br />
oder eine Nachzahlung auf<br />
den Kunden.<br />
Wie lange sollte ein Full-Service-Leasing<br />
dauern?<br />
Das hängt vom Fahrzeugrestwert und<br />
von den Reparaturkosten ab. Das Auto<br />
büsst in den ersten Jahren überproportional<br />
viel an Wert ein, während die Reparaturkosten<br />
mit dem Alter zunehmend<br />
steigen. Ausserdem ist die geplante jährliche<br />
KM-Leistung ein zentraler Bestandteil<br />
für die Laufzeit. Statistiken sprechen<br />
nach drei bis vier Jahren von einem optimalen<br />
Ersatzzeitpunkt, an dem die Addition<br />
von Wertverlust und Reparaturaufwendung<br />
am niedrigsten ist. Jedoch ist<br />
der richtige Zeitpunkt vom Modell abhängig,<br />
deshalb sollte der Leasinggeber<br />
Angebote für verschiedene Laufzeiten<br />
machen. Tendenziell gehen die Laufzeiten<br />
heute in Richtung 48 bis 60 Monate.<br />
Sind steuerliche Aspekte zu beachten?<br />
Da gibt es von mir ein klares Ja. Die<br />
steuerliche Behandlung von Geschäftsfahrzeugen<br />
ist in jedem Land unterschiedlich.<br />
Auch in der Schweiz gibt es<br />
zwischen den Kantonen unterschiedliche<br />
Behandlungen. Diese Aspekte sollten<br />
in jedem Fall gut geprüft und allenfalls<br />
mit der Revisionsstelle oder dem<br />
Steuerberater analysiert werden.<br />
Beat Imwinkelried<br />
ist VR-Delegierter und Geschäftsführer<br />
der Auto-Interleasing AG.<br />
www.auto-interleasing.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 73
Unternehmen unterwegs<br />
Professionelle Anbieter können den bürokratischen Aufwand bei Grenzgängern mit Unternehmensfahrzeugen mindern.<br />
Viele offene Fragen<br />
Die neue Regelung für Firmenfahrzeuge von Grenzgängern<br />
von Martin Erb<br />
Anfangs mehr eine Randnotiz – seit einigen Wochen ein Topthema in vielen Personalabteilungen, Steuerberatungskanzleien<br />
bei Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatungen. Es geht um Grenzgänger, die vom Unternehmen<br />
gestellte Fahrzeuge benutzen. Hier gibt es eine neue europäische Rechtsgrundlage, und die Verwirrung ist gross.<br />
Die seit 1. Mai <strong>2015</strong> wirksam gewordene<br />
Durchführungsverordnung<br />
(EU, <strong>2015</strong>/234 vom 13.02.<strong>2015</strong>)<br />
schränkt die steuer- und zollfreie Nutzung<br />
von in der Schweiz zugelassenen<br />
Firmenfahrzeugen für Arbeitnehmer mit<br />
Wohnsitz in europäischen Nachbarländern<br />
dramatisch ein. Konnten Mitarbeitende<br />
von Schweizer Unternehmen, die<br />
in Italien, Österreich, Frankreich oder<br />
Deutschland wohnen, bis Ende April völlig<br />
unbekümmert und uneingeschränkt<br />
ihr Schweizer Firmenfahrzeug geschäftlich<br />
wie privat über die Landesgrenzen<br />
hinweg nutzen, hat die EU-Bürokratie<br />
nun erhebliche formale und finanzielle<br />
Hürden geschaffen.<br />
Wird das in der Schweiz zugelassene<br />
Firmenfahrzeug von im Ausland wohnenden<br />
Mitarbeitenden auch für private<br />
Fahrten genutzt, was viele Unternehmen<br />
als Teil des Lohns vertraglich zugesichert<br />
haben, so fallen seit dem 1. Mai <strong>2015</strong><br />
für diese Nutzung erhebliche Kosten an.<br />
Alternativ kann die private Nutzung auf<br />
die direkten Fahrten zwischen Wohnung<br />
und Arbeitsstätte eingeschränkt werden.<br />
Wir erachten das als heikel. Einerseits<br />
ist die Gefahr gross, dass der Mitarbeitende<br />
sich doch mal eine kleine Ausnahme<br />
zugesteht, und anderseits wirft<br />
diese Einschränkung die Frage auf, wie<br />
dieser nun wegfallende Lohnanteil kompensiert<br />
werden kann.<br />
Die Neuregelung ist nun in Kraft, und<br />
viele Unternehmen fragen sich: Was für<br />
Alternativen gibt es, und wie sind diese<br />
zu bewerten?<br />
Um es vorweg zu nehmen: Diese Fragen<br />
können zum heutigen Zeitpunkt noch<br />
nicht abschliessend beantwortet werden.<br />
Bei den meisten Firmen sind in der<br />
Zwischenzeit Millionenbeträge an Beratungshonoraren<br />
geflossen, und/oder<br />
unternehmensinterne Fachstellen haben<br />
viele Stunden in Recherchen und Abklärungen<br />
aufgewendet. Die Verunsicherung<br />
bleibt aber trotzdem gross und das<br />
hat mehrere Gründe:<br />
1. Die betroffenen Steuer- und Zollverwaltungen<br />
auf beiden Seiten der<br />
Grenzen sind nicht gut auf die Neuregelung<br />
vorbereitet. Es kommt innerhalb der<br />
Verwaltungen immer wieder zu widersprüchlichen<br />
Aussagen und unterschiedlichen<br />
Interpretationen der Rechtslage.<br />
2. Einige Länder haben sich seitens<br />
der Verwaltungen noch gar nicht positioniert,<br />
was den Beamten vor Ort grossen<br />
Interpretationsspielraum lässt und es<br />
Betroffenen nahezu unmöglich macht, eigene<br />
Rechte wirksam geltend zu machen.<br />
3. Die nationalen Verwaltungen innerhalb<br />
der EU-Staaten haben kein harmonisiertes<br />
Steuerrecht, was insbesondere<br />
die Handhabung der Umsatzsteuer –<br />
die den grössten Teil der möglichen Kostenbelastung<br />
ausmacht – erheblich verkompliziert.<br />
Das, was in Deutschland<br />
hinsichtlich der Umsatzsteuer gilt, gilt<br />
nicht gleichermassen in Frankreich und<br />
schon gar nicht in Italien.<br />
Ein Beispiel und seine Hürden<br />
Das Unternehmen XY beschäftigt einen<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 74
Kadermitarbeiter mit Wohnsitz in Deutschland<br />
und hat diesem Mitarbeiter einen<br />
Dienstwagen auch zur privaten Nutzung<br />
zur Verfügung gestellt. Was ist nun zu tun,<br />
wenn das Fahrzeug wie bisher vom Mitarbeiter<br />
genutzt werden soll?<br />
Das Fahrzeug muss offiziell in Deutschland<br />
zum «freien Verkehr» angemeldet<br />
werden. Dies wiederum zieht Folgendes<br />
nach sich:<br />
1. Der Zeitwert des Fahrzeugs muss<br />
mittels Expertise (zum Beispiel<br />
Euro tax) ermittelt werden.<br />
2. Erstellen einer Proforma-Rechnung<br />
über den Zeitwert.<br />
3. Das Unternehmen muss eine sogenannte<br />
EORI-Registrierung beantragen<br />
(falls noch nicht vorhanden).<br />
4. Für innerhalb der EU produzierte<br />
Fahrzeuge sollte eine Warenverkehrsbescheinigung<br />
(EUR.1) beim<br />
Hersteller oder Importeur beantragt<br />
werden.<br />
5. Zoll-Versteuerungsdeklaration (Formular<br />
für die Verzollung).<br />
6. Das Fahrzeug muss beim Zollamt<br />
vorgeführt werden.<br />
7. Die Zollunterlagen sind stets im<br />
Fahrzeug mitzuführen, damit bei allfälligen<br />
Kontrollen der Nachweis der<br />
Verzollung erbracht werden kann.<br />
8. Eine Kopie des Arbeitsvertrags oder<br />
der Nutzungsüberlassungsvereinbarung<br />
ist ebenfalls mitzuführen,<br />
damit der Fahrer sich als «berechtigter<br />
Nutzer» ausweisen kann.<br />
Mit welchen Kosten ist nun zu rechnen?<br />
Spielt man Fallbeispiele durch, lässt sich<br />
folgende zusammenfassende These wagen:<br />
Für durch deutsche oder französische<br />
Mitarbeiter genutzte und in der<br />
EU produzierte Fahrzeuge fällt ein hoher<br />
Verwaltungsaufwand an, für die Verzollung<br />
entstehen am Ende aber weder Zoll<br />
noch Einfuhrumsatzsteuer. Anders sieht<br />
es für ausserhalb der EU produzierte<br />
Fahrzeuge aus. Für einen BMW X 5, der<br />
in den USA produziert wird, fallen zehn<br />
Prozent Zoll vom Zeitwert an.<br />
Zuständigkeiten beachten<br />
Bei geleasten Fahrzeugen müssen die<br />
Zoll- und Steuerformalitäten durch die<br />
Leasinggesellschaft vorgenommen werden.<br />
Diese entrichten auch die Zölle und<br />
Steuern, belasten sie ihren Kunden aber<br />
weiter, sofern keine Erstattungsmöglichkeiten<br />
bestehen.<br />
Ob das Fahrzeug innerhalb der EU produziert<br />
wurde, kann nur der Importeur<br />
bescheinigen. Zwischenzeitlich werden<br />
auch zahlreiche Modelle asiatischer<br />
oder auch amerikanischer Hersteller in<br />
einem EU-Land produziert. Oder eben<br />
auch umgekehrt – wie das Beispiel des<br />
BMW X 5 zeigt – werden Fahrzeuge europäischer<br />
Hersteller ausserhalb der EU<br />
produziert.<br />
Für die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer<br />
ist eine steuerliche Registrierung<br />
in Deutschland erforderlich, und das Unternehmen<br />
muss steuerpflichtige Umsätze<br />
innerhalb Deutschlands generieren.<br />
Umsätze im Sinne des Gesetzes<br />
generiert ein Unternehmen aber alleine<br />
schon durch den Umstand, dass sein<br />
Mitarbeiter in Deutschland wohnt und<br />
ein Firmenfahrzeug auch privat nutzt.<br />
Dann wird nämlich Umsatzsteuer auf<br />
den sogenannten geldwerten Vorteil<br />
fällig – und zwar in der Schweiz und<br />
in Deutschland. Im Gegenzug können<br />
die Unternehmen dadurch aber die Einfuhrumsatzsteuer<br />
für das Fahrzeug zurückerstattet<br />
bekommen, auch wenn sie<br />
ansonsten keine in Deutschland umsatzsteuerpflichtigen<br />
Geschäfte tätigen.<br />
Unterschiede beachten<br />
Wirtschaftspolitisch ist das Szenario ein<br />
Armutszeugnis: viel Aufwand auf beiden<br />
Seiten, mit hohen Verwaltungskosten<br />
und kaum oder geringen Einnahmen<br />
für den Staat.<br />
In der Praxis stellt sich die Situation in<br />
Frankreich und in Italien etwas anders<br />
dar. Hinsichtlich des Zolls sind die Bestimmungen<br />
identisch. Hinsichtlich der<br />
Einfuhrumsatzsteuer gibt es aber erhebliche<br />
Unterschiede. Neben den unterschiedlichen<br />
Hebesätzen (Österreich<br />
und Frankreich 20 Prozent, Italien 22 Prozent)<br />
regeln diese Länder die Möglichkeit<br />
zur Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer<br />
unterschiedlich.<br />
Alle Einzelheiten, Ausnahmeregelungen<br />
und Besonderheiten darzustellen, würde<br />
den Umfang dieses Artikels sprengen.<br />
Wir empfehlen allen betroffenen Unternehmen,<br />
erfahrene Dienstleistungsunternehmen<br />
zur Erledigung der Formalitäten<br />
einzuschalten. Die anfallenden<br />
Gebühren werden nur einen Bruchteil<br />
der Kosten ausmachen, die anfallen,<br />
wenn man sich selbst durch den Behördendschungel<br />
kämpft.<br />
Unternehmen unterwegs<br />
Aufgrund der eingangs geschilderten<br />
Umstände haben führende Leasinggesellschaften<br />
eine Arbeitsgruppe gebildet,<br />
um schnellstmöglich einen verbindlichen<br />
Überblick zur Situation in den<br />
einzelnen Nachbarländern zu erhalten.<br />
Viele Betroffene haben in den letzten<br />
Wochen mit Recht mehr oder weniger<br />
grossen Verdruss über die Regelungen<br />
entwickelt, was die Einschätzungen gegenüber<br />
der EU sicher nicht verbessert.<br />
Der Fairness halber muss aber gesagt<br />
werden, dass die EU in diesem Jahr erst<br />
das nachgeholt hat, was die Schweizer<br />
Zollbehörden schon seit vielen Jahren<br />
mit aller Konsequenz praktizieren. Deshalb<br />
ist es auch keine Lösung für die<br />
Betroffenen, die Fahrzeuge in Deutschland<br />
oder Frankreich einzulösen oder<br />
Mitarbeitern anstatt des Dienstwagens<br />
eine Entschädigung zu bezahlen, um<br />
auf ein Privatauto umzusteigen. Ein im<br />
Ausland zugelassenes Fahrzeug darf<br />
innerhalb der Schweiz nicht durch einen<br />
Mitarbeiter eines Schweizer Unternehmens<br />
dienstlich genutzt werden. Es fallen<br />
dann sofort Schweizer Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer<br />
an.<br />
Wir möchten den Unternehmen weiter<br />
davon abraten, es «darauf ankommen»<br />
zu lassen und nichts zu tun. Eine Missachtung<br />
der Regelungen stellt ein Zollund<br />
Steuervergehen dar, das strafrechtliche<br />
Konsequenzen haben kann. Darüber<br />
hinaus sind bereits erste Fälle aufgetreten,<br />
bei denen Fahrzeuge beschlagnahmt<br />
wurden und erst nach mehreren<br />
Wochen und erfolgter Verzollung wieder<br />
ausgehändigt wurden.<br />
ist Managing Director der Alphabet<br />
Fuhrparkmanagement (Schweiz) AG.<br />
www.alphabet.ch<br />
Martin Erb<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 75
IT-Sicherheit<br />
Highlight<br />
Ein Server hat die Kontrolle.<br />
Einer für alle – alle für einen<br />
IT-Sicherheit mit Musketier-Effekt<br />
von Andrej Massaro<br />
Tradition ist gut und notwendig. Das gilt auch für IT-Sicherheitslösungen. Ohne die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte<br />
wären Infrastrukturen bei Weitem nicht so gut geschützt, wie sie es heute sind. Allerdings ist das alleinige<br />
Vertrauen auf traditionelle Wege eine Sackgasse. Es müssen neue Wege gefunden werden, modernen Hackerangriffen<br />
einen Riegel vorzuschieben und sich für die Herausforderungen durch immer weiter auflösende Peripherien sowohl<br />
in der Geschäfts- als auch Alltagswelt zu wappnen.<br />
Dass wir gerade jetzt an einem<br />
Scheideweg in Sachen IT-Sicherheit<br />
stehen, zeigen die immer<br />
häufigeren Schlagzeilen über gross angelegte<br />
Cyberattacken oder die Diskussion<br />
über Sinn und Unsinn von dedizierten<br />
Antivirenprogrammen. Egal, ob<br />
Sony oder Deutscher Bundestag, selbst<br />
Systeme, bei denen man getrost davon<br />
ausgehen darf, dass State-of-the-Art-<br />
Lösungen im Einsatz sind, lassen zu<br />
viele Lücken zu. Erkennungsraten top,<br />
die Firewall perfekt eingerichtet, Technologien<br />
wie Advance Threat Protection<br />
installiert – und dennoch Einbrüche über<br />
den Onlinekanal? «Wie kann das sein?»,<br />
werden sich viele fragen. Die Antwort ist<br />
recht einfach. Während bislang mit den<br />
traditionellen Herangehensweisen Hacker<br />
meist ausreichend in die Schranken<br />
gewiesen werden konnten, hat sich<br />
auch der Cyberkriminalismus weiterentwickelt<br />
und ist sehr viel versatiler geworden.<br />
Und genau jene Flexibilität macht<br />
den traditionellen Sicherheitssystemen<br />
zu schaffen, da ihnen die Schwarmintelligenz<br />
fehlt. Sämtliche Funktionen für<br />
sich gesehen funktionieren einwandfrei,<br />
aber entscheidend ist heute, dass alle<br />
diese Systeme intelligent miteinander<br />
verknüpft sind, miteinander kommunizieren.<br />
Nur so lassen sich die Lücken<br />
zwischen den Lösungen schliessen und<br />
die immer ausgeklügelteren Attacken erfolgreich<br />
abblocken. Denn was nutzen<br />
die besten Erkennungsraten des Antivirensystems,<br />
wenn der Schädling über<br />
andere Wege ins System eindringt und<br />
unerkannt sein Werk vollbringen kann?<br />
Das Wanken stoppen<br />
Die Nutzung neuer Technologien wie<br />
Cloud, Big Data sowie die Möglichkeit,<br />
verschiedene IT-Security-«Silos»<br />
(zum Beispiel Netzwerk, Endpoint, Mobile)<br />
miteinander zu verknüpfen, bietet<br />
enorme Möglichkeiten. Aus diesem<br />
Grund müssen innovative IT-Security-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 76
IT-Sicherheit<br />
1. Sicherheit muss umfassend sein:<br />
Eine Lösung muss alle Funktionen beinhalten,<br />
die notwendig sind, um die Sicherheitsanforderungen<br />
gänzlich zu erfüllen<br />
– egal, ob Netzwerk, Server oder<br />
Nutzer.<br />
2. Sicherheit muss<br />
einfach zu managen sein:<br />
Diese Einfachheit darf sich nicht auf einzelne<br />
Bereiche beschränken, sondern<br />
muss sich auf alle Aspekte der Lösung<br />
erstrecken, u. a. auf die Bereitstellung,<br />
Verwaltung, Lizenzierung, den Support<br />
und die Bedienung.<br />
3. Sicherheit ist effektiver im Teamplay:<br />
Wenn Technologiekomponenten kommunizieren<br />
und kooperieren, anstatt isoliert<br />
voneinander zu agieren, ergeben<br />
sich ganz neue Möglichkeiten.<br />
Eine echte Sicherheitsintegration<br />
Wir alle kennen die Vorteile einer Integration<br />
mehrerer Produkte in eine<br />
zentrale Management-Konsole: Kostensenkungen,<br />
einheitlichere Richtliniendurchsetzung<br />
und einfachere Verwaltung.<br />
Eine echte Integration sollte<br />
aber auch den Schutz verbessern. Herkömmliche<br />
mehrschichtige Sicherheit<br />
gleicht einem Bürogebäude, das von<br />
zwei Wachmännern gesichert wird: einer<br />
draussen und einer drinnen. Zwei<br />
Wachmänner zu haben ist sinnvoll,<br />
denn wenn der Wachmann draussen<br />
übersieht, dass jemand sich ins Gebäude<br />
schleicht, besteht immer noch<br />
die Chance, dass der Wachmann drinnen<br />
den Eindringling bemerkt. Solange<br />
die zwei Wachmänner jedoch unabhängig<br />
voneinander agieren und nicht<br />
miteinander kommunizieren, muss der<br />
