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VECTURA_03_2015_E_Mag_Auszug

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RUBRIKEN<br />

WWW.<strong>VECTURA</strong>MAG.CH<br />

[lat.: das Fahren] #16 | Herbst <strong>2015</strong><br />

Stoffdach-Renaissance<br />

MERCEDES S CABRIOLET<br />

ALLJAHRESHOCH // OFFEN FAHREN<br />

ECHTZEIT // DIE BESTEN ARMBANDUHREN<br />

HAPPY YACHTING // RIVA UND CO.<br />

SPEZIAL // ASIATISCHE AUTOMARKEN<br />

STUFENHECK-EDITION<br />

www.prestigemedia.ch | CHF 10.–<br />

<strong>03</strong><br />

1 <strong>VECTURA</strong> #16<br />

9 772235 369009


L-evolution Collection<br />

BLANCPAIN BOUTIQUES<br />

RUE DU RHÔNE 40 · 1204 GENEVA · TEL. +41 (0)22 312 59 39<br />

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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ


NICHT JEDER KANN EIN NISMO SEIN.<br />

Man braucht mehr als eine neue Lackierung und einen roten Streifen, um ein NISMO zu<br />

sein. Wenn Technologie und Leistung verschmelzen: Unsere Ingenieure verwandeln urbane<br />

Fahrzeuge in kompromisslose Kraftpakete, die sich auf der Rennstrecke genauso souverän<br />

fahren wie auf der Strasse. Ihre neueste Errungenschaft: der NISSAN JUKE NISMO RS.<br />

Verdammt aufregend. Und in jeder Hinsicht auch verdammt schnell weg.<br />

TESTEN SIE DEN ULTIMATIVEN NEUEN NISSAN JUKE NISMO RS. NISSAN.CH<br />

Gesamtverbrauch l/100 km: kombiniert 7.4–7.2; CO2-Emissionen: kombiniert 169–165 g/km; Ø aller Neuwagen: 144 g/km; Energieeffizienz-Kat.: F.


EDITORIAL<br />

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor<br />

<strong>VECTURA</strong> #16<br />

STUFENHECK<br />

EDITION<br />

Laut Weltnaturschutzunion IUCN sind aktuell 23 000 Tierund<br />

Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Auch unter<br />

Automobilherstellern gibt es eine «Rote Liste»: Die Marke<br />

Lexus etwa scheint den nackten Absatzzahlen nach kaum überlebensfähig,<br />

zumindest in Europa: Nach nunmehr 25 Jahren vor<br />

Ort ist es der Toyota-Tochter nicht gelungen, einen nennenswerten<br />

Marktanteil zu erreichen. In der Schweiz liegt er bei gerade<br />

mal 0,2 Prozent. Das hat weniger mit der technischen Darbietung<br />

des japanischen Luxuslabels denn einer offensichtlich lust- und<br />

ideenlosen Vermarktung zu tun – und überstarken Rivalen: Hierzulande<br />

beherrschen Audi (6,9%), BMW (7,0%) und Mercedes (6,1%;<br />

jeweils 2014) das Oberklasse-Revier; für andere Anbieter bleibt<br />

da nur noch Aas übrig. Dass seit Herbst 2008 nun auch Infiniti in<br />

Europa auf feindlichem Terrain wildert, lässt für die Nissan-Division<br />

nichts Gutes ahnen. Dabei bieten bedrohte Spezies oft Einzigartiges,<br />

wie wir in dieser Ausgabe darstellen.<br />

Den Unterlegenen verhilft eventuell ein Überraschungsangriff zum<br />

Sieg, wie derzeit bei Stufenheck-Karosserien zu beobachten ist.<br />

Bei vielen Herstellern seit Jahren praktisch nicht mehr existent, feiert<br />

das einst als langweilig bis erzkonservativ geächtete «Three-Box-<br />

Design» aktuell ein beachtliches Comeback: Die neue Alfa Romeo<br />

Giulia oder der Jaguar XE sind da nur zwei von vielen positiven Beispielen,<br />

auch wenn der Übergang zum Schrägheck bei beiden fast<br />

schon ein fliessender ist. Merke: Jenseits modischer Crossover-<br />

Strömungen verkörpert ein ansehnliches Stufenheck die Hohe<br />

Schule der Karosserie-Ästhetik. Und natürlich hält die Vergangenheit<br />

viele Interpretationen bereit, die zu den Klassikern der Automobilgeschichte<br />

gezählt werden müssen. Ob es jetzt zu einer Gesundung<br />

des Limo-Bestands reicht, werden die kommenden Jahre zeigen.<br />

Das Cabriolet hat sein Artensterben bereits hinter sich: Nach einer<br />

in den späteren 1970er-Jahren quer durch die Vereinigten Staaten<br />

führenden Treibjagd, in deren Verlauf Softtop-Modelle im Namen der<br />

Sicherheit dann auch weltweit nahezu ausgerottet wurden, hat sich<br />

ihre Population den komplexeren gesetzlichen Bedingungen angepasst<br />

und erholt. Mehr noch: Die Gattung der Stoff- und Klappdach-<br />

Autos ist heute vielfältiger denn je, und das auf allen Kontinenten!<br />

Autos unter 3,5 Meter Länge geht es dagegen schon länger an<br />

den Kragen. Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, die heute<br />

in staatlich geschützten, vorwiegend asiatischen Reservaten äsen<br />

dürfen, sind sie von der Erdoberfläche verschwunden und nur noch<br />

in Museen zu bestaunen. Natürlich folgen Natur und Automobil unterschiedlichen<br />

Gesetzmässigkeiten: Fullsize-SUV, jene geklonten<br />

Dinosaurier der individuellen Fortbewegung, sind IQ-resistent und<br />

wie manch überflüssiger Virus anscheinend nicht totzukriegen.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 0<strong>03</strong>


INHALT #16<br />

EDITORIAL<br />

JENSEITS VON SCHWEDEN<br />

Volvo hat neue «Cross Country»-Modelle<br />

im Angebot, die positiv überraschen<br />

KOFFER UND RÄUME<br />

Ob die Limousine in diversifizierten Autowelten<br />

überleben kann, diagnostiziert Wolfgang Peters<br />

KREATIVITÄT DER KISTE<br />

Das Design aktueller Viertürer ist Änderungen<br />

unterworfen, wie unsere Marktübersicht zeigt<br />

DER WEITE WEG<br />

Hinter dem Kürzel Q50 verbirgt sich ein Auto<br />

mit Potential und Ehrgeiz. Hersteller Infiniti<br />

hat sich aber noch viel mehr vorgenommen<br />

KOMPLEXER WERDEGANG<br />

Über die Genese einer automobilen Grundform<br />

BACK OUT<br />

Der Exodus hat längst begonnen: Down under<br />

funktioniert die Autoindustrie nicht mehr<br />

KLASSISCHER KONTEXT<br />

Ein Blick ins Archiv kann amüsant sein<br />

WAHLVERWANDTSCHAFTEN<br />

Man muss das neue Mercedes C-Klasse Coupé<br />

in Gegenwart seiner Vorfahren betrachten<br />

SCHMUCK DES MANNES<br />

Armbanduhren für Autofahrer zeigen uns,<br />

wie spät es ist – und noch ein wenig mehr<br />

ITALIENISCHES ROULETTE<br />

Alfa Romeo setzt voll auf die kommende<br />

Giulia. Doch das ist nur die halbe Geschichte<br />

GRENZEN DES GUTEN GESCHMACKS<br />

Es gibt Cabrios, die Mark Stehrenberger<br />

einfach nicht ausstehen kann<br />

0<strong>03</strong><br />

008<br />

014<br />

016<br />

020<br />

<strong>03</strong>4<br />

<strong>03</strong>8<br />

042<br />

046<br />

052<br />

058<br />

076<br />

KALKULIERTES RISIKO<br />

Der vierte Mazda MX-5 ist anders als seine<br />

Vorgänger, haben wir in Japan festgestellt<br />

TITELSTORY<br />

Mit dem S-Klasse Cabriolet greift man<br />

in Stuttgart einmal mehr nach den Sternen<br />

NACH OBEN OFFEN<br />

Zehn Stoffverdeck-Empfehlungen für<br />

die luftigen Momente mobilen Daseins<br />

JURASSIC PARK<br />

Wer stilecht durch die 1990er cruisen will,<br />

sollte eine Dodge Viper RT/10 nehmen<br />

EINFACH MAL DIE WELLE MACHEN<br />

Warum man kommenden Sommer bei<br />

Poroli Special Boats vorbeischauen sollte<br />

NEUANFANG VON UNTEN<br />

Datsun ist zurück, wenn auch als Discount-<br />

Label. Das wird sukzessive ausgebaut<br />

WESTENTASCHEN-RENNWAGEN<br />

Schmutz und Kohler haben einen Traum<br />

RENDEZVOUS AN DER SARTHE<br />

Nissan hat es heuer wieder versucht bei<br />

den legendären 24 Stunden. Also nahmen<br />

auch wir einen GT-R und gaben alles<br />

IM KREISVERKEHR<br />

Der italienische High-Speed-Kurs Nardò<br />

ist bewegte Geschichte mit Fortsetzung<br />

PLAYSTATION<br />

Mit dem ED Torq will man Schnittstellen<br />

zwischen Wunsch und Wirklichkeit ausloten<br />

EIN SCHIFF WIRD KOMMEN<br />

Im Hafenviertel von L.A. trifft sich regelmässig<br />

die kalifornische Custom-Szene<br />

IMPRESSUM<br />

078<br />

090<br />

096<br />

102<br />

110<br />

122<br />

124<br />

126<br />

138<br />

146<br />

150<br />

160<br />

STUFENHECK<br />

EDITION<br />

004 <strong>VECTURA</strong> #16


016<br />

020<br />

052<br />

078<br />

110<br />

126<br />

HERBST <strong>2015</strong> 005


INFOTAINMENT<br />

Wo DIESES ICON steht, gibt es NOCH<br />

MEHR <strong>VECTURA</strong>. Möglich macht es die<br />

sogenannte «AUGMENTED REALITY»<br />

(erweiterte Realität, kurz AR): Diese computergestützte<br />

«Wahrnehmungserweiterung»<br />

erlaubt ZUSÄTZLICHE EBENEN,<br />

die interaktiv funktionieren und nicht nur<br />

die Augen anregen sollen. Zu weiteren<br />

Informationen in Text und Bild, wie sie<br />

bisher bereits mit unseren QR-Codes<br />

geboten wurden, kommen ab sofort<br />

ANIMIERTE INHALTE wie 360°- und<br />

3D-Ansichten, Motorsounds oder Filme.<br />

Das alles ver mittelt MEHR GEFÜHL<br />

direkt aus dem <strong>Mag</strong>azin heraus.<br />

ALLES, WAS ES BRAUCHT, SIND<br />

EINE INTERNET-VERBINDUNG, EIN<br />

SMARTPHONE ODER TABLET UND<br />

DREI SCHRITTE<br />

1. DIE APP NAMENS <strong>VECTURA</strong> AR<br />

AUS DEM APPLE APP STORE ODER<br />

GOOGLE PLAY STORE GRATIS<br />

HERUNTERLADEN<br />

2. EINMAL GESTARTET, FUNK-<br />

TIONIERT DIE APP WIE EIN TÜR-<br />

ÖFFNER, DENN MAN MUSS<br />

3. NUR NOCH DIE ICON-MAR-<br />

KIERTE SEITE SCANNEN UND<br />

SCHON GEHT’S LOS. ALLE VER-<br />

FÜGBAREN FUNKTIONEN SIND<br />

SELBSTERKLÄREND UND EBEN-<br />

SO INFORMATIV WIE UNTER-<br />

HALTSAM GESTALTET<br />

Die AR-Extras sind im Inhaltsverzeichnis<br />

markiert und wir beabsichtigen, das<br />

Angebot in den kommenden Ausgaben<br />

weiter auszu bauen. An der inhaltlichen<br />

wie haptischen Qualität der Printausgabe<br />

ändert sich natürlich nichts.<br />

006 <strong>VECTURA</strong> #16


KOSTENLOSE VIGNETTE 2016<br />

PIRELLI.CH<br />

SWISS-SKI WÄHLT<br />

PIRELLI WINTERREIFEN<br />

PROMOTION<br />

15.9. – 15.11.<strong>2015</strong>*<br />

Denise Feierabend, Patrick Küng und Gino Caviezel<br />

*Kaufen Sie dazu vom 15.9. – 15.11.<strong>2015</strong> vier neue PIRELLI PKW oder SUV<br />

Winterreifen ab 16 Zoll oder Sommerreifen ab 17 Zoll beim teilnehmenden<br />

Händler und registrieren Sie diese bis zum 31.12.<strong>2015</strong> unter<br />

pzeroclub.ch. Konditionen und Händlerverzeichnis unter pzeroclub.ch.


GAR NICHT<br />

ABWEGIG<br />

AUF DEN ERSTEN BLICK SCHEINEN DIE<br />

NACHGEREICHTEN CROSS-COUNTRY-<br />

VARIANTEN DER VOLVO-BAUREIHEN<br />

S60 UND V60 NUR KOSMETIK ZU SEIN.<br />

TATSÄCHLICH ZÄHLEN SIE ZU DEN<br />

GRÖSSTEN ÜBERRASCHUNGEN DER<br />

AUTOSAISON <strong>2015</strong><br />

Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map


FAHRTERMIN<br />

Volvo, das stand einst für solide Karosserien, eine unerschütterliche<br />

Zuverlässigkeit mit unkaputtbaren<br />

Motoren und bestmöglichen Insassenschutz. Und<br />

tut es noch, denn der Hersteller aus Torslanda bei Göteborg<br />

hat es in der Vergangenheit stets verstanden, diese vertrauensbildenden<br />

Attribute zu pflegen und dennoch neues Terrain zu<br />

erobern.<br />

Als wichtigste Bewusstseinserweiterung des Hauses muss<br />

zweifellos die Einführung des Cross-Country-Gedankens genannt<br />

werden, der, beabsichtigt oder nicht, den US-amerikanischen<br />

AMC Eagle (1979–87) zitierte und 1997 zunächst vom<br />

damaligen V70 Besitz ergriff – parallel zum Subaru Legacy Outback,<br />

aber Jahre vor einem Audi Allroad. Seinerzeit noch ausgeschrieben<br />

«Volvo Cross Country» genannt, emanzipierte sich<br />

das Konzept mit dem nächsten V70 im Jahr 2000 zur eigenständigen,<br />

lautmalerischen XC-Familie, der auch der zwei Jahre<br />

später präsentierte erste XC90, sein kleinerer Bruder XC60<br />

(ab 2008) und ein fast schon subtiler V40 Cross Country (ab<br />

2013) zuzurechnen sind. Sie alle bieten eine Extraportion Bewegungsspielraum<br />

und Abenteuer-Feeling, ohne auf die Volvotypischen<br />

Eigenschaften Qualität, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit<br />

verzichten zu müssen. Fast überflüssig zu sagen, dass die<br />

Allrad-Varianten heute zu den erfolgreichsten des Hauses gezählt<br />

werden dürfen.<br />

Ergo präsentierten die Schweden auf der Los Angeles Auto Show<br />

Ende 2014 erstmals einen V60 Cross Country; der viertürige S60<br />

im Offroad-Look stand dann letzten Januar in Detroit. Während<br />

der beiden US-Premieren wurden die Modelle fast beiläufig,<br />

ja auffällig unauffällig aufgetischt, als seien sie lediglich Ausstattungsvarianten<br />

bestehender Baureihen.<br />

Das kann man so sehen, vor allem beim V60 Cross Country,<br />

muss man aber nicht. Denn die in der unteren Mittelklasse angesiedelten,<br />

seit Sommer in der Schweiz verfügbaren Autos bieten<br />

nicht nur ein Plus von 6,5 Zentimeter Bodenfreiheit. Sie wurden<br />

durch diese und andere Massnahmen stilistisch derart verändert,<br />

dass fast von einer eigenständigen Serie gesprochen werden<br />

kann. Wie bei allen Allradlern aus Südschweden geht es hier nicht<br />

um rustikalen Holzfäller-Charme, sondern um ein dynamisches<br />

4x4-Erlebnis auf und gerne auch mal neben der Strasse. Vor allem<br />

das bisher etwas blass aufgetretene Stummelstufenheck S60 hat<br />

dank Querfeldein-Optik eine erstaunliche Metamorphose durchgemacht:<br />

Dank scheinbar banaler Zutaten, die es alle auch beim<br />

Querfeldein-V60 gibt (Wabengittergrill, Unterfahrschutz, Kotflügelverbreiterungen,<br />

andere Schwellerleisten sowie spezielle 18- oder<br />

19-Zoll-Felgen mit besonders hohem Querschnitt), ist der Schweden-<br />

Sedan allein durch sein nun ungewöhnlich hoch aufragendes<br />

Konkav-Heck zu einem Charakterdarsteller gereift, der das Zeug<br />

dazu hat, eine eigene Crossover-Gattung innerhalb der eher konservativen<br />

unteren Mittelklasse zu beleben – eben die der vergessen<br />

geglaubten SUV-Sportlimousine. Stilistische Ähnlichkeiten<br />

zum über 27 Zentimeter längeren Egotrip BMW X6 oder dem<br />

neuen, 4,67 Meter langen Schrägheck-Rivalen BMW X4 (dessen<br />

Heckscheibe in der Heckklappe enthalten ist) sind nicht von der<br />

Hand zu weisen, aber dem Fahrzeugkonzept und nicht dem jeweiligen<br />

Design geschuldet. Und so ist dem viertürigen wie eigenständigen<br />

Cross-Country-Nachwuchs die Aufmerksamkeit anderer<br />

Verkehrsteilnehmer auch ohne allzu grosses Auftrumpfen sicher.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 009


FAHRTERMIN<br />

TECHNISCHE DATEN VOLVO S60/V60 CROSS COUNTRY<br />

Konzept Crossover-Varianten der bekannten Mittelklassemodelle mit erhöhter Bodenfreiheit und verschiedenen Ausstattungsumfängen. Selbsttragende<br />

Karosserie, 4/5 Türen mit je 5 Sitzplätzen. Zahnstangenlenkung mit hydr. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker, hinten<br />

Mehrlenkerachse, wahlweise Front- (Sechs-/Achtgang-Schaltgetriebe und Sechsstufen-Automat) oder Allradantrieb (nur mit A6)<br />

Motor Wassergekühlte, vorne quer eingebaute Reihenvier- und -fünfzylinder-Benzin/Dieselmotoren. 4 Ventile/Zyl., 2 oben liegende Nockenwellen (Zahnriemen/VVT),<br />

Alu-Zylinderkopf, Benziner mit Direkteinspritzung, Diesel mit Common Rail, alle mit Turbo, Intercooler, Stopp-Start-System<br />

S60 Cross Country T5 AWD<br />

V60 Cross Country D4 AWD<br />

Hubraum in cm 3 2497 2400<br />

Bohrung x Hub in mm 83 x 92,3 81 x 93,2<br />

Verdichtung 9,5:1 16,5:1<br />

Leistung in PS (kW) @ U/min 254 (187) @ 5400 190 (140) @ 4000<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min 360 @ 1800 – 4200 420 @ 1500 – 3000<br />

Kraftübertragung<br />

A6<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm 463,5/186,5/154 463,5/186,5/154,5<br />

Radstand in cm 277,5<br />

Spur vorne/hinten in cm 162 /157,5<br />

Reifen und Räder 215/55 R16 auf 7J 215/65 R16 auf 7J<br />

Tankinhalt in L 67,5<br />

Kofferraumvolumen in L 380 430 – 1240<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1680 1760<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg 2200 2300<br />

Leistungsgewicht in kg/PS 6,6 9,3<br />

0 – 100 km/h in Sek. 7,0 8,9<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h 210 205<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 8,5 5,7<br />

CO 2 -Emission in g/km 198 149<br />

Energieeffizienzkategorie G D<br />

Preis ab CHF 57 300.– 51 250.–<br />

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

010 <strong>VECTURA</strong> #16


HERBST <strong>2015</strong> 011


FAHRTERMIN<br />

als auch der frontgetriebene T5 (245 PS, 350 Nm) vorbehalten,<br />

während der S60 CC entweder als T5 AWD oder D4 (mit Frontbzw.<br />

Allradantrieb) kommt. Der grössere Selbstzünder ist in beiden<br />

Modellen verfügbar und wird von uns als besonders ausgewogen<br />

empfunden, weil er ordentlich Druck macht – was sich<br />

nicht nur spüren, sondern auch an einem Power-Meter im Display<br />

ablesen lässt. Dabei bleibt der verbrauchsoptimierte Diesel<br />

ebenso schön sparsam wie angenehm leise; trotz relativ hohem<br />

Gewicht ist das Auto deutlich agiler als ein stärkerer XC70 D5<br />

mit seinen 220 PS.<br />

Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Crossover ist das Gebot der Stunde,<br />

und in einer durch Gesetze und Gleichteile-Strategie immer ähnlicher<br />

werdenden Autolandschaft hebt sich diejenige Marke ab,<br />

welche es versteht, Individualität mit Alltagstauglichkeit zu verbinden.<br />

Die auch innen verfeinerte 60er-Baureihe bringt dafür<br />

alle Voraussetzungen mit. Ihr überarbeitetes Cockpit mit optisch<br />

variierbaren Digitalinstrumenten (es gibt die drei Design-Modi Eco,<br />

Sport und Elegance) und aktualisiertem Sensus-Infotainmentsystem<br />

sowie optimierte Triebwerke sorgen für eine ebenso moderne<br />

wie effiziente Fortbewegung.<br />

Die Allrad-Versionen gibt es ausschliesslich mit Geartronic, die<br />

ihre Arbeit so unauffällig und ruckfrei verrichtet, dass man sich<br />

gar nichts anderes mehr wünscht. Der V60 Cross Country ist<br />

ab Ausstattung Kinetic zu haben, während es den Viertürer ausschliesslich<br />

in der Vollversion Summum gibt. Die enthält dann<br />

fast alles, was man in so einem Auto erwartet – allerdings nicht<br />

jene adaptive Servosteuerung (CHF 290.–), die drei Lenkkraftmodi<br />

kennt und Autofahren noch müheloser, aber nicht langweiliger<br />

macht. Fazit: Die neuen Cross-Country-Modelle schärfen<br />

die Wahrnehmung, sie sind ausreichend geländetaugliche<br />

Allrounder mit ebenso hohen Spass- wie Sicherheitsreserven,<br />

dabei langlebig, schlank und sozial verträglich geblieben. Und<br />

es ist die Kombination genau dieser Eigenschaften, die sie zu<br />

etwas Besonderem macht.<br />

Interessant ist der Aggregate-Mix: Dem V60 Cross Country sind die<br />

Drive-E-Einstiegsmotorisierung D3 (150 PS, 350 Nm; ab CHF 43 300.–)<br />

012 <strong>VECTURA</strong> #16


OFFICIAL FERRARI DEALER<br />

Garage Foitek AG<br />

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FAHRTENBUCH<br />

STANDHAFT UND WEHRBAR<br />

VIELLEICHT RETTET DER SCHNELLE RÜCKEN DIE LIMOUSINE<br />

Text Wolfgang Peters<br />

Die Limousine ist in Gefahr. Sie wird bedroht von immer<br />

neuen Hervorbringungen, von Spielarten der vierrädrigen<br />

Mobilität, die nur wenig zu tun haben mit der europäischen<br />

Kultur des Fahrens. Dabei handelt es sich um autoähnliche<br />

Gefährte, die unter dem Begriff der Sport Utility Vehicles<br />

geführt werden. Das sind die entfernten Verwandten der einstigen<br />

Geländewagen, die für Förster, das Militär, für Waldarbeiter<br />

und Holz-Barone sowie für Abenteurer, Berghüttenwirte und<br />

Baustellenbetreuer vereinzelt eingesetzt wurden. Jetzt sind sie<br />

als sportliche Nutzfahrzeuge in unübersehbarer Vielfalt unterwegs.<br />

Sogar Damen, die man sich mit einem leichten Schauder<br />

des exotischen (oder des erotischen) Ursprungs nur im weissen<br />

Pelz in einem offenen Roadster mit femininem Design vorzustellen<br />

vermochte, sind in diesen Geräten unterwegs.<br />

Weil sich jeder die damit etikettierten Vehikel vorstellen, aber ihren<br />

sperrigen Namen keiner merken kann, sind sie die SUV. Gesprochen<br />

wird das «Ess-Ju-Vie», das klingt schon nach Boom und<br />

nach Trend, keine Marke mag sich diesen Fahrzeugen verschliessen,<br />

und die Hersteller verdienen zwar prächtig daran. Aber weil<br />

die SUV schwerer sind und trotz rundlicherer Kastenform nicht<br />

gut im Wind liegen, verbrauchen sie mehr und bringen die Emissionsmengen<br />

ihrer Produzenten durcheinander. Diese müssen<br />

zum Ausgleich einige Kleinfahrzeuge mit Spatzendurst anbieten,<br />

an denen dann leider wenig verdient wird. Happige Preise werden<br />

deshalb für die trendigen SUV gefordert. Doch das scheint<br />

die Käufer nicht zu stören, sie betteln geradezu um Zuteilung<br />

einer grösseren, schweren und teuren Maschine. Gleichzeitig<br />

jedoch stören sich Auge und Stilempfinden des historisch interessierten<br />

Automobil-Ästheten am SUV und er verweist auf ihre<br />

Herkunft und auf die sinnliche Wirkung einer Limousine.<br />

Eine labbrige Filzmatte ist kein Ersatz<br />

zur blechern-soliden Trennwand, die<br />

Limousinen traditionell auszeichnet<br />

Letztere ist eine zutiefst europäisch geprägte Daseinsform des<br />

Automobils. Auf diesem alten Kontinent wurde das Auto erfunden<br />

und alsbald erhielt es ein schützendes Dach für alle, also<br />

auch für den Chauffeur, und es bekam breite Türen für einen<br />

bequemen Zustieg, und die Dreiteilung des Raumes auf Rädern<br />

definierte sich wie von selbst: Vorne steckten die Antriebsaggregate,<br />

während die Motorkraft unter und durch den mittleren<br />

Abschnitt der Limousine, wo ihre menschliche Fracht untergebracht<br />

war, zum Heck geleitet wurde – so einfach stellte sich einst<br />

der Standardantrieb dar. Im Heck also wurde die Motorkraft von<br />

der Kardanwelle angeliefert und über ein Ausgleichsgetriebe auf<br />

die Hinterräder gebracht. Weil darüber noch Platz frei war, siedelte<br />

sich dort fast zwangsläufig ein Kofferraum an; als Erinnerung<br />

diente zudem die längst überholte Pferdekutsche mit ihrem<br />

Gepäckkasten. Gleichzeitig eine nicht unglückliche Aufteilung:<br />

vorne die Pferde, dann die Menschen und schliesslich die Koffer.<br />

Das machte die klassische Limousine mit ihrem wie abgestuft<br />

wirkenden rückwärtigen Abteil so angenehm: Das Stufenheck<br />

gestattete es, den Raum für die Menschen auch optisch deutlich<br />

zu separieren: Wer möchte schon während einer längeren Reise<br />

in direkter Nachbarschaft zu Koffern, Kisten und Körben sitzen?<br />

Obwohl bei Kompaktwagen die Trennung zwischen der durchaus<br />

komfortablen Kabine und dem Transportraum eher symbolisch<br />

mittels labberiger Filzmatte stattfindet, erscheint es nicht<br />

erstrebenswert, als Quasi-Nachbarn die harte Schale eines weitgereisten<br />

Billigkoffers neben sich zu wissen.<br />

Beim Blick auf Herkunft und Abstammung der eingangs beschriebenen<br />

neuen Fahrzeug-Spezies wird deutlich: Das SUV<br />

ist kein europäisches Automobil. Es entstand auf den Computern<br />

weltweit agierender Konzerne, vorzugsweise bei asiatischen<br />

Marken oder in den Vereinigten Staaten. Die jüngeren SUV aus<br />

Japan und Südkorea haben in ihren Heimatländern jenseits von<br />

Asphalt nichts zu suchen. Man trifft sie in den grellen Vergnügungsvierteln<br />

