VECTURA_03_2015_E_Mag_Auszug
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RUBRIKEN<br />
WWW.<strong>VECTURA</strong>MAG.CH<br />
[lat.: das Fahren] #16 | Herbst <strong>2015</strong><br />
Stoffdach-Renaissance<br />
MERCEDES S CABRIOLET<br />
ALLJAHRESHOCH // OFFEN FAHREN<br />
ECHTZEIT // DIE BESTEN ARMBANDUHREN<br />
HAPPY YACHTING // RIVA UND CO.<br />
SPEZIAL // ASIATISCHE AUTOMARKEN<br />
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<strong>03</strong><br />
1 <strong>VECTURA</strong> #16<br />
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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ
NICHT JEDER KANN EIN NISMO SEIN.<br />
Man braucht mehr als eine neue Lackierung und einen roten Streifen, um ein NISMO zu<br />
sein. Wenn Technologie und Leistung verschmelzen: Unsere Ingenieure verwandeln urbane<br />
Fahrzeuge in kompromisslose Kraftpakete, die sich auf der Rennstrecke genauso souverän<br />
fahren wie auf der Strasse. Ihre neueste Errungenschaft: der NISSAN JUKE NISMO RS.<br />
Verdammt aufregend. Und in jeder Hinsicht auch verdammt schnell weg.<br />
TESTEN SIE DEN ULTIMATIVEN NEUEN NISSAN JUKE NISMO RS. NISSAN.CH<br />
Gesamtverbrauch l/100 km: kombiniert 7.4–7.2; CO2-Emissionen: kombiniert 169–165 g/km; Ø aller Neuwagen: 144 g/km; Energieeffizienz-Kat.: F.
EDITORIAL<br />
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor<br />
<strong>VECTURA</strong> #16<br />
STUFENHECK<br />
EDITION<br />
Laut Weltnaturschutzunion IUCN sind aktuell 23 000 Tierund<br />
Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Auch unter<br />
Automobilherstellern gibt es eine «Rote Liste»: Die Marke<br />
Lexus etwa scheint den nackten Absatzzahlen nach kaum überlebensfähig,<br />
zumindest in Europa: Nach nunmehr 25 Jahren vor<br />
Ort ist es der Toyota-Tochter nicht gelungen, einen nennenswerten<br />
Marktanteil zu erreichen. In der Schweiz liegt er bei gerade<br />
mal 0,2 Prozent. Das hat weniger mit der technischen Darbietung<br />
des japanischen Luxuslabels denn einer offensichtlich lust- und<br />
ideenlosen Vermarktung zu tun – und überstarken Rivalen: Hierzulande<br />
beherrschen Audi (6,9%), BMW (7,0%) und Mercedes (6,1%;<br />
jeweils 2014) das Oberklasse-Revier; für andere Anbieter bleibt<br />
da nur noch Aas übrig. Dass seit Herbst 2008 nun auch Infiniti in<br />
Europa auf feindlichem Terrain wildert, lässt für die Nissan-Division<br />
nichts Gutes ahnen. Dabei bieten bedrohte Spezies oft Einzigartiges,<br />
wie wir in dieser Ausgabe darstellen.<br />
Den Unterlegenen verhilft eventuell ein Überraschungsangriff zum<br />
Sieg, wie derzeit bei Stufenheck-Karosserien zu beobachten ist.<br />
Bei vielen Herstellern seit Jahren praktisch nicht mehr existent, feiert<br />
das einst als langweilig bis erzkonservativ geächtete «Three-Box-<br />
Design» aktuell ein beachtliches Comeback: Die neue Alfa Romeo<br />
Giulia oder der Jaguar XE sind da nur zwei von vielen positiven Beispielen,<br />
auch wenn der Übergang zum Schrägheck bei beiden fast<br />
schon ein fliessender ist. Merke: Jenseits modischer Crossover-<br />
Strömungen verkörpert ein ansehnliches Stufenheck die Hohe<br />
Schule der Karosserie-Ästhetik. Und natürlich hält die Vergangenheit<br />
viele Interpretationen bereit, die zu den Klassikern der Automobilgeschichte<br />
gezählt werden müssen. Ob es jetzt zu einer Gesundung<br />
des Limo-Bestands reicht, werden die kommenden Jahre zeigen.<br />
Das Cabriolet hat sein Artensterben bereits hinter sich: Nach einer<br />
in den späteren 1970er-Jahren quer durch die Vereinigten Staaten<br />
führenden Treibjagd, in deren Verlauf Softtop-Modelle im Namen der<br />
Sicherheit dann auch weltweit nahezu ausgerottet wurden, hat sich<br />
ihre Population den komplexeren gesetzlichen Bedingungen angepasst<br />
und erholt. Mehr noch: Die Gattung der Stoff- und Klappdach-<br />
Autos ist heute vielfältiger denn je, und das auf allen Kontinenten!<br />
Autos unter 3,5 Meter Länge geht es dagegen schon länger an<br />
den Kragen. Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, die heute<br />
in staatlich geschützten, vorwiegend asiatischen Reservaten äsen<br />
dürfen, sind sie von der Erdoberfläche verschwunden und nur noch<br />
in Museen zu bestaunen. Natürlich folgen Natur und Automobil unterschiedlichen<br />
Gesetzmässigkeiten: Fullsize-SUV, jene geklonten<br />
Dinosaurier der individuellen Fortbewegung, sind IQ-resistent und<br />
wie manch überflüssiger Virus anscheinend nicht totzukriegen.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 0<strong>03</strong>
INHALT #16<br />
EDITORIAL<br />
JENSEITS VON SCHWEDEN<br />
Volvo hat neue «Cross Country»-Modelle<br />
im Angebot, die positiv überraschen<br />
KOFFER UND RÄUME<br />
Ob die Limousine in diversifizierten Autowelten<br />
überleben kann, diagnostiziert Wolfgang Peters<br />
KREATIVITÄT DER KISTE<br />
Das Design aktueller Viertürer ist Änderungen<br />
unterworfen, wie unsere Marktübersicht zeigt<br />
DER WEITE WEG<br />
Hinter dem Kürzel Q50 verbirgt sich ein Auto<br />
mit Potential und Ehrgeiz. Hersteller Infiniti<br />
hat sich aber noch viel mehr vorgenommen<br />
KOMPLEXER WERDEGANG<br />
Über die Genese einer automobilen Grundform<br />
BACK OUT<br />
Der Exodus hat längst begonnen: Down under<br />
funktioniert die Autoindustrie nicht mehr<br />
KLASSISCHER KONTEXT<br />
Ein Blick ins Archiv kann amüsant sein<br />
WAHLVERWANDTSCHAFTEN<br />
Man muss das neue Mercedes C-Klasse Coupé<br />
in Gegenwart seiner Vorfahren betrachten<br />
SCHMUCK DES MANNES<br />
Armbanduhren für Autofahrer zeigen uns,<br />
wie spät es ist – und noch ein wenig mehr<br />
ITALIENISCHES ROULETTE<br />
Alfa Romeo setzt voll auf die kommende<br />
Giulia. Doch das ist nur die halbe Geschichte<br />
GRENZEN DES GUTEN GESCHMACKS<br />
Es gibt Cabrios, die Mark Stehrenberger<br />
einfach nicht ausstehen kann<br />
0<strong>03</strong><br />
008<br />
014<br />
016<br />
020<br />
<strong>03</strong>4<br />
<strong>03</strong>8<br />
042<br />
046<br />
052<br />
058<br />
076<br />
KALKULIERTES RISIKO<br />
Der vierte Mazda MX-5 ist anders als seine<br />
Vorgänger, haben wir in Japan festgestellt<br />
TITELSTORY<br />
Mit dem S-Klasse Cabriolet greift man<br />
in Stuttgart einmal mehr nach den Sternen<br />
NACH OBEN OFFEN<br />
Zehn Stoffverdeck-Empfehlungen für<br />
die luftigen Momente mobilen Daseins<br />
JURASSIC PARK<br />
Wer stilecht durch die 1990er cruisen will,<br />
sollte eine Dodge Viper RT/10 nehmen<br />
EINFACH MAL DIE WELLE MACHEN<br />
Warum man kommenden Sommer bei<br />
Poroli Special Boats vorbeischauen sollte<br />
NEUANFANG VON UNTEN<br />
Datsun ist zurück, wenn auch als Discount-<br />
Label. Das wird sukzessive ausgebaut<br />
WESTENTASCHEN-RENNWAGEN<br />
Schmutz und Kohler haben einen Traum<br />
RENDEZVOUS AN DER SARTHE<br />
Nissan hat es heuer wieder versucht bei<br />
den legendären 24 Stunden. Also nahmen<br />
auch wir einen GT-R und gaben alles<br />
IM KREISVERKEHR<br />
Der italienische High-Speed-Kurs Nardò<br />
ist bewegte Geschichte mit Fortsetzung<br />
PLAYSTATION<br />
Mit dem ED Torq will man Schnittstellen<br />
zwischen Wunsch und Wirklichkeit ausloten<br />
EIN SCHIFF WIRD KOMMEN<br />
Im Hafenviertel von L.A. trifft sich regelmässig<br />
die kalifornische Custom-Szene<br />
IMPRESSUM<br />
078<br />
090<br />
096<br />
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STUFENHECK<br />
EDITION<br />
004 <strong>VECTURA</strong> #16
016<br />
020<br />
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078<br />
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126<br />
HERBST <strong>2015</strong> 005
INFOTAINMENT<br />
Wo DIESES ICON steht, gibt es NOCH<br />
MEHR <strong>VECTURA</strong>. Möglich macht es die<br />
sogenannte «AUGMENTED REALITY»<br />
(erweiterte Realität, kurz AR): Diese computergestützte<br />
«Wahrnehmungserweiterung»<br />
erlaubt ZUSÄTZLICHE EBENEN,<br />
die interaktiv funktionieren und nicht nur<br />
die Augen anregen sollen. Zu weiteren<br />
Informationen in Text und Bild, wie sie<br />
bisher bereits mit unseren QR-Codes<br />
geboten wurden, kommen ab sofort<br />
ANIMIERTE INHALTE wie 360°- und<br />
3D-Ansichten, Motorsounds oder Filme.<br />
Das alles ver mittelt MEHR GEFÜHL<br />
direkt aus dem <strong>Mag</strong>azin heraus.<br />
ALLES, WAS ES BRAUCHT, SIND<br />
EINE INTERNET-VERBINDUNG, EIN<br />
SMARTPHONE ODER TABLET UND<br />
DREI SCHRITTE<br />
1. DIE APP NAMENS <strong>VECTURA</strong> AR<br />
AUS DEM APPLE APP STORE ODER<br />
GOOGLE PLAY STORE GRATIS<br />
HERUNTERLADEN<br />
2. EINMAL GESTARTET, FUNK-<br />
TIONIERT DIE APP WIE EIN TÜR-<br />
ÖFFNER, DENN MAN MUSS<br />
3. NUR NOCH DIE ICON-MAR-<br />
KIERTE SEITE SCANNEN UND<br />
SCHON GEHT’S LOS. ALLE VER-<br />
FÜGBAREN FUNKTIONEN SIND<br />
SELBSTERKLÄREND UND EBEN-<br />
SO INFORMATIV WIE UNTER-<br />
HALTSAM GESTALTET<br />
Die AR-Extras sind im Inhaltsverzeichnis<br />
markiert und wir beabsichtigen, das<br />
Angebot in den kommenden Ausgaben<br />
weiter auszu bauen. An der inhaltlichen<br />
wie haptischen Qualität der Printausgabe<br />
ändert sich natürlich nichts.<br />
006 <strong>VECTURA</strong> #16
KOSTENLOSE VIGNETTE 2016<br />
PIRELLI.CH<br />
SWISS-SKI WÄHLT<br />
PIRELLI WINTERREIFEN<br />
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15.9. – 15.11.<strong>2015</strong>*<br />
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Winterreifen ab 16 Zoll oder Sommerreifen ab 17 Zoll beim teilnehmenden<br />
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pzeroclub.ch. Konditionen und Händlerverzeichnis unter pzeroclub.ch.
GAR NICHT<br />
ABWEGIG<br />
AUF DEN ERSTEN BLICK SCHEINEN DIE<br />
NACHGEREICHTEN CROSS-COUNTRY-<br />
VARIANTEN DER VOLVO-BAUREIHEN<br />
S60 UND V60 NUR KOSMETIK ZU SEIN.<br />
TATSÄCHLICH ZÄHLEN SIE ZU DEN<br />
GRÖSSTEN ÜBERRASCHUNGEN DER<br />
AUTOSAISON <strong>2015</strong><br />
Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map
FAHRTERMIN<br />
Volvo, das stand einst für solide Karosserien, eine unerschütterliche<br />
Zuverlässigkeit mit unkaputtbaren<br />
Motoren und bestmöglichen Insassenschutz. Und<br />
tut es noch, denn der Hersteller aus Torslanda bei Göteborg<br />
hat es in der Vergangenheit stets verstanden, diese vertrauensbildenden<br />
Attribute zu pflegen und dennoch neues Terrain zu<br />
erobern.<br />
Als wichtigste Bewusstseinserweiterung des Hauses muss<br />
zweifellos die Einführung des Cross-Country-Gedankens genannt<br />
werden, der, beabsichtigt oder nicht, den US-amerikanischen<br />
AMC Eagle (1979–87) zitierte und 1997 zunächst vom<br />
damaligen V70 Besitz ergriff – parallel zum Subaru Legacy Outback,<br />
aber Jahre vor einem Audi Allroad. Seinerzeit noch ausgeschrieben<br />
«Volvo Cross Country» genannt, emanzipierte sich<br />
das Konzept mit dem nächsten V70 im Jahr 2000 zur eigenständigen,<br />
lautmalerischen XC-Familie, der auch der zwei Jahre<br />
später präsentierte erste XC90, sein kleinerer Bruder XC60<br />
(ab 2008) und ein fast schon subtiler V40 Cross Country (ab<br />
2013) zuzurechnen sind. Sie alle bieten eine Extraportion Bewegungsspielraum<br />
und Abenteuer-Feeling, ohne auf die Volvotypischen<br />
Eigenschaften Qualität, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit<br />
verzichten zu müssen. Fast überflüssig zu sagen, dass die<br />
Allrad-Varianten heute zu den erfolgreichsten des Hauses gezählt<br />
werden dürfen.<br />
Ergo präsentierten die Schweden auf der Los Angeles Auto Show<br />
Ende 2014 erstmals einen V60 Cross Country; der viertürige S60<br />
im Offroad-Look stand dann letzten Januar in Detroit. Während<br />
der beiden US-Premieren wurden die Modelle fast beiläufig,<br />
ja auffällig unauffällig aufgetischt, als seien sie lediglich Ausstattungsvarianten<br />
bestehender Baureihen.<br />
Das kann man so sehen, vor allem beim V60 Cross Country,<br />
muss man aber nicht. Denn die in der unteren Mittelklasse angesiedelten,<br />
seit Sommer in der Schweiz verfügbaren Autos bieten<br />
nicht nur ein Plus von 6,5 Zentimeter Bodenfreiheit. Sie wurden<br />
durch diese und andere Massnahmen stilistisch derart verändert,<br />
dass fast von einer eigenständigen Serie gesprochen werden<br />
kann. Wie bei allen Allradlern aus Südschweden geht es hier nicht<br />
um rustikalen Holzfäller-Charme, sondern um ein dynamisches<br />
4x4-Erlebnis auf und gerne auch mal neben der Strasse. Vor allem<br />
das bisher etwas blass aufgetretene Stummelstufenheck S60 hat<br />
dank Querfeldein-Optik eine erstaunliche Metamorphose durchgemacht:<br />
Dank scheinbar banaler Zutaten, die es alle auch beim<br />
Querfeldein-V60 gibt (Wabengittergrill, Unterfahrschutz, Kotflügelverbreiterungen,<br />
andere Schwellerleisten sowie spezielle 18- oder<br />
19-Zoll-Felgen mit besonders hohem Querschnitt), ist der Schweden-<br />
Sedan allein durch sein nun ungewöhnlich hoch aufragendes<br />
Konkav-Heck zu einem Charakterdarsteller gereift, der das Zeug<br />
dazu hat, eine eigene Crossover-Gattung innerhalb der eher konservativen<br />
unteren Mittelklasse zu beleben – eben die der vergessen<br />
geglaubten SUV-Sportlimousine. Stilistische Ähnlichkeiten<br />
zum über 27 Zentimeter längeren Egotrip BMW X6 oder dem<br />
neuen, 4,67 Meter langen Schrägheck-Rivalen BMW X4 (dessen<br />
Heckscheibe in der Heckklappe enthalten ist) sind nicht von der<br />
Hand zu weisen, aber dem Fahrzeugkonzept und nicht dem jeweiligen<br />
Design geschuldet. Und so ist dem viertürigen wie eigenständigen<br />
Cross-Country-Nachwuchs die Aufmerksamkeit anderer<br />
Verkehrsteilnehmer auch ohne allzu grosses Auftrumpfen sicher.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 009
FAHRTERMIN<br />
TECHNISCHE DATEN VOLVO S60/V60 CROSS COUNTRY<br />
Konzept Crossover-Varianten der bekannten Mittelklassemodelle mit erhöhter Bodenfreiheit und verschiedenen Ausstattungsumfängen. Selbsttragende<br />
Karosserie, 4/5 Türen mit je 5 Sitzplätzen. Zahnstangenlenkung mit hydr. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker, hinten<br />
Mehrlenkerachse, wahlweise Front- (Sechs-/Achtgang-Schaltgetriebe und Sechsstufen-Automat) oder Allradantrieb (nur mit A6)<br />
Motor Wassergekühlte, vorne quer eingebaute Reihenvier- und -fünfzylinder-Benzin/Dieselmotoren. 4 Ventile/Zyl., 2 oben liegende Nockenwellen (Zahnriemen/VVT),<br />
Alu-Zylinderkopf, Benziner mit Direkteinspritzung, Diesel mit Common Rail, alle mit Turbo, Intercooler, Stopp-Start-System<br />
S60 Cross Country T5 AWD<br />
V60 Cross Country D4 AWD<br />
Hubraum in cm 3 2497 2400<br />
Bohrung x Hub in mm 83 x 92,3 81 x 93,2<br />
Verdichtung 9,5:1 16,5:1<br />
Leistung in PS (kW) @ U/min 254 (187) @ 5400 190 (140) @ 4000<br />
Max. Drehmoment in Nm @ U/min 360 @ 1800 – 4200 420 @ 1500 – 3000<br />
Kraftübertragung<br />
A6<br />
Abmessungen (L/B/H) in cm 463,5/186,5/154 463,5/186,5/154,5<br />
Radstand in cm 277,5<br />
Spur vorne/hinten in cm 162 /157,5<br />
Reifen und Räder 215/55 R16 auf 7J 215/65 R16 auf 7J<br />
Tankinhalt in L 67,5<br />
Kofferraumvolumen in L 380 430 – 1240<br />
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1680 1760<br />
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 2200 2300<br />
Leistungsgewicht in kg/PS 6,6 9,3<br />
0 – 100 km/h in Sek. 7,0 8,9<br />
Höchstgeschwindigkeit in km/h 210 205<br />
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 8,5 5,7<br />
CO 2 -Emission in g/km 198 149<br />
Energieeffizienzkategorie G D<br />
Preis ab CHF 57 300.– 51 250.–<br />
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />
010 <strong>VECTURA</strong> #16
HERBST <strong>2015</strong> 011
FAHRTERMIN<br />
als auch der frontgetriebene T5 (245 PS, 350 Nm) vorbehalten,<br />
während der S60 CC entweder als T5 AWD oder D4 (mit Frontbzw.<br />
Allradantrieb) kommt. Der grössere Selbstzünder ist in beiden<br />
Modellen verfügbar und wird von uns als besonders ausgewogen<br />
empfunden, weil er ordentlich Druck macht – was sich<br />
nicht nur spüren, sondern auch an einem Power-Meter im Display<br />
ablesen lässt. Dabei bleibt der verbrauchsoptimierte Diesel<br />
ebenso schön sparsam wie angenehm leise; trotz relativ hohem<br />
Gewicht ist das Auto deutlich agiler als ein stärkerer XC70 D5<br />
mit seinen 220 PS.<br />
Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Crossover ist das Gebot der Stunde,<br />
und in einer durch Gesetze und Gleichteile-Strategie immer ähnlicher<br />
werdenden Autolandschaft hebt sich diejenige Marke ab,<br />
welche es versteht, Individualität mit Alltagstauglichkeit zu verbinden.<br />
Die auch innen verfeinerte 60er-Baureihe bringt dafür<br />
alle Voraussetzungen mit. Ihr überarbeitetes Cockpit mit optisch<br />
variierbaren Digitalinstrumenten (es gibt die drei Design-Modi Eco,<br />
Sport und Elegance) und aktualisiertem Sensus-Infotainmentsystem<br />
sowie optimierte Triebwerke sorgen für eine ebenso moderne<br />
wie effiziente Fortbewegung.<br />
Die Allrad-Versionen gibt es ausschliesslich mit Geartronic, die<br />
ihre Arbeit so unauffällig und ruckfrei verrichtet, dass man sich<br />
gar nichts anderes mehr wünscht. Der V60 Cross Country ist<br />
ab Ausstattung Kinetic zu haben, während es den Viertürer ausschliesslich<br />
in der Vollversion Summum gibt. Die enthält dann<br />
fast alles, was man in so einem Auto erwartet – allerdings nicht<br />
jene adaptive Servosteuerung (CHF 290.–), die drei Lenkkraftmodi<br />
kennt und Autofahren noch müheloser, aber nicht langweiliger<br />
macht. Fazit: Die neuen Cross-Country-Modelle schärfen<br />
die Wahrnehmung, sie sind ausreichend geländetaugliche<br />
Allrounder mit ebenso hohen Spass- wie Sicherheitsreserven,<br />
dabei langlebig, schlank und sozial verträglich geblieben. Und<br />
es ist die Kombination genau dieser Eigenschaften, die sie zu<br />
etwas Besonderem macht.<br />
Interessant ist der Aggregate-Mix: Dem V60 Cross Country sind die<br />
Drive-E-Einstiegsmotorisierung D3 (150 PS, 350 Nm; ab CHF 43 300.–)<br />
012 <strong>VECTURA</strong> #16
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FAHRTENBUCH<br />
STANDHAFT UND WEHRBAR<br />
VIELLEICHT RETTET DER SCHNELLE RÜCKEN DIE LIMOUSINE<br />
Text Wolfgang Peters<br />
Die Limousine ist in Gefahr. Sie wird bedroht von immer<br />
neuen Hervorbringungen, von Spielarten der vierrädrigen<br />
Mobilität, die nur wenig zu tun haben mit der europäischen<br />
Kultur des Fahrens. Dabei handelt es sich um autoähnliche<br />
Gefährte, die unter dem Begriff der Sport Utility Vehicles<br />
geführt werden. Das sind die entfernten Verwandten der einstigen<br />
Geländewagen, die für Förster, das Militär, für Waldarbeiter<br />
und Holz-Barone sowie für Abenteurer, Berghüttenwirte und<br />
Baustellenbetreuer vereinzelt eingesetzt wurden. Jetzt sind sie<br />
als sportliche Nutzfahrzeuge in unübersehbarer Vielfalt unterwegs.<br />
Sogar Damen, die man sich mit einem leichten Schauder<br />
des exotischen (oder des erotischen) Ursprungs nur im weissen<br />
Pelz in einem offenen Roadster mit femininem Design vorzustellen<br />
vermochte, sind in diesen Geräten unterwegs.<br />
Weil sich jeder die damit etikettierten Vehikel vorstellen, aber ihren<br />
sperrigen Namen keiner merken kann, sind sie die SUV. Gesprochen<br />
wird das «Ess-Ju-Vie», das klingt schon nach Boom und<br />
nach Trend, keine Marke mag sich diesen Fahrzeugen verschliessen,<br />
und die Hersteller verdienen zwar prächtig daran. Aber weil<br />
die SUV schwerer sind und trotz rundlicherer Kastenform nicht<br />
gut im Wind liegen, verbrauchen sie mehr und bringen die Emissionsmengen<br />
ihrer Produzenten durcheinander. Diese müssen<br />
zum Ausgleich einige Kleinfahrzeuge mit Spatzendurst anbieten,<br />
an denen dann leider wenig verdient wird. Happige Preise werden<br />
deshalb für die trendigen SUV gefordert. Doch das scheint<br />
die Käufer nicht zu stören, sie betteln geradezu um Zuteilung<br />
einer grösseren, schweren und teuren Maschine. Gleichzeitig<br />
jedoch stören sich Auge und Stilempfinden des historisch interessierten<br />
Automobil-Ästheten am SUV und er verweist auf ihre<br />
Herkunft und auf die sinnliche Wirkung einer Limousine.<br />
Eine labbrige Filzmatte ist kein Ersatz<br />
zur blechern-soliden Trennwand, die<br />
Limousinen traditionell auszeichnet<br />
Letztere ist eine zutiefst europäisch geprägte Daseinsform des<br />
Automobils. Auf diesem alten Kontinent wurde das Auto erfunden<br />
und alsbald erhielt es ein schützendes Dach für alle, also<br />
auch für den Chauffeur, und es bekam breite Türen für einen<br />
bequemen Zustieg, und die Dreiteilung des Raumes auf Rädern<br />
definierte sich wie von selbst: Vorne steckten die Antriebsaggregate,<br />
während die Motorkraft unter und durch den mittleren<br />
Abschnitt der Limousine, wo ihre menschliche Fracht untergebracht<br />
war, zum Heck geleitet wurde – so einfach stellte sich einst<br />
der Standardantrieb dar. Im Heck also wurde die Motorkraft von<br />
der Kardanwelle angeliefert und über ein Ausgleichsgetriebe auf<br />
die Hinterräder gebracht. Weil darüber noch Platz frei war, siedelte<br />
sich dort fast zwangsläufig ein Kofferraum an; als Erinnerung<br />
diente zudem die längst überholte Pferdekutsche mit ihrem<br />
Gepäckkasten. Gleichzeitig eine nicht unglückliche Aufteilung:<br />
vorne die Pferde, dann die Menschen und schliesslich die Koffer.<br />
Das machte die klassische Limousine mit ihrem wie abgestuft<br />
wirkenden rückwärtigen Abteil so angenehm: Das Stufenheck<br />
gestattete es, den Raum für die Menschen auch optisch deutlich<br />