Eindringling sich nur an jedem der beiden<br />
vorbeischleichen und kann dann<br />
sein Unwesen treiben. Stellen Sie sich<br />
jetzt vor, dass die zwei Wachmänner<br />
mit Funksprechgeräten ausgestattet<br />
werden, um miteinander kommunizieren<br />
zu können, und darauf geschult<br />
werden, im Team zu arbeiten. Wenn<br />
der Wachmann draussen nun ein verdächtiges<br />
Geräusch hört, kann er den<br />
Wachmann drinnen informieren. Wenn<br />
der Wachmann drinnen jemanden aus<br />
dem Gebäude rennen sieht, kann er<br />
den Wachmann draussen informieren,<br />
damit dieser den Fluchtweg versperrt.<br />
Durch diese einfache Zusammenarbeit<br />
wird die Sicherheit des Gebäudes deutlich<br />
erhöht.<br />
Strategien auf die intelligente Kommunikation<br />
ihrer einzelnen Lösungen ausgerichtet<br />
sein. Ansonsten gerät unser<br />
heutiges Sicherheitskonzept zunehmend<br />
ins Wanken. Informationssicherheits-<br />
Experten sehen sich mit bruchstückhaften<br />
Lösungen konfrontiert, die unvollständig,<br />
kompliziert und ineffektiv sind.<br />
Als Folge nehmen Sicherheitsvorfälle wie<br />
Systemkompromittierungen und Datenpannen<br />
sowie entsprechende Schadensfälle<br />
immer mehr zu. Laut dem Verizon<br />
Data Breach Investigations Report <strong>2015</strong><br />
gab es im Jahr 2014 knapp 80’000 gemeldete<br />
Vorfälle, 2013 waren es noch<br />
rund 63’000 Meldungen. Dieser starke<br />
Zuwachs und die Aussage, dass keine<br />
Industrie sowie keine Unternehmensgrösse<br />
vor Angriffen gefeit ist, machen<br />
deutlich, dass das aktuelle Sicherheitskonzept<br />
der Zukunft neu überdacht werden<br />
muss, um sowohl punkto Effektivität<br />
als auch Management unabhängig von<br />
personellen Voraussetzungen mithalten<br />
zu können. Das bedeutet im Klartext:<br />
Sicherheit braucht umfassende Lösungen.<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 77
IT-Sicherheit<br />
Ein gemeinsames Dach<br />
Ein weiteres Beispiel für eine Vernetzung<br />
bestehender IT-Lösungen wäre<br />
ein sogenanntes «Compromise Center»,<br />
das verdächtige Ereignisse von<br />
mehreren Endpoints, Servern und Netzwerkgeräten<br />
zusammentragen kann.<br />
Zu solchen Ereignissen gehören beispielsweise<br />
Fehlversuche einer Software,<br />
ihre Berechtigungen zu erhöhen,<br />
das heisst wie ein Administrator zu handeln,<br />
der Versuch einer Anwendung, die<br />
nicht auf der Whitelist des Servers aufgeführt<br />
ist, auf dem Server zu laufen,<br />
oder eine Netzwerkverbindung zu einem<br />
mutmasslich kriminellen «Command-and-Control»-Server.<br />
Dank Big-<br />
Data-Analysen und Know-how kann ein<br />
solches Compromise Center diese Ereignisse<br />
korrelieren und infizierte Systeme<br />
und Netzwerkinfektionen erkennen.<br />
Wenn dann auch noch die zentrale<br />
Verwaltung mehrerer Produkte über die<br />
Cloud erfolgt, kann die komplette Bandbreite<br />
der in diesen Produkten verfügbaren<br />
Kontrollen – zum Beispiel Dateiverschlüsselung,<br />
Malware-Beseitigung,<br />
Netzwerkisolation – genutzt werden, um<br />
Daten zu schützen und andere Schäden<br />
abzuwenden. Das Ergebnis ist eine<br />
bessere Abwehr, Erkennung und Beseitigung<br />
von Malware und modernen Bedrohungen<br />
– wahlweise sogar komplett<br />
und einfach über die Cloud verwaltet.<br />
Eine nachhaltige Sicherheitslösung verlangt Teamplayer, wie bei dem historischen Vorbild.<br />
ten: Eine hoch entwickelte Bedrohung,<br />
die ansonsten vielleicht unentdeckt<br />
bliebe, wird gefunden und automatisch<br />
unschädlich gemacht – ganz ohne zeitraubende<br />
oder fehleranfällige Nachforschungen<br />
und Analysen durch die IT.<br />
Nicht hilflos<br />
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass<br />
wir den immer komplexeren Malware-<br />
Attacken keinesfalls hilflos gegenüberstehen<br />
müssten. Auch dann nicht, wenn<br />
das nötige Budget oder das Personal<br />
fehlt, um den ganzen IT-Security-Flickenteppich,<br />
der bislang oftmals vorherrschte,<br />
am Laufen zu halten Ein einheitliches<br />
System, bei dem die einzelnen<br />
Sicherheitsstufen effektiv und zentral<br />
gesteuert zusammenarbeiten, ist nicht<br />
nur wirksamer, sondern spart zudem<br />
auch noch Geld. Denn eine Umstrukturierung<br />
muss nicht zwangsläufig ein<br />
höheres Budget bedeuten. Der richtige<br />
Mix aus Tradition und Innovation macht<br />
IT-Sicherheit stark für die Aufgaben der<br />
Zukunft. Denn eines ist klar: Die Malware-Evolution<br />
ist bereits in vollem<br />
Gange. Jetzt müssen IT-Sicherheitslösungen<br />
die Musketiere rauslassen und<br />
konzertiert ihre Degen ziehen!<br />
Mit der Zunahme raffinierter Bedrohungen,<br />
die verschiedenste Techniken anwenden,<br />
um Abwehrmassnahmen zu<br />
überlisten, wird es immer schwieriger,<br />
Systeme mit nur einer Schutzschicht<br />
umfassend zu schützen. Es ist an der<br />
Zeit, dass Sicherheitsprodukte zusammenarbeiten<br />
und Informationen austauschen.<br />
So erhalten wir einen Schutz, der<br />
nicht nur einfacher, sondern auch effektiver<br />
ist. Konkret sieht dieses Konzept<br />
zum Beispiel so aus, dass eine<br />
Unified Threat Management (UTM) erkennt,<br />
wenn ein Endpoint kompromittiert<br />
wurde, den Endpoint benachrichtigt,<br />
damit dieser Massnahmen ergreifen<br />
kann, den Administrator informiert und<br />
den Endpoint vom Internet isoliert. Der<br />
Endpoint kann die Schadanwendung<br />
unterdessen identifizieren und beenden<br />
sowie an die UTM und den Administrator<br />
zurückmelden, welche Massnahme<br />
genau ergriffen wurde. Mit anderen Worist<br />
Regional Manager Switzerland<br />
bei Sophos.<br />
www.sophos.com<br />
Andrej Massaro<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 78
IT-Sicherheit<br />
Acht Stufen meistern<br />
Nachhaltige Cyber-Sicherheit<br />
von Martin Andenmatten<br />
Widerstandsfähigkeit wird zum kritischen Erfolgsfaktor, um Cyber-Attacken zu überleben. Der folgende Beitrag<br />
analysiert die Situation und gibt einige strategische Hinweise.<br />
Man ist sich heute bewusst, dass<br />
mit der Nutzung von Cloud-<br />
Diensten nicht nur enorme<br />
Chancen offenbart werden, sondern<br />
darin auch grosse Risiken schlummern.<br />
Insbesondere die Sicherheit der Daten,<br />
welche in die Wolke verschoben wird,<br />
könnte kompromittiert werden und in falsche<br />
Hände gelangen. Verantwortungsbewusste<br />
Unternehmen wählen daher<br />
auch sehr gezielt die Datenbereiche aus,<br />
welche überhaupt mit Cloud-Diensten<br />
bearbeitet werden dürfen. Andere denken<br />
sich, dass niemand ernsthaft an ihren<br />
Daten interessiert sein kann und gehen<br />
diesbezüglich etwas sorgloser damit<br />
um. Dies gilt im geschäftlichen wie aber<br />
insbesondere auch im persönlichen Bereich.<br />
Eine Trennung in den Netzen ist<br />
heute kaum realisierbar, da alle mit ihren<br />
eigenen privaten mobilen Gerätschaften<br />
arbeiten.<br />
Was sich die wenigsten Unternehmen<br />
heute aber wirklich bewusst sind, ist die<br />
Tatsache, dass über ihre Firmennetze<br />
bereits mehrere hundert Cloud-Services<br />
genutzt werden, ohne dass die Verantwortlichen<br />
überhaupt Kentniss davon<br />
haben. Sie denken, niemals in ihrem<br />
Haus? Die Firma Skyhigh Networks<br />
(skyhighnetworks.com) ist auf das Aufspüren<br />
und Risikobewerten von Netzwerkverkehr<br />
in Unternehmen spezialisiert.<br />
Gemäss ihren Erfahrungen werden<br />
in Unternehmen heute durchschnittlich<br />
pro Monat weit mehr als 1 000 Cloud-<br />
Services genutzt. Und dies nicht etwa<br />
primär in Gross-, sondern explizit auch<br />
in mittleren Unternehmen.<br />
Durch den Einsatz mobiler Geräte, Vermischung<br />
von privater und geschäftlicher<br />
Nutzung im Firmennetz werden<br />
heute im Durchschnitt bis zu 27 Cloud-<br />
Apps pro Mitarbeiter verwendet, insbesondere<br />
in den Bereichen Collaboration,<br />
Social Media, Content Sharing und<br />
File Sharing. Auch wenn Unternehmen<br />
heute Dienste wie Dropbox oder Facebook<br />
in ihrem Firmennetz ausschliessen,<br />
gibt es Mittel und Wege, an die<br />
Dienste zu kommen oder Ersatz-Services<br />
zu nutzen. Bei der Analyse dieser<br />
Services stellt sich zudem heraus, dass<br />
vielfach mehr als 100 Dienste in Anspruch<br />
genommen werden, von denen<br />
bekannt ist, dass diese für Cyber-Attacken<br />
genutzt werden. Es werden zudem<br />
monatlich mehrere Gigabyte Daten<br />
in Cloud-Dienste verschoben, welche<br />
bekannterweise aus risikoreichen und<br />
zweifelhaften Ländern betrieben werden.<br />
Es herrscht ein regelrechter Cyber-Krieg.<br />
Während man einerseits bemüht<br />
ist, alle erdenklichen Massnahmen<br />
zu ergreifen, um gefährliche Services<br />
und Quellen zu unterbinden, rüsten sich<br />
Anbieter von solchen Diensten mit immer<br />
neuen Möglichkeiten, um an die Benutzer<br />
zu gelangen. Es sind dabei nicht<br />
bloss Fälle von Phishing-Mails oder Viren-Attacken<br />
– es sind heute vielfach<br />
gezielte Attacken auf Firmen und Einzelpersonen,<br />
um an sensitive Informationen<br />
zu gelangen. Man nennt dies sinnigerweise<br />
auch «Whaling», der gezielte<br />
Angriff auf «grosse Fische».<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 80
Die Anwender lieben die meist kostenlosen<br />
Cloud-Services und finden immer<br />
neue Wege, um an Services zu gelangen,<br />
welche aktuell vom Unternehmen<br />
noch nicht blockiert sind. Es sind daher<br />
nicht primär die Daten, welche man<br />
aus Sicht des Unternehmens bewusst<br />
in externen Cloud-Services gespeichert<br />
hat, welche in Gefahr sind. Gefährdet ist<br />
mittlerweile das gesamte System des<br />
Unternehmens, weil der Angriff über die<br />
verschiedensten Kanäle möglich ist.<br />
Das ist heute die Realität. Wenn wir<br />
über Cyber-Risiken sprechen, dann ist<br />
es keine Frage, ob man betroffen wird –<br />
es ist eher eine Frage, wann es klingelt.<br />
Und wenn wir auch alles unternehmen,<br />
um diese High-Risk-Services in den Griff<br />
zu bekommen, wird das Unternehmen<br />
früher oder später auf dem linken Fuss<br />
erwischt. Je nach Vorfall kann dies die<br />
Existenz eines Unternehmens ernsthaft<br />
gefährden.<br />
Prävention reicht nicht mehr aus<br />
Es wird heute bereits sehr viel in die<br />
Sicherheit von Unternehmensnetzwerken<br />
investiert. Man schätzt, dass davon<br />
zirka 80 Prozent in der Prävention<br />
und damit Vermeidung von Sicherheitsattacken<br />
angelegt wird. Dabei wird Sicherheit<br />
noch zu stark als Aufgabe einer<br />
dafür spezialisierten Funktion innerhalb<br />
der Organisation verstanden – oder extern<br />
ausgelagert. Man kauft sich damit<br />
oft bloss eine Scheinsicherheit ein. Technische<br />
Massnahmen verhelfen oft nur zu<br />
Punktlösungen. Das System ist trotzdem<br />
löchrig wie ein Schweizer Käse.<br />
Das Risiko, als Person oder Unternehmen<br />
durch Cyber-Attacken getroffen<br />
zu werden, steigt zunehmend. Nie war<br />
es einfacher für Cyber-Kriminelle, an ihr<br />
Ziel zu kommen. Wir müssen erkennen,<br />
dass die Tage der Implementierung von<br />
Sicherheitssystemen und sich dann zurückzulehnen,<br />
definitiv vorbei sind.<br />
Die traditionell auf Prävention ausgerichtete<br />
Informationssicherheit genügt daher<br />
nicht mehr. Die Widerstandsfähigkeit und<br />
damit das Erkennen und entsprechend<br />
Reagieren auf Sicherheitsverletzungen<br />
wird ein Überlebensmerkmal von Organisationen<br />
in der Zukunft sein. Wenn<br />
man davon ausgeht, dass man getroffen<br />
wird – so sollte man sicherstellen, dass<br />
dies nicht zu hart geschieht. Prävention<br />
ist sicher wichtig, aber es braucht auch<br />
eine ausgeglichene Investition in die Erkennung<br />
von Attacken und in die Reaktionsmassnahmen<br />
im Ereignisfall. Das<br />
Wichtigste aber ist, dass Cyber Security<br />
– oder besser Cyber Resilience in<br />
der Agenda der Geschäftsführung einen<br />
festen Platz erhält. Das Thema darf nicht<br />
mehr den Experten alleine überlassen<br />
werden, welche in der Organisation oft<br />
nicht wirklich verstanden werden. Die<br />
Lücke des Wissens zwischen den Experten<br />
und dem Rest der Organisation<br />
ist vielfach so gross, dass die heutigen<br />
Sicherheitsmassnahmen nur zur Hälfte<br />
wirken. Der Mitarbeiter ist das höchste<br />
Gut in einer Organisation – er ist aber<br />
bezüglich der Cyber-Kriminalität auch<br />
der kritischste Erfolgsfaktor. Wenn er<br />
nicht wirklich in den Schutzprozess eingebunden<br />
und sein Bewusstsein auf die<br />
Risiken geschärft wird, bleibt er immer<br />
die grösste Schwachstelle im System.<br />
Eine ganzheitliche Cyber Resilience<br />
Die Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-<br />
Attacken muss in die Firmenstrategie und<br />
in das Betriebskonzept des Unternehmens<br />
integriert werden. Mit folgenden acht Stufen<br />
kann eine Organisation sich auf das<br />
Unvermeidbare besser vorbereiten:<br />
1. Machen Sie das Thema Cyber Security<br />
zur Chefsache. Cyber-Kriminalität<br />
ist eine Gefahr für das Unternehmen<br />
und darf nicht technischen<br />
Experten alleine überlassen werden.<br />
2. Sind Sie sich der Verletzbarkeit Ihrer<br />
Assets und damit Ihres Unternehmens<br />
bewusst. Führen Sie<br />
dazu ein ganzheitliches Risiko-<br />
Assessment durch und erstellen<br />
Sie für Ihr Unternehmen eine Bedrohungsanalyse.<br />
Berücksichtigen<br />
Sie dabei nicht bloss technische,<br />
sondern insbesondere auch nicht<br />
technische Angriffsflächen.<br />
3. Stellen Sie den Menschen, insbesondere<br />
Ihre Mitarbeiter, Kunden<br />
und Lieferanten ins Zentrum<br />
der Massnahmen und sorgen Sie<br />
für ein Risiko- und Verhaltens-Bewusstsein.<br />
4. Stützen Sie sich auf bewährte Cyber-Sicherheitspraktiken<br />
ab. Dabei<br />
geht es nicht um eine einzelne<br />
Handlung oder Technik – es ist vielmehr<br />
eine ausgewogene Mischung<br />
von Präventions-, Erkennungs- und<br />
Korrektur-Aktivitäten abgestimmt<br />
mit Prozessen, Technologie und<br />
involvierten Personen.<br />
IT-Sicherheit<br />
5. Planen Sie für das Schlimmste. Sie<br />
können nicht alle Attacken verhindern<br />
– aber Sie können sich für<br />
das Schlimmste vorbereiten. Die<br />
Fähigkeit, Datenverlust zu verhindern,<br />
den Service innert kurzer Zeit<br />
wieder herzustellen und damit das<br />
Vertrauen der Kunden und Lieferanten<br />
aufrechtzuerhalten, wird<br />
zum Überlebensfaktor von Unternehmen<br />
in Zukunft.<br />
6. Haben Sie ein spezielles Auge auf<br />
versteckte Gefahren von Drittanbietern<br />
und Geschäftspartnern. Sicherheitsbewusste<br />
Unternehmen<br />
verstehen, dass Bedrohungen hinsichtlich<br />
der Datensicherheit vor<br />
allem aus mehreren Quellen und<br />
Richtungen, auch von vertrauenswürdigen<br />
Drittparteien wie Lieferanten,<br />
Partnern und anderen assoziierten<br />
Unternehmen stammen<br />
können.<br />
7. Beachten Sie auch die Gefahren<br />
von internen Bedrohungen. Die<br />
grösste Gefahr geht vielfach von<br />
internen Quellen aus, in aller Regel<br />
von privilegierten Accounts.<br />
8. Stellen Sie die Cyber-Sicherheit<br />
fortlaufend sicher. Neue Mitarbeiter<br />
werden eingestellt, neue Partnerschaften<br />
gebildet und aufgelöst.<br />
Jedes Mal können neue Sicherheitsrisiken<br />
auftreten, welchen man<br />
sich laufend bewusst sein muss.<br />
Cloud-Dienste haben ein enormes Potenzial<br />
für die weitere Digitalisierung der<br />
Geschäftsprozesse. Unternehmen müssen<br />
aber lernen, mit den Gefahren umzugehen,<br />
um den Nutzen auch nachhaltig<br />
geniessen zu können.<br />
ist Gründer und Geschäftsführer<br />
der Glenfis AG.<br />
www.glenfis.ch<br />
Martin Andenmatten<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 81
IT-Sicherheit<br />
Strategisches Vorgehen<br />
Das IT-Sicherheitskonzept<br />
Wer hat wann zu welchen Daten Zugriff?<br />
von Andreas Wisler<br />
Die Grundlagen für jede IT-Umgebung sind ein IT-Konzept und darauf aufbauend ein IT-Sicherheitskonzept. Beide<br />