und ist froh darüber, ihnen beim Hundespaziergang<br />

nicht auch noch im Wald begegnen zu müssen. Sie sind<br />

mehrheitlich für den Export bestimmt, werden häufig gleich im<br />

Ausland produziert und erobern die Welt. Diesem profitträchtigen<br />

Treiben hat die europäische Autoindustrie in einer Art von<br />

Schockstarre lange Zeit zugesehen. Dann hat sie entdeckt, wie<br />

sich langjährige Kunden von ihren Kompakt-, Kombi-, Van- und<br />

Limousinen-Modellen abwandten, um sich in Massen dem SUV<br />

anzuvertrauen. Die späte Erkenntnis der westlichen Autobauer,<br />

sich von diesen Fernost-SUV nicht die Profitbutter vom harten<br />

Brot nehmen zu lassen, führte zu einer fatalen Entwicklung.<br />

Statt eine neue Konkurrenz-Spezies im bewährten Limousinen-<br />

Stil zu entwickeln, holten sie ihre Kopierer aus den Schränken –<br />

und bauen seither wie die Teufel nun selbst nur noch mehr SUV.<br />

Und weil sie schon dabei waren, drückten sie die Dächer flacher<br />

und spülten die Karosserielinien und Proportionen weicher. So<br />

sollten Kritiker beruhigt und SUV auf erträglichere Formate eingedampft<br />

werden. Deshalb müssen wir jetzt EU-SUV mit dem<br />

Aussehen von Hefeteig-Produkten ertragen, deren Formen zwar<br />

gebändigt erscheinen, aber jederzeit wieder überquellen können.<br />

Die Limousine ist da ernsthaft in Gefahr. Doch sie wehrt sich und<br />

erreicht zunehmend eine neue Körperlichkeit. Denn das für manchen<br />

Kunden allzu konservativ erscheinende Stufenheck wird<br />

neu definiert und eingekleidet. Nicht mehr im kastigen Stil des<br />

Kombis, sondern zunehmend in der fliessenden Eleganz des<br />

Schräghecks. Auch das war schon da. Dank neuen Entwurfsund<br />

Produktionstechniken geraten Dachübergang, Heckfenster<br />

und Abschluss heute jedoch eleganter als je zuvor. Auch die Verbindung<br />

vom Gleiten des Hecks hin zu den Flanken wird harmonischer<br />

gelöst. Und optisch erlaubt die Schrägheck-Limousine<br />

mit ihrem schnellen Rücken immer häufiger eine wunderbare Illusion:<br />

Dem Auge des Ästheten wird aus bestimmten Blickwinkeln<br />

das gewohnte Stufenheck geliefert. Es ist eine Täuschung, der<br />

er sich zur Rettung der europäischen Limousine gerne hingibt.<br />

014 <strong>VECTURA</strong> #16


MESURE ET DÉMESURE *<br />

TONDA 1950 TOURBILLON<br />

Das weltweit flachste (3,4 mm)<br />

Fliegende Tourbillon mit Automatikwerk<br />

Mikrorotor aus Platin<br />

Der weltweit leichteste Tourbillon -<br />

Käfig aus Titan (0,255 g)<br />

Hermès-Alligatorlederband<br />

100% entwickelt und gefertigt<br />

von Parmigiani Fleurier Schweiz<br />

www.parmigiani.ch<br />

LE STUDIO PARMIGIANI<br />

CHALET AMBIANCE, SUTERSTRASSE 4, GSTAAD


EINFACH<br />

MAL<br />

DIE KLAPPE<br />

HALTEN<br />

Text Stefan Lüscher, hh · Fotos Werk<br />

VORNE-HINTEN-HAUBEN-<br />

KAROSSEN SIND KONSERVATIVER<br />

AUTO-STANDARD. WAS EINZELNE<br />

MARKEN ABER DARAUS MACHEN,<br />

ERGIBT EINE DURCHAUS INDIVIDUELLE<br />

MISCHUNG; DER ÜBERGANG VOM<br />

STUFEN- ZUM SCHRÄGHECK IST<br />

FLIESSEND. WIR PRÄSENTIEREN ACHT<br />

NEUE KOFFERRÄUME MIT DECKEL<br />

TECHNISCH NEU, OPTISCH ALT: AUDI A4<br />

Dass die neue Mittelklasse-Limo aus Ingolstadt perfekter, raffinierter,<br />

grösser, leichter, stärker und sparsamer ausfallen würde<br />

als die bisherige vierte Modellgeneration, lag auf der Hand.<br />

Schade nur, dass man die beiden kaum unterscheiden kann,<br />

denn der geschärfte Kühlergrill und die schmaleren Scheinwerfer<br />

fallen allenfalls Fetischisten auf. Die grössten Unterschiede<br />

finden sich innen und in Sachen Bedienung. Da gibt es TFT-<br />

Instrumente, Head-up-Display, WLAN-Verbindung oder eine induktive<br />

Ladestation. Als Antriebe stehen vorerst vier Diesel und<br />

drei Benziner mit 150 bis 272 PS zur Wahl, ebenso verschiedene<br />

Getriebetypen, Vorder- und Allradantrieb. Im November geht es<br />

ab 41 900 Franken los; 2016 wird die Baureihe mit den bekannten<br />

Derivaten ausgebaut.<br />

www.audi.ch<br />

ÖV-ALTERNATIVE: BENTLEY MULSANNE BLUE TRAIN<br />

Mit einem Sondermodell namens Blue Train auf Basis des<br />

Mulsanne Speed erinnert der britische Luxushersteller an ein<br />

legendäres Rennen von 1930, bei dem ein Bentley Speed Six gegen<br />

den gleichnamigen Schnellzug antrat – und gewann. Zu den<br />

Besonderheiten der aktuellen Kleinserie zählen eine spezielle<br />

Lederausstattung, filigrane Intarsien auf dem Armaturenbrett,<br />

diverse Blue-Train-Plaketten und ein spezieller quadratischer<br />

Maschendraht-Kühlergrill, wie ihn schon das Original vor 85 Jahren<br />

trug. Das in Europa auf vier Exemplare limitierte Auto wird<br />

vom Bentley-Spezialisten Mulliner in Handarbeit gefertigt; ein<br />

Preis von exakt 357 795 Euro netto wundert da kaum. Unverändert<br />

bleibt der Antrieb mit einem 537 PS starken 6,7-Liter-<br />

V8-Aggregat und einer seidenweich arbeitenden Achtgang-<br />

Automatik.<br />

www.suisse.bentleymotors.com<br />

016 <strong>VECTURA</strong> #16


SHOWROOM<br />

BAYERISCHE RAFFINESSE: BMW 7ER<br />

Mit Opulenz, Komfort und technischer Innovation will der neue<br />

BMW 7er einmal mehr die Spitze des Luxussegments erobern.<br />

Die sechste Generation des bayerischen Flaggschiffs (Typcode<br />

G12) wird noch im Herbst eingeführt, hat sich in den Dimensionen<br />

kaum verändert und dennoch rund 130 Kilogramm abgespeckt.<br />

Neben modifizierten Sechs- und Achtzylindermotoren mit neu<br />

265 bis 450 PS (manche wahlweise mit Heck- oder Allrad antrieb)<br />

gibt es erstmals einen Plug-in-Hybrid mit 326 PS (E-Reichweite:<br />

40 km); 2016 folgt ein V12-Benziner. Im 7er ist Luftfederung ab<br />

sofort serienmässig, dazu kommt jede Menge optionaler Assistenzsysteme,<br />

z. B. Gestensteuerung oder teilautonomes Fahren.<br />

Die Preise beginnen bei 108 400 Franken.<br />

www.bmw.ch<br />

WAS LANGE WÄHRT: FORD MONDEO<br />

Schon der neue – oder doch noch der alte? Bei Ford weiss man<br />

das nie so genau. Selbst Mitarbeiter haben da ihre Schwierigkeiten,<br />

denn der US-Hersteller hat es sich zur Angewohnheit gemacht,<br />

neue Modelle Jahre vor deren Lancierung vorzustellen.<br />

In diesem Fall kamen Produktionsverzögerungen hinzu, immerhin<br />

scheint die lange gehegte Idee vom Weltauto endlich Wirklichkeit<br />

zu werden: Der neue, 4,78 Meter lange und nunmehr<br />

fünfte Mondeo steht mit seinem Stummel-Stufenheck nun auch<br />

bei den Schweizer Händlern; in den USA läuft er bereits nahezu<br />

baugleich als Fusion und soll weitere Kontinente erobern. Es gibt<br />

Benzin- und Dieselaggregate mit 150 bis 210 PS und dazu ein<br />

Hybrid-Modell; neben Frontantrieb stehen auch 4x4-Varianten zur<br />

Verfügung. Preislich geht es bei 30 900 Franken los; am oberen<br />

Ende rangiert die Edel-Variante Vignale.<br />

www.ford.ch<br />

BUSINESS CLASS FÜR GENTLEMEN: JAGUAR XF<br />

Die britische Edelmarke setzt ihre Modelloffensive fort. Auf den<br />

neuen XE (siehe <strong>VECTURA</strong> #14) folgt Ende Jahr die zweite Generation<br />

der oberen Mittelklasse XF; ein fünftüriger Sportbrake<br />

folgt 2016. In den Dimensionen schrumpft der XF minimal, allein<br />

sein Radstand wächst um fünf auf 296 Zentimeter, was den<br />

Platzverhältnissen im Interieur zugutekommt. Aluminium und<br />

die Verwendung der neuen XE-Bodengruppe ermöglichen eine<br />

Gewichtsreduktion von bis zu 190 kg. Das Design – man muss<br />

eher wieder von einem Fliessheck sprechen – gibt sich sehr<br />

sportlich, der C W -Wert sinkt von 0,29 auf 0,26. Als Einstiegsmotorisierungen<br />

sind Vierzylinder-Turbodiesel (163/180 PS),<br />

dazu V6-Benziner (340/380 PS) und ein 3,0-L-Biturbo-Diesel<br />

mit 300 PS vorgesehen. Es gibt Achtstufen-Automaten und<br />

Hinterradantrieb, wahlweise auch Allrad. Die Preise starten bei<br />

47 800 Franken.<br />

www.jaguar.ch<br />

HERBST <strong>2015</strong> 017


SHOWROOM<br />

SIEBEN JAHRE GARANTIE: KIA OPTIMA<br />

Die 2014 überarbeitete Mittelklasse aus Südkorea hat sich auch<br />

bei uns zu einem ernsthaften Wettbewerber gemausert – nicht<br />

zuletzt, weil sie explizit für Europa konzipiert und entworfen<br />

worden ist. Das schmeichelt unseren Geschmacksnerven; konkurrenzlose<br />

Service- und Garantiepakete sowie die umfangreiche<br />

Serienausstattung mit vielen Sicherheits- und Assistenzsystemen<br />

tun ein Übriges. Auf 4,85 Meter Länge finden sich bis<br />

zu fünf Plätze – vor allem im gestreckten Fond sitzt es sich sehr<br />

komfortabel – sowie ein separates Gepäckabteil. Als Standard-<br />

Motorisierung steht ein Vierzylinder-Turbodiesel mit 136 PS und<br />

Frontantrieb bereit; die Optima-Preise starten bei CHF 39 950.–.<br />

Der neue Parallelhybrid leistet 131 kW (177 PS), begnügt sich mit<br />

5-L-Verbrauch und kostet 47 950 Franken.<br />

www.kia.ch<br />

DIE INSTANZ: MERCEDES S-KLASSE<br />

Der grosse Benz führt das Oberklassesegment seit jeher haushoch<br />

an und ist das Fahrzeug, an dem sich Konkurrenten weltweit<br />

zu messen haben. Das kommt nicht von ungefähr. Technologisch<br />

setzt das selbsternannt «beste Auto der Welt» mit all seinen<br />

Raffinessen immer wieder neue Massstäbe. Die Leistungsspanne<br />

der aktuell (je nach Zählweise) achten Generation (W222) reicht<br />

vom Hybrid-Modell mit 231 PS bis zur brachialen, 630 PS starken<br />

Sportlimousine AMG S65; manche Modelle gibt es mit 4Matic. Neu<br />

im Programm ist ein Plug-in-Hybrid mit 325 kW (442 PS) Systemleistung<br />

und 33 km E-Reichweite. Die S-Klasse gibt es mit zwei<br />

Radständen und ein dritter, noch längerer folgt demnächst. Dazu<br />

gesellen sich die jeweils viersitzigen Modellderivate S Coupé und<br />

S Cabriolet (siehe auch S. 090). Die klassische S-Limousine kann<br />

ab 107 700 Franken erworben werden.<br />

www.mercedes-benz.ch<br />

AUSSENDIENST-UPGRADE: VW PASSAT<br />

Wer beim Geschäftswagen auf die neue Wolfsburger Mittelklasse<br />

zurückgreifen darf, kann sich glücklich schätzen. Denn das einstige<br />

Biedermann-Modell hat sich zum eleganten Familien- und<br />

Dienstwagen mit Premium-Anspruch, elegantem Design, viel<br />

Platz und Komfort sowie modernster Technologie auch bezüglich<br />

der verfügbaren Assistenzsysteme entwickelt. Das gilt natürlich<br />

gleichermassen für die Kombi-Variante, wobei VW erstmals<br />

glaubt, ähnlich viele Viertürer verkaufen zu können. Umweltbewusste<br />

Autofahrer dürfte interessieren, dass kürzlich der GTE<br />

vorgestellt worden ist – ein Plug-in-Hybrid mit 218 PS Systemleistung<br />

sowie rund 50 km Elektroreichweite, der Anfang 2016 für<br />

CHF 49 100.– zu haben sein wird. Schon jetzt im Angebot stehen<br />

Front- oder Allradantriebe mit 120 PS bis 280 PS; die Preisliste<br />

beginnt bei 29 950 Franken.<br />

www.volkswagen.ch<br />

018 <strong>VECTURA</strong> #16


THE HEAD SAYS<br />

YES.<br />

THE HEART SAYS<br />

DEFINITELY, YES.<br />

MASERATI GHIBLI. AB CHF 74’000.–<br />

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* CO2 ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; die mittlere CO2-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen Fahrzeug typen in der Schweiz beträgt 148 g/km.<br />

Unverbindliche Preisempfehlung der Maserati (Schweiz) AG.<br />

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ALLRADSYSTEM Q4 ERHÄLTLICH.<br />

MASERATI GHIBLI DIESEL: 6-ZYLINDER-V-60°, 2.987 CM³ – LEISTUNG: 202 KW (275 PS) – 570 NM<br />

BEI 2.000 – 2.600 U/MIN (600 NM BEI OVERBOOST) V-MAX. 250 KM/H – 0 – 100 KM/H IN 6,3 SEK.<br />

KRAFTSTOFFVERBRAUCH (L/100): STADT 7,7 / AUSSERSTÄDTISCH 4,9 / KOMBINIERT 5,9<br />

CO2-EMISSION*: 158 G/KM – EFFIZIENZKLASSE C<br />

www.maserati.ch


020 <strong>VECTURA</strong> #16<br />

FAHRTERMIN


ANERZOGENE<br />

TRADITION<br />

DEN STETS POTENTEN NISSAN<br />

SKYLINE GIBT ES ZWAR SCHON SEIT<br />

BALD 50 JAHREN. DIE AKTUELLE<br />

GENERATION DER TRADITIONS-<br />

LIMOUSINE WIRD BEI UNS<br />

ALLERDINGS MIT INFINITI-LOGO<br />

ANGEBOTEN – ALS TECHNISCH<br />

HOCH AUFGERÜSTETER Q50. UND<br />

DER MUSS SICH IN EINEM DICHT<br />

BESETZTEN SEGMENT BEHAUPTEN<br />

Text Stefan Fritschi · Fotos Ian G.C. White, map<br />

Wer den 2013 eingeführten Infiniti Q50 als Nobel-Nissan<br />

bezeichnet, wird dem Auto nicht gerecht. Sicher, es<br />

ist konservativ gekleidet, wie es in dieser Fahrzeugklasse<br />

erwartet wird – für unseren Geschmack vielleicht etwas zu<br />

konservativ. Aber eben, Geschmack. Da muss man sich nur mal<br />

die anderen Mittelklasse-Vertreter vom Schlage eines Audi A4<br />

oder Mercedes C anschauen. Ihnen gegenüber ist der Infiniti<br />

dann fast schon wieder progressiv gestylt, dazu mehr Fliessoder<br />

höchstens Stummelstufenheck – und zudem eine halbe<br />

Schuhnummer grösser. Denn mit seinen 4,8 Meter Länge nutzt<br />

er die Lücke als zusätzlichen Lebensraum, parkt genau zwischen<br />

A4 und A6, zwischen der C- und E-Klasse und ergo auch zwischen<br />

3er- und 5er-BMW.<br />

Der Antriebsstrang unseres Testwagens wiederum ist baugleich<br />

im Mercedes C250 zu finden; alternativ stehen ein 170 PS starker<br />

2,2-L-Diesel oder – im mindestens 68 500 Franken teuren<br />

Topmodell – ein Hybrid mit 364 PS Systemleistung und 3,5-L-V6<br />

sowie wahlweise Allradantrieb zur Verfügung. Der auf anderen<br />

Märkten erhältliche 3,7-L-V6-Benziner mit 333 PS wird in der<br />

Schweiz leider nicht angeboten.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 021


FAHRTERMIN<br />

Der Q50 ist trotz der Unzahl<br />

von Möglichkeiten, insbesondere<br />

bei den Assistenzsystemen,<br />

einfach und intuitiv zu bedienen<br />

022 <strong>VECTURA</strong> #16


TECHNISCHE DATEN<br />

INFINITI Q50 2.0 T<br />

Konzept Sportliche Limousine auf Nissan-Skyline-Basis. Selbsttragende<br />

Karosserie mit 4 Türen und 5 Sitzplätzen. Vorne Quer- und Längslenker,<br />

hinten Mehrlenkerachse. Elektrische Drive-by-Wire-Lenkung, belüftete<br />

Vierrad-Scheibenbremse, Fussparkbremse, Hinterradantrieb<br />

Motor Vorne längs verbauter Vierzylinder (baugleich mit Mercedes C250),<br />

4 Ventile/Zylinder, fünffach gelagerte Kurbelwelle (Kette), Aluzylinderkopf<br />

und -block, Benzindirekteinspritzung, Turbolader, Intercooler, Stopp-<br />

Start-System<br />

Hubraum in cm 3 1991<br />

Bohrung x Hub in mm 83 x 92<br />

Verdichtung 9,8:1<br />

Leistung in PS (kW) @ U/min 211 (155) @ 5500<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min 350 @ 1250–3500<br />

Kraftübertragung<br />

A7<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm 480/182/145<br />

Radstand in cm 286<br />

Spur vorne/hinten in cm 155/157<br />

Reifen und Räder<br />

245/40 R19 auf 8J<br />

Tankinhalt in L 80<br />

Kofferraumvolumen in L 500<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1620<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg 2165<br />

Leistungsgewicht in kg/PS 7,7<br />

0 – 100 km/h in Sek. 7,2<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h 245<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,3<br />

CO 2 -Emission in g/km 146<br />

Energieeffizienzkategorie<br />

D<br />

Preis ab CHF 54 950.–<br />

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

HERBST <strong>2015</strong> 023


024 <strong>VECTURA</strong> #16


FAHRTERMIN<br />

Damit wäre die technische Einordnung erledigt, lassen die uns zur<br />

Verfügung stehenden 211 PS bei über 1,6 Tonnen Leergewicht<br />

ein etwas behäbiges Fahrerlebnis befürchten. Doch das Gegenteil<br />

ist der Fall: Von Untermotorisierung keine Spur, Schub ist sofort<br />

da und er bleibt in fast allen Lebenslagen erhalten. Ohne Blick<br />

aufs Datenblatt vermutet man sogar viel mehr Leistung, die sich<br />

akustisch übrigens sehr zurückhält und nur bei höheren Drehzahlen<br />

bemerkbar macht. Sportlich klingt zwar anders, doch bedauerlicher<br />

ist, dass sich die Stopp-Start-Automatik zuweilen ruppig<br />

aufführt; der Markt kennt hier harmonischere Systeme. Die serienmässige<br />

Siebenstufenautomatik ist dagegen ein Gedicht: Sie<br />

agiert schnell, absolut ruckfrei und lässt sich – wenn man denn<br />

will – auf der linken Schaltgasse manuell betätigen. Nach vorne<br />

wird hoch-, nach hinten runtergeschaltet und wir meinen, es sollte<br />

umgekehrt sein. Parallel lässt sich die Schaltarbeit auch per (fest<br />

stehender) Lenkradpaddel erledigen, aber wie gesagt muss das<br />

alles gar nicht sein, wenn man einen so schönen Automaten an<br />

Bord hat. Ein Sechsgangschaltgetriebe würde auch gut zum<br />

Turbobenziner passen, ist aber nur beim Diesel lieferbar.<br />

Fahrwerkstechnisch zeigt sich der Q50 jeder Situation gewachsen.<br />

Sein Federungskomfort ist sehr gut, bewegt sich aber auf der<br />

sportlich-straffen Seite, besonders mit optionalen 19-Zoll-Rädern.<br />

Die kraftvoll zupackenden Bremsen sind über jeden Zweifel erhaben<br />

– auch dann, wenn man den Fahrzeugcharakter ändert: Per<br />

Mittelkonsolenschalter lassen sich Lenk- und Antriebsparameter<br />

in den vier Stufen Standard, Sport, Schnee oder Individuell variieren.<br />

Von amerikanisch-weich bis straff-hart ist alles dabei; das<br />

weltweit erste in einem Serienauto verbaute Steer-by-Wire-System<br />

gehört zu den Highlights des Q50. Alle Lenkradbefehle werden<br />

per Datenleitung an einen Stellmotor am Lenkgetriebe weitergeleitet;<br />

so lässt sich die Lenkung individueller konfigurieren –<br />

allein die Abstimmung des Sportmodus darf unserer Meinung<br />

nach künftig etwas lebendiger werden. Einen eventuellen Systemausfall<br />

muss man nicht fürchten, weil dann eine im Hintergrund<br />

vorhandene mechanische Notlenkung einkuppeln würde.<br />

In die Lenkung integriert ist das adaptive Spurhaltesystem ALC<br />

(Active Lane Control), welches mittels Kamera die ideale Fahrspur<br />

ermittelt, diese Informationen verarbeitet, weiterleitet und<br />

gegebenenfalls per Lenkeingriff ausführt. Das funktioniert in der<br />

Praxis sehr gut und hält den Q50 je nach Einstellung stärker oder<br />

schwächer auf Kurs. Ein selbstlenkendes Auto darf man jedoch<br />

nicht erwarten, zudem zeigen sich in Baustellen mit teilweise<br />

unklaren Bodenmarkierungen ein paar Erfassungs-Defizite.<br />

Letztlich bleibt es eine Einstellungssache, ob man sich von derartigen<br />

Assistenzsystemen unterstützt oder bevormundet fühlt;<br />

ALC kann leicht deaktiviert werden.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 025


FAHRTERMIN<br />

Überhaupt sind Bedienung, Haptik und Verarbeitung im Q50 ohne<br />

Tadel; das Interieur vermittelt – vor allem in der Topversion – ein<br />

sehr angenehmes Wohlfühl-Ambiente. Infiniti setzt auf eine Mischung<br />

aus konventionellen Schaltern und zwei Touchscreens,<br />

dazu kommt das heute unvermeidbare Multifunktionslenkrad.<br />

Dank dieser Verteilung entfällt bei fast allen wichtigen Funktionen<br />

die Sucherei in Unter-, Neben- oder Zwischenmenüs, wie man es<br />

bei zahlreichen aufgeräumten Cockpits unserer Tage so oft antreffen<br />

muss. Im Infiniti sind Bildschirm-Symbole angenehm gross<br />

und leicht zu treffen. Die Rückmeldung ist okay, wenn auch nicht<br />

so gut wie bei konventionell mechanischen Drucktasten. Insgesamt<br />

ist der Q50 trotz der Unzahl von Möglichkeiten, insbesondere<br />

bei den komplexen Assistenzsystemen, recht einfach und intuitiv<br />

zu bedienen. Auch die Ergonomie passt; als einziges Manko<br />

sind uns die zwar in der Höhe verstellbaren, aber ansonsten starren<br />

Kopfstützen aufgefallen.<br />

Davon abgesehen haben sich die Japaner sehr viel Mühe gegeben,<br />

alle Flächen, die mit der Haut in Berührung kommen, so angenehm<br />

wie möglich zu gestalten. Das gilt beispielsweise für die<br />

Mittelkonsole, welche mit seitlichen Lederpolstern versehen ist,<br />

was Rockträgerinnen oder Kurzhosenträger sehr schätzen, wenn<br />

die Beine angelehnt werden. Jeder Schalter, jedes Rädchen, jede<br />

Klappe wirkt solide und wird gerne angefasst. Nichts klappert,<br />

nichts wackelt, die Verarbeitung ist oberklassig. Das gilt für die<br />

Platzverhältnisse im Fond nur bedingt, weil grössere Personen<br />

hier etwas beengt sitzen. Aber eben – Sportlimousine. Immerhin,<br />

die Rücksitzlehnen lassen sich geteilt abklappen, eine Durchreiche<br />

für lange Gegenstände dürfte insbesondere Skifahrer erfreuen.<br />

Weiter bietet der Q50 die ganze Klaviatur an Infotainment- und<br />

Assistenzsystemen, die je nach Ausstattungsvariante serienmässig<br />

oder optional sind. Und natürlich kann sich ein Smartphone<br />

via «Intouch»-System ins Fahrzeug einloggen, wo dann auch Apps<br />

genutzt werden können, das funktioniert ausgezeichnet.<br />

Was nicht ganz überzeugt, ist das Exterieur. Die Frontmaske wirkt<br />

wie eine verkleinerte Form des Diavolo-Grills von Lexus, seitlich<br />

erinnert der Q50 im vorderen Bereich an BMW und das Heck<br />

trägt Mazda. Insgesamt ein hübsches Auto, keine Frage, aber<br />

eben zu wenig Infiniti. Selbst der von 2006 bis 13 gebaute Vorgänger<br />

dünkte uns eigenständiger. Die Designer müssen künftig<br />

mehr «Haben-Wollen» ins Blech bringen, um die Kunden von<br />

deutschen, englischen oder japanischen Premium-Produkten<br />

wegzulocken. Dass sie es können, haben sie mit dem FX45 (siehe<br />

S. <strong>03</strong>0) hinreichend bewiesen.<br />

In der Quintessenz ist der Q50 ein durchdachtes, technisch<br />

hochwertiges und sauber verarbeitetes Auto. Das ist mehr, als<br />

wir ihm zugetraut hatten, weil er ja gegen etablierte, hochkarätige<br />

Rivalen antritt – und durchaus bestehen kann. Dazu kommt<br />

seine sehr geringe Verbreitung, die auch eine gewisse Seltenheit<br />

darstellt. Ein Fall für Individualisten ist die Kompakt-Limousine<br />

dagegen nicht unbedingt – dafür sticht sie einfach zu wenig aus<br />

der Masse heraus, ist nicht unverwechselbar genug. Preislich –<br />

unser Testwagen kostete über 70 000 Franken – kann man auch<br />

nicht meckern, denn die Ausstattung ist üppig. Wer weniger<br />

wünscht, kann mit dem 2.2 D bereits unter 48 000 Franken einsteigen.<br />

Achtung, Infiniti: Trotz den Optionspaketen «Premium»,<br />

«Premium Tech» oder «Sport» sind die Wahlmöglichkeiten (Lackfarben,<br />

Innendekor, Felgen) viel begrenzter als etwa bei deutschen<br />

Herstellern. Auch Personalisierung wird beim Q50 klein<br />

geschrieben, obwohl verwöhnte Kunden erwiesenermassen viele<br />

Stunden am Konfigurator verbringen und dort ein paar zusätzliche<br />

Franken ausgeben. Ja, und dann immer wieder die typische<br />

Schweizer Frage nach Allrad und Kombi: 4WD gibt es nur mit<br />

Hybrid, und fünf Türen sind nicht vorgesehen. Insofern wird es<br />

der hauptsächlich auf den US-Markt ausgerichtete Q50 in der<br />

europäischen Auto-Landschaft weiter schwierig haben – obwohl<br />

er ein hervorragendes Angebot ist.<br />

Stefan Fritschi, Jahrgang 1966, gehört zur raren Spezies Schweizer Automobilstylisten.<br />