zu separieren: Wer möchte schon während einer längeren Reise<br />
in direkter Nachbarschaft zu Koffern, Kisten und Körben sitzen?<br />
Obwohl bei Kompaktwagen die Trennung zwischen der durchaus<br />
komfortablen Kabine und dem Transportraum eher symbolisch<br />
mittels labberiger Filzmatte stattfindet, erscheint es nicht<br />
erstrebenswert, als Quasi-Nachbarn die harte Schale eines weitgereisten<br />
Billigkoffers neben sich zu wissen.<br />
Beim Blick auf Herkunft und Abstammung der eingangs beschriebenen<br />
neuen Fahrzeug-Spezies wird deutlich: Das SUV<br />
ist kein europäisches Automobil. Es entstand auf den Computern<br />
weltweit agierender Konzerne, vorzugsweise bei asiatischen<br />
Marken oder in den Vereinigten Staaten. Die jüngeren SUV aus<br />
Japan und Südkorea haben in ihren Heimatländern jenseits von<br />
Asphalt nichts zu suchen. Man trifft sie in den grellen Vergnügungsvierteln<br />
und ist froh darüber, ihnen beim Hundespaziergang<br />
nicht auch noch im Wald begegnen zu müssen. Sie sind<br />
mehrheitlich für den Export bestimmt, werden häufig gleich im<br />
Ausland produziert und erobern die Welt. Diesem profitträchtigen<br />
Treiben hat die europäische Autoindustrie in einer Art von<br />
Schockstarre lange Zeit zugesehen. Dann hat sie entdeckt, wie<br />
sich langjährige Kunden von ihren Kompakt-, Kombi-, Van- und<br />
Limousinen-Modellen abwandten, um sich in Massen dem SUV<br />
anzuvertrauen. Die späte Erkenntnis der westlichen Autobauer,<br />
sich von diesen Fernost-SUV nicht die Profitbutter vom harten<br />
Brot nehmen zu lassen, führte zu einer fatalen Entwicklung.<br />
Statt eine neue Konkurrenz-Spezies im bewährten Limousinen-<br />
Stil zu entwickeln, holten sie ihre Kopierer aus den Schränken –<br />
und bauen seither wie die Teufel nun selbst nur noch mehr SUV.<br />
Und weil sie schon dabei waren, drückten sie die Dächer flacher<br />
und spülten die Karosserielinien und Proportionen weicher. So<br />
sollten Kritiker beruhigt und SUV auf erträglichere Formate eingedampft<br />
werden. Deshalb müssen wir jetzt EU-SUV mit dem<br />
Aussehen von Hefeteig-Produkten ertragen, deren Formen zwar<br />
gebändigt erscheinen, aber jederzeit wieder überquellen können.<br />
Die Limousine ist da ernsthaft in Gefahr. Doch sie wehrt sich und<br />
erreicht zunehmend eine neue Körperlichkeit. Denn das für manchen<br />
Kunden allzu konservativ erscheinende Stufenheck wird<br />
neu definiert und eingekleidet. Nicht mehr im kastigen Stil des<br />
Kombis, sondern zunehmend in der fliessenden Eleganz des<br />
Schräghecks. Auch das war schon da. Dank neuen Entwurfsund<br />
Produktionstechniken geraten Dachübergang, Heckfenster<br />
und Abschluss heute jedoch eleganter als je zuvor. Auch die Verbindung<br />
vom Gleiten des Hecks hin zu den Flanken wird harmonischer<br />
gelöst. Und optisch erlaubt die Schrägheck-Limousine<br />
mit ihrem schnellen Rücken immer häufiger eine wunderbare Illusion:<br />
Dem Auge des Ästheten wird aus bestimmten Blickwinkeln<br />
das gewohnte Stufenheck geliefert. Es ist eine Täuschung, der<br />
er sich zur Rettung der europäischen Limousine gerne hingibt.<br />
014 <strong>VECTURA</strong> #16
MESURE ET DÉMESURE *<br />
TONDA 1950 TOURBILLON<br />
Das weltweit flachste (3,4 mm)<br />
Fliegende Tourbillon mit Automatikwerk<br />
Mikrorotor aus Platin<br />
Der weltweit leichteste Tourbillon -<br />
Käfig aus Titan (0,255 g)<br />
Hermès-Alligatorlederband<br />
100% entwickelt und gefertigt<br />
von Parmigiani Fleurier Schweiz<br />
www.parmigiani.ch<br />
LE STUDIO PARMIGIANI<br />
CHALET AMBIANCE, SUTERSTRASSE 4, GSTAAD
EINFACH<br />
MAL<br />
DIE KLAPPE<br />
HALTEN<br />
Text Stefan Lüscher, hh · Fotos Werk<br />
VORNE-HINTEN-HAUBEN-<br />
KAROSSEN SIND KONSERVATIVER<br />
AUTO-STANDARD. WAS EINZELNE<br />
MARKEN ABER DARAUS MACHEN,<br />
ERGIBT EINE DURCHAUS INDIVIDUELLE<br />
MISCHUNG; DER ÜBERGANG VOM<br />
STUFEN- ZUM SCHRÄGHECK IST<br />
FLIESSEND. WIR PRÄSENTIEREN ACHT<br />
NEUE KOFFERRÄUME MIT DECKEL<br />
TECHNISCH NEU, OPTISCH ALT: AUDI A4<br />
Dass die neue Mittelklasse-Limo aus Ingolstadt perfekter, raffinierter,<br />
grösser, leichter, stärker und sparsamer ausfallen würde<br />
als die bisherige vierte Modellgeneration, lag auf der Hand.<br />
Schade nur, dass man die beiden kaum unterscheiden kann,<br />
denn der geschärfte Kühlergrill und die schmaleren Scheinwerfer<br />
fallen allenfalls Fetischisten auf. Die grössten Unterschiede<br />
finden sich innen und in Sachen Bedienung. Da gibt es TFT-<br />
Instrumente, Head-up-Display, WLAN-Verbindung oder eine induktive<br />
Ladestation. Als Antriebe stehen vorerst vier Diesel und<br />
drei Benziner mit 150 bis 272 PS zur Wahl, ebenso verschiedene<br />
Getriebetypen, Vorder- und Allradantrieb. Im November geht es<br />
ab 41 900 Franken los; 2016 wird die Baureihe mit den bekannten<br />
Derivaten ausgebaut.<br />
www.audi.ch<br />
ÖV-ALTERNATIVE: BENTLEY MULSANNE BLUE TRAIN<br />
Mit einem Sondermodell namens Blue Train auf Basis des<br />
Mulsanne Speed erinnert der britische Luxushersteller an ein<br />
legendäres Rennen von 1930, bei dem ein Bentley Speed Six gegen<br />
den gleichnamigen Schnellzug antrat – und gewann. Zu den<br />
Besonderheiten der aktuellen Kleinserie zählen eine spezielle<br />
Lederausstattung, filigrane Intarsien auf dem Armaturenbrett,<br />
diverse Blue-Train-Plaketten und ein spezieller quadratischer<br />
Maschendraht-Kühlergrill, wie ihn schon das Original vor 85 Jahren<br />
trug. Das in Europa auf vier Exemplare limitierte Auto wird<br />
vom Bentley-Spezialisten Mulliner in Handarbeit gefertigt; ein<br />
Preis von exakt 357 795 Euro netto wundert da kaum. Unverändert<br />
bleibt der Antrieb mit einem 537 PS starken 6,7-Liter-<br />
V8-Aggregat und einer seidenweich arbeitenden Achtgang-<br />
Automatik.<br />
www.suisse.bentleymotors.com<br />
016 <strong>VECTURA</strong> #16
SHOWROOM<br />
BAYERISCHE RAFFINESSE: BMW 7ER<br />
Mit Opulenz, Komfort und technischer Innovation will der neue<br />
BMW 7er einmal mehr die Spitze des Luxussegments erobern.<br />
Die sechste Generation des bayerischen Flaggschiffs (Typcode<br />
G12) wird noch im Herbst eingeführt, hat sich in den Dimensionen<br />
kaum verändert und dennoch rund 130 Kilogramm abgespeckt.<br />
Neben modifizierten Sechs- und Achtzylindermotoren mit neu<br />
265 bis 450 PS (manche wahlweise mit Heck- oder Allrad antrieb)<br />
gibt es erstmals einen Plug-in-Hybrid mit 326 PS (E-Reichweite:<br />
40 km); 2016 folgt ein V12-Benziner. Im 7er ist Luftfederung ab<br />
sofort serienmässig, dazu kommt jede Menge optionaler Assistenzsysteme,<br />
z. B. Gestensteuerung oder teilautonomes Fahren.<br />
Die Preise beginnen bei 108 400 Franken.<br />
www.bmw.ch<br />
WAS LANGE WÄHRT: FORD MONDEO<br />
Schon der neue – oder doch noch der alte? Bei Ford weiss man<br />
das nie so genau. Selbst Mitarbeiter haben da ihre Schwierigkeiten,<br />
denn der US-Hersteller hat es sich zur Angewohnheit gemacht,<br />
neue Modelle Jahre vor deren Lancierung vorzustellen.<br />
In diesem Fall kamen Produktionsverzögerungen hinzu, immerhin<br />
scheint die lange gehegte Idee vom Weltauto endlich Wirklichkeit<br />
zu werden: Der neue, 4,78 Meter lange und nunmehr<br />
fünfte Mondeo steht mit seinem Stummel-Stufenheck nun auch<br />
bei den Schweizer Händlern; in den USA läuft er bereits nahezu<br />
baugleich als Fusion und soll weitere Kontinente erobern. Es gibt<br />
Benzin- und Dieselaggregate mit 150 bis 210 PS und dazu ein<br />
Hybrid-Modell; neben Frontantrieb stehen auch 4x4-Varianten zur<br />
Verfügung. Preislich geht es bei 30 900 Franken los; am oberen<br />
Ende rangiert die Edel-Variante Vignale.<br />
www.ford.ch<br />
BUSINESS CLASS FÜR GENTLEMEN: JAGUAR XF<br />
Die britische Edelmarke setzt ihre Modelloffensive fort. Auf den<br />
neuen XE (siehe <strong>VECTURA</strong> #14) folgt Ende Jahr die zweite Generation<br />
der oberen Mittelklasse XF; ein fünftüriger Sportbrake<br />
folgt 2016. In den Dimensionen schrumpft der XF minimal, allein<br />
sein Radstand wächst um fünf auf 296 Zentimeter, was den<br />
Platzverhältnissen im Interieur zugutekommt. Aluminium und<br />
die Verwendung der neuen XE-Bodengruppe ermöglichen eine<br />
Gewichtsreduktion von bis zu 190 kg. Das Design – man muss<br />
eher wieder von einem Fliessheck sprechen – gibt sich sehr<br />
sportlich, der C W -Wert sinkt von 0,29 auf 0,26. Als Einstiegsmotorisierungen<br />
sind Vierzylinder-Turbodiesel (163/180 PS),<br />
dazu V6-Benziner (340/380 PS) und ein 3,0-L-Biturbo-Diesel<br />
mit 300 PS vorgesehen. Es gibt Achtstufen-Automaten und<br />
Hinterradantrieb, wahlweise auch Allrad. Die Preise starten bei<br />
47 800 Franken.<br />
www.jaguar.ch<br />
HERBST <strong>2015</strong> 017
SHOWROOM<br />
SIEBEN JAHRE GARANTIE: KIA OPTIMA<br />
Die 2014 überarbeitete Mittelklasse aus Südkorea hat sich auch<br />
bei uns zu einem ernsthaften Wettbewerber gemausert – nicht<br />
zuletzt, weil sie explizit für Europa konzipiert und entworfen<br />
worden ist. Das schmeichelt unseren Geschmacksnerven; konkurrenzlose<br />
Service- und Garantiepakete sowie die umfangreiche<br />
Serienausstattung mit vielen Sicherheits- und Assistenzsystemen<br />
tun ein Übriges. Auf 4,85 Meter Länge finden sich bis<br />
zu fünf Plätze – vor allem im gestreckten Fond sitzt es sich sehr<br />
komfortabel – sowie ein separates Gepäckabteil. Als Standard-<br />
Motorisierung steht ein Vierzylinder-Turbodiesel mit 136 PS und<br />
Frontantrieb bereit; die Optima-Preise starten bei CHF 39 950.–.<br />
Der neue Parallelhybrid leistet 131 kW (177 PS), begnügt sich mit<br />
5-L-Verbrauch und kostet 47 950 Franken.<br />
www.kia.ch<br />
DIE INSTANZ: MERCEDES S-KLASSE<br />
Der grosse Benz führt das Oberklassesegment seit jeher haushoch<br />
an und ist das Fahrzeug, an dem sich Konkurrenten weltweit<br />
zu messen haben. Das kommt nicht von ungefähr. Technologisch<br />
setzt das selbsternannt «beste Auto der Welt» mit all seinen<br />
Raffinessen immer wieder neue Massstäbe. Die Leistungsspanne<br />
der aktuell (je nach Zählweise) achten Generation (W222) reicht<br />
vom Hybrid-Modell mit 231 PS bis zur brachialen, 630 PS starken<br />
Sportlimousine AMG S65; manche Modelle gibt es mit 4Matic. Neu<br />
im Programm ist ein Plug-in-Hybrid mit 325 kW (442 PS) Systemleistung<br />
und 33 km E-Reichweite. Die S-Klasse gibt es mit zwei<br />
Radständen und ein dritter, noch längerer folgt demnächst. Dazu<br />
gesellen sich die jeweils viersitzigen Modellderivate S Coupé und<br />
S Cabriolet (siehe auch S. 090). Die klassische S-Limousine kann<br />
ab 107 700 Franken erworben werden.<br />
www.mercedes-benz.ch<br />
AUSSENDIENST-UPGRADE: VW PASSAT<br />
Wer beim Geschäftswagen auf die neue Wolfsburger Mittelklasse<br />
zurückgreifen darf, kann sich glücklich schätzen. Denn das einstige<br />
Biedermann-Modell hat sich zum eleganten Familien- und<br />
Dienstwagen mit Premium-Anspruch, elegantem Design, viel<br />
Platz und Komfort sowie modernster Technologie auch bezüglich<br />
der verfügbaren Assistenzsysteme entwickelt. Das gilt natürlich<br />
gleichermassen für die Kombi-Variante, wobei VW erstmals<br />
glaubt, ähnlich viele Viertürer verkaufen zu können. Umweltbewusste<br />
Autofahrer dürfte interessieren, dass kürzlich der GTE<br />
vorgestellt worden ist – ein Plug-in-Hybrid mit 218 PS Systemleistung<br />
sowie rund 50 km Elektroreichweite, der Anfang 2016 für<br />
CHF 49 100.– zu haben sein wird. Schon jetzt im Angebot stehen<br />
Front- oder Allradantriebe mit 120 PS bis 280 PS; die Preisliste<br />
beginnt bei 29 950 Franken.<br />
www.volkswagen.ch<br />
018 <strong>VECTURA</strong> #16
THE HEAD SAYS<br />
YES.<br />
THE HEART SAYS<br />
DEFINITELY, YES.<br />
MASERATI GHIBLI. AB CHF 74’000.–<br />
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bei Ihrem Händler<br />
* CO2 ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; die mittlere CO2-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen Fahrzeug typen in der Schweiz beträgt 148 g/km.<br />
Unverbindliche Preisempfehlung der Maserati (Schweiz) AG.<br />
DER NEUE MASERATI GHIBLI IST AUCH MIT DEM INTELLIGENTEN<br />
ALLRADSYSTEM Q4 ERHÄLTLICH.<br />
MASERATI GHIBLI DIESEL: 6-ZYLINDER-V-60°, 2.987 CM³ – LEISTUNG: 202 KW (275 PS) – 570 NM<br />
BEI 2.000 – 2.600 U/MIN (600 NM BEI OVERBOOST) V-MAX. 250 KM/H – 0 – 100 KM/H IN 6,3 SEK.<br />
KRAFTSTOFFVERBRAUCH (L/100): STADT 7,7 / AUSSERSTÄDTISCH 4,9 / KOMBINIERT 5,9<br />
CO2-EMISSION*: 158 G/KM – EFFIZIENZKLASSE C<br />
www.maserati.ch
020 <strong>VECTURA</strong> #16<br />
FAHRTERMIN
ANERZOGENE<br />
TRADITION<br />
DEN STETS POTENTEN NISSAN<br />
SKYLINE GIBT ES ZWAR SCHON SEIT<br />
BALD 50 JAHREN. DIE AKTUELLE<br />
GENERATION DER TRADITIONS-<br />
LIMOUSINE WIRD BEI UNS<br />
ALLERDINGS MIT INFINITI-LOGO<br />
ANGEBOTEN – ALS TECHNISCH<br />
HOCH AUFGERÜSTETER Q50. UND<br />
DER MUSS SICH IN EINEM DICHT<br />
BESETZTEN SEGMENT BEHAUPTEN<br />
Text Stefan Fritschi · Fotos Ian G.C. White, map<br />
Wer den 2013 eingeführten Infiniti Q50 als Nobel-Nissan<br />
bezeichnet, wird dem Auto nicht gerecht. Sicher, es<br />
ist konservativ gekleidet, wie es in dieser Fahrzeugklasse<br />
erwartet wird – für unseren Geschmack vielleicht etwas zu<br />
konservativ. Aber eben, Geschmack. Da muss man sich nur mal<br />
die anderen Mittelklasse-Vertreter vom Schlage eines Audi A4<br />
oder Mercedes C anschauen. Ihnen gegenüber ist der Infiniti<br />
dann fast schon wieder progressiv gestylt, dazu mehr Fliessoder<br />
höchstens Stummelstufenheck – und zudem eine halbe<br />
Schuhnummer grösser. Denn mit seinen 4,8 Meter Länge nutzt<br />
er die Lücke als zusätzlichen Lebensraum, parkt genau zwischen<br />
A4 und A6, zwischen der C- und E-Klasse und ergo auch zwischen<br />
3er- und 5er-BMW.<br />
Der Antriebsstrang unseres Testwagens wiederum ist baugleich<br />
im Mercedes C250 zu finden; alternativ stehen ein 170 PS starker<br />
2,2-L-Diesel oder – im mindestens 68 500 Franken teuren<br />
Topmodell – ein Hybrid mit 364 PS Systemleistung und 3,5-L-V6<br />
sowie wahlweise Allradantrieb zur Verfügung. Der auf anderen<br />
Märkten erhältliche 3,7-L-V6-Benziner mit 333 PS wird in der<br />
Schweiz leider nicht angeboten.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 021
FAHRTERMIN<br />
Der Q50 ist trotz der Unzahl<br />
von Möglichkeiten, insbesondere<br />
bei den Assistenzsystemen,<br />
einfach und intuitiv zu bedienen<br />
022 <strong>VECTURA</strong> #16
TECHNISCHE DATEN<br />
INFINITI Q50 2.0 T<br />
Konzept Sportliche Limousine auf Nissan-Skyline-Basis. Selbsttragende<br />
Karosserie mit 4 Türen und 5 Sitzplätzen. Vorne Quer- und Längslenker,<br />
hinten Mehrlenkerachse. Elektrische Drive-by-Wire-Lenkung, belüftete<br />
Vierrad-Scheibenbremse, Fussparkbremse, Hinterradantrieb<br />
Motor Vorne längs verbauter Vierzylinder (baugleich mit Mercedes C250),<br />
4 Ventile/Zylinder, fünffach gelagerte Kurbelwelle (Kette), Aluzylinderkopf<br />
und -block, Benzindirekteinspritzung, Turbolader, Intercooler, Stopp-<br />
Start-System<br />
Hubraum in cm 3 1991<br />
Bohrung x Hub in mm 83 x 92<br />
Verdichtung 9,8:1<br />
Leistung in PS (kW) @ U/min 211 (155) @ 5500<br />
Max. Drehmoment in Nm @ U/min 350 @ 1250–3500<br />
Kraftübertragung<br />
A7<br />
Abmessungen (L/B/H) in cm 480/182/145<br />
Radstand in cm 286<br />
Spur vorne/hinten in cm 155/157<br />
Reifen und Räder<br />
245/40 R19 auf 8J<br />
Tankinhalt in L 80<br />
Kofferraumvolumen in L 500<br />
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1620<br />
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 2165<br />
Leistungsgewicht in kg/PS 7,7<br />
0 – 100 km/h in Sek. 7,2<br />
Höchstgeschwindigkeit in km/h 245<br />
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,3<br />
CO 2 -Emission in g/km 146<br />
Energieeffizienzkategorie<br />
D<br />
Preis ab CHF 54 950.–<br />
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />
HERBST <strong>2015</strong> 023
024 <strong>VECTURA</strong> #16
FAHRTERMIN<br />
Damit wäre die technische Einordnung erledigt, lassen die uns zur<br />
Verfügung stehenden 211 PS bei über 1,6 Tonnen Leergewicht<br />
ein etwas behäbiges Fahrerlebnis befürchten. Doch das Gegenteil<br />
ist der Fall: Von Untermotorisierung keine Spur, Schub ist sofort<br />
da und er bleibt in fast allen Lebenslagen erhalten. Ohne Blick<br />
aufs Datenblatt vermutet man sogar viel mehr Leistung, die sich<br />
akustisch übrigens sehr zurückhält und nur bei höheren Drehzahlen<br />
bemerkbar macht. Sportlich klingt zwar anders, doch bedauerlicher<br />
ist, dass sich die Stopp-Start-Automatik zuweilen ruppig<br />
aufführt; der Markt kennt hier harmonischere Systeme. Die serienmässige<br />
Siebenstufenautomatik ist dagegen ein Gedicht: Sie<br />
agiert schnell, absolut ruckfrei und lässt sich – wenn man denn<br />
will – auf der linken Schaltgasse manuell betätigen. Nach vorne<br />
wird hoch-, nach hinten runtergeschaltet und wir meinen, es sollte<br />
umgekehrt sein. Parallel lässt sich die Schaltarbeit auch per (fest<br />
stehender) Lenkradpaddel erledigen, aber wie gesagt muss das<br />
alles gar nicht sein, wenn man einen so schönen Automaten an<br />
Bord hat. Ein Sechsgangschaltgetriebe würde auch gut zum<br />
Turbobenziner passen, ist aber nur beim Diesel lieferbar.<br />
Fahrwerkstechnisch zeigt sich der Q50 jeder Situation gewachsen.<br />
Sein Federungskomfort ist sehr gut, bewegt sich aber auf der<br />
sportlich-straffen Seite, besonders mit optionalen 19-Zoll-Rädern.<br />
Die kraftvoll zupackenden Bremsen sind über jeden Zweifel erhaben<br />
– auch dann, wenn man den Fahrzeugcharakter ändert: Per<br />
Mittelkonsolenschalter lassen sich Lenk- und Antriebsparameter<br />
in den vier Stufen Standard, Sport, Schnee oder Individuell variieren.<br />
Von amerikanisch-weich bis straff-hart ist alles dabei; das<br />
weltweit erste in einem Serienauto verbaute Steer-by-Wire-System<br />
gehört zu den Highlights des Q50. Alle Lenkradbefehle werden<br />
per Datenleitung an einen Stellmotor am Lenkgetriebe weitergeleitet;<br />
so lässt sich die Lenkung individueller konfigurieren –<br />
allein die Abstimmung des Sportmodus darf unserer Meinung<br />
nach künftig etwas lebendiger werden. Einen eventuellen Systemausfall<br />
muss man nicht fürchten, weil dann eine im Hintergrund<br />
vorhandene mechanische Notlenkung einkuppeln würde.<br />
In die Lenkung integriert ist das adaptive Spurhaltesystem ALC<br />
(Active Lane Control), welches mittels Kamera die ideale Fahrspur<br />
ermittelt, diese Informationen verarbeitet, weiterleitet und<br />
gegebenenfalls per Lenkeingriff ausführt. Das funktioniert in der<br />
Praxis sehr gut und hält den Q50 je nach Einstellung stärker oder<br />
schwächer auf Kurs. Ein selbstlenkendes Auto darf man jedoch<br />
nicht erwarten, zudem zeigen sich in Baustellen mit teilweise<br />
unklaren Bodenmarkierungen ein paar Erfassungs-Defizite.<br />
Letztlich bleibt es eine Einstellungssache, ob man sich von derartigen<br />
Assistenzsystemen unterstützt oder bevormundet fühlt;<br />
ALC kann leicht deaktiviert werden.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 025
FAHRTERMIN<br />
Überhaupt sind Bedienung, Haptik und Verarbeitung im Q50 ohne<br />
Tadel; das Interieur vermittelt – vor allem in der Topversion – ein<br />
sehr angenehmes Wohlfühl-Ambiente. Infiniti setzt auf eine Mischung<br />
aus konventionellen Schaltern und zwei Touchscreens,<br />
dazu kommt das heute unvermeidbare Multifunktionslenkrad.<br />
Dank dieser Verteilung entfällt bei fast allen wichtigen Funktionen<br />
die Sucherei in Unter-, Neben- oder Zwischenmenüs, wie man es<br />
bei zahlreichen aufgeräumten Cockpits unserer Tage so oft antreffen<br />
muss. Im Infiniti sind Bildschirm-Symbole angenehm gross<br />
und leicht zu treffen. Die Rückmeldung ist okay, wenn auch nicht<br />
so gut wie bei konventionell mechanischen Drucktasten. Insgesamt<br />
ist der Q50 trotz der Unzahl von Möglichkeiten, insbesondere<br />
bei den komplexen Assistenzsystemen, recht einfach und intuitiv<br />
zu bedienen. Auch die Ergonomie passt; als einziges Manko<br />
sind uns die zwar in der Höhe verstellbaren, aber ansonsten starren<br />
Kopfstützen aufgefallen.<br />
Davon abgesehen haben sich die Japaner sehr viel Mühe gegeben,<br />
alle Flächen, die mit der Haut in Berührung kommen, so angenehm<br />
wie möglich zu gestalten. Das gilt beispielsweise für die<br />
Mittelkonsole, welche mit seitlichen Lederpolstern versehen ist,<br />
was Rockträgerinnen oder Kurzhosenträger sehr schätzen, wenn<br />
die Beine angelehnt werden. Jeder Schalter, jedes Rädchen, jede<br />
Klappe wirkt solide und wird gerne angefasst. Nichts klappert,<br />
nichts wackelt, die Verarbeitung ist oberklassig. Das gilt für die<br />
Platzverhältnisse im Fond nur bedingt, weil grössere Personen<br />
hier etwas beengt sitzen. Aber eben – Sportlimousine. Immerhin,<br />
die Rücksitzlehnen lassen sich geteilt abklappen, eine Durchreiche<br />
für lange Gegenstände dürfte insbesondere Skifahrer erfreuen.<br />
Weiter bietet der Q50 die ganze Klaviatur an Infotainment- und<br />
Assistenzsystemen, die je nach Ausstattungsvariante serienmässig<br />
oder optional sind. Und natürlich kann sich ein Smartphone<br />
via «Intouch»-System ins Fahrzeug einloggen, wo dann auch Apps<br />
genutzt werden können, das funktioniert ausgezeichnet.<br />
Was nicht ganz überzeugt, ist das Exterieur. Die Frontmaske wirkt<br />
wie eine verkleinerte Form des Diavolo-Grills von Lexus, seitlich<br />