Dokumente sind von der Firmenstrategie abgeleitet.<br />
Das IT-Sicherheitskonzept beschreibt<br />
die notwendigen Massnahmen<br />
zur Realisierung und Aufrechterhaltung<br />
des für das Unternehmen<br />
angemessenen, definierten Sicherheitsniveaus.<br />
Das IT-Sicherheitskonzept betrifft<br />
alle Stufen: Die Geschäftsleitung ist<br />
ebenso beteiligt wie die IT-Leitung, die IT-<br />
Abteilung und die Mitarbeiter. Sollte einer<br />
der Genannten nicht an Bord sein, droht<br />
schon hier der Keim des Scheiterns.<br />
Damit ein IT-Sicherheitskonzept erstellt<br />
werden kann, müssen vier Fragen beantwortet<br />
werden:<br />
1. Was will ich schützen?<br />
2. Wogegen soll ich mich schützen?<br />
3. Wie kann ich diesen Schutz erzielen?<br />
4. Kann ich mir diesen Schutz leisten?<br />
Die Frage nach dem Schutzbedarf<br />
Die erste Frage gilt dem Schutzbedarf.<br />
Was will ich schützen? Die drei Grundwerte<br />
Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit<br />
helfen, diese Frage zu beantworten.<br />
Die Verfügbarkeit gibt an, welche Systeme,<br />
Prozesse, Abläufe und Personen<br />
für welche Situation zur Verfügung stehen<br />
müssen. Unter der Integrität wird die<br />
Unversehrtheit der Daten verstanden.<br />
Die Vertraulichkeit schützt die Daten vor<br />
fremden Blicken. Immer wichtiger wird<br />
der vierte Grundwert: die Nicht-Abstreitbarkeit.<br />
Es muss klar ersichtlich sein,<br />
wer etwas gemacht beziehungsweise<br />
verändert hat.<br />
Die Frage nach dem Wogegen<br />
Ein Unternehmen muss sich klar sein,<br />
welche Gefährdungen einwirken können<br />
und ab welchem Punkt ein Schaden bedrohlich<br />
wird. Hier gilt es, verschiedene<br />
Szenarien und die Folgen abzuschätzen.<br />
Dies können zum Beispiel Stromausfall,<br />
Wassereinbruch, Mitarbeiterabsenz,<br />
Systemabsturz, Malware, Hacker oder<br />
Sabotage sein. Die Grundschutzkataloge<br />
des BSI (Bundesamt für Sicherheit<br />
in der Informationstechnik) zählen eine<br />
Vielzahl von weiteren Gefährdungen auf.<br />
Massnahmenauswahl einleiten<br />
Aus dem Schutzbedarf und der Risikoanalyse<br />
leiten sich Massnahmen ab und<br />
weitere strategische Fragestellungen.<br />
Welche Massnahmen sind möglich?<br />
Damit auch verbunden, welche Gefährdungen<br />
kann eine einzelne Massnahme<br />
abdecken? Hat diese allenfalls Einfluss<br />
auf andere Gefährdungen oder Massnahmen?<br />
Welche Bereiche werden zusätzlich<br />
tangiert? Je nachdem, welche<br />
Bereiche abgedeckt werden, sind mehr<br />
Personen, eventuell sogar Externe involviert,<br />
oder es müssen allenfalls Prozesse<br />
angepasst werden. Eine zentrale<br />
Frage ist auch der Nutzen. Was bringt<br />
es mir, wenn ich eine Massnahme umsetze?<br />
Habe ich anschliessend die Ressourcen,<br />
diese Massnahme aufrechtzuerhalten?<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 82
IT-Sicherheit<br />
Inhaltsverzeichnis eines IT-Sicherheitskonzeptes<br />
> Grundlage, Zweck<br />
Die Einleitung beschreibt die<br />
Grundlagen der Firma, die<br />
Infrastruktur und die vorhandenen<br />
Mittel (Infrastruktur, Mitarbeiter<br />
und Prozesse).<br />
> Anforderungen Infrastruktur<br />
Die Anforderungen an eine<br />
Infra struktur sind zahlreich. Jede<br />
Abteilung hat andere Ansprüche<br />
an die Umgebung. Daher ist es<br />
sinnvoll, die Funktionen und<br />
Prozesse über alle Stufen<br />
aufzuschreiben.<br />
> Anforderungen Sicherheit<br />
Mit diesen Anforderungen leiten<br />
sich die Bedürfnisse an die (IT-)<br />
Sicherheit ab.<br />
> Sicherheitsorganisation<br />
> Zuständigkeiten<br />
Die Sicherheit gehört in den<br />
Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung.<br />
Die Verantwortung<br />
kann gemäss Gesetz nicht<br />
delegiert werden. Jedoch können<br />
weitere Stellen bestimmt werden,<br />
die für (Teil-)Bereiche zuständig<br />
sind und gegenüber der Geschäftsführung<br />
Bericht ablegen.<br />
> Rahmen für die<br />
Informations-Sicherheit<br />
Das IT-Sicherheitskonzept muss<br />
von der Geschäftsleitung initiiert<br />
werden. Die IT-Leitung erstellt<br />
Anforderungen an die Informatik-<br />
Umgebung und schlägt Lösungen<br />
vor. Diese werden durch die<br />
Geschäftsleitung genehmigt.<br />
> Pflege und Wartung des<br />
Sicherheitskonzepts<br />
Die Anforderungen an eine<br />
IT-Infrastruktur wechseln ständig.<br />
Auch das Umfeld der Firma ändert<br />
sich sehr schnell. Das IT-Sicherheitskonzept<br />
muss den veränderten<br />
Bedingungen Rechnung tragen.<br />
> Sicherheit beim Personal<br />
> Vertraulichkeitsvereinbarung<br />
Informationen der Firma gehören<br />
auch der Firma und stellen das<br />
Potenzial beziehungsweise den<br />
wirtschaftlichen Vorteil gegenüber<br />
Mitbewerbern dar. Dieses Wissen<br />
muss geschützt werden. Alle<br />
Mitarbeiter werden schriftlich zur<br />
Vertraulichkeit verpflichtet.<br />
> Mitarbeiterausbildung in<br />
Sicherheitsfragen<br />
Nur was bekannt ist, kann auch<br />
gelebt werden. Die Mitarbeiter sind<br />
in regelmässigen Abständen zu<br />
sensibilisieren.<br />
> Reaktion auf sicherheitsrelevante<br />
Ereignisse und Schwachstellen<br />
Wie wird auf unerwartete Ereignisse<br />
reagiert? Sollte ein Ereignis<br />
eintreten, sollte bekannt sein, wie<br />
dieses behandelt wird.<br />
> Physische Sicherheit<br />
> Sicherheitsbereiche<br />
Welches sind besonders<br />
schützens werte Bereiche? Dazu<br />
zählt zum Beispiel der Serverraum.<br />
> Verkabelung, Wireless LAN<br />
Die Verkabelung gehört ebenfalls<br />
in die physische Sicherheit. Kabel<br />
sollten nicht durch ungeschützte<br />
Bereiche führen. Auch kabellose<br />
Netzwerke sind in die Planung<br />
aufzunehmen.<br />
> Betrieb von Systemen<br />
und Netzwerken<br />
> Operative Verfahren<br />
und Aufgaben<br />
Daily-Business der Administratoren:<br />
Welche Dienste und Protokollierungen<br />
sind regelmässig zu<br />
kontrollieren?<br />
> Systemplanung und -abnahme<br />
Neue Systeme sind auf die Verträglichkeit<br />
mit den bestehenden Mitteln<br />
zu testen. Dazu gehört ein Kontrollund<br />
Abnahmeverfahren.<br />
> Systemverwaltung<br />
Systeme werden regelmässig<br />
angepasst (zum Beispiel durch<br />
Patches, Updates, neue Versionen).<br />
Alle Änderungen sind zu protokollieren.<br />
> Internet<br />
Das Internet ist eine ideale<br />
Informationsquelle. Ebenso leicht<br />
ist es, unerwünschte Software<br />
einzuschleusen. Die gewählten<br />
Massnahmen sind festzuhalten<br />
und zu kommunizieren.<br />
> Schutz gegen Malware<br />
Der Schutz davor muss durch ein<br />
mehrstufiges Verfahren sichergestellt<br />
werden.<br />
> Zugriffskontrolle<br />
> Benutzer Administration<br />
Dieser Punkt behandelt die Art der<br />
Identifikation, der Kontrolle und der<br />
Administration der Benutzer<br />
(Gruppen, Rechte, Vergabe und<br />
Einschränkungen)<br />
> Betriebssystem-Zugriffskontrolle<br />
Wie wird der Zugriff auf das<br />
System geregelt? Wie werden die<br />
Zugriffe kontrolliert?<br />
> Einsatz mobiler Geräte<br />
Mobile Geräte sind sehr schwer zu<br />
kontrollieren, da sie oft unterwegs<br />
sind. Bevor sie jedoch an das<br />
Firmennetz angeschlossen werden,<br />
müssen verschiedene Kontrollen<br />
stattfinden (Patches oder Malware)<br />
> Unterhalt von Informationssystemen<br />
> Änderungswesen<br />
Änderungen an Systemen und<br />
Abläufen sind schriftlich festzuhalten,<br />
zum Beispiel in einem Logbuch.<br />
> Not-Organisation<br />
> Welche Mittel sind für einen<br />
eingeschränkten Betrieb notwendig?<br />
Gibt es Ausweichmöglichkeiten<br />
(andere Gebäude, Lieferanten-<br />
und Wartungsverträge)?<br />
> Einhaltung und Überprüfung<br />
der Aufgaben<br />
> Konformität mit gesetzlichen<br />
Angaben<br />
Gesetzlichen Anforderungen müssen<br />
bekannt sein und eingehalten werden<br />
> Überprüfung der Sicherheitspolitik<br />
und der technischen Konformität<br />
Regelmässige Überprüfungen<br />
durch interne und externe Stellen<br />
gewährleisten, dass das Konzept<br />
aktuell und komplett ist.<br />
> Anhänge<br />
> Gefährdung und Risikoanalyse<br />
Inkl. Restrisiken<br />
> IT-Strategie und -Organisation<br />
> Betrieb der IT-Struktur<br />
> Nutzung von PC, Netzwerk<br />
und Online-Diensten<br />
> Nutzung von Hard- und Software<br />
> Backup-Konzept<br />
> Backup-Plan<br />
> Firewall-Konzept<br />
> Akzeptierte Ausfallzeiten<br />
und Not-Organisation<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 83
IT-Sicherheit<br />
Verantwortlichkeiten sind klar zu definieren.<br />
Sobald Massnahmen für die einzelnen<br />
Bereiche definiert wurden, gilt es, diese<br />
zusammenzufassen und Synergien zu<br />
finden.<br />
Wirtschaftlichkeit einbeziehen<br />
Schlussendlich dreht sich alles um das<br />
Geld. Kann und will ich mir diesen Schutz<br />
leisten? Es ist wichtig zu definieren, welchen<br />
Schaden eine Gefährdung anrichten<br />
kann. Teilen Sie die Auswirkungen<br />
in Kategorien von niedriger bis mittlerer<br />
Schaden, hoher Schaden und sehr hoher<br />
Schaden ein. Dort, wo der Schaden am<br />
grössten ist, sollten die ersten Massnahmen<br />
umgesetzt werden.<br />
Allerdings: Nicht alle Massnahmen können<br />
umgesetzt werden. Dieses Restrisiko<br />
muss bewusst durch die Geschäftsleitung<br />
getragen werden.<br />
Strategisches Vorgehen<br />
Mit den Antworten auf diese vier Fragen<br />
kann das weitere Vorgehen definiert werden.<br />
Die Resultate sind zu bewerten und<br />
detailliert auszuarbeiten. Damit verbunden<br />
sind die finanziellen und personellen<br />
Aufwände. Mit der Auswahl der Massnahmen<br />
kann auch die Reihenfolge definiert<br />
werden. Welche Massnahmen sind<br />
zeitkritisch? Welche Massnahmen lassen<br />
sich auch später noch realisieren? Was<br />
konsolidiert werden kann, sollte auch<br />
gleichzeitig umgesetzt werden.<br />
Der wichtigste Punkt bei der Umsetzung<br />
sind die Verantwortlichkeiten. Wer trägt<br />
die Verantwortung für eine Massnahme?<br />
Nur wer sich verpflichtet fühlt, wird auch<br />
das Zepter in der Hand halten.<br />
Gleichzeitig mit der Umsetzung stellen<br />
begleitende Massnahmen einen wichtigen<br />
Handlungsrahmen dar. Die Schulung<br />
und die Sensibilisierung von Mitarbeitern<br />
sind wichtig. Die Mitarbeiter müssen genug<br />
früh auf die Umstellungen vorbereitet<br />
werden, um möglichen Missverständnissen<br />
vorzubeugen.<br />
Verantwortung festlegen<br />
Eine regelmässige Kontrolle ist notwendig,<br />
um Abweichungen und veränderte<br />
Bedingungen zu erkennen und Anpassungen<br />
zu treffen. Die Verantwortlichkeiten<br />
sind entsprechend festzuhalten.<br />
Sollte es zu Änderungen kommen, ist<br />
das Management miteinzubeziehen und<br />
die entscheidenden Schritte zu treffen.<br />
Denken Sie auch hier daran, frühzeitig<br />
alle Mitarbeiter über die veränderten<br />
Situationen zu orientieren.<br />
Zusammenfassung<br />
Ein IT-Sicherheitskonzept ist nicht in einem<br />
Tag erstellt. Die Vorbereitungsarbeiten<br />
nehmen viel Zeit in Anspruch. Doch<br />
diese Zeit lohnt sich. Massnahmen, die<br />
sich auf kritische Systeme auswirken,<br />
sollten anschliessend im ersten Schritt<br />
umgesetzt werden. Halten Sie fest, wer<br />
die Verantwortung für die Umsetzung<br />
und Kontrolle von Massnahmen trägt.<br />
Während und nach der Umsetzung gilt<br />
es, die Massnahmen zu kontrollieren, sei<br />
dies durch interne oder externe Stellen.<br />
Schulen und sensibilisieren Sie alle Stufen,<br />
von der Geschäftsleitung bis zum<br />
Mitarbeiter. So wird auch Ihr Konzept<br />
zum Erfolg!<br />
Andreas Wisler<br />
(CISSP, CISA, ISO 22301 + 27001 Lead-<br />
Auditor) ist Geschäftsführer und Senior-<br />
Security-Auditor bei der goSecurity<br />
GmbH, welche IT-Sicherheitsüberprüfungen<br />
und -beratungen durchführt.<br />
Weiter unterrichtet er unter anderem an<br />
der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
FHNW IT-Sicherheitsthemen.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 84
IT-Sicherheit<br />
Es geht um die lückenlose Überwachung aller Ereignisse.<br />
Cyber Threat Management<br />
Während Sie dies lesen, werden Sie vielleicht gerade gehackt<br />
von Umberto Annino<br />
Ohne Internet geht gar nichts mehr in der heutigen Wirtschaftswelt. Das machen sich auch die Kriminellen zunutze.<br />
Defensive IT-Sicherheit reicht dabei nicht mehr: Heutzutage braucht es ein Cyber Security Management.<br />
Denn es geht um viel mehr als um eine reine Abwehr von Angriffen aus dem Internet. Es braucht eine eigentliche<br />
Bedrohungsaufklärung, welche bereits bei der Analyse beginnt und bei der Fähigkeit, Bedrohungen zu erfassen, zu<br />
beurteilen und rasch zu reagieren.<br />
Vollbestand im Abwehrdispositiv<br />
der weltweiten Unternehmen: Gemäss<br />
verschiedenen Berichten<br />
hatten 100 Prozent der einmal gehackten<br />
Unternehmen die aktuellsten Antiviren-<br />
Updates auf ihren Rechnern, und<br />
99.9 Prozent der Schwachstellen waren<br />
über ein Jahr alt. 75 Prozent der Sicherheitsexperten<br />
meinen, dass langjährige<br />
und bewährte Methoden zunehmend ineffektiv<br />
werden, 243 Tage vergingen, bis<br />
ein gezielter Angriff (zumeist von Drittparteien)<br />
entdeckt wurde. Die Rede ist<br />
von Advanced Persistent Threats (APT),<br />
komplexen, zielgerichteten und effektiven<br />
Angriffen auf kritische IT-Infrastrukturen<br />
und vertrauliche Daten von Gross- und<br />
immer mehr auch Mittelstandsunternehmen<br />
aller Branchen, welche aufgrund<br />
ihres USP potenzielle Opfer darstellen.<br />
Lockende und lohnende Beute<br />
KMU bilden, wie so schön gesagt wird,<br />
das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft<br />
und machen den Grossteil der Unternehmen<br />
hierzulande aus. Und sie gelten<br />
als besonders innovativ: Antriebssysteme,<br />
Kaffeemaschinen, Sensorik,<br />
Pharmaceuticals, in der Schweiz mangelt<br />
es gewiss nicht an herausragenden<br />
Klein- und Mittelunternehmen.<br />
Auch Ihre eigene Firma hat Produkte<br />
und Dienstleistungen zu bieten,<br />
deren Daten einen lohnenden Besitz<br />
darstellen. Dass dies auch die Gegenseite<br />
so sieht, lässt sich anhand diverser<br />
Beispiele erhärten. Da wäre die<br />
Geschichte des Freiburger Unternehmens,<br />
das im Januar <strong>2015</strong> mittels eines<br />
eingeschleusten Trojaners und dem damit<br />
verbundenen Zugriff auf firmeneigene<br />
Bankkonten um eine Million Franken<br />
erleichtert wurde. Ebenso verbreitet ist<br />
Ransomware, bei welcher bei Betrieben<br />
sensible Informationen gestohlen und<br />
verschlüsselt werden – die Dechiffrierung<br />
erfolgt dann erst gegen Bezahlung von<br />
Lösegeldern.<br />
So lohnend die Angriffe sind, so wenig<br />
wird auch dagegen unternommen. Es<br />
sind auch Mitte <strong>2015</strong> noch immer drei<br />
Schwachstellen, durch welche Kriminelle<br />
hauptsächlich ihren Weg in ein<br />
Unternehmensnetzwerk finden, um dort<br />
entweder wertvolle Daten zu entwenden<br />
oder ein Maximum an Schaden anzurichten.<br />
Gefahrenherd erster Güte bleibt<br />
der Mensch. Aus ihm lassen sich naturgemäss<br />
mittels Social Engineering,<br />
Phishing und Auskundschaften auf<br />
Social Media vieles an Firmen-Interna<br />
entlocken. Ein beliebtes Leck sind private<br />
Mobilgeräte im Unternehmen und<br />
deren externer Zugriff auf die Unternehmens-IT<br />
sowie Web-Anwendungen.<br />
So kann relativ einfach in ein System<br />
oder Netzwerk eingedrungen werden.<br />
Deutliches Verbesserungspotenzial besteht<br />
auch bei den geschäftskritischen<br />
Informationssicherheitsprozessen, dem<br />
Umgang mit Sicherheitsvorfällen, dem<br />
entsprechenden Notfallprozedere so-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 86
IT-Sicherheit<br />
wie der Bewertung der Gefahrenbereiche<br />
und systematische Bewirtschaftung<br />
von Risiken. Hier zeigen sich aufgrund<br />
unserer Erfahrung deutliche Schwächen.<br />
Identifikation statt Pflästerlipolitik<br />
«Heute stellt sich jedem Unternehmen<br />