Nach seiner Ausbildung zum Transport- und Industriedesigner<br />

am Art Center College of Design in Vevey war er von 1990 bis 2009 in<br />

verschiedenen Funktionen beim VW-Konzern beschäftigt und dort u. a. am<br />

Design des Golf IV beteiligt; zwischen 20<strong>03</strong> und 07 leitete er das Volkswagen-<br />

Designbüro Shanghai. 2009 machte sich der gebürtige Aargauer selbstständig<br />

und begann zusätzlich als Motorjournalist zu arbeiten. Er kann also nicht<br />

nur Autos entwerfen, sondern sie auch fahrdynamisch beurteilen und darüber<br />

schreiben. Und wird das in <strong>VECTURA</strong> jetzt öfter tun.<br />

026 <strong>VECTURA</strong> #16


ZERO 1<br />

UNZÄHLIGE SUPERLATIVE.<br />

REVOLUTIONÄRER KLANG.<br />

DAS NEUE ALL-IN-ONE-SYSTEM VON AVANTGARDE ACOUSTIC<br />

Fernbedienung<br />

Die ZERO 1 ist das erste digitale All-in-One-Wireless-Hornsystem der Welt. In<br />

ihm verbinden sich 104 dB Hornlautsprecher, Subwoofer, Multi-Kanal Digitalprozessoren,<br />

sechs 24 Bit DA Converter, Funkmodule und sechs Endstufen mit<br />

insgesamt 1.000 Watt zu einem vollintegrierten, kabellosen Plug & Play-System.<br />

Alles in einer Qualität der Superlative. Bestätigt durch Messresultate, die selbst<br />

erfahrene Experten staunen lassen. Und das zu einem Preis, der zweifellos als<br />

Revolution gelten darf.<br />

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» Umso erfreulicher in diesem Zusammenhang<br />

ist der Preis, der für das hier gebotene schon<br />

fast unglaublich erscheint «<br />

Prof. Anselm Goertz, Universität Aachen (FIDELITY <strong>Mag</strong>azin)<br />

» Das hier ist keine<br />

normale „Box“. Es ist die<br />

Zukunft des Musikhörens «<br />

FIDELITY <strong>Mag</strong>azin 3/2014<br />

» Die wohl dynamischsten<br />

aktiven HiFi-Boxen mit schier<br />

unglaublichem Druck «<br />

STEREOPLAY <strong>Mag</strong>azin 12/2013


INFINITI – DER MARKENNAME IST VOM ENGLISCHEN WORT<br />

FÜR UNENDLICHKEIT (INFINITY) ABGELEITET. DIE PREMIUM-<br />

DIVISION VON NISSAN STARTETE 1989, DOCH ERST<br />

<strong>2015</strong> GELANG ES, EIN HALBJAHRESERGEBNIS VON ÜBER<br />

100 000 VERKAUFTEN AUTOS ZU ERREICHEN. DAS IST<br />

EIN ÜBERSCHAUBARES QUANTUM, UND SO FRAGEN WIR:<br />

HAT DIESE GESCHICHTE ZUKUNFT?<br />

Text Stefan Fritschi · Fotos Werk<br />

War 1990 die erste Limousine ihrer Art: Infiniti Q45<br />

028 <strong>VECTURA</strong> #16


HISTORIE<br />

Per Definition werden 2019 schon die ersten Infiniti-Modelle<br />

zu Oldtimern. Und dies, obwohl die Marke subjektiv doch<br />

eben erst aufgetaucht ist … Das stimmt wohl, allerdings<br />

nur aus europäischem Blickwinkel. Tatsächlich wurde Infiniti erst<br />

2008 auf unserem Kontinent eingeführt und war davor hauptsächlich<br />

auf dem US-Markt sichtbar – von einigen wenigen über den<br />

Grossen Teich geschipperten Exemplaren mal abgesehen. Infiniti-<br />

Fahrzeuge waren anfangs, also ab 1989, nur umgebadgete Nissan-<br />

Modelle; Unterschiede beschränkten sich auf kleinere Details wie<br />

etwa den Kühlergrill. Unter dem neuen Label sollten besonders<br />

die edleren Limousinen, Coupés, Cabrios und SUV ein eigenes,<br />

von der Brot-und-Butter-Marke Nissan abgekoppeltes Image aufbauen.<br />

Honda hatte es mit Acura vorgemacht, Toyota mit Lexus,<br />

und auch Mazda lancierte Anfang der 1990er den Kunstbegriff<br />

Xedos, um mit zwei Baureihen (6 und 9) Höherwertigkeit zu suggerieren.<br />

Letztere verschwanden aber ebenso schnell von der<br />

Bildfläche wie die ganze Marke. Lexus, Acura und Infiniti bilden<br />

somit die drei Speerspitzen der Japaner gegen die etablierten<br />

europäischen Häuser Jaguar, Audi, Mercedes oder BMW, allerdings<br />

hält sich Acura bisher von der Alten Welt fern. Im Gegenzug<br />

hat es die Edelmarke Infiniti in der Heimat Japan nie gegeben,<br />

und das ist bis heute so. Einen Strategie-Konsens gibt es also<br />

nicht, während parallel in Südkorea und China erste ernsthafte<br />

Anstrengungen unternommen werden, um künftig auf internationalem<br />

Parkett in der Luxusklasse mitspielen zu können.<br />

Keimzelle: Das Infiniti M30 Coupé gab es auch als Nissan Leopard<br />

Frühe Derivate-Politik: 1990 erschien das M30 Cabriolet<br />

Der allererste Infiniti anno 1989 war das zweitürige Coupé M30,<br />

dem ein Jahr später ein Cabrio-Ableger folgte. Das Styling des<br />

Duos war schlicht und gradlinig. Mit Ausnahme des Logos – ein<br />

Oval, das eine in die Unendlichkeit führende Strasse umfasst –<br />

war kaum Eigenständigkeit auszumachen. Unter der Haube<br />

surrte ein Dreiliter-V6 mit circa 150 PS, geschaltet wurde via Viergangautomat.<br />

Rundum Einzelradaufhängung und Vierradscheibenbremsen<br />

sowie ein sehr umfangreich ausgestattetes und gediegen<br />

verarbeitetes Interieur gefielen amerikanischen Kunden,<br />

aber weit mehr Aufsehen erregte die fünf Meter lange Limousine<br />

Q45: Deren Package umfasste einen 4,5-L-V8 mit 32 Ventilen,<br />

die Leistung wurde selbstbewusst mit «over 270 hp» angegeben.<br />

Auf Wunsch gab es elektronische Dämpfung oder Vierradlenkung<br />

und damit war der Q45 einheimischen Angeboten haushoch<br />

überlegen. Der Hauptgrund für die Aufmerksamkeit war<br />

jedoch das eigenständige und überaus moderne Styling, welches<br />

bei Designprofessoren jener Zeit gerne als Exempel gelungener<br />

Karosseriegestaltung und als Vorbote der 1990er-Jahre<br />

herangezogen wurde. Der Q45 stellte zwar eine konservative Limousine<br />

dar, war aber von der Flächengestaltung seiner Zeit weit<br />

voraus. Der Kühlergrill war komplett geschlossen, die Felgen aerodynamisch<br />

flach, das Heck sauber modelliert. Kurz: Mit diesem<br />

Auftritt konnte man sich selbst deutschen Konkurrenten stellen.<br />

Konstanz durfte von Infiniti freilich noch nicht erwartet werden –<br />

schon 1991 wurde der erste gute Eindruck mit dem Einsteigermodell<br />

G20 wieder verwässert. Es war schlicht die US-Version<br />

des Nissan Primera und damit baugleich – von edel oder eigenständig<br />

keine Spur. Auch in den kommenden Jahren sollte ein<br />

Auf und Ab zwischen Highlights und Banalitäten das Infiniti-Bild<br />

prägen – ein gutes Beispiel hierfür war die Limousine J30: eigentlich<br />

ein modernes Fahrzeug, 4,8 Meter lang und im Stil des Q45,<br />

aber baugleich mit dem unspektakulären Nissan Leopard und<br />

dazu mit einem stark abfallenden Kofferraum, der bei der anvisierten<br />

Käuferschaft auf wenig Gegenliebe stiess. Der nächste Fehl-<br />

Sprung in die obere Mittelklasse: Infiniti J30 anno 1992<br />

Kaum überzeugend: Der G20 war ein leidlich aufgehübschter Nissan<br />

Profilsuche: Die ersten Infiniti M35 und 45 kamen 20<strong>03</strong><br />

HERBST <strong>2015</strong> 029


HISTORIE<br />

um die «unendliche» Marke scharen würde. Längst sehnten sich<br />

die Händler nach einem Leuchtturm-Modell, welches den Namen<br />

Infiniti in das grosse Markenmeer hinaustragen konnte.<br />

Mit dem Terrano-basierten QX4 betrat Infiniti 1997 das SUV-Revier<br />

tritt folgte 1993, als man dem Q45 per Facelift mit Buick-ähnlichem<br />

Chromgrill seine Eigenständigkeit nahm. Und der 1997 eingeführte<br />

SUV namens QX4 war wiederum nichts anderes als die<br />

US-Version des Nissan Terrano. Das Spiel wiederholte sich 2000<br />

mit dem I30, einem lediglich umbenannten Maxima. Auch die<br />

2001 eingeführte Neuauflage des Q45 war baugleich mit dem<br />

Nissan Cima, wenn auch stilistisch ohne Fehl und Tadel, aber eben –<br />

technisch nur Durchschnitt. Und langsam dämmerte auch den<br />

Verantwortlichen, dass man auf diese Weise keine Fangemeinde<br />

Das kam dann 20<strong>03</strong> – und wie! Der Sport-SUV Infiniti FX45,<br />

ein Entwurf von Mamoru Aoki, einem Studienkollegen des Autors,<br />

war schlicht sensationell und ist es heute noch. Denn das<br />

knapp fünf Meter lange Fahrzeug erschien zu einem Zeitpunkt,<br />

als die Crossover-Welle erst ganz wenige, zögerliche Nischenmodelle<br />

hervorgebracht hatte, und warf mit seinem Coupé-Dach,<br />

dem massiven Grundkörper, der hohen Gürtellinie und riesigen<br />

20-Zoll-Rädern alle Sehgewohnheiten durcheinander, lange<br />

bevor Porsche «Cayenne» und «Macan» sagen konnte. Gleichzeitig<br />

überzeugte der Luxusjapaner mit grossartigen Proportionen,<br />

die jeglichen Zierrat erübrigten. Der Fairness halber muss man<br />

sagen, dass auch der FX45 von einem Nissan abgeleitet war –<br />

dem Murano. Weil er sich aber in Front, Heck und Fenstergrafik<br />

gravierend unterschied, erkannten nur Experten die Verwandtschaft.<br />

Der FX45 machte die Marke über Nacht erfolgreich und<br />

auch bei uns begehrenswert; nicht wenige von freien Importeuren<br />

oder Privatleuten eingeführte Exemplare tauchten bald auf<br />

europäischen Strassen auf. Auch hierzulande verdrehte er einige<br />

Köpfe, und wer ihn fuhr, musste gebetsmühlenartig immer<br />

wieder erklären, was das für ein Auto sei. Nebst dem FX45 mit<br />

V8-Motor und wahlweise Heck- oder Allradantrieb gab es einen<br />

etwas zahmeren FX35 mit V6-Power.<br />

Eine Stufe höher installierte Infiniti eilig den etwas ungelenk gezeichneten<br />

Grossgeländewagen XQ56 auf Nissan-Armada-Basis;<br />

auch eine Etage tiefer blieb man nicht untätig. 20<strong>03</strong> erschien der<br />

Marktöffner: Mit dem trendigen<br />

Sport-SUV FX45 wurde Infiniti<br />

20<strong>03</strong> quasi über Nacht weltbekannt<br />

<strong>03</strong>0 <strong>VECTURA</strong> #16


sofort als Infiniti identifizierbare G35 – wahlweise als sportliche<br />

Limousine oder als Coupé mit feinem V6 (250/280 PS); 2007 gab<br />

es die Neuauflage. Darüber, aber noch unterhalb des Q45, erschien<br />

2005 die viertürige Limousine M35/M45, und mit Beginn<br />

des neuen Jahrhunderts war Infiniti mit einem Mix aus Nischenund<br />

Volumenfahrzeugen plötzlich relativ breit aufgestellt.<br />

Die zweite FX45-Generation feierte ihre Weltpremiere 2008 in<br />

Genf – und blieb. Denn ab jenem Jahr war das Auto wie eingangs<br />

erwähnt auch offiziell in Europa zu haben, wenn auch mittlerweile<br />

unter der Bezeichnung QX70; dazu kam eine kleine Auswahl anderer<br />

Modelle. Das Portfolio umfasst inzwischen sechs Fahrzeuge:<br />

die Limousinen Q50 (siehe Seite 020 ff.) und Q70, einen<br />

Q60, den es als Coupé und Cabrio gibt, sowie die beiden SUV-<br />

Reihen QX50 und QX70. Am letztjährigen Pariser Salon wurde<br />

der Q80 Inspiration als künftige Antwort auf S-Klasse, A8, 7er<br />

oder XJ gezeigt; seine Fliessheck-Karosserie soll als deutliche<br />

Abkehr vom Mainstream hin zu mehr Eigenständigkeit interpretiert<br />

werden. Die kleineren, volumenträchtigen und daher besonders<br />

wichtigen Q30 und QX30 stehen bereits in den Startlöchern.<br />

Alle Modellbezeichnungen sind inzwischen einheitlich auf Q und<br />

QX geändert worden und dahinter folgt eine zweistellige Zahl,<br />

um die Positionierung anzugeben. Der frühere Buchstaben- und<br />

Ziffernsalat ist passé. Dieses Line-up macht zwar klar, dass es<br />

sich um ein auf den US-Markt ausgerichtetes Modellprogramm<br />

handelt. Doch immerhin sind einige Infiniti zwischenzeitlich als<br />

Hybrid oder mit Dieselmotor erhältlich. Einzig die in Europa trotz<br />

SUV-Boom nach wie vor gefragten Kombis werden von den Japanern<br />

bisher konsequent ignoriert.<br />

Das noch lückenhafte Angebot – wo sind der Luxusvan oder ein<br />

waschechter Sportwagen? – mag mit ein Grund dafür sein, dass<br />

sich Bekanntheit und Verbreitung derzeit noch sehr in Grenzen<br />

halten. Der Trend im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> verlief dank der Einführung<br />

des Q50 zwar positiv. Gesamthaft wurden gemäss «Auto<br />

Schweiz»-Statistik bei uns aber gerade mal 86 Infiniti verkauft.<br />

Zum Vergleich: Lexus setzte im gleichen Zeitraum 527 Fahrzeuge<br />

ab, Maserati 429, Jaguar 367, und selbst Aston Martin kommt<br />

mit 77 Exemplaren auf ein ähnliches Niveau. Immerhin: Weltweit<br />

verkaufte Infiniti im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> erstmals über 100 000<br />

Einheiten – 70 000 in den USA, 18 000 in China und 11 000 im<br />

EMEA-Raum (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Auf zwölf Monate<br />

macht das also plus/minus 200 000 Fahrzeuge, während Lexus<br />

in 2014 weltweit 584 000 verkaufen konnte – von den anderen<br />

Premium-Herstellern ganz zu schweigen.<br />

Die Infiniti Motor Company Ltd. sitzt übrigens nicht in Japan, sondern<br />

in Hongkong. Von dort aus steuert der kürzlich von BMW<br />

abgeworbene deutsche Markenchef Roland Krüger auch den<br />

Vertrieb in den derzeit über 50 Infiniti-Märkten. Die EMEA-Zentrale<br />

im waadtländischen Rolle wird von François Goupil de Bouillé<br />

geleitet. Die Fahrzeugfertigung erfolgt in Japan, Decherd (Tennessee,<br />

USA) und Xiangyang (China). Der kommende Q30/QX30<br />

basiert technisch auf der Mercedes A-Klasse – die Stuttgarter<br />

sind seit fünf Jahren Kooperationspartner von Renault-Nissan,<br />

liefern unter anderem auch Dieselmotoren für Infiniti – und wird<br />

im englischen Sunderland vom Band laufen; ab 2017 ist zudem<br />

eine Fertigung in Mexiko angedacht.<br />

Im hart umkämpften Europa ist das Ziel klar definiert: de Bouillé<br />

will die 6000 in 2014 verkauften Autos bis 2018 auf 40 000<br />

Fullsize-SUV: In den USA sind die grössten QX-Modelle recht beliebt<br />

Alle Achtung: Das G35 Coupé verschaffte sich schnell Respekt<br />

Erhöht die Stückzahlen: EX35 unterhalb der FX-Serie<br />

G Convertible: Inzwischen bedient Infiniti auch Nischen<br />

HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>1


HISTORIE<br />

Chauffeurs-Limousine: der aktuelle Q70L<br />

hochschrauben, was schwierig werden dürfte, aber wir lassen<br />

uns gerne positiv überraschen. Europa ist konservativ und trieft<br />

vor Historie, Infiniti ist dagegen ein Kunstbegriff, eine Design-<br />

Marke vielleicht, aber ohne Tradition oder Herkunft. Und doch<br />

kann gerade Letzteres von Vorteil sein. Denkt man beispielsweise<br />

an Cadillac, dann parkiert vor dem inneren Auge oft noch<br />

ein flossenbewehrtes, Benzin-gurgelndes Chrommonster. Infiniti<br />

hingegen ist ohne jeglichen negativen Ballast, sondern jung, unbeschwert,<br />

zukunftsträchtig. Das Mutterhaus Nissan gewährleistet<br />

bezüglich Technologie und Finanzen die Sicherheit eines<br />

Grosskonzerns, und die Assoziation muss man in jüngster Zeit<br />

dank Qashqai und Juke auch nicht mehr gross verheimlichen.<br />

Allerdings war es immer schon eine Sünde, identische Autos unter<br />

verschiedenen Namen zu verkaufen – im Internet-Zeitalter erst<br />

recht. Bezüglich einer Markenintegrität haben sowohl Infiniti als<br />

auch Nissan Nachholbedarf. Und auch das Thema der emotionalen<br />

Aufladung – Stichwort Rennsport – ist schwierig. Zwar gibt<br />

es seit 2013 das Formel-1-Team Infiniti Red Bull Racing, doch das<br />

fährt mit Renault-Motoren und jeder weiss, dass Infiniti-Ingenieure<br />

wohl kaum an der Entwicklung des Renners beteiligt waren. Die<br />

Verbindung ist reines Marketing, eine arrangierte Ehe.<br />

Für Infiniti schon interessanter ist «Gran Turismo 6» für die Sony-<br />

Playstation. Eigens für diesen Megaseller hat man im Infiniti-<br />

Designstudio Peking eine Konzeptstudie entworfen, diese anschliessend<br />

von Hand modelliert und dann wieder in digitale<br />

Daten verwandelt. Nissan ist in Sachen Videospiele ein Pionier,<br />

der das Werbepotential schon früh entdeckte. Die Studie «Vision<br />

Gran Turismo» soll denn auch die Essenz der Marke darstellen –<br />

quasi Infiniti als Konzentrat. Wenn etwas Ähnliches in wenigen<br />

Jahren tatsächlich auf die Strasse käme, könnte sich die FX45-<br />

Geschichte wiederholen. Die Weichen sind also richtig gestellt.<br />

Denn was Infiniti mehr als alles andere braucht, ist Eigenständigkeit.<br />

Und die erreicht man im Automobilbau heute in erster Linie<br />

über das Erscheinungsbild.<br />

Soll Wachstum<br />

beschleunigen:<br />

SUV-Konzept QX30<br />

Zukunftsmusik: Infiniti-Studie Vision GT-1<br />

<strong>03</strong>2 <strong>VECTURA</strong> #16


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Kutscher, Kabine, Koffer: Die klassische Aufteilung –<br />

hier ein französisches Gefährt aus dem<br />

18. Jahrhundert – ist konditioniert<br />

EVOLUTIONÄRE KRAFT<br />

IST DAS STUFENHECK EINE NAHELIEGENDE KONSTRUKTIVE LÖSUNG – ODER<br />

ÜBERHOLTER ANACHRONISMUS? DIE DISKUSSION UM DEN «RICHTIGEN» AUF-<br />

BAU WIRD SEIT DEM BENZ-DREIRAD GEFÜHRT, ZUWEILEN WENIG RATIONAL. EIN<br />

ERKLÄRUNGSVERSUCH<br />

Text Stefan Fritschi · Fotos Diderots Enzyklopädie, Werk<br />

Warum kaufen gewisse Kulturkreise mehr Stufenheck-Fahrzeuge<br />

als wir Westeuropäer – wenn<br />

man von der Iberischen Halbinsel einmal absieht,<br />

wo diese Bauweise nach wie vor stark goutiert wird? Auch<br />

in Osteuropa, sprich Bulgarien oder Rumänien, stehen separat<br />

umblechte Kofferräume bei Käufern nach wie vor sehr hoch im<br />

Kurs. Mehr noch: Der Ablösungsprozess durch Kompaktwagen<br />

oder Kombimodelle fand in jenen Ländern kaum statt. Und<br />

während wir das hier schreiben, merken wir: Karosserievielfalt,<br />

Crossover, Fusion Design – das sind einseitige Wahrnehmungen<br />

von uns, das ist ein Tunnelblick.<br />

Die Ursache dieser Stufenheck-Präferenz ist im Kutschenzeitalter<br />

zu suchen. Vor dem eigentlichen Wagen markierte die Anzahl der<br />

Zugpferde die Wichtigkeit der Insassen, ergo gilt bis heute: je länger<br />

die Motorhaube, umso bedeutender die Passagiere. Natürlich<br />

reflektierte auch die Nachhut den jeweiligen Wert eines Reisenden:<br />

Je mehr Gepäck die Herrschaft mit sich führte – man denke<br />

nur an die diversen überdekorierten Krönungskutschen der Königshäuser<br />

–, umso würdevoller (und reicher) war sie auch. Die<br />

edelste und eleganteste Form der Pferdekutsche war denn auch<br />

ein Stufenheck – dieses Bewusstsein hat sich ins Automobilzeitalter<br />

retten können – ganz besonders in noch vergleichsweise<br />

jungen Auto-Nationen wie den eingangs genannten – oder in<br />

China. Dort liebt man das Stufenheck und diese Sichtweise ist sogar<br />

plausibel erklärbar: Das Three-Box-Design hat im Gegensatz<br />

zum Heckklappen-Modell die Eigenschaft, die Passagiere<br />

nicht mit Gepäck-Angelegenheiten zu behelligen – oder deren<br />

Hinterköpfe gar unangenehmer Zugluft auszusetzen, wenn der<br />

Kofferraum geöffnet wird. Bekanntlich sitzen in China ja bedeutende<br />

Menschen im Fond, deren noch junger Automobilgeschmack<br />

sich bevorzugt an historischen Beispielen aus der Kaiserzeit orientiert.<br />

Also an Sänften, die – je nach Status der Transportierten –<br />

von zwei, vier oder gar zehn Dienern getragen wurden und heute<br />

als optische Vorlage für ein als standesgemäss empfundenes<br />

Automobildesign herhalten müssen: Wichtig ist richtig.<br />

Die Denkweisen pro Dreivolumenkarosserie sind also konditioniert<br />

und weltweit ähnlich. Genauer gesagt stellen sie die vorherrschende<br />

Geschmacksrichtung dar: Das kompakte Steilheck<br />

dominiert seit Mitte der 1960er-Jahre lediglich die Parkplätze von<br />

Nordwesteuropa, das bis heute vom Stufenheck umzingelt ist.<br />

Auch jenseits des Atlantiks ist das Stufenheck «mainstream»; in<br />

den USA müssen selbst zweitürige Coupés hinten einen Knick<br />

tragen. Der 1966er Oldsmobile Toronado behielt sein Fliessheck<br />

gerade mal drei Jahre, bevor er von der Realität eingeholt und<br />

fortan mit extra abgekantetem Kofferraum verkauft wurde. Besonderheit<br />

der Vereinigten Staaten damals: Neue Autos hatten eleganter<br />

und imposanter auszusehen und jeweils ein paar Inch länger<br />

<strong>03</strong>4 <strong>VECTURA</strong> #16


SCHULTERBLICK<br />

zu sein als ihr Vorgängermodell. Nur so liess sich in der Vorstadtsiedlung<br />

der steigende Wohlstand des Ernährers dokumentieren.<br />

Das ging, bevor man den SUV bemühte, natürlich am einfachsten<br />

mit angesetztem Kofferraum, während ein Fliessheck jeden Wagen<br />

optisch kompakter wirken lässt. Solche Autos waren jedoch<br />

stets in preisgünstigen unteren Fahrzeugklassen positioniert; der<br />

«Hatchback» galt als «Einwandererauto», das kein aufstrebender<br />

Abteilungsleiter vor der Einfahrt stehen haben wollte.<br />

Dass Nordamerika in den 1970er-Jahren letztlich trotzdem mit<br />

kleineren Autos liebäugelte, lag an der Ölkrise. Und es führte<br />

dazu, dass Volkswagen den Golf (alias Rabbit), Renault den 5<br />

(alias Le Car) oder Talbot-Simca den Horizon (alias Dodge Omni)<br />

in den Verkauf brachten, wenn zunächst auch recht erfolglos. Die<br />

europäischen Importeure hatten nicht erkannt, dass Stufenheck-<br />

Derivate in den USA populärer gewesen wären; der spätere Erfolg<br />

des VW Jetta beweist es. Die Amerikaner selber agierten<br />

mit eigenen Kompaktwagen im Stil der AMC Gremlin und Pacer<br />

sowieso glücklos. Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />

der Renault 9: Dieses Auto wurde im Zuge der Übernahme der<br />

American Motors Company durch Renault im Hinblick auf den<br />

AMC-Heimatmarkt als Stufenheck von Giugiaro entworfen und<br />

dann als Renault Alliance verkauft – auch als schönes Convertible.<br />

Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass der europäische<br />

Kompaktmarkt, die sogenannte Golf-Klasse, für den R9 nicht<br />

mehr infrage kam – das Auto floppte.<br />

Die Dreivolumenkarosserie bietet noch andere, ganz naheliegende<br />

Vorteile: So ist ein kleiner Kofferraumdeckel einfacher zu<br />

bedienen als eine Riesenklappe. Der Einkauf fliegt im Falle eines<br />

Falles nicht im ganzen Innenraum herum, sondern verbleibt brav<br />

in seinem Abteil. Das verbirgt seinen Inhalt auch vor neugierigen<br />

Blicken, die beim Kombi mittels Abdeckung oder Rollo verhindert<br />

werden wollen.<br />

Dass fünftürige Autos letztlich an Popularität gewannen, hatte<br />

mit den steigenden Transportbedürfnissen für Familie und<br />

Hobby zu tun – der Siegeszug des variableren Kombi war unaufhaltbar.<br />

Doch auch hier gilt: Wer seine Möbel nicht selbst<br />

zusammenschrauben muss, sondern es sich leisten kann, diese<br />

fixfertig liefern zu lassen, fährt Stufenheck. Es punktet somit wieder<br />

beim Prestige.<br />

Das Stufenheck ist deshalb auch in unseren Breitengraden trotz<br />

zeitweiligem Mittelscheitel-Image nie ganz von der Bildfläche verschwunden.<br />