erinnert der Q50 im vorderen Bereich an BMW und das Heck<br />
trägt Mazda. Insgesamt ein hübsches Auto, keine Frage, aber<br />
eben zu wenig Infiniti. Selbst der von 2006 bis 13 gebaute Vorgänger<br />
dünkte uns eigenständiger. Die Designer müssen künftig<br />
mehr «Haben-Wollen» ins Blech bringen, um die Kunden von<br />
deutschen, englischen oder japanischen Premium-Produkten<br />
wegzulocken. Dass sie es können, haben sie mit dem FX45 (siehe<br />
S. <strong>03</strong>0) hinreichend bewiesen.<br />
In der Quintessenz ist der Q50 ein durchdachtes, technisch<br />
hochwertiges und sauber verarbeitetes Auto. Das ist mehr, als<br />
wir ihm zugetraut hatten, weil er ja gegen etablierte, hochkarätige<br />
Rivalen antritt – und durchaus bestehen kann. Dazu kommt<br />
seine sehr geringe Verbreitung, die auch eine gewisse Seltenheit<br />
darstellt. Ein Fall für Individualisten ist die Kompakt-Limousine<br />
dagegen nicht unbedingt – dafür sticht sie einfach zu wenig aus<br />
der Masse heraus, ist nicht unverwechselbar genug. Preislich –<br />
unser Testwagen kostete über 70 000 Franken – kann man auch<br />
nicht meckern, denn die Ausstattung ist üppig. Wer weniger<br />
wünscht, kann mit dem 2.2 D bereits unter 48 000 Franken einsteigen.<br />
Achtung, Infiniti: Trotz den Optionspaketen «Premium»,<br />
«Premium Tech» oder «Sport» sind die Wahlmöglichkeiten (Lackfarben,<br />
Innendekor, Felgen) viel begrenzter als etwa bei deutschen<br />
Herstellern. Auch Personalisierung wird beim Q50 klein<br />
geschrieben, obwohl verwöhnte Kunden erwiesenermassen viele<br />
Stunden am Konfigurator verbringen und dort ein paar zusätzliche<br />
Franken ausgeben. Ja, und dann immer wieder die typische<br />
Schweizer Frage nach Allrad und Kombi: 4WD gibt es nur mit<br />
Hybrid, und fünf Türen sind nicht vorgesehen. Insofern wird es<br />
der hauptsächlich auf den US-Markt ausgerichtete Q50 in der<br />
europäischen Auto-Landschaft weiter schwierig haben – obwohl<br />
er ein hervorragendes Angebot ist.<br />
Stefan Fritschi, Jahrgang 1966, gehört zur raren Spezies Schweizer Automobilstylisten.<br />
Nach seiner Ausbildung zum Transport- und Industriedesigner<br />
am Art Center College of Design in Vevey war er von 1990 bis 2009 in<br />
verschiedenen Funktionen beim VW-Konzern beschäftigt und dort u. a. am<br />
Design des Golf IV beteiligt; zwischen 20<strong>03</strong> und 07 leitete er das Volkswagen-<br />
Designbüro Shanghai. 2009 machte sich der gebürtige Aargauer selbstständig<br />
und begann zusätzlich als Motorjournalist zu arbeiten. Er kann also nicht<br />
nur Autos entwerfen, sondern sie auch fahrdynamisch beurteilen und darüber<br />
schreiben. Und wird das in <strong>VECTURA</strong> jetzt öfter tun.<br />
026 <strong>VECTURA</strong> #16
ZERO 1<br />
UNZÄHLIGE SUPERLATIVE.<br />
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Die ZERO 1 ist das erste digitale All-in-One-Wireless-Hornsystem der Welt. In<br />
ihm verbinden sich 104 dB Hornlautsprecher, Subwoofer, Multi-Kanal Digitalprozessoren,<br />
sechs 24 Bit DA Converter, Funkmodule und sechs Endstufen mit<br />
insgesamt 1.000 Watt zu einem vollintegrierten, kabellosen Plug & Play-System.<br />
Alles in einer Qualität der Superlative. Bestätigt durch Messresultate, die selbst<br />
erfahrene Experten staunen lassen. Und das zu einem Preis, der zweifellos als<br />
Revolution gelten darf.<br />
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» Umso erfreulicher in diesem Zusammenhang<br />
ist der Preis, der für das hier gebotene schon<br />
fast unglaublich erscheint «<br />
Prof. Anselm Goertz, Universität Aachen (FIDELITY <strong>Mag</strong>azin)<br />
» Das hier ist keine<br />
normale „Box“. Es ist die<br />
Zukunft des Musikhörens «<br />
FIDELITY <strong>Mag</strong>azin 3/2014<br />
» Die wohl dynamischsten<br />
aktiven HiFi-Boxen mit schier<br />
unglaublichem Druck «<br />
STEREOPLAY <strong>Mag</strong>azin 12/2013
INFINITI – DER MARKENNAME IST VOM ENGLISCHEN WORT<br />
FÜR UNENDLICHKEIT (INFINITY) ABGELEITET. DIE PREMIUM-<br />
DIVISION VON NISSAN STARTETE 1989, DOCH ERST<br />
<strong>2015</strong> GELANG ES, EIN HALBJAHRESERGEBNIS VON ÜBER<br />
100 000 VERKAUFTEN AUTOS ZU ERREICHEN. DAS IST<br />
EIN ÜBERSCHAUBARES QUANTUM, UND SO FRAGEN WIR:<br />
HAT DIESE GESCHICHTE ZUKUNFT?<br />
Text Stefan Fritschi · Fotos Werk<br />
War 1990 die erste Limousine ihrer Art: Infiniti Q45<br />
028 <strong>VECTURA</strong> #16
HISTORIE<br />
Per Definition werden 2019 schon die ersten Infiniti-Modelle<br />
zu Oldtimern. Und dies, obwohl die Marke subjektiv doch<br />
eben erst aufgetaucht ist … Das stimmt wohl, allerdings<br />
nur aus europäischem Blickwinkel. Tatsächlich wurde Infiniti erst<br />
2008 auf unserem Kontinent eingeführt und war davor hauptsächlich<br />
auf dem US-Markt sichtbar – von einigen wenigen über den<br />
Grossen Teich geschipperten Exemplaren mal abgesehen. Infiniti-<br />
Fahrzeuge waren anfangs, also ab 1989, nur umgebadgete Nissan-<br />
Modelle; Unterschiede beschränkten sich auf kleinere Details wie<br />
etwa den Kühlergrill. Unter dem neuen Label sollten besonders<br />
die edleren Limousinen, Coupés, Cabrios und SUV ein eigenes,<br />
von der Brot-und-Butter-Marke Nissan abgekoppeltes Image aufbauen.<br />
Honda hatte es mit Acura vorgemacht, Toyota mit Lexus,<br />
und auch Mazda lancierte Anfang der 1990er den Kunstbegriff<br />
Xedos, um mit zwei Baureihen (6 und 9) Höherwertigkeit zu suggerieren.<br />
Letztere verschwanden aber ebenso schnell von der<br />
Bildfläche wie die ganze Marke. Lexus, Acura und Infiniti bilden<br />
somit die drei Speerspitzen der Japaner gegen die etablierten<br />
europäischen Häuser Jaguar, Audi, Mercedes oder BMW, allerdings<br />
hält sich Acura bisher von der Alten Welt fern. Im Gegenzug<br />
hat es die Edelmarke Infiniti in der Heimat Japan nie gegeben,<br />
und das ist bis heute so. Einen Strategie-Konsens gibt es also<br />
nicht, während parallel in Südkorea und China erste ernsthafte<br />
Anstrengungen unternommen werden, um künftig auf internationalem<br />
Parkett in der Luxusklasse mitspielen zu können.<br />
Keimzelle: Das Infiniti M30 Coupé gab es auch als Nissan Leopard<br />
Frühe Derivate-Politik: 1990 erschien das M30 Cabriolet<br />
Der allererste Infiniti anno 1989 war das zweitürige Coupé M30,<br />
dem ein Jahr später ein Cabrio-Ableger folgte. Das Styling des<br />
Duos war schlicht und gradlinig. Mit Ausnahme des Logos – ein<br />
Oval, das eine in die Unendlichkeit führende Strasse umfasst –<br />
war kaum Eigenständigkeit auszumachen. Unter der Haube<br />
surrte ein Dreiliter-V6 mit circa 150 PS, geschaltet wurde via Viergangautomat.<br />
Rundum Einzelradaufhängung und Vierradscheibenbremsen<br />
sowie ein sehr umfangreich ausgestattetes und gediegen<br />
verarbeitetes Interieur gefielen amerikanischen Kunden,<br />
aber weit mehr Aufsehen erregte die fünf Meter lange Limousine<br />
Q45: Deren Package umfasste einen 4,5-L-V8 mit 32 Ventilen,<br />
die Leistung wurde selbstbewusst mit «over 270 hp» angegeben.<br />
Auf Wunsch gab es elektronische Dämpfung oder Vierradlenkung<br />
und damit war der Q45 einheimischen Angeboten haushoch<br />
überlegen. Der Hauptgrund für die Aufmerksamkeit war<br />
jedoch das eigenständige und überaus moderne Styling, welches<br />
bei Designprofessoren jener Zeit gerne als Exempel gelungener<br />
Karosseriegestaltung und als Vorbote der 1990er-Jahre<br />
herangezogen wurde. Der Q45 stellte zwar eine konservative Limousine<br />
dar, war aber von der Flächengestaltung seiner Zeit weit<br />
voraus. Der Kühlergrill war komplett geschlossen, die Felgen aerodynamisch<br />
flach, das Heck sauber modelliert. Kurz: Mit diesem<br />
Auftritt konnte man sich selbst deutschen Konkurrenten stellen.<br />
Konstanz durfte von Infiniti freilich noch nicht erwartet werden –<br />
schon 1991 wurde der erste gute Eindruck mit dem Einsteigermodell<br />
G20 wieder verwässert. Es war schlicht die US-Version<br />
des Nissan Primera und damit baugleich – von edel oder eigenständig<br />
keine Spur. Auch in den kommenden Jahren sollte ein<br />
Auf und Ab zwischen Highlights und Banalitäten das Infiniti-Bild<br />
prägen – ein gutes Beispiel hierfür war die Limousine J30: eigentlich<br />
ein modernes Fahrzeug, 4,8 Meter lang und im Stil des Q45,<br />
aber baugleich mit dem unspektakulären Nissan Leopard und<br />
dazu mit einem stark abfallenden Kofferraum, der bei der anvisierten<br />
Käuferschaft auf wenig Gegenliebe stiess. Der nächste Fehl-<br />
Sprung in die obere Mittelklasse: Infiniti J30 anno 1992<br />
Kaum überzeugend: Der G20 war ein leidlich aufgehübschter Nissan<br />
Profilsuche: Die ersten Infiniti M35 und 45 kamen 20<strong>03</strong><br />
HERBST <strong>2015</strong> 029
HISTORIE<br />
um die «unendliche» Marke scharen würde. Längst sehnten sich<br />
die Händler nach einem Leuchtturm-Modell, welches den Namen<br />
Infiniti in das grosse Markenmeer hinaustragen konnte.<br />
Mit dem Terrano-basierten QX4 betrat Infiniti 1997 das SUV-Revier<br />
tritt folgte 1993, als man dem Q45 per Facelift mit Buick-ähnlichem<br />
Chromgrill seine Eigenständigkeit nahm. Und der 1997 eingeführte<br />
SUV namens QX4 war wiederum nichts anderes als die<br />
US-Version des Nissan Terrano. Das Spiel wiederholte sich 2000<br />
mit dem I30, einem lediglich umbenannten Maxima. Auch die<br />
2001 eingeführte Neuauflage des Q45 war baugleich mit dem<br />
Nissan Cima, wenn auch stilistisch ohne Fehl und Tadel, aber eben –<br />
technisch nur Durchschnitt. Und langsam dämmerte auch den<br />
Verantwortlichen, dass man auf diese Weise keine Fangemeinde<br />
Das kam dann 20<strong>03</strong> – und wie! Der Sport-SUV Infiniti FX45,<br />
ein Entwurf von Mamoru Aoki, einem Studienkollegen des Autors,<br />
war schlicht sensationell und ist es heute noch. Denn das<br />
knapp fünf Meter lange Fahrzeug erschien zu einem Zeitpunkt,<br />
als die Crossover-Welle erst ganz wenige, zögerliche Nischenmodelle<br />
hervorgebracht hatte, und warf mit seinem Coupé-Dach,<br />
dem massiven Grundkörper, der hohen Gürtellinie und riesigen<br />
20-Zoll-Rädern alle Sehgewohnheiten durcheinander, lange<br />
bevor Porsche «Cayenne» und «Macan» sagen konnte. Gleichzeitig<br />
überzeugte der Luxusjapaner mit grossartigen Proportionen,<br />
die jeglichen Zierrat erübrigten. Der Fairness halber muss man<br />
sagen, dass auch der FX45 von einem Nissan abgeleitet war –<br />
dem Murano. Weil er sich aber in Front, Heck und Fenstergrafik<br />
gravierend unterschied, erkannten nur Experten die Verwandtschaft.<br />
Der FX45 machte die Marke über Nacht erfolgreich und<br />
auch bei uns begehrenswert; nicht wenige von freien Importeuren<br />
oder Privatleuten eingeführte Exemplare tauchten bald auf<br />
europäischen Strassen auf. Auch hierzulande verdrehte er einige<br />
Köpfe, und wer ihn fuhr, musste gebetsmühlenartig immer<br />
wieder erklären, was das für ein Auto sei. Nebst dem FX45 mit<br />
V8-Motor und wahlweise Heck- oder Allradantrieb gab es einen<br />
etwas zahmeren FX35 mit V6-Power.<br />
Eine Stufe höher installierte Infiniti eilig den etwas ungelenk gezeichneten<br />
Grossgeländewagen XQ56 auf Nissan-Armada-Basis;<br />
auch eine Etage tiefer blieb man nicht untätig. 20<strong>03</strong> erschien der<br />
Marktöffner: Mit dem trendigen<br />
Sport-SUV FX45 wurde Infiniti<br />
20<strong>03</strong> quasi über Nacht weltbekannt<br />
<strong>03</strong>0 <strong>VECTURA</strong> #16
sofort als Infiniti identifizierbare G35 – wahlweise als sportliche<br />
Limousine oder als Coupé mit feinem V6 (250/280 PS); 2007 gab<br />
es die Neuauflage. Darüber, aber noch unterhalb des Q45, erschien<br />
2005 die viertürige Limousine M35/M45, und mit Beginn<br />
des neuen Jahrhunderts war Infiniti mit einem Mix aus Nischenund<br />
Volumenfahrzeugen plötzlich relativ breit aufgestellt.<br />
Die zweite FX45-Generation feierte ihre Weltpremiere 2008 in<br />
Genf – und blieb. Denn ab jenem Jahr war das Auto wie eingangs<br />
erwähnt auch offiziell in Europa zu haben, wenn auch mittlerweile<br />
unter der Bezeichnung QX70; dazu kam eine kleine Auswahl anderer<br />
Modelle. Das Portfolio umfasst inzwischen sechs Fahrzeuge:<br />
die Limousinen Q50 (siehe Seite 020 ff.) und Q70, einen<br />
Q60, den es als Coupé und Cabrio gibt, sowie die beiden SUV-<br />
Reihen QX50 und QX70. Am letztjährigen Pariser Salon wurde<br />
der Q80 Inspiration als künftige Antwort auf S-Klasse, A8, 7er<br />
oder XJ gezeigt; seine Fliessheck-Karosserie soll als deutliche<br />
Abkehr vom Mainstream hin zu mehr Eigenständigkeit interpretiert<br />
werden. Die kleineren, volumenträchtigen und daher besonders<br />
wichtigen Q30 und QX30 stehen bereits in den Startlöchern.<br />
Alle Modellbezeichnungen sind inzwischen einheitlich auf Q und<br />
QX geändert worden und dahinter folgt eine zweistellige Zahl,<br />
um die Positionierung anzugeben. Der frühere Buchstaben- und<br />
Ziffernsalat ist passé. Dieses Line-up macht zwar klar, dass es<br />
sich um ein auf den US-Markt ausgerichtetes Modellprogramm<br />
handelt. Doch immerhin sind einige Infiniti zwischenzeitlich als<br />
Hybrid oder mit Dieselmotor erhältlich. Einzig die in Europa trotz<br />
SUV-Boom nach wie vor gefragten Kombis werden von den Japanern<br />
bisher konsequent ignoriert.<br />
Das noch lückenhafte Angebot – wo sind der Luxusvan oder ein<br />
waschechter Sportwagen? – mag mit ein Grund dafür sein, dass<br />
sich Bekanntheit und Verbreitung derzeit noch sehr in Grenzen<br />
halten. Der Trend im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> verlief dank der Einführung<br />
des Q50 zwar positiv. Gesamthaft wurden gemäss «Auto<br />
Schweiz»-Statistik bei uns aber gerade mal 86 Infiniti verkauft.<br />
Zum Vergleich: Lexus setzte im gleichen Zeitraum 527 Fahrzeuge<br />
ab, Maserati 429, Jaguar 367, und selbst Aston Martin kommt<br />
mit 77 Exemplaren auf ein ähnliches Niveau. Immerhin: Weltweit<br />
verkaufte Infiniti im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> erstmals über 100 000<br />
Einheiten – 70 000 in den USA, 18 000 in China und 11 000 im<br />
EMEA-Raum (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Auf zwölf Monate<br />
macht das also plus/minus 200 000 Fahrzeuge, während Lexus<br />
in 2014 weltweit 584 000 verkaufen konnte – von den anderen<br />
Premium-Herstellern ganz zu schweigen.<br />
Die Infiniti Motor Company Ltd. sitzt übrigens nicht in Japan, sondern<br />
in Hongkong. Von dort aus steuert der kürzlich von BMW<br />
abgeworbene deutsche Markenchef Roland Krüger auch den<br />
Vertrieb in den derzeit über 50 Infiniti-Märkten. Die EMEA-Zentrale<br />
im waadtländischen Rolle wird von François Goupil de Bouillé<br />
geleitet. Die Fahrzeugfertigung erfolgt in Japan, Decherd (Tennessee,<br />
USA) und Xiangyang (China). Der kommende Q30/QX30<br />
basiert technisch auf der Mercedes A-Klasse – die Stuttgarter<br />
sind seit fünf Jahren Kooperationspartner von Renault-Nissan,<br />
liefern unter anderem auch Dieselmotoren für Infiniti – und wird<br />
im englischen Sunderland vom Band laufen; ab 2017 ist zudem<br />
eine Fertigung in Mexiko angedacht.<br />
Im hart umkämpften Europa ist das Ziel klar definiert: de Bouillé<br />
will die 6000 in 2014 verkauften Autos bis 2018 auf 40 000<br />
Fullsize-SUV: In den USA sind die grössten QX-Modelle recht beliebt<br />
Alle Achtung: Das G35 Coupé verschaffte sich schnell Respekt<br />
Erhöht die Stückzahlen: EX35 unterhalb der FX-Serie<br />
G Convertible: Inzwischen bedient Infiniti auch Nischen<br />
HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>1
HISTORIE<br />
Chauffeurs-Limousine: der aktuelle Q70L<br />
hochschrauben, was schwierig werden dürfte, aber wir lassen<br />
uns gerne positiv überraschen. Europa ist konservativ und trieft<br />
vor Historie, Infiniti ist dagegen ein Kunstbegriff, eine Design-<br />
Marke vielleicht, aber ohne Tradition oder Herkunft. Und doch<br />
kann gerade Letzteres von Vorteil sein. Denkt man beispielsweise<br />
an Cadillac, dann parkiert vor dem inneren Auge oft noch<br />
ein flossenbewehrtes, Benzin-gurgelndes Chrommonster. Infiniti<br />
hingegen ist ohne jeglichen negativen Ballast, sondern jung, unbeschwert,<br />
zukunftsträchtig. Das Mutterhaus Nissan gewährleistet<br />
bezüglich Technologie und Finanzen die Sicherheit eines<br />
Grosskonzerns, und die Assoziation muss man in jüngster Zeit<br />
dank Qashqai und Juke auch nicht mehr gross verheimlichen.<br />
Allerdings war es immer schon eine Sünde, identische Autos unter<br />
verschiedenen Namen zu verkaufen – im Internet-Zeitalter erst<br />
recht. Bezüglich einer Markenintegrität haben sowohl Infiniti als<br />
auch Nissan Nachholbedarf. Und auch das Thema der emotionalen<br />
Aufladung – Stichwort Rennsport – ist schwierig. Zwar gibt<br />
es seit 2013 das Formel-1-Team Infiniti Red Bull Racing, doch das<br />
fährt mit Renault-Motoren und jeder weiss, dass Infiniti-Ingenieure<br />
wohl kaum an der Entwicklung des Renners beteiligt waren. Die<br />
Verbindung ist reines Marketing, eine arrangierte Ehe.<br />
Für Infiniti schon interessanter ist «Gran Turismo 6» für die Sony-<br />
Playstation. Eigens für diesen Megaseller hat man im Infiniti-<br />
Designstudio Peking eine Konzeptstudie entworfen, diese anschliessend<br />
von Hand modelliert und dann wieder in digitale<br />
Daten verwandelt. Nissan ist in Sachen Videospiele ein Pionier,<br />
der das Werbepotential schon früh entdeckte. Die Studie «Vision<br />
Gran Turismo» soll denn auch die Essenz der Marke darstellen –<br />
quasi Infiniti als Konzentrat. Wenn etwas Ähnliches in wenigen<br />
Jahren tatsächlich auf die Strasse käme, könnte sich die FX45-<br />
Geschichte wiederholen. Die Weichen sind also richtig gestellt.<br />
Denn was Infiniti mehr als alles andere braucht, ist Eigenständigkeit.<br />
Und die erreicht man im Automobilbau heute in erster Linie<br />
über das Erscheinungsbild.<br />
Soll Wachstum<br />
beschleunigen:<br />
SUV-Konzept QX30<br />
Zukunftsmusik: Infiniti-Studie Vision GT-1<br />
<strong>03</strong>2 <strong>VECTURA</strong> #16
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Kutscher, Kabine, Koffer: Die klassische Aufteilung –<br />
hier ein französisches Gefährt aus dem<br />
18. Jahrhundert – ist konditioniert<br />
EVOLUTIONÄRE KRAFT<br />
IST DAS STUFENHECK EINE NAHELIEGENDE KONSTRUKTIVE LÖSUNG – ODER<br />
ÜBERHOLTER ANACHRONISMUS? DIE DISKUSSION UM DEN «RICHTIGEN» AUF-<br />
BAU WIRD SEIT DEM BENZ-DREIRAD GEFÜHRT, ZUWEILEN WENIG RATIONAL. EIN<br />
ERKLÄRUNGSVERSUCH<br />
Text Stefan Fritschi · Fotos Diderots Enzyklopädie, Werk<br />
Warum kaufen gewisse Kulturkreise mehr Stufenheck-Fahrzeuge<br />
als wir Westeuropäer – wenn<br />
man von der Iberischen Halbinsel einmal absieht,<br />
wo diese Bauweise nach wie vor stark goutiert wird? Auch<br />
in Osteuropa, sprich Bulgarien oder Rumänien, stehen separat<br />
umblechte Kofferräume bei Käufern nach wie vor sehr hoch im<br />
Kurs. Mehr noch: Der Ablösungsprozess durch Kompaktwagen<br />
oder Kombimodelle fand in jenen Ländern kaum statt. Und<br />
während wir das hier schreiben, merken wir: Karosserievielfalt,<br />
Crossover, Fusion Design – das sind einseitige Wahrnehmungen<br />
von uns, das ist ein Tunnelblick.<br />
Die Ursache dieser Stufenheck-Präferenz ist im Kutschenzeitalter<br />
zu suchen. Vor dem eigentlichen Wagen markierte die Anzahl der<br />
Zugpferde die Wichtigkeit der Insassen, ergo gilt bis heute: je länger<br />
die Motorhaube, umso bedeutender die Passagiere. Natürlich<br />
reflektierte auch die Nachhut den jeweiligen Wert eines Reisenden:<br />
Je mehr Gepäck die Herrschaft mit sich führte – man denke<br />
nur an die diversen überdekorierten Krönungskutschen der Königshäuser<br />
–, umso würdevoller (und reicher) war sie auch. Die<br />
edelste und eleganteste Form der Pferdekutsche war denn auch<br />
ein Stufenheck – dieses Bewusstsein hat sich ins Automobilzeitalter<br />
retten können – ganz besonders in noch vergleichsweise<br />
jungen Auto-Nationen wie den eingangs genannten – oder in<br />
China. Dort liebt man das Stufenheck und diese Sichtweise ist sogar<br />
plausibel erklärbar: Das Three-Box-Design hat im Gegensatz<br />
zum Heckklappen-Modell die Eigenschaft, die Passagiere<br />
nicht mit Gepäck-Angelegenheiten zu behelligen – oder deren<br />
Hinterköpfe gar unangenehmer Zugluft auszusetzen, wenn der<br />
Kofferraum geöffnet wird. Bekanntlich sitzen in China ja bedeutende<br />
Menschen im Fond, deren noch junger Automobilgeschmack<br />
sich bevorzugt an historischen Beispielen aus der Kaiserzeit orientiert.<br />
Also an Sänften, die – je nach Status der Transportierten –<br />
von zwei, vier oder gar zehn Dienern getragen wurden und heute<br />
als optische Vorlage für ein als standesgemäss empfundenes<br />
Automobildesign herhalten müssen: Wichtig ist richtig.<br />
Die Denkweisen pro Dreivolumenkarosserie sind also konditioniert<br />
und weltweit ähnlich. Genauer gesagt stellen sie die vorherrschende<br />
Geschmacksrichtung dar: Das kompakte Steilheck<br />
dominiert seit Mitte der 1960er-Jahre lediglich die Parkplätze von<br />
Nordwesteuropa, das bis heute vom Stufenheck umzingelt ist.<br />
Auch jenseits des Atlantiks ist das Stufenheck «mainstream»; in<br />
den USA müssen selbst zweitürige Coupés hinten einen Knick<br />
tragen. Der 1966er Oldsmobile Toronado behielt sein Fliessheck<br />
gerade mal drei Jahre, bevor er von der Realität eingeholt und<br />