nicht mehr die Frage, ob, sondern nur<br />
noch, wann es gehackt wurde. Stand<br />
bis vor Kurzem der reine Schutz vor<br />
Cyber-Attacken im Zentrum des Interesses,<br />
braucht es heute ein umfassendes<br />
Cyber Threat Management: Dieses zielt<br />
darauf ab, Attacken zu erkennen, daraus<br />
die entsprechenden Lehren zu ziehen<br />
und somit mit den Angreifern stets<br />
Schritt zu halten», resümierte Thomas<br />
Meier, CEO von InfoGuard anlässlich der<br />
diesjährigen Security Lounge im Juni<br />
<strong>2015</strong>. Ging man früher davon aus, dass<br />
ein Drittel aller Betriebe einmal Ziel einer<br />
Cyber-Attacke würde, liegt diese Zahl<br />
heute bei gegen 100 Prozent. Dabei sind<br />
die Angriffe so raffiniert, dass es die Unternehmen,<br />
wie eingangs erwähnt, aufgrund<br />
fehlender Monitoring- und Kontrollverfahren<br />
über Monate hin gar nicht<br />
bemerken.<br />
Gelegenheit macht Diebe: Letztere wird<br />
es immer geben, darum müssen die Gelegenheiten<br />
ausgemerzt werden. Denn<br />
die betroffenen Anwender und ihre für<br />
die Informationssicherheit zuständigen<br />
Personen stehen in der Verantwortung<br />
gegenüber ihren Anspruchsgruppen wie<br />
den Aktionären, Kunden, Gläubigern<br />
und den Mitarbeitern. Nur ein verantwortungsbewusster<br />
Umgang mit erkannten<br />
Risiken führt zu einer Verminderung der<br />
Aufwände durch Vermeidung materieller<br />
und immaterieller Schäden und Verluste.<br />
Wie aber kann mit nicht erkannten<br />
Risiken umgegangen werden? Der Fokus<br />
bewegt sich zunehmend auf die Erkennung<br />
von (bisher unbekannten) Angriffen<br />
und Mustern, um die defensiven<br />
Sicherheitsmassnahmen – die insbesondere<br />
auf identifizierte Risiken reagieren –<br />
ideal zu ergänzen.<br />
Vier Pfeiler<br />
Zur Abwehr der Bedrohung wird ein<br />
mehrstufiges und laufend weiterentwickeltes<br />
Konzept zur Abwehr krimineller<br />
Eindringversuche mit periodischer<br />
Wirksamkeitsprüfung benötigt sowie ein<br />
eingespieltes Krisenmanagement nach<br />
Feststellung eines erfolgten Angriffs.<br />
Cyber Threat Management umfasst<br />
demzufolge nicht nur die Reaktion auf<br />
Cyber Threat Management sorgt für Transparenz und Sicherheit.<br />
Vorfälle. Die Bedrohungsaufklärung besteht<br />
aus vier Pfeilern, der Analyse von<br />
Bedrohungen, der Abwehr von Angriffen<br />
durch Sicherheitsmassnahmen, der<br />
raschen Erkennung und Eskalation von<br />
Sicherheitsvorfällen sowie einer schnellen<br />
Reaktion auf Vorfälle und Verdachtsmeldungen,<br />
Analyse der Auswirkungen<br />
und einer zeitnahen Wiederherstellung<br />
des Betriebs.<br />
Zentral hierzu ist die lückenlose Überwachung<br />
aller Ereignisse. In den zune hmend<br />
komplexen Unternehmensnetzwerken<br />
von heute werden täglich Tausende von<br />
Log-Files, IDS- und IPS-Reports sowie<br />
Vulnerabilty-Benachrichtigungen generiert.<br />
Angesichts der schieren Datenmenge<br />
kapitulieren viele Unternehmen,<br />
und sie werten die Daten weder systematisch<br />
aus, noch werden sie analysiert, sie<br />
werden lediglich gespeichert und dann<br />
überschrieben.<br />
Um dem immer professionelleren Vorgehen<br />
der Angreifer mit geeigneten Sicherheitsmassnahmen<br />
Herr zu werden,<br />
müssen diese Vorfälle jedoch bereits<br />
während ihrer Entstehung entdeckt und<br />
im Keim erstickt werden. Hierzu braucht<br />
es ein Security Information & Event Management<br />
(SIEM).<br />
Dieses überwacht laufend die sicherheitsrelevanten<br />
Ereignisse, erkennt Bedrohungen<br />
und informiert im Krisenfall<br />
eskalationsstufengerecht das Management.<br />
Es ist ein wichtiges Glied einer<br />
jeden Security-Strategie im Unternehmen<br />
und fungiert als Überwachungssystem<br />
innerhalb des gesamten Unternehmensnetzwerks.<br />
So können Angriffe erkannt,<br />
ist Senior Security Consultant<br />
der InfoGuard AG.<br />
www.infoguard.ch<br />
Die Fähigkeit, Bedrohungen<br />
zu erfassen, zu aggregieren<br />
und zu analysieren<br />
Abwehr von Angriffen durch<br />
Sicherheitsmassnahmen,<br />
Schwachstellen- & Risikomanagement<br />
Rasche Erkennung und<br />
Eskalation von Sicherheitsvorfällen<br />
zu Incident Response<br />
Teams<br />
Schnelle Reaktion auf Vorfälle,<br />
Analyse der Auswirkung und<br />
Wiederherstellung des Betriebs<br />
ein Einblick in Abläufe gewährt und Berichte<br />
und Alarme generiert werden.<br />
Schweizer Informationssicherheit<br />
aus der Cloud<br />
Der SIEM-Service der InfoGuard deckt<br />
Schwachstellen und Angriffe auf die IT-<br />
Infrastruktur auf, sodass diese gezielt<br />
und schnell eliminiert werden können.<br />
Gleichzeitig erhalten die Kunden dadurch<br />
die vollständige Transparenz<br />
über den Sicherheitszustand im Netzwerk<br />
und können dadurch das Sicherheitsniveau<br />
nachhaltig erhöhen. Dank<br />
des Outtasking des Security Information<br />
& Event Management an das Info-<br />
Guard Security Operation Center stehen<br />
den Kunden die Schweizer Sicherheitsexperten<br />
rund um die Uhr mit ihrer langjährigen<br />
Erfahrung in der Informationssicherheit<br />
zur Verfügung.<br />
Umberto Annino<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 87
IT-Sicherheit<br />
Ein gemeinsames Verständnis von Sicherheit erarbeiten.<br />
Die passende Lösung finden<br />
Mobilität und Sicherheit im Unternehmen<br />
Interview mit Manuel P. Nappo von Georg Lutz<br />
Als Bildungsinstitut betreibt die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) die schweizweit erste Fachstelle für<br />
Social Media Management. Damit soll der Strukturwandel in der Kommunikation gerade auch für kleine Unternehmen<br />
unterstützt werden. Wir führten mit dem Leiter des Instituts ein Interview zum Themenkomplex Mobilität<br />
und Sicherheit.<br />
Beim Thema Sicherheit gibt es unter<br />
vielen KMU-Verantwortlichen zwei<br />
Sichtweisen. Entweder man fühlt sich<br />
nicht betroffen, da man für internationale<br />
Hacker scheinbar keine spannenden<br />
Daten hat, oder man gibt fatalistisch<br />
zu verstehen, als kleiner Player<br />
kann ich gegen die immer perfideren<br />
Angriffe, von denen ich jeden Tag<br />
höre, nichts machen. Beide Sichtweisen<br />
münden in Nichtstun. Wie ist Ihre<br />
Sicht der Dinge, was die grundsätzlichen<br />
Einstellungen betrifft?<br />
Auch ich kenne die beiden Sichtweisen<br />
und kann sie bestätigen. Es gibt die Verantwortlichen,<br />
die das Thema Sicherheit<br />
überernst nehmen. Für sie ist schon das<br />
Hosten von Daten auf einem US-Server<br />
ein No-Go. Andere schieben das Thema<br />
weit weg. Sie sagen sich: Ich bin klein<br />
und unbedeutend und brauche Gratis-<br />
Tools. Ich glaube, dass beide Wege im<br />
Kern auch eine Berechtigung haben. Es<br />
geht immer um den konkreten Fall. Die<br />
Sicherheitsherausforderungen können<br />
sehr unterschiedlich sein. Es gibt sehr<br />
unterschiedliche Rahmenbedingungen.<br />
In einigen wenigen Fällen können sogar<br />
Gratis-Tools ausreichen. Andere Unternehmen,<br />
die mit sehr wertvollen Daten<br />
agieren, brauchen eine Verschlüsselungslösung<br />
oder eine professionelle<br />
24-Stunden-Überwachung. Die zentrale<br />
Herausforderung ist eine Art Risk-<br />
Management, das mir einen passenden<br />
Weg aufzeichnet.<br />
Wie könnte hier ein aufklärerischer<br />
Ansatz aussehen, der diese Sichtweisen<br />
aufbricht?<br />
Das ist natürlich eine Frage, die weit<br />
über das Thema hinausgeht, was Mobilität<br />
und Sicherheit betrifft. Da geht es<br />
ja um die Entwicklung einer ganzen Sicherheitsphilosophie.<br />
Das ist auch notwendig.<br />
Wir planen, im Herbst einen Studiengang<br />
mit dem Thema Digital Risk<br />
Management zu lancieren, um hier in dieser<br />
Fragestellung weiterzukommen. Wir<br />
sehen da – ohne Frage – einen enormen<br />
Handlungsbedarf.<br />
Heute arbeiten Businessmenschen<br />
auf unterschiedlichster Hardware, an<br />
den unterschiedlichsten Orten. Dabei<br />
verwischen sich private mit geschäftlichen<br />
Anwendungen. Wie sieht aus<br />
Ihrer Sicht die Situation aus?<br />
Heute werden die Trends in den IT-Welten<br />
von den Konsumenten getrieben. Businesswelten<br />
reagieren hier meist nur. Das<br />
ist der zentrale Trend. Bring Your Own Device<br />
(BYOD) ist ein Paradebeispiel dafür.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 88
Ich komme aus einer Zeit als Arbeitgeber,<br />
die was auf sich hielten, die beste<br />
Infrastruktur geliefert haben. Heute hat<br />
fast jeder Praktikant in unserem Hause<br />
ein schnelleres Smartphone wie das des<br />
Arbeitgebers, der es zur Verfügung stellt.<br />
Unternehmen stehen hier vor einigen Herausforderungen.<br />
Soll ich Mitarbeiter mit<br />
den gleichen veralteten Geräten arbeiten<br />
lassen, damit ich einen Standard<br />
habe, den ich einfach managen kann,<br />
oder soll ich den Mitarbeiter mit den Geräten<br />
arbeiten lassen, bei dem sie sich<br />
wohlfühlen. Das führt zunächst zu einem<br />
Wildwuchs an Hardware, Software und<br />
Betriebssystemen, die schwierig zu steuern<br />
sind.<br />
BYOD-Geräte haben auf den ersten<br />
Blick ein Sicherheitsproblem. Wie wird<br />
diese Herausforderung heute gelöst?<br />
Es gibt ja Unternehmen, die auf den<br />
Geräten eine sichere Zone einrichten,<br />
die nur für Businessaufgaben reserviert<br />
sind.<br />
Das ist ein Modell, welches wir in sehr<br />
grossen Unternehmen beobachten<br />
können. Die sagen sich, lass doch dem<br />
Herrn Lutz seine privaten Dinge auf<br />
seinem Handy. Wir installieren darauf<br />
einige Programme in einem definierten<br />
Bereich, bei dem die Daten abgesperrt<br />
und damit sicher sind.<br />
Warum bietet sich diese Lösung nicht<br />
für kleine Unternehmen an?<br />
Das ist in erster Linie eine Budgetfrage.<br />
Zudem brauchen sie genügend Datenmaterial,<br />
welches sie trennen müssen<br />
beziehungsweise können, sonst macht<br />
das keinen Sinn. Wenn es nur darum<br />
geht, dass sie noch ein Geschäfts-Mail<br />
darauf laufen lassen, Kalender-Sharing<br />
dort betreiben, ist der Aufwand eindeutig<br />
zu hoch.<br />
Wie sieht die Lösung in kleinen Unternehmen<br />
aus?<br />
Das ist ganz einfach und gleichzeitig<br />
schwierig. Sie brauchen in erster Linie<br />
eine gelebte Sicherheitskultur im Unternehmen.<br />
Dabei müssen Mitarbeiter<br />
aus allen Bereichen und Hierarchiestufen<br />
grundlegende Dinge, aus denen sich<br />
Handlungsweisen ableiten lassen, im<br />
Kopf haben. Die Anzahl der Mitarbeiter<br />
in einem durchschnittlichen Schweizer<br />
KMU ist ja überschaubar …<br />
… Wir sprechen von 40 oder 60 Mitarbeitern.<br />
Da kann man ein gemeinsames Verständnis<br />
von Sicherheit erarbeiten. Man<br />
hat ja noch den Überblick. Ja, bringt eure<br />
privaten Geräte mit und fühlt euch bei der<br />
Arbeit damit wohl. Aber wir haben eine<br />
Guideline, die es zu beachten gilt, und<br />
Verantwortungen, denen man sich stellen<br />
sollte. Die Kultur von KMU lässt solch<br />
ein Vorgehen zu. Sie kann dann auch flexibler<br />
sein als die starren Vorgaben und<br />
Lösungen bei grossen Unternehmen.<br />
Und das muss nicht teuer sein?<br />
Richtig und man kann ausprobieren. Die<br />
HWZ ist mit 70 Mitarbeitern auch ein<br />
KMU. Wir probieren aktuell zwei neue<br />
Tools aus. Wenn wir sehen, dass sie funktionieren,<br />
kommunizieren wir das auch<br />
andern weiter. Das funktioniert fast auf<br />
Grassroot-Level in kleineren Zusammenhängen<br />
sehr gut.<br />
Wie sieht das in der Praxis aus?<br />
Ganz einfach. In die Drop Box sollten<br />
keine Geschäftsdaten. Wir stellen dann<br />
auch Tools zur Verfügung, die Alternativen<br />
bieten. Es geht dann um eine Firmenlösung,<br />
die es an einem Standort gibt,<br />
und wo es keine Vermischungen gibt. Der<br />
wichtigste Punkt aber sind Schulungen,<br />
bei denen das Wissen für die Sicherheitskultur<br />
im Unternehmen vermittelt wird. Es<br />
gibt Fragerunden, wo man Erfahrungen<br />
austauschen kann. Es geht darum, Rahmen<br />
zu schaffen, in denen Zeit und Raum<br />
zur Verfügung gestellt werden und das<br />
Lernen als inspirierend empfunden wird.<br />
Wie viel Unterstützung braucht es da<br />
von aussen?<br />
Ich bin ein Verfechter von Austausch innerhalb<br />
von Unternehmen. Vor Kurzem<br />
hatte ich einen Workshop für ein Schweizer<br />
Unternehmen realisiert. Das ist ein<br />
typischer KMU-Industriebetrieb. Das gesamte<br />
Kader war da. Das Thema war,<br />
YouTube-Videos zu erstellen, um Employer<br />
Branding zu realisieren. Nach einem<br />
spannenden Brainstorming hakte<br />
die HR-Verantwortliche ein: «Das klingt<br />
gut, kostet aber uns mindestens wieder<br />
7 000 Franken. Dann habe ich gefragt,<br />
wer von den 30 Anwesenden privat Videos<br />
macht und auch bearbeitet. Sieben<br />
Leute haben die Hände gestreckt.<br />
Warum soll man dieses Wissen nicht im<br />
IT-Sicherheit<br />
Unternehmen nutzen? Warum muss man<br />
alles extern nach aussen geben? Geben<br />
Sie es Frau Müller, die kann es Ihnen erklären<br />
und hat daheim das Schnittprogramm<br />
«Final Cut Pro». Das ist ihr Hobby.<br />
Man kann hier versteckte Schätze heben.<br />
Ja, man muss nur energisch nachfragen,<br />
und dann meldet sich oft jemand, von<br />
dem man es gar nicht erwartet hätte.<br />
Das Wissensmanagement ist die grosse<br />
Herausforderung für Unternehmen. Ich<br />
sehe Ihnen ja auch nicht an, ob Sie Segelexperte<br />
sind …<br />
Ich kann eine Wende von einer Halse<br />
unterscheiden.<br />
Bitte, da haben Sie es. Für fast jede Fragestellung<br />
findet man im Unternehmen<br />
jemanden, der einem weiterhelfen kann.<br />
Welche spezifischen Anstösse können<br />
Sie hier in der Fachstelle Social Media<br />
Management geben?<br />
Wir sind schlicht auf ein Bedürfnis eingegangen.<br />
Der Studiengang Social Media<br />
war und ist ausgebucht. KMU haben viele<br />
Fragen. Wir wollten den Rahmen verbessern<br />
und gleichzeitig anwendungsorientiert<br />
bleiben. Das Center umfasst heute<br />
auch weitere Bereiche wie Multi Chanel<br />
Management, Mobilität und Business<br />
oder Technologien. In Zukunft wollen<br />
wir KMU ein umfassendes IT-Rüstzeug<br />
mitgeben. Wir wollen KMU fit machen.<br />
Das beinhaltet auch ein gutes Risk-Management.<br />
ist Leiter Fachstelle Social Media Management<br />
der Hochschule für Wirtschaft<br />
Zürich (HWZ).<br />
www.fh-hwz.ch/masdb<br />
Manuel P. Nappo<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 89
IT-Sicherheit<br />
Mehrwerte im Fokus<br />
Sicherheit, Mobilität und die IT-Infrastruktur<br />
Interview mit Philipp Negele von Georg Lutz<br />
Heute gibt es viele Angebote, um mobiles Arbeiten sicherer und einfacher zu machen. Die Frage stellt sich nur,<br />
welche Lösungen braucht mein Unternehmen wirklich? Im folgenden Interview präsentieren wir einige wichtige<br />
strategische Handlungsanleitungen.<br />
Welche Businesslösungen haben Sie<br />
auf Ihrem Smartphone?<br />
In meiner Rolle als Verantwortlicher für<br />
Sales und Marketing beim KMU Dinotro<br />
nic AG sind es primär Produktivitätsund<br />
Kommunikationslösungen, die ich<br />
mobil einsetze. Konkret: Outlook und den<br />
Rest der Microsoft-Office-Palette, Social<br />
Media und andere Apps, aber auch Zugriff<br />
auf unser CRM. Mittels Citrix-Technologien<br />
und einer Zwei-Faktoren-Authentisierung<br />
greife ich von Smartphone<br />
und Tablet auf zentrale Datei-Ablagen<br />
und Fachapplikationen zu. Andere Mitarbeiter<br />
in unserem Hause, wie System<br />
Engineers oder Consultants, brauchen<br />
andere Lösungen, zum Beispiel Applikationen<br />
zum Erfassen von Arbeitsaufwänden<br />
oder dem Projektstatus.<br />
Das hört sich für Businessmenschen,<br />
die wenig mit der IT-Welt vertraut sind,<br />
ziemlich massiv an. Mit Ihrem Smartphone<br />
telefonieren Sie in erster Linie.<br />
Zudem verschicken Sie einige SMS<br />
und haben vielleicht eine Kalenderfunktion<br />
auf ihrer mobilen Hardware.<br />
Was antworten Sie auf folgenden Einwand:<br />
«Herr Negele, das mag für Sie<br />
