DG_Ausgabe-1
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#1<br />
Der Gänserich<br />
Gedanken, die man sich nicht unbedingt machen muss.<br />
Aber andererseits: warum nicht?<br />
WIENER<br />
LUFT<br />
Ein investigativer Essay von<br />
Erich v. Gaens
Es liegt ein spezieller Duft in der<br />
WIENER<br />
LUFT
GERADE HABE ICH EINEN<br />
ARTIKEL ÜBER LUFTVER-<br />
SCHMUTZUNG UND SMOG<br />
GELESEN. TEHERAN IST<br />
DEMNACH UNANGENEHM,<br />
KAIRO ÜBEL UND PEKING<br />
ETWAS GANZ BESONDERES.<br />
ABER WER, BITTE SCHÖN,<br />
REDET VON DER KATASTRO-<br />
PHALEN SITUATION IN WIEN?<br />
ES MAG SCHON SEIN, DASS ES<br />
BESTIMMT NOCH VIELE ORTE<br />
AUF UNSEREM GLOBUS GIBT,<br />
DEREN BEWOHNER WEITAUS<br />
MEHR AM ÜBLEN ODEM IHRER<br />
STÄDTE ZU JAPSEN HABEN.<br />
FEINSTAUB? GIBT ES DOCH<br />
ERST SEIT EIN PAAR JAHREN<br />
UND ÜBERHAUPT - DEN HAT<br />
DOCH JEDER. WIEN HAT EIN<br />
GANZ BESONDERES, VIEL<br />
SPEZIFISCHERES UND NAHEZU<br />
UNLÖSBARES PROBLEM!
SCHNITZELFETT-<br />
KONZENTRATION<br />
in der Wiener Luft<br />
„Häh?“ wird der ungebildetere Leser nun<br />
fragen, „Wie bitte?“ der wohlerzogenere. Beiden<br />
antworte ich: „Ja, Sie haben richtig gelesen. Schnitzelfett!“<br />
Um es noch weiter zu spezifizieren: Wiener<br />
Schnitzelfett oder ganz genau die Milliarden<br />
mikromillimetergroßen Bratenfettpartikel, die beim<br />
Herausbacken oder Frittieren dieses Wiener Grundnahrungsmittels<br />
tagtäglich durch Zehntausende<br />
Dunstabzugshauben speziell in die Wiener Innenstadt-Atmosphäre<br />
geblasen werden. Sie haben<br />
noch nie von dieser Bedrohung gehört? Nun,<br />
der Gemeinde Wien ist sie schon seit Längerem<br />
bekannt. Warum sonst warnt ein Zähler in der<br />
U-Bahn-Station Karlsplatz mit einer laufend aktualisierten<br />
Anzeige der in Wien verputzten Schnitzel?<br />
Gleich neben den Anzeigen von aktuell andernorts<br />
verhungernden und durch Kriege getöteten Menschen.<br />
Damit haben diese Leute sich verraten! Sie<br />
wissen Bescheid.<br />
Doch aktiv unternommen wird gegen diese<br />
Gefahr - Sie haben es erraten - nichts! Es gibt keine<br />
Messungen, Studien werden als Geheimsache<br />
deklariert und unter Verschluss gehalten, Schnitzelfettkonzentrationswarnungen<br />
fehlen völlig, der<br />
Informationsbedarf der Bevölkerung wird bewusst<br />
ignoriert und Katastrophenschutzpläne, wie sie bei<br />
Großbratveranstaltungen - zum Beispiel dem Donauinselfest<br />
- zwingend nötig wären, sind schlichtweg<br />
nicht existent! Es ist ein Skandal, der im wahrsten<br />
Sinne des Wortes zum Himmel stinkt!<br />
Man stelle sich aber auch die Panik vor, wenn<br />
auf jedem Schnitzel beim Figlmüller - als vermutlich<br />
größte Schnitzelfett-Schleuder Wiens - und in jedem<br />
anderen Beisl, Wirtshaus oder Restaurant der<br />
Stadt ein Warnhinweis, ähnlich denen bei Zigaretten,<br />
angebracht wäre. „Die Herstellung und damit<br />
auch der Verzehr dieses Schnitzels gefährdet Ihre<br />
Gesundheit und die aller anderen Stadtbewohner!“<br />
Oder gleich ganz shocking: „Dieses Schnitzel tötet!“<br />
Na, gute Nacht, Wien! Schlimmer könnte es wohl<br />
nur noch kommen, wenn man die Bewohner dieser<br />
Stadt von der Versorgung mit Grünem Veltliner<br />
abkappen würde.<br />
Und der Tourismus! Die Wiener Innenstadtgastronomie<br />
wäre dem Ruin preisgegeben.<br />
Und auch aus den Grinzinger Heurigen wäre die<br />
ach-so-berühmte, weinbeseelte Fröhlichkeit gewichen.<br />
Denn welcher Wienbesucher möchte noch<br />
das Killerschnitzel über den Tellerrand hängen haben,<br />
von dem er in großen Lettern auf der Titelseite<br />
der Bild-Zeitung gelesen hat? Dem Rest der Wiener,<br />
die nicht direkt vom Tourismus abhängig sind, wäre<br />
das Wegbleiben der Gäste allerdings wohl nicht unrecht.<br />
Denn - seien wir uns ehrlich - brauchen tun<br />
wir die G‘scherten nicht wirklich, oder?