fortan mit extra abgekantetem Kofferraum verkauft wurde. Besonderheit<br />
der Vereinigten Staaten damals: Neue Autos hatten eleganter<br />
und imposanter auszusehen und jeweils ein paar Inch länger<br />
<strong>03</strong>4 <strong>VECTURA</strong> #16
SCHULTERBLICK<br />
zu sein als ihr Vorgängermodell. Nur so liess sich in der Vorstadtsiedlung<br />
der steigende Wohlstand des Ernährers dokumentieren.<br />
Das ging, bevor man den SUV bemühte, natürlich am einfachsten<br />
mit angesetztem Kofferraum, während ein Fliessheck jeden Wagen<br />
optisch kompakter wirken lässt. Solche Autos waren jedoch<br />
stets in preisgünstigen unteren Fahrzeugklassen positioniert; der<br />
«Hatchback» galt als «Einwandererauto», das kein aufstrebender<br />
Abteilungsleiter vor der Einfahrt stehen haben wollte.<br />
Dass Nordamerika in den 1970er-Jahren letztlich trotzdem mit<br />
kleineren Autos liebäugelte, lag an der Ölkrise. Und es führte<br />
dazu, dass Volkswagen den Golf (alias Rabbit), Renault den 5<br />
(alias Le Car) oder Talbot-Simca den Horizon (alias Dodge Omni)<br />
in den Verkauf brachten, wenn zunächst auch recht erfolglos. Die<br />
europäischen Importeure hatten nicht erkannt, dass Stufenheck-<br />
Derivate in den USA populärer gewesen wären; der spätere Erfolg<br />
des VW Jetta beweist es. Die Amerikaner selber agierten<br />
mit eigenen Kompaktwagen im Stil der AMC Gremlin und Pacer<br />
sowieso glücklos. Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />
der Renault 9: Dieses Auto wurde im Zuge der Übernahme der<br />
American Motors Company durch Renault im Hinblick auf den<br />
AMC-Heimatmarkt als Stufenheck von Giugiaro entworfen und<br />
dann als Renault Alliance verkauft – auch als schönes Convertible.<br />
Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass der europäische<br />
Kompaktmarkt, die sogenannte Golf-Klasse, für den R9 nicht<br />
mehr infrage kam – das Auto floppte.<br />
Die Dreivolumenkarosserie bietet noch andere, ganz naheliegende<br />
Vorteile: So ist ein kleiner Kofferraumdeckel einfacher zu<br />
bedienen als eine Riesenklappe. Der Einkauf fliegt im Falle eines<br />
Falles nicht im ganzen Innenraum herum, sondern verbleibt brav<br />
in seinem Abteil. Das verbirgt seinen Inhalt auch vor neugierigen<br />
Blicken, die beim Kombi mittels Abdeckung oder Rollo verhindert<br />
werden wollen.<br />
Dass fünftürige Autos letztlich an Popularität gewannen, hatte<br />
mit den steigenden Transportbedürfnissen für Familie und<br />
Hobby zu tun – der Siegeszug des variableren Kombi war unaufhaltbar.<br />
Doch auch hier gilt: Wer seine Möbel nicht selbst<br />
zusammenschrauben muss, sondern es sich leisten kann, diese<br />
fixfertig liefern zu lassen, fährt Stufenheck. Es punktet somit wieder<br />
beim Prestige.<br />
Das Stufenheck ist deshalb auch in unseren Breitengraden trotz<br />
zeitweiligem Mittelscheitel-Image nie ganz von der Bildfläche verschwunden.<br />
Es markiert eine Art «Baumgrenze», die Kombis und<br />
Kurzhecks niemals überschreiten können. Luxuslimousinen werden<br />
allenfalls als Einzelstücke mit Kombiheck gebaut. Prestige und<br />
Oberklasse gibt es nun mal nur mit Stufe. Wer den Automarkt in<br />
den letzten Jahren beobachtet hat, wird trotz SUV-Boom gar eine<br />
Stufenheck-Renaissance feststellen, und dies notabene auch in<br />
kleineren Wagenklassen. So hat Audi die für China konzipierte viertürige<br />
A3-Limousine auch in das Europa-Programm aufgenommen<br />
und Volkwagen rechnet beim neuesten Passat damit, im Vergleich<br />
zum Vorgänger mehr Stufenhecks verkaufen zu können – ganz einfach<br />
weil die viertürige Version mindestens so schön ausgefallen ist<br />
wie der Variant; auf einen CC hat man diesmal komplett verzichtet.<br />
Nicht zuletzt sind viele Automobilhersteller verstärkt auf die USA<br />
und China ausgerichtet – und haben folglich kaum noch Kombis im<br />
Programm. Ein weiterer Grund ist sicher auch die Völkerwanderung<br />
unserer Tage: Aus Ost- oder Südeuropa stammende Mitbürger<br />
dürften ihrem Automobilgeschmack auch weiterhin treu bleiben.<br />
Doch könnten künftig neue Technologien der Trennung von Motor-,<br />
Passagier- und Kofferraum den Garaus machen? Beim Elektroantrieb<br />
beispielsweise können ja die Motoren in den Rädern<br />
und die Batterien über das ganze Fahrzeug platziert sein. Wenn<br />
also die lange Motorhaube entfällt, macht auch ein angehängter<br />
Koffer keinen Sinn mehr … Oder sind vielleicht neue Verkehrssysteme,<br />
die reine Fahrkabinen im Stil des Smart hervorbringen,<br />
das Ende traditioneller Karosserieformen, weil wir nur noch uns<br />
selbst, aber kein Gepäck mehr transportieren? Theoretisch ist das<br />
möglich, aber wir glauben, dass sich der Schuhkarton spätestens<br />
dann als Alternative zurückmelden würde, wenn es darum ginge,<br />
eine Standardform zu finden. Bei allen Erklärungsversuchen und<br />
der eingangs gestellten Frage nach dem Warum ist die Wahrheit<br />
vielleicht eine ganz banale: Stufenhecks haben einfach den<br />
schöneren Rücken. Punkt.<br />
Koffer aus Coventry: Um welches Modell handelt es sich? Mail schreiben und ein <strong>VECTURA</strong>-Jahresabo gewinnen! antwort@prestigemedia.ch<br />
HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>5
BRIEF AUS MELBOURNE<br />
Ford Ranger Pick-up<br />
SACKGASSE AUSTRALIEN?<br />
FAST 70 JAHRE LANG KAM DER FÜNFTE KONTINENT IN DEN GENUSS VON<br />
AUTOS, DIE SPEZIELL FÜR SEINE GEOGRAFISCHEN UND KULTURELLEN<br />
BEDÜRFNISSE VOR ORT ENTWICKELT UND AUCH GEBAUT WURDEN. UND ES<br />
SIND GENAU DIESE FAHRZEUG-SPEZIFIKA, DIE JETZT UNVERMEIDBAR ZUM<br />
UNTERGANG DER NATIONALEN AUTOMOBILINDUSTRIE BEITRAGEN<br />
Text Byron Mathioudakis · Fotos Werk<br />
Es gehört zum Allgemeinwissen, dass die jahrtausendelange<br />
Abgeschiedenheit Australiens zu einer Pflanzen- und<br />
Tierwelt geführt hat, die einzigartig ist. Viele dieser Spezies<br />
haben zwar bis heute überlebt oder blühen noch, aber die meisten<br />
sind ausgestorben.<br />
Ähnliches widerfährt derzeit der seit 1948 vorhandenen heimischen<br />
Autoindustrie. Sie hat Modelle entworfen und umgesetzt,<br />
die genau auf die besonderen Anforderungen dieses riesigen Kontinents<br />
zugeschnitten waren. Mehr noch: Bis heute gehört diese<br />
Industrie zu den weltweit wenigen, die über das Know-how und die<br />
Ressourcen verfügen, ein Fahrzeug von Grund auf zu entwickeln.<br />
2017 soll damit nun Schluss sein. Was ist passiert, und hat diese<br />
Branche down under überhaupt noch eine Zukunft?<br />
Nach der Staatsgründung 1901 war Australien damit beschäftigt,<br />
eine unabhängige Nation zu werden, während ein Grossteil der<br />
Transportinfrastruktur ausserhalb der Metropolen Melbourne oder<br />
Sydney bestenfalls aus einspurigen Strassen bestand (und das<br />
immer noch tut), welche damals häufig noch in unbefestigte Pisten<br />
mündeten, um dann in raue, ungastliche Gegenden wie Buschland<br />
oder Outback zu führen.<br />
In gewisser Weise mussten Autos jene Eigenschaften mitbringen,<br />
die heute gestandenen 4x4 zu eigen sind – einen robusten<br />
Charakter und viel Bodenfreiheit. Und weil die Distanzen mit tausenden<br />
Kilometer zwischen den meisten Plätzen enorm waren,<br />
sind Zuverlässig- und Haltbarkeit unabdingbare Voraussetzungen<br />
gewesen. Tatsächlich ging es unter extrem heissen Bedingungen<br />
um nicht weniger als Überleben oder Umkommen, wenn es zu einer<br />
Fahrzeugpanne kam. Dann musste der Fahrer in der Lage sein,<br />
den Defekt vor Ort zu beheben – oder er starb. Man darf dabei<br />
nicht vergessen, dass noch 1930 gerade mal 6,5 Millionen Einwohner<br />
eine Landmasse von 7,6 Millionen Quadratkilometer<br />
bevölkerten. Australien ist eines der grössten Länder der Erde; die<br />
Dimensionen entsprechen der Population von Paris und Rom,<br />
die man über ganz Europa verteilt.<br />
Wie in den meisten entwickelten Ländern vor dem Zweiten Weltkrieg<br />
gab es auch in Australien viele letztlich gescheiterte Versuche,<br />
lokal ein Auto herzustellen; die Marke Australian Six (1919–25)<br />
ist wahrscheinlich die bekannteste von ihnen. Ihr Motto lautete:<br />
«Gebaut in Australien, von Australiern für Australier». Dieser Claim<br />
sollte dem weltgrössten Automobilproduzenten General Motors<br />
helfen, den Markt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu<br />
dominieren. Schon in der Gründerzeit sind die grossen Geschütze<br />
aus Amerika erfolgreich gewesen, während die meisten anderen<br />
scheiterten.<br />
Ford war 1925 der erste US-Hersteller in Australien und produzierte<br />
in Melbourne das epochale Model T. 1931 wurde dann die<br />
in Adelaide ansässige Pferdekutschenfirma Holden & Frost, welche<br />
auch Autokarosserien auf verschiedenen Chassis hergestellt<br />
hatte (unter anderen denen der US-Hersteller Dodge, Ford oder<br />
General Motors), von GM übernommen. So entstand General Motors-Holden<br />
(GM-H) und mit ihr jenes Gebilde, das die australische<br />
Automobilindustrie werden sollte; zunächst fertigte man GM-Fahrzeuge<br />
der Marken Chevy, Buick, Pontiac und Vauxhall.<br />
1934 entwarfen innovative Ford-Ingenieure dann das erste Coupé-<br />
Nutzfahrzeug – halb Auto und halb Lieferwagen, wurde es unter<br />
der umgangssprachlichen Bezeichnung «UTE» (für Utility) zu dem,<br />
was man künftig als typisch australisches Fahrzeug bezeichnen<br />
würde. Der heutige Ford Ranger Pick-up repräsentiert in diesem<br />
Zusammenhang eine mögliche Zukunft unserer lokalen Autoindustrie,<br />
aber damit greife ich hier vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
«begünstigte» die australische Regierung den Bau eines einheimischen<br />
Fahrzeugs, woraufhin mehrere Firmen, einschliesslich<br />
Ford und Holden, Vorschläge einreichten. GM gewann (mit einem<br />
<strong>03</strong>8 <strong>VECTURA</strong> #16
ausrangierten US-Chevrolet-Entwurf), und so entstand 1948 das<br />
erste Auto mit eigenem Holden-Logo.<br />
Bei ihm handelte es sich in erster Linie um ein viertüriges, sechssitziges<br />
Stufenheck mit Sechszylindermotor, manuellem Dreiganggetriebe,<br />
Heckantrieb und rudimentärer Federung. Die Australier<br />
liebten es! Neben der Tatsache, sehr simpel aufgebaut, zuverlässig,<br />
robust und einfach reparierbar zu sein, war der 48/215<br />
oder schlicht FX genannte Wagen auch erschwinglicher als jedes<br />
andere vergleichbare Fahrzeug. Bis 1958 hatte der FX einen Marktanteil<br />
von 50 Prozent inne. Australien erlebte derweil einen wirtschaftlichen<br />
Aufschwung; Millionen meist europäischer Immigranten<br />
kamen ins Land und halfen dabei, grosse infrastrukturelle<br />
Projekte zu verwirklichen – was viele wiederum ermutigte, enorme<br />
Strecken zurückzulegen. Der Holden wurde ausserdem erfolgreich<br />
in australasiatische und afrikanische Regionen exportiert.<br />
Historischer Crossover: Ford Coupe Utility 302 von 1934<br />
Ford und dann auch Chrysler folgten dem Beispiel übereinstimmend<br />
mit ihren Baureihen Falcon (1960–2016) beziehungsweise<br />
Valiant (1962–81), die nach dem gleichen konservativen Muster –<br />
riesige Karosserie und Sechszylinder – gestrickt waren, das den<br />
Australiern so sehr gefiel. So blieb es auch in den Folgejahren, zumal<br />
grosse Fahrzeuge dominierten.<br />
Beispiellose Erfolgsgeschichten: oben der Ford Falcon, hier als XK<br />
1960/61, unten Holden Commodore, im Bild ein VB-Modell (1978–80)<br />
Zu jener Zeit schützten zusätzlich strenge Importquoten sowie<br />
Strafzuschläge die heimische Industrie, was wiederum viele Hersteller<br />
dazu bewegte, ihre Produkte vor Ort aus CKD-Bausätzen<br />
zu montieren (Completely Knocked Down), die ganz woanders<br />
produziert worden waren. Letztlich stellten die British Motor Corporation,<br />
Volkswagen, Renault, Peugeot, Rootes (Hillman), Standard/Triumph,<br />
Toyota und Nissan hier Autos her. Dennoch strauchelten<br />
die meisten von ihnen, als die Verschiffung von CKD-Teilen<br />
aus Europa oder Amerika zu teuer wurde und billigere japanische<br />
Modelle wie der Datsun 1600 oder ein Honda Civic mehr Gegenwert<br />
und Zuverlässigkeit boten.<br />
Besonders Japan erkannte in Australien einen idealen Testmarkt<br />
für seine blutjunge Nachkriegs-Autoindustrie, weil Nissan beziehungsweise<br />
Datsun oder Toyota hier seit den späten 1950er-Jahren<br />
gekauft wurden. Deren Rezept gegenüber anderen Herstellern<br />
war effektiv: hohe Qualität, vergleichsweise geringe Anschaffungskosten<br />
und eine üppige Serienausstattung. Australische Autofahrer<br />
konnten gar nicht genug von ihnen kriegen. Steigende Benzinpreise<br />
sorgten in den 1970ern für noch mehr Nachfrage, und<br />
Mitte der 1980er-Jahre hatten sich Kleinwagen wie Corolla, 323,<br />
Bluebird und Colt im Verkehrsbild etabliert.<br />
Sowohl die Amerikaner als auch die Europäer hielten parallel dagegen,<br />
um Holden (wo man 1978 den Opel Senator adaptiert hatte,<br />
um daraus einen Commodore zu machen) und Ford herauszufordern<br />
– mit unterschiedlichen Ergebnissen. 1973 führte BMC/British<br />
Leyland, bisher mit den frontgetriebenen Modellen Morris Mini und<br />
1100 vertreten, den heckgetriebenen P76 als direkten Holden-<br />
Rivalen ein. Dieser Sedan war technisch anspruchsvoller, schlechter<br />
zusammengebaut, wies ein polarisierendes Styling auf – und<br />
scheiterte kläglich, was Leyland letztlich dazu zwang, die australische<br />
Fertigung aufzugeben. Zur selben Zeit erfreute sich der<br />
US-basierte Valiant zwar grosser Popularität, doch als Chrysler<br />
1971 den extra für Australien konzipierten Nachfolger präsentierte,<br />
war er den Kunden schlicht zu gross ausgefallen. Mitsubishi dagegen<br />
schwamm mit der Sigma-Mittelklasse auf einer Woge des<br />
Erfolges – und übernahm 1980 die Reste von Chrysler Australia<br />
einschliesslich des Werks in Adelaide, das fortan unter Mitsubishi<br />
Motors Australia Limited (MMAL) firmierte.<br />
Was MMAL dann tat, traf nicht nur auf dem roten Kontinent ins<br />
Schwarze, sondern definierte auch den Geschmack US-amerikanischer<br />
und asiatischer Familienväter bis heute: Der visionäre<br />
<strong>Mag</strong>na von 1985 nutzte die japanische Galant/Eterna-Plattform,<br />
war aber 6,5 Zentimeter breiter und auch stabiler gebaut, um den<br />
lokalen Gegebenheiten trotzen zu können. Das Ergebnis war so<br />
brillant, dass es Honda und Toyota dazu animierte, in den USA genau<br />
das Gleiche zu tun; 1990 erschien dort der neue Accord, zwei<br />
Jahre später der Camry. Beide Hersteller dominieren seither den<br />
nordamerikanischen Pw-Markt, MMAL sei Dank. Leider wurde die<br />
gute Idee in Australien nicht patentiert … Der für den Export zum<br />
Diamante umbenannte <strong>Mag</strong>na verkaufte sich in den 1990ern und<br />
2000ern jedenfalls auch in den USA hervorragend.<br />
Und doch deuteten viele Zeichen auf Veränderung hin. Im bisher<br />
bestens funktionierenden Kreislauf, ausladende wie kraftvolle<br />
Sechs- und Achtzylinder-Limos und -Kombis herzustellen, übersahen<br />
Ford und GM, dass sich australische Konsumenten von grossen<br />
Autos abwandten – ganz einfach, weil die nicht mehr benötigt<br />
wurden. Flugreisen waren spottbillig geworden, kleine Fahrzeuge<br />
HERBST <strong>2015</strong> <strong>03</strong>9
BRIEF AUS MELBOURNE<br />
Doch das Timing war denkbar ungünstig, denn kurz darauf lief<br />
alles schief, gingen die Spritpreise durch die Decke, kam es zur<br />
Wirtschaftskrise und 2009 zur GM-Pleite. Die Marke Pontiac wurde<br />
abgeschafft, damit waren die schönen Holden-Pläne nur noch<br />
Makulatur und das Schicksal dieses Herstellers so gut wie besiegelt.<br />
Ford hatte zwar einen neuen Falcon aufgeboten, aber 2010<br />
hatten die Menschen andere Prioritäten, als australische Autos<br />
zu kaufen. Lediglich der hier ab 2004 hergestellte Ford Territory<br />
(bisher der einzige je in Australien gebaute SUV) und der 2011 lancierte<br />
Holden Cruze (auf Chevy-Cruze-Basis) entsprachen aktuellen<br />
Konsumtrends. Alle anderen – Commodore, Falcon, Camry<br />
oder Mitsubishi 380 – parkten dagegen weit ausserhalb der Mode.<br />
Importwagen wie Corolla, Mazda 3, Hyundai i30, Subaru Forester,<br />
Nissan Qashqai, VW Golf und Ford Ranger bestimmten die Verkaufslisten,<br />
während sich die Zukunft der australischen Autoindustrie<br />
immer deutlicher abzeichnete.<br />
Knapp daneben: Der Leyland-Vorstoss geriet in den 1970er-Jahren<br />
zum Riesenflop, während Holden den Markt dominierte – noch<br />
Mit zunehmender Globalisierung machte es inzwischen mehr Sinn,<br />
auf günstige Fertigungsstätten in Thailand, Südkorea und Indien<br />
zurückzugreifen, anstatt in Australien zu produzieren. Die Regierung<br />
gewährte GM, Ford und Toyota vor einigen Jahren zwar noch<br />
Milliarden an Zuschüssen, um sie im Land zu halten (Mitsubishi<br />
hatte bereits 2008 den Stecker gezogen), doch erwiesen sich auch<br />
solche Massnahmen auch angesichts eines starken Australien-<br />
Dollar als finanziell nicht nachhaltig genug: Im Mai 2013 kündigte<br />
der einstige Down-Under-Pionier Ford an, seine Falcon- und Territory-Werke<br />
Melbourne und Geelong im Oktober 2016 schliessen<br />
zu wollen. Es war ein schwarzer Tag für die australische Wirtschaft,<br />
mit entsprechend medialem Nachbeben. Im Dezember<br />
gab dann auch GM bekannt, «Australiens eigene Marke» Holden<br />
2017 einzustellen – und im Februar 2014 erklärte Toyota die Camry-<br />
Produktion ab 2017 als beendet.<br />
Diese Hiobsbotschaften bedeuteten gleichzeitig das Aus für zehntausende<br />
Jobs in der Fertigung und bei den Zulieferern, aber wirklich<br />
überrascht war niemand. Australien hatte den automobilen Anschluss<br />
längst verpasst.<br />
immer besser und im Zuge des steigenden Verkehrsaufkommens<br />
auch geeigneter. Zudem zogen die Benzinpreise an und traditionelle<br />
Kernfamilien, die typischerweise aus Vater, Mutter und zwei Kindern<br />
bestanden hatten, kamen bedingt durch starke Zuwanderung und<br />
den damit einhergehenden kulturellen Unterschieden immer seltener<br />
vor. Kurz: In den späten 1990ern brauchte eigentlich niemand<br />
mehr ein Vierliter-Stufenheck mit fünf Sitzplätzen und Wohnwagen-Zugfahrzeug-Qualitäten.<br />
Familien nahmen den Flieger, während<br />
Commodore und Falcon immer mehr wie Dinosaurier wirkten.<br />
Rückblickend fast unglaublicherweise reagierten die australischen<br />
Hersteller noch schnell genug. Während die C- und SUV-<br />
Segmente dramatisch anzogen, fiel der Strassenkreuzer-Absatz<br />
ins Bodenlose. Dennoch entwickelte Holden fast trotzig und mit<br />
Milliardenaufwand den VE Commodore. Und die grösste jemals<br />
in diesem Land gebaute Stufenheck-Limousine blieb keine reine<br />
Ignoranz – Holden gewann mit ihr einen lukrativen Exportauftrag.<br />
In den Vereinigten Staaten verkaufte man das Auto ab 2008 als<br />
Pontiac G8, in England als Vauxhall und anfänglich auch unter<br />
dem Saab-Label.<br />
Aber noch ist nicht alles verloren. Ford Australia wird sein hervorragendes<br />
Design- und Entwicklungszentrum in Melbourne erhalten,<br />
um dort den Nachfolger des sehr beliebten, in 180 Ländern<br />
verkauften Ranger zu entwerfen. Ausserdem sollen auf der weitläufigen<br />
You-Yang-Entwicklungsstrecke viele Baureihen auf ihre<br />
jeweiligen Weltmärkte vorbereitet werden. GM lässt, wenn auch<br />
in kleinerem Massstab, mit einer ähnlichen Dependance ebenfalls<br />
einen Koffer in Australien stehen und hält zudem am Testgelände<br />
Lang Lang nahe der bekannten Phillip-Island-Grand-Prix-Strecke<br />
bei Melbourne fest. Ganz in der Nähe verfügt Nissan – trotz dem<br />
1992 vollzogenen Ende einer eigenen Fahrzeugherstellung – noch<br />
über eine kleine australische Produktionsstätte, in der Aluminium-<br />
Komponenten für verschiedene Werke in Europa, den USA oder<br />
Japan entstehen.<br />
In diesem etwas seltsamen Sinne ist es also nicht korrekt, von<br />
einem Ende der australischen Automobilindustrie zu sprechen –<br />
selbst wenn das auf die Fahrzeugfabriken zutrifft. Isolierende Faktoren,<br />
die die Fertigung einst überhaupt erst möglich machten, sind<br />
nicht länger relevant. Und doch ist es gerade die Globalisierung, die<br />
Australiens Fahrzeug-Know-how so wertvoll macht. Dieses Wissen<br />
definiert derzeit die Rolle, welche der fünfte Kontinent in der Autowelt<br />
künftig spielen wird – und sei sie noch so klein.<br />
040 <strong>VECTURA</strong> #16
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DAIHATSU COMPAGNO (1963–69)<br />
Der Daihatsu Compagno kommt einem zwar bekannt vor, lässt sich aber schwer<br />
einordnen. Wer auf Autobianchi, Fiat oder einen (von Pininfarina gestylten) Austin<br />
tippt, dem sei verziehen. Die Ursache liegt an der geringen Verbreitung und<br />
an der Tatsache, dass die Karosserie von Vignale gezeichnet worden war – wo<br />
vermutlich auch die Modellbezeichnung erfunden wurde. Auf dem Leiterrahmen-<br />
Chassis entstanden zuerst Lieferwagen, dann folgten die zwei- oder viertürige<br />
Stufenheck-Limousine Berlina und schliesslich noch ein hübsches Cabrio. Der<br />
Compagno war Daihatsus erster Kleinwagen und legte den Grundstein für das<br />
Wachstum der Marke.<br />
Dieser Zweitürer verkörpert eine äusserst rare Spezies. Mit Unterstützung von<br />
Graf Görtz, dem Schöpfer von BMW 507 und Datsun 240Z, entstand sein sehr<br />
gelungenes und eigenständiges Stufenheck-Design – zu einer Zeit, als die<br />