in einer IT-Firma wichtig sein, ich als<br />
KMU-Verantwortlicher brauche das<br />
aber nicht.»<br />
Wenn ich in meiner Funktion in einer<br />
Dienstleistungsfirma in einer anderen<br />
Branche oder in einem Industriebetrieb<br />
wäre, hätte ich die gleichen Anforderungen:<br />
Ich will kommunizieren, ich<br />
will Dokumente erstellen und einsehen<br />
beziehungsweise verändern können.<br />
Auch auf ein CRM und andere wichtige<br />
Fachapplikationen will ich zugreifen<br />
können – und dies im Büro, von unterwegs<br />
und von zu Hause. Und das möglichst<br />
komfortabel und ohne dass dabei<br />
firmenkritische Informationen kompromittiert<br />
werden. Das gilt alles nicht nur<br />
für Unternehmen in der IT-Branche. Der<br />
Vorteil in unserer Branche ist nur, dass<br />
wir hier mehr IT-Fachkompetenz versammelt<br />
haben. Sonst agieren wir hier<br />
deckungsgleich.<br />
Auch KMU-Verantwortliche sollte dies<br />
alles interessieren?<br />
Natürlich. Nur schon deshalb, weil eine<br />
gezielte «Mobilisierung» von allen oder<br />
Teilen der Mitarbeitenden zu Steigerungen<br />
in Mitarbeiter-Zufriedenheit, Produktivität<br />
und Umsatz führen.<br />
Sehen Sie aber nicht doch Unterschiede<br />
zwischen Mittel und Klein<br />
oder auch Branchen?<br />
Teilweise. In der Unternehmenswelt der<br />
Schweiz erlebe ich eine Kluft zwischen<br />
auf der einen Seite ganz grossen und<br />
eher kleinen, auf dem Weltmarkt agierenden<br />
Firmen, die IT-Innovationen und<br />
die entsprechenden Mehrwerte stark<br />
nutzen. Auf der anderen Seite treffe ich<br />
viele mittelgrosse Firmen an, die in der<br />
IT-Nutzung noch Luft nach oben haben.<br />
Der Mittelbau hat oft noch klassisch<br />
geprägte eigene IT-Strukturen. Die Grossen<br />
und die innovativen kleinen Player<br />
nutzen meist schon neueste Technologien<br />
wie Cloud, Mobility, Big Data oder<br />
Social Media.<br />
Wir halten fest. Die Bruchlinie verläuft<br />
nicht zwischen gross und klein, son<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 90
dern es geht eher um den dazwischen<br />
liegenden Mittelbau.<br />
Schauen wir uns das Thema Mobilität<br />
nochmals genauer an. Wie defi nie ren<br />
Sie die Entwicklungsstufen der Mobilität<br />
in den Businesswelten der Schweiz?<br />
Am Anfang gab es ja nur die grossen Natels,<br />
mit denen wir telefonierten und mit<br />
der Zeit immer mehr SMS versandten.<br />
Als Nächstes nutzten wir Personal Information<br />
Manager, mit denen wir Mails,<br />
Kalender, Kontakte und Aufgaben mobil<br />
machten. Neben Desktops und Laptops<br />
kamen also Palmtops dazu. Die letzten<br />
Jahre waren geprägt vom rasanten Zuwachs<br />
an Smartphones und Tablets mit<br />
den Betriebssystemen der Hersteller<br />
Apple, Google und Microsoft. Im Business-Umfeld<br />
ist das Smartphone aber<br />
auch heute immer noch in erster Linie<br />
das mobile Arbeitsmittel für die Telefonie<br />
und Organisation von Mails, Kalender<br />
und Kontakten.<br />
Und wo ist jetzt der nächste qualitative<br />
und sinnvolle Schritt zu identifizieren?<br />
In der weiter zunehmenden mobilen<br />
Unterstützung von Kernprozessen. Es<br />
geht also darum, nicht nur die allgemeinen<br />
Informationsarbeiter mobil zu unterstützen,<br />
sondern immer mehr auch<br />
die Fachspezialisten, die die Wertschöpfung<br />
im Unternehmen erbringen.<br />
Nehmen Sie beispielsweise ein Industrie-Unternehmen,<br />
welches technische<br />
Geräte bei seinen Kunden installiert und<br />
dann auch Serviceleistungen erbringt.<br />
Die Sales- und Service-Techniker werden<br />
nun mit Tablets ausgerüstet, auf<br />
denen eine spezielle CRM-Anwendung<br />
läuft. Sie erhalten mobil ihre Aufträge,<br />
können mobil ihre Arbeiten planen und<br />
auf die Informationen über die Kunden<br />
und die Geräte zugreifen, und sie können<br />
ihre Arbeiten mobil dokumentieren.<br />
Der Techniker muss also nicht zuerst<br />
ins Büro, um Papier zu holen, sondern<br />
kann sofort den ersten Kunden bedienen.<br />
Nach Arbeitsschluss sind alle Daten<br />
in digitalem Format schon in den<br />
nachgelagerten Systemen der Firma<br />
vorhanden.<br />
Das bringt Produktivitätsfortschritte.<br />
Gleichzeitig hat man viele kritische<br />
Daten auf vielen Geräten.<br />
Exakt. Ich gebe Ihnen noch ein weiteres<br />
Beispiel aus der öffentlichen Verwaltung:<br />
Wir haben dort gerade ein Projekt<br />
in einer Abteilung abgeschlossen,<br />
in der sensitive Bürgerdaten mobil genutzt<br />
werden sollten. Wir haben eine<br />
Lösung eingeführt, bei der die entsprechenden<br />
Anwendungen und Daten auf<br />
den mobilen Geräten in einem separaten,<br />
verschlüsselten und zentral kontrollierten<br />
Bereich liegen. In beiden Beispielen<br />
hat die Kritikalität der Daten<br />
und Anwendungen auf den mobilen Geräten<br />
stark zugenommen, aber mit den<br />
geeigneten Massnahmen konnten die<br />
IT-Sicherheit<br />
Security und die Produktivität gesteigert<br />
werden.<br />
Es gilt, immer diese beiden Punkte im<br />
Auge zu haben?<br />
Es geht immer um die Frage: An welchen<br />
Punkten erhöhen mobile Lösungen die<br />
Wertschöpfung, die Effizienz oder die<br />
Produktivität? Der Wert für das Kernbusiness<br />
ist Leitschnur des Handelns.<br />
Andere Lösungen sollten nachrangig<br />
«An welchen<br />
Punkten<br />
erhöhen mobile<br />
Lösungen die<br />
Wertschöpfung,<br />
die Effizienz<br />
oder die<br />
Produktivität?»<br />
behandelt werden. Wo bringt Mobilität<br />
Zusatznutzen und reduziert Ineffizienzen<br />
und Doppelspurigkeiten oder Fehlerquellen?<br />
Das sind auch Ihre strategischen Ansatzpunkte<br />
bei Kundengesprächen?<br />
Im Business-Umfeld ist das Smartphone noch heute in erster Linie<br />
das mobile Arbeitsmittel für die Telefonie und Organisation.<br />
Unsere Consultants und auch ich sind<br />
praktisch jeden Tag bei Kunden. Dort<br />
geht es zunächst überhaupt nicht um<br />
Technologien, sondern primär um Szenarien,<br />
bei denen mobile Lösungen wirklichen<br />
Zusatznutzen generieren. Dann erst<br />
folgen Themen wie bestehende IT-Infrastruktur,<br />
Erbringung des neuen mobilen<br />
Service vor Ort oder aus einer Cloud oder<br />
Produkte und Lizenzierungsformen.<br />
Wie lösen Sie die Herausforderung<br />
Bring Your Own Device (BYOD)?<br />
Technisch ist diese Herausforderung mit<br />
den weiter oben erwähnten separaten<br />
und verschlüsselten Bereichen auf den<br />
mobilen Endgeräten gelöst – ob das Gerät<br />
der Firma gehört oder nicht. Die offenen<br />
Fragen sind meist rechtlicher, organisatorischer<br />
oder emotionaler Art.<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 91
IT-Sicherheit<br />
Mit dem «IT Mobility Health Check» Szenarien abdecken.<br />
In jedem Unternehmen gibt es zwischen<br />
10 und 20 Prozent sensitive Informationen<br />
– bei einem Spengler sind es eher<br />
weniger, bei einem Finanzdienstleister<br />
fallen mehr sensible Daten an. Diese<br />
sollen nicht an die Öffentlichkeit gelangen<br />
oder zur Konkurrenz wandern.<br />
Wenn die Daten mobil genutzt werden<br />
sollen, dann muss die Firma eine nachhaltige<br />
Lösung anstreben. Neben den<br />
oben erwähnten gibt es auch ganz klassische<br />
technische Massnahmen, um<br />
diese Daten zu schützen – beispielsweise<br />
mittels Applikations- oder Desktop-Virtualisierung.<br />
Die Benutzer haben<br />
in diesem Fall keine Firmendaten direkt<br />
auf den mobilen Endgeräten, sondern<br />
greifen remote auf zentral laufende Anwendungen<br />
und Daten zu. Da gibt es in<br />
der Zwischenzeit etablierte Lösungen<br />
von Herstellern wie Citrix, Microsoft oder<br />
VMware.<br />
Der entsprechende Zugang kann mit Benutzernamen<br />
und Passwort geschützt<br />
werden. Wir empfehlen heutzutage allerdings<br />
eine sogenannte Zwei-Faktoren-<br />
Authentifizierung: Nach Eingabe von<br />
Benutzernamen und Passwort erhält der<br />
Benutzer auf seinem eigenen Smartphone<br />
einen Code, den er zusätzlich eingeben<br />
muss. Erst dann kann er auf die<br />
zentralen Services zugreifen. Ein weiterer<br />
Vorteil von solchen Lösungen ist es,<br />
dass die Benutzer jederzeit von jedem<br />
Ort mit jedem Gerät gesichert auf die<br />
Firmen-IT zugreifen können.<br />
Manchmal will ich aber offline arbeiten.<br />
Mit der richtigen Beratung können alle<br />
Bedürfnisse analysiert und mit den richtigen<br />
Technologien umgesetzt werden, damit<br />
jeder Benutzer richtig arbeiten kann.<br />
Welche Ankerpunkte beinhalten die<br />
Anforderungen von Mobile Device Management<br />
(MDM) aus Ihrer Sicht?<br />
Da arbeiten wir mit einem ein sehr standardisierten<br />
Vorgehen. Bei kleinen und<br />
lokal agierenden Unternehmen sind<br />
meist nur die mobile Telefonie, mobiles<br />
E-Mail und ein mobiler Kalender wichtig.<br />
Die damit zusammenhängenden Daten<br />
werden meist als nicht sehr sensitiv eingestuft.<br />
Die Geschäftsführung oder Bereichsleitung<br />
kann hier aufgrund ziemlich<br />
rationaler Kriterien entscheiden,<br />
ob über den Standard hinausgehende<br />
MDM-Funktionalitäten notwendig sind.<br />
Da beraten wir ihn gerne. Vor wenigen<br />
Tagen hatten wir Lüftungstechniker bei<br />
uns in den Büroräumen. Sie rapportierten<br />
kurz vor Feierabend ihre Leistungen<br />
per Telefon oder Papier, und diese wurden<br />
dann von der Buchhaltung manuell<br />
erfasst. Das war es auch schon – kein<br />
MDM notwendig.<br />
Wenn der Einsatz von mobiler IT aber<br />
Wettbewerbs- oder Produktivitäts-Vorteile<br />
bringen kann, dann lohnen sich Lösungen,<br />
die wir angesprochen haben.<br />
Wenn auf Kundenseite hier noch Unklarheit<br />
herrscht, dann führen wir unseren<br />
«IT Mobility Health Check» durch.<br />
Da schauen wir uns Szenarien und Benutzererwartungen<br />
an. Auf dieser Basis<br />
geben wir unsere Empfehlungen technologischer<br />
und organisatorischer Art ab.<br />
Fragen wir nochmals konkret nach.<br />
Warum sind Sie ein Ansprechpartner<br />
für KMU-Verantwortliche?<br />
Wir sind selbst ein inhabergeführtes KMU<br />
mit bald 20 Jahren Erfahrung, 30 kompetenten<br />
Mitarbeitenden und einer hohen<br />
Innovationskraft. Wir haben rund<br />
500 erfolgreiche Projekte durchgeführt,<br />
100 Kunden in unserem Schweizer Rechenzentrum<br />
und 40 Kunden in die Microsoft-Cloud<br />
gebracht. Unsere technische<br />
Kompetenz liegt in den Bereichen<br />
IT-Infrastruktur, Cloud, Security und Mobility.<br />
Unsere Dienstleistungskompetenz<br />
deckt Beratung, Projekt-Management,<br />
Implementation, Betrieb und Support<br />
ab. Wir haben enge Partnerschaften mit<br />
den wichtigsten Software- und Hardware-Herstellern.<br />
Und: Der Kundennutzen<br />
steht für uns immer im Zentrum.<br />
ist Chief Sales and Marketing Officer bei<br />
der Dinotronic AG.<br />
www.dinotronic.ch<br />
Philipp Negele<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 92
Ihr persönlicher Kontakt<br />
für herausragende Leistung und<br />
fortschrittliche Lösungen.<br />
Alphabet<br />
Ihr Partner für innovative Mobilitätslösungen.<br />
Full-Service-Leasing schont Ihre Liquidität. Dank garantierten Mobilitätskosten fahren Sie<br />
ausserdem risikofrei, denn Versicherungen, Restwert, Service- und Reifenkosten gehören bei uns<br />
zum Full-Service-Paket dazu. Und ausserdem: Verträge können während der Laufzeit bequem<br />
an die wechselnden Bedürfnisse angepasst werden.<br />
Steigen Sie ein in die Mobilitätslösung von morgen!<br />
Auch für KMU-Flotten die erste Wahl: www.alphabet.ch
IT-Sicherheit<br />
Sicherheitslösungen für den nomadischen Arbeitsalltag.<br />
Hand in Hand<br />
Erst die Cloud macht Mobilität sicher<br />
von Hansjörg Gruber<br />
Viele Unternehmensverantwortliche haben beim Thema Cloud noch Berührungsängste. Wenn dann mobile Lösungen<br />
noch dazukommen, verstärken sich die Vorbehalte. Sind meine Daten wirklich sicher? Es gibt aber Wege, um<br />
diese Vorbehalte zu entkräften, wie der folgende Beitrag zeigt.<br />
Das «Everywhere Enterprise» basierend<br />
auf breiter Mobilität der<br />
Mitarbeiter ist heute längst keine<br />
Zukunftsvision mehr, sondern ökonomisches<br />
Gebot der Stunde und daher<br />
in vielen Unternehmen praktizierter<br />
Geschäftsalltag. So sind laut dem Forschungsunternehmen<br />
MSM Research<br />
bereits eine Million Schweizer Erwerbstätige<br />
mobil. Des Weiteren gehen die<br />
Researcher davon aus, dass die Schweizer<br />
Unternehmen aktuell rund 2.5 Milliarden<br />
Franken in mobile Arbeitsplätze<br />
investieren werden. Der Trend zu wechselnden,<br />
ortsunabhängigen Arbeitsplätzen,<br />
ob zu Hause, in Hotels, Flughäfen<br />
und Bahnhöfen, neuerdings auch in<br />
sämtlichen Transportmitteln sowie in<br />
urbanen Coworking Spaces, hat aber<br />
gerade erst richtig begonnen. Immer<br />
mehr Menschen greifen auch in der Arbeitswelt<br />
auf ihre im Privatleben bewährten<br />
Devices wie intelligente Smartphones<br />
und Tablets zurück. Derzeit sind<br />
in der Schweiz übrigens 2.2 Millionen<br />
Tablets im Umlauf. «BYOD» (bring your<br />
own device) heisst zudem, dass Mitarbeiter<br />
nicht selten sensible Unternehmensdaten<br />
auf ihren privaten Endgeräten<br />
speichern beziehungsweise diese<br />
ohne Wissen der IT in öffentliche Clouds<br />
auslagern. Auch die Nutzung von Apps<br />
für berufliche Zwecke scheint sich zunehmend<br />
mehr jeder unternehmerischen<br />
Kontrolle zu entziehen.<br />
Dem Sachzwang zur Flexibilisierung der<br />
Arbeit in Raum und Zeit stehen grosse<br />
Sicherheitsrisiken entgegen. Gerade<br />
mo bile Endgeräte sind in der jüngeren<br />
Vergangenheit beliebte Angriffsziele für<br />
Cyberkriminelle geworden. Eine direkte<br />
Korrelation zwischen der Verbreitung<br />
smarter, mobiler Devices und von Betrugsfällen<br />
im Netz ist kaum von der Hand<br />
zu weisen. Dem Tablet-Boom in Deutschland<br />
mit über zwei Millionen verkauften<br />
Geräten pro Jahr folgt gemäss AV-Test,<br />
dem unabhängigen IT-Security Institute,<br />
ein organisiertes Bedrohungskartell auf<br />
den Fuss. An die 55’000 neue Schadprogramme<br />
werden laut den dortigen<br />
Experten täglich neu entdeckt.<br />
Mobile Sicherheit braucht die Cloud<br />
Schon die begrenzte Akkulaufzeit, Rechnerleistung<br />
und Speicherkapazität von<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 94
mobilen Devices erfordert im Grunde<br />
die Auslagerung von Unternehmensdaten<br />
in die Cloud, auf die dann über<br />
Internet im Bedarfsfall jederzeit und<br />
von überall zugegriffen werden kann.<br />
In der Cloud können auch sämtliche<br />
Security-Aspekte besser, weil einheitlich<br />
für alle im Einsatz befindlichen Endgeräte<br />
administrierbar, gemanagt werden.<br />
Da mobiles Cloud Computing auf<br />
einer Kombination von mobilen Netzwerken<br />
und Cloud Computing beruht,<br />
muss in der Security-Politik auch ein<br />
zweifacher Ansatz verfolgt werden:<br />
einerseits der Schutz von mobilen Applikationen<br />
und der Privatheit der Benutzer<br />
mobiler Devices und andererseits<br />
der Schutz aller Informationen in der<br />
Cloud. Ergänzend zum zentralen Security-Management<br />
in der Cloud braucht<br />
es aber auch ein Mobile Policy Management<br />
(MPM), mit dem neben der Eliminierung<br />
üblicher Bedrohungen der<br />
Datensicherheit auch das Kostenmanagement<br />
für die mobile Workforce effizient<br />
adressiert werden kann.<br />
Vorreiter bei mobiler Sicherheit<br />
Fabasoft hat mit seinen mobilen Apps<br />
für Android und iOS den mobilen Wissens-<br />
und Dokumentenaustausch über<br />
die Cloud revolutioniert. Die webbasierte<br />
Anwendung sorgt mit Zwei-Faktor-<br />
Authentifizierung und Digital ID dafür,<br />
Die Herausforderung: Cloud muss sicher sein.<br />
dass nur berechtigte Personen von<br />
unterwegs Zugriff auf sensible Unternehmensdaten<br />
haben. Das Teamroom-<br />
Konzept der Fabasoft Cloud spielt im<br />
mobilen Cloud Computing seine Stärken<br />
ganz besonders aus. So können<br />
zentral Rechte für bestimmte Gruppen<br />