Es markiert eine Art «Baumgrenze», die Kombis und<br />

Kurzhecks niemals überschreiten können. Luxuslimousinen werden<br />

allenfalls als Einzelstücke mit Kombiheck gebaut. Prestige und<br />

Oberklasse gibt es nun mal nur mit Stufe. Wer den Automarkt in<br />

den letzten Jahren beobachtet hat, wird trotz SUV-Boom gar eine<br />

Stufenheck-Renaissance feststellen, und dies notabene auch in<br />

kleineren Wagenklassen. So hat Audi die für China konzipierte viertürige<br />

A3-Limousine auch in das Europa-Programm aufgenommen<br />

und Volkwagen rechnet beim neuesten Passat damit, im Vergleich<br />

zum Vorgänger mehr Stufenhecks verkaufen zu können – ganz einfach<br />

weil die viertürige Version mindestens so schön ausgefallen ist<br />

wie der Variant; auf einen CC hat man diesmal komplett verzichtet.<br />

Nicht zuletzt sind viele Automobilhersteller verstärkt auf die USA<br />

und China ausgerichtet – und haben folglich kaum noch Kombis im<br />

Programm. Ein weiterer Grund ist sicher auch die Völkerwanderung<br />

unserer Tage: Aus Ost- oder Südeuropa stammende Mitbürger<br />

dürften ihrem Automobilgeschmack auch weiterhin treu bleiben.<br />

Doch könnten künftig neue Technologien der Trennung von Motor-,<br />

Passagier- und Kofferraum den Garaus machen? Beim Elektroantrieb<br />

beispielsweise können ja die Motoren in den Rädern<br />

und die Batterien über das ganze Fahrzeug platziert sein. Wenn<br />

also die lange Motorhaube entfällt, macht auch ein angehängter<br />

Koffer keinen Sinn mehr … Oder sind vielleicht neue Verkehrssysteme,<br />

die reine Fahrkabinen im Stil des Smart hervorbringen,<br />

das Ende traditioneller Karosserieformen, weil wir nur noch uns<br />

selbst, aber kein Gepäck mehr transportieren? Theoretisch ist das<br />

möglich, aber wir glauben, dass sich der Schuhkarton spätestens<br />

dann als Alternative zurückmelden würde, wenn es darum ginge,<br />

eine Standardform zu finden. Bei allen Erklärungsversuchen und<br />

der eingangs gestellten Frage nach dem Warum ist die Wahrheit<br />

vielleicht eine ganz banale: Stufenhecks haben einfach den<br />

schöneren Rücken. Punkt.<br />

Koffer aus Coventry: Um welches Modell handelt es sich? Mail schreiben und ein <strong>VECTURA</strong>-Jahresabo gewinnen! antwort@prestigemedia.ch<br />

HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>5


BRIEF AUS MELBOURNE<br />

Ford Ranger Pick-up<br />

SACKGASSE AUSTRALIEN?<br />

FAST 70 JAHRE LANG KAM DER FÜNFTE KONTINENT IN DEN GENUSS VON<br />

AUTOS, DIE SPEZIELL FÜR SEINE GEOGRAFISCHEN UND KULTURELLEN<br />

BEDÜRFNISSE VOR ORT ENTWICKELT UND AUCH GEBAUT WURDEN. UND ES<br />

SIND GENAU DIESE FAHRZEUG-SPEZIFIKA, DIE JETZT UNVERMEIDBAR ZUM<br />

UNTERGANG DER NATIONALEN AUTOMOBILINDUSTRIE BEITRAGEN<br />

Text Byron Mathioudakis · Fotos Werk<br />

Es gehört zum Allgemeinwissen, dass die jahrtausendelange<br />

Abgeschiedenheit Australiens zu einer Pflanzen- und<br />

Tierwelt geführt hat, die einzigartig ist. Viele dieser Spezies<br />

haben zwar bis heute überlebt oder blühen noch, aber die meisten<br />

sind ausgestorben.<br />

Ähnliches widerfährt derzeit der seit 1948 vorhandenen heimischen<br />

Autoindustrie. Sie hat Modelle entworfen und umgesetzt,<br />

die genau auf die besonderen Anforderungen dieses riesigen Kontinents<br />

zugeschnitten waren. Mehr noch: Bis heute gehört diese<br />

Industrie zu den weltweit wenigen, die über das Know-how und die<br />

Ressourcen verfügen, ein Fahrzeug von Grund auf zu entwickeln.<br />

2017 soll damit nun Schluss sein. Was ist passiert, und hat diese<br />

Branche down under überhaupt noch eine Zukunft?<br />

Nach der Staatsgründung 1901 war Australien damit beschäftigt,<br />

eine unabhängige Nation zu werden, während ein Grossteil der<br />

Transportinfrastruktur ausserhalb der Metropolen Melbourne oder<br />

Sydney bestenfalls aus einspurigen Strassen bestand (und das<br />

immer noch tut), welche damals häufig noch in unbefestigte Pisten<br />

mündeten, um dann in raue, ungastliche Gegenden wie Buschland<br />

oder Outback zu führen.<br />

In gewisser Weise mussten Autos jene Eigenschaften mitbringen,<br />

die heute gestandenen 4x4 zu eigen sind – einen robusten<br />

Charakter und viel Bodenfreiheit. Und weil die Distanzen mit tausenden<br />

Kilometer zwischen den meisten Plätzen enorm waren,<br />

sind Zuverlässig- und Haltbarkeit unabdingbare Voraussetzungen<br />

gewesen. Tatsächlich ging es unter extrem heissen Bedingungen<br />

um nicht weniger als Überleben oder Umkommen, wenn es zu einer<br />

Fahrzeugpanne kam. Dann musste der Fahrer in der Lage sein,<br />

den Defekt vor Ort zu beheben – oder er starb. Man darf dabei<br />

nicht vergessen, dass noch 1930 gerade mal 6,5 Millionen Einwohner<br />

eine Landmasse von 7,6 Millionen Quadratkilometer<br />

bevölkerten. Australien ist eines der grössten Länder der Erde; die<br />

Dimensionen entsprechen der Population von Paris und Rom,<br />

die man über ganz Europa verteilt.<br />

Wie in den meisten entwickelten Ländern vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

gab es auch in Australien viele letztlich gescheiterte Versuche,<br />

lokal ein Auto herzustellen; die Marke Australian Six (1919–25)<br />

ist wahrscheinlich die bekannteste von ihnen. Ihr Motto lautete:<br />

«Gebaut in Australien, von Australiern für Australier». Dieser Claim<br />

sollte dem weltgrössten Automobilproduzenten General Motors<br />

helfen, den Markt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu<br />

dominieren. Schon in der Gründerzeit sind die grossen Geschütze<br />

aus Amerika erfolgreich gewesen, während die meisten anderen<br />

scheiterten.<br />

Ford war 1925 der erste US-Hersteller in Australien und produzierte<br />

in Melbourne das epochale Model T. 1931 wurde dann die<br />

in Adelaide ansässige Pferdekutschenfirma Holden & Frost, welche<br />

auch Autokarosserien auf verschiedenen Chassis hergestellt<br />

hatte (unter anderen denen der US-Hersteller Dodge, Ford oder<br />

General Motors), von GM übernommen. So entstand General Motors-Holden<br />

(GM-H) und mit ihr jenes Gebilde, das die australische<br />

Automobilindustrie werden sollte; zunächst fertigte man GM-Fahrzeuge<br />

der Marken Chevy, Buick, Pontiac und Vauxhall.<br />

1934 entwarfen innovative Ford-Ingenieure dann das erste Coupé-<br />

Nutzfahrzeug – halb Auto und halb Lieferwagen, wurde es unter<br />

der umgangssprachlichen Bezeichnung «UTE» (für Utility) zu dem,<br />

was man künftig als typisch australisches Fahrzeug bezeichnen<br />

würde. Der heutige Ford Ranger Pick-up repräsentiert in diesem<br />

Zusammenhang eine mögliche Zukunft unserer lokalen Autoindustrie,<br />

aber damit greife ich hier vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

«begünstigte» die australische Regierung den Bau eines einheimischen<br />

Fahrzeugs, woraufhin mehrere Firmen, einschliesslich<br />

Ford und Holden, Vorschläge einreichten. GM gewann (mit einem<br />

<strong>03</strong>8 <strong>VECTURA</strong> #16


ausrangierten US-Chevrolet-Entwurf), und so entstand 1948 das<br />

erste Auto mit eigenem Holden-Logo.<br />

Bei ihm handelte es sich in erster Linie um ein viertüriges, sechssitziges<br />

Stufenheck mit Sechszylindermotor, manuellem Dreiganggetriebe,<br />

Heckantrieb und rudimentärer Federung. Die Australier<br />

liebten es! Neben der Tatsache, sehr simpel aufgebaut, zuverlässig,<br />

robust und einfach reparierbar zu sein, war der 48/215<br />

oder schlicht FX genannte Wagen auch erschwinglicher als jedes<br />

andere vergleichbare Fahrzeug. Bis 1958 hatte der FX einen Marktanteil<br />

von 50 Prozent inne. Australien erlebte derweil einen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung; Millionen meist europäischer Immigranten<br />

kamen ins Land und halfen dabei, grosse infrastrukturelle<br />

Projekte zu verwirklichen – was viele wiederum ermutigte, enorme<br />

Strecken zurückzulegen. Der Holden wurde ausserdem erfolgreich<br />

in australasiatische und afrikanische Regionen exportiert.<br />

Historischer Crossover: Ford Coupe Utility 302 von 1934<br />

Ford und dann auch Chrysler folgten dem Beispiel übereinstimmend<br />

mit ihren Baureihen Falcon (1960–2016) beziehungsweise<br />

Valiant (1962–81), die nach dem gleichen konservativen Muster –<br />

riesige Karosserie und Sechszylinder – gestrickt waren, das den<br />

Australiern so sehr gefiel. So blieb es auch in den Folgejahren, zumal<br />

grosse Fahrzeuge dominierten.<br />

Beispiellose Erfolgsgeschichten: oben der Ford Falcon, hier als XK<br />

1960/61, unten Holden Commodore, im Bild ein VB-Modell (1978–80)<br />

Zu jener Zeit schützten zusätzlich strenge Importquoten sowie<br />

Strafzuschläge die heimische Industrie, was wiederum viele Hersteller<br />

dazu bewegte, ihre Produkte vor Ort aus CKD-Bausätzen<br />

zu montieren (Completely Knocked Down), die ganz woanders<br />

produziert worden waren. Letztlich stellten die British Motor Corporation,<br />

Volkswagen, Renault, Peugeot, Rootes (Hillman), Standard/Triumph,<br />

Toyota und Nissan hier Autos her. Dennoch strauchelten<br />

die meisten von ihnen, als die Verschiffung von CKD-Teilen<br />

aus Europa oder Amerika zu teuer wurde und billigere japanische<br />

Modelle wie der Datsun 1600 oder ein Honda Civic mehr Gegenwert<br />

und Zuverlässigkeit boten.<br />

Besonders Japan erkannte in Australien einen idealen Testmarkt<br />

für seine blutjunge Nachkriegs-Autoindustrie, weil Nissan beziehungsweise<br />

Datsun oder Toyota hier seit den späten 1950er-Jahren<br />

gekauft wurden. Deren Rezept gegenüber anderen Herstellern<br />

war effektiv: hohe Qualität, vergleichsweise geringe Anschaffungskosten<br />

und eine üppige Serienausstattung. Australische Autofahrer<br />

konnten gar nicht genug von ihnen kriegen. Steigende Benzinpreise<br />

sorgten in den 1970ern für noch mehr Nachfrage, und<br />

Mitte der 1980er-Jahre hatten sich Kleinwagen wie Corolla, 323,<br />

Bluebird und Colt im Verkehrsbild etabliert.<br />

Sowohl die Amerikaner als auch die Europäer hielten parallel dagegen,<br />

um Holden (wo man 1978 den Opel Senator adaptiert hatte,<br />

um daraus einen Commodore zu machen) und Ford herauszufordern<br />

– mit unterschiedlichen Ergebnissen. 1973 führte BMC/British<br />

Leyland, bisher mit den frontgetriebenen Modellen Morris Mini und<br />

1100 vertreten, den heckgetriebenen P76 als direkten Holden-<br />

Rivalen ein. Dieser Sedan war technisch anspruchsvoller, schlechter<br />

zusammengebaut, wies ein polarisierendes Styling auf – und<br />

scheiterte kläglich, was Leyland letztlich dazu zwang, die australische<br />

Fertigung aufzugeben. Zur selben Zeit erfreute sich der<br />

US-basierte Valiant zwar grosser Popularität, doch als Chrysler<br />

1971 den extra für Australien konzipierten Nachfolger präsentierte,<br />

war er den Kunden schlicht zu gross ausgefallen. Mitsubishi dagegen<br />

schwamm mit der Sigma-Mittelklasse auf einer Woge des<br />

Erfolges – und übernahm 1980 die Reste von Chrysler Australia<br />

einschliesslich des Werks in Adelaide, das fortan unter Mitsubishi<br />

Motors Australia Limited (MMAL) firmierte.<br />

Was MMAL dann tat, traf nicht nur auf dem roten Kontinent ins<br />

Schwarze, sondern definierte auch den Geschmack US-amerikanischer<br />

und asiatischer Familienväter bis heute: Der visionäre<br />

<strong>Mag</strong>na von 1985 nutzte die japanische Galant/Eterna-Plattform,<br />

war aber 6,5 Zentimeter breiter und auch stabiler gebaut, um den<br />

lokalen Gegebenheiten trotzen zu können. Das Ergebnis war so<br />

brillant, dass es Honda und Toyota dazu animierte, in den USA genau<br />

das Gleiche zu tun; 1990 erschien dort der neue Accord, zwei<br />

Jahre später der Camry. Beide Hersteller dominieren seither den<br />

nordamerikanischen Pw-Markt, MMAL sei Dank. Leider wurde die<br />

gute Idee in Australien nicht patentiert … Der für den Export zum<br />

Diamante umbenannte <strong>Mag</strong>na verkaufte sich in den 1990ern und<br />

2000ern jedenfalls auch in den USA hervorragend.<br />

Und doch deuteten viele Zeichen auf Veränderung hin. Im bisher<br />

bestens funktionierenden Kreislauf, ausladende wie kraftvolle<br />

Sechs- und Achtzylinder-Limos und -Kombis herzustellen, übersahen<br />

Ford und GM, dass sich australische Konsumenten von grossen<br />

Autos abwandten – ganz einfach, weil die nicht mehr benötigt<br />

wurden. Flugreisen waren spottbillig geworden, kleine Fahrzeuge<br />

HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>9


BRIEF AUS MELBOURNE<br />

Doch das Timing war denkbar ungünstig, denn kurz darauf lief<br />

alles schief, gingen die Spritpreise durch die Decke, kam es zur<br />

Wirtschaftskrise und 2009 zur GM-Pleite. Die Marke Pontiac wurde<br />

abgeschafft, damit waren die schönen Holden-Pläne nur noch<br />

Makulatur und das Schicksal dieses Herstellers so gut wie besiegelt.<br />

Ford hatte zwar einen neuen Falcon aufgeboten, aber 2010<br />

hatten die Menschen andere Prioritäten, als australische Autos<br />

zu kaufen. Lediglich der hier ab 2004 hergestellte Ford Territory<br />

(bisher der einzige je in Australien gebaute SUV) und der 2011 lancierte<br />

Holden Cruze (auf Chevy-Cruze-Basis) entsprachen aktuellen<br />

Konsumtrends. Alle anderen – Commodore, Falcon, Camry<br />

oder Mitsubishi 380 – parkten dagegen weit ausserhalb der Mode.<br />

Importwagen wie Corolla, Mazda 3, Hyundai i30, Subaru Forester,<br />

Nissan Qashqai, VW Golf und Ford Ranger bestimmten die Verkaufslisten,<br />

während sich die Zukunft der australischen Autoindustrie<br />

immer deutlicher abzeichnete.<br />

Knapp daneben: Der Leyland-Vorstoss geriet in den 1970er-Jahren<br />

zum Riesenflop, während Holden den Markt dominierte – noch<br />

Mit zunehmender Globalisierung machte es inzwischen mehr Sinn,<br />

auf günstige Fertigungsstätten in Thailand, Südkorea und Indien<br />

zurückzugreifen, anstatt in Australien zu produzieren. Die Regierung<br />

gewährte GM, Ford und Toyota vor einigen Jahren zwar noch<br />

Milliarden an Zuschüssen, um sie im Land zu halten (Mitsubishi<br />

hatte bereits 2008 den Stecker gezogen), doch erwiesen sich auch<br />

solche Massnahmen auch angesichts eines starken Australien-<br />

Dollar als finanziell nicht nachhaltig genug: Im Mai 2013 kündigte<br />

der einstige Down-Under-Pionier Ford an, seine Falcon- und Territory-Werke<br />

Melbourne und Geelong im Oktober 2016 schliessen<br />

zu wollen. Es war ein schwarzer Tag für die australische Wirtschaft,<br />

mit entsprechend medialem Nachbeben. Im Dezember<br />

gab dann auch GM bekannt, «Australiens eigene Marke» Holden<br />

2017 einzustellen – und im Februar 2014 erklärte Toyota die Camry-<br />

Produktion ab 2017 als beendet.<br />

Diese Hiobsbotschaften bedeuteten gleichzeitig das Aus für zehntausende<br />

Jobs in der Fertigung und bei den Zulieferern, aber wirklich<br />

überrascht war niemand. Australien hatte den automobilen Anschluss<br />

längst verpasst.<br />

immer besser und im Zuge des steigenden Verkehrsaufkommens<br />

auch geeigneter. Zudem zogen die Benzinpreise an und traditionelle<br />

Kernfamilien, die typischerweise aus Vater, Mutter und zwei Kindern<br />

bestanden hatten, kamen bedingt durch starke Zuwanderung und<br />

den damit einhergehenden kulturellen Unterschieden immer seltener<br />

vor. Kurz: In den späten 1990ern brauchte eigentlich niemand<br />

mehr ein Vierliter-Stufenheck mit fünf Sitzplätzen und Wohnwagen-Zugfahrzeug-Qualitäten.<br />

Familien nahmen den Flieger, während<br />

Commodore und Falcon immer mehr wie Dinosaurier wirkten.<br />

Rückblickend fast unglaublicherweise reagierten die australischen<br />

Hersteller noch schnell genug. Während die C- und SUV-<br />

Segmente dramatisch anzogen, fiel der Strassenkreuzer-Absatz<br />

ins Bodenlose. Dennoch entwickelte Holden fast trotzig und mit<br />

Milliardenaufwand den VE Commodore. Und die grösste jemals<br />

in diesem Land gebaute Stufenheck-Limousine blieb keine reine<br />

Ignoranz – Holden gewann mit ihr einen lukrativen Exportauftrag.<br />

In den Vereinigten Staaten verkaufte man das Auto ab 2008 als<br />

Pontiac G8, in England als Vauxhall und anfänglich auch unter<br />

dem Saab-Label.<br />

Aber noch ist nicht alles verloren. Ford Australia wird sein hervorragendes<br />

Design- und Entwicklungszentrum in Melbourne erhalten,<br />

um dort den Nachfolger des sehr beliebten, in 180 Ländern<br />

verkauften Ranger zu entwerfen. Ausserdem sollen auf der weitläufigen<br />

You-Yang-Entwicklungsstrecke viele Baureihen auf ihre<br />

jeweiligen Weltmärkte vorbereitet werden. GM lässt, wenn auch<br />

in kleinerem Massstab, mit einer ähnlichen Dependance ebenfalls<br />

einen Koffer in Australien stehen und hält zudem am Testgelände<br />

Lang Lang nahe der bekannten Phillip-Island-Grand-Prix-Strecke<br />

bei Melbourne fest. Ganz in der Nähe verfügt Nissan – trotz dem<br />

1992 vollzogenen Ende einer eigenen Fahrzeugherstellung – noch<br />

über eine kleine australische Produktionsstätte, in der Aluminium-<br />

Komponenten für verschiedene Werke in Europa, den USA oder<br />

Japan entstehen.<br />

In diesem etwas seltsamen Sinne ist es also nicht korrekt, von<br />

einem Ende der australischen Automobilindustrie zu sprechen –<br />

selbst wenn das auf die Fahrzeugfabriken zutrifft. Isolierende Faktoren,<br />

die die Fertigung einst überhaupt erst möglich machten, sind<br />

nicht länger relevant. Und doch ist es gerade die Globalisierung, die<br />

Australiens Fahrzeug-Know-how so wertvoll macht. Dieses Wissen<br />

definiert derzeit die Rolle, welche der fünfte Kontinent in der Autowelt<br />

künftig spielen wird – und sei sie noch so klein.<br />

040 <strong>VECTURA</strong> #16


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DIE DREIVOLUMENFORM<br />

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DESIGN-THEMEN DER AUTOMOBILGESCHICHTE – MANNIGFALTIG GESPIELT,<br />

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HITPARADE – ZUERST MIT ZEHN BEISPIELEN JAPANISCHER KOFFERRAUMKUNST<br />

Text sfr · Fotos Archiv Fritschi, zwischengas.com, Werk<br />

DAIHATSU COMPAGNO (1963–69)<br />

Der Daihatsu Compagno kommt einem zwar bekannt vor, lässt sich aber schwer<br />

einordnen. Wer auf Autobianchi, Fiat oder einen (von Pininfarina gestylten) Austin<br />

tippt, dem sei verziehen. Die Ursache liegt an der geringen Verbreitung und<br />

an der Tatsache, dass die Karosserie von Vignale gezeichnet worden war – wo<br />

vermutlich auch die Modellbezeichnung erfunden wurde. Auf dem Leiterrahmen-<br />

Chassis entstanden zuerst Lieferwagen, dann folgten die zwei- oder viertürige<br />

Stufenheck-Limousine Berlina und schliesslich noch ein hübsches Cabrio. Der<br />

Compagno war Daihatsus erster Kleinwagen und legte den Grundstein für das<br />

Wachstum der Marke.<br />

Dieser Zweitürer verkörpert eine äusserst rare Spezies. Mit Unterstützung von<br />

Graf Görtz, dem Schöpfer von BMW 507 und Datsun 240Z, entstand sein sehr<br />

gelungenes und eigenständiges Stufenheck-Design – zu einer Zeit, als die<br />

Japaner noch den Westen, hauptsächlich Amerika, kopierten.<br />

Leider waren die Abmessungen für den wichtigen US-Markt<br />

zu klein. Es blieb bei etwas über 500 zwischen 1964 und 68<br />

von Hand gebauten Exemplaren. Dabei hätte dieser schöne<br />

Entwurf definitiv eine weitere Verbreitung verdient gehabt.<br />

DATSUN SYLVIA 1600 COUPÉ (1964–68)<br />

HONDA LEGEND (1985–90)<br />

In den 1980ern stand der Honda Legend – es gab ihn auch als Acura RL (Road<br />

Luxury) und Rover 800 – am Anfang einer steilen Karriere: Manche nannten<br />

ihn den «japanischen Mercedes». Leider wurde nie wirklich etwas daraus; 2010<br />

hat man den Europa-Verkauf eingestellt. Dabei trug doch insbesondere die erste<br />

Generation, intern KA1-KA6 genannt, ein sehr gefälliges und modernes Kleid,<br />

auch wenn sich die Designer die Audi-Quattro-ähnlichen Backen hätten sparen<br />

können. Aber auch innen war alles top, Technik top, Preis und Ausstattung<br />

sowieso. Was lief schief? Der Name! Honda ist halt Motorrad oder Civic, aber<br />

nicht Legend.<br />

ISUZU BELLETT (1963–73)<br />

Isuzu ist bei uns nur als Lieferant von Last- und Lieferwagen, allenfalls vielleicht als<br />

4x4-Produzent bekannt. Doch es gab auch einige Personenwagen, beispielsweise<br />

den zwischen 1963 und 73 produzierten Bellett und das zweitürige Coupé Bellett<br />

GT; beide Versionen wurden ab 1965 von der Isuzu Vertriebs AG im aargauischen<br />

Kölliken für 8750 Franken aufwärts auch in der Schweiz angeboten. Das sauber<br />

gestaltete 4-Meter-Stufenheck hätte auch von einem britischen oder italienischen<br />

Fliessband gelaufen sein können. Aber dafür war der Bellett zu gut verarbeitet …<br />

042 <strong>VECTURA</strong> #16


RÜCKSPIEGEL<br />

LEXUS LS400 (1989–94)<br />

Wer Lexus sagt, denkt meist an das Ur-Modell LS400, das 1989 in den USA lanciert<br />

wurde und ein Jahr darauf schon sehr zügig auch seinen Weg nach Europa fand – und<br />

das Markenbild bis heute prägt. Damals war man geneigt, im sehr strengen, ganz ohne<br />

Zierrat gestalteten Entwurf etwas zu viel S-Klasse zu entdecken. Doch angesichts der<br />

wilden Formen aktueller Lexus-Modelle ist die Frage berechtigt, ob die wohl auch so<br />

langsam altern werden wie der 25 Jahre junge, fast zeitlos wirkende LS400.<br />

MAZDA LUCE 1500/1800 (1966–73)<br />

Dieser Viertürer, im Export mit der Hubraumzahl 1500 oder 1800 bezeichnet,<br />

war für die Marke aus Hiroshima 1966 der Schritt in die Mittelklasse. Unter der<br />

Bezeichnung R130 stand ihm ein Zweitürer mit Wankelmotor zur Seite. Vorbild<br />

der Baureihe war unverkennbar ein anderes sportliches Stufenheck, die Neue<br />

Klasse von BMW, bei der man die Grundform mit luftigem Dachaufbau inklusive<br />

Hofmeister-Knick entlieh. Von den fast 40 000 gebauten Exemplaren fanden<br />

einige den Weg in die Schweiz; laut Preisliste von 1969 ab 9990 Franken.<br />

MITSUBISHI LANCER (1973–79)<br />

Der Lancer eröffnete 1973 als zwei- und viertüriges Stufenheck nicht nur die Unter-4-Meter-<br />

Klasse zwischen Minica und Galant, sondern er war 1977 – lange nach anderen Japan-Marken –<br />

der Startschuss für den Europa-Launch, auch in der Schweiz. Und er ist bis heute im Programm.<br />

Der erste Lancer wirkte wie ein grösseres und teureres Auto. Besonders das Heck<br />

mit Chromschmuck, Hüftschwung und Hochkant-Heckleuchten hat etwas Britisches an sich.<br />

Mangels Heckklappe hiess das Mitsubishi-Zugpferd aber bald nicht mehr Lancer, sondern Colt.<br />

NISSAN BLUEBIRD (1979–83)<br />

Er kam als Datsun und ging als Nissan: Im November 1979 vorgestellt, geriet der<br />

Hecktriebler Bluebird des Baumusters PL910 mitten in den Strudel des Markennamenswechsels,<br />

was aber nichts daran ändert, dass die sehr klar, kantig und schlicht<br />

gezeichnete Karosserie fast schon als klassisch bezeichnet werden kann. Denn sie<br />

schaffte den Spagat, gleichzeitig mehrheitstauglich, aber auch charakteristisch zu<br />

sein. Kam der Vorgänger 180B (in Japan mit der Zusatzbezeichnung Bluebird) noch<br />

recht barock daher, so verwässerte ab 1984 der frontgetriebene Nachfolger das<br />

einst so gelungene Design.<br />

SUBARU XT (1984–90)<br />

Dass man einen Subaru nicht unbedingt wegen dessen Styling<br />

kauft, ist Allgemeingut. Vermutlich gerade deshalb lancierte Subaru<br />

den Designer-Keil XT, der in Japan als Alcyone und in Australien/<br />

Neuseeland als Vortex vermarktet wurde (siehe <strong>VECTURA</strong> #5). Ein Erfolg wurde das extrem kantige Design mit einem hervorragenden<br />