Japaner noch den Westen, hauptsächlich Amerika, kopierten.<br />
Leider waren die Abmessungen für den wichtigen US-Markt<br />
zu klein. Es blieb bei etwas über 500 zwischen 1964 und 68<br />
von Hand gebauten Exemplaren. Dabei hätte dieser schöne<br />
Entwurf definitiv eine weitere Verbreitung verdient gehabt.<br />
DATSUN SYLVIA 1600 COUPÉ (1964–68)<br />
HONDA LEGEND (1985–90)<br />
In den 1980ern stand der Honda Legend – es gab ihn auch als Acura RL (Road<br />
Luxury) und Rover 800 – am Anfang einer steilen Karriere: Manche nannten<br />
ihn den «japanischen Mercedes». Leider wurde nie wirklich etwas daraus; 2010<br />
hat man den Europa-Verkauf eingestellt. Dabei trug doch insbesondere die erste<br />
Generation, intern KA1-KA6 genannt, ein sehr gefälliges und modernes Kleid,<br />
auch wenn sich die Designer die Audi-Quattro-ähnlichen Backen hätten sparen<br />
können. Aber auch innen war alles top, Technik top, Preis und Ausstattung<br />
sowieso. Was lief schief? Der Name! Honda ist halt Motorrad oder Civic, aber<br />
nicht Legend.<br />
ISUZU BELLETT (1963–73)<br />
Isuzu ist bei uns nur als Lieferant von Last- und Lieferwagen, allenfalls vielleicht als<br />
4x4-Produzent bekannt. Doch es gab auch einige Personenwagen, beispielsweise<br />
den zwischen 1963 und 73 produzierten Bellett und das zweitürige Coupé Bellett<br />
GT; beide Versionen wurden ab 1965 von der Isuzu Vertriebs AG im aargauischen<br />
Kölliken für 8750 Franken aufwärts auch in der Schweiz angeboten. Das sauber<br />
gestaltete 4-Meter-Stufenheck hätte auch von einem britischen oder italienischen<br />
Fliessband gelaufen sein können. Aber dafür war der Bellett zu gut verarbeitet …<br />
042 <strong>VECTURA</strong> #16
RÜCKSPIEGEL<br />
LEXUS LS400 (1989–94)<br />
Wer Lexus sagt, denkt meist an das Ur-Modell LS400, das 1989 in den USA lanciert<br />
wurde und ein Jahr darauf schon sehr zügig auch seinen Weg nach Europa fand – und<br />
das Markenbild bis heute prägt. Damals war man geneigt, im sehr strengen, ganz ohne<br />
Zierrat gestalteten Entwurf etwas zu viel S-Klasse zu entdecken. Doch angesichts der<br />
wilden Formen aktueller Lexus-Modelle ist die Frage berechtigt, ob die wohl auch so<br />
langsam altern werden wie der 25 Jahre junge, fast zeitlos wirkende LS400.<br />
MAZDA LUCE 1500/1800 (1966–73)<br />
Dieser Viertürer, im Export mit der Hubraumzahl 1500 oder 1800 bezeichnet,<br />
war für die Marke aus Hiroshima 1966 der Schritt in die Mittelklasse. Unter der<br />
Bezeichnung R130 stand ihm ein Zweitürer mit Wankelmotor zur Seite. Vorbild<br />
der Baureihe war unverkennbar ein anderes sportliches Stufenheck, die Neue<br />
Klasse von BMW, bei der man die Grundform mit luftigem Dachaufbau inklusive<br />
Hofmeister-Knick entlieh. Von den fast 40 000 gebauten Exemplaren fanden<br />
einige den Weg in die Schweiz; laut Preisliste von 1969 ab 9990 Franken.<br />
MITSUBISHI LANCER (1973–79)<br />
Der Lancer eröffnete 1973 als zwei- und viertüriges Stufenheck nicht nur die Unter-4-Meter-<br />
Klasse zwischen Minica und Galant, sondern er war 1977 – lange nach anderen Japan-Marken –<br />
der Startschuss für den Europa-Launch, auch in der Schweiz. Und er ist bis heute im Programm.<br />
Der erste Lancer wirkte wie ein grösseres und teureres Auto. Besonders das Heck<br />
mit Chromschmuck, Hüftschwung und Hochkant-Heckleuchten hat etwas Britisches an sich.<br />
Mangels Heckklappe hiess das Mitsubishi-Zugpferd aber bald nicht mehr Lancer, sondern Colt.<br />
NISSAN BLUEBIRD (1979–83)<br />
Er kam als Datsun und ging als Nissan: Im November 1979 vorgestellt, geriet der<br />
Hecktriebler Bluebird des Baumusters PL910 mitten in den Strudel des Markennamenswechsels,<br />
was aber nichts daran ändert, dass die sehr klar, kantig und schlicht<br />
gezeichnete Karosserie fast schon als klassisch bezeichnet werden kann. Denn sie<br />
schaffte den Spagat, gleichzeitig mehrheitstauglich, aber auch charakteristisch zu<br />
sein. Kam der Vorgänger 180B (in Japan mit der Zusatzbezeichnung Bluebird) noch<br />
recht barock daher, so verwässerte ab 1984 der frontgetriebene Nachfolger das<br />
einst so gelungene Design.<br />
SUBARU XT (1984–90)<br />
Dass man einen Subaru nicht unbedingt wegen dessen Styling<br />
kauft, ist Allgemeingut. Vermutlich gerade deshalb lancierte Subaru<br />
den Designer-Keil XT, der in Japan als Alcyone und in Australien/<br />
Neuseeland als Vortex vermarktet wurde (siehe <strong>VECTURA</strong> #5). Ein Erfolg wurde das extrem kantige Design mit einem hervorragenden<br />
Cw-Wert von 0,29 trotzdem nicht. Sowohl die nach hinten aufragende Karosserie als auch das Cockpit im Flugzeug-Stil waren zu extrem,<br />
zu unausgewogen und zu unpraktisch – und damit am Denkschema der typischen Subaru-Kundschaft vorbeiproduziert.<br />
TOYOTA COROLLA E20 (1970–74)<br />
Wie konnte ein so konservatives Auto nur so erfolgreich werden? Die ersten<br />
vier Generationen seit 1966 waren schlichte Hecktriebler mit Starrachse<br />
und Stufenheck. Es gab zwar Kombis und später sogar «Liftback»-Variationen<br />
(Fliessheck), aber ein Kompakt-Fronttriebler mit Corolla-Schriftzug<br />
kam erst 1983. Die hier gezeigte zweite Generation ist archetypisch für das<br />
japanische Design jener Zeit: eine etwas schüchtern gezeichnete Dreivolumenkarosserie<br />
mit leicht barocken Details hier und dort, dazu eine verspielte<br />
Front im US-Stil. Aber eben – weltweit höchst populär.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 043
KLASSISCHE STUFENHECK-TRÄGER – DAS WAREN<br />
SOWOHL BUTTERBROT-AUTOS ALS AUCH DELIKA-<br />
TESSEN, NICHT NUR IM KONSERVATIVEN JAPAN. UND<br />
DESHALB FOLGEN HIER ZEHN EVERGREENS AUS ALLER WELT<br />
Text map · Fotos Werk<br />
ASTON MARTIN LAGONDA (1978–90)<br />
Das Erstaunlichste an diesem exaltierten Brit-Saloon ist wahrscheinlich die Tatsache, dass er von William Towns gestaltet wurde –<br />
jenem Herrn also, der uns den traumhaften DBS bescherte. Der streng geometrische Lagonda sollte dagegen nicht nach Aston Martin<br />
aussehen – glücklicherweise, denn die 5,3 Meter lange, aber nur 1,3 Meter hohe (und innen recht enge) Sportlimousine litt unter<br />
allerhand technischen Problemen. In zwölf Jahren entstanden nicht weniger als drei Serien, aber nur 645 Exemplare. Und die gehörten<br />
zum Teuersten, was man damals fahren konnte.<br />
BMW 3ER-REIHE (SEIT 1975)<br />
Ein Stufenheck par excellence – unter anderem auch deshalb, weil das<br />
visionäre Fliessheck-Experiment 02 Touring (1971–74) zu früh kam. Der<br />
flache Kofferraumdeckel blieb beim Dreier jedenfalls Programm, bevor<br />
1987 parallel eine Touring (!) genannte Kombiversion angeboten wurde.<br />
Die Baureihe selbst (im Bild der E36 von 1990–2000) ist jetzt seit 40 Jahren<br />
erhältlich, mittlerweile in ihrer sechsten Generation angekommen, war<br />
immer klar als Dreier erkennbar und gilt auch fahrdynamisch als Benchmark<br />
in der unteren Mittelklasse. Luja, sog i.<br />
CHEVROLET CAPRICE SEDAN (1976–90)<br />
Der Standard-Chevy transportierte Abermillionen Menschen; als Volkswagen<br />
im US-Format verkörpert(e) er Pragmatismus in Grossserie, stand für fragwürdige<br />
Ergonomie (allein das Kofferraumvolumen ist über jeden Zweifel erhaben),<br />
nonchalante Verarbeitung und eine qualitativ kurze Halbwertszeit. Achsenbruch?<br />
Never mind; ein neuer alter Caprice war oft billiger als die Reparatur. Und so starben<br />
die bis zu 5,48 Meter langen Schlitten wie die Fliegen: Erst heute, 25 Jahre<br />
nach Produktionsende, erfährt auch die dritte Generation jene Wertschätzung,<br />
die sie kraft ihrer bestechend schlichten Gestaltung verdient hat. Alles, was<br />
danach kam, sieht aus wie Seife.<br />
CITROËN AMI 6 BERLINE (1961–69)<br />
Die einen halten die Dachpartie für das automobile Pendant zu Louis de Funès,<br />
für die anderen ist sie ein kongenialer Einfall. Klar ist: Der viertürige Ami 6,<br />
damals zwischen 2CV und DS positioniert und als französisches Wortspiel «L’Ami<br />
Six» mit «Fräulein» übersetzbar, lässt niemanden kalt. Das im Jahr 1966 meistverkaufte<br />
Auto Frankreichs leistete zunächst nur 19,5 PS; ab 1968 waren es dann<br />
32, immerhin. Die Anordnung der Heckscheibe war kein Selbstzweck, sondern<br />
der Kopffreiheit der Fondpassagiere und damit einer optimalen Raumausnutzung<br />
geschuldet. Schönheit liegt eben im Auge des Betrachters; bis zum Produktionsende<br />
entstanden über eine Million Einheiten.<br />
044 <strong>VECTURA</strong> #16
RÜCKSPIEGEL<br />
LAMBORGHINI ISLERO (1968–70)<br />
Lange als langweiligster Lambo aller Zeiten abgetan, entwickelt sich der Islero gerade<br />
vom Geheimtipp zur allgemein begehrten Rarität. Der zweitürige, noch von Touring-<br />
Designer Ferruccio Formenti entworfene Sportwagen wurde nur zwei Jahre lang<br />
rund 250 Mal hergestellt und sieht viel weniger wild aus als seine Artgenossen. Genau<br />
diese Mischung aus eigenständig-elegantem Auftritt (man beachte die Klappscheinwerfer<br />
und hoch positionierte Heckstossstange) und souveränen Fahrleistungen<br />
macht den Reiz aus. Die ab 1969 produzierte S-Version verfügte über 350 PS.<br />
MERCEDES-BENZ 190 (1982–93)<br />
OPEL KADETT B (1965–73)<br />
Mit der kompakten, zunächst 4,42 Meter langen Baureihe W210 wagten es die Stuttgarter<br />
vor über drei Jahrzehnten erstmals, ihr Modellportfolio nach unten auszuweiten.<br />
Das Wagnis sollte sich lohnen: Der unter dem damaligen Chefdesigner Bruno Sacco<br />
bewusst anders gestaltete und im Volksmund bald auch als Baby-Benz bezeichnete<br />
190er entwickelte sich zum Bestseller – 1,9 Millionen Einheiten sollten es schliesslich<br />
werden. Kaum zu glauben, dass es schon über zwei Jahrzehnte her ist! Was gleichzeitig<br />
beweist, dass wir es hier mit einem Klassiker von morgen zu tun haben.<br />
Was dem 190er-Mercedes gerade bevorsteht, hat der B-Kadett längst erreicht –<br />
ein ebenso anerkannter wie erschwinglicher Oldie zu sein. Gerade hat er seinen<br />
50. Geburtstag gefeiert; als modernerer Käfer-Konkurrent stand er damals vor<br />
vielen Reihenhäusern, deren Bewohner sich mit ihm erstmals ein Auto gekauft<br />
hatten. Neben der zweitürigen Basisvariante – mit Kofferraumklappe, versteht<br />
sich – gab es weitere Karosserieversionen; bis 1973 fanden 2,6 Millionen einen<br />
glücklichen Besitzer. Der Kadett wurde sogar 2560 Mal in der Schweiz gebaut –<br />
als viertüriger, üppig ausgestatteter Ascona 1700 «montage suisse».<br />
PORSCHE 914 (1969–76)<br />
VOLVO 700 (1982–90)<br />
So viel vorweg: Die Idee, einen Volks-Porsche zu bauen, fand 120 000 Liebhaber. Das Konzept<br />
war ebenso simpel wie bestechend: unter vier Meter Länge, zwei Sitze, ein luftgekühlter<br />
Boxer-Mittelmotor und ein Targadach, das bedarfsweise unter dem Heckdeckel Platz<br />
fand. Damit war der 914 auch Vorbild für den ab 1972 gebauten Fiat X1/9, der sich ebenfalls<br />
durch ein Stufenheck auszeichnete. Den 914 dagegen konnte und kann man im Notfall<br />
sogar als Dreisitzer nutzen; eine seitlich angeordnete Handbremse mach’s möglich. Besonders<br />
gesucht sind heute die vergleichsweise seltenen Sechszylindermodelle mit 110 PS.<br />
Der schwedische Hersteller hat dem Stufenheck in den 1970er- und 80er-Jahren<br />
intensiver gefrönt als die meisten anderen Automarken, doch mehr Kante als bei<br />
der Gehobene-Mittelklasse-Limousine 760/740 gegen die selbst die Vorgänger-<br />
Baureihe 260 rundlich wirkte (das markante Styling stammte vom langjährigen<br />
Hausdesigner Jan Wilsgaard), hat es seither nicht mehr gegeben. Darauf standen<br />
nicht nur die Skandinavier, sondern auch US-Kunden. Der im 760 bis zu<br />
182 PS starke wie kompakt-leichte PRV-V6-Benziner (1974–98) kam übrigens<br />
auch bei Peugeot, Renault, Alpine, DeLorean, Lancia oder Venturi zum Einsatz.<br />
KARMANN GHIA TYP 34 (1961–69)<br />
Der 4,28 m lange «grosse Karmann» Typ 34 folgte sechs Jahre nach dem kleinen (Typ 14)<br />
und trug ebenso Stufenheck wie jener bis zu 54 PS leistende Volkswagen Typ 3, auf dem<br />
er konstruktiv basierte. Doch anders als der 14er, der zwischen 1955 und 74 fast eine halbe<br />
Million Mal gebaut wurde (über 385 000 davon waren Coupés), war der grundsätzlich geschlossene<br />
34 kein Verkaufserfolg – gerade mal 42 500 Einheiten entstanden. Das macht<br />
die seinerzeit eleganteste, aber auch schnellste und teuerste VW-Baureihe heute so interessant.<br />
Allerdings ist ihre komplexe Blechkarosserie ein restaurierungstechnischer Albtraum.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 045
C-KLASSE À LA MODE<br />
MITTELKLASSE-COUPÉS GEHÖREN ZU MERCEDES-BENZ WIE<br />
SCHÖNE FRAUEN ZUR FORMEL 1: OHNE SIE WÜRDE NATÜRLICH<br />
AUCH WEITERGEFAHREN, UND DOCH WÜRDE ETWAS FEHLEN.<br />
SO IST ES AUCH BEI DER AB DEZEMBER VERFÜGBAREN COUPÉ-<br />
VERSION DER C-KLASSE. WER ALSO NOCH IDEEN FÜR DEN<br />
WEIHNACHTS-WUNSCHZETTEL SUCHT …<br />
Text Claus Engler · Fotos Werk<br />
AHNENGALERIE: MERCEDES-COUPÉS AUS SECHS JAHRZEHNTEN<br />
Barocke Formen: 220 Coupé (W187)<br />
Moderne Zeiten: 220 S (W180 II)<br />
046 <strong>VECTURA</strong> #16
NEUVORSTELLUNG<br />
Ob formal eigenständig, ob eng an die Limousine angelehnt,<br />
entweder besonders chic oder betont sportlich;<br />
mal mit eigenem Namen, mal mit einem schlichten<br />
«Coupé» als Namenszusatz: Die Mittelklasse-Zweitürer von<br />
Mercedes verkörpern über die Jahrzehnte nicht nur den stilistischen<br />
Zeitgeist der jeweiligen Epochen, sondern geben stets<br />
auch Hinweise auf kommende Trends. So sind sie immer auch<br />
Ausdruck der gerade in der Markenführung vorherrschenden<br />
Mode gewesen. Und trotz dieser scheinbaren Launenhaftigkeit<br />
verkörpern sie eine Konstante in der Mercedes-Welt.<br />
Nun also das neue C-Klasse Coupé. Der aktuelle Akzent der intern<br />
C205 genannten Baureihe liegt auf Sportlichkeit und Fahrspass,<br />
das Fahrwerk ist gegenüber der Limousine um 15 Millimeter flacher<br />
angelegt und steht damit bereits bei der 17-Zoll-Serienbereifung<br />
auf Sportniveau. Schärfer ist hier ein optionales Sportfahrwerk mit<br />
strafferer Auslegung von Federung, Dämpfung und Sport-Direktlenkung.<br />
Auf Wunsch gibt es erstmals die Luftfederung Airmatic<br />
mit elektronisch geregelter, kontinuierlicher Verstelldämpfung<br />
an Vorder- und Hinterachse. Hier kann der Fahrer per Schalter<br />
vorwählen, ob er sportlich, komfortabel oder verbrauchsoptimiert<br />
unterwegs sein will. Zum Modellstart stehen zunächst vier Benzinund<br />
zwei Dieselmotoren zur Verfügung. Das Leistungsangebot<br />
reicht vom 1,6-L-Vierzylinder im C180 mit 156 PS zu drei Zweiliter-<br />
Triebwerken mit 184 PS (C200) bis 245 PS (C300); die beiden<br />
Selbstzünder haben wahlweise 170 PS oder 204 PS.<br />
Natürlich wird mehr gehen. Im Januar 2016 folgt das Mercedes-<br />
AMG C63 Coupé, dessen Vierliter-V8-Biturbo entweder 476 oder<br />
510 PS leistet. Um Verwechslungen auszuschliessen, hat das<br />
AMG-Coupé vorne und hinten markant ausgestellte Kotflügel,<br />
dazu Powerdomes auf der Motorhaube sowie einen anderen<br />
Zählt zu den Stil-Ikonen aus Stuttgart: 220 SEC (W111)<br />
HERBST <strong>2015</strong> 047
Wachsender Erfolg Der Stammbaum der Mercedes-Coupés<br />
hat die Form einer knorrigen Eiche: Etwas verwinkelt und ursprünglich<br />
eher im S-Bereich wurzelnd, reichen jüngere Triebe ins<br />
fruchtbare, später E-Klasse genannte Beet, während die kleinsten<br />
Sprösslinge der C-Kultur zuzurechnen sind. Der Beginn jedenfalls<br />
war besonders exklusiv und auf «… wiederholtes Drängen<br />
einzelner prominenter Persönlichkeiten» zurückzu führen,<br />
wie es damals in einem Rundschreiben der Verkaufsabteilung<br />
stand: Vom 220 Coupé (W187) baute man 1954/55 gerade mal<br />
85 Exemplare. Auch die Ponton-Nachfolger 220 S (W180 II) beziehungsweise<br />
220 SE (W 128) waren der Oberklasse verpflichtet<br />
und wurden von 1956 bis 60 in raren Stückzahlen hergestellt.<br />
Das galt zwar auch für den W111 (1961–71), doch immerhin wurden<br />
davon 28 918 Coupés ausgeliefert.<br />
Mehr als die Limousinen verkörpern<br />
die Coupés den stilistischen und<br />
technischen Status quo ihrer Epoche<br />
Erstmals klar Mittelklasse war das parallel lancierte /8-Coupé<br />
(W114, 1969–76), dessen flaches Pagodendach rund 36 000 Fans<br />
gefunden hat. Echte Smash-Hits wurden dann die Nachfolger<br />
C123 (99 884 Exemplare von 1977–85, davon erstmals 15 509 mit<br />
Dieselmotor für den US-Markt) sowie C124 (zwischen 1989–96<br />
ganze 141 498 Mal gebaut). Ihnen allen waren Eleganz, Qualität,<br />
Sicherheit und souveräne Fahrleistungen zu eigen; Fabrikanten-Gattinnen<br />
ohne Mercedes-Coupé schienen künftig nur unter<br />
Aufbietung grösster Phantasie vorstellbar. Vom C124 gab es<br />
dann zwar keinen Diesel mehr, aber erstmals eine AMG-Version.<br />
Seither ist das Mercedes-Coupé der C-Klasse treu geblieben;<br />
schon 1993 hatte eine Coupé-Studie am Genfer Salon für Aufsehen<br />
gesorgt. 1997 ging sie dann als eigenständiges Modell<br />
C208 unter dem Namen CLK in Serie und wurde bis 20<strong>03</strong> über<br />
230 000 Mal gebaut. Nachfolger war der CLK der zweiten Generation<br />
(C209): Zwischen 2002 und 10 entstanden, einschliesslich<br />
Cabriolets, rund 360 000 Einheiten. Daneben gibt es seit<br />
2009 das E-Klasse Coupé (C207), das sich seine Architektur mit<br />
jenem kleineren, 2011 erschienenen C-Klasse Coupé C204 teilt,<br />
das nun Platz für die Neuauflage macht. cle<br />
Moderne Klassiker (von hinten<br />
nach vorne): 250 CE Coupé (W114),<br />
280 CE (C123) und 200 CE (C124)<br />
048 <strong>VECTURA</strong> #16
NEUVORSTELLUNG<br />
Frontspoiler, eine breitere Spur und grössere Räder. Als weitere<br />
wichtige Zutaten müssen das Ride-Control-Sportfahrwerk mit<br />
elektronisch geregelten Stossdämpfern, die andere Auslegung<br />
der Dynamic-Select-Fahrprogramme von komfortabel bis supersportlich,<br />
das Hinterachs-Sperrdifferential oder eine dynamische<br />
Motorlagerung genannt werden.<br />
Alle C-Coupé-Varianten tragen den hochwertigen Diamantgrill<br />
und profitieren zudem von den neuen Proportionen der Motorhaube<br />
– zwischen Stirnwand und Vorderachse ist das Auto sechs<br />
Zentimeter länger als sein Vorgänger. Dahinter folgt ein geducktes<br />
Greenhouse, das harmonisch in die Heckpartie übergeht. Letztere<br />
verrät, dass das S-Klasse Coupé aus dem gleichen Haus stammt.<br />
Die hohe Gürtellinie und rahmenlose Türen mit freistehenden<br />
Aussenspiegeln wie seinerzeit beim /8 sind ebenfalls Signale der<br />
angestrebten Sportlichkeit. Ausserdem, so lehren uns die Stuttgarter<br />
Coupé-Designer unter Gorden Wagener, streckt sich die lang<br />
gezogene seitliche «Dropping-Line» im Gegensatz zur C-Limousine<br />
über das hintere Radhaus. Insgesamt ist das neue C-Coupé<br />
knapp zehn Zentimeter länger und vier Zentimeter breiter geworden<br />
– bei einem ebenfalls um 8 cm gewachsenen Radstand. Das<br />
erweiterte Fahrzeugvolumen ist vorwiegend einem gesteigerten<br />
Raumkomfort für Fahrer und Beifahrer geschuldet; auch im Fond<br />
haben Kopf-, Schulter- und Ellenbogenfreiheit zugelegt.<br />
Leider macht der tägliche Stau auch vor einem Coupé nicht Halt.<br />
Umso erfreulicher ist, dass ein mit Distronic Plus samt Lenkassistent<br />
und Stop-and-go-Pilot ausgestattetes C-Coupé bei<br />
Geschwindigkeiten unter 130 km/h einem vorausfahrenden Fahrzeug<br />
in der Spur folgen und so teilautonom im dichten Verkehr<br />
Neu interpretiert: CLK 230 K (C208)<br />
Optisch leichter: CLK II (C209)<br />
HERBST <strong>2015</strong> 049
NEUVORSTELLUNG<br />
mitschwimmen kann – selbst bei fehlenden oder weniger deutlichen<br />
Spurmarkierungen. Da bleibt dann mehr Zeit zum Hören<br />
und Schauen: Der Frontbass der Burmester-Soundanlage sorgt<br />
für ein Klangerlebnis auf Konzertsaal-Niveau, in dem er das<br />
Volumen der Quer- und Längsträger als Resonanzraum für die<br />
Lautsprecher nutzt. State-of-the-art ist auch eine Navigation,<br />
welche den Fahrer mit präzisen Verkehrsinformationen in Echtzeit<br />
versorgt – Mercedes nennt das «Live Traffic Information» –<br />
und ihre Inhalte jetzt auch interaktiv aufbereitet. Dazu gehört<br />
unter anderem ein animierter Kompass, eine Flugzeug-artige<br />
«Drive Show» mit Informationen für die Passagiere sowie die<br />
Anzeige von Google Maps auf dem Bildschirm.<br />
Neben solchen Ausstattungsmöglichkeiten bietet das Coupé<br />
noch eine Vielzahl anderer nützlicher Zusatzsysteme, etwa den<br />
aktiven Park-Assistenten, dessen teilautomatisiertes Einparken<br />
mit aktiven Lenk- und Bremseingriffen jetzt auch Längs- und<br />
Querparklücken beherrscht. Oder einen adaptiven Fernlicht-<br />
Assistenten Plus, welcher Dauerfernlicht durch gezieltes Ausblenden<br />
anderer Fahrzeuge im Fernlichtkegel ermöglicht. Überhaupt<br />
scheint das Coupé jede Art der Kollision vermeiden zu<br />
wollen: Erwähnt seien in diesem Zusammenhang der Auffahrverhinderer<br />
«Collision Prevention Assist Plus» oder der Bremsassistent<br />
Plus, der nach dem Motto «ich bremse auch für Querverkehr»<br />
agiert.<br />
Fazit: Mehr Auswahl und Komfort hat es im C-Coupé noch nie<br />
gegeben. Und so wagen wir die Prognose, dass sich die Baureihe<br />
schnell einen vorderen Platz im Mercedes-Portfolio erobern<br />
wird.<br />
Farewell: bisheriges C-Klasse Coupé (C204)<br />
Grosser Bruder: aktuelles E-Klasse Coupé (C207)<br />
050 <strong>VECTURA</strong> #16
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Mit einem Schleppzeiger-Chronographen, auch Rattrapante<br />
