eBook Eine Galerie finden
ISBN 978-3-86859-902-2
ISBN 978-3-86859-902-2
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
›
<strong>Eine</strong><br />
<strong>Galerie</strong><br />
<strong>finden</strong><br />
Ratgeber<br />
für Künstler<br />
Mit einem Vorwort<br />
von Thomas Köhler,<br />
Direktor Berlinische <strong>Galerie</strong>
›› 5<br />
Vernetzung und Kommunikation 7<br />
Ein lei tung 11<br />
Ein abendlicher Anruf … 17<br />
Der Kunstmarkt 23<br />
Poleposition: Wo stehe ich als Künstler? 37<br />
Professionelle Suche: Welche <strong>Galerie</strong> passt zu mir? 49<br />
Fehler vermeiden –<br />
was man unbedingt unterlassen sollte 63<br />
Strategien der Kontakt aufnahme 69<br />
Portfolio-Viewings,<br />
Seminare und andere Foren nutzen 83<br />
Das erste Treffen 93<br />
Möglichkeiten der Selbstvermarktung 103<br />
Der abendliche Anruf – Fortsetzung 119<br />
Ein anderer Blick auf den Kunstmarkt –<br />
Kunst ist nicht demokratisch 125
›
Vernetzung<br />
und<br />
Kommunikation<br />
›› 7
Vernetzung und Kommunikation ›› 9<br />
Die Partizipation der Künstler am Geschehen des Kunstmarktes<br />
ist von ungleicher Intensität, ihr Zugang zu relevanten Informationen<br />
limitiert und ihre Position im professionellen Kommunikationsnetzwerk<br />
peripher. Galeristen und Künstler treffen häufig<br />
sehr spät zusammen, die Ausbildung an den Kunsthochschulen<br />
kommt im Wesentlichen ohne Vertreter des Kunsthandels aus.<br />
Interaktionsformen zwischen Künstler und Galerist entstehen<br />
nur langsam und eine genuine Partnerschaft zwischen beiden<br />
Akteuren entwickelt sich zumeist mit Verzögerung.<br />
Um diesen Prozess der Annäherung zu befördern, hat Cai<br />
Wagner einen Kommunikationsleitfaden verfasst, der Hinweise<br />
für Künstler zusammenfasst, Handlungsoptionen aufzeigt und<br />
als klassischer Ratgeber funktionieren kann. Beide Seiten profitieren<br />
von den Hinweisen, die Missverständnisse vermeiden<br />
können und eine produktive Kooperationsgrundlage schaffen.<br />
Durch ihre Annäherung werden Künstler und Galerist überdies<br />
zu Partnern der Ausstellungsinstitutionen, deren Arbeit aufgrund<br />
budgetärer Einschränkungen oftmals nur mit Unterstützung<br />
der <strong>Galerie</strong>n und dem Engagement der Künstler möglich<br />
ist. Die Entwicklung einer dynamischen Kommunikationsstruktur<br />
ist in der Folge die Voraussetzung für eine zeitgemäße, für<br />
beide Seiten stimulierende Zusammenarbeit.<br />
Thomas Köhler
›<br />
Künstler<br />
Biennalen<br />
Auktionshaus<br />
Institutionen<br />
(Kunstvereine,<br />
Museen usw.)