wie zum Beispiel Unternehmensverantwortliche,<br />
Verwaltungsräte oder auch<br />
das Vertriebspersonal eingerichtet werden,<br />
die bei Vorortpräsentationen dann<br />
über einen Link mobil auf sämtliche vorher<br />
im Teamroom abgelegten Informationen<br />
zugreifen können. Auch Gast-<br />
Accounts für Kunden und Lieferanten<br />
lassen sich unbürokratisch für den<br />
Zugriff auf Teamrooms einrichten. Das<br />
Feature «Zeitreise» ermöglicht zudem,<br />
den Bearbeitungsstand von Dokumenten<br />
zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der<br />
Vergangenheit einzusehen und weiterzubearbeiten.<br />
Rundum-Sicherheit erweitern<br />
Gerade im Zeitalter mobilen Arbeitens<br />
kommt der Sicherung von Applikationen<br />
und Daten sowohl auf den eingesetzten<br />
Endgeräten als auch am Transportweg<br />
und in der Cloud selbst höchste Bedeutung<br />
zu. Fabasoft ist daher im Schulterschluss<br />
mit der Wissenschaft im letzten<br />
Jahr noch einmal neue Wege gegangen,<br />
welche die Cloud Security insgesamt auf<br />
eine neue Entwicklungsstufe gehoben<br />
IT-Sicherheit<br />
haben. Mit der Entwicklung einer Appliance<br />
für eine Private Cloud-Inhouse-<br />
Lösung und mit SECOMO für sichere<br />
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei begleitender<br />
Verwendung von Hardware-<br />
Encryption-Modulen und der parallelen<br />
Verlagerung des gesamten Schlüsselmanagements<br />
hin zum Kunden sorgt<br />
Fabasoft für höchste Cloud-Sicherheit in<br />
europäischen Cloud-Umgebungen.<br />
Von diesen beiden revolutionären Eigenentwicklungen<br />
profitieren Unternehmen<br />
hochgradig auch im mobilen Cloud<br />
Computing. Sie sorgen als Business-<br />
Environment bei den Kunden dafür,<br />
dass alle von Fabasoft sukzessive entwickelten<br />
Sicherheitsparameter auch<br />
im nomadischen Arbeitsalltag uneingeschränkt<br />
zur Anwendung gelangen.<br />
Mobiles Cloud Computing ist bei<br />
Fabasoft so sicher wie der Zugriff auf die<br />
Cloud vom Büroarbeitsplatz aus. Die<br />
Usablity der mobilen Fabasoft-Apps<br />
sorgt zudem dafür, dass unternehmerisches<br />
MPM nicht nur Richtlinien für<br />
den Einsatz von mobilen Geräten ausgeben<br />
muss, sondern auch eine perfekte<br />
Lösung für mobiles Cloud Computing<br />
anbieten kann, das keine Alternativen<br />
braucht.<br />
Mobiles Cloud Computing kann seine<br />
Vorzüge nur ausspielen, wenn das<br />
Sicherheitsmanagement für mobile<br />
Endgeräte und deren Zugriff auf Applikationen<br />
und Daten in einer hoch sicheren<br />
Cloud auch in der Cloud selbst aufgesetzt<br />
ist und MCC auf Basis von Cloud-<br />
Apps auch anwenderfreundlich und<br />
einfach genutzt werden kann. Das ist<br />
meine Überzeugung.<br />
Hansjörg Gruber<br />
ist Leiter von Fabasoft Cloud.<br />
www.fabasoft.com<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 95
IT-Sicherheit<br />
B2B und B2C neu definiert<br />
Zusammenarbeit in Unternehmen<br />
von René Eberhard<br />
Moderne Kollaborationsplattformen<br />
unter Verwendung von Rights Management<br />
Services und elektronischen<br />
Signaturen, eröffnen neue Möglichkeiten<br />
der Zusammenarbeit und garantieren<br />
den effizienten und sicheren<br />
Austausch von Daten.<br />
Bekannte Anforderungen …<br />
Sicher, strukturiert, klassifiziert und<br />
nachvollziehbar sollen Informationen innerhalb<br />
von Unternehmen, im Bereich<br />
B2B und B2C ausgetauscht werden.<br />
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen,<br />
dass Business-Anforderungen,<br />
Organisationseinheiten, Prozesse oder<br />
Teams dynamischen Wechseln unterzogen<br />
sind.<br />
Im Weiteren muss die Integrität und Vertraulichkeit<br />
sensibler Daten jederzeit und<br />
überall gewährleistet sein. Dies gilt für<br />
Daten, die innerhalb eines Unternehmens,<br />
auf mobilen Geräten oder in der<br />
Cloud gespeichert werden. Zudem soll es<br />
die Möglichkeit geben, Genehmigungsoder<br />
Freigabeprozesse innerhalb von<br />
Unternehmen oder Vertragsabschlüsse<br />
über Unternehmensgrenzen hinweg sicher<br />
und nachvollziehbar umzusetzen.<br />
… neu und effektiv umgesetzt.<br />
Die folgend aufgeführten Schlüsseltechnologien<br />
ermöglichen es, die zuvor genannten<br />
Anforderungen effektiv umzusetzen.<br />
In Kombination eingesetzt bieten sie<br />
Eigenschaften, die mit traditionellen Lösungsansätzen<br />
nicht abgebildet werden<br />
können. Die Technologien sind verfügbar<br />
und erprobt und kommen in verschiedenen<br />
Unternehmen bereits zum Einsatz.<br />
Kollaborationsplattformen on prem …<br />
Moderne Kollaborationsplattformen, wie<br />
beispielsweise SharePoint, werden genutzt,<br />
um Workflows oder strukturierte<br />
Ablagesysteme abzubilden. Sie ersetzen<br />
mehr und mehr den Austausch von Daten<br />
per E-Mail oder Fileshares.<br />
Über Identity- und Access-Management-<br />
Systeme werden Benutzer auf Projekt-,<br />
Team- oder Themenräume berechtigt,<br />
um die entsprechenden Daten oder<br />
Prozesse zu verarbeiten oder abzuspeichern.<br />
Personalisierte Newsfeeds<br />
informieren die Benutzer über wichtige<br />
Änderungen in den jeweiligen Räumen<br />
und fordern sie gegebenenfalls zu Aktionen<br />
auf. Der Austausch von Daten per<br />
E-Mail oder Fileshares entfällt. Neue<br />
Mitarbeiter oder Teammitglieder können<br />
die Entwicklung eines Projektes von<br />
Beginn weg nachvollziehen und finden<br />
sich durch die strukturierten Ablagen<br />
und Prozesse schnell zurecht.<br />
... und in der Cloud<br />
Daten werden heute traditionell per E-<br />
Mail über Unternehmensgrenzen hinweg<br />
ausgetauscht. Dies ist weder sicher<br />
noch strukturiert und erschwert<br />
auch den Einbezug von Stellvertretern<br />
oder neuen Teammitgliedern auf beiden<br />
Seiten.<br />
Mit einer Kollaborationsplattform in der<br />
Cloud können die zuvor genannten Anwendungsfälle<br />
analog über Unternehmensgrenzen<br />
hinweg umgesetzt werden.<br />
Aufgrund der grossen Verbreitung<br />
von SharePoint und den zukunftsträchtigen<br />
Eigenschaften der Microsoft Azure<br />
Cloud bietet sich hierzu SharePoint Online<br />
an. Sobald die Kollaborationspartner<br />
ihre Identitäten im Azure AD verwalten,<br />
können die Berechtigungen zu den jeweiligen<br />
Räumen unternehmensübergreifend<br />
verwaltet werden. Der Zugriff<br />
erfolgt sicher über föderierte Authentisierung.<br />
Rights Management mit systemunabhängiger<br />
Zugriffskontrolle …<br />
Berechtigungsgruppen regeln den Zugriff<br />
auf Daten in der Kollaborationsplattform.<br />
Diese können effizient über<br />
Identity- Management-Systeme sowie<br />
Synchronisationsprozesse in der Azure<br />
Cloud verwaltet werden. Der Zugriff auf<br />
Daten soll aber auch ausserhalb der Kollaborationsplattform<br />
geregelt sein. Im<br />
Idealfall analog, wie wenn die Daten innerhalb<br />
der Kollaborationsplattform liegen<br />
würden.<br />
Mit Rights Management kann sichergestellt<br />
werden, dass nur berechtigte Personen<br />
Einsicht in Daten haben, unabhängig<br />
vom Ort, der Anzahl Kopien und den<br />
Medien, worauf die Daten gespeichert<br />
sind. Im Unterschied zu anderen Technologien<br />
ist der Schutz untrennbar mit<br />
den Daten verbunden. Neben dem reinen<br />
Schutz kann über Rights Management<br />
festgelegt werden, ob spezifische<br />
Benutzer die Daten beispielsweise editieren,<br />
drucken oder an weitere Benutzer<br />
weiterleiten dürfen. Darüber hinaus können<br />
die Daten klassifiziert werden.<br />
Sobald Daten die Kollaborationsplattform<br />
verlassen, werden sie klassifiziert<br />
und unter Anwendung von Rights Management<br />
verschlüsselt. Somit wird sichergestellt,<br />
dass der Zugriff auch ausserhalb<br />
der Kollaborationsplattform<br />
analog geregelt ist.<br />
Sichere Architekturmodelle aufbauen, um<br />
gegen Gefahren gewappnet zu sein.
… und ermöglicht das Tracking<br />
von Dokumenten<br />
Mit Rights Management wird jede<br />
Datei individuell verschlüsselt. Damit<br />
eine Datei entschlüsselt werden<br />
kann, muss der jeweilig kryptografische<br />
Schlüssel von einem zentralen<br />
Server bezogen werden. Dieser prüft<br />
vorab die Berechtigung des Benutzers.<br />
Diese Eigenschaft ermöglicht<br />
es, den Zugriff auf Dokumente fortwährend<br />
aufzuzeichnen und zu prüfen.<br />
Mit entsprechendem Report kann beispielsweise<br />
eingesehen werden, welche<br />
Benutzer in welchen Organisationseinheiten<br />
an welchen Standorten zu welchen<br />
Zeiten ein Dokument geöffnet oder<br />
versucht haben, es zu öffnen. Dies gibt<br />
einem Unternehmen erstmals die Möglichkeit,<br />
die Verwendung von Daten zu<br />
analysieren.<br />
Wird Rights Management über die Azure<br />
Cloud verwaltet und im Zusammenhang<br />
mit SharePoint Online eingesetzt, können<br />
diese Anwendungsfälle auch über<br />
Unternehmensgrenzen hinweg erfolgen.<br />
Präsentation an der<br />
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Keyon präsentiert praktische<br />
Anwendungsfälle im Bereich der<br />
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Demo (23. Sept. <strong>2015</strong>, 11.00 Uhr,<br />
Börse Zürich).<br />
Elektronische Signaturen<br />
sichern Nachvollziehbarkeit<br />
Business-relevante Genehmigungsoder<br />
Freigabeprozesse können innerhalb<br />
eines Workflows auf der Kollaborationsplattform<br />
umgesetzt werden.<br />
Oftmals müssen mehrere Personen im<br />
Vieraugenprinzip zustimmen, bevor ein<br />
Prozess weitergeführt werden kann.<br />
Analoges gilt für die Abwicklung von<br />
wichtigen Geschäftsfällen oder Vertragsabschlüssen<br />
über die Kollaborationsplattform<br />
im Bereich B2B. Da Projekträume<br />
einmal archiviert werden,<br />
muss die Zustimmung so umgesetzt<br />
werden, dass sie später unabhängig<br />
von der Kollaborationsplattform nachvollzogen<br />
werden kann.<br />
ist CEO von Keyon.<br />
www.keyon.ch<br />
IT-Sicherheit<br />
Mit elektronischen Signaturen können<br />
Genehmigungs- oder Freigabeprozesse<br />
sowie Vertragsabschlüsse effizient auf<br />
Office- oder PDF-Dokumenten umgesetzt<br />
werden. Die elektronischen Signaturen<br />
werden innerhalb eines Workflows<br />
oder auf dem lokalen PC erstellt. Die<br />
benötigten Signaturschlüssel werden<br />
zentral verwaltet. Erhält ein Benutzer<br />
Zugang auf einen Raum in der Kollaborationsplattform,<br />
kann er automatisch<br />
auf die Signaturapplikation aufgeschaltet<br />
werden.<br />
René Eberhard<br />
Auch im Maschinenbau:<br />
Die SERV versichert Exporte von Konsumund<br />
Investitionsgütern ebenso wie Dienstleistungen<br />
an ausländische Käufer.<br />
Exportieren? Aber sicher!<br />
Die SERV – für finanzielle Sicherheit bei Exportgeschäften und Hilfe bei Liquiditätsengpässen.<br />
Besteht die Gefahr, dass Sie exportieren, aber Ihr Vertrags partner<br />
plötzlich nicht mehr zahlen kann oder will? Könnten Sie einen<br />
interes santen Auftrag an Land ziehen, aber es fehlt Ihnen die<br />
Liqui dität für die Herstellung des Exportgutes? Die SERV versichert<br />
die politischen und wirtschaftlichen Risiken eines Exportgeschäftes,<br />
um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Zudem hilft sie Schweizer<br />
Exporteuren und Dienstleistern bei Liquiditätsproblemen.<br />
SERV Schweizerische Exportrisikoversicherung<br />
+41 58 551 55 55<br />
info@serv-ch.com<br />
www.serv-ch.com
Software & Hardware<br />
Die erste industrielle Revolution ist Vergangenheit.<br />
Transformation to Smart Factory<br />
Industrie 4.0 braucht Beratung<br />
von Dr. Ing. Miriam Schleipen<br />
Die vierte industrielle Revolution steht vor der Tür. Durch Industrie 4.0 bieten sich Unternehmen im Umfeld<br />
der Produktion viele Chancen und Herausforderungen. Manufacturing Execution Systems (MES) sind dabei eine<br />
wichtige Grundlage. Das IT-Unternehmen Atos und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fraunhofer<br />
IOSB aus Deutschland bauen hier gemeinsame Beratungsleitungen auf.<br />
Der Verein Deutscher Ingenieure<br />
definiert in seinen Richtlinien eine<br />
klare Ausgangssituation. «Manufacturing<br />
Execution Systems (MES) sind<br />
ein umfassender Treiber für die Organisation<br />
und Durchführung des Produktionsprozesses»<br />
(VDI-Richtlinie 5600<br />
Blatt 1). Mit einem grossen Kommunikationsbedürfnis,<br />
in der Position zwischen<br />
Feld- und ERP-Ebene, sind MES Datenund<br />
Informationsdrehscheibe und können<br />
in dieser Rolle auch in Kombination<br />
mit Technologien aus dem Internet der<br />
Dinge und Dienste in dieser spannenden<br />
neuen Welt verstärkt zur Wertschöpfung<br />
beitragen. Die heutigen MES-Aufgaben<br />
werden sich dadurch zukünftig ebenso<br />
verändern wie die zugrunde liegende<br />
Architektur. Hier wollen Atos und das<br />
Fraunhofer IOSB gemeinsam helfen und<br />
unterstützen und bieten eine gemeinsame<br />
standardisierte Beratungsleistung<br />
an. Das Beratungskonzept «Transformation<br />
to Smart Factory MES» befasst sich<br />
mit der Identifikation von technischen<br />
und organisatorischen Massnahmen<br />
für MES auf Basis von zukünftigen Herausforderungen<br />
und erzielbarem Nutzen,<br />
auch unter Berücksichtigung nicht funktionaler<br />
Anforderungen wie zum Beispiel<br />
IT-Sicherheit.<br />
Häufig stellt sich nicht die Frage, ob Industrie<br />
4.0 ein Thema in der Produktion<br />
werden wird und soll. Eher geht es<br />
meist darum, welche Leistungen aus<br />
dem Industrie-4.0-Umfeld genutzt oder<br />
angeboten werden können. Es geht<br />
folglich darum, mit welchen Massnahmen<br />
der vierten industriellen Revolution<br />
begegnet wird und welchen Nutzen<br />
Industrie 4.0 für das Unternehmen tatsächlich<br />
bringen kann. Massnahmen<br />
können dabei organisatorischer oder<br />
In der vierten industriellen Revolution verschmelzen IT- und Produktionswelten.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 98
Software & Hardware<br />
technischer Natur sein. Beispielsweise<br />
kann dies die Umsetzung oder Einführung<br />
einer bestimmten Technologie sein,<br />
aber auch der Einsatz eines bestehenden<br />
Standards. Dabei stehen auch grundlegende<br />
Dinge wie die Software-Architektur<br />
oder das Software-Engineering im<br />
Fokus. Es geht also nicht nur um kurzfristige<br />
Werttreiber, sondern ebenfalls um die<br />
mittelfristige Transformation bezogen auf<br />
projektunabhängige Tätigkeiten. Hierbei<br />
steht ein ganzheitliches Handeln (nicht<br />
nur Produktion, IT oder Geschäftsprozesse,<br />
sondern alles in Wechselwirkung)<br />
im Vordergrund. Um dies zu erreichen,<br />
wurde eine gemeinsame Wissensdatenbank<br />
aufgebaut und ein entsprechendes<br />
Vorgehensmodell entwickelt.<br />
Das Vorgehensmodell und seine strategischen Meilensteine.<br />
Erstens: Awareness<br />
Die Haupt- und Unterthemen innerhalb<br />
der Wissensdatenbank werden im ersten<br />
Schritt (Awareness) auf relevante<br />
Innovativer Hintergrund<br />
Die Gruppe «Leitsysteme und<br />
Anlagenmodellierung» der<br />
Abteilung «Informationsmanagement<br />
und Leittechnik»<br />
des Fraunhofer IOSB befasst<br />
sich seit über 25 Jahren mit<br />
produktionsnahen IT-Systemen,<br />
unter anderem Manufacturing<br />
Execution Systems (MES). Atos<br />
bringt aufgrund von Erfahrungen<br />
aus mehr als 400 Manufacturing-<br />
Projekten weltweit in den<br />
zurückliegenden 20 Jahren<br />
ebenfalls fundierte Praxiskenntnisse<br />
mit. Damit agieren<br />
beide Partner im Spannungsfeld<br />
zwischen IT und Produktion,<br />
das hier fokussiert wird.<br />
Gerade der starke und wichtige<br />
Schweizer und deutsche KMU-<br />
Sektor in der Produktion<br />
profitiert von einer praxisnahen,<br />
in kurzer Zeit definierten Strategie,<br />
die gemeinsam mit dem Endanwender<br />
entsteht und konkrete<br />
Massnahmen und Schritte zur<br />
Umsetzung von Industrie 4.0<br />
vorgibt. Hier gilt es, dem Thema<br />
Industrie 4.0 die Komplexität zu<br />
nehmen und mit einem Zeithorizont<br />
von ein bis zwei Zeit-Monaten<br />
zu einer individuellen Lösung,<br />