genannt, lassen sich bei Autorennen bevorzugt Zwischenzeiten<br />
erfassen. Blancpain beherrscht dieses komplexe<br />
mechanische Metier seit 1988. Allerdings haben die Uhrmacher<br />
seitdem kontinuierlich weitergearbeitet und das<br />
8,4 Millimeter hohe Automatikkaliber 69F9 entwickelt. Selbiges<br />
beseelt den weissgoldenen und deshalb sehr dezenten<br />
«L’Evolution»-Chronographen. Neben besagter Zusatzfunktion<br />
verfügt das exklusive Uhrwerk auch über eine so<br />
genannte Temposchaltung: Wenn es auf der Piste einmal<br />
heiss hergeht, können die Besitzer den Stopper aus dem<br />
Lauf heraus mit einem Knopfdruck nullstellen und unverzüglich<br />
neu starten. Das spart logischerweise<br />
jede Menge Zeit. Der Tank,<br />
sprich die Zugfeder des Uhrwerks,<br />
speichert Energie für 40 Stunden<br />
Gangautonomie. Karbon<br />
für den Glasrand und das<br />
Zifferblatt, durch dessen<br />
grosse Öffnung bei der<br />
«6» sich das Datum<br />
ablesen lässt, verleihen<br />
dieser Armbanduhr eine<br />
gleichermassen sportive<br />
wie innovative Optik. Ihr<br />
Motor zeigt sich durch<br />
einen Saphirglas-Sichtboden.<br />
Text Gisbert L. Brunner<br />
Fotos Werk<br />
Die Produktion des «Speedmaster», eines «neuen Chronographen,<br />
entwickelt für Wissenschaft, Industrie und Sport»,<br />
startete bei Omega im Jahr 1957. Zwölf Jahre später<br />
begleitete der Stopper die ersten Menschen auf der Oberfläche<br />
des Mondes und erhielt anschliessend den Namen<br />
«Speedmaster Professional». 2013 legte das Swatch-<br />
Group-Mitglied die ursprüngliche «Speedmaster» von 1957<br />
neu auf. Das hauseigene Co-Axial-Kaliber 9300 verfügt<br />
über beidseitig wirkenden Rotoraufzug, zwei Feder häuser,<br />
60 Stunden Gangautonomie, Silizium-Unruhspirale,<br />
Schaltrad-Chronograph und Zeitzonen-Funktion. Die<br />
Ganggenauigkeit bescheinigt ein amtliches<br />
Chronometerzeugnis. <strong>2015</strong> hat Omega weiter<br />
an diesem Modell gearbeitet. Betont nostalgisch<br />
präsentieren sich in diesem Fall die im «Broad<br />
Arrow»-Stil ausgeführten Zeiger für Stunden<br />
und Minuten. Und die Stundenmarkierungen<br />
sind bei der 41,5 Millimeter grossen Edelstahl-<br />
«Speedmaster ’57» vertieft sowie teilweise mit<br />
«Vintage»-Super-LumiNova ausgelegt. Das<br />
spezielle Feature für Autofahrer: eine dezente Tachymeterskala<br />
auf dem Glasrand. Sie eignet sich zum<br />
Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten über<br />
einen Kilometer hinweg.<br />
052 <strong>VECTURA</strong> #16
SWISS MADE<br />
Die gekonnte Synthese aus Tradition und Moderne hat<br />
Chronoswiss zu einem festen Bestandteil der hauseigenen<br />
Uhren-Philosophie erkoren. Ausdruck überlieferter Uhrmacherkunst<br />
ist das flache Automatikkaliber C. 289 mit beidseitig<br />
wirkendem Kugellagerrotor und rund 42 Stunden<br />
Gangautonomie. Kenner, die durch den Sichtboden<br />
der 44 Millimeter grossen Edelstahl-<br />
Schale des markanten «Timemaster GMT»<br />
blicken, identifizieren dieses Uhrwerk<br />
als das zuverlässige Eta 2893. Erst -<br />
mals in der Geschichte des 1983<br />
in München gegründeten und nun<br />
vollkommen schweizerischen<br />
Familienunternehmens findet ein<br />
mehrschichtiges Karbon-Zifferblatt<br />
Verwendung. Seine vier Stunden -<br />
ziffern lassen sich beim besten Willen<br />
nicht übersehen. Aus dem Zentrum drehen<br />
insgesamt vier Zeiger ihre Runden –<br />
je einer für die Sekunden und Minuten und<br />
gleich zwei für die Stunden. Jener mit der<br />
gelben Spitze benötigt für 360 Bogengrade<br />
einen ganzen Tag. Und er lässt sich unabhängig<br />
vom doppelt so schnell rotierenden Bruder verstellen.<br />
Dieses Feature werden Liebhaber edler<br />
Automobile, die meistens auch ein Aktienportfolio besitzen, sehr<br />
zu schätzen wissen. Mit einem Blick sehen sie nämlich, was es<br />
an einem entfernten Börsenplatz gerade geschlagen hat.<br />
Bereits 1902 fand auf dem Daytona International Speedway das<br />
erste Autorennen statt. Zu diesem Zeitpunkt gab es Rolex noch<br />
nicht; die Genfer Uhrenmanufaktur entdeckte den Autosport<br />
erst in den 1960er-Jahren. 1963 debütierte die erste Edelstahl-<br />
«Daytona», Referenz 6239. Im Folgejahr bewarben die Schweizer<br />
ihren Stopper mit dem Hinweis, dass er nach dem Rundkurs<br />
benannt sei und Rolex hier als offizielle Uhrenmarke auftrete.<br />
Exakt 50 Jahre später, also 2013, paktierte Rolex als weltweiter<br />
Partner und offizieller Zeitnehmer mit der Formel 1. Bereits anno<br />
2000 gehörte die aktuelle Daytona mit dem hauseigenen Automatikkaliber<br />
4130 zu den unangefochtenen Stars<br />
der Basler Uhrenmesse. Das durch und durch<br />
neu konstruierte Uhrwerk besitzt einen Durchmesser<br />
von 30,5 Millimeter und ist 6,5 Millimeter<br />
hoch, dazu kommen 44 funktionale Steine und<br />
eine gewohnte Unruhfrequenz von vier Hertz<br />
oder stündlich 28.800 Halbschwingungen.<br />
Ans Auto erinnert eine vertikale Reibungskupplung,<br />
welche einen ruckfreien Start<br />
des Chronographen mit 30-Minuten- und<br />
12-Stunden-Zähler gestattet – und selbstverständlich<br />
einer Tachymeterskala am Glasrand.<br />
Dank mindestens 66 Stunden Gangautonomie<br />
läuft die Uhr auch über ein freies<br />
Wochenende hinweg. Kenner schwören auf<br />
die Stahl-Version, Referenz 116520.<br />
2013 fanden Certina und die FIA-Rallye-Weltmeisterschaft<br />
WRC als Partner zusammen. In dieser Eigenschaft<br />
obliegt der traditionsreichen Schweizer Uhrenmarke<br />
die offizielle Zeitnahme bei allen 13 Rennen. Die<br />
Kooperation kommt natürlich nicht von ungefähr. Zum<br />
einen ist der Rallye-Sport ausgesprochen beliebt –<br />
speziell in Skandinavien, wo Certina zu den Marktführern<br />
gehört, verzeichnet die WRC beachtliche Zuschauerzahlen.<br />
In anderen Ländern rund um den Globus kann<br />
der Uhrenhersteller mittels Sponsoring ebenfalls punkten<br />
und so die Markenbekanntheit weiter steigern. Übrigens<br />
hatten die Eidgenossen bereits von 2002 bis 05 den<br />
mittlerweile verstorbenen schottischen Rallye-Piloten<br />
Colin McRae (Weltmeister 1995) sowie Petter Solberg<br />
(Weltmeister 20<strong>03</strong>) unter Vertrag.<br />
Eine augenfällige Armbanduhr<br />
zum aktuellen Engagement gibt<br />
es natürlich auch. Sie heisst<br />
«DS Podium Big Size Chronograph<br />
– WRC Limited<br />
Edition» und wird insgesamt<br />
nur 5000 Mal<br />
produziert. In den<br />
Edelstahlgehäusen<br />
kommt ein quarzgesteuertes<br />
«Precidrive»-<br />
Kaliber zum Einsatz.<br />
Es geht im Jahr nicht<br />
mehr als zehn Sekunden<br />
falsch und gestattet<br />
Stoppungen auf die Hundertstelsekunde<br />
genau.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 053
Die Kooperation zwischen Jaeger-LeCoultre und Aston<br />
Martin führte bereits 2006 zur Kreation des AMVOX2-<br />
Chronographen. Bei oberflächlicher Betrachtung erkennt<br />
man bei diesem intelligent gestalteten Stopp-Boliden keine<br />
Bedienelemente. Aber das ist ein echter Trugschluss. Die<br />
drei zeitschreibenden Funktionen, also das Starten, Stoppen<br />
und Rückstellen, lassen sich durch Druck auf das<br />
beweglich befestigte Saphirglas ansteuern. Selbiges steht<br />
in Verbindung zu einem ausgeklügelten, natürlich patentierten<br />
Schaltwerk. Diese Ausnahmemechanik des Manufakturkalibers<br />
751E mit Rotor-Selbstaufzug und 65 Stunden<br />
Gangautonomie ist in der Tat einzigartig; das ganze Werk<br />
besteht aus 280 Komponenten. Beim «AMVOX2 Transponder»<br />
mit 44 Millimeter grossem Titangehäuse hat die<br />
Traditionsmanufaktur das Ganze noch um einen elektronischen<br />
Schlüssel erweitert. Mit dem «Sesam öffne dich»<br />
lassen sich, vorhergehende Freischaltung vorausgesetzt,<br />
die Türfunktionen eines Aston Martin fernsteuern. Damit<br />
Mann sein Auto nicht lange suchen muss, löst der Druck<br />
auf den «Open»-Sensor im Glas die Lichthupe aus.<br />
Liebhaber rassiger GT-Sportwagen reisen gern. Unterwegs<br />
wird sich die «Calatrava Pilot Travel Time» als hilfreiche<br />
Begleiterin erweisen. Für Patek Philippe verkörpert diese<br />
Weissgold-Armbanduhr einen gestalterischen Quantensprung,<br />
obwohl Piloten-Armbanduhren der Familienmanufaktur<br />
keineswegs fremd sind. Bereits 1938 hatte sie<br />
einige Zeitmesser zur Navigation hoch in den Lüften<br />
kreiert. Die Referenz 5224 knüpft an genau diese<br />
Tradition an, bietet jedoch völlig andersartige<br />
Funktionen. Ihr Automatikkaliber CH 324 S C FUS<br />
mit einseitig wirkendem Goldrotor, «Gyromax»-<br />
Unruh und «Silinvar»-Unruhspirale besteht aus<br />
294 Komponenten. Über das Übliche hinaus<br />
besitzt der sorgfältig finissierte Mikrokosmos ein<br />
praktisches Zeitzonen-Dispositiv mit zwei Stundenzeigern.<br />
Einer bewahrt im Verbund mit der<br />
Tag-/Nacht-Indikation bei «3 Uhr» die Heimat- oder<br />
Referenzzeit. Sein Pendant ist zur Indikation der<br />
jeweiligen Lokalzeit per Knopfdruck individuell verstellbar.<br />
Und zwar vorwärts bei der «8» und rückwärts bei<br />
«10». Ihm zugeordnet ist eine weitere, mit «Local» gekennzeichnete<br />
Tag-/Nacht-Indikation. Falls erforderlich lässt<br />
sich das Zeigerdatum über einen versenkten Drücker im<br />
Gehäuserand unkompliziert korrigieren.<br />
Bugatti – dieser Name beschleunigt den Puls anspruchsvoller<br />
Autofreaks auf Anhieb. 2004 debütierte der Veyron<br />
mit 1001 PS. Dieses Ereignis veranlasste die Uhrenmanufaktur<br />
Parmigiani zur Konstruktion einer passenden<br />
Armbanduhr mit speziell konstruiertem Mechanik-<br />
Innenleben. Die Speichen seiner Zahnräder erinnern an<br />
diejenigen der Autofelgen. Blicke von oben auf das ergonomisch<br />
gewölbte Gehäuse zeigen das Uhrwerk in voller<br />
Pracht, denn im Gegensatz zum Üblichen steht das<br />
Kaliber PF 370 mit zwei Federhäusern in seinem markanten<br />
Gehäuse. Für das Aufziehen und Zeigerstellen sind<br />
externe Kardanwellen zuständig. Damit das Befüllen der<br />
beiden Energiespeicher nach spätestens zehn Tagen<br />
ja nicht in Vergessenheit gerät, weist eine Tankuhr auf<br />
die aktuell verbleibenden Kraftreserven hin. Zum Schutz<br />
vor Schocks ist das aussergewöhnliche Uhrwerk mit<br />
seinen insgesamt fünf Platinen auf Silent-Blöcken gelagert.<br />
All diese Merkmale finden sich auch in der «Bugatti<br />
370 Mythe», deren Rotgoldgehäuse 52,50 x 32,40 Millimeter<br />
misst. Die<br />
Gesamthöhe<br />
liegt bei 18,6<br />
Millimeter.<br />
Seit 2012 kooperiert Hublot mit<br />
Ferrari. Gründer Enzo meinte seinerzeit,<br />
dass man ein Auto zuerst träumen muss.<br />
So sieht es auch Jean-Claude<br />
Biver, der die Partnerschaft mit dem<br />
Agnelli-Enkel Lapo Elkann initiierte. Der<br />
ehemalige Hublot-CEO träumt Uhren seit<br />
den 1970er-Jahren. Einer seiner<br />
tickenden Ferrari-Träume ist auch dann<br />
am Handgelenk präsent, wenn der üppig<br />
motorisierte Bolide mal in der Garage<br />
ausharren muss. Gemeint ist die leichte<br />
«Big Bang Ferrari Carbon» mit ausdrucksstarkem<br />
45-Millimeter-Gehäuse.<br />
Die bis zehn bar wasserdichte Schale<br />
kombiniert innovative Werkstoffe wie<br />
Kohlefaser, Titan, Kevlar und Kautschuk,<br />
während sie das Unico-Manufakturkaliber<br />
mit Selbstaufzug und Schaltrad-<br />
Chronographen schützt. Beim Blick aufs<br />
durchbrochene Zifferblatt stechen das<br />
legendäre «Cavallino Rampante» sowie<br />
Ferrari-rote und Ferrari-gelbe Elemente<br />
ins Auge. Die Sonder-Edition ist auf<br />
1000 Exemplare begrenzt.
SWISS MADE<br />
Nicht an einem Auto,<br />
sondern am legendären<br />
Motorrad «Ducati<br />
Scrambler» orientierte<br />
sich die Rolex-Tochter<br />
Tudor bei der Gestaltung<br />
ihres neuen «Fastrider». Bei<br />
der Kreation dieses Chronographen<br />
liessen sich die Designer von<br />
jenem Geist der Freiheit inspirieren,<br />
den der zweirädrige Traum verstrahlt. Drei<br />
unterschiedliche Zifferblätter stellen den Bezug zu ebenso<br />
vielen Scrambler-Versionen her: Gelb steht für die historische<br />
Farbe des Modells. Olivengrün verstrahlt einen kraftvollen<br />
urbanen Look. Rot bringt einen keineswegs aufdringlichen<br />
Retro-Chic zum Ausdruck. Die Lünette aus<br />
mattschwarzer Keramik trägt eine Tachymeterskala zum<br />
Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen<br />
Kilometer hinweg – und damit passt diese Uhr auch hervorragend<br />
in ein sportliches Auto. Der kratzfeste Glasrand<br />
sitzt auf einem Edelstahlgehäuse, dessen Wasserdichte<br />
bis 15 bar Druck oder 150 Meter Tauchtiefe reicht. Für das<br />
Bewahren und das Stoppen der kostbaren Zeit auf die<br />
Achtelsekunde genau ist das Automatikkaliber Eta 7753<br />
zuständig. Seine Gangautonomie beträgt rund 46 Stunden.<br />
Durch einen kreisrunden Zifferblattausschnitt<br />
zwischen «4» und «5» lässt sich das Datum ablesen.<br />
Die Idee zu dieser Armbanduhr stammt von Michael<br />
Schumacher. Deshalb heisst sie auch «Royal Oak<br />
Concept Laptimer Michael Schumacher». Der Rennfahrer<br />
erteilte deshalb den Impuls, weil er Rundenzeiten ergonomisch<br />
mit den Daumen stoppen wollte. Audemars Piguet<br />
wiederum liess sich nicht lange bitten und entwickelte<br />
einen hochkomplexen, aber leicht handhabbaren Mechanismus<br />
mit Minuten-Tourbillon. Ein Drücker im linken<br />
Gehäuserand genügt nach dem Starten des Stoppers<br />
zum vergleichenden Erfassen. Dabei treten die beiden<br />
zentralen Chronographen-Zeiger abwechselnd in Aktion –<br />
je einer speichert und der andere misst. Mit Hilfe des<br />
Nullstelldrückers bei «4» können die weltweit nur 221<br />
glücklichen Besitzer dieses erstaunlich leichten, weil mit<br />
einem 44 Millimeter grossen Karbon-Titan-Gehäuse ausgestatteten<br />
Boliden eine schlechte Runden-Performance<br />
sofort vergessen. Die Unruh oszilliert mit vier Hertz,<br />
gestattet ergo Stoppvorgänge auf die Achtelsekunde<br />
genau. Für eines der äusserst aufwendigen und teilweise<br />
patentierten Handaufzugswerke vom Kaliber 2923<br />
benötigen die Uhrmacher 413 Komponenten.<br />
Zwei italienische Nobel-Marken, zwei Jubiläen<br />
im gleichen Jahr: Da lag eine Kooperation<br />
förmlich auf der Hand. Gemeint sind<br />
das 1884 gegründete Haus Bulgari und die<br />
Sportwagenschmiede Maserati, welche am<br />
1. Dezember 2014 den 100. Geburtstag<br />
feierte. Die Limitierung des «Octo-Maserati»-<br />
Jubiläums-Chronographen auf insgesamt 1914<br />
Exemplare macht somit Sinn. Passend zum Auto<br />
weist das Innenleben des 41,5 mm grossen Stoppers<br />
eine beflügelte Unruhfrequenz von fünf Hertz<br />
auf, denn die behände Mechanik BVL 328 «Velocissimo» mit Rotoraufzug und rund<br />
50 Stunden Gangautonomie stammt von der Schwester Zenith. Dort trägt das<br />
bewährte Kaliber mit Schaltradsteuerung, klassischer Zahnradkupplung sowie<br />
30-Minuten- und 12-Stunden-Totalisator die Bezeichnung «El Primero». Wer die<br />
Maschine in der oktogonalen Karosserie begutachten möchte, muss genau hinschauen.<br />
Die Rückseite besitzt keinen Sichtboden im üblichen Sinn. Um Maserati und<br />
seinem legendären Dreizack einen gleichermassen gebührenden wie dezenten<br />
Auftritt zu gewähren, ist das rückwärtige Saphirglas semitransparent. Der direkte<br />
Blick offenbart den Anlass dieser Edition. Wer die Edelstahl-Schale jedoch in einen<br />
bestimmten Winkel dreht, sieht, was im Inneren den Zeittakt liefert.
SWISS MADE<br />
Ferdinand A. Porsche,<br />
gestalterischer Vater<br />
des legendären<br />
Porsche 911, wusste<br />
die Dinge auf den Punkt<br />
zu bringen. Eine seiner<br />
scharfsinnigen Erkenntnisse:<br />
«Schwarz ist die einzige<br />
Farbe, welche nicht von der Form ablenkt.» Der<br />
geniale Designer gab freilich auch zum Besten, dass<br />
«Schwarz keine Farbe ist, sondern ein Zustand».<br />
Trotzdem kreierte er 1972 den ersten Porsche Design-<br />
Chronographen mit schwarz beschichtetem Stahlgehäuse,<br />
lanciert ein Jahr später mit dem nagelneuen<br />
Automatikkaliber Valjoux/Eta 7750. Den überaus<br />
kreativen Nachlass des 2012 verstorbenen Professors,<br />
welcher 1980 zusammen mit IWC die weltweit erste<br />
Titan-Armbanduhr aus der Taufe gehoben hatte, spiegelt<br />
der seit Juli <strong>2015</strong> erhältliche «Chronotimer Series 1» mit<br />
mattschwarz beschichtetem Titangehäuse wider. Aus<br />
dem gleichen Material besteht auch das Gliederband.<br />
Wie schon 1973 besitzt dieser Newcomer («Designed in<br />
Austria. Swiss made») einen roten Chronographenzeiger.<br />
Reminiszenz an die Vergangen heit ist schliesslich<br />
auch die Verwendung des gleichermassen robusten wie<br />
zuverlässigen und präzisen 7750 mit 30-Minuten- und<br />
12-Stunden-Zähler und Fensterdatum.<br />
Wenn es am Steuer heiss hergeht, muss die Bedienung<br />
einer multifunktionalen Armbanduhr sehr intuitiv<br />
geschehen können. Genau das ist bei Tissot der Fall.<br />
Das Schweizer Traditionsunternehmen und Mitglied der<br />
Swatch Group hat die Touch-Technologie perfektioniert<br />
(siehe <strong>VECTURA</strong> #1). Will heissen: Berühren des<br />
Saphirglases mit antireflektierender Beschichtung<br />
genügt zum Ansteuern der vielen Funktionen. Hiervon<br />
hat die rasante «T-Race Touch Aluminium» jede Menge<br />
zu bieten: ewiges Kalendarium,<br />
Chronograph mit Logbuch, zwei<br />
Countdown-Timer, zweite<br />
Zonenzeit, Wecker und zwei<br />
Alarme, Kompass und<br />
Gezeiten-Indikation.<br />
Damit sich alles auch<br />
bei nächtlichen Touren<br />
gut wahrnehmen lässt,<br />
besitzt das LCD-<br />
Display eine Hintergrundbeleuchtung.<br />
Auf<br />
mechanischem Weg ist<br />
das alles natürlich nicht<br />
möglich. Deshalb birgt das<br />
42,2 Millimeter grosse Aluminiumgehäuse<br />
ein Quarzwerk<br />
der Schwester Eta. Die Wasserdichte<br />
reicht bis zu zehn bar Druck.<br />
Dem Autorennsport ist Heuer seit den frühen 1970er-<br />
Jahren eng verbunden (siehe <strong>VECTURA</strong> #7).<br />
<strong>2015</strong> zelebriert das Unternehmen, welches inzwischen<br />
TAG Heuer heisst, seine 30-jährige Partnerschaft mit<br />
McLaren. Grund genug, eine limitierte Edition des<br />
Erfolgsmodells «Formula 1» aufzulegen – und dessen<br />
leuchtend rote Akzente springen sofort ins Auge. Das<br />
so genannte «Rocket Red» signalisiert Herausforderung,<br />
Passion, Tempo und am Ende natürlich auch Sieg.<br />
Es erinnert aber auch an den McLaren-Boliden MP-4<br />
von 1985. TAG Heuer verwendet diese unübersehbare<br />
Farbe auf dem Aluminium-Glasrand mit Tachymeterskala<br />
sowie graviertem McLaren-Schriftzug. Auch das extrem<br />
robuste und leicht zu reinigende Durchzugsarmband im<br />
NATO-Stil kennzeichnet ein roter Streifen. Im Inneren<br />
des 42-Millimeter-Gehäuses aus<br />
gebürstetem Edelstahl der<br />
Legierung 316L findet sich ein von<br />
Ronda zugeliefertes elektronisches<br />
Quarz werk mit Zehntel sekunden-<br />
Chronographen. Bis zu 20 bar Druck<br />
reicht der Schutz gegen das nasse<br />
Element. Natürlich weist eine<br />
Bodengravur auf dieses<br />
bemerkenswerte Ereignis hin.<br />
056 <strong>VECTURA</strong> #16
NEUE FREUNDIN FÜR ROMEO<br />
MIT DER AUFREIZEND SCHÖN GESTYLTEN VIERTÜRER-MITTELKLASSE NIMMT<br />
ALFA AUF TRADITIONELLEM TERRAIN EINEN LETZTEN ANLAUF. DAS WARM-UP<br />
STIMMT UNS ZUVERSICHTLICH, DIE PS-PROTZEREI WENIGER<br />
Text Thomas Imhof, map · Fotos Werk<br />
058 <strong>VECTURA</strong> #16
HOFFNUNGSTRÄGER<br />
Nicht ohne Sinn für Geschichte hat Alfa Romeo im neuen<br />
Markenmuseum Arese bei Mailand die nächste Mittelklasse-Limousine<br />
namens Giulia vorgestellt. Die ist<br />
nach sieben langen Jahren schliesslich das erste neue Grossserienmodell<br />
der Fiat-Chrysler-Tochter und muss eine tragende<br />
Rolle spielen bei der Rettung der italienischen Traditionsmarke.<br />
Es konnte ja auch nicht mehr so weitergehen mit der 1910 gegründeten<br />
Anonima Lombarda Fabbrica Automobili. Das Angebot<br />
an Grossvolumenmodellen auf den kompakten Mito und<br />
die schnittige Giulietta zusammengeschrumpft, beide mit Frontantrieb<br />
und relativ schwer, dazu die Absatzzahlen auf weltweit<br />
unter 70 000 Fahrzeuge abgesackt und auf fast allen Statistiken<br />
nur noch unter «ferner liefen» geführt: Alfa Romeo droht aktuell<br />
in Schönheit zu sterben, auch wenn der Schweizer Marktanteil<br />
von 0,7% – es ist einer der weltweit besten für Alfa – etwas anderes<br />
suggeriert. Um ein ähnliches Schicksal wie das von Lancia<br />
zu verhindern – die einst so elegante Schwester besteht inzwischen<br />
ebenfalls nur noch aus zwei Modellen, die allerdings<br />
nur noch in Italien angeboten werden –, liess FCA-Chef Sergio<br />
Marchionne (Fiat Chrysler Automobiles) das Markenlogo überarbeiten<br />
und stellte einen bis 2018 reichenden Alfa-Rettungsplan<br />
auf. Dessen Fixpunkte: acht neue Modelle und mit denen<br />
eine Steigerung des Absatzes auf 400 000 Neuwagen,<br />
um die seit mindestens zehn Jahren<br />
stark defizitäre Marke mit dem charakteristischen<br />
Kühleremblem<br />
wieder rentabel und salonfähig<br />
zu machen.<br />
Die passend zum 105. Alfa-Geburtstag enthüllte Giulia kommt<br />
zunächst als mittelgrosse Kompakt-Limousine, die mit Preisen<br />
ab ca. 40 000 Franken gegen Wettbewerber wie den 3er-BMW<br />
oder die Mercedes C-Klasse antreten und nach ihrem Publikumsdebüt<br />
auf der Frankfurter IAA ab Frühjahr 2016 auch zu Schweizer<br />
Händlern rollen soll.<br />
Optisch geht man keine Experimente ein: Die neue Giulia muss<br />
sitzen und verkörpert folglich «molto emozione», mit knackigen<br />
Proportionen, kurzen Überhängen und muskulösen Flanken.<br />
Offensichtlich schielte man beim Styling auch auf die Bestseller<br />
des Segments, erkennt der versierte Beobachter seitlich und<br />
hinten Elemente verschiedener 3er-BMW. Doch so sexy wie die<br />
rund 4,7 Meter lange Giulia sieht derzeit kein Auto im C-Segment<br />
aus. Als technisches Rückgrat dient der viertürigen Stufenheck-<br />
Limousine eine neue, modular konzipierte Plattform, die «Giorgio»<br />
genannt wird und nach 24 Jahren endlich wieder Heckantrieb<br />
erlaubt; manche Modellversionen wird es zusätzlich mit Allrad<br />
geben. Weitere Karosserievarianten, unter ihnen wieder ein eleganter<br />
Kombi (ab Herbst 2016), sind bereits gesetzt.<br />
Bei der Auswahl der Motoren verfährt der deutschstämmige und<br />
in Italien voll integrierte Alfa-Romeo-Chef Harald Wester nach<br />
dem Motto «klotzen statt kleckern». Als Topaggregat kommt in<br />
der teuersten Giulia-Version «Quadrifoglio Verde» ein Alu-V6-<br />
Biturbo mit drei Liter Hubraum und sagenhaften 510 PS zum<br />
Einsatz – es handelt sich dabei um eine Ableitung des von Ferrari<br />
für Maserati konzipierten V8-Motors. Die derart gedopte Giulia<br />
(0–100 km/h in 3,9 Sekunden, Vmax: 302 km/h) verfügt unter<br />
anderem über Torque Vectoring, den zusätzlichen Racing-Modus<br />
im DNA-Vorwahlprogramm (Dynamic, Natural, Advanced<br />
efficient) sowie eine aktive Aerodynamik;<br />
am beschei deneren<br />
Ende des Angebots<br />
rangieren aufgeladene<br />
HERBST <strong>2015</strong><br />
059
HOFFNUNGSTRÄGER<br />
Orisquo tem reres dolum,<br />
quassimusam, et latur moluptur sum<br />
et quatusandit autemquam<br />
060 <strong>VECTURA</strong> #16
HERBST <strong>2015</strong> 061
HOFFNUNGSTRÄGER<br />
Vierzylinder-Benziner, die aus zwei Liter Hubraum immerhin auch<br />
180, 250 und 330 PS schöpfen werden. Auch beim Top-Diesel<br />
setzt Alfa auf Power: Ein 3,0-L-V6 von VM Motori, der auch bei Jeep<br />
und Maserati zum Einsatz kommt, markiert hier die Spitze. Für<br />
den Giulia-Einsatz konstruierte VM Motori einen neuen Vierventil-<br />
Zylinderkopf, was in Kombination mit einem zweiten Turbo die Leistung<br />
von 265 auf 340 PS pusht. Der jüngst bei Jeep eingeführte<br />
2,2-L-Diesel wird in der Giulia maximal 210 PS leisten; unter ihm<br />
rangieren zwei weitere Selbstzünder mit 135 und 180 PS. Grundsätzlich<br />
wird es keine manuelle Schaltung mehr geben: Die Kraftübertragung<br />
erfolgt motorabhängig via automatisierte Sechsgangoder<br />
Achtstufen-Automaten; Letzterer wurde von ZF entwickelt.<br />
Obwohl vom offenbar Vollgas-fixierten Hersteller jeweils zuletzt<br />