DER KUNSTMARKT ›› 33<br />
Sammler<br />
Kurator<br />
Kunstmarktteilnehmer<br />
bestimmen gemeinsam<br />
den Kunstwert<br />
Messen<br />
Kritiker<br />
Galerist
die im Laufe der Jahre aus reinem Bauchgefühl heraus zusammengestellt<br />
wurde, stellt keinen nachhaltigen Wert dar. Zuletzt<br />
wird der Kurator, der immer nur Unbekannte zeigt, die sich nie<br />
entwickeln, irgendwann nicht mehr ernst genommen. Die Beispiele<br />
ließen sich fortsetzen …<br />
Für eine nachhaltige Wertentwicklung und -schätzung bedarf<br />
es also der Übereinkunft vieler Akteure: Museen, Kuratoren,<br />
Kritiker oder Sammler müssen ebenso vom Künstler und seiner<br />
Kunst überzeugt sein wie die <strong>Galerie</strong>n. Die Grafik auf S. 32<br />
deutet dieses Geflecht von Beziehungen schematisch an. Der<br />
Kunst-Wert bzw. das Kunst-Werk muss in diesem informellen<br />
Netzwerk diskutiert und für gut befunden werden. Je präsenter<br />
eine <strong>Galerie</strong> am Markt ist – sei es durch Messeteilnahmen<br />
oder Vermittlungstätigkeiten – und je qualitativ hochwertiger<br />
ihr eigenes Netzwerk ist, desto größer die Chance, dass die<br />
Diskussion um Künstler und Kunst eine breite Öffentlichkeit erreicht.<br />
Auf diesen Aspekt, den man bei der <strong>Galerie</strong>nauswahl<br />
berücksichtigen sollte, werde ich in späteren Kapiteln ausführlicher<br />
eingehen. An dieser Stelle möchte ich nur bemerken, dass<br />
sehr potente <strong>Galerie</strong>n sicherlich die Fähigkeit zur self fulfilling<br />
prophecy besitzen: Aufgrund ihrer starken Marktposition verfolgen<br />
die anderen Kunstmarktteilnehmer die Künstlerauswahl<br />
dieser <strong>Galerie</strong>n aufmerksamer und so muss oft gut sein, was<br />
teuer ist. Kritisch gesprochen: Man kann auch Künstler gemeinsam<br />
hochjubeln 6 .<br />
Ich habe in komprimierter Weise zu zeigen versucht, dass man<br />
bei der Suche nach einer <strong>Galerie</strong>vertretung immer auch das<br />
Umfeld in Betracht ziehen muss, in dem die <strong>Galerie</strong> agiert oder<br />
eben nicht. Wichtiger für Sie allerdings bleibt zunächst die Auswahl<br />
der <strong>Galerie</strong>n und die Kontaktherstellung im Allgemeinen.
DER KUNSTMARKT ›› 35<br />
Am Ende der Bemühungen entsteht vielleicht ein sehr individueller<br />
Kontakt, da <strong>Galerie</strong>n in der Regel keine großen Firmen<br />
sind, sondern stark von der Persönlichkeit und der Entwicklung<br />
des Galeristen geprägte Unternehmen. Lohnenswert ist daher,<br />
sich mit den Geschichten einiger führender <strong>Galerie</strong>n der letzten<br />
Jahrzehnte vertraut zu machen. Das Buch Insight/Inside<br />
(Grosenick/Stange) ist in dieser Hinsicht sehr lesenswert, da<br />
es konkret einzelne <strong>Galerie</strong>n porträtiert.
›
Poleposition:<br />
Wo stehe ich<br />
als Künstler?<br />
›› 37
SelBSTEinschätzung<br />
Dieses Buch ist für all diejenigen geschrieben, die im weitesten<br />
Sinne ein „Vermarktungsproblem“ haben, einen <strong>Galerie</strong>wechsel<br />
anstreben oder die sich am Ende des Studiums be<strong>finden</strong><br />
und nun eine <strong>Galerie</strong> suchen. Es richtet sich nicht an jene, die<br />
im Kunstmarkt etabliert sind, sondern an alle, die nicht hofiert<br />
werden und sich und ihre Kunst einer <strong>Galerie</strong> andienen<br />
müssen. Grundsätzlich besteht in dieser Situation immer die<br />
Gefahr, dass man im wortwörtlichen Sinne mit einer Mappe<br />