Cw-Wert von 0,29 trotzdem nicht. Sowohl die nach hinten aufragende Karosserie als auch das Cockpit im Flugzeug-Stil waren zu extrem,<br />

zu unausgewogen und zu unpraktisch – und damit am Denkschema der typischen Subaru-Kundschaft vorbeiproduziert.<br />

TOYOTA COROLLA E20 (1970–74)<br />

Wie konnte ein so konservatives Auto nur so erfolgreich werden? Die ersten<br />

vier Generationen seit 1966 waren schlichte Hecktriebler mit Starrachse<br />

und Stufenheck. Es gab zwar Kombis und später sogar «Liftback»-Variationen<br />

(Fliessheck), aber ein Kompakt-Fronttriebler mit Corolla-Schriftzug<br />

kam erst 1983. Die hier gezeigte zweite Generation ist archetypisch für das<br />

japanische Design jener Zeit: eine etwas schüchtern gezeichnete Dreivolumenkarosserie<br />

mit leicht barocken Details hier und dort, dazu eine verspielte<br />

Front im US-Stil. Aber eben – weltweit höchst populär.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 043


KLASSISCHE STUFENHECK-TRÄGER – DAS WAREN<br />

SOWOHL BUTTERBROT-AUTOS ALS AUCH DELIKA-<br />

TESSEN, NICHT NUR IM KONSERVATIVEN JAPAN. UND<br />

DESHALB FOLGEN HIER ZEHN EVERGREENS AUS ALLER WELT<br />

Text map · Fotos Werk<br />

ASTON MARTIN LAGONDA (1978–90)<br />

Das Erstaunlichste an diesem exaltierten Brit-Saloon ist wahrscheinlich die Tatsache, dass er von William Towns gestaltet wurde –<br />

jenem Herrn also, der uns den traumhaften DBS bescherte. Der streng geometrische Lagonda sollte dagegen nicht nach Aston Martin<br />

aussehen – glücklicherweise, denn die 5,3 Meter lange, aber nur 1,3 Meter hohe (und innen recht enge) Sportlimousine litt unter<br />

allerhand technischen Problemen. In zwölf Jahren entstanden nicht weniger als drei Serien, aber nur 645 Exemplare. Und die gehörten<br />

zum Teuersten, was man damals fahren konnte.<br />

BMW 3ER-REIHE (SEIT 1975)<br />

Ein Stufenheck par excellence – unter anderem auch deshalb, weil das<br />

visionäre Fliessheck-Experiment 02 Touring (1971–74) zu früh kam. Der<br />

flache Kofferraumdeckel blieb beim Dreier jedenfalls Programm, bevor<br />

1987 parallel eine Touring (!) genannte Kombiversion angeboten wurde.<br />

Die Baureihe selbst (im Bild der E36 von 1990–2000) ist jetzt seit 40 Jahren<br />

erhältlich, mittlerweile in ihrer sechsten Generation angekommen, war<br />

immer klar als Dreier erkennbar und gilt auch fahrdynamisch als Benchmark<br />

in der unteren Mittelklasse. Luja, sog i.<br />

CHEVROLET CAPRICE SEDAN (1976–90)<br />

Der Standard-Chevy transportierte Abermillionen Menschen; als Volkswagen<br />

im US-Format verkörpert(e) er Pragmatismus in Grossserie, stand für fragwürdige<br />

Ergonomie (allein das Kofferraumvolumen ist über jeden Zweifel erhaben),<br />

nonchalante Verarbeitung und eine qualitativ kurze Halbwertszeit. Achsenbruch?<br />

Never mind; ein neuer alter Caprice war oft billiger als die Reparatur. Und so starben<br />

die bis zu 5,48 Meter langen Schlitten wie die Fliegen: Erst heute, 25 Jahre<br />

nach Produktionsende, erfährt auch die dritte Generation jene Wertschätzung,<br />

die sie kraft ihrer bestechend schlichten Gestaltung verdient hat. Alles, was<br />

danach kam, sieht aus wie Seife.<br />

CITROËN AMI 6 BERLINE (1961–69)<br />

Die einen halten die Dachpartie für das automobile Pendant zu Louis de Funès,<br />

für die anderen ist sie ein kongenialer Einfall. Klar ist: Der viertürige Ami 6,<br />

damals zwischen 2CV und DS positioniert und als französisches Wortspiel «L’Ami<br />

Six» mit «Fräulein» übersetzbar, lässt niemanden kalt. Das im Jahr 1966 meistverkaufte<br />

Auto Frankreichs leistete zunächst nur 19,5 PS; ab 1968 waren es dann<br />

32, immerhin. Die Anordnung der Heckscheibe war kein Selbstzweck, sondern<br />

der Kopffreiheit der Fondpassagiere und damit einer optimalen Raumausnutzung<br />

geschuldet. Schönheit liegt eben im Auge des Betrachters; bis zum Produktionsende<br />

entstanden über eine Million Einheiten.<br />

044 <strong>VECTURA</strong> #16


RÜCKSPIEGEL<br />

LAMBORGHINI ISLERO (1968–70)<br />

Lange als langweiligster Lambo aller Zeiten abgetan, entwickelt sich der Islero gerade<br />

vom Geheimtipp zur allgemein begehrten Rarität. Der zweitürige, noch von Touring-<br />

Designer Ferruccio Formenti entworfene Sportwagen wurde nur zwei Jahre lang<br />

rund 250 Mal hergestellt und sieht viel weniger wild aus als seine Artgenossen. Genau<br />

diese Mischung aus eigenständig-elegantem Auftritt (man beachte die Klappscheinwerfer<br />

und hoch positionierte Heckstossstange) und souveränen Fahrleistungen<br />

macht den Reiz aus. Die ab 1969 produzierte S-Version verfügte über 350 PS.<br />

MERCEDES-BENZ 190 (1982–93)<br />

OPEL KADETT B (1965–73)<br />

Mit der kompakten, zunächst 4,42 Meter langen Baureihe W210 wagten es die Stuttgarter<br />

vor über drei Jahrzehnten erstmals, ihr Modellportfolio nach unten auszuweiten.<br />

Das Wagnis sollte sich lohnen: Der unter dem damaligen Chefdesigner Bruno Sacco<br />

bewusst anders gestaltete und im Volksmund bald auch als Baby-Benz bezeichnete<br />

190er entwickelte sich zum Bestseller – 1,9 Millionen Einheiten sollten es schliesslich<br />

werden. Kaum zu glauben, dass es schon über zwei Jahrzehnte her ist! Was gleichzeitig<br />

beweist, dass wir es hier mit einem Klassiker von morgen zu tun haben.<br />

Was dem 190er-Mercedes gerade bevorsteht, hat der B-Kadett längst erreicht –<br />

ein ebenso anerkannter wie erschwinglicher Oldie zu sein. Gerade hat er seinen<br />

50. Geburtstag gefeiert; als modernerer Käfer-Konkurrent stand er damals vor<br />

vielen Reihenhäusern, deren Bewohner sich mit ihm erstmals ein Auto gekauft<br />

hatten. Neben der zweitürigen Basisvariante – mit Kofferraumklappe, versteht<br />

sich – gab es weitere Karosserieversionen; bis 1973 fanden 2,6 Millionen einen<br />

glücklichen Besitzer. Der Kadett wurde sogar 2560 Mal in der Schweiz gebaut –<br />

als viertüriger, üppig ausgestatteter Ascona 1700 «montage suisse».<br />

PORSCHE 914 (1969–76)<br />

VOLVO 700 (1982–90)<br />

So viel vorweg: Die Idee, einen Volks-Porsche zu bauen, fand 120 000 Liebhaber. Das Konzept<br />

war ebenso simpel wie bestechend: unter vier Meter Länge, zwei Sitze, ein luftgekühlter<br />

Boxer-Mittelmotor und ein Targadach, das bedarfsweise unter dem Heckdeckel Platz<br />

fand. Damit war der 914 auch Vorbild für den ab 1972 gebauten Fiat X1/9, der sich ebenfalls<br />

durch ein Stufenheck auszeichnete. Den 914 dagegen konnte und kann man im Notfall<br />

sogar als Dreisitzer nutzen; eine seitlich angeordnete Handbremse mach’s möglich. Besonders<br />

gesucht sind heute die vergleichsweise seltenen Sechszylindermodelle mit 110 PS.<br />

Der schwedische Hersteller hat dem Stufenheck in den 1970er- und 80er-Jahren<br />

intensiver gefrönt als die meisten anderen Automarken, doch mehr Kante als bei<br />

der Gehobene-Mittelklasse-Limousine 760/740 gegen die selbst die Vorgänger-<br />

Baureihe 260 rundlich wirkte (das markante Styling stammte vom langjährigen<br />

Hausdesigner Jan Wilsgaard), hat es seither nicht mehr gegeben. Darauf standen<br />

nicht nur die Skandinavier, sondern auch US-Kunden. Der im 760 bis zu<br />

182 PS starke wie kompakt-leichte PRV-V6-Benziner (1974–98) kam übrigens<br />

auch bei Peugeot, Renault, Alpine, DeLorean, Lancia oder Venturi zum Einsatz.<br />

KARMANN GHIA TYP 34 (1961–69)<br />

Der 4,28 m lange «grosse Karmann» Typ 34 folgte sechs Jahre nach dem kleinen (Typ 14)<br />

und trug ebenso Stufenheck wie jener bis zu 54 PS leistende Volkswagen Typ 3, auf dem<br />

er konstruktiv basierte. Doch anders als der 14er, der zwischen 1955 und 74 fast eine halbe<br />

Million Mal gebaut wurde (über 385 000 davon waren Coupés), war der grundsätzlich geschlossene<br />

34 kein Verkaufserfolg – gerade mal 42 500 Einheiten entstanden. Das macht<br />

die seinerzeit eleganteste, aber auch schnellste und teuerste VW-Baureihe heute so interessant.<br />

Allerdings ist ihre komplexe Blechkarosserie ein restaurierungstechnischer Albtraum.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 045