aufgeführt, halten wir die Einstiegsmotorisierungen für die interessantesten.<br />
Denn nur wenn es Alfa Romeo gelingt, mit ihnen zu<br />
überzeugen, ist der Operation Giulia nachhaltiger Erfolg beschieden.<br />
Die fahr dynamischen Erwartungen sind angesichts der formellen<br />
Schönheit des Autos und einer kommunizierten idealen<br />
Gewichtsverteilung von 50:50 besonders hoch; noch viele Alfisti<br />
erinnern sich mit Wehmut an die grossartigen 1300er oder 1600er,<br />
denen ab 1964 bzw. 62 gerade mal 85 respektive 92 PS genügten,<br />
um den Puls zu beschleunigen (siehe dazu auch S. 064 ff.).<br />
Hier schlägt Alfas Herz und das seiner Fangemeinde, Herr Wester!<br />
Was sollen ausgezehrte Schweizer Markenjünger bitte mit einem<br />
500-PS-Plus-Gerät anfangen? Was uns viel mehr interessiert,<br />
sind Leistungsgewicht und Verbräuche – zumal das fahrerorientierte<br />
Cockpit ebenso zum Einsteigen einlädt wie die auf den ersten<br />
Blick saubere Verarbeitung und anständigen Platzverhältnisse.<br />
Immerhin – der Hersteller spricht von Aluminium, und bei Dach,<br />
Motorhaube und Kardanwelle soll gar Karbon zum Einsatz kommen;<br />
Letzteres dürfte allerdings nur für den QV gelten.<br />
Die Giulia ist der erste Neu-Alfa seit dem 2008 eingeführten Mito,<br />
und mit ihr feiert nach 37 Jahren auch der traditionsbehaftete<br />
Modellname ein Comeback. Die klassische Giulia, die es auch als<br />
betörendes Bertone-Coupé gegeben hat, prägte das Alfa-Image<br />
wie kaum ein anderes Modell. Diesen Vergleich muss sich die neue<br />
Giulia, deren Anlauf in den letzten vier Jahren mehrfach verschoben<br />
wurde, bei allen Leistungsgelüsten erst noch verdienen. Ihre<br />
Hauptaufgabe besteht vielmehr darin, die 2011 durch die Einstellung<br />
der Baureihe 159 entstandene Lücke aufzufüllen und das<br />
neue Volumenmodell zu werden, welches die viel zu lange stiefmütterlich<br />
behandelte Marke händeringend braucht.<br />
Der zweite Bestseller in spe ist auf Anfang 2017 terminiert – ein<br />
sportiver SUV mit der internen Codenummer 949, der gegen etablierte<br />
Platzhirsche wie den Audi Q5 oder Volvo XC60 aufgeboten<br />
wird. Die Genf-Studie Kamal gab bereits 20<strong>03</strong> einen ersten<br />
Vorgeschmack. Wer jetzt stöhnt, sei an den Alfa-Allradler 1900M<br />
erinnert, der zwischen 1952 und 54 knapp 2200 Mal produziert<br />
wurde – oder an den 156 Crosswagon Q4 (2004–07). Ende 2017<br />
folgt mit Projekt 961 schliesslich die Kür – eine grosse Limousine,<br />
die den dann bereits zehn Jahre zuvor sanft entschlafenen 166 beerben<br />
darf. Ob dessen Nachfolger gegen Audi A6, 5er-BMW oder<br />
Mercedes E mehr auszurichten vermag, ist derzeit noch zweifelhaft.<br />
Die zeitnahe Giulia-Darbietung wird auch hier erste Hinweise<br />
darauf geben können, ob die aufwendige Alfa-Reinkarnation mit<br />
Substanz gesegnet ist oder nicht.<br />
Mit diesem Fahrplan, der in Gestalt des Imageträgers 4C seinen<br />
Anfang nahm (siehe <strong>VECTURA</strong> #9) und auch den lukrativen US-<br />
Markt beinhaltet, will Marchionne aus dem angewelkten Mauerblümchen<br />
«Cuore Sportivo» wieder eine Premiummarke machen.<br />
In der weiteren Modellstrategie ist von einem grösseren SUV, dem<br />
Giulietta-Nachfolger und auch von «etwas Offenem» die Rede –<br />
womit nur ein neuer Spider gemeint sein kann, der zuvor allerdings<br />
mit Abarth-Logo lanciert werden dürfte.<br />
Alle diese neuen Alfa Romeo bauen auf der Giorgio-Bodengruppe<br />
auf und verfügen analog zur Giulia entweder über Heck- oder einen<br />
Allradantrieb. Dieser Grundsatzentscheidung fällt der kompakte<br />
Mito zum Opfer, der ohne Nachfolger bleiben soll, womit<br />
man künftig versäumt, junge Kunden und Erstkäufer an die Marke<br />
heranzuführen – wie es zum Beispiel Audi ganz bewusst mit dem<br />
A1 oder BMW mit Mini und Einser machen.<br />
062 <strong>VECTURA</strong> #16
Das Ziel ist offenbar, Alfa Romeo höher zu positionieren als bisher<br />
– ganz so, wie es bereits in den 1930er-Jahren war, als die<br />
Marke nur elitäre und teure Fahrzeuge herstellte. Die homöopathischen<br />
Dosen von damals dienen freilich nicht als Vorbild,<br />
allerdings ist der in den kommenden Jahren geplante weltweite<br />
Absatz von 400 000 Einheiten nach Meinung von Analysten ein<br />
mehr als optimistisches Ziel. Allein 150 000 neue Alfa pro Jahr sind<br />
laut Marchionne für die Vereinigten Staaten vorgesehen. Da die<br />
Giorgio-Matrix auch für die FCA-Marken Dodge, Chrysler und Jeep<br />
passt, locken ein hoher Anteil gemeinsam nutzbarer Komponenten<br />
und mit ihnen Synergieeffekte. Es wird dann spannend sein zu<br />
sehen, ob genügend Amerikaner eine Marke auf ihre Einkaufsliste<br />
nehmen, die sie über 20 Jahre lang nicht mehr erwerben konnten.<br />
FÜNF SCHÖNE ALFA-LIMOS<br />
1900 (1950–54)<br />
Ungeachtet dessen will der erklärte «Car Guy» Harald Wester mit<br />
Alfa künftig in Segmente vorstossen, «in denen die Marke zuvor<br />
nie war». Schon 2014 hatte der in Linz am Rhein geborene Manager<br />
beim jährlichen Investorentreffen der Fiat-Chrysler-Gruppe<br />
schonungslos die Alfa-Sünden der Vergangenheit aufgelistet: Bis<br />
auf das weiterhin überzeugende Design habe man in allen anderen<br />
Bereichen die Marken-DNA sträflich vernachlässigt. Als die<br />
fünf entscheidenden Kriterien nannte er moderne und innovative<br />
Motoren, eine ausgeglichene Fahrzeugbalance, einzigartige technische<br />
Lösungen, das klassenbeste Leistungsgewicht nach Vorbild<br />
des weitgehend in Handarbeit gebauten 4C und – eben –<br />
ein spezifisch italienisches, wegweisendes Design.<br />
Giulia (1962–78)<br />
Auch in der Schweiz, wo der Alfa-Absatz wie bereits erwähnt von<br />
bedingungsloser Treue getragen wird und im vergangenen Jahr<br />
immerhin über 2100 Fahrzeuge ihre Abnehmer fanden, muss sich<br />
der Kurswechsel bewähren. 1985 beispielsweise verkauften die<br />
Italiener hier noch über 6000 Einheiten – und genau da will Wester<br />
wieder hin: «Wir müssen einen kompletten Reset vornehmen<br />
und wieder Alfa Romeo bringen, die die Leute bewundern», lautet<br />
seine unmissverständliche Botschaft.<br />
Keine Frage: Ohne Alfa Romeo wäre die Auto-Welt definitiv eine<br />
ärmere. Klar ist aber auch: Einen weiteren Rettungsplan wird es<br />
nicht geben. Wir bleiben aktuell optimistisch, denn der neuerlich<br />
betriebene Aufwand ist beispiellos. Dazu gibt es kaum eine andere<br />
Marke, deren Liebhaber trotz schwerer Prüfungen so loyal<br />
geblieben sind. Und zu guter Letzt wäre da noch das vierblättrige<br />
Kleeblatt als ganz besonderer Glücksbringer.<br />
Alfetta (1972–85)<br />
164 (1987–98)<br />
156 (1997–2007)<br />
HERBST <strong>2015</strong> 063
OH GIULIA …<br />
NEUES AUTO, BEKANNTER NAME: DAS IST KEINE SELTEN HEIT IM HAUSE<br />
ALFA ROMEO, SONDERN EIN WIEDERKEHRENDES THEMA IN DER MAR KEN-<br />
NOMENKLATUR. SCHAUEN WIR DOCH MAL INS JAHR 1967 …<br />
Text Peer Günther · Fotos Werk<br />
6C 1750: mit Nuvolari auf Siegeskurs<br />
Fünf Jahre später wiederholt sich die Szene, als 1972 eine sportliche<br />
Limousine durch den Namen eines siegreichen Grand-<br />
Prix-Rennwagens befeuert wird: Es ist der Auftritt der Alfetta-<br />
Limousine. Deren Namenspatron lässt sich 1937 festmachen:<br />
Kein Geringerer als Gioacchino Colombo, einst Lehrling bei Jano,<br />
ansonsten auch auf Ferrari- und Maserati-Gehaltsliste, konstruierte<br />
damals für Alfa den Grand-Prix-Monoposto Tipo 158. Die<br />
ersten beiden Ziffern standen für den Hubraum von 1500 cm 3 ,<br />
während die 8 auf die Anzahl der in Reihe stehenden Zylinder<br />
verwies. Der Rennwagen wurde «kleiner Alfa», auf Italienisch<br />
Alfetta, genannt. Als Seriensieger ab 1938 und Überlebender<br />
des Zweiten Weltkrieges – sieben Fahrzeuge waren in einer Käsefabrik<br />
im Bergdorf Melzo versteckt worden – sowie als Rückkehrer<br />
nach 1945 und Gewinner der ersten Grand-Prix-Formel-1-Weltmeisterschaften<br />
1951 und 52 (also 14 Jahre nach ihrem Launch)<br />
wurden die Alfetta unsterblich. Doch während die «Kleine» mit<br />
acht Zylindern, Roots-Kompressor und in letzter Entwicklungsstufe<br />
mit bis zu 425 PS einherkam, hat die Namensschwester<br />
1972 gerade noch vier Zylinder, 1800 cm 3 und 122 PS. Das ist<br />
zwar sportlich für eine bei jedem Alfa-Händler käuflich zu erwerbende<br />
viertürige Limousine, doch warum der nominelle Bezug?<br />
Als pauschale Erinnerung an eine grosse Zeit vielleicht? Nein,<br />
die Verbindung zwischen den beiden Autos ist das Transaxle-<br />
Konstruktionsprinzip mit Frontmotor plus einem an der Hinterachse<br />
verblockten Getriebe!<br />
Legende der Rennstrecke: GP-Monoposto Tipo 158 «Alfetta»<br />
In die beliebte Form des Giulia Bertone Coupé steckt Alfa in<br />
jenem Jahr anstelle des ursprünglichen 1600er jetzt einen<br />
auf 1800 Kubik aufgebohrten Vierzylinder. Der wird allerdings<br />
nicht stringent 1800, sondern 1750 genannt – und dreht damit<br />
gedanklich die Markengeschichte um 38 Jahre zurück. Konkrete<br />
Erinnerung: der berühmte 6C 1750, ein Meisterwerk von Vittorio<br />
Jano. Unsterblich wurde das Auto durch zwei Triumphe bei der<br />
Mille Miglia – 1929 holte es den 1. Platz und belegte ein Jahr darauf<br />
sogar die Positionen 1 bis 4. Das Foto vom späteren Sieger<br />
Tazio Nuvolari und seiner nach hinten gedrehten Sportmütze im<br />
1750er-Alfa und dessen drei abgedeckten Scheinwerfern, umweht<br />
vom Staub des Futa-Passes 1930 auf Siegeskurs, bleibt<br />
unauslöschlich im Kopfe jedes Alfista.<br />
Doch zurück in die 1950er-Jahre: 1954 und damit 357 Jahre nach<br />
der Uraufführung von Shakespeares «Romeo and Juliet», wie es<br />
im englischen Original heisst, wurde die ach so passende Verbindung<br />
von Nicola Romeo und Giulietta, wie die tragische Protago<br />
nistin in Italien genannt wird, wieder aufgenommen. Wohl gemerkt<br />
Giulietta, die kleine Giulia, denn bis zur erwachsenen Giulia<br />
sollte noch etwas Zeit vergehen. Was hätte sich wohl der grosse,<br />
nüchtern denkende Industrielle Nicola Romeo, 1938 viel zu früh<br />
verstorben, zu dieser lyrischen Kombination gedacht? Wäre er<br />
im Grab rotiert wie die fünffach gelagerte Giulietta-Kurbelwelle?<br />
Die Giulietta markiert bei Alfa Romeo auch den Schritt vom elitären<br />
Sportwagenproduzenten der Vorkriegszeit zum Grossserienhersteller.<br />
1954 als bildschöne, bei Bertone karossierte<br />
Giulietta Sprint vorgestellt, kamen ein Jahr später eine Limousine<br />
und das passende Cabriolet dazu. Obwohl Bertone auch<br />
eine offene Variante gezeichnet hatte, erhielt der Pininfarina-<br />
Gegenentwurf den Zuschlag. So entstand eine Design-Dualität,<br />
die auch bei dem Nachfolgemodell Giulia beibehalten werden<br />
064 <strong>VECTURA</strong> #16
CHRONIK<br />
sollte. Der mit vielen Motorsport-Genen versehene 1,3-L-Vierzylinder<br />
mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen brachte<br />
Spritzigkeit in die kleine Klasse; Rennerfolge folgten voraussehbar.<br />
Unter dem Giulietta-Siegel entstanden zusätzlich so grossartige<br />
Fahrzeuge wie die aerodynamische Sprint Speziale (Bertone) oder<br />
jener SZ (Zagato), der auf allen Rennstrecken, Rallyes und Bergrennen<br />
erfolgreich war. Die Modellbezeichnung Giulietta blieb<br />
elf lange Jahre das Synonym für den erfolgreichen «Relaunch»<br />
des Hauses in der Nachkriegszeit; 177 690 Einheiten machten<br />
die Baureihe zu einer der bedeutendsten und profitabelsten der<br />
Markengeschichte. Sie war zudem dafür verantwortlich, dass<br />
die altehrwürdige Manufaktur in Portello zu eng wurde und man<br />
1963 nach Arese umzog – und damit Vorhang auf für die Giulia!<br />
Das Debüt datiert auf den 27. Juni 1962, einen sonnigen Tag –<br />
zumindest in und um Monza. Auf der gleichnamigen Renn strecke<br />
im königlichen Park wurden der Fachpresse die Nachfolgemodelle<br />
der erfolgreichen Giulietta kredenzt. Da es neben einer<br />
Hubraumerweiterung auf 1600 Kubikzentimeter ab sofort auch<br />
eine deutlich grössere, erwachsene Limousine gab, war die<br />
Zeit für einen Namenswechsel gekommen. Giulia T.I. hiess diese<br />
Biedermann-Optik, Sportwagen-Charakter: Giulietta t.i.<br />
von 0,34 ist auch heute noch mustergültig. Die Kabine war darüber<br />
hinaus als Sicherheitszelle konzipiert worden. Was die Giulia<br />
Berlina aber wirklich ausmachte, war die gelungene Kombination<br />
von Rennstrecken- und Familientauglichkeit. Kann man von einer<br />
ersten Sportlimousine sprechen, die dann andere Hersteller ab<br />
Ende der 1960er-Jahre in die gleiche Richtung denken und produzieren<br />
liess? Die Antwort ist ein halbherziges Ja, schliesslich<br />
Anders als das Cabriolet wurde das wunderschöne Giulietta Sprint Coupé von Felice Boano bei Bertone entworfen und auch dort gebaut<br />
nagel neue Berlina, aber auch die äusserlich kaum veränderten<br />
Sprint und Spider wurden kraft ihrer 1,6-L-Motoren fortan Giulia<br />
getauft. Gleiches galt für die bildhübsche Sprint Speziale (ab<br />
1963) wie auch jene von Alfas eigenem Rennstall Autodelta auf<br />
Renneinsätze hin abgestimmte Giulia TZ. Diese «Tubulare Zagato»<br />
setzte die Giulia-Zutaten unter einem Kunststoffkleidchen auf<br />
einen filigranen Gitterohrrahmen und entwickelte sich einmal<br />
mehr zum erfolgreichen wie raren Renngerät.<br />
Die neue Giulia-Limousine kam ausserdem stattlicher einher,<br />
noch sportlicher und sicherer. Erstmals hatte neben den Designern<br />
auch der Windkanal mitgeredet. Das sah man dem ebenso<br />
bulligen wie kantigen Viertürer zwar nicht an, aber ein cw-Wert<br />
kam Konkurrenz aus dem eigenen Hause. Die Giulietta t.i., interessanterweise<br />
mit Kleinbuchstaben geschrieben und ab 1957<br />
auf dem Markt, war nicht nur das volumenstärkste Giulietta-<br />
Modell, sondern verkörperte mit 74 PS zu ihrer Zeit Sportgeist<br />
pur; dazu gesellten sich Rallye- und Rundstreckensiege. Obwohl<br />
schmaler und kürzer als die Giulia, muss auch die Giulietta als<br />
familientauglich bezeichnet werden.<br />
Die Giulia-Limo liess also Väterherzen höher schlagen: Werktags<br />
konnte man die Bambini in den Kindergarten fahren und am<br />
Wochenende mit dem gleichen Auto auf einer Rundstrecke. Eine<br />
Giulia T.I. (nun in Grossbuchstaben) hatte neben dem Motor, der ja<br />
konstruktiv von einem Rennwagenaggregat abstammte, bereits<br />
HERBST <strong>2015</strong> 065
CHRONIK<br />
Familien-Komfort: Wenig deutet hier darauf hin, dass es sich bei der Giulia Berlina um eine der schnellsten Limousinen ihrer Zeit handelt<br />
ein Fünfganggetriebe an Bord, das Fahrwerk wies eine verbesserte<br />
Hinterachse auf und vorne wurde dank Bremsscheiben präziser<br />
verzögert. Kurz: Die viertürige Giulia 1600 T.I. Super war mit ihren<br />
113 PS der Familienwolf im Schafspelz, während Porsches schnellster<br />
356 damals gerade mal 90 PS aus 1,6 Liter Hubraum schöpfte.<br />
<br />
Und die Giulia sollte sich weiterentwickeln, auch über das eingangs<br />
erwähnte Jahr 1967 hinaus. Bis zum Produktionsende<br />
1978 sollte gar eine weitverzweigte Modellfamilie entstehen.<br />
Bereits ein Jahr nach Vorstellung der Limousine ersetzte man den<br />
Sprint durch das neue, ebenfalls bei Bertone gezeichnete Coupé;<br />
eine offene 2+2-sitzige Version folgte 1964 unter dem Namen<br />
Giulia GTC. Auch danach ging es Schlag auf Schlag weiter,<br />
lancierte Alfa ab 1965 mit der Giulia Sprint GTA ein Homologationsmodell<br />
der Sonderklasse für den Tourenwagensport: Das<br />
«A» stand für «Alleggerita», denn dank der Aluminiumlegierung<br />
Peraluman für die Karosserie sowie weiterer Erleichterungen<br />
speckte das Coupé ganze 200 Kilogramm ab. Der Motor verfügte<br />
unter anderem über eine Doppelzündung und brachte es<br />
im Renntrimm locker auf 160 PS plus.<br />
Neben verschiedenen Berlina-Motorisierungen, die auch wieder<br />
ein 1300er-Triebwerk beinhalteten, brachten die Norditaliener<br />
1966 den bei Pininfarina attraktiv gestylten 1600 Spider Duetto<br />
auf den Markt; der Auftritt im Hollywood-Film «Die Reifeprüfung»<br />
Spoiler inklusive: erste Serie der Giulietta Tipo 116<br />
war eines der ersten Product Placements der Automobilgeschichte.<br />
Wie weit die Modelle 33 Sport und Stradale als Giulia<br />
zu zählen sind, bleibt strittig: Der Tipo 33 trug intern zwar die Giulia-<br />
Typenziffer 105, aber sein V8-Mittelmotor und das speziell von<br />
Autodelta gebaute Fahrwerk machen ihn zum Grenzfall in dieser<br />
Nomenklatur. Guten Gewissens dazuzählen, weil technisch<br />
identisch, kann man dagegen den ab 1970 produzierten Junior<br />
Zagato 1.3, der ab 1972 mit 1,6 Liter Hubraum angeboten wird.<br />
Während den zweitürigen Giulia-Derivaten höhere Hubräume bis<br />
zu zwei Liter vergönnt sind, bleibt die Limousine ihren ursprünglichen<br />
1600 respektive 1300 Kubik treu. Äusserlich modernisiert<br />
man sie 1974, verschwinden die charakteristischen Sicken auf<br />
Fronthaube und Kofferraumdeckel. Dazu gibt es einen zeittypischen<br />
Kunststoffgrill und die neue Modellbezeichnung Nuova<br />
Super. 1976 kommt kurz vor dem Aus für alle Garagen noch eine<br />
zusätzliche Herausforderung hinzu: Der aus dem Alfa-Kleintransporter<br />
F12 bekannte Perkins-Diesel nagelt nun auch in der Giulia-<br />
Limousine und die Monteure maulen – schon deshalb, weil sie den<br />
Dieselölgeruch nicht mögen. Ganz abgesehen davon, dass lethargische<br />
52 PS überhaupt nicht zum Sportimage der Giulia passen.<br />
Während der Spider als letztes Mitglied der Original-Giulia-<br />
Familie inklusive mehrerer Facelifts noch bis 1993 überlebt, ist<br />
mit dem Bertone Coupé 1975 Schluss; der Zweitürer der Zukunft<br />
ist die kantige Alfetta GTV aus der Feder von Giorgetto<br />
Giugiaro. Nach 16 Jahren Bauzeit wurde dann auch die Giulia-<br />
Limousine im November 1977 abgelöst. Ihr Nachfolger, anfänglich<br />
mit 1300er- und 1600er-Aggregaten verfügbar, heisst<br />
Giulietta – Geschichte wiederholt sich bei Alfa Romeo und wird<br />
es wieder tun. Denn jetzt steht eine neue Giulia vor der Tür. Wie<br />
dargelegt war diese Baureihe stets das Herzstück der Marke<br />
und soll, nein muss auch künftig eine tragende Rolle spielen.<br />
Sie ist es, die das Schicksal von Alfa Romeo bestimmen wird.<br />
«Julia, wenn wir uns liebten, hast Du meist geweint», heisst es<br />
in einem Song der Dire Straits. Hoffen wir also, dass die neue<br />
Giulia viele Verehrer finden und der Hersteller zwischenzeitlich<br />
nicht in Tränen verfallen wird!<br />
066 <strong>VECTURA</strong> #16
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Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map
HERBST <strong>2015</strong> 069
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Tankinhalt in L 46<br />
Kofferraumvolumen in L 300<br />
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 970<br />
155 SR15<br />
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1340<br />
Leistungsgewicht in kg/PS 8,8<br />
0 – 100 km/h in Sek. k.A.<br />
Höchstgeschwindigkeit in km/h 184<br />
Durchschnittsverbrauch in L/100 km 12,5<br />
CO 2 -Emission in g/km<br />
Energieeffizienzkategorie –<br />
k.A.<br />
Preis ab CHF 18 600.– (1974)<br />
Es ist trocken draussen, Sonnenstrahlen blinzeln durch die<br />
Wolken und Tino holt seinen Spider raus. Dazu muss es<br />
nicht Sommer sein, ein Spätherbsttag geht auch, gut sogar.<br />
«Vor ein paar Jahren bin ich auch mal im Winter offen gefahren»,<br />
schmunzelt er. Es ist ja auch ganz leicht: zwei Riegel öffnen<br />
und das Faltdach einfach nach hinten schmeissen, natürlich während<br />
der Fahrt, volevo ben dire, das Leben ist kurz!<br />
Roadster, so nennt man zweisitzige, sportliche Cabriolets seit<br />
jeher. Ganz früher trugen sie seitlich höchstens Steckscheiben<br />
und überhaupt nur ein Notverdeck mit sich herum. In den letzten<br />
zwei Dekaden wurde der Begriff dann überstrapaziert, weil<br />
jedes x-beliebige Grossserien-Cabrio per Marketingbeschluss<br />
zum Roadster umtituliert wurde (Ausnahme: siehe Seite 078 ff.).<br />
Schwamm drüber. Der Alfa Spider ist ein waschechter Roadster –<br />
mit Kurbelscheiben zwar, aber mehr auch nicht. Ohne Servolenkung,<br />
Gurtwarner, Schaltanzeige oder Klimaanlage, mamma mia!<br />
Unser zierlicher 1600er «Coda Tronca» aus den frühen 1970ern<br />
ist nicht überrestauriert, sondern ein unfallfreies Exemplar mit<br />
Originallack und Gebrauchsspuren. Das Radio wich irgendwann<br />
einer modernen Empfangseinheit, die Sitzbezüge zeigen erste<br />
Risse und auch die Teppiche hatten schon einiges auszuhalten.<br />
Aber dafür sind sie schliesslich auch da. Man merkt schnell: Dieser<br />
Alfa wird nicht wöchentlich poliert, sondern benutzt – völlig<br />
selbstverständlich und mit einer gesunden Portion Gottvertrauen<br />
in die Zuverlässigkeit dieser noch rein mechanisch aufgebauten<br />
070 <strong>VECTURA</strong> #16
ABGEFAHREN<br />
Maschine. Schon mal liegengeblieben, Tino? «Nicht doch! Neulich<br />
verlor sie zwar Öl, aber ich bin gut nach Hause gekommen.<br />
Und habe das natürlich gleich in Ordnung gebracht.»<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
ALFA ROMEO GIULIETTA QV 1750<br />
Er hat «sie» gesagt. Der Spider ist eine gute Freundin, die ihm ans<br />
Herz gewachsen ist. Mit Treue, der richtigen Tonalität, einer erfrischenden<br />
Art und – zugegeben – ihren äusserlichen Reizen.<br />
Alfa Romeo könnte wieder solche Freundinnen bauen, es ist<br />
gar nicht schwer. Die Ingenieure und Designer in Arese sollten<br />
ab und zu einfach an guten wilden Sie-wissen-schon denken,<br />
statt ständig die Finanz-Controller im Hinterkopf zu haben wie in<br />
den letzten unrühmlichen Jahren. Es ist gut, wenn eine Frau im<br />
Haus ist, die etwas von Buchführung versteht. Aber lässt man sie<br />
vor der ersten gemeinsamen Nacht testweise die Steuererklärung<br />
ausfüllen? Eben.<br />
Wir sitzen jetzt in der Giulietta QV, die auf Knopfdruck den Charakter<br />
ändern kann. Die sich mit kernigem Auspuffklang redlich<br />
um Emotionen bemüht. Und tut, was sie in der Neuzeit eben so<br />
tun muss – zügig sein, auf Wunsch auch richtig schnell, dabei<br />
sparsam, Bluetooth-verbunden, sprachgesteuert. Dank ihrer Power<br />
sind respektable 1320 Kilo Leergewicht beim Fahren wie<br />
weggeblasen, sie ist schön ausbalanciert, und auch ein VW<br />
Golf GTI Performance tut sich schwer, wenn der Kleeblatt-bespasste<br />
Alfista zurückschaltet und es fliegen lässt. Da blitzen<br />
dann alte Alfa-Lässigkeiten durch, das Dolce Vita auf lichtdurchfluteten<br />
Uferstrassen der Adria. Die junge Loren würde sich wohlfühlen<br />
im QV, wir glauben daran. Doch uns gelüstet nach mehr –<br />
nach Faltdach und Übersteuern, zum Beispiel. Die Liebe zu Alfa<br />
Romeo ist also noch vorhanden und kann wieder wachsen. Nur<br />
enttäuscht werden will sie nicht mehr.<br />
Konzept Leistungsstärkste Variante des italienische Kompaktwagens.<br />
Selbsttr. Karosserie mit Hilfsrahmen v., 5 Türen/Plätze. Zahnstangenlenkung<br />
m. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker,<br />
hinten Verbundlenkerachse, Frontantrieb<br />
Motor Code 940 A1000. Wassergek. Vierzyl.-Benziner mit Direkteinspr.,<br />
4 Vent./Zyl., 2 o. lieg. Nockenw., Turbo, Intercooler. Stopp-Start-System<br />
Hubraum in cm 3 1742<br />
Bohrung x Hub in mm 83 x 80,5<br />
Verdichtung 9,3:1<br />
Leistung in PS (kW) @ U/min 240 (177) @ 5750<br />
Max. Drehmoment in Nm @ U/min 340 @ 2000<br />
Kraftübertragung<br />
DKG6<br />
Abmessungen (L/B/H) in cm 435/180/146,5<br />
Radstand in cm 263,5<br />
Spur vorne/hinten in cm 155,5<br />
Reifen und Räder<br />
Tankinhalt in L 60<br />
225/45 R17 auf 8J<br />
Kofferraumvolumen in L 350–1045<br />
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 1320<br />
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1825<br />
Leistungsgewicht in kg/PS 5,5<br />
0 – 100 km/h in Sek. 6,6<br />
Höchstgeschwindigkeit in km/h 244<br />
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,8<br />
CO 2 -Emission in g/km 157<br />
Energieeffizienzkategorie<br />
Preis ab CHF 43 600.–<br />
F<br />
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />
HERBST <strong>2015</strong> 071
072 <strong>VECTURA</strong> #16<br />
ABGEFAHREN
ABGEFAHREN<br />