losrennt und sich vorstellt, ohne vorher genau zu schauen, was<br />
man zu bieten hat, wo man steht und an welchen potenziellen<br />
Geschäftspartner – sprich <strong>Galerie</strong> – man sich wendet.<br />
<strong>Eine</strong> kritische und professionelle Betrachtung der eigenen Position<br />
bzw. Person wird unterlassen, vielleicht auch, weil sie<br />
vordergründig nichts mit Kunst zu tun hat. Fakt ist auch, dass<br />
Wirtschaftsstandards wie Coaching, Entwicklungsgespräche<br />
und andere Instrumente aus der Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
aus vielerlei Gründen sehr wenig Eingang in die<br />
Kunstwelt gefunden haben. Zentral bleiben noch immer die<br />
persönliche Begegnung und die Persönlichkeit des Künstlers.<br />
Wie also beginnt man mit einer kritischen Selbsteinschätzung<br />
und bringt deren Ergebnisse in eine gewisse Systematik?<br />
In der modernen Kunst ist historisch gesehen fast alles möglich.<br />
Es gibt den malenden Bahnwärter Henri Rousseau, einen Autodidakten,<br />
der die Naive Kunst wesentlich geprägt hat. Dann ist<br />
da der Meisterschüler eines Erich Heckel. Oder ein ehemaliger<br />
Wallstreet-Banker, der weiß, wie man Geld macht und heute als<br />
Jeff Koons bekannt ist. Alle haben ihren Platz trotz sehr unterschiedlicher<br />
Ausbildung gefunden. Am Ende zählt allein das Ta-
POLEPOSITION: WO STEHE ICH ALS KÜNSTLER ›› 39<br />
lent. Dennoch schauen <strong>Galerie</strong>n sehr genau auf die Ausbildung<br />
ihrer Künstler. <strong>Eine</strong> fundierte Ausbildung sichert nicht nur die<br />
Bekanntheit der Künstler mit künstlerischen Inhalten und Techniken<br />
ab, sie ist selbstredend auch ein Qualitätsmerkmal für sich.<br />
Wie soll man etwa einen Autodidakten vermarkten? In welchen<br />
Kontext soll man ihn stellen – Art Brut, wenn es hoch kommt?<br />
Wird nicht bei einem 40-jährigen Künstler, der nach 20 Berufsjahren<br />
in die Kunst gewechselt ist, immer die Frage aufkommen,<br />
ob er noch ausreichende Karrierechancen hat? Oder der<br />
gelernte Grafiker, der jetzt als Maler reüssiert? Viel einfacher ist<br />
es, den jungen Studenten einer angesehenen Kunsthochschule<br />
zu fördern! Und das geht noch besser, wenn er Meisterschüler<br />
eines möglichst bekannten und einflussreichen Künstlers ist!<br />
Abgesehen von wenigen Ausnahmen gilt, dass auch im Kunstmarkt<br />
eine künstlerische Ausbildung an einer Hochschule die<br />
beste Voraussetzung für Erfolg ist, am besten noch mit erfolgreich<br />
abgeschlossenem Meisterschülerstudium. Erst danach<br />
sollte man gezielt eine feste Zusammenarbeit mit einer <strong>Galerie</strong><br />
anstreben. Die Zeit davor kann man für die Teilnahme an diversen<br />
Gruppenausstellungen nutzen, man sollte seine Kraft aber<br />
in erster Linie für eine gute Qualifikation aufbringen. Stehen Sie<br />
diesbezüglich also vor grundsätzlichen Entscheidungen, kann<br />
ich nur dazu raten, die beste Ausbildung und Förderung anzustreben.<br />
Hat man aus bestimmten Gründen andere (Lebens-)<br />
Wege gewählt, muss man sich dies sehr nüchtern vor Augen<br />
halten und die eigenen Stärken unbedingt noch weiter herausheben<br />
oder gewisse Nischenbereiche ansteuern. In einigen Fällen<br />
kann es sogar sinnvoller sein, von Anfang an den Weg der<br />
Selbstvermarktung zu gehen und ganz auf eine <strong>Galerie</strong>vertretung<br />
zu verzichten.