Der Wiener Magistrat sollte warnen:<br />
DIE HERSTELLUNG UND DAMIT<br />
AUCH DER VERZEHR DIESES<br />
SCHNITZELS GEFÄHRDET IHRE<br />
GESUNDHEIT UND DIE ALLER<br />
ANDEREN STADTBEWOHNER!
DAS GEMEINE<br />
WIENER SCHNITZEL.<br />
EIN POTENZIELLER KILLER?<br />
Welches Bedrohungspotenzial steckt nun<br />
aber im Schnitzelfett in der Luft? Welche Gefahren<br />
und langfristigen Folgen haben die Wiener zu befürchten<br />
und was kann man dagegen tun und - vor<br />
allem - wie kann man sich schützen?<br />
Zunächst einmal muss man sich bewusst<br />
machen, dass es sich nicht um ein Phänomen unserer<br />
modernen Küche handelt. Möglicherweise<br />
fand das Wiener Schnitzel schon im 14. oder 15.<br />
Jahrhundert als Costoletta alla milanese von Oberitalien<br />
seinen Weg in die Küchen der heutigen<br />
Schnitzelmetropole. Es handelt sich also um eine<br />
schleichende Gefahr, die ihr Potenzial allerdings<br />
erst seit der Hochblüte und explosionsartigen Zunahme<br />
des Schnitzelverzehrs in der sogenannten<br />
Wirtschaftswunderzeit während den 50er-Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts voll entfalten konnte. Und<br />
auch die, endlich erfolgreiche, dritte Türkenbelagerung<br />
Wiens trägt ihren Teil bei. Seitdem jede gute<br />
Dönerbude, die zuvor einen traditionellen Wiener<br />
Würstelstand verdrängte - was erfreulicherweise<br />
kurzfristig zu einer Abnahme der Bratenfettkonzentration<br />
führte - nunmehr neben Kebap, Nudeln<br />
und Pizza auch Schnitzel anbietet, steigen die Werte<br />
beängstigend.<br />
Weiters muss man auch wissen, dass das<br />
Schnitzel nicht der einzige Verursacher ist. Auch<br />
das Backhendl trug zum Beispiel jahrzehntelang<br />
einen Gutteil zur heutigen Misere bei. Dessen Bedeutung<br />
ging jedoch mit der Pleite des Backhendlgroßdistributors<br />
„Wienerwald“ zurück. Denn die<br />
wenigen verbliebenen Filialen machen‘s - man verzeihe<br />
mir das Wortspiel - auch nicht fett. Besonders<br />
in der, von den Wienern so geliebten, Faschingsund<br />
Ballsaison erreichen die Fettwerte in der Luft<br />
jedoch durch das Herausbacken von Abermillionen<br />
Faschingskrapfen in siedendem Fett zusätzlich besorgniserregende<br />
Werte.<br />
Auch ist die Gefahr nicht in allen Wiener Gemeindebezirken<br />
gleich groß. Besonders die innerstädtischen<br />
Bezirke, in denen sich an jedem Eck<br />
ein Beisl oder Schnitzelhaus befindet, kämpfen mit<br />
einer erhöhten Fettkonzentration. In den Randbezirken<br />
und den eingemeindeten Dörfern ist die Belastung<br />
unter der Woche geringer, steigt aber vor<br />
allem an den Sonntagen überproportional, während<br />
aus den Küchen der schmucken Eigenheime<br />
und Gemeindebauten im Gleichtakt fanatisches<br />
Schnitzelklopfen dröhnt.<br />
WORIN BESTEHT ABER<br />
NUN GENAU DIE GEFAHR?<br />
Atmen! Auch der Wiener, und vor allem die<br />
Wienerinnen, müssen zwischen dem Raunzen und<br />
Meckern hin und wieder schnaufen. Und dabei<br />
nehmen sie mit jedem Atemzug winzige Mengen<br />
des tödlichen Fetts auf, das sich sukzessive in ihren<br />
Körpern ablagert. Und je mehr sie sich aufregen und<br />
echauffieren, desto mehr Speck bringen sie auf die<br />
Hüften. Schauen Sie sich um! Die Wiener sind dick.<br />
Und sie werden immer fetter! Oder sehen Sie sich<br />
mich an - auch ich bin ein Betroffener! Besonders<br />
beängstigend: vor allem die Taillenumfänge der<br />
Jugend nehmen leider in erschreckendem Maße<br />
zu und sprengen schon jetzt sämtliche Konfektionsgrößen.<br />
Und diese Fettleibigkeit führt natürlich<br />