C-KLASSE À LA MODE<br />

MITTELKLASSE-COUPÉS GEHÖREN ZU MERCEDES-BENZ WIE<br />

SCHÖNE FRAUEN ZUR FORMEL 1: OHNE SIE WÜRDE NATÜRLICH<br />

AUCH WEITERGEFAHREN, UND DOCH WÜRDE ETWAS FEHLEN.<br />

SO IST ES AUCH BEI DER AB DEZEMBER VERFÜGBAREN COUPÉ-<br />

VERSION DER C-KLASSE. WER ALSO NOCH IDEEN FÜR DEN<br />

WEIHNACHTS-WUNSCHZETTEL SUCHT …<br />

Text Claus Engler · Fotos Werk<br />

AHNENGALERIE: MERCEDES-COUPÉS AUS SECHS JAHRZEHNTEN<br />

Barocke Formen: 220 Coupé (W187)<br />

Moderne Zeiten: 220 S (W180 II)<br />

046 <strong>VECTURA</strong> #16


NEUVORSTELLUNG<br />

Ob formal eigenständig, ob eng an die Limousine angelehnt,<br />

entweder besonders chic oder betont sportlich;<br />

mal mit eigenem Namen, mal mit einem schlichten<br />

«Coupé» als Namenszusatz: Die Mittelklasse-Zweitürer von<br />

Mercedes verkörpern über die Jahrzehnte nicht nur den stilistischen<br />

Zeitgeist der jeweiligen Epochen, sondern geben stets<br />

auch Hinweise auf kommende Trends. So sind sie immer auch<br />

Ausdruck der gerade in der Markenführung vorherrschenden<br />

Mode gewesen. Und trotz dieser scheinbaren Launenhaftigkeit<br />

verkörpern sie eine Konstante in der Mercedes-Welt.<br />

Nun also das neue C-Klasse Coupé. Der aktuelle Akzent der intern<br />

C205 genannten Baureihe liegt auf Sportlichkeit und Fahrspass,<br />

das Fahrwerk ist gegenüber der Limousine um 15 Millimeter flacher<br />

angelegt und steht damit bereits bei der 17-Zoll-Serienbereifung<br />

auf Sportniveau. Schärfer ist hier ein optionales Sportfahrwerk mit<br />

strafferer Auslegung von Federung, Dämpfung und Sport-Direktlenkung.<br />

Auf Wunsch gibt es erstmals die Luftfederung Airmatic<br />

mit elektronisch geregelter, kontinuierlicher Verstelldämpfung<br />

an Vorder- und Hinterachse. Hier kann der Fahrer per Schalter<br />

vorwählen, ob er sportlich, komfortabel oder verbrauchsoptimiert<br />

unterwegs sein will. Zum Modellstart stehen zunächst vier Benzinund<br />

zwei Dieselmotoren zur Verfügung. Das Leistungsangebot<br />

reicht vom 1,6-L-Vierzylinder im C180 mit 156 PS zu drei Zweiliter-<br />

Triebwerken mit 184 PS (C200) bis 245 PS (C300); die beiden<br />

Selbstzünder haben wahlweise 170 PS oder 204 PS.<br />

Natürlich wird mehr gehen. Im Januar 2016 folgt das Mercedes-<br />

AMG C63 Coupé, dessen Vierliter-V8-Biturbo entweder 476 oder<br />

510 PS leistet. Um Verwechslungen auszuschliessen, hat das<br />

AMG-Coupé vorne und hinten markant ausgestellte Kotflügel,<br />

dazu Powerdomes auf der Motorhaube sowie einen anderen<br />

Zählt zu den Stil-Ikonen aus Stuttgart: 220 SEC (W111)<br />

HERBST <strong>2015</strong> 047


Wachsender Erfolg Der Stammbaum der Mercedes-Coupés<br />

hat die Form einer knorrigen Eiche: Etwas verwinkelt und ursprünglich<br />

eher im S-Bereich wurzelnd, reichen jüngere Triebe ins<br />

fruchtbare, später E-Klasse genannte Beet, während die kleinsten<br />

Sprösslinge der C-Kultur zuzurechnen sind. Der Beginn jedenfalls<br />

war besonders exklusiv und auf «… wiederholtes Drängen<br />

einzelner prominenter Persönlichkeiten» zurückzu führen,<br />

wie es damals in einem Rundschreiben der Verkaufsabteilung<br />

stand: Vom 220 Coupé (W187) baute man 1954/55 gerade mal<br />

85 Exemplare. Auch die Ponton-Nachfolger 220 S (W180 II) beziehungsweise<br />

220 SE (W 128) waren der Oberklasse verpflichtet<br />

und wurden von 1956 bis 60 in raren Stückzahlen hergestellt.<br />

Das galt zwar auch für den W111 (1961–71), doch immerhin wurden<br />

davon 28 918 Coupés ausgeliefert.<br />

Mehr als die Limousinen verkörpern<br />

die Coupés den stilistischen und<br />

technischen Status quo ihrer Epoche<br />

Erstmals klar Mittelklasse war das parallel lancierte /8-Coupé<br />

(W114, 1969–76), dessen flaches Pagodendach rund 36 000 Fans<br />

gefunden hat. Echte Smash-Hits wurden dann die Nachfolger<br />

C123 (99 884 Exemplare von 1977–85, davon erstmals 15 509 mit<br />

Dieselmotor für den US-Markt) sowie C124 (zwischen 1989–96<br />

ganze 141 498 Mal gebaut). Ihnen allen waren Eleganz, Qualität,<br />

Sicherheit und souveräne Fahrleistungen zu eigen; Fabrikanten-Gattinnen<br />

ohne Mercedes-Coupé schienen künftig nur unter<br />

Aufbietung grösster Phantasie vorstellbar. Vom C124 gab es<br />

dann zwar keinen Diesel mehr, aber erstmals eine AMG-Version.<br />

Seither ist das Mercedes-Coupé der C-Klasse treu geblieben;<br />

schon 1993 hatte eine Coupé-Studie am Genfer Salon für Aufsehen<br />

gesorgt. 1997 ging sie dann als eigenständiges Modell<br />

C208 unter dem Namen CLK in Serie und wurde bis 20<strong>03</strong> über<br />

230 000 Mal gebaut. Nachfolger war der CLK der zweiten Generation<br />

(C209): Zwischen 2002 und 10 entstanden, einschliesslich<br />

Cabriolets, rund 360 000 Einheiten. Daneben gibt es seit<br />

2009 das E-Klasse Coupé (C207), das sich seine Architektur mit<br />

jenem kleineren, 2011 erschienenen C-Klasse Coupé C204 teilt,<br />

das nun Platz für die Neuauflage macht. cle<br />

Moderne Klassiker (von hinten<br />

nach vorne): 250 CE Coupé (W114),<br />

280 CE (C123) und 200 CE (C124)<br />

048 <strong>VECTURA</strong> #16


NEUVORSTELLUNG<br />

Frontspoiler, eine breitere Spur und grössere Räder. Als weitere<br />

wichtige Zutaten müssen das Ride-Control-Sportfahrwerk mit<br />

elektronisch geregelten Stossdämpfern, die andere Auslegung<br />

der Dynamic-Select-Fahrprogramme von komfortabel bis supersportlich,<br />

das Hinterachs-Sperrdifferential oder eine dynamische<br />

Motorlagerung genannt werden.<br />

Alle C-Coupé-Varianten tragen den hochwertigen Diamantgrill<br />

und profitieren zudem von den neuen Proportionen der Motorhaube<br />

– zwischen Stirnwand und Vorderachse ist das Auto sechs<br />

Zentimeter länger als sein Vorgänger. Dahinter folgt ein geducktes<br />

Greenhouse, das harmonisch in die Heckpartie übergeht. Letztere<br />

verrät, dass das S-Klasse Coupé aus dem gleichen Haus stammt.<br />

Die hohe Gürtellinie und rahmenlose Türen mit freistehenden<br />

Aussenspiegeln wie seinerzeit beim /8 sind ebenfalls Signale der<br />

angestrebten Sportlichkeit. Ausserdem, so lehren uns die Stuttgarter<br />

Coupé-Designer unter Gorden Wagener, streckt sich die lang<br />

gezogene seitliche «Dropping-Line» im Gegensatz zur C-Limousine<br />

über das hintere Radhaus. Insgesamt ist das neue C-Coupé<br />

knapp zehn Zentimeter länger und vier Zentimeter breiter geworden<br />

– bei einem ebenfalls um 8 cm gewachsenen Radstand. Das<br />

erweiterte Fahrzeugvolumen ist vorwiegend einem gesteigerten<br />

Raumkomfort für Fahrer und Beifahrer geschuldet; auch im Fond<br />

haben Kopf-, Schulter- und Ellenbogenfreiheit zugelegt.<br />

Leider macht der tägliche Stau auch vor einem Coupé nicht Halt.<br />

Umso erfreulicher ist, dass ein mit Distronic Plus samt Lenkassistent<br />

und Stop-and-go-Pilot ausgestattetes C-Coupé bei<br />

Geschwindigkeiten unter 130 km/h einem vorausfahrenden Fahrzeug<br />

in der Spur folgen und so teilautonom im dichten Verkehr<br />

Neu interpretiert: CLK 230 K (C208)<br />

Optisch leichter: CLK II (C209)<br />

HERBST <strong>2015</strong> 049


NEUVORSTELLUNG<br />

mitschwimmen kann – selbst bei fehlenden oder weniger deutlichen<br />

Spurmarkierungen. Da bleibt dann mehr Zeit zum Hören<br />

und Schauen: Der Frontbass der Burmester-Soundanlage sorgt<br />

für ein Klangerlebnis auf Konzertsaal-Niveau, in dem er das<br />

Volumen der Quer- und Längsträger als Resonanzraum für die<br />

Lautsprecher nutzt. State-of-the-art ist auch eine Navigation,<br />

welche den Fahrer mit präzisen Verkehrsinformationen in Echtzeit<br />

versorgt – Mercedes nennt das «Live Traffic Information» –<br />

und ihre Inhalte jetzt auch interaktiv aufbereitet. Dazu gehört<br />

unter anderem ein animierter Kompass, eine Flugzeug-artige<br />

«Drive Show» mit Informationen für die Passagiere sowie die<br />

Anzeige von Google Maps auf dem Bildschirm.<br />

Neben solchen Ausstattungsmöglichkeiten bietet das Coupé<br />

noch eine Vielzahl anderer nützlicher Zusatzsysteme, etwa den<br />

aktiven Park-Assistenten, dessen teilautomatisiertes Einparken<br />

mit aktiven Lenk- und Bremseingriffen jetzt auch Längs- und<br />

Querparklücken beherrscht. Oder einen adaptiven Fernlicht-<br />

Assistenten Plus, welcher Dauerfernlicht durch gezieltes Ausblenden<br />

anderer Fahrzeuge im Fernlichtkegel ermöglicht. Überhaupt<br />

scheint das Coupé jede Art der Kollision vermeiden zu<br />

wollen: Erwähnt seien in diesem Zusammenhang der Auffahrverhinderer<br />

«Collision Prevention Assist Plus» oder der Bremsassistent<br />

Plus, der nach dem Motto «ich bremse auch für Querverkehr»<br />

agiert.<br />

Fazit: Mehr Auswahl und Komfort hat es im C-Coupé noch nie<br />

gegeben. Und so wagen wir die Prognose, dass sich die Baureihe<br />

schnell einen vorderen Platz im Mercedes-Portfolio erobern<br />

wird.<br />

Farewell: bisheriges C-Klasse Coupé (C204)<br />

Grosser Bruder: aktuelles E-Klasse Coupé (C207)<br />

050 <strong>VECTURA</strong> #16


COSY JEANS<br />

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ZUM AUTOFAHREN. GRUND<br />

GENUG FÜR UNS, ARM-<br />

BANDUHREN MIT VOLLGAS-<br />

UND LANGSTRECKEN-<br />

POTENTIAL VORZUSTELLEN<br />

Mit einem Schleppzeiger-Chronographen, auch Rattrapante<br />

genannt, lassen sich bei Autorennen bevorzugt Zwischenzeiten<br />

erfassen. Blancpain beherrscht dieses komplexe<br />

mechanische Metier seit 1988. Allerdings haben die Uhrmacher<br />

seitdem kontinuierlich weitergearbeitet und das<br />

8,4 Millimeter hohe Automatikkaliber 69F9 entwickelt. Selbiges<br />

beseelt den weissgoldenen und deshalb sehr dezenten<br />

«L’Evolution»-Chronographen. Neben besagter Zusatzfunktion<br />

verfügt das exklusive Uhrwerk auch über eine so<br />

genannte Temposchaltung: Wenn es auf der Piste einmal<br />

heiss hergeht, können die Besitzer den Stopper aus dem<br />

Lauf heraus mit einem Knopfdruck nullstellen und unverzüglich<br />

neu starten. Das spart logischerweise<br />

jede Menge Zeit. Der Tank,<br />

sprich die Zugfeder des Uhrwerks,<br />

speichert Energie für 40 Stunden<br />

Gangautonomie. Karbon<br />

für den Glasrand und das<br />

Zifferblatt, durch dessen<br />

grosse Öffnung bei der<br />

«6» sich das Datum<br />

ablesen lässt, verleihen<br />

dieser Armbanduhr eine<br />

gleichermassen sportive<br />

wie innovative Optik. Ihr<br />

Motor zeigt sich durch<br />

einen Saphirglas-Sichtboden.<br />

Text Gisbert L. Brunner<br />

Fotos Werk<br />

Die Produktion des «Speedmaster», eines «neuen Chronographen,<br />

entwickelt für Wissenschaft, Industrie und Sport»,<br />

startete bei Omega im Jahr 1957. Zwölf Jahre später<br />

begleitete der Stopper die ersten Menschen auf der Oberfläche<br />

des Mondes und erhielt anschliessend den Namen<br />

«Speedmaster Professional». 2013 legte das Swatch-<br />

Group-Mitglied die ursprüngliche «Speedmaster» von 1957<br />

neu auf. Das hauseigene Co-Axial-Kaliber 9300 verfügt<br />

über beidseitig wirkenden Rotoraufzug, zwei Feder häuser,<br />

60 Stunden Gangautonomie, Silizium-Unruhspirale,<br />

Schaltrad-Chronograph und Zeitzonen-Funktion. Die<br />

Ganggenauigkeit bescheinigt ein amtliches<br />

Chronometerzeugnis. <strong>2015</strong> hat Omega weiter<br />

an diesem Modell gearbeitet. Betont nostalgisch<br />

präsentieren sich in diesem Fall die im «Broad<br />

Arrow»-Stil ausgeführten Zeiger für Stunden<br />

und Minuten. Und die Stundenmarkierungen<br />

sind bei der 41,5 Millimeter grossen Edelstahl-<br />

«Speedmaster ’57» vertieft sowie teilweise mit<br />

«Vintage»-Super-LumiNova ausgelegt. Das<br />

spezielle Feature für Autofahrer: eine dezente Tachymeterskala<br />

auf dem Glasrand. Sie eignet sich zum<br />

Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten über<br />

einen Kilometer hinweg.<br />

052 <strong>VECTURA</strong> #16


SWISS MADE<br />

Die gekonnte Synthese aus Tradition und Moderne hat<br />

Chronoswiss zu einem festen Bestandteil der hauseigenen<br />

Uhren-Philosophie erkoren. Ausdruck überlieferter Uhrmacherkunst<br />

ist das flache Automatikkaliber C. 289 mit beidseitig<br />

wirkendem Kugellagerrotor und rund 42 Stunden<br />

Gangautonomie. Kenner, die durch den Sichtboden<br />

der 44 Millimeter grossen Edelstahl-<br />

Schale des markanten «Timemaster GMT»<br />

blicken, identifizieren dieses Uhrwerk<br />

als das zuverlässige Eta 2893. Erst -<br />

mals in der Geschichte des 1983<br />

in München gegründeten und nun<br />

vollkommen schweizerischen<br />

Familienunternehmens findet ein<br />

mehrschichtiges Karbon-Zifferblatt<br />

Verwendung. Seine vier Stunden -<br />

ziffern lassen sich beim besten Willen<br />

nicht übersehen. Aus dem Zentrum drehen<br />

insgesamt vier Zeiger ihre Runden –<br />

je einer für die Sekunden und Minuten und<br />

gleich zwei für die Stunden. Jener mit der<br />

gelben Spitze benötigt für 360 Bogengrade<br />

einen ganzen Tag. Und er lässt sich unabhängig<br />

vom doppelt so schnell rotierenden Bruder verstellen.<br />

Dieses Feature werden Liebhaber edler<br />

Automobile, die meistens auch ein Aktienportfolio besitzen, sehr<br />

zu schätzen wissen. Mit einem Blick sehen sie nämlich, was es<br />

an einem entfernten Börsenplatz gerade geschlagen hat.<br />

Bereits 1902 fand auf dem Daytona International Speedway das<br />

erste Autorennen statt. Zu diesem Zeitpunkt gab es Rolex noch<br />

nicht; die Genfer Uhrenmanufaktur entdeckte den Autosport<br />

erst in den 1960er-Jahren. 1963 debütierte die erste Edelstahl-<br />

«Daytona», Referenz 6239. Im Folgejahr bewarben die Schweizer<br />

ihren Stopper mit dem Hinweis, dass er nach dem Rundkurs<br />

benannt sei und Rolex hier als offizielle Uhrenmarke auftrete.<br />

Exakt 50 Jahre später, also 2013, paktierte Rolex als weltweiter<br />

Partner und offizieller Zeitnehmer mit der Formel 1. Bereits anno<br />

2000 gehörte die aktuelle Daytona mit dem hauseigenen Automatikkaliber<br />

4130 zu den unangefochtenen Stars<br />

der Basler Uhrenmesse. Das durch und durch<br />

neu konstruierte Uhrwerk besitzt einen Durchmesser<br />

von 30,5 Millimeter und ist 6,5 Millimeter<br />

hoch, dazu kommen 44 funktionale Steine und<br />

eine gewohnte Unruhfrequenz von vier Hertz<br />

oder stündlich 28.800 Halbschwingungen.<br />

Ans Auto erinnert eine vertikale Reibungskupplung,<br />

welche einen ruckfreien Start<br />

des Chronographen mit 30-Minuten- und<br />

12-Stunden-Zähler gestattet – und selbstverständlich<br />

einer Tachymeterskala am Glasrand.<br />

Dank mindestens 66 Stunden Gangautonomie<br />

läuft die Uhr auch über ein freies<br />

Wochenende hinweg. Kenner schwören auf<br />

die Stahl-Version, Referenz 116520.<br />

2013 fanden Certina und die FIA-Rallye-Weltmeisterschaft<br />

WRC als Partner zusammen. In dieser Eigenschaft<br />

obliegt der traditionsreichen Schweizer Uhrenmarke<br />

die offizielle Zeitnahme bei allen 13 Rennen. Die<br />

Kooperation kommt natürlich nicht von ungefähr. Zum<br />

einen ist der Rallye-Sport ausgesprochen beliebt –<br />

speziell in Skandinavien, wo Certina zu den Marktführern<br />

gehört, verzeichnet die WRC beachtliche Zuschauerzahlen.<br />

In anderen Ländern rund um den Globus kann<br />

der Uhrenhersteller mittels Sponsoring ebenfalls punkten<br />

und so die Markenbekanntheit weiter steigern. Übrigens<br />

hatten die Eidgenossen bereits von 2002 bis 05 den<br />

mittlerweile verstorbenen schottischen Rallye-Piloten<br />

Colin McRae (Weltmeister 1995) sowie Petter Solberg<br />

(Weltmeister 20<strong>03</strong>) unter Vertrag.<br />

Eine augenfällige Armbanduhr<br />

zum aktuellen Engagement gibt<br />

es natürlich auch. Sie heisst<br />

«DS Podium Big Size Chronograph<br />

– WRC Limited<br />

Edition» und wird insgesamt<br />

nur 5000 Mal<br />

produziert. In den<br />

Edelstahlgehäusen<br />

kommt ein quarzgesteuertes<br />

«Precidrive»-<br />

Kaliber zum Einsatz.<br />

Es geht im Jahr nicht<br />

mehr als zehn Sekunden<br />

falsch und gestattet<br />

Stoppungen auf die Hundertstelsekunde<br />

genau.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 053


Die Kooperation zwischen Jaeger-LeCoultre und Aston<br />

Martin führte bereits 2006 zur Kreation des AMVOX2-<br />

Chronographen. Bei oberflächlicher Betrachtung erkennt<br />

man bei diesem intelligent gestalteten Stopp-Boliden keine<br />

Bedienelemente. Aber das ist ein echter Trugschluss. Die<br />

drei zeitschreibenden Funktionen, also das Starten, Stoppen<br />

und Rückstellen, lassen sich durch Druck auf das<br />

beweglich befestigte Saphirglas ansteuern. Selbiges steht<br />

in Verbindung zu einem ausgeklügelten, natürlich patentierten<br />

Schaltwerk. Diese Ausnahmemechanik des Manufakturkalibers<br />

751E mit Rotor-Selbstaufzug und 65 Stunden<br />

Gangautonomie ist in der Tat einzigartig; das ganze Werk<br />

besteht aus 280 Komponenten. Beim «AMVOX2 Transponder»<br />

mit 44 Millimeter grossem Titangehäuse hat die<br />

Traditionsmanufaktur das Ganze noch um einen elektronischen<br />

Schlüssel erweitert. Mit dem «Sesam öffne dich»<br />

lassen sich, vorhergehende Freischaltung vorausgesetzt,<br />

die Türfunktionen eines Aston Martin fernsteuern. Damit<br />

Mann sein Auto nicht lange suchen muss, löst der Druck<br />

auf den «Open»-Sensor im Glas die Lichthupe aus.<br />

Liebhaber rassiger GT-Sportwagen reisen gern. Unterwegs<br />

wird sich die «Calatrava Pilot Travel Time» als hilfreiche<br />

Begleiterin erweisen. Für Patek Philippe verkörpert diese<br />

Weissgold-Armbanduhr einen gestalterischen Quantensprung,<br />

obwohl Piloten-Armbanduhren der Familienmanufaktur<br />

keineswegs fremd sind. Bereits 1938 hatte sie<br />

einige Zeitmesser zur Navigation hoch in den Lüften<br />

kreiert. Die Referenz 5224 knüpft an genau diese<br />

Tradition an, bietet jedoch völlig andersartige<br />

Funktionen. Ihr Automatikkaliber CH 324 S C FUS<br />

mit einseitig wirkendem Goldrotor, «Gyromax»-<br />

Unruh und «Silinvar»-Unruhspirale besteht aus<br />

294 Komponenten. Über das Übliche hinaus<br />

besitzt der sorgfältig finissierte Mikrokosmos ein<br />

praktisches Zeitzonen-Dispositiv mit zwei Stundenzeigern.<br />

Einer bewahrt im Verbund mit der<br />

Tag-/Nacht-Indikation bei «3 Uhr» die Heimat- oder<br />

Referenzzeit. Sein Pendant ist zur Indikation der<br />

jeweiligen Lokalzeit per Knopfdruck individuell verstellbar.<br />

Und zwar vorwärts bei der «8» und rückwärts bei<br />

«10». Ihm zugeordnet ist eine weitere, mit «Local» gekennzeichnete<br />

Tag-/Nacht-Indikation. Falls erforderlich lässt<br />

sich das Zeigerdatum über einen versenkten Drücker im<br />

Gehäuserand unkompliziert korrigieren.<br />

Bugatti – dieser Name beschleunigt den Puls anspruchsvoller<br />

Autofreaks auf Anhieb. 2004 debütierte der Veyron<br />

mit 1001 PS. Dieses Ereignis veranlasste die Uhrenmanufaktur<br />

Parmigiani zur Konstruktion einer passenden<br />

Armbanduhr mit speziell konstruiertem Mechanik-<br />

Innenleben. Die Speichen seiner Zahnräder erinnern an<br />

diejenigen der Autofelgen. Blicke von oben auf das ergonomisch<br />

gewölbte Gehäuse zeigen das Uhrwerk in voller<br />

Pracht, denn im Gegensatz zum Üblichen steht das<br />

Kaliber PF 370 mit zwei Federhäusern in seinem markanten<br />

Gehäuse. Für das Aufziehen und Zeigerstellen sind<br />

externe Kardanwellen zuständig. Damit das Befüllen der<br />

beiden Energiespeicher nach spätestens zehn Tagen<br />

ja nicht in Vergessenheit gerät, weist eine Tankuhr auf<br />

die aktuell verbleibenden Kraftreserven hin. Zum Schutz<br />

vor Schocks ist das aussergewöhnliche Uhrwerk mit<br />

seinen insgesamt fünf Platinen auf Silent-Blöcken gelagert.<br />

All diese Merkmale finden sich auch in der «Bugatti<br />

370 Mythe», deren Rotgoldgehäuse 52,50 x 32,40 Millimeter<br />

misst. Die<br />

Gesamthöhe<br />

liegt bei 18,6<br />

Millimeter.<br />

Seit 2012 kooperiert Hublot mit<br />

Ferrari. Gründer Enzo meinte seinerzeit,<br />

dass man ein Auto zuerst träumen muss.<br />

So sieht es auch Jean-Claude<br />

Biver, der die Partnerschaft mit dem<br />

Agnelli-Enkel Lapo Elkann initiierte. Der<br />

ehemalige Hublot-CEO träumt Uhren seit<br />

den 1970er-Jahren. Einer seiner<br />

tickenden Ferrari-Träume ist auch dann<br />

am Handgelenk präsent, wenn der üppig<br />

motorisierte Bolide mal in der Garage<br />

ausharren muss. Gemeint ist die leichte<br />

«Big Bang Ferrari Carbon» mit ausdrucksstarkem<br />

45-Millimeter-Gehäuse.<br />

Die bis zehn bar wasserdichte Schale<br />

kombiniert innovative Werkstoffe wie<br />

Kohlefaser, Titan, Kevlar und Kautschuk,<br />

während sie das Unico-Manufakturkaliber<br />

mit Selbstaufzug und Schaltrad-<br />

Chronographen schützt. Beim Blick aufs<br />

durchbrochene Zifferblatt stechen das<br />

legendäre «Cavallino Rampante» sowie<br />

Ferrari-rote und Ferrari-gelbe Elemente<br />

ins Auge. Die Sonder-Edition ist auf<br />

1000 Exemplare begrenzt.


SWISS MADE<br />

Nicht an einem Auto,<br />

sondern am legendären<br />

Motorrad «Ducati<br />

Scrambler» orientierte<br />

sich die Rolex-Tochter<br />

Tudor bei der Gestaltung<br />

ihres neuen «Fastrider». Bei<br />

der Kreation dieses Chronographen<br />

liessen sich die Designer von<br />

jenem Geist der Freiheit inspirieren,<br />

den der zweirädrige Traum verstrahlt. Drei<br />

unterschiedliche Zifferblätter stellen den Bezug zu ebenso<br />

vielen Scrambler-Versionen her: Gelb steht für die historische<br />

Farbe des Modells. Olivengrün verstrahlt einen kraftvollen<br />

urbanen Look. Rot bringt einen keineswegs aufdringlichen<br />

Retro-Chic zum Ausdruck. Die Lünette aus<br />

mattschwarzer Keramik trägt eine Tachymeterskala zum<br />

Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen<br />

Kilometer hinweg – und damit passt diese Uhr auch hervorragend<br />

in ein sportliches Auto. Der kratzfeste Glasrand<br />

sitzt auf einem Edelstahlgehäuse, dessen Wasserdichte<br />

bis 15 bar Druck oder 150 Meter Tauchtiefe reicht. Für das<br />

Bewahren und das Stoppen der kostbaren Zeit auf die<br />

Achtelsekunde genau ist das Automatikkaliber Eta 7753<br />

zuständig. Seine Gangautonomie beträgt rund 46 Stunden.<br />

Durch einen kreisrunden Zifferblattausschnitt<br />

zwischen «4» und «5» lässt sich das Datum ablesen.<br />

Die Idee zu dieser Armbanduhr stammt von Michael<br />

Schumacher. Deshalb heisst sie auch «Royal Oak<br />

Concept Laptimer Michael Schumacher». Der Rennfahrer<br />

erteilte deshalb den Impuls, weil er Rundenzeiten ergonomisch<br />

mit den Daumen stoppen wollte. Audemars Piguet<br />

wiederum liess sich nicht lange bitten und entwickelte<br />

einen hochkomplexen, aber leicht handhabbaren Mechanismus<br />

mit Minuten-Tourbillon. Ein Drücker im linken<br />

Gehäuserand genügt nach dem Starten des Stoppers<br />

zum vergleichenden Erfassen. Dabei treten die beiden<br />

zentralen Chronographen-Zeiger abwechselnd in Aktion –<br />

je einer speichert und der andere misst. Mit Hilfe des<br />

Nullstelldrückers bei «4» können die weltweit nur 221<br />

glücklichen Besitzer dieses erstaunlich leichten, weil mit<br />

einem 44 Millimeter grossen Karbon-Titan-Gehäuse ausgestatteten<br />

Boliden eine schlechte Runden-Performance<br />

sofort vergessen. Die Unruh oszilliert mit vier Hertz,<br />

gestattet ergo Stoppvorgänge auf die Achtelsekunde<br />

genau. Für eines der äusserst aufwendigen und teilweise<br />

patentierten Handaufzugswerke vom Kaliber 2923<br />

benötigen die Uhrmacher 413 Komponenten.<br />

Zwei italienische Nobel-Marken, zwei Jubiläen<br />

im gleichen Jahr: Da lag eine Kooperation<br />

förmlich auf der Hand. Gemeint sind<br />

das 1884 gegründete Haus Bulgari und die<br />

Sportwagenschmiede Maserati, welche am<br />

1. Dezember 2014 den 100. Geburtstag<br />

feierte. Die Limitierung des «Octo-Maserati»-<br />

Jubiläums-Chronographen auf insgesamt 1914<br />

Exemplare macht somit Sinn. Passend zum Auto<br />

weist das Innenleben des 41,5 mm grossen Stoppers<br />

eine beflügelte Unruhfrequenz von fünf Hertz<br />

auf, denn die behände Mechanik BVL 328 «Velocissimo» mit Rotoraufzug und rund<br />

50 Stunden Gangautonomie stammt von der Schwester Zenith. Dort trägt das<br />

bewährte Kaliber mit Schaltradsteuerung, klassischer Zahnradkupplung sowie<br />

30-Minuten- und 12-Stunden-Totalisator die Bezeichnung «El Primero». Wer die<br />

Maschine in der oktogonalen Karosserie begutachten möchte, muss genau hinschauen.<br />

Die Rückseite besitzt keinen Sichtboden im üblichen Sinn. Um Maserati und<br />

seinem legendären Dreizack einen gleichermassen gebührenden wie dezenten<br />

Auftritt zu gewähren, ist das rückwärtige Saphirglas semitransparent. Der direkte<br />

Blick offenbart den Anlass dieser Edition. Wer die Edelstahl-Schale jedoch in einen<br />

bestimmten Winkel dreht, sieht, was im Inneren den Zeittakt liefert.


SWISS MADE<br />

Ferdinand A. Porsche,<br />

gestalterischer Vater<br />

des legendären<br />

Porsche 911, wusste<br />

die Dinge auf den Punkt<br />

zu bringen. Eine seiner<br />

scharfsinnigen Erkenntnisse:<br />

«Schwarz ist die einzige<br />

Farbe, welche nicht von der Form ablenkt.» Der<br />

geniale Designer gab freilich auch zum Besten, dass<br />

«Schwarz keine Farbe ist, sondern ein Zustand».<br />

Trotzdem kreierte er 1972 den ersten Porsche Design-<br />

Chronographen mit schwarz beschichtetem Stahlgehäuse,<br />

lanciert ein Jahr später mit dem nagelneuen<br />

Automatikkaliber Valjoux/Eta 7750. Den überaus<br />

kreativen Nachlass des 2012 verstorbenen Professors,<br />

welcher 1980 zusammen mit IWC die weltweit erste<br />

Titan-Armbanduhr aus der Taufe gehoben hatte, spiegelt<br />

der seit Juli <strong>2015</strong> erhältliche «Chronotimer Series 1» mit<br />

mattschwarz beschichtetem Titangehäuse wider. Aus<br />

dem gleichen Material besteht auch das Gliederband.<br />

Wie schon 1973 besitzt dieser Newcomer («Designed in<br />

Austria. Swiss made») einen roten Chronographenzeiger.<br />

Reminiszenz an die Vergangen heit ist schliesslich<br />

auch die Verwendung des gleichermassen robusten wie<br />

zuverlässigen und präzisen 7750 mit 30-Minuten- und<br />

12-Stunden-Zähler und Fensterdatum.<br />

Wenn es am Steuer heiss hergeht, muss die Bedienung<br />

einer multifunktionalen Armbanduhr sehr intuitiv<br />

geschehen können. Genau das ist bei Tissot der Fall.<br />

Das Schweizer Traditionsunternehmen und Mitglied der<br />

Swatch Group hat die Touch-Technologie perfektioniert<br />

(siehe <strong>VECTURA</strong> #1). Will heissen: Berühren des<br />

Saphirglases mit antireflektierender Beschichtung<br />

genügt zum Ansteuern der vielen Funktionen. Hiervon<br />

hat die rasante «T-Race Touch Aluminium» jede Menge<br />

zu bieten: ewiges Kalendarium,<br />

Chronograph mit Logbuch, zwei<br />

Countdown-Timer, zweite<br />

Zonenzeit, Wecker und zwei<br />

Alarme, Kompass und<br />

Gezeiten-Indikation.<br />

Damit sich alles auch<br />

bei nächtlichen Touren<br />

gut wahrnehmen lässt,<br />

besitzt das LCD-<br />

Display eine Hintergrundbeleuchtung.<br />

Auf<br />

mechanischem Weg ist<br />

das alles natürlich nicht<br />

möglich. Deshalb birgt das<br />

42,2 Millimeter grosse Aluminiumgehäuse<br />

ein Quarzwerk<br />

der Schwester Eta. Die Wasserdichte<br />

reicht bis zu zehn bar Druck.<br />

Dem Autorennsport ist Heuer seit den frühen 1970er-<br />

Jahren eng verbunden (siehe <strong>VECTURA</strong> #7).<br />

<strong>2015</strong> zelebriert das Unternehmen, welches inzwischen<br />

TAG Heuer heisst, seine 30-jährige Partnerschaft mit<br />

McLaren. Grund genug, eine limitierte Edition des<br />

Erfolgsmodells «Formula 1» aufzulegen – und dessen<br />

leuchtend rote Akzente springen sofort ins Auge. Das<br />

so genannte «Rocket Red» signalisiert Herausforderung,<br />

Passion, Tempo und am Ende natürlich auch Sieg.<br />

Es erinnert aber auch an den McLaren-Boliden MP-4<br />

von 1985. TAG Heuer verwendet diese unübersehbare<br />

Farbe auf dem Aluminium-Glasrand mit Tachymeterskala<br />

sowie graviertem McLaren-Schriftzug. Auch das extrem<br />

robuste und leicht zu reinigende Durchzugsarmband im<br />

NATO-Stil kennzeichnet ein roter Streifen. Im Inneren<br />

des 42-Millimeter-Gehäuses aus<br />

gebürstetem Edelstahl der<br />

Legierung 316L findet sich ein von<br />

Ronda zugeliefertes elektronisches<br />

Quarz werk mit Zehntel sekunden-<br />

Chronographen. Bis zu 20 bar Druck<br />

reicht der Schutz gegen das nasse<br />

Element. Natürlich weist eine<br />

Bodengravur auf dieses<br />

bemerkenswerte Ereignis hin.<br />

056 <strong>VECTURA</strong> #16


NEUE FREUNDIN FÜR ROMEO<br />

MIT DER AUFREIZEND SCHÖN GESTYLTEN VIERTÜRER-MITTELKLASSE NIMMT<br />

ALFA AUF TRADITIONELLEM TERRAIN EINEN LETZTEN ANLAUF. DAS WARM-UP<br />

STIMMT UNS ZUVERSICHTLICH, DIE PS-PROTZEREI WENIGER<br />

Text Thomas Imhof, map · Fotos Werk<br />

058 <strong>VECTURA</strong> #16


HOFFNUNGSTRÄGER<br />

Nicht ohne Sinn für Geschichte hat Alfa Romeo im neuen<br />

Markenmuseum Arese bei Mailand die nächste Mittelklasse-Limousine<br />

namens Giulia vorgestellt. Die ist<br />

nach sieben langen Jahren schliesslich das erste neue Grossserienmodell<br />

der Fiat-Chrysler-Tochter und muss eine tragende<br />

Rolle spielen bei der Rettung der italienischen Traditionsmarke.<br />

Es konnte ja auch nicht mehr so weitergehen mit der 1910 gegründeten<br />

Anonima Lombarda Fabbrica Automobili. Das Angebot<br />

an Grossvolumenmodellen auf den kompakten Mito und<br />

die schnittige Giulietta zusammengeschrumpft, beide mit Frontantrieb<br />

und relativ schwer, dazu die Absatzzahlen auf weltweit<br />

unter 70 000 Fahrzeuge abgesackt und auf fast allen Statistiken<br />

nur noch unter «ferner liefen» geführt: Alfa Romeo droht aktuell<br />

in Schönheit zu sterben, auch wenn der Schweizer Marktanteil<br />

von 0,7% – es ist einer der weltweit besten für Alfa – etwas anderes<br />

suggeriert. Um ein ähnliches Schicksal wie das von Lancia<br />

zu verhindern – die einst so elegante Schwester besteht inzwischen<br />

ebenfalls nur noch aus zwei Modellen, die allerdings<br />

nur noch in Italien angeboten werden –, liess FCA-Chef Sergio<br />

Marchionne (Fiat Chrysler Automobiles) das Markenlogo überarbeiten<br />

und stellte einen bis 2018 reichenden Alfa-Rettungsplan<br />

auf. Dessen Fixpunkte: acht neue Modelle und mit denen<br />

eine Steigerung des Absatzes auf 400 000 Neuwagen,<br />

um die seit mindestens zehn Jahren<br />

stark defizitäre Marke mit dem charakteristischen<br />

Kühleremblem<br />

wieder rentabel und salonfähig<br />

zu machen.<br />

Die passend zum 105. Alfa-Geburtstag enthüllte Giulia kommt<br />

zunächst als mittelgrosse Kompakt-Limousine, die mit Preisen<br />

ab ca. 40 000 Franken gegen Wettbewerber wie den 3er-BMW<br />

oder die Mercedes C-Klasse antreten und nach ihrem Publikumsdebüt<br />

auf der Frankfurter IAA ab Frühjahr 2016 auch zu Schweizer<br />

Händlern rollen soll.<br />

Optisch geht man keine Experimente ein: Die neue Giulia muss<br />

sitzen und verkörpert folglich «molto emozione», mit knackigen<br />

Proportionen, kurzen Überhängen und muskulösen Flanken.<br />

Offensichtlich schielte man beim Styling auch auf die Bestseller<br />

des Segments, erkennt der versierte Beobachter seitlich und<br />

hinten Elemente verschiedener 3er-BMW. Doch so sexy wie die<br />

rund 4,7 Meter lange Giulia sieht derzeit kein Auto im C-Segment<br />

aus. Als technisches Rückgrat dient der viertürigen Stufenheck-<br />

Limousine eine neue, modular konzipierte Plattform, die «Giorgio»<br />

genannt wird und nach 24 Jahren endlich wieder Heckantrieb<br />

erlaubt; manche Modellversionen wird es zusätzlich mit Allrad<br />

geben. Weitere Karosserievarianten, unter ihnen wieder ein eleganter<br />

Kombi (ab Herbst 2016), sind bereits gesetzt.<br />

Bei der Auswahl der Motoren verfährt der deutschstämmige und<br />

in Italien voll integrierte Alfa-Romeo-Chef Harald Wester nach<br />

dem Motto «klotzen statt kleckern». Als Topaggregat kommt in<br />

der teuersten Giulia-Version «Quadrifoglio Verde» ein Alu-V6-<br />

Biturbo mit drei Liter Hubraum und sagenhaften 510 PS zum<br />

Einsatz – es handelt sich dabei um eine Ableitung des von Ferrari<br />

für Maserati konzipierten V8-Motors. Die derart gedopte Giulia<br />

(0–100 km/h in 3,9 Sekunden, Vmax: 302 km/h) verfügt unter<br />

anderem über Torque Vectoring, den zusätzlichen Racing-Modus<br />

im DNA-Vorwahlprogramm (Dynamic, Natural, Advanced<br />

efficient) sowie eine aktive Aerodynamik;<br />

am beschei deneren<br />

Ende des Angebots<br />

rangieren aufgeladene<br />

HERBST <strong>2015</strong><br />

059


HOFFNUNGSTRÄGER<br />

Orisquo tem reres dolum,<br />

quassimusam, et latur moluptur sum<br />

et quatusandit autemquam<br />

060 <strong>VECTURA</strong> #16


HERBST <strong>2015</strong> 061


HOFFNUNGSTRÄGER<br />

Vierzylinder-Benziner, die aus zwei Liter Hubraum immerhin auch<br />

180, 250 und 330 PS schöpfen werden. Auch beim Top-Diesel<br />

setzt Alfa auf Power: Ein 3,0-L-V6 von VM Motori, der auch bei Jeep<br />

und Maserati zum Einsatz kommt, markiert hier die Spitze. Für<br />

den Giulia-Einsatz konstruierte VM Motori einen neuen Vierventil-<br />

Zylinderkopf, was in Kombination mit einem zweiten Turbo die Leistung<br />

von 265 auf 340 PS pusht. Der jüngst bei Jeep eingeführte<br />

2,2-L-Diesel wird in der Giulia maximal 210 PS leisten; unter ihm<br />

rangieren zwei weitere Selbstzünder mit 135 und 180 PS. Grundsätzlich<br />

wird es keine manuelle Schaltung mehr geben: Die Kraftübertragung<br />

erfolgt motorabhängig via automatisierte Sechsgangoder<br />

Achtstufen-Automaten; Letzterer wurde von ZF entwickelt.<br />

Obwohl vom offenbar Vollgas-fixierten Hersteller jeweils zuletzt<br />

aufgeführt, halten wir die Einstiegsmotorisierungen für die interessantesten.<br />

Denn nur wenn es Alfa Romeo gelingt, mit ihnen zu<br />

überzeugen, ist der Operation Giulia nachhaltiger Erfolg beschieden.<br />

Die fahr dynamischen Erwartungen sind angesichts der formellen<br />

Schönheit des Autos und einer kommunizierten idealen<br />

Gewichtsverteilung von 50:50 besonders hoch; noch viele Alfisti<br />

erinnern sich mit Wehmut an die grossartigen 1300er oder 1600er,<br />

denen ab 1964 bzw. 62 gerade mal 85 respektive 92 PS genügten,<br />

um den Puls zu beschleunigen (siehe dazu auch S. 064 ff.).<br />

Hier schlägt Alfas Herz und das seiner Fangemeinde, Herr Wester!<br />

Was sollen ausgezehrte Schweizer Markenjünger bitte mit einem<br />

500-PS-Plus-Gerät anfangen? Was uns viel mehr interessiert,<br />

sind Leistungsgewicht und Verbräuche – zumal das fahrerorientierte<br />

Cockpit ebenso zum Einsteigen einlädt wie die auf den ersten<br />

Blick saubere Verarbeitung und anständigen Platzverhältnisse.<br />

Immerhin – der Hersteller spricht von Aluminium, und bei Dach,<br />

Motorhaube und Kardanwelle soll gar Karbon zum Einsatz kommen;<br />

Letzteres dürfte allerdings nur für den QV gelten.<br />

Die Giulia ist der erste Neu-Alfa seit dem 2008 eingeführten Mito,<br />

und mit ihr feiert nach 37 Jahren auch der traditionsbehaftete<br />

Modellname ein Comeback. Die klassische Giulia, die es auch als<br />

betörendes Bertone-Coupé gegeben hat, prägte das Alfa-Image<br />

wie kaum ein anderes Modell. Diesen Vergleich muss sich die neue<br />

Giulia, deren Anlauf in den letzten vier Jahren mehrfach verschoben<br />

wurde, bei allen Leistungsgelüsten erst noch verdienen. Ihre<br />

Hauptaufgabe besteht vielmehr darin, die 2011 durch die Einstellung<br />

der Baureihe 159 entstandene Lücke aufzufüllen und das<br />

neue Volumenmodell zu werden, welches die viel zu lange stiefmütterlich<br />

behandelte Marke händeringend braucht.<br />

Der zweite Bestseller in spe ist auf Anfang 2017 terminiert – ein<br />

sportiver SUV mit der internen Codenummer 949, der gegen etablierte<br />

Platzhirsche wie den Audi Q5 oder Volvo XC60 aufgeboten<br />

wird. Die Genf-Studie Kamal gab bereits 20<strong>03</strong> einen ersten<br />

Vorgeschmack. Wer jetzt stöhnt, sei an den Alfa-Allradler 1900M<br />

erinnert, der zwischen 1952 und 54 knapp 2200 Mal produziert<br />

wurde – oder an den 156 Crosswagon Q4 (2004–07). Ende 2017<br />

folgt mit Projekt 961 schliesslich die Kür – eine grosse Limousine,<br />

die den dann bereits zehn Jahre zuvor sanft entschlafenen 166 beerben<br />

darf. Ob dessen Nachfolger gegen Audi A6, 5er-BMW oder<br />

Mercedes E mehr auszurichten vermag, ist derzeit noch zweifelhaft.<br />

Die zeitnahe Giulia-Darbietung wird auch hier erste Hinweise<br />

darauf geben können, ob die aufwendige Alfa-Reinkarnation mit<br />

Substanz gesegnet ist oder nicht.<br />

Mit diesem Fahrplan, der in Gestalt des Imageträgers 4C seinen<br />

Anfang nahm (siehe <strong>VECTURA</strong> #9) und auch den lukrativen US-<br />