›
Das erste<br />
Treffen<br />
›› 93
Ist es Ihnen schließlich gelungen, einen Termin mit einem Galeristen<br />
zu vereinbaren, dann haben Sie viel erreicht. Nun sollten<br />
Sie sich überlegen, wo Sie die Verabredung wahrnehmen.<br />
Grundsätzlich kommen nur zwei Orte infrage: <strong>Galerie</strong> oder Atelier.<br />
Besteht die Möglichkeit zur Wahl, sollte man stets versuchen,<br />
ein Treffen im eigenen Atelier zu arrangieren. Fällt die Wahl<br />
auf die <strong>Galerie</strong>räume, ist es ratsam, einen Termin außerhalb der<br />
Öffnungszeiten zu <strong>finden</strong>, um störenden Publikumsverkehr zu<br />
vermeiden. In beiden Fällen jedoch benötigt ein solcher Termin<br />
gute Vorbereitung.<br />
Treffen in der <strong>Galerie</strong><br />
Wurde das Treffen in der <strong>Galerie</strong> vereinbart, dann sollten Sie<br />
nicht nur pünktlich erscheinen und Ihr Handy während des Gesprächs<br />
ausgeschaltet lassen, sondern auch auf einige andere<br />
Punkte achten. Kalkulieren Sie ungefähr 30 Minuten für das<br />
Gespräch. Mehr Zeit benötigt es normalerweise nicht, eigene<br />
Arbeiten vorzustellen; trotzdem sollte man keine weiteren Termine<br />
im Anschluss haben, um im Bedarf flexibel zu sein. Falls<br />
die Vereinbarung des Termins einige Tage oder gar Wochen zurückliegt,<br />
ist es sinnvoll, einen Tag vorher nochmals per E-Mail<br />
eine Bestätigung zu schicken. Wenn es sich nicht vermeiden<br />
lässt oder aus künstlerischer Sicht notwendig ist, dann bringen<br />
Sie Originale mit in die <strong>Galerie</strong>. Ich halte es allerdings für besser,<br />
alle Informationen auf einem Laptop mitzubringen. Für Originalkunstwerke<br />
ist das Studio weit geeigneter.<br />
Gehen Sie die Präsentation Ihrer Kunstwerke vorher mit einem<br />
Freund durch und lassen Sie sich von diesem kritisch befragen,<br />
sodass Sie in der <strong>Galerie</strong> entspannt und präzise über Ihre Arbeit
Das erste Treffen ›› 95<br />
sprechen können. Versetzen Sie sich vor allem in die Lage Ihres<br />
Gesprächspartners. Vielleicht sieht er die Sachen zum ersten<br />
Mal und benötigt zunächst eine kurze Einführung in Ihr Konzept.<br />
Sie müssen in der Lage sein, Ihren künstlerischen Ansatz knapp<br />
und bündig zu formulieren. Die Bilder oder Videos selbst sollten<br />
Sie auf Ihrem Laptop gut organisiert haben, damit Sie sich bei<br />
der Vorstellung nicht lange durch Dateiordner klicken müssen.<br />
<strong>Eine</strong> Slideshow oder ein PDF sind hierfür besser geeignet. Kein<br />
Text ist so brillant wie Sie selbst, dennoch ist es gut, ein sogenanntes<br />
artist statement dabei zu haben. Dieses Statement,<br />
zusammen mit einer sorgfältig beschrifteten CD mit Ihrem Präsentationsmaterial,<br />
sollten Sie ebenfalls mitbringen, um es am<br />
Ende des Gespräches zu überreichen. Falls Sie einen Katalog<br />
mit Ihren Arbeiten besitzen oder eine Einladungskarte für eine<br />
aktuelle Ausstellung, übergeben Sie Ihrem Gesprächspartner<br />
diese Materialien spätestens zur Verabschiedung.<br />
Im Hinblick auf den Termin mit einem Galeristen ist zweierlei zu<br />
bedenken: Zum einen wollen und müssen Sie Ihr künstlerisches<br />
Tun darstellen. Zum anderen aber muss der Galerist Ihre Motivation<br />
nachvollziehen können. Warum haben Sie sich gerade bei<br />
dieser <strong>Galerie</strong> beworben? Im Kapitel zur Recherche von <strong>Galerie</strong>n<br />
habe ich bereits einige der Aufgaben umrissen, die Sie leisten<br />
müssen. Mit Hilfe des sorgfältig recherchierten Wissens über<br />
die <strong>Galerie</strong> können Sie eine Brücke zu Ihrem Gegenüber bauen.<br />
Formulieren Sie Ihren Anknüpfungspunkt; vielleicht ist es<br />
die Vermittlungsarbeit der <strong>Galerie</strong>, die Sie bewundern. Vielleicht<br />
ist es das Programm oder ein bestimmter Künstler. Vielleicht<br />
meinen Sie, dass Ihre Arbeiten im Gesamtkontext gut aufgehoben<br />
wären oder diesen gezielt ergänzen würden. Hier gibt<br />
es mehrere Ebenen, sich in Beziehung zur <strong>Galerie</strong> zu bringen.