zu allen damit verbundenen und verursachten gesundheitlichen<br />
Problemen. Es steigen die Risiken<br />
für Herz- und Gefäßkrankheiten, der Blutdruck und<br />
die Cholesterinwerte klettern in schwindelerregende<br />
Höhen, Diabetes wird zur Volkskrankheit<br />
und in späteren Jahren droht der Schlaganfall. Die<br />
körperliche Anziehungskraft nimmt proportional<br />
zum Bauchumfang ab, der Sexualakt wird immer<br />
beschwerlicher und unter extremen Umständen<br />
unmöglich, Wien vergreißt und der Wiener stirbt
aus. Unweigerlich! Denn entweder er hält die Luft<br />
an - was er nicht lange aushält - oder man nimmt<br />
ihm das Schnitzel weg - dann verhungert er.<br />
Kritiker könnten jetzt anmerken, dass das<br />
alles nur graue Theorie ist und sich die Fettleibigkeit<br />
der Wiener außschließlich auf deren Ernährungsgewohnheiten<br />
und den<br />
allgemeinen Hang zur körperlichen<br />
Untätigkeit zurückführen<br />
lässt und dass die paar gesundheits-<br />
und körperbewussten<br />
Wiener, sowie die Vegetarier und<br />
die Handvoll Veganer, nicht betroffen sind. „Weit<br />
gefehlt“, kontere ich! Natürlich gibt es einen gewissen<br />
Prozentsatz in der Bevölkerung, der sich<br />
ausschließlich von Erdäpfelsalat, gemischtem<br />
Salat und Petersilerdäpfel ernähren kann. Aber<br />
erstens reißen uns die paar Beilagenfresser nicht<br />
raus, und zweitens haben sie als Passiv-Schnitzelverwerter<br />
beim Radfahren,<br />
Joggen und vor allem durch<br />
das ständige Schwadronieren<br />
über gesunde Lebens-
weisen eine erhöhte Atmungsfrequenz, nehmen<br />
daher entsprechend mehr Fettpartikel in sich auf<br />
und sind somit in der höchsten Risikogruppe.<br />
WAS KÖNNTE MAN NUN<br />
UNTERNEHMEN, UM DEN<br />
DROHENDEN EXODUS DER<br />
STADT DOCH NOCH ZU<br />
VERHINDERN?<br />
Schnitzel-Verbote sind, wie wir schon gelesen<br />
haben, weder zielführend, weil letal, noch sind sie<br />
sinnvoll, wenn man keine Revolution provozieren<br />
möchte. Die Gemeinde Wien setzt - wie so oft unter<br />
Verschleierung des eigentlichen Problems - auf die<br />
Errungenschaften der modernen Technik. Nicht<br />
wegen der Geruchsbelästigung sind Filteranlagen<br />
in allen öffentlichen Küchen mittlerweile Pflicht! Es<br />
geht einzig und allein darum, zumindest einen kleinen<br />
Teil der Fettpartikel zu filtern und unschädlich<br />
zu machen. Dass die Vorschriften selbstverständlich<br />
nicht immer ganz genau eingehalten werden,<br />
ein gewisser Handlungsspielraum ja wohl vorhanden<br />
sein muss, die Vorschriften mancherorts eher<br />
als Empfehlungen verstanden werden und vor allem<br />
in der Wartung der Anlagen oft erschreckende<br />
Mängel aufgedeckt werden - darüber können die für<br />
die Überprüfung der Anlagen zuständigen Magistratsabteilungen<br />
ein unappetitliches Lied singen!<br />
Wichtig wäre es jedenfalls, genau wie beim<br />
Passiv-Rauchen, ein sogenanntes öffentliches Bewusstsein<br />
gegenüber den Schnitzelfressern und<br />
der Problematik des Passiv-Schnitzelverzehrs zu<br />
schaffen. Hier besteht noch ein immenser Handlungs-<br />
und Mobbingbedarf! Bei der Tabakindustrie<br />
hat das ganz gut funktioniert. Sie erwies sich zum<br />
Schluss doch als zu schwach und ging in die Knie.<br />
Dies ist jedoch bei der Wiener Schnitzel-Lobby<br />
nicht so bald zu erwarten und ein sehr, sehr langer,<br />
mit härtesten Bandagen und unter Umständen am<br />
Heumarkt mit schlagkräftigen Argumenten ausgefochtener<br />
Kampf könnte bevorstehen.<br />
Und vergessen Sie um Gottes Willen im Eifer<br />