einem Massnahmenplan, zu<br />
kommen, der konkret<br />
umgesetzt werden kann.<br />
Bereiche eingegrenzt, indem auf Basis<br />
der MES-Funktionalitäten gemäss<br />
VDI5600-1 (beispielsweise Qualitätsanalyse)<br />
oder den Kategorien der ISA95<br />
(Production) eine Vorauswahl relevanter<br />
Industrie 4.0-Kategorien getroffen wird.<br />
Dies kann beispielsweise die eingeführte<br />
Industrie 4.0-Kategorie «Connected<br />
Machines and Products» sein.<br />
Auch der Bezug zum Referenzarchitekturmodell<br />
Industrie 4.0 (RAMI) wird nicht<br />
vergessen. So werden auf Basis der vorgeschlagenen<br />
Industrie 4.0-Kategorien<br />
einzelne Ausschnitte des RAMI (beispielsweise<br />
die Hierarchie-Ebenen der<br />
IEC 62264 und IEC 61512) abgebildet.<br />
Zweitens und drittens:<br />
Assesment und Identification<br />
Bezogen auf die ausgewählten Kategorien<br />
wird nun im zweiten Schritt (Assesment)<br />
ein Katalog von Haupt- und<br />
Unterthemen bereitgestellt, der zur Bestimmung<br />
der Ist-Situation, aber auch<br />
zur anschliessenden Festlegung zu adressierender<br />
Themen – der Soll-Situation<br />
im dritten Schritt (Identification) –<br />
genutzt wird. Ein Thema könnte hier das<br />
Smart Product sein. Die zu adressierenden<br />
Themen sind jeweils mit konkreten<br />
funktionalen Massnahmen in der Industrie<br />
4.0 Wissensdatenbank belegt. Beispielsweise<br />
muss für das Smart Product<br />
bestimmt werden, welcher Umfang von<br />
Informationen auf dem Produkt selbst<br />
gespeichert werden soll. Weiterhin werden<br />
im dritten Schritt auch nicht funktionale<br />
Anforderungen festgelegt wie<br />
beispielsweise die Wartbarkeit oder Benutzerfreundlichkeit,<br />
die im konkreten<br />
Fall erfüllt werden müssen.<br />
Viertens und fünftens:<br />
Justification und Implementation<br />
Gleichzeitig sind aber auch mögliche<br />
qualitative Nutzenpotenziale in der Wissensdatenbank<br />
enthalten wie beispielsweise<br />
weniger unnötige Lagerzeiten oder<br />
weniger manueller Aufwand, um die ausgewählten<br />
Massnahmen nach verschiedenen<br />
Zielkriterien priorisieren zu können<br />
und daraus im vierten Schritt (Justification)<br />
einen entsprechenden Umsetzungsplan<br />
zu erzeugen. Nach erfolgter Umsetzung<br />
im fünften Schritt (Implementation)<br />
geht es zurück in eine Überprüfung zur<br />
iterativen Fortschreibung der Strategie.<br />
So kann die Entwicklung in Richtung Industrie<br />
4.0 Schritt für Schritt erfolgen.<br />
Dr. Ing.<br />
Miriam Schleipen<br />
arbeitet am Fraunhofer IOSB und leitet<br />
aktuell die Gruppe Leitsysteme und Anlagenmodellierung<br />
in der Abteilung Informationsmanagement<br />
und Leittechnik.<br />
Ihr Schwerpunkt liegt auf der Adaptivität<br />
und Interoperabilität von Teilsystemen<br />
in Produktionsanlagen, speziell für die<br />
MES-Ebene.<br />
www.iosb.fraunhofer.de/?fabrik+und+tools<br />
www.de.atos.net<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 99
Software & Hardware<br />
Im Fokus<br />
Sicherheitsherausforderungen<br />
bei Industrie 4.0<br />
von Karl Schrade<br />
Im Bereich Office sind die Sicherheitslösungen heute<br />
auf einem guten Weg, auch wenn sie oft noch einige<br />
Luft nach oben haben. Die Sensibilisierung für<br />
die Gefahren ist bei Unternehmensverantwortlichen<br />
meist vorhanden. Wenn man die Produktion im Zeichen<br />
von Industrie 4.0 mit einbezieht, sieht die Situation<br />
aber düster aus. Wir baten einen Experten um<br />
einen analytischen Überblick.<br />
Unter dem Schlagwort Industrie 4.0<br />
wird die vierte Industrielle Revolution<br />
verstanden, nach Mechanisierung,<br />
Elektrifizierung und Digitalisierung<br />
der Industrie. Grundlage von<br />
Industrie 4.0 ist die Vernetzung von Systemen,<br />
Maschinen und Betriebsmitteln<br />
zu einem intelligenten Gesamtsystem,<br />
das eine hohe Flexibilität und Automatisierung<br />
erlaubt. Das letztendliche Ziel<br />
von Industrie 4.0 ist eine Smart Factory,<br />
die aus miteinander vernetzten Cyber<br />
Physical Systems (CPS) besteht: Eine<br />
hoch automatisierte Fabrik, in der die<br />
Produktionsabläufe über alle Ebenen<br />
hinweg durch Systeme gesteuert werden,<br />
idealerweise mit so wenig wie möglich<br />
menschlicher Beeinflussung der<br />
Abläufe. Maschinen holen sich ihre Produktionsdaten<br />
automatisch aus zentralen<br />
ERP-Systemen, Komponenten und Bauteile<br />
kennen ihren eigenen Endzustand<br />
und können den Weg dahin beeinflussen.<br />
Anlagen kommunizieren regelmässig<br />
mit den Herstellern und melden<br />
relevante Betriebsdaten, um potenzielle<br />
Störungen durch Wartungsarbeiten<br />
planbarer zu machen und somit für geringere<br />
Ausfallzeiten zu sorgen, und so<br />
weiter und so fort. Letztendlich soll Industrie<br />
4.0 sowohl den produzierenden<br />
Unternehmen als auch deren Kunden<br />
immense Vorteile bringen: Effizienzsteigerung,<br />
Kostensenkung, Losgrösse 1)<br />
sind hier nur einige der Schlagwörter.<br />
Aber Industrie 4.0 bringt auch eine Reihe<br />
von Herausforderungen mit sich, vor<br />
allem in Bezug auf das Thema Informa-<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 100
tions- beziehungsweise Datensicherheit.<br />
Während grosse Unternehmen sich<br />
schon seit Längerem mit Industrie 4.0<br />
beschäftigen, was nicht heissen soll,<br />
dass der Grossteil der Herausforderungen<br />
auch wirklich gelöst ist, scheint das<br />
typische KMU-Umfeld das Thema erst<br />
jetzt so langsam aufzugreifen.<br />
Unterschied von Safety und Security<br />
Wie bereits erwähnt, ist eine enge Vernetzung<br />
der bisher typischerweise getrennten<br />
Welten Office-IT und Produktions-IT<br />
unabdingbar für den Erfolg von<br />
Industrie 4.0. Daraus ergibt sich eine Öffnung<br />
der weitestgehend abgeschotteten<br />
Produktions-IT und konfrontiert diese<br />
mit bisher unbekannten beziehungsweise<br />
neuen Sicherheitsrisiken. Hinzu<br />
kommt ein oftmals fehlendes Verständnis<br />
für Belange der Informationssicherheit<br />
auf Seiten der Betreiber der Produktions-IT.<br />
Sicherheit in der Produktion<br />
bezieht sich in der Regel auf die Fragen<br />
der Betriebssicherheit, im anglistischen<br />
Sprachkontext unter dem Begriff<br />
Safety zusammengefasst. Damit ist<br />
gemeint, dass von Produktionsanlagen<br />
und Maschinen keine Gefahr für Umwelt<br />
und Menschen ausgehen darf und<br />
dass die Verfügbarkeit an oberster Stelle<br />
steht. Die Ziele von (Informations-)Sicherheit,<br />
im Englischen Security genannt,<br />
sind vielfältiger und zielen auf den Schutz<br />
von Daten und Systemen ab. Die klassischen<br />
Ziele von Security sind Vertraulichkeit,<br />
Integrität und Verfügbarkeit. In der<br />
Regel werden sie genau in dieser Reihenfolge<br />
abgehandelt.<br />
insbesondere bei Unternehmensverantwortlichen<br />
von KMU. Um dies zu verdeutlichen,<br />
hier ein Zitat aus dem Deutschen<br />
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV):<br />
«Die Gefahr, dass sensible Informationen<br />
aus einem Betrieb in die falschen Hände<br />
fallen, ist (…) real. Besonders innovative<br />
mittelständische Unternehmen sollten ihr<br />
Potenzial daher ausreichend schützen.<br />
Viele mittelständische deutsche Unternehmen<br />
sind leichte Beute. Sie können<br />
oft nur schlecht einschätzen, was ihre<br />
Kronjuwelen sind, wofür sich die Gegenseite<br />
interessiert …»<br />
Gerade in diesem Umfeld herrscht oftmals<br />
die Meinung, dass Informationssicherheit<br />
keinen Mehrwert für das<br />
Geschäft bringt, sondern nur Kosten<br />
verursacht. Aus diesem Grund finden<br />
sich dann in solchen Unternehmen<br />
oftmals nur technische Lösungen wie<br />
Firewalls und Proxyserver in Richtung<br />
Software & Hardware<br />
gen, Richtlinien und Standards, es fehlt<br />
bei den Betroffenen oft einfach nur am<br />
Wissen darüber. So gibt es in Deutschland<br />
entsprechende Richtlinien oder<br />
Best-Practices-Empfehlungen einzelner<br />
Branchenverbände. Vom VDI/VDE-IT,<br />
einem führenden Dienstleister für Fragen<br />
rund um Innovation und Technik, gibt es<br />
die Richtlinie 2182, die einen achtstufigen<br />
generischen Kreislauf beschreibt,<br />
der pragmatisch und somit einfach umzusetzen<br />
ist. Auch wenn es sich hierbei<br />
um Verbände und Gremien aus Deutschland<br />
handelt, die in den Dokumenten gemachten<br />
Aussagen und Empfehlungen<br />
haben generell Gültigkeit auch in der<br />
Schweiz. Auf internationaler Ebene ist<br />
die Normenreihe IEC 62443 zu erwähnen,<br />
der Nachfolger bzw. die Weiterentwicklung<br />
von ISA 99. Auch vonseiten ISO<br />
gibt es in der ISO-27XXX-Reihe entsprechende<br />
Standards, die auf bestimmte<br />
Branchen zugeschnitten sind, wie zum<br />
Parallel dazu gibt es eine Reihe von Unterschieden<br />
in beiden Welten, die es nicht<br />
einfacher machen. Hier seien exemplarisch<br />
Themen wie Alter beziehungsweise<br />
Lebensdauer von Komponenten,<br />
zum Einsatz kommende Betriebssysteme<br />
und Applikationen, Klartextprotokolle,<br />
Fernwartungszugriffe, mangelnde oder<br />
unzureichende Methoden zur Authentifizierung<br />
oder Echtzeitanforderungen erwähnt,<br />
die in der modernen Office-IT in<br />
der Regel keine oder nur eine untergeordnete<br />
Rolle spielen, in der Produktions-IT<br />
jedoch mit entsprechend hoher Wichtigkeit<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
Sensibilisierung für Gefahren<br />
Neben diesen eher technischen Aspekten<br />
ist die Sensibilisierung der Geschäftsführung<br />
für Belange der Informationssicherheit<br />
von zentraler Bedeutung,<br />
Der achtstufige generische Kreislauf, der pragmatisch und somit einfach umzusetzen ist.<br />
Quelle: Richtlinie VDI/VDE 2182<br />
Internet oder Anti-Virus-Lösungen, die<br />
gegen aktuelle Bedrohungen nur einen<br />
rudimentären Basisschutz bieten können<br />
und weit davon entfernt sind, eine auf das<br />
jeweilige Unternehmen zugeschnittene<br />
Sicherheitsarchitektur darzustellen.<br />
Best Practices und Richtlinien<br />
In verschiedenen Umfragen und Studien<br />
wird immer wieder erwähnt, dass es<br />
keine Richtlinien oder Best Practices<br />
für Industrial Control Systems Security<br />
gäbe, so zum Beispiel in einer Umfrage<br />
des Verbands Deutscher Maschinen-<br />
und Anlagenbau aus dem Jahr<br />
2014. Dem muss klar widersprochen<br />
werden: Es gibt eine Vielzahl von nationalen<br />
und internationalen Empfehlun-<br />
Beispiel ISO 27019 und ISO 27011. Abschliessend<br />
seien hier noch die US-amerikanischen<br />
Standards und Richtlinien<br />
NIST SP 800-82 und NERC-CIP erwähnt.<br />
Proaktiv handeln<br />
Egal, nach welchem Standard oder nach<br />
welcher Richtlinie ein Unternehmen<br />
das Thema angehen will beziehungsweise<br />
muss, eines steht immer ganz am<br />
Anfang: ein Trigger 2) , der die entsprechenden<br />
Aktionen auslöst. Dieser sollte<br />
idealerweise nicht ein Vorfall (Incident)<br />
sein, sondern proaktiv von der Unternehmensführung<br />
ausgelöst werden. Beispielhaft<br />
sei hier die Vorgehensweise<br />
nach VDI/VDE 2182 zu nennen, mit<br />
ihrem achtstufigen Kreislauf.<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 101
Software & Hardware<br />
Security beinhaltet ein umfassendes Konzept und zielt auf den Schutz von Daten und Systemen ab.<br />
Neben dem initialen Trigger kommt der<br />
ersten Stufe eine hohe Bedeutung zu:<br />
Assets identifizieren. Gerade in Produktionsumgebungen<br />
gibt es oftmals<br />
keine umfängliche Aufstellung aller Assets<br />
und deren Kommunikationsbeziehungen.<br />
Das ist in der Regel dem Umstand<br />
geschuldet, dass es sich hier um<br />
über Jahrzehnte gewachsene Infrastrukturen<br />
handelt, die zusätzlich von der<br />
Office-IT entkoppelt waren. Solch eine<br />
notwendige Aufstellung erfordert typischerweise<br />
eine Mischung aus automatisierter<br />
Erhebung mit entsprechenden<br />
technischen Lösungen und manueller<br />
Vor-Ort-Begehung. Bei solchen Vor-<br />
Ort-Begehungen werden regelmässig in<br />
Vergessenheit geratene Komponenten<br />
gefunden, die nicht mehr gebraucht werden,<br />
wie zum Beispiel analoge Modems<br />
und ISDN Router für die Fernwartung.<br />
Solche Komponenten stellen ein hohes<br />
Risiko dar, da sie einen direkten und<br />
oftmals schlecht geschützten Zugang<br />
direkt auf Produktionssysteme erlauben.<br />
Ein idealer Einstiegspunkt für Angreifer<br />
jeglicher Couleur.<br />
Nützliche Informationen zum Themenkomplex<br />
finden sich auch beim Deutschen<br />
Bundesamt für Sicherheit in der<br />
Informationstechnik (BSI). Neben einem<br />
ausführlichen ICS Security Kompendium<br />
veröffentlicht das BSI auch regelmässig<br />
aktualisierte Empfehlungen wie<br />
zum Beispiel BSI-CS 005 oder BSI-CS<br />
108 3) . In der Schweiz ist die Melde- und<br />
Analysestelle Informationssicherung<br />
MELANI die zentrale staatliche Anlaufstelle<br />
für Sicherheitsfragen und Sicherheitsstandards.<br />
Konkrete Vorschläge<br />
In nahezu allen Publikationen findet sich<br />
ein Ausdruck, der in der Office-IT Security<br />
schon lange bekannt ist und entsprechend<br />
Beachtung findet: Layered<br />
Defense beziehungsweise Defense in<br />
Depth. Der Grundgedanke dahinter ist,<br />
dass Massnahmen verschiedener Art<br />
und auf verschiedenen Ebenen implementiert<br />
werden, um im Falle eines Ausfalls<br />
oder der Unwirksamkeit einer einzelnen<br />
Massnahme immer noch einen<br />
funktionierenden Schutz zu haben. Das<br />
Konzept von Defense in Depth besteht<br />
grob aus einer Mischung aus Kontrollen<br />
für Prävention, Erkennung und aktiver<br />
Korrektur beziehungsweise Behebung<br />
von Sicherheitsvorfällen. Dazu gehören<br />
eher technische Grundmassnahmen wie<br />
Netzwerksegmentierung mit Verkehrskontrolle,<br />
Intrusion Detection/Prevention<br />
Systeme, Endpoint Protection, Application<br />
Whitelisting, zentralisierte Fernwartungszugänge,<br />
Einsatz von Kryptografie<br />
und Network Access Control. Aber auch<br />
eher organisatorische Prozesse, wie<br />
Asset Management, Patch Management,<br />
Configuration Management, Richtlinien<br />
zum sicheren Umgang mit Daten und<br />
Komponenten, Awareness Trainings und<br />
nicht zuletzt auch ein wirksames Incident<br />
Response Management und Forensische<br />
Analyse sind wichtig.<br />
Das Beispiel Netzwerkumgebungen<br />
Allerdings ist eine reine Beschränkung<br />
auf pure Technikaspekte ein unzureichender<br />
Ratgeber und bringt auch<br />
keinen echten Mehrwert. Das sind oft<br />
Massnahmen, die in vielen Unternehmen<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 102
in der Office-IT schon seit Langem genutzt<br />
werden. Eine Adaption an die Produktions-IT<br />
kann jedoch in der Realität<br />
nicht ohne gründliche Planung und<br />
Evaluierung durchgeführt werden, da<br />
es hier völlig andere Rahmenparameter<br />
gibt, die insbesondere bei technischen<br />
Massnahmen entsprechende Berücksichtigung<br />
finden müssen. Beispielhaft<br />
versuchen. Aber auch immer wieder<br />
auftretende Infektionen mit «alten Bekannten»<br />
wie zum Beispiel Conficker<br />
verursachen hohe Schäden, weil sie<br />
sich ungehindert in der Produktions-IT<br />
einnisten und verbreiten können. Aktuell<br />
wird eine Zunahme von Angriffen<br />
beobachtet, die sich genau dieser Strategie<br />
bedient: Ausnutzung von längst<br />
Software & Hardware<br />
Kleines Fazit<br />
Unternehmen aus dem Bereich KMU<br />
können sich nicht länger dem Themenkomplex<br />
Industrie 4.0 entziehen, um<br />
weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Gerade<br />
in Bezug auf die hierfür notwendige<br />
Vernetzung von Office-IT und Produktions-IT,<br />
und die damit verbundene<br />
Informationssicherheit, stehen diese<br />
Unternehmen vor Herausforderungen.<br />
Die Konvergenz der bisher getrennten<br />
Welten stellt den idealen Zeitpunkt dar,<br />
sich diesen Herausforderungen auf der<br />
Ebene der Geschäftsführung zu stellen.<br />