Markt beinhaltet, will Marchionne aus dem angewelkten Mauerblümchen<br />

«Cuore Sportivo» wieder eine Premiummarke machen.<br />

In der weiteren Modellstrategie ist von einem grösseren SUV, dem<br />

Giulietta-Nachfolger und auch von «etwas Offenem» die Rede –<br />

womit nur ein neuer Spider gemeint sein kann, der zuvor allerdings<br />

mit Abarth-Logo lanciert werden dürfte.<br />

Alle diese neuen Alfa Romeo bauen auf der Giorgio-Bodengruppe<br />

auf und verfügen analog zur Giulia entweder über Heck- oder einen<br />

Allradantrieb. Dieser Grundsatzentscheidung fällt der kompakte<br />

Mito zum Opfer, der ohne Nachfolger bleiben soll, womit<br />

man künftig versäumt, junge Kunden und Erstkäufer an die Marke<br />

heranzuführen – wie es zum Beispiel Audi ganz bewusst mit dem<br />

A1 oder BMW mit Mini und Einser machen.<br />

062 <strong>VECTURA</strong> #16


Das Ziel ist offenbar, Alfa Romeo höher zu positionieren als bisher<br />

– ganz so, wie es bereits in den 1930er-Jahren war, als die<br />

Marke nur elitäre und teure Fahrzeuge herstellte. Die homöopathischen<br />

Dosen von damals dienen freilich nicht als Vorbild,<br />

allerdings ist der in den kommenden Jahren geplante weltweite<br />

Absatz von 400 000 Einheiten nach Meinung von Analysten ein<br />

mehr als optimistisches Ziel. Allein 150 000 neue Alfa pro Jahr sind<br />

laut Marchionne für die Vereinigten Staaten vorgesehen. Da die<br />

Giorgio-Matrix auch für die FCA-Marken Dodge, Chrysler und Jeep<br />

passt, locken ein hoher Anteil gemeinsam nutzbarer Komponenten<br />

und mit ihnen Synergieeffekte. Es wird dann spannend sein zu<br />

sehen, ob genügend Amerikaner eine Marke auf ihre Einkaufsliste<br />

nehmen, die sie über 20 Jahre lang nicht mehr erwerben konnten.<br />

FÜNF SCHÖNE ALFA-LIMOS<br />

1900 (1950–54)<br />

Ungeachtet dessen will der erklärte «Car Guy» Harald Wester mit<br />

Alfa künftig in Segmente vorstossen, «in denen die Marke zuvor<br />

nie war». Schon 2014 hatte der in Linz am Rhein geborene Manager<br />

beim jährlichen Investorentreffen der Fiat-Chrysler-Gruppe<br />

schonungslos die Alfa-Sünden der Vergangenheit aufgelistet: Bis<br />

auf das weiterhin überzeugende Design habe man in allen anderen<br />

Bereichen die Marken-DNA sträflich vernachlässigt. Als die<br />

fünf entscheidenden Kriterien nannte er moderne und innovative<br />

Motoren, eine ausgeglichene Fahrzeugbalance, einzigartige technische<br />

Lösungen, das klassenbeste Leistungsgewicht nach Vorbild<br />

des weitgehend in Handarbeit gebauten 4C und – eben –<br />

ein spezifisch italienisches, wegweisendes Design.<br />

Giulia (1962–78)<br />

Auch in der Schweiz, wo der Alfa-Absatz wie bereits erwähnt von<br />

bedingungsloser Treue getragen wird und im vergangenen Jahr<br />

immerhin über 2100 Fahrzeuge ihre Abnehmer fanden, muss sich<br />

der Kurswechsel bewähren. 1985 beispielsweise verkauften die<br />

Italiener hier noch über 6000 Einheiten – und genau da will Wester<br />

wieder hin: «Wir müssen einen kompletten Reset vornehmen<br />

und wieder Alfa Romeo bringen, die die Leute bewundern», lautet<br />

seine unmissverständliche Botschaft.<br />

Keine Frage: Ohne Alfa Romeo wäre die Auto-Welt definitiv eine<br />

ärmere. Klar ist aber auch: Einen weiteren Rettungsplan wird es<br />

nicht geben. Wir bleiben aktuell optimistisch, denn der neuerlich<br />

betriebene Aufwand ist beispiellos. Dazu gibt es kaum eine andere<br />

Marke, deren Liebhaber trotz schwerer Prüfungen so loyal<br />

geblieben sind. Und zu guter Letzt wäre da noch das vierblättrige<br />

Kleeblatt als ganz besonderer Glücksbringer.<br />

Alfetta (1972–85)<br />

164 (1987–98)<br />

156 (1997–2007)<br />

HERBST <strong>2015</strong> 063


OH GIULIA …<br />

NEUES AUTO, BEKANNTER NAME: DAS IST KEINE SELTEN HEIT IM HAUSE<br />

ALFA ROMEO, SONDERN EIN WIEDERKEHRENDES THEMA IN DER MAR KEN-<br />

NOMENKLATUR. SCHAUEN WIR DOCH MAL INS JAHR 1967 …<br />

Text Peer Günther · Fotos Werk<br />

6C 1750: mit Nuvolari auf Siegeskurs<br />

Fünf Jahre später wiederholt sich die Szene, als 1972 eine sportliche<br />

Limousine durch den Namen eines siegreichen Grand-<br />

Prix-Rennwagens befeuert wird: Es ist der Auftritt der Alfetta-<br />

Limousine. Deren Namenspatron lässt sich 1937 festmachen:<br />

Kein Geringerer als Gioacchino Colombo, einst Lehrling bei Jano,<br />

ansonsten auch auf Ferrari- und Maserati-Gehaltsliste, konstruierte<br />

damals für Alfa den Grand-Prix-Monoposto Tipo 158. Die<br />

ersten beiden Ziffern standen für den Hubraum von 1500 cm 3 ,<br />

während die 8 auf die Anzahl der in Reihe stehenden Zylinder<br />

verwies. Der Rennwagen wurde «kleiner Alfa», auf Italienisch<br />

Alfetta, genannt. Als Seriensieger ab 1938 und Überlebender<br />

des Zweiten Weltkrieges – sieben Fahrzeuge waren in einer Käsefabrik<br />

im Bergdorf Melzo versteckt worden – sowie als Rückkehrer<br />

nach 1945 und Gewinner der ersten Grand-Prix-Formel-1-Weltmeisterschaften<br />

1951 und 52 (also 14 Jahre nach ihrem Launch)<br />

wurden die Alfetta unsterblich. Doch während die «Kleine» mit<br />

acht Zylindern, Roots-Kompressor und in letzter Entwicklungsstufe<br />

mit bis zu 425 PS einherkam, hat die Namensschwester<br />

1972 gerade noch vier Zylinder, 1800 cm 3 und 122 PS. Das ist<br />

zwar sportlich für eine bei jedem Alfa-Händler käuflich zu erwerbende<br />

viertürige Limousine, doch warum der nominelle Bezug?<br />

Als pauschale Erinnerung an eine grosse Zeit vielleicht? Nein,<br />

die Verbindung zwischen den beiden Autos ist das Transaxle-<br />

Konstruktionsprinzip mit Frontmotor plus einem an der Hinterachse<br />

verblockten Getriebe!<br />

Legende der Rennstrecke: GP-Monoposto Tipo 158 «Alfetta»<br />

In die beliebte Form des Giulia Bertone Coupé steckt Alfa in<br />

jenem Jahr anstelle des ursprünglichen 1600er jetzt einen<br />

auf 1800 Kubik aufgebohrten Vierzylinder. Der wird allerdings<br />

nicht stringent 1800, sondern 1750 genannt – und dreht damit<br />

gedanklich die Markengeschichte um 38 Jahre zurück. Konkrete<br />

Erinnerung: der berühmte 6C 1750, ein Meisterwerk von Vittorio<br />

Jano. Unsterblich wurde das Auto durch zwei Triumphe bei der<br />

Mille Miglia – 1929 holte es den 1. Platz und belegte ein Jahr darauf<br />

sogar die Positionen 1 bis 4. Das Foto vom späteren Sieger<br />

Tazio Nuvolari und seiner nach hinten gedrehten Sportmütze im<br />

1750er-Alfa und dessen drei abgedeckten Scheinwerfern, umweht<br />

vom Staub des Futa-Passes 1930 auf Siegeskurs, bleibt<br />

unauslöschlich im Kopfe jedes Alfista.<br />

Doch zurück in die 1950er-Jahre: 1954 und damit 357 Jahre nach<br />

der Uraufführung von Shakespeares «Romeo and Juliet», wie es<br />

im englischen Original heisst, wurde die ach so passende Verbindung<br />

von Nicola Romeo und Giulietta, wie die tragische Protago<br />

nistin in Italien genannt wird, wieder aufgenommen. Wohl gemerkt<br />

Giulietta, die kleine Giulia, denn bis zur erwachsenen Giulia<br />

sollte noch etwas Zeit vergehen. Was hätte sich wohl der grosse,<br />

nüchtern denkende Industrielle Nicola Romeo, 1938 viel zu früh<br />

verstorben, zu dieser lyrischen Kombination gedacht? Wäre er<br />

im Grab rotiert wie die fünffach gelagerte Giulietta-Kurbelwelle?<br />

Die Giulietta markiert bei Alfa Romeo auch den Schritt vom elitären<br />

Sportwagenproduzenten der Vorkriegszeit zum Grossserienhersteller.<br />

1954 als bildschöne, bei Bertone karossierte<br />

Giulietta Sprint vorgestellt, kamen ein Jahr später eine Limousine<br />

und das passende Cabriolet dazu. Obwohl Bertone auch<br />

eine offene Variante gezeichnet hatte, erhielt der Pininfarina-<br />

Gegenentwurf den Zuschlag. So entstand eine Design-Dualität,<br />

die auch bei dem Nachfolgemodell Giulia beibehalten werden<br />

064 <strong>VECTURA</strong> #16


CHRONIK<br />

sollte. Der mit vielen Motorsport-Genen versehene 1,3-L-Vierzylinder<br />

mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen brachte<br />

Spritzigkeit in die kleine Klasse; Rennerfolge folgten voraussehbar.<br />

Unter dem Giulietta-Siegel entstanden zusätzlich so grossartige<br />

Fahrzeuge wie die aerodynamische Sprint Speziale (Bertone) oder<br />

jener SZ (Zagato), der auf allen Rennstrecken, Rallyes und Bergrennen<br />

erfolgreich war. Die Modellbezeichnung Giulietta blieb<br />

elf lange Jahre das Synonym für den erfolgreichen «Relaunch»<br />

des Hauses in der Nachkriegszeit; 177 690 Einheiten machten<br />

die Baureihe zu einer der bedeutendsten und profitabelsten der<br />

Markengeschichte. Sie war zudem dafür verantwortlich, dass<br />

die altehrwürdige Manufaktur in Portello zu eng wurde und man<br />

1963 nach Arese umzog – und damit Vorhang auf für die Giulia!<br />

Das Debüt datiert auf den 27. Juni 1962, einen sonnigen Tag –<br />

zumindest in und um Monza. Auf der gleichnamigen Renn strecke<br />

im königlichen Park wurden der Fachpresse die Nachfolgemodelle<br />

der erfolgreichen Giulietta kredenzt. Da es neben einer<br />

Hubraumerweiterung auf 1600 Kubikzentimeter ab sofort auch<br />

eine deutlich grössere, erwachsene Limousine gab, war die<br />

Zeit für einen Namenswechsel gekommen. Giulia T.I. hiess diese<br />

Biedermann-Optik, Sportwagen-Charakter: Giulietta t.i.<br />

von 0,34 ist auch heute noch mustergültig. Die Kabine war darüber<br />

hinaus als Sicherheitszelle konzipiert worden. Was die Giulia<br />

Berlina aber wirklich ausmachte, war die gelungene Kombination<br />

von Rennstrecken- und Familientauglichkeit. Kann man von einer<br />

ersten Sportlimousine sprechen, die dann andere Hersteller ab<br />

Ende der 1960er-Jahre in die gleiche Richtung denken und produzieren<br />

liess? Die Antwort ist ein halbherziges Ja, schliesslich<br />

Anders als das Cabriolet wurde das wunderschöne Giulietta Sprint Coupé von Felice Boano bei Bertone entworfen und auch dort gebaut<br />

nagel neue Berlina, aber auch die äusserlich kaum veränderten<br />

Sprint und Spider wurden kraft ihrer 1,6-L-Motoren fortan Giulia<br />

getauft. Gleiches galt für die bildhübsche Sprint Speziale (ab<br />

1963) wie auch jene von Alfas eigenem Rennstall Autodelta auf<br />

Renneinsätze hin abgestimmte Giulia TZ. Diese «Tubulare Zagato»<br />

setzte die Giulia-Zutaten unter einem Kunststoffkleidchen auf<br />

einen filigranen Gitterohrrahmen und entwickelte sich einmal<br />

mehr zum erfolgreichen wie raren Renngerät.<br />

Die neue Giulia-Limousine kam ausserdem stattlicher einher,<br />

noch sportlicher und sicherer. Erstmals hatte neben den Designern<br />

auch der Windkanal mitgeredet. Das sah man dem ebenso<br />

bulligen wie kantigen Viertürer zwar nicht an, aber ein cw-Wert<br />

kam Konkurrenz aus dem eigenen Hause. Die Giulietta t.i., interessanterweise<br />

mit Kleinbuchstaben geschrieben und ab 1957<br />

auf dem Markt, war nicht nur das volumenstärkste Giulietta-<br />

Modell, sondern verkörperte mit 74 PS zu ihrer Zeit Sportgeist<br />

pur; dazu gesellten sich Rallye- und Rundstreckensiege. Obwohl<br />

schmaler und kürzer als die Giulia, muss auch die Giulietta als<br />

familientauglich bezeichnet werden.<br />

Die Giulia-Limo liess also Väterherzen höher schlagen: Werktags<br />

konnte man die Bambini in den Kindergarten fahren und am<br />

Wochenende mit dem gleichen Auto auf einer Rundstrecke. Eine<br />

Giulia T.I. (nun in Grossbuchstaben) hatte neben dem Motor, der ja<br />

konstruktiv von einem Rennwagenaggregat abstammte, bereits<br />

HERBST <strong>2015</strong> 065


CHRONIK<br />

Familien-Komfort: Wenig deutet hier darauf hin, dass es sich bei der Giulia Berlina um eine der schnellsten Limousinen ihrer Zeit handelt<br />

ein Fünfganggetriebe an Bord, das Fahrwerk wies eine verbesserte<br />

Hinterachse auf und vorne wurde dank Bremsscheiben präziser<br />

verzögert. Kurz: Die viertürige Giulia 1600 T.I. Super war mit ihren<br />

113 PS der Familienwolf im Schafspelz, während Porsches schnellster<br />

356 damals gerade mal 90 PS aus 1,6 Liter Hubraum schöpfte.<br />

<br />

Und die Giulia sollte sich weiterentwickeln, auch über das eingangs<br />

erwähnte Jahr 1967 hinaus. Bis zum Produktionsende<br />

1978 sollte gar eine weitverzweigte Modellfamilie entstehen.<br />

Bereits ein Jahr nach Vorstellung der Limousine ersetzte man den<br />

Sprint durch das neue, ebenfalls bei Bertone gezeichnete Coupé;<br />

eine offene 2+2-sitzige Version folgte 1964 unter dem Namen<br />

Giulia GTC. Auch danach ging es Schlag auf Schlag weiter,<br />

lancierte Alfa ab 1965 mit der Giulia Sprint GTA ein Homologationsmodell<br />

der Sonderklasse für den Tourenwagensport: Das<br />

«A» stand für «Alleggerita», denn dank der Aluminiumlegierung<br />

Peraluman für die Karosserie sowie weiterer Erleichterungen<br />

speckte das Coupé ganze 200 Kilogramm ab. Der Motor verfügte<br />

unter anderem über eine Doppelzündung und brachte es<br />

im Renntrimm locker auf 160 PS plus.<br />

Neben verschiedenen Berlina-Motorisierungen, die auch wieder<br />

ein 1300er-Triebwerk beinhalteten, brachten die Norditaliener<br />

1966 den bei Pininfarina attraktiv gestylten 1600 Spider Duetto<br />

auf den Markt; der Auftritt im Hollywood-Film «Die Reifeprüfung»<br />

Spoiler inklusive: erste Serie der Giulietta Tipo 116<br />

war eines der ersten Product Placements der Automobilgeschichte.<br />

Wie weit die Modelle 33 Sport und Stradale als Giulia<br />

zu zählen sind, bleibt strittig: Der Tipo 33 trug intern zwar die Giulia-<br />

Typenziffer 105, aber sein V8-Mittelmotor und das speziell von<br />

Autodelta gebaute Fahrwerk machen ihn zum Grenzfall in dieser<br />

Nomenklatur. Guten Gewissens dazuzählen, weil technisch<br />

identisch, kann man dagegen den ab 1970 produzierten Junior<br />

Zagato 1.3, der ab 1972 mit 1,6 Liter Hubraum angeboten wird.<br />

Während den zweitürigen Giulia-Derivaten höhere Hubräume bis<br />

zu zwei Liter vergönnt sind, bleibt die Limousine ihren ursprünglichen<br />

1600 respektive 1300 Kubik treu. Äusserlich modernisiert<br />

man sie 1974, verschwinden die charakteristischen Sicken auf<br />

Fronthaube und Kofferraumdeckel. Dazu gibt es einen zeittypischen<br />

Kunststoffgrill und die neue Modellbezeichnung Nuova<br />

Super. 1976 kommt kurz vor dem Aus für alle Garagen noch eine<br />

zusätzliche Herausforderung hinzu: Der aus dem Alfa-Kleintransporter<br />

F12 bekannte Perkins-Diesel nagelt nun auch in der Giulia-<br />

Limousine und die Monteure maulen – schon deshalb, weil sie den<br />

Dieselölgeruch nicht mögen. Ganz abgesehen davon, dass lethargische<br />

52 PS überhaupt nicht zum Sportimage der Giulia passen.<br />

Während der Spider als letztes Mitglied der Original-Giulia-<br />

Familie inklusive mehrerer Facelifts noch bis 1993 überlebt, ist<br />

mit dem Bertone Coupé 1975 Schluss; der Zweitürer der Zukunft<br />

ist die kantige Alfetta GTV aus der Feder von Giorgetto<br />

Giugiaro. Nach 16 Jahren Bauzeit wurde dann auch die Giulia-<br />

Limousine im November 1977 abgelöst. Ihr Nachfolger, anfänglich<br />

mit 1300er- und 1600er-Aggregaten verfügbar, heisst<br />

Giulietta – Geschichte wiederholt sich bei Alfa Romeo und wird<br />

es wieder tun. Denn jetzt steht eine neue Giulia vor der Tür. Wie<br />

dargelegt war diese Baureihe stets das Herzstück der Marke<br />

und soll, nein muss auch künftig eine tragende Rolle spielen.<br />

Sie ist es, die das Schicksal von Alfa Romeo bestimmen wird.<br />

«Julia, wenn wir uns liebten, hast Du meist geweint», heisst es<br />

in einem Song der Dire Straits. Hoffen wir also, dass die neue<br />

Giulia viele Verehrer finden und der Hersteller zwischenzeitlich<br />

nicht in Tränen verfallen wird!<br />

066 <strong>VECTURA</strong> #16


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Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map


HERBST <strong>2015</strong> 069


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M5<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm 412 /163/129<br />

Radstand in cm 225<br />

Spur vorne/hinten in cm 132,5/127,5<br />

Reifen und Räder<br />

Tankinhalt in L 46<br />

Kofferraumvolumen in L 300<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 970<br />

155 SR15<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1340<br />

Leistungsgewicht in kg/PS 8,8<br />

0 – 100 km/h in Sek. k.A.<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h 184<br />

Durchschnittsverbrauch in L/100 km 12,5<br />

CO 2 -Emission in g/km<br />

Energieeffizienzkategorie –<br />

k.A.<br />

Preis ab CHF 18 600.– (1974)<br />

Es ist trocken draussen, Sonnenstrahlen blinzeln durch die<br />

Wolken und Tino holt seinen Spider raus. Dazu muss es<br />

nicht Sommer sein, ein Spätherbsttag geht auch, gut sogar.<br />

«Vor ein paar Jahren bin ich auch mal im Winter offen gefahren»,<br />

schmunzelt er. Es ist ja auch ganz leicht: zwei Riegel öffnen<br />

und das Faltdach einfach nach hinten schmeissen, natürlich während<br />

der Fahrt, volevo ben dire, das Leben ist kurz!<br />

Roadster, so nennt man zweisitzige, sportliche Cabriolets seit<br />

jeher. Ganz früher trugen sie seitlich höchstens Steckscheiben<br />

und überhaupt nur ein Notverdeck mit sich herum. In den letzten<br />

zwei Dekaden wurde der Begriff dann überstrapaziert, weil<br />

jedes x-beliebige Grossserien-Cabrio per Marketingbeschluss<br />

zum Roadster umtituliert wurde (Ausnahme: siehe Seite 078 ff.).<br />

Schwamm drüber. Der Alfa Spider ist ein waschechter Roadster –<br />

mit Kurbelscheiben zwar, aber mehr auch nicht. Ohne Servolenkung,<br />

Gurtwarner, Schaltanzeige oder Klimaanlage, mamma mia!<br />

Unser zierlicher 1600er «Coda Tronca» aus den frühen 1970ern<br />

ist nicht überrestauriert, sondern ein unfallfreies Exemplar mit<br />

Originallack und Gebrauchsspuren. Das Radio wich irgendwann<br />

einer modernen Empfangseinheit, die Sitzbezüge zeigen erste<br />

Risse und auch die Teppiche hatten schon einiges auszuhalten.<br />

Aber dafür sind sie schliesslich auch da. Man merkt schnell: Dieser<br />

Alfa wird nicht wöchentlich poliert, sondern benutzt – völlig<br />

selbstverständlich und mit einer gesunden Portion Gottvertrauen<br />

in die Zuverlässigkeit dieser noch rein mechanisch aufgebauten<br />

070 <strong>VECTURA</strong> #16


ABGEFAHREN<br />

Maschine. Schon mal liegengeblieben, Tino? «Nicht doch! Neulich<br />

verlor sie zwar Öl, aber ich bin gut nach Hause gekommen.<br />

Und habe das natürlich gleich in Ordnung gebracht.»<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

ALFA ROMEO GIULIETTA QV 1750<br />

Er hat «sie» gesagt. Der Spider ist eine gute Freundin, die ihm ans<br />

Herz gewachsen ist. Mit Treue, der richtigen Tonalität, einer erfrischenden<br />

Art und – zugegeben – ihren äusserlichen Reizen.<br />

Alfa Romeo könnte wieder solche Freundinnen bauen, es ist<br />

gar nicht schwer. Die Ingenieure und Designer in Arese sollten<br />

ab und zu einfach an guten wilden Sie-wissen-schon denken,<br />

statt ständig die Finanz-Controller im Hinterkopf zu haben wie in<br />

den letzten unrühmlichen Jahren. Es ist gut, wenn eine Frau im<br />

Haus ist, die etwas von Buchführung versteht. Aber lässt man sie<br />

vor der ersten gemeinsamen Nacht testweise die Steuererklärung<br />

ausfüllen? Eben.<br />

Wir sitzen jetzt in der Giulietta QV, die auf Knopfdruck den Charakter<br />

ändern kann. Die sich mit kernigem Auspuffklang redlich<br />

um Emotionen bemüht. Und tut, was sie in der Neuzeit eben so<br />

tun muss – zügig sein, auf Wunsch auch richtig schnell, dabei<br />

sparsam, Bluetooth-verbunden, sprachgesteuert. Dank ihrer Power<br />

sind respektable 1320 Kilo Leergewicht beim Fahren wie<br />

weggeblasen, sie ist schön ausbalanciert, und auch ein VW<br />

Golf GTI Performance tut sich schwer, wenn der Kleeblatt-bespasste<br />

Alfista zurückschaltet und es fliegen lässt. Da blitzen<br />

dann alte Alfa-Lässigkeiten durch, das Dolce Vita auf lichtdurchfluteten<br />

Uferstrassen der Adria. Die junge Loren würde sich wohlfühlen<br />

im QV, wir glauben daran. Doch uns gelüstet nach mehr –<br />

nach Faltdach und Übersteuern, zum Beispiel. Die Liebe zu Alfa<br />

Romeo ist also noch vorhanden und kann wieder wachsen. Nur<br />

enttäuscht werden will sie nicht mehr.<br />

Konzept Leistungsstärkste Variante des italienische Kompaktwagens.<br />

Selbsttr. Karosserie mit Hilfsrahmen v., 5 Türen/Plätze. Zahnstangenlenkung<br />

m. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker,<br />

hinten Verbundlenkerachse, Frontantrieb<br />

Motor Code 940 A1000. Wassergek. Vierzyl.-Benziner mit Direkteinspr.,<br />

4 Vent./Zyl., 2 o. lieg. Nockenw., Turbo, Intercooler. Stopp-Start-System<br />

Hubraum in cm 3 1742<br />

Bohrung x Hub in mm 83 x 80,5<br />

Verdichtung 9,3:1<br />

Leistung in PS (kW) @ U/min 240 (177) @ 5750<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min 340 @ 2000<br />

Kraftübertragung<br />

DKG6<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm 435/180/146,5<br />

Radstand in cm 263,5<br />

Spur vorne/hinten in cm 155,5<br />

Reifen und Räder<br />

Tankinhalt in L 60<br />

225/45 R17 auf 8J<br />

Kofferraumvolumen in L 350–1045<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1320<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1825<br />

Leistungsgewicht in kg/PS 5,5<br />

0 – 100 km/h in Sek. 6,6<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h 244<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,8<br />

CO 2 -Emission in g/km 157<br />

Energieeffizienzkategorie<br />

Preis ab CHF 43 600.–<br />

F<br />

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

HERBST <strong>2015</strong> 071


072 <strong>VECTURA</strong> #16<br />

ABGEFAHREN


ABGEFAHREN<br />

Der Spider ändert den Charakter<br />

mit manuellem Öffnen des Stoffverdecks,<br />

die Giulietta QV per DNA-Schalter<br />

074 <strong>VECTURA</strong> #16


FÜR SIE ÜBERWINDEN<br />

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Über jeden Zweifel erhaben: Für den Autor<br />

liegen Teile der Roadster-Zukunft<br />

in der Vergangenheit<br />

UNTERHALB DER GÜRTELLINIE<br />

HIMMEL HILF: ES GAB (UND GIBT) CABRIOLETS, DIE SO FURCHTBAR WAREN (ODER<br />

ES NOCH SIND), DASS WIR HIER EINIGEN VON IHNEN EIN (LETZTES) STÄNDCHEN<br />

BRINGEN WOLLEN<br />

Text und Illustration Mark Stehrenberger<br />

Als junger Twentysomething war ich total begeistert vom<br />

damals brandneuen wie roten Alfa Romeo 1600 Duetto<br />

Cabrio aus dem immer wieder gerne zitierten Blockbuster<br />

«The Graduate». So wie Mrs. Robinson damals Ben mit<br />

ihren Kurven verführte, erlag ich den sexy Formen der rassigen Italienerin.<br />