und in der Begeisterung der Gründung von in<br />
Bezirken, Schulen, Altersheimen und Gemeindebauten<br />
organisierten Selbsthilfegruppen nicht die<br />
Sozialen Netzwerke im Internet! Twittern Sie, posten<br />
Sie, tauschen Sie sich in Foren aus und richten<br />
Sie entsprechende Facebook-Seiten ein! Selbst<br />
gedrehte Youtube-Videos, die die über den Steffel<br />
hinwegwabernden Schnitzelfettwolken dokumentieren,<br />
helfen am besten, ein besonders breites<br />
Interesse an der Problematik und Mitgefühl für<br />
die verzweifelte Lage der Wienerinnen und Wiener<br />
zu schaffen!<br />
HILFE NAHT!<br />
Auch von gänzlich unerwarteter Seite naht<br />
effektive Hilfe und ein erster Hoffnungsschimmer<br />
ist über dem - mittlerweile ebenfalls schon etwas<br />
schmierig eingefetteten - Wienerwald zu erkennen!<br />
Genau wie einst Jan Sobieski und Prinz Eugen im<br />
Jahre 1683 eilt „Der Gänserich“ den tapferen Wienern<br />
in der Stunde höchster Not zur Rettung entgegen!<br />
Konkrete Verhandlungen hinsichtlich der<br />
Übernahme der verbliebenen, von der österreichischen<br />
Bundesregierung im Jahr 2006 wegen der<br />
Schweinegrippe-Gefahr sinnloserweise, weil viel zu<br />
spät angeschafften, noch nicht an die Ukraine verschenkten<br />
und bis heute gehorteten Atemschutzmasken,<br />
befinden sich in einer finalen Phase. Diese<br />
Masken sind dann demnächst für alle Wienerinnen<br />
und Wiener günstig zu erwerben!<br />
Sorgen Sie vor, denn jeder Wiener ist sich<br />
selbst der Nächste. Und bedenken Sie: Im Wiener<br />
Rathaus wird intern unter vorgehaltener Hand<br />
und im Geheimen ebenfalls schon über eine sogenannte<br />
Allgemeine-Schnitzelfettkonzentration-inder-Luft-Schutzmaskenpflicht-Verordnung<br />
diskutiert!<br />
Spenden zur Unterstützung dieser humanitären<br />
Aktion sind herzlich willkommen.<br />
Erich v. Gaens
RETTET<br />
DIE WIENER!<br />
BITTE UNTERSTÜTZEN AUCH SIE<br />
DIE WIENER BEVÖLKERUNG<br />
IN IHREM KAMPF GEGEN DIE<br />
SCHNITZELFETTKONZENTRATION<br />
IN IHRER LUFT!<br />
Eine humanitäre Aktion des Gänserich.<br />
Spenden-Website: www.gaenserich.com/schnitzelfett
Der Gänserich<br />
Gesammelte Gedanken, die möglicherweise niemand braucht.<br />
Aber andererseits: vielleicht doch!<br />
Man macht sich halt so seine Gedanken! Über das Leben, dessen Sinn und Unsinn, über Alltägliches<br />
und Außergewöhnliches und über dies und das. Man wundert sich, ärgert sich, belustigt<br />
sich, findet manches ungeheuerlich und anderes ungeheuer dämlich. Manches inspiriert, anderes<br />
frappiert und nicht weniges konsterniert! Und manchmal ist man nur entsetzt! Kurz: Es geht einem<br />
ganz schön viel durch den Kopf. Und da stapft es manchmal geraume Zeit herum.<br />
Viele dieser Gedanken sind banal. Manche vielleicht genial. Vielleicht sind die meisten dieser Gedanken<br />
schon längst von anderen gedacht worden. Ich könnte es mir denken. Ich habe jedenfalls beschlossen sie<br />
zu notieren und zu sammeln. Einfach so. Und vielleicht denken Sie jetzt gerade, dass Sie sich das alles<br />
auch schon längst gedacht haben. Und vielleicht hatten Sie viel bessere, konkretere, intelligentere und<br />
durchdachtere Gedanken. Dann sollten Sie sie vielleicht auch aufschreiben.<br />
BISHER ERSCHIENEN:<br />
IN VORBEREITUNG:<br />
#2 Zeitreisezeit<br />
IMPRESSUM Herausgeber: Erich v. Gaens, Layout & Redaktion: grafiketc.,<br />
Seitenstettengasse 5, 1010 Wien, Autor dieser <strong>Ausgabe</strong>: Erich v. Gaens,<br />
Coverbild: Shutterstock-Jeff Whyte, Lektorat: Christa Hanten<br />
WWW.GAENSERICH.COM