Der Spider ändert den Charakter<br />
mit manuellem Öffnen des Stoffverdecks,<br />
die Giulietta QV per DNA-Schalter<br />
074 <strong>VECTURA</strong> #16
FÜR SIE ÜBERWINDEN<br />
WIR HINDERNISSE<br />
Genossenschaftliche<br />
Solidität –<br />
fünf Gründe, weshalb Sie<br />
bei uns goldrichtig sind auf<br />
www.cic.ch/5<br />
Die Bank der Privat- und Geschäftskunden<br />
Basel, Fribourg, Genf,<br />
Lausanne, Locarno, Lugano,<br />
Neuchâtel, Sion, Zürich<br />
www.cic.ch
Über jeden Zweifel erhaben: Für den Autor<br />
liegen Teile der Roadster-Zukunft<br />
in der Vergangenheit<br />
UNTERHALB DER GÜRTELLINIE<br />
HIMMEL HILF: ES GAB (UND GIBT) CABRIOLETS, DIE SO FURCHTBAR WAREN (ODER<br />
ES NOCH SIND), DASS WIR HIER EINIGEN VON IHNEN EIN (LETZTES) STÄNDCHEN<br />
BRINGEN WOLLEN<br />
Text und Illustration Mark Stehrenberger<br />
Als junger Twentysomething war ich total begeistert vom<br />
damals brandneuen wie roten Alfa Romeo 1600 Duetto<br />
Cabrio aus dem immer wieder gerne zitierten Blockbuster<br />
«The Graduate». So wie Mrs. Robinson damals Ben mit<br />
ihren Kurven verführte, erlag ich den sexy Formen der rassigen Italienerin.<br />
Es gab etwas Äusserliches an diesem Auto, das gut für<br />
mein Inneres war! Leider ist der Alfa damals zu teuer gewesen<br />
und so ging ich mit einem Mustang Cabrio auf Tour – auch nicht<br />
schlecht. In Kalifornien ist immer Sommer, Cabrio und Sonne gehören<br />
zusammen. Entsprechend viele solcher Autos gibt es hier,<br />
doch längst nicht alle sind erstrebenswert. Zwischen «Me-too»-<br />
Mainstream und Wegwerf-Mentalität scheinen manche Modelle<br />
geradezu gemacht worden zu sein, um jegliche Fahrfreude zu<br />
verhindern und Passanten abzuturnen. Leider verunstaltet derart<br />
automobiler Abfall nicht nur den Riesenparkplatz vor der nächsten<br />
Mega-Mall, sondern zunehmend auch unser Wohnviertel.<br />
Und darum widme ich diesen natürlich wieder sehr subjektiven<br />
Beitrag meinen ganz persönlichen Schreckschrauben.<br />
Audi TT Roadster (erste Generation 8N, 1999–2006) Jenes<br />
Auto, welches Audi verändern sollte, wurde ab Mitte 1990er-<br />
Jahre im kalifornischen Design-Zentrum der Marke entworfen.<br />
Der entscheidende Mann heisst Freeman Thomas; er zeichnete<br />
auch den VW New Beetle. Das TT-Styling erinnerte mich stark<br />
an die blechernen Schuco-Spielzeugautos der Nachkriegszeit<br />
(mit Aufziehschlüssel), traf aber offenbar einen öffentlichen Nerv:<br />
Das Coupé kam im Herbst 1998 auf der Plattform des VW Golf<br />
IV auf den Markt und war ein Volltreffer. Ein Jahr später folgte<br />
dann der Roadster – doch die eigenständige, fette Dachlinie, die<br />
den Coupé-Charakter so geprägt hatte, ging hier völlig verloren.<br />
Das degradiert den offenen TT für mich bis heute zu einer ausdruckslosen<br />
Badewanne auf Rädern.<br />
Chrysler PT Cruiser Convertible (2004–06) Sicher. Im Vergleich<br />
zu anderen Cabrios sassen die Fondpassagiere sehr bequem<br />
in diesem Auto und genossen viel Beinfreiheit – der PT war<br />
und ist immer ein Viersitzer gewesen. Das Retrostyling mit den<br />
076 <strong>VECTURA</strong> #16
STILBLÜTEN<br />
hohen Seitenwänden war natürlich massiv absurd, mit oder ohne<br />
Verdeck. Aber angeblich soll sich der FGF (Feel-Good-Factor)<br />
im Cabrio ja mit jedem weiteren Passagier erhöhen: Sind die hinteren<br />
Plätze erst einmal belegt, ist der Jubel gross. Stell dir vor:<br />
Alle singen auf dem Weg zum Strand Rihannas «Bitch Better have<br />
My Money» – selbstredend mit offenem Dach. Der Überroll bügel<br />
dient den hinten übermütig stehend Mitfahrenden als Handgriff.<br />
Zum totalen Glück fehlen jetzt nur noch ein paar Hawaii-Hemden.<br />
K.O.T.Z.!<br />
Chrysler TC by Maserati (1989–91) Wenn wir schon mal bei<br />
Chrysler sind: In den späten 1980er-Jahren nutzte Chairman und<br />
Enfant terrible Lee Iacocca seine Freundschaft zum damaligen<br />
Maserati-Präsidenten Alejandro de Tomaso für ein schauderhaftes<br />
Beispiel von Geiz und Arroganz. Denn was da in Mailand<br />
zusammengebaut wurde, war kaum mehr als die Chrysler-K-Baureihe<br />
mit überflüssigem Styling-Gedöns. Die Karre sah aus wie<br />
eine mit Reeboks und schlechtsitzenden Hot Pants übel verkleidete<br />
faltige Grossmutter. Der Maserati-Dreizack auf dem Kühlergrill<br />
war jedoch der Gipfel der Unverschämtheit, etwas Schlimmeres<br />
hat es bis heute nicht mehr gegeben – oder ich habe es<br />
angesichts dieser Verhohnepipelung schlicht verdrängt.<br />
Ferrari California (seit 2009) Okay, das gibt böse Briefe aus<br />
Maranello, aber ich schreibe es trotzdem: Ausgerechnet das Einstiegsmodell<br />
des Hauses ist total überzogen gestylt, dabei Polastig<br />
und einfach plump. Der California ist für mich ein böses Ungetüm<br />
von einem ansonsten Blue-Chip-gehandelten Hersteller<br />
echter Vollblutsportwagen. Ferrari sollten exzentrisch sein,<br />
einverstanden, aber doch nicht so! Es scheint, als wäre jede<br />
schlechte Idee in diesen noch dazu völlig überteuerten Sportwagen<br />
gestopft worden. Wer die Glocken so hoch hängt, muss das<br />
Echo ertragen können. In einem Satz: Der California gehört zu<br />
den schlimmsten Dingen, die nach dem Duce aus Italien kamen.<br />
Fiat Ritmo Cabrio (1982–87) Wer erinnert sich freiwillig? Richtig,<br />
das war jenes Auto, welches nach dem 128 und vor dem Tipo<br />
produziert wurde. Dass die Modellbezeichnung gleichzeitig auch<br />
der Name einer US-amerikanischen Damenbinde gewesen ist –<br />
nun ja. Nachhaltiger haben dann Zuverlässigkeits- und Korrosionsprobleme<br />
den Ritmo-Ruf ruiniert. Ein Hingucker war er leider<br />
auch nicht: Das, äh, eigenständige Design von Bertone war umstritten<br />
und ging voll in die Hose. Einzig cool sind die Twin-Carbbestückten<br />
Abarth-Versionen gewesen, die das Zeug hatten, den<br />
legendären Benzineinspritzer VW Golf GTI II abzuhängen. Aber<br />
dazu brauchte es kein Cabrio; auch 30 Jahre später tendiert dessen<br />
Sammlerwert gegen null. Das gilt übrigens auch für den ab<br />
1994 produzierten «Nachfolger», das Punto Cabrio.<br />
Ford Focus CC (2007–10) Stimmt, diese ganzen Retractables<br />
mit ihren versenkbaren Hardtops waren mal total in und ich muss<br />
husten: Denn auch Nissan Micra CC, Peugeot 307 und 308 CC,<br />
Renault Mégane CC, ja selbst Volvo C70 und Lexus SC mit ihren<br />
riesigen Hinterteilen sind in meinen Augen optische Katastrophen.<br />
Es gibt wenige Ausnahmen wie den Pug 207 CC, der<br />
auf seine Weise schon wieder gut aussah, oder meinetwegen<br />
den letzten und aktuellen 3er-BMW, wobei ich höre, dass man<br />
in München künftig wieder auf Softtop umsteigen will. Die CC-<br />
Nachteile sind klar: viel schwerer als Stoff (oder ein abnehmbares<br />
Hardtop), dazu wartungsintensiver. Und, im Falle eines<br />
Heckaufpralls, ganz schnell auch ein finanzieller Totalschaden.<br />
Vermeintliche Vorteile: weniger Windgeräusche, mehr Schutz vor<br />
Wetter und Vandalismus, Beibehaltung der aerodynamischen<br />
Dachlinie. Meine Meinung: Wer Angst vor einem waschechten<br />
Cabrio hat, möge doch bitte die U-Bahn nehmen!<br />
Jaguar XJ-S (1983–96) Manche Luxus-Cabrios hatten (und<br />
haben!) von allem zu viel. Je grösser sie sind, desto mehr PS<br />
scheint es zu brauchen, um die Besatzung feudal zum nächsten<br />
Drive-in zu kutschieren. Einige Modelle dieser Machart drücken<br />
mir in puncto Design, Masse und Komplexität stark auf die<br />
Tränendrüsen. Bestes Beispiel: der Jaguar XJ-S. Zugegeben, als<br />
E-Type-Nachfolger hatte er es immer schwer. Aber einen XJ-SC<br />
mit Targa-Dach und faltbarer Heckscheibe inklusive problematischer<br />
Verdeckkonstruktion abzuliefern, ist nicht entschuldbar.<br />
Das sahen auch Markenfans so; 1988 kam eine bügelfreie, zwölfzylindrige<br />
Version auf den Markt, das XJ-S Convertible. Geholfen<br />
hat es nichts, denn auch diese Karre soff ab wie einst die «Titanic».<br />
Erst 1996 war die Welt wieder in Ordnung.<br />
Nissan Murano CrossCabriolet (2011–15) Du meine Güte!<br />
Als Antwort auf eine Frage, die eigentlich niemand gestellt hatte,<br />
köpfte Nissan einen Murano und schuf so (hmm, ich überlege<br />
gerade, ob man in diesem Zusammenhang wirklich die Vokabel<br />
«schöpfen» benutzen sollte …) – das erste Crossover-Convertible.<br />
Heraus kam ein grosses, klobiges Etwas mit völlig uncoolen<br />
Proportionen und einem Look, von dem sich manche Passanten<br />
bis heute verlegen abwenden. In der Konsequenz wurde der<br />
Allrad-Alien schnell wieder eingeschläfert; US-Händler drücken<br />
gerade ihre Restposten in den Markt, ich zücke rasch mein Kruzifix<br />
und rufe: Weiche von mir, Satan! Für einen positiveren Spin<br />
zum Thema Nissan sei gesagt: Wir alle haben mal einen schlechten<br />
Tag. Cube oder Juke zeigen, dass die Japaner es viel besser<br />
können. Schlechter als CrossCabriolet geht ja auch nicht. Bleibt<br />
die ketzerische Frage: Wird der aufgeschnittene Range Rover<br />
Evoque 2016 tatsächlich sehr viel besser aussehen?<br />
Opel GT Roadster (2007–09) Yuk! Der Opel-Speedster-Nachfolger<br />
basierte auf GMs Kappa-Plattform (Motor vorne, Antrieb<br />
hinten, immerhin). Zu allem Überfluss wurde er auch noch zusammen<br />
mit den ebenso belanglosen wie nahezu baugleichen Baureihen<br />
Saturn Sky und Pontiac Solstice in Wilmington, Delaware,<br />
gebaut. Einen nennenswerten Kofferraum gab es nicht; das Fahrzeug<br />
war allein auf irgendeinen Fahrspass und in keinster Weise<br />
auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Das Resultat? Eine stilistisch<br />
überzogene, unpraktische Nullnummer, ein teurer Ladenhüter<br />
mit kurzem Verfallsdatum. Gebrauchte Exemplare kriegt man<br />
in Kalifornien heute nachgeschmissen – ein Umstand, der das<br />
Problem der optischen Umweltverschmutzung leider nicht löst.<br />
Rover Metro/100 Convertible (1990–98) Dank seiner kompakten<br />
Form war der kleine Brite ideal für den Stadtverkehr. Und<br />
er war auch das Auto der Wahl für Fahrschüler, die etwas Einfaches<br />
zum Lernen und Kaputtmachen brauchten. Doch warum<br />
je jemand dachte, dass eine Cabrio-Version zum Hit werden<br />
könnte, ist mir ein absolutes Rätsel. Das Ergebnis sieht aus, als<br />
sei es nächtens von Freddy Krueger brutal mit einer Kettensäge<br />
angegriffen worden: massiv schrecklich, besonders mit diesem<br />
riesigen Persenning-Wulst über dem versenkten Verdeck. Bottomline:<br />
Dieses letztlich wegen eklatanter Sicherheitsmängel vom<br />
Markt genommene Teil drückte nur eines aus – dass sein Fahrer<br />
von Autos absolut keine Ahnung hatte.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 077
FAHRTERMIN
NEUGEBURT EINER IKONE<br />
AB SEPTEMBER VERFÜGEN ENDLICH AUCH SCHWEIZER MAZDA-<br />
HÄNDLER ÜBER DEN MX-5 DER VIERTEN GENERATION. DOCH GENAU<br />
SO MÖCHTE UNSERE AUTORIN DAS AUTO NICHT VERSTANDEN WISSEN …<br />
Text Yumi Kawabata (Übersetzung: Alexander Ostern)<br />
Fotos Akio Koga, Junya Yamauchi<br />
HERBST <strong>2015</strong> 079
FAHRTERMIN<br />
Japan ist sehr stolz auf den neuen MX-5:<br />
Das Auto ist über Monate ausverkauft; allein<br />
auf einen Garagen-Termin wartet man wochenlang<br />
080 <strong>VECTURA</strong> #16
HERBST <strong>2015</strong> 081
FAHRTERMIN<br />
MAZDA MX-5<br />
082 <strong>VECTURA</strong> #16
das war für die japanische Automobilbranche<br />
1989, ein herausragendes Jahr. Branchenkennern<br />
kommen da sofort einige bedeutsame Modelle in den Sinn –<br />
der Skyline GT-R von Nissan etwa, ein Subaru Legacy oder der<br />
Toyota Celsior (und spätere Lexus LS). Eine weitere wichtige<br />
Neuerscheinung war zweifellos die erste Generation des<br />
Mazda Eunos Roadster, der in den USA Miata und in Europa<br />
MX-5 genannt werden und hier wie dort vor allem junge Leute<br />
ansprechen sollte. In der Preisklasse um zwei Millionen Yen<br />
(Anm. d. Red.: In der Schweiz wurden damals 29 000 Franken<br />
aufgerufen) hatte es bis dato nichts Vergleichbares aus<br />
Japan gegeben. Ein zweisitziger, offener Wagen galt auf den<br />
ersten Blick als verschwenderisch, doch es sollte dem MX-5<br />
gelingen, das Cabrio-Segment neu zu beleben. Mehr noch:<br />
Wirtschaftlich und kulturell wurde er zum Vorreiter der neuen<br />
Cabrio-Bewegung.<br />
Das ist auch die eigentliche Sensation gewesen – dass die<br />
fernöstlichen Flammen der Roadster-Euphorie tatsächlich bis<br />
nach Nordamerika und Europa loderten, dem ausgestorben<br />
geglaubten Roadster ein Revival bescherten und andere Hersteller<br />
ermunterten, etwas Ähnliches auf die Räder zu stellen. In<br />
der Konsequenz erschienen ein BMW Z3 (1995), der Mercedes<br />
Benz SLK (1996) oder Audis TT Roadster (ab 1999), und es ist<br />
angebracht zu sagen, dass es sie alle ohne den Mazda MX-5<br />
nicht gegeben hätte.<br />
Dessen weitere Geschichte verlief dann in geordneten Bahnen:<br />
Als Besitzerin der ersten Generation kann ich aus eigener Erfahrung<br />
sagen, dass die technischen Fortschritte in der zweiten<br />
und dritten Serie nicht allzu gross gewesen sind. Stattdessen<br />
gab es immer ein Gefühl von Vertrautheit, als würde man eine<br />
alte Beziehung wiedersehen und viele Gemeinsamkeiten neu<br />
HERBST <strong>2015</strong> 083
084 <strong>VECTURA</strong> #16
FAHRTERMIN<br />
HERBST <strong>2015</strong> 085
TECHNISCHE DATEN MAZDA MX-5<br />
Konzept Leichtbau-Roadster mit selbsttragender Stahlkarosserie und manuellem Stoffverdeck, 2 Türen/Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit elektr. Servo,<br />
Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Doppelquerlenker, hinten Mehrlenkerachse. Sechsgang-Schaltgetriebe und Heckantrieb<br />
Motor Vorne längs eingebauter, wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner in zwei Hubraum- und Leistungsstufen. 4 Ventile/Zyinder, 2 oben liegende<br />
Nockenwellen (Kette), Aluminium-Zylinderkopf, Direkteinspritzung<br />
Skyactiv-G 131 Skyactiv-G 160<br />
Hubraum in cm 3 1496 1998<br />
Bohrung x Hub in mm 74,5 x 85,8 83,5 x 91,2<br />
Verdichtung 13,0:1<br />
Leistung in PS (kW) @ U/min 131 (96) @ 7000 160 (118) @ 6000<br />
Max. Drehmoment in Nm @ U/min 150 @ 4800 200 @ 4600<br />
Kraftübertragung<br />
M6<br />
Abmessungen (L/B/H) in cm 391,5/173,5/122,5 (123)<br />
Radstand in cm 231<br />
Spur vorne/hinten in cm 149,5/150,5<br />
Reifen und Räder 195/50 R16 auf 6,5J 205/45 R17 auf 7J<br />
Tankinhalt in L 45<br />
Kofferraumvolumen in L 130<br />
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg 975 1000<br />
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1215 1260<br />
Leistungsgewicht in kg/PS 7,4 6,3<br />
0 – 100 km/h in Sek. 8,3 7,3<br />
Höchstgeschwindigkeit in km/h 204 214<br />
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km 6,0 6,9<br />
CO 2 -Emission in g/km 139 161<br />
Energieeffizienzkategorie E G<br />
Preis ab CHF 23900.– 30 500.–<br />
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus<br />
086 <strong>VECTURA</strong> #16
FAHRTERMIN<br />
entdecken. Die zweiten und dritten MX-5 hatten ihren Charme,<br />
gar keine Frage. Doch für mich stand schon nach den ersten<br />
Testfahrten fest, dass ich mein Ur-Modell noch nicht eintauschen<br />
wollte. Dem Erfolg tat das natürlich keinen Abbruch: In<br />
den letzten 25 Jahren sind insgesamt knapp eine Million Einheiten<br />
verkauft worden; der MX-5 ist längst der weltweit erfolgreichste<br />
Roadster und es gibt nach wie vor viele Leute, die<br />
heute noch eine erste Generation besitzen und auch fahren.<br />
So weit zum Hintergrund, den man kennen sollte, um den neuen,<br />
nunmehr vierten MX-5 vollends verstehen zu können. Er löst ein<br />
zehn Jahre lang gebautes populäres Auto ab, und wie immer<br />
gestattete Mazda einer kleinen Gruppe japanischer Journalisten,<br />
die Neuauflage noch vor dem Verkaufsstart dynamisch<br />
kennenzulernen. Das geschah inmitten von Wäldern auf der abgesperrten<br />
Versuchsstrecke des Cycle Sport Center bei Izu in<br />
der Präfektur Shizuoka. Für eine Schlussfolgerung zum MX-5-<br />
Alltag reichte das zwar noch nicht aus, doch auf dem fünf Kilometer<br />
langen Kurs mit seinen vielen Kurven sowie Berg-und-Tal-<br />
Abschnitten trat der Charakter des neuen MX-5 deutlich zutage.<br />
Auch er hat viel Charme, so viel lässt sich schon vor dem Einsteigen<br />
sagen. Und es fällt auf, das sich niemand negativ zum<br />
doch etwas schwierigen Design geäussert hat. Rein optisch unterscheidet<br />
sich die Baureihe nämlich deutlich von der ersten<br />
MX-5-Generation. Doch so flach und geduckt, wie sich das Auto<br />
auf den Asphalt kauert, ist stilistisch sofort klar, um wen es sich<br />
handelt. Gleichzeitig findet die neue Mazda-Designsprache ihre<br />
Anwendung; sowohl sehnige Linien als auch spannungsvolle<br />
Oberflächen symbolisieren Leistungsstärke und Geschwindigkeit.<br />
Man hat gar den Eindruck, dass Chefdesigner Ikuo Maeda<br />
mit diesem MX-5 sein Meisterstück abgeliefert hat. Der Zweisitzer<br />
ist ebenso hoch (oder niedrig) wie der allererste MX-5, aber<br />
etwas breiter und kürzer. Geblieben ist die klassische Gestalt<br />
eines Sportwagens mit kurzen Überhängen.<br />
Zur Formgebung äussert sich Maeda wie folgt: «Die bisherigen<br />
MX-5 hatten allesamt ein lustiges Gesicht, während der neue<br />
MX-5 speziell in der Front einen kräftigeren Eindruck hinterlässt.<br />
Um sich dann nicht ganz von den Vorgängern zu entfernen,<br />
haben wir versucht, den oberen Teil des Frontgrills etwas<br />
rundlicher zu gestalten, um mit diesem Detail eine freundliche<br />
Atmosphäre zuzufügen. Ich glaube, dass wir damit den Konflikt<br />
zwischen der Mazda-Designphilosophie und der MX-5-<br />
Philosophie gut unter einen Hut bekommen haben. Weil es sich<br />
zudem um ein offenes Auto handelt, haben wir einen Schwerpunkt<br />
auf die Vereinheitlichung von Ex- und Interieur gelegt. Beispielsweise<br />
kommt bei den Türinnenverkleidungen die Karosseriefarbe<br />
zum Einsatz, was den Sportwageneindruck verstärkt.»<br />
Das Einsteigen gleicht eher einem Abliegen in den sehr niedrigen<br />
Fahrersitz, doch es geht ganz leicht. Die Innenraum-Haptik<br />
des Hauses ist in den letzten Jahren spürbar hochwertiger geworden<br />
und auch das MX-5-Cockpit strahlt dieses Know-how<br />
aus, was nicht nur MX-5-Kennern sofort auffällt. Im Sinne einer<br />
guten Aerodynamik und Aussicht wurde die Motorhaube abgesenkt,<br />
während die Windschutzscheibe in alle Richtungen<br />
wuchs.<br />
Einmal losgefahren, werden die hohen Erwartungen nicht enttäuscht<br />
– sie werden sogar übertroffen! Die Gänge lassen sich<br />
knackig sortieren und das Kupplungsspiel ist sehr moderat,<br />
damit auch Fahrer, die eine Automatik gewohnt sind, ohne<br />
Probleme fahren können. Es gibt im MX-5 nur ein manuelles<br />
Getriebe, auch in diesem Punkt ist man sich treu geblieben.<br />
Das Gaspedal lässt sich ebenfalls gut dosieren und das Auto<br />
beschleunigt angenehm linear. Hier hatte man bei früheren Versionen<br />
gelegentlich den Eindruck, gleich abzufliegen, und mein<br />
Eindruck ist, dass sich der neue MX-5 viel erwachsener, souveräner<br />
verhält. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass die Freude<br />
am Fahren keineswegs nachgelassen hat: Während die Vorderräder<br />
jedem Lenkbefehl spontan und exakt folgen, krallen<br />
sich die angetriebenen Hinterräder in den Strassenbelag und<br />
man fühlt sich in jeder Fahrsituation und Kurve sehr sicher. Vermittelte<br />
die Lenkung der Vorgänger noch ein leicht flatterndes<br />
Gefühl, ist das nun gänzlich verschwunden und man glaubt,<br />
direkt mit den Rädern verbunden zu sein.<br />
Weil Neuwagen in letzter Zeit immer stärker geworden sind,<br />
hatte ich beim Studieren der MX-5-Leistungsdaten ein wenig<br />
Angst, ob die 131 PS und 150 Nm des 1,5-L-Direkteinspritzers<br />
ausreichen würden. Doch meine Sorge war unbegründet: Dank<br />
seinem Leichtbau kommt der neue MX-5 ohne Probleme die<br />
Berge hoch! Wenn man die Gänge voll ausfährt, ändert sich<br />
das Auspuffgeräusch drastisch und man meint, die Drehzahl<br />
beliebig steigern zu können, erreicht aber auch recht schnell<br />
den roten Bereich. Sein geringes Gewicht kommt dem MX-5<br />
natürlich auch beim Bremsen zugute; die Anlage arbeitet<br />
Fading-frei und sorgt so ebenfalls für Wohlbehagen.<br />
Der MX-5 ist ein Klassiker geblieben,<br />
doch Ergonomie, Sicherheit oder<br />
Lenkung sind mit der Zeit gegangen<br />
Das Wichtigste ist, dass man alle diese Erfahrungen auch openair<br />
geniessen kann. Wenn man das Dach öffnen möchte, wirft<br />
man es mit einer Handbewegung einfach nach hinten – genauso<br />
spontan und unkompliziert wie bisher. Selbst zierliche Frauen<br />
können das ganz leicht bewerkstelligen. Und anders als bei vielen<br />
europäischen Cabrios kann man im bewegten Mazda MX-5<br />
noch eine leichte Brise auf den Wangen spüren.<br />
Meine ersten Fahreindrücke bestätigen, was uns vorab von<br />
den Ingenieuren erzählt wurde: Die Entwicklung stand dieses<br />
Mal unter dem Motto «Innovation» und nicht «Evolution». Laut<br />
Chefkonstrukteur Nobuhiro Yamamoto lag die Herausforderung<br />
darin, ein Auto zu bauen, dessen «Design, Ausstattung und Dynamik<br />
das fahrerische Empfinden ansprechen und Glücksgefühle<br />
hervorrufen sollen, die im Innersten der Menschen verborgen<br />
sind». Es ging also nicht darum, die neuesten Technologien<br />
einzusetzen, sondern auch schon bestehende, bewährte Komponenten<br />
zu nutzen, um eine Fahrmaschine mit guter Balance<br />
zu erreichen, die fasziniert und gleichzeitig leicht beherrschbar<br />
bleibt. Deshalb sollte auch nicht einfach ein Hochdrehzahlmotor<br />
mit Niederdruck-Abgassystem, sondern ein alltagstaugliches<br />
Triebwerk eingesetzt werden. Die Karosserie sollte steifer<br />
und dennoch leichter werden, weshalb man hier sehr viel Aluminium<br />
verwendet hat.<br />
HERBST <strong>2015</strong> 087
FAHRTERMIN<br />
Das Ergebnis überzeugt: Der jüngste MX-5 ist ein klassischer<br />
Sportwagen geblieben, doch Ergonomie, Sicherheit und Lenkverhalten<br />
sind mit der Zeit gegangen und so viel besser als bisher.<br />
In der Summe wird also mehr Fahrspass denn je geboten,<br />
doch trotz Beibehaltung der MX-5-Gene würde ich weniger<br />
von einer vierten Generation, sondern eher von einer Neugeburt<br />
sprechen. Junge Menschen, die sich den offenen Mazda<br />
zum ersten Mal kaufen, werden sich an seiner Leichtigkeit und<br />
Sportlichkeit erfreuen, während Cabrio-Liebhaber ein Auto ins<br />
Kalkül ziehen müssen, das sie nicht links liegen lassen können.<br />
Auch Mazda hat gewonnen: Angefangen mit dem CX-5 und dann<br />
den Baureihen 6, 3, 2, MX-5 und bald auch CX-3 kann man festhalten,<br />
dass sich die Marke in einer sehr kurzen Zeit von nur vier Jahren<br />
komplett neu definiert und es geschafft hat, ihr Image positiv<br />
zu verändern. Und so bleibt abschliessend nur zu wünschen, dass<br />
Vertrieb und Service diesen guten Eindruck verstärken werden.<br />
Ich jedenfalls bin erstmals ernsthaft in Versuchung, meinen alten<br />
MX-5 gegen den neuen einzutauschen, wie einige Journalistenkollegen<br />
es bereits getan haben. Doch bei mir dürfte es<br />
sich jetzt hinziehen, denn die Nachfrage in Japan ist unheimlich<br />
hoch: Allein bis Ende Juni wurden bereits 5000 Einheiten<br />
ausgeliefert. Die bei uns auf dem Land häufig vorkommenden<br />
Bergstrassen sind wie geschaffen für den MX-5, was den<br />
Roadster nicht nur für Städter und den Wochenendtrip interessant<br />
macht. Erste Zielgruppe sind Ehepaare, deren Kinder<br />
schon ausgezogen sind, während sich jüngere Menschen aktuell<br />
und allgemein vom Auto entfernen. Doch wenn ein heimisches<br />
Fahrzeug auch im Ausland so erfolgreich ist, sind wir als<br />
Volk immer ein wenig stolz darauf. In der Folge muss man vier<br />
bis acht Wochen warten, um überhaupt ein Verkaufsgespräch<br />
mit einem Händler führen zu können – und sich dann weitere<br />
zwei Monate gedulden, bis das Auto kommt. Ich sollte bald mal<br />
bei meiner Mazda-Garage anrufen …<br />
088 <strong>VECTURA</strong> #16
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[lat.: das Fahren] #16 | Herbst <strong>2015</strong><br />
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