Es gab etwas Äusserliches an diesem Auto, das gut für<br />

mein Inneres war! Leider ist der Alfa damals zu teuer gewesen<br />

und so ging ich mit einem Mustang Cabrio auf Tour – auch nicht<br />

schlecht. In Kalifornien ist immer Sommer, Cabrio und Sonne gehören<br />

zusammen. Entsprechend viele solcher Autos gibt es hier,<br />

doch längst nicht alle sind erstrebenswert. Zwischen «Me-too»-<br />

Mainstream und Wegwerf-Mentalität scheinen manche Modelle<br />

geradezu gemacht worden zu sein, um jegliche Fahrfreude zu<br />

verhindern und Passanten abzuturnen. Leider verunstaltet derart<br />

automobiler Abfall nicht nur den Riesenparkplatz vor der nächsten<br />

Mega-Mall, sondern zunehmend auch unser Wohnviertel.<br />

Und darum widme ich diesen natürlich wieder sehr subjektiven<br />

Beitrag meinen ganz persönlichen Schreckschrauben.<br />

Audi TT Roadster (erste Generation 8N, 1999–2006) Jenes<br />

Auto, welches Audi verändern sollte, wurde ab Mitte 1990er-<br />

Jahre im kalifornischen Design-Zentrum der Marke entworfen.<br />

Der entscheidende Mann heisst Freeman Thomas; er zeichnete<br />

auch den VW New Beetle. Das TT-Styling erinnerte mich stark<br />

an die blechernen Schuco-Spielzeugautos der Nachkriegszeit<br />

(mit Aufziehschlüssel), traf aber offenbar einen öffentlichen Nerv:<br />

Das Coupé kam im Herbst 1998 auf der Plattform des VW Golf<br />

IV auf den Markt und war ein Volltreffer. Ein Jahr später folgte<br />

dann der Roadster – doch die eigenständige, fette Dachlinie, die<br />

den Coupé-Charakter so geprägt hatte, ging hier völlig verloren.<br />

Das degradiert den offenen TT für mich bis heute zu einer ausdruckslosen<br />

Badewanne auf Rädern.<br />

Chrysler PT Cruiser Convertible (2004–06) Sicher. Im Vergleich<br />

zu anderen Cabrios sassen die Fondpassagiere sehr bequem<br />

in diesem Auto und genossen viel Beinfreiheit – der PT war<br />

und ist immer ein Viersitzer gewesen. Das Retrostyling mit den<br />

076 <strong>VECTURA</strong> #16


STILBLÜTEN<br />

hohen Seitenwänden war natürlich massiv absurd, mit oder ohne<br />

Verdeck. Aber angeblich soll sich der FGF (Feel-Good-Factor)<br />

im Cabrio ja mit jedem weiteren Passagier erhöhen: Sind die hinteren<br />

Plätze erst einmal belegt, ist der Jubel gross. Stell dir vor:<br />

Alle singen auf dem Weg zum Strand Rihannas «Bitch Better have<br />

My Money» – selbstredend mit offenem Dach. Der Überroll bügel<br />

dient den hinten übermütig stehend Mitfahrenden als Handgriff.<br />

Zum totalen Glück fehlen jetzt nur noch ein paar Hawaii-Hemden.<br />

K.O.T.Z.!<br />

Chrysler TC by Maserati (1989–91) Wenn wir schon mal bei<br />

Chrysler sind: In den späten 1980er-Jahren nutzte Chairman und<br />

Enfant terrible Lee Iacocca seine Freundschaft zum damaligen<br />

Maserati-Präsidenten Alejandro de Tomaso für ein schauderhaftes<br />

Beispiel von Geiz und Arroganz. Denn was da in Mailand<br />

zusammengebaut wurde, war kaum mehr als die Chrysler-K-Baureihe<br />

mit überflüssigem Styling-Gedöns. Die Karre sah aus wie<br />

eine mit Reeboks und schlechtsitzenden Hot Pants übel verkleidete<br />

faltige Grossmutter. Der Maserati-Dreizack auf dem Kühlergrill<br />

war jedoch der Gipfel der Unverschämtheit, etwas Schlimmeres<br />

hat es bis heute nicht mehr gegeben – oder ich habe es<br />

angesichts dieser Verhohnepipelung schlicht verdrängt.<br />

Ferrari California (seit 2009) Okay, das gibt böse Briefe aus<br />

Maranello, aber ich schreibe es trotzdem: Ausgerechnet das Einstiegsmodell<br />

des Hauses ist total überzogen gestylt, dabei Polastig<br />

und einfach plump. Der California ist für mich ein böses Ungetüm<br />

von einem ansonsten Blue-Chip-gehandelten Hersteller<br />

echter Vollblutsportwagen. Ferrari sollten exzentrisch sein,<br />

einverstanden, aber doch nicht so! Es scheint, als wäre jede<br />

schlechte Idee in diesen noch dazu völlig überteuerten Sportwagen<br />

gestopft worden. Wer die Glocken so hoch hängt, muss das<br />

Echo ertragen können. In einem Satz: Der California gehört zu<br />

den schlimmsten Dingen, die nach dem Duce aus Italien kamen.<br />

Fiat Ritmo Cabrio (1982–87) Wer erinnert sich freiwillig? Richtig,<br />

das war jenes Auto, welches nach dem 128 und vor dem Tipo<br />

produziert wurde. Dass die Modellbezeichnung gleichzeitig auch<br />

der Name einer US-amerikanischen Damenbinde gewesen ist –<br />

nun ja. Nachhaltiger haben dann Zuverlässigkeits- und Korrosionsprobleme<br />

den Ritmo-Ruf ruiniert. Ein Hingucker war er leider<br />

auch nicht: Das, äh, eigenständige Design von Bertone war umstritten<br />

und ging voll in die Hose. Einzig cool sind die Twin-Carbbestückten<br />

Abarth-Versionen gewesen, die das Zeug hatten, den<br />

legendären Benzineinspritzer VW Golf GTI II abzuhängen. Aber<br />

dazu brauchte es kein Cabrio; auch 30 Jahre später tendiert dessen<br />

Sammlerwert gegen null. Das gilt übrigens auch für den ab<br />

1994 produzierten «Nachfolger», das Punto Cabrio.<br />

Ford Focus CC (2007–10) Stimmt, diese ganzen Retractables<br />

mit ihren versenkbaren Hardtops waren mal total in und ich muss<br />

husten: Denn auch Nissan Micra CC, Peugeot 307 und 308 CC,<br />

Renault Mégane CC, ja selbst Volvo C70 und Lexus SC mit ihren<br />

riesigen Hinterteilen sind in meinen Augen optische Katastrophen.<br />

Es gibt wenige Ausnahmen wie den Pug 207 CC, der<br />

auf seine Weise schon wieder gut aussah, oder meinetwegen<br />

den letzten und aktuellen 3er-BMW, wobei ich höre, dass man<br />

in München künftig wieder auf Softtop umsteigen will. Die CC-<br />

Nachteile sind klar: viel schwerer als Stoff (oder ein abnehmbares<br />

Hardtop), dazu wartungsintensiver. Und, im Falle eines<br />

Heckaufpralls, ganz schnell auch ein finanzieller Totalschaden.<br />

Vermeintliche Vorteile: weniger Windgeräusche, mehr Schutz vor<br />

Wetter und Vandalismus, Beibehaltung der aerodynamischen<br />

Dachlinie. Meine Meinung: Wer Angst vor einem waschechten<br />

Cabrio hat, möge doch bitte die U-Bahn nehmen!<br />

Jaguar XJ-S (1983–96) Manche Luxus-Cabrios hatten (und<br />

haben!) von allem zu viel. Je grösser sie sind, desto mehr PS<br />

scheint es zu brauchen, um die Besatzung feudal zum nächsten<br />

Drive-in zu kutschieren. Einige Modelle dieser Machart drücken<br />

mir in puncto Design, Masse und Komplexität stark auf die<br />

Tränendrüsen. Bestes Beispiel: der Jaguar XJ-S. Zugegeben, als<br />

E-Type-Nachfolger hatte er es immer schwer. Aber einen XJ-SC<br />

mit Targa-Dach und faltbarer Heckscheibe inklusive problematischer<br />

Verdeckkonstruktion abzuliefern, ist nicht entschuldbar.<br />

Das sahen auch Markenfans so; 1988 kam eine bügelfreie, zwölfzylindrige<br />

Version auf den Markt, das XJ-S Convertible. Geholfen<br />

hat es nichts, denn auch diese Karre soff ab wie einst die «Titanic».<br />

Erst 1996 war die Welt wieder in Ordnung.<br />

Nissan Murano CrossCabriolet (2011–15) Du meine Güte!<br />

Als Antwort auf eine Frage, die eigentlich niemand gestellt hatte,<br />

köpfte Nissan einen Murano und schuf so (hmm, ich überlege<br />

gerade, ob man in diesem Zusammenhang wirklich die Vokabel<br />

«schöpfen» benutzen sollte …) – das erste Crossover-Convertible.<br />

Heraus kam ein grosses, klobiges Etwas mit völlig uncoolen<br />

Proportionen und einem Look, von dem sich manche Passanten<br />

bis heute verlegen abwenden. In der Konsequenz wurde der<br />

Allrad-Alien schnell wieder eingeschläfert; US-Händler drücken<br />

gerade ihre Restposten in den Markt, ich zücke rasch mein Kruzifix<br />

und rufe: Weiche von mir, Satan! Für einen positiveren Spin<br />

zum Thema Nissan sei gesagt: Wir alle haben mal einen schlechten<br />

Tag. Cube oder Juke zeigen, dass die Japaner es viel besser<br />

können. Schlechter als CrossCabriolet geht ja auch nicht. Bleibt<br />

die ketzerische Frage: Wird der aufgeschnittene Range Rover<br />

Evoque 2016 tatsächlich sehr viel besser aussehen?<br />

Opel GT Roadster (2007–09) Yuk! Der Opel-Speedster-Nachfolger<br />

basierte auf GMs Kappa-Plattform (Motor vorne, Antrieb<br />

hinten, immerhin). Zu allem Überfluss wurde er auch noch zusammen<br />

mit den ebenso belanglosen wie nahezu baugleichen Baureihen<br />

Saturn Sky und Pontiac Solstice in Wilmington, Delaware,<br />

gebaut. Einen nennenswerten Kofferraum gab es nicht; das Fahrzeug<br />

war allein auf irgendeinen Fahrspass und in keinster Weise<br />

auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Das Resultat? Eine stilistisch<br />

überzogene, unpraktische Nullnummer, ein teurer Ladenhüter<br />

mit kurzem Verfallsdatum. Gebrauchte Exemplare kriegt man<br />

in Kalifornien heute nachgeschmissen – ein Umstand, der das<br />

Problem der optischen Umweltverschmutzung leider nicht löst.<br />

Rover Metro/100 Convertible (1990–98) Dank seiner kompakten<br />

Form war der kleine Brite ideal für den Stadtverkehr. Und<br />

er war auch das Auto der Wahl für Fahrschüler, die etwas Einfaches<br />

zum Lernen und Kaputtmachen brauchten. Doch warum<br />

je jemand dachte, dass eine Cabrio-Version zum Hit werden<br />

könnte, ist mir ein absolutes Rätsel. Das Ergebnis sieht aus, als<br />

sei es nächtens von Freddy Krueger brutal mit einer Kettensäge<br />

angegriffen worden: massiv schrecklich, besonders mit diesem<br />

riesigen Persenning-Wulst über dem versenkten Verdeck. Bottomline:<br />

Dieses letztlich wegen eklatanter Sicherheitsmängel vom<br />

Markt genommene Teil drückte nur eines aus – dass sein Fahrer<br />

von Autos absolut keine Ahnung hatte.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 077


FAHRTERMIN


NEUGEBURT EINER IKONE<br />

AB SEPTEMBER VERFÜGEN ENDLICH AUCH SCHWEIZER MAZDA-<br />

HÄNDLER ÜBER DEN MX-5 DER VIERTEN GENERATION. DOCH GENAU<br />

SO MÖCHTE UNSERE AUTORIN DAS AUTO NICHT VERSTANDEN WISSEN …<br />

Text Yumi Kawabata (Übersetzung: Alexander Ostern)<br />

Fotos Akio Koga, Junya Yamauchi<br />

HERBST <strong>2015</strong> 079


FAHRTERMIN<br />

Japan ist sehr stolz auf den neuen MX-5:<br />

Das Auto ist über Monate ausverkauft; allein<br />

auf einen Garagen-Termin wartet man wochenlang<br />

080 <strong>VECTURA</strong> #16


HERBST <strong>2015</strong> 081


FAHRTERMIN<br />

MAZDA MX-5<br />

082 <strong>VECTURA</strong> #16


das war für die japanische Automobilbranche<br />

1989, ein herausragendes Jahr. Branchenkennern<br />

kommen da sofort einige bedeutsame Modelle in den Sinn –<br />

der Skyline GT-R von Nissan etwa, ein Subaru Legacy oder der<br />

Toyota Celsior (und spätere Lexus LS). Eine weitere wichtige<br />

Neuerscheinung war zweifellos die erste Generation des<br />

Mazda Eunos Roadster, der in den USA Miata und in Europa<br />

MX-5 genannt werden und hier wie dort vor allem junge Leute<br />

ansprechen sollte. In der Preisklasse um zwei Millionen Yen<br />

(Anm. d. Red.: In der Schweiz wurden damals 29 000 Franken<br />

aufgerufen) hatte es bis dato nichts Vergleichbares aus<br />

Japan gegeben. Ein zweisitziger, offener Wagen galt auf den<br />

ersten Blick als verschwenderisch, doch es sollte dem MX-5<br />

gelingen, das Cabrio-Segment neu zu beleben. Mehr noch:<br />

Wirtschaftlich und kulturell wurde er zum Vorreiter der neuen<br />

Cabrio-Bewegung.<br />

Das ist auch die eigentliche Sensation gewesen – dass die<br />

fernöstlichen Flammen der Roadster-Euphorie tatsächlich bis<br />

nach Nordamerika und Europa loderten, dem ausgestorben<br />

geglaubten Roadster ein Revival bescherten und andere Hersteller<br />

ermunterten, etwas Ähnliches auf die Räder zu stellen. In<br />

der Konsequenz erschienen ein BMW Z3 (1995), der Mercedes<br />

Benz SLK (1996) oder Audis TT Roadster (ab 1999), und es ist<br />

angebracht zu sagen, dass es sie alle ohne den Mazda MX-5<br />

nicht gegeben hätte.<br />

Dessen weitere Geschichte verlief dann in geordneten Bahnen:<br />

Als Besitzerin der ersten Generation kann ich aus eigener Erfahrung<br />

sagen, dass die technischen Fortschritte in der zweiten<br />

und dritten Serie nicht allzu gross gewesen sind. Stattdessen<br />

gab es immer ein Gefühl von Vertrautheit, als würde man eine<br />

alte Beziehung wiedersehen und viele Gemeinsamkeiten neu<br />

HERBST <strong>2015</strong> 083


084 <strong>VECTURA</strong> #16


FAHRTERMIN<br />

HERBST <strong>2015</strong> 085


TECHNISCHE DATEN MAZDA MX-5<br />

Konzept Leichtbau-Roadster mit selbsttragender Stahlkarosserie und manuellem Stoffverdeck, 2 Türen/Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit elektr. Servo,<br />

Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Doppelquerlenker, hinten Mehrlenkerachse. Sechsgang-Schaltgetriebe und Heckantrieb<br />

Motor Vorne längs eingebauter, wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner in zwei Hubraum- und Leistungsstufen. 4 Ventile/Zyinder, 2 oben liegende<br />

Nockenwellen (Kette), Aluminium-Zylinderkopf, Direkteinspritzung<br />

Skyactiv-G 131 Skyactiv-G 160<br />

Hubraum in cm 3 1496 1998<br />

Bohrung x Hub in mm 74,5 x 85,8 83,5 x 91,2<br />

Verdichtung 13,0:1<br />

Leistung in PS (kW) @ U/min 131 (96) @ 7000 160 (118) @ 6000<br />

Max. Drehmoment in Nm @ U/min 150 @ 4800 200 @ 4600<br />

Kraftübertragung<br />

M6<br />

Abmessungen (L/B/H) in cm 391,5/173,5/122,5 (123)<br />

Radstand in cm 231<br />

Spur vorne/hinten in cm 149,5/150,5<br />

Reifen und Räder 195/50 R16 auf 6,5J 205/45 R17 auf 7J<br />

Tankinhalt in L 45<br />

Kofferraumvolumen in L 130<br />

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 975 1000<br />

Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1215 1260<br />

Leistungsgewicht in kg/PS 7,4 6,3<br />

0 – 100 km/h in Sek. 8,3 7,3<br />

Höchstgeschwindigkeit in km/h 204 214<br />

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,0 6,9<br />

CO 2 -Emission in g/km 139 161<br />

Energieeffizienzkategorie E G<br />

Preis ab CHF 23900.– 30 500.–<br />

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />

086 <strong>VECTURA</strong> #16


FAHRTERMIN<br />

entdecken. Die zweiten und dritten MX-5 hatten ihren Charme,<br />

gar keine Frage. Doch für mich stand schon nach den ersten<br />

Testfahrten fest, dass ich mein Ur-Modell noch nicht eintauschen<br />

wollte. Dem Erfolg tat das natürlich keinen Abbruch: In<br />

den letzten 25 Jahren sind insgesamt knapp eine Million Einheiten<br />

verkauft worden; der MX-5 ist längst der weltweit erfolgreichste<br />

Roadster und es gibt nach wie vor viele Leute, die<br />

heute noch eine erste Generation besitzen und auch fahren.<br />

So weit zum Hintergrund, den man kennen sollte, um den neuen,<br />

nunmehr vierten MX-5 vollends verstehen zu können. Er löst ein<br />

zehn Jahre lang gebautes populäres Auto ab, und wie immer<br />

gestattete Mazda einer kleinen Gruppe japanischer Journalisten,<br />

die Neuauflage noch vor dem Verkaufsstart dynamisch<br />

kennenzulernen. Das geschah inmitten von Wäldern auf der abgesperrten<br />

Versuchsstrecke des Cycle Sport Center bei Izu in<br />

der Präfektur Shizuoka. Für eine Schlussfolgerung zum MX-5-<br />

Alltag reichte das zwar noch nicht aus, doch auf dem fünf Kilometer<br />

langen Kurs mit seinen vielen Kurven sowie Berg-und-Tal-<br />

Abschnitten trat der Charakter des neuen MX-5 deutlich zutage.<br />

Auch er hat viel Charme, so viel lässt sich schon vor dem Einsteigen<br />

sagen. Und es fällt auf, das sich niemand negativ zum<br />

doch etwas schwierigen Design geäussert hat. Rein optisch unterscheidet<br />

sich die Baureihe nämlich deutlich von der ersten<br />

MX-5-Generation. Doch so flach und geduckt, wie sich das Auto<br />

auf den Asphalt kauert, ist stilistisch sofort klar, um wen es sich<br />

handelt. Gleichzeitig findet die neue Mazda-Designsprache ihre<br />

Anwendung; sowohl sehnige Linien als auch spannungsvolle<br />

Oberflächen symbolisieren Leistungsstärke und Geschwindigkeit.<br />

Man hat gar den Eindruck, dass Chefdesigner Ikuo Maeda<br />

mit diesem MX-5 sein Meisterstück abgeliefert hat. Der Zweisitzer<br />

ist ebenso hoch (oder niedrig) wie der allererste MX-5, aber<br />

etwas breiter und kürzer. Geblieben ist die klassische Gestalt<br />

eines Sportwagens mit kurzen Überhängen.<br />

Zur Formgebung äussert sich Maeda wie folgt: «Die bisherigen<br />

MX-5 hatten allesamt ein lustiges Gesicht, während der neue<br />

MX-5 speziell in der Front einen kräftigeren Eindruck hinterlässt.<br />

Um sich dann nicht ganz von den Vorgängern zu entfernen,<br />

haben wir versucht, den oberen Teil des Frontgrills etwas<br />

rundlicher zu gestalten, um mit diesem Detail eine freundliche<br />

Atmosphäre zuzufügen. Ich glaube, dass wir damit den Konflikt<br />

zwischen der Mazda-Designphilosophie und der MX-5-<br />

Philosophie gut unter einen Hut bekommen haben. Weil es sich<br />

zudem um ein offenes Auto handelt, haben wir einen Schwerpunkt<br />

auf die Vereinheitlichung von Ex- und Interieur gelegt. Beispielsweise<br />

kommt bei den Türinnenverkleidungen die Karosseriefarbe<br />

zum Einsatz, was den Sportwageneindruck verstärkt.»<br />

Das Einsteigen gleicht eher einem Abliegen in den sehr niedrigen<br />

Fahrersitz, doch es geht ganz leicht. Die Innenraum-Haptik<br />

des Hauses ist in den letzten Jahren spürbar hochwertiger geworden<br />

und auch das MX-5-Cockpit strahlt dieses Know-how<br />

aus, was nicht nur MX-5-Kennern sofort auffällt. Im Sinne einer<br />

guten Aerodynamik und Aussicht wurde die Motorhaube abgesenkt,<br />

während die Windschutzscheibe in alle Richtungen<br />

wuchs.<br />

Einmal losgefahren, werden die hohen Erwartungen nicht enttäuscht<br />

– sie werden sogar übertroffen! Die Gänge lassen sich<br />

knackig sortieren und das Kupplungsspiel ist sehr moderat,<br />

damit auch Fahrer, die eine Automatik gewohnt sind, ohne<br />

Probleme fahren können. Es gibt im MX-5 nur ein manuelles<br />

Getriebe, auch in diesem Punkt ist man sich treu geblieben.<br />

Das Gaspedal lässt sich ebenfalls gut dosieren und das Auto<br />

beschleunigt angenehm linear. Hier hatte man bei früheren Versionen<br />

gelegentlich den Eindruck, gleich abzufliegen, und mein<br />

Eindruck ist, dass sich der neue MX-5 viel erwachsener, souveräner<br />

verhält. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass die Freude<br />

am Fahren keineswegs nachgelassen hat: Während die Vorderräder<br />

jedem Lenkbefehl spontan und exakt folgen, krallen<br />

sich die angetriebenen Hinterräder in den Strassenbelag und<br />

man fühlt sich in jeder Fahrsituation und Kurve sehr sicher. Vermittelte<br />

die Lenkung der Vorgänger noch ein leicht flatterndes<br />

Gefühl, ist das nun gänzlich verschwunden und man glaubt,<br />

direkt mit den Rädern verbunden zu sein.<br />

Weil Neuwagen in letzter Zeit immer stärker geworden sind,<br />

hatte ich beim Studieren der MX-5-Leistungsdaten ein wenig<br />

Angst, ob die 131 PS und 150 Nm des 1,5-L-Direkteinspritzers<br />

ausreichen würden. Doch meine Sorge war unbegründet: Dank<br />

seinem Leichtbau kommt der neue MX-5 ohne Probleme die<br />

Berge hoch! Wenn man die Gänge voll ausfährt, ändert sich<br />

das Auspuffgeräusch drastisch und man meint, die Drehzahl<br />

beliebig steigern zu können, erreicht aber auch recht schnell<br />

den roten Bereich. Sein geringes Gewicht kommt dem MX-5<br />

natürlich auch beim Bremsen zugute; die Anlage arbeitet<br />

Fading-frei und sorgt so ebenfalls für Wohlbehagen.<br />

Der MX-5 ist ein Klassiker geblieben,<br />

doch Ergonomie, Sicherheit oder<br />

Lenkung sind mit der Zeit gegangen<br />

Das Wichtigste ist, dass man alle diese Erfahrungen auch openair<br />

geniessen kann. Wenn man das Dach öffnen möchte, wirft<br />

man es mit einer Handbewegung einfach nach hinten – genauso<br />

spontan und unkompliziert wie bisher. Selbst zierliche Frauen<br />

können das ganz leicht bewerkstelligen. Und anders als bei vielen<br />

europäischen Cabrios kann man im bewegten Mazda MX-5<br />

noch eine leichte Brise auf den Wangen spüren.<br />

Meine ersten Fahreindrücke bestätigen, was uns vorab von<br />

den Ingenieuren erzählt wurde: Die Entwicklung stand dieses<br />

Mal unter dem Motto «Innovation» und nicht «Evolution». Laut<br />

Chefkonstrukteur Nobuhiro Yamamoto lag die Herausforderung<br />

darin, ein Auto zu bauen, dessen «Design, Ausstattung und Dynamik<br />

das fahrerische Empfinden ansprechen und Glücksgefühle<br />

hervorrufen sollen, die im Innersten der Menschen verborgen<br />

sind». Es ging also nicht darum, die neuesten Technologien<br />

einzusetzen, sondern auch schon bestehende, bewährte Komponenten<br />

zu nutzen, um eine Fahrmaschine mit guter Balance<br />

zu erreichen, die fasziniert und gleichzeitig leicht beherrschbar<br />

bleibt. Deshalb sollte auch nicht einfach ein Hochdrehzahlmotor<br />

mit Niederdruck-Abgassystem, sondern ein alltagstaugliches<br />

Triebwerk eingesetzt werden. Die Karosserie sollte steifer<br />

und dennoch leichter werden, weshalb man hier sehr viel Aluminium<br />

verwendet hat.<br />

HERBST <strong>2015</strong> 087


FAHRTERMIN<br />

Das Ergebnis überzeugt: Der jüngste MX-5 ist ein klassischer<br />

Sportwagen geblieben, doch Ergonomie, Sicherheit und Lenkverhalten<br />

sind mit der Zeit gegangen und so viel besser als bisher.<br />

In der Summe wird also mehr Fahrspass denn je geboten,<br />

doch trotz Beibehaltung der MX-5-Gene würde ich weniger<br />

von einer vierten Generation, sondern eher von einer Neugeburt<br />

sprechen. Junge Menschen, die sich den offenen Mazda<br />

zum ersten Mal kaufen, werden sich an seiner Leichtigkeit und<br />

Sportlichkeit erfreuen, während Cabrio-Liebhaber ein Auto ins<br />

Kalkül ziehen müssen, das sie nicht links liegen lassen können.<br />

Auch Mazda hat gewonnen: Angefangen mit dem CX-5 und dann<br />

den Baureihen 6, 3, 2, MX-5 und bald auch CX-3 kann man festhalten,<br />

dass sich die Marke in einer sehr kurzen Zeit von nur vier Jahren<br />

komplett neu definiert und es geschafft hat, ihr Image positiv<br />

zu verändern. Und so bleibt abschliessend nur zu wünschen, dass<br />

Vertrieb und Service diesen guten Eindruck verstärken werden.<br />

Ich jedenfalls bin erstmals ernsthaft in Versuchung, meinen alten<br />

MX-5 gegen den neuen einzutauschen, wie einige Journalistenkollegen<br />

es bereits getan haben. Doch bei mir dürfte es<br />

sich jetzt hinziehen, denn die Nachfrage in Japan ist unheimlich<br />

hoch: Allein bis Ende Juni wurden bereits 5000 Einheiten<br />

ausgeliefert. Die bei uns auf dem Land häufig vorkommenden<br />

Bergstrassen sind wie geschaffen für den MX-5, was den<br />

Roadster nicht nur für Städter und den Wochenendtrip interessant<br />

macht. Erste Zielgruppe sind Ehepaare, deren Kinder<br />

schon ausgezogen sind, während sich jüngere Menschen aktuell<br />

und allgemein vom Auto entfernen. Doch wenn ein heimisches<br />

Fahrzeug auch im Ausland so erfolgreich ist, sind wir als<br />

Volk immer ein wenig stolz darauf. In der Folge muss man vier<br />

bis acht Wochen warten, um überhaupt ein Verkaufsgespräch<br />

mit einem Händler führen zu können – und sich dann weitere<br />

zwei Monate gedulden, bis das Auto kommt. Ich sollte bald mal<br />

bei meiner Mazda-Garage anrufen …<br />

088 <strong>VECTURA</strong> #16


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[lat.: das Fahren] #16 | Herbst <strong>2015</strong><br />

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