Informationssicherheit darf nicht länger<br />
als Kostenfaktor gesehen werden, sondern<br />
als strategische Investition mit einem<br />
Mehrwert für das Unternehmen. Ein<br />
Mehrwert, der vor Angriffen schützt, unternehmenskritische<br />
Systeme und Daten<br />
sichert und letztendlich einen hohen<br />
Beitrag zum langfristigen Geschäftserfolg<br />
leistet.<br />
Eine Netzwerksegmentierung, basierend auf einem Zonen- und Zellenkonzept,<br />
ist ein guter Grundschutz, um Infektionen einzugrenzen.<br />
soll hier die Massnahme bei der Netzwerksegmentierung<br />
näher betrachtet<br />
werden. Gerade im KMU-Umfeld finden<br />
sich regelmässig flache Netzwerkumgebungen,<br />
bei denen Office- und<br />
Produktions-IT ohne Verkehrskontrolle<br />
miteinander vernetzt sind. Nicht nur,<br />
dass ein potenzieller Innentäter damit<br />
sehr einfach Zugang zu IT-Systemen<br />
in der Produktion erlangen kann, stellt<br />
ein hohes Risiko dar. Viel höher ist das<br />
Risiko, dass eine Malware-Infektion in<br />
der Office-IT sich auf die Produktions-<br />
IT ausbreiten und dort Schaden anrichten<br />
kann, teils mit verheerenden Folgen.<br />
Auf der einen Seite gibt es stark<br />
zunehmend zielgerichtete Angriffe über<br />
Spearfishing oder Waterholing, wie zum<br />
Beispiel eingesetzt bei Dragonfly/Havex<br />
oder Black Energy, die über diesen<br />
Weg Zugang in Produktionsumgebungen<br />
finden. Die Auswirkungen reichen<br />
von Industrie- und Wirtschaftsspionage,<br />
System- und Datenmanipulation<br />
bis hin zur Kompromittierung einzelner<br />
Komponenten oder ganzer Anlagen,<br />
oftmals verbunden mit Erpressungsbekannten<br />
Schwachstellen, gegen welche<br />
die Office-IT immun, die Produktions-IT<br />
jedoch weitestgehend ungeschützt<br />
ist. Hier hilft eine durchdachte<br />
Netzwerksegmentierung basierend auf<br />
einem Zonen- und Zellenkonzept als<br />
guter Grundschutz, um Infektionen einzugrenzen<br />
und eine unkontrollierte Verbreitung<br />
zu verhindern.<br />
Die auf den unteren Ebenen zum Einsatz<br />
kommenden Sicherheitskomponenten<br />
erfordern in der Regel bestimmte Rahmenparameter<br />
wie Formfaktor, erweiterter<br />
Temperaturbereich, EMV-Verträglichkeit<br />
etc., die von Komponenten aus<br />
der Office-IT nicht gewährleistet werden<br />
können. Dies aber sind letztendlich technische<br />
Details der Sicherheitsarchitektur<br />
und deren Umsetzung, entsprechende<br />
Lösungen sind am Markt vorhanden.<br />
Und wie bereits erwähnt, handelt es sich<br />
bei Netzwerksegmentierung nur um eine<br />
Massnahme von vielen des Konzepts<br />
Defense in Depth. Wichtig ist das Zusammenspiel<br />
von an die jeweilige Umgebung<br />
angepassten Massnahmen.<br />
Anmerkung<br />
1)<br />
Menge einer Produktart oder einer Baugruppe, die<br />
in einer Produktionsstufe als geschlossener Posten<br />
(Los) ohne Unterbrechung durch die Produktion<br />
anderer Produkte oder Baugruppen gefertigt wird.<br />
2)<br />
Triggerung bedeutet das definierte zeitliche oder regelmässige<br />
Auslösen einer Funktion. Ausgelöst wird<br />
die Triggerung von einem Triggersignal. Das Triggersignal<br />
kann einen bestimmten Zustand repräsentieren,<br />
beispielsweise die ansteigende oder abfallende<br />
Flanke eines Impulses, eine logische Verknüpfung,<br />
wenn zwei Signale eine logische UND-Funktion erfüllen,<br />
oder einen bestimmten Pegel, der bei unteroder<br />
überschreiten ein Triggersignal auslöst.<br />
3)<br />
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
(BSI) hat mit dem «ICS Security Kompendium»<br />
ein Grundlagenwerk für die IT-Sicherheit in<br />
Automatisierungs-, Prozesssteuerungs- und Prozessleitsystemen<br />
(Industrial Control Systems, ICS)<br />
veröffentlicht. Das ICS Security Kompendium ermöglicht<br />
sowohl IT-Sicherheits- als auch ICS-Experten<br />
einen einfachen Zugang zum Thema IT-Sicherheit in<br />
industriellen Steuerungsanlagen. Es bildet den Rahmen<br />
für verschiedene Anwendungsbereiche industrieller<br />
Steuerungssysteme und dient als gemeinsame<br />
Basis für Experten in Anwendungsgebieten wie<br />
ZFabrikautomation und Prozesssteuerung.<br />
Karl Schrade<br />
ist Senior Solution Manager – Industrial<br />
Security bei NTT Com Security.<br />
www.nttcomsecurity.ch<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 1<strong>03</strong>
Software & Hardware<br />
Das Thema Datenschutz in der Cloud ernst nehmen.<br />
In der Cloud<br />
Die drei am häufigsten gestellten Fragen<br />
von Frank Müller<br />
Das Thema Cloud ist in aller Munde. Dennoch ist für viele der Begriff der Cloud nach wie vor mit zahlreichen<br />
Fragen behaftet. Der Gründer des Marktplatzes cloud world, Frank Müller, räumt mit den am häufigsten gestellten<br />
Fragen über die digitale Wolke auf.<br />
Für viele Geschäftsverantwortliche<br />
von kleinen Unternehmen liegt<br />
die Cloud immer noch hinter einer<br />
nebligen Wolkenwand. Dies gilt es zu<br />
lüften. Wir machen die ersten Schritte.<br />
1. Wo ist die Cloud?<br />
Die Cloud ist überall dort, wo es Rechenserver<br />
und eine Netzverbindung<br />
gibt. Sprechen wir von der technischen<br />
Seite der Cloud, dann reden wir eigentlich<br />
vom Virtualisieren. Eine virtualisierte<br />
Hard- oder Software kann ortsunabhängig<br />
genutzt werden, während wir andere<br />
Software oder Spiele lediglich an den<br />
Computern nutzen können, auf denen sie<br />
installiert sind. Für den Zugriff auf Spiele<br />
«aus der Cloud» benötigt man dagegen<br />
einzig und allein einen Internetzugang.<br />
Ähnlich funktioniert es mit der Hardware.<br />
Ein einfacher Computerbildschirm ohne<br />
Rechner bringt mir nicht viel, da ich quasi<br />
keinen «Motor» habe, um ihn zu starten.<br />
Die Cloud ermöglicht die Erweiterung<br />
von Anwendungen, Speicher und<br />
mehr, ohne dass der Server neben mir<br />
stehen muss. Das ist besonders dann<br />
praktisch, wenn ich zahlreiche Server<br />
bräuchte, um alle meine Daten und Pro-<br />
gramme unterzubringen. Diese stehen<br />
beim Cloud Computing meist in grossen<br />
Rechenzentren, die gut gekühlt sein<br />
sollten, sodass sie nicht heisslaufen. Um<br />
Energie zu sparen, sind daher besonders<br />
jene Standorte beliebt, die von Natur<br />
aus die meiste Zeit des Jahres niedrigere<br />
Temperaturen verzeichnen wie zum<br />
Beispiel Finnland. Trotzdem befindet sich<br />
die Mehrzahl der Server in den USA, was<br />
aus datenschutzrechtlichen Gründen<br />
zum Unmut vieler Nutzer führt. Denn im<br />
Gegensatz zu deutschen und skandinavischen<br />
Standorten müssen Server<br />
in Amerika weitaus weniger Massnahmen<br />
zum Schutz der Personendaten auf<br />
sich nehmen. Empfohlen wird daher, bei<br />
der Auswahl eines Cloud-Angebots auf<br />
den jeweiligen Server-Standort zu achten<br />
und auch bei der Software zu fragen,<br />
ob der Anbieter diese auf einem lokalen<br />
oder internationalen Server hostet.<br />
2. Wie gross ist die Cloud?<br />
Eine Pauschalantwort gibt es auf diese<br />
Frage nicht. Doch mit Sicherheit ist zu<br />
sagen: Sie wächst beständig. Die Cloud<br />
ist bodenlos, denn eigentlich könnte<br />
man immer mehr Speicher hinzubuchen,<br />
wenn man es wollte. Da es zahlreiche<br />
Cloud-Anbieter gibt, die sicherlich<br />
nicht öffentlich machen wollen, wie<br />
gross ihre Rechenzentren sind, ist kaum<br />
eine Aussage über die Grösse der Cloud<br />
zu treffen. Doch durch den steigenden<br />
Bedarf wächst auch die Anzahl an Rechenzentren,<br />
die gebaut werden. Der<br />
Anbieter mit dem wohl grössten Angebot<br />
ist aktuell Amazon. Dass die Menge der<br />
Daten gross sein muss, ist klar, wie viel<br />
jedoch genau gelagert wird, weiss man<br />
nicht. Bei etlichen Cloud-Anbietern kann<br />
man schon als Privatperson mehrere<br />
Terabytes an Datenspeicher buchen.<br />
Ein Terabyte sind 1’000’000 Megabytes<br />
(MB). Im Vergleich: Ein Song ist durchschnittlich<br />
drei Megabytes gross, es<br />
könnten also mehr als 333’333 Songs<br />
gespeichert werden. Grosse Unternehmen<br />
nutzen weitaus mehr Speicherplatz,<br />
nicht zuletzt da beispielsweise<br />
Plattformen wie Facebook nicht<br />
nur die Profilinformationen aller Nutzer<br />
(circa 120 Milliarden, Stand 01/2014),<br />
sondern auch deren Fotos (Bilder sind<br />
durchschnittlich zirka zwei bis vier Megabytes<br />
gross) speichern. Das sind angeblich<br />
mehr als 220 Milliarden Bilder,<br />
also rund 450 Terabytes, wenn wir von<br />
der kleinsten Bildergrösse ausgehen.<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 104
3. Einmal in der Cloud,<br />
immer in der Cloud?<br />
Der Mythos, dass alles, was einmal<br />
hochgeladen wurde, nicht mehr gelöscht<br />
werden kann, stimmt nur zum<br />
Teil. Studiert man AGB und nutzt die<br />
Einstellungsmöglichkeiten, um seine<br />
Daten zu schützen, hat man wenig zu<br />
befürchten. Kritisch wird es erst, wenn<br />
Fremde an private Daten gelangen und<br />
diese als «neue» Urheber vervielfältigen.<br />
Wenn wieder einmal die Accounts<br />
und privaten Bilder von Stars gehackt<br />
werden, wird die Schuld oft in erster<br />
Linie den Opfern in die Schuhe geschoben,<br />
da sie doch ihre Daten in der Cloud<br />
gespeichert haben. Zudem hält sich<br />
wacker die Aussage, dass man Daten,<br />
wenn sie einmal im Netz waren, niemals<br />
löschen kann. Das ist allerdings nur bedingt<br />
korrekt. Für seriöse Cloud-Anbieter,<br />
insbesondere solche, die Dienste für<br />
Unternehmen, Wissenschaftler und Behörden<br />
anbieten, hat der Datenschutz<br />
höchste Priorität. Das Problem mit den<br />
Cloud-Angeboten für Privatanwender<br />
(und auch Stars mit ihren Privatfotos)<br />
ist derweil, dass diese oftmals kostenlos<br />
Software & Hardware<br />
angeboten werden und der Anwender<br />
das Gratis-Angebot mit seinen Daten<br />
und eher wenig Datenschutz bezahlt.<br />
In den AGB steht drin, was mit den eigenen<br />
Daten passiert, wenn man sie<br />
auf Facebook hochlädt. Da diese aber<br />
oftmals kompliziert geschrieben und<br />
sehr lang sind, lesen wir sie meist nur<br />
oberflächlich. Und auch bei den Fotoeinstellungen<br />
ist Achtung geboten: So<br />
sollten sich User die Frage stellen, ob<br />
Fotos und Co. auf sozialen Netzwerken<br />
für jedermann öffentlich zugänglich<br />
sind. Können private Daten einfach via<br />
Google- oder Facebook-Suche gefunden<br />
werden, steigt das Risiko unliebsamer<br />
Veröffentlichungen durch Fremde.<br />
In diesem Fall ist es dann fast unmöglich,<br />
alle Kopien zu finden und zu löschen.<br />
Diese Probleme treten insbesondere<br />
bei YouTube-Videos auf, die<br />
von anderen herunter- und dann unter<br />
anderen Namen und Accounts hochgeladen<br />
werden und etwa in den sozialen<br />
Netzwerken die Runde machen.<br />
Auch Meme-Bilder, sprich Bilder, die<br />
aufgrund ihres interessanten – meist<br />
witzigen – Inhalts sehr schnell verbreitet<br />
werden, gehören oftmals zu den Inhalten,<br />
die – einmal in Umlauf geraten –<br />
kaum aufgehalten werden können.<br />
Je strikter man also mit seinen Privateinstellungen<br />
umgeht und je sparsamer<br />
man seine Daten preisgibt (und Fotos<br />
hochlädt), desto sicherer sind diese<br />
Daten auch vor der illegalen Vervielfältigung.<br />
Frank Müller<br />
ist einer von drei Gründern der cloud<br />
world ag mit Sitz in Pfäffikon CH. Darüber<br />
hinaus existieren Standorte in Berlin<br />
und Karlsruhe D.<br />
blog.cloud.de/leitfaden-5-dumme-fragen<br />
Ausgabe 3_<strong>2015</strong> // Seite 105
Software & Hardware<br />
Damit Ihre Daten nicht baden gehen<br />
von Helmar Steinmann<br />
Die zunehmende Flut an E-Mails, Briefen, Rechnungen, Verträgen<br />
und anderen geschäftsrelevanten Dokumenten machen<br />
die elektronische Archivierung zu einem immer dringenderen<br />
Thema in KMU. Dabei existieren in vielen Unternehmen<br />
gar keine klaren Regelungen, welche Informationen wo abgespeichert<br />
beziehungsweise archiviert werden sollen. So<br />
kommt es rasch zu Duplikaten, unterschiedlichen Versionen<br />
von Dokumenten oder die zuständige Person verliert einfach<br />
den Überblick.<br />
Für den Verlust von Daten gibt es verschiedene Ursachen. Sie<br />
können gelöscht oder überschrieben werden. Auch Malware,<br />
falsch installierte oder System-inkompatible Programme sowie<br />
Add-ons können ein System lahmlegen. Des Weiteren<br />
kann ein Kurzschluss oder anderweitig herbeigeführter mechanischer<br />
Defekt die Festplatte und damit die darauf gespeicherten<br />
Daten zerstören (gerade während der Ferienzeit machen<br />
Notebooks erstaunlich häufig Bekanntschaft mit einem<br />
Swimmingpool – mit unangenehmen Folgen für ihre Besitzer).<br />
Bei kleinen Datenmengen, die selten verändert werden, mag<br />
ein manuelles Backup auf USB-Stick, CD / DVD oder einer<br />
externen Festplatte eine gute Idee sein. Für wichtige Daten<br />
sind diese jedoch ungenügend.<br />
Doch wo sollen Unternehmen den Hebel ansetzen und welche<br />
zeitliche und finanzielle Investition lohnt sich für ein Einzel-<br />
oder Kleinunternehmen? Ich empfehle eine Lösung mit<br />
einem professionellen Dokumenten-Management-System<br />
(DMS). Weshalb? Es bildet einerseits den Rahmen für eine<br />
sichere kunden- beziehungsweise vorgangsbezogene digitale<br />
Archivierung – wahlweise auf dem eigenen Server oder bei<br />
einem externen Backup-Speicher-Dienst. Andererseits sorgt<br />
es für effizientere Geschäftsabläufe. Mit nur einem Klick stellt<br />
es die gewünschten Dokumente zur Verfügung, hilft dabei,<br />
Duplikate zu vermeiden und kann versehentlich gelöschte<br />
oder überschriebene Dokumente wiederherstellen.<br />
Moderne DMS sind leicht in bestehende Anwendungen wie<br />
Microsoft-Office-Programme oder CRM-Systeme integrierbar<br />
– dies ist ein absolutes Must-Kriterium für die meisten<br />
KMU, die gewohnt sind, mit diesen Programmen zu arbeiten.<br />
Dazu kommt in der Regel eine ganze Bandbreite an Optionen,<br />
die ein DMS anbieten kann. Im Detail hängt dies vom jeweiligen<br />
Produkt, von den individuellen Bedürfnissen und dem<br />
Workflow der Unternehmen ab. Heutige DMS können jedoch<br />
viel mehr als einfach nur digital archivieren. Sie entwickeln<br />
sich immer mehr zu komplexen Enterprise-Content-Management-(ECM)-Systemen,<br />
die im Unternehmen für effizientere<br />
Geschäftsabläufe sorgen.<br />
Die Einführung einer DMS-Lösung lohnt sich für jedes Unternehmen<br />
– unabhängig von der Anzahl der Computerarbeitsplätze.<br />
Im Vordergrund stehen dabei immer der Nutzen<br />
der zentralen Verwaltung aller geschäftsrelevanten Informationen<br />
und Dokumente sowie die schnelle Verfügbarkeit dieser<br />
Informationen für alle berechtigten Mitarbeiter. Je nach<br />
Unternehmensgrösse variieren auch die Kosten für eine professionelle<br />
Lösung. Die Zeit, die Sie damit bei der Suche von<br />
Dokumenten einsparen, gibt’s gratis dazu – damit Sie Ihre<br />
nächsten Ferien ein wenig verlängern können.<br />
ist Niederlassungsleiter der ELO Digital Office CH AG.<br />
www.elo.ch<br />
Helmar Steinmann<br />
<strong>kmu</strong>RUNDSCHAU // Seite 106
Software & Hardware<br />
Grosse Datenmengen ohne Logik<br />
sind nur ein Datenfriedhof<br />
von Daniele Tedesco<br />
Sucht man nach einer allgemein gültigen Definition von Big<br />
Data, so wird man nicht so leicht fündig. Im Allgemeinen beschreibt<br />
Big Data die Verarbeitung von grossen, sich schnell<br />
ändernden und komplexen Datenmengen aus einer grossen<br />
Anzahl Quellen. Die Definition von gross, schnell und komplex<br />
ist allerdings schwierig und abhängig vom Betrachter.<br />
Für Unternehmer, die sich über dieses Thema informieren<br />
möchten, stellt Big Data oft ein undurchschaubares Rätsel dar.<br />
Dennoch scheint sich jeder darüber informieren zu müssen,<br />
um am Ball zu bleiben.<br />
Doch welchen Vorteil kann ein Unternehmen bei der Umsetzung<br />
einer Big-Data-Strategie erzielen und welche Risiken sind<br />
damit verbunden? Viele Unternehmen wissen, dass sie bereits<br />
über den Zug