Für einen Galeristen reicht es nicht zu hören, dass ein Künstler<br />
eine <strong>Galerie</strong> sucht oder dort wegen der „schönen Räume“ eine<br />
Ausstellung machen möchte.<br />
Wenn Sie am Ende eines Vorstellungsgespräches auch noch<br />
versuchen, Ihre Erwartungshaltung zu umreißen, dann haben<br />
Sie alles getan, was in einem solchen Gespräch zu tun ist. Dies<br />
beinhaltet die Beantwortung folgender Fagen: Suchen Sie nach<br />
einer festen <strong>Galerie</strong>? Oder wollen Sie die <strong>Galerie</strong> wechseln?<br />
Vielleicht möchten Sie bei einer Gruppenausstellung berücksichtigt<br />
werden? Nur Sie selbst kennen Ihre Motive. Der Galerist<br />
kennt sie nicht. Sie sollten ihm daher mitteilen, was konkret Ihre<br />
Ziele bezüglich seiner <strong>Galerie</strong> sind. Dies hilft dem Galeristen<br />
wiederum bei der Überlegung, ob und bei welchem Anlass er<br />
Ihre künstlerische Arbeit einbinden kann.<br />
Den ATElierTErmin vorbereiten<br />
Nicht nur Sammler und Kuratoren besuchen gerne Künstlerstudios,<br />
auch Galeristen. Für diese ist der Studiobesuch eine gute<br />
Gelegenheit, sich ohne Ablenkung mit Ihrer Kunst und Ihnen als<br />
Person zu beschäftigen. Bei einem Termin in der <strong>Galerie</strong> besteht<br />
immer die Gefahr, dass unangemeldete Besuche oder Telefonate<br />
das Gespräch stören. Der Atelierbesuch bedeutet für Sie<br />
jedoch ein größeres Maß an Vorbereitung. Ich möchte einige<br />
Punkte herausgreifen, die Sie berücksichtigen sollten, um ein<br />
Treffen stressfrei und erfolgreich zu absolvieren.<br />
Auffindbarkeit: War ein Galerist noch nie bei Ihnen im Atelier,<br />
so müssen Sie dafür sorgen, dass er den Weg zu Ihnen leicht<br />
findet. Da Künstlerstudios oft in ehemaligen Fabrikhallen oder in<br />
Hinterhöfen untergebracht sind, meist sogar in großer Anzahl,
Das erste Treffen ›› 97<br />
sollte man die Anfahrt vorher sehr gut beschreiben, unter Umständen<br />
sogar Hinweisschilder anbringen. Irrt Ihr Besucher erst<br />
länger herum, schafft das keine gute Atmosphäre. Falls sich das<br />
als schwierig erweist, können Sie auch einen Treffpunkt vereinbaren<br />
und Ihren Gast dort abholen. In jedem Fall aber sollten<br />
Sie über Handy für den Galeristen erreichbar sein. Er kann sich<br />
ebenfalls verspäten.<br />
Vorbereitung: Für Ihren Besuch sollten Sie Getränke bereithalten<br />
(Wasser, Saft, Tee, Kaffee usw.) und auch eine Kleinigkeit<br />
zu essen da haben. Weder zuviel noch zuwenig, aber gerade<br />
soviel, dass sich der Gast wohl fühlt und man den Termin unter<br />
Umständen zeitlich dehnen kann. Sie wissen nicht, woher Ihr<br />
Besucher kommt und wohin er noch muss, daher sollte er sich<br />
in der Zeit bei Ihnen entspannen können.<br />
Soweit das möglich ist, sollten Sie vorher eine Auswahl der Arbeiten<br />
getroffen haben und diese für die Präsentation vorbereiten.<br />
Das umständliche Auspacken einer großen Leinwand mag<br />
noch charmant sein, aber wenn es zehn werden, ist die wertvolle<br />
Zeit mit dem Galeristen vergeudet. Je nach Medium (Malerei,<br />
Foto, Skulptur, Video) müssen Sie spezifische Vorkehrungen<br />
treffen.<br />
Durchführung: Sie können davon ausgehen, dass ein Atelierbesuch<br />
länger dauern wird als ein Treffen in der <strong>Galerie</strong>. Falls sich<br />
nicht ein außergewöhnliches Gespräch entwickelt, kann man<br />
mit ungefähr einer Stunde rechnen. Sie haben im Studio also die<br />
besseren Karten. Dennoch sollte man die gemeinsame Zeit im<br />
Atelier optimal nutzen. Zu den größten Vorteilen des Atelierbesuchs<br />
zählt der Umstand, dass der Galerist die Originale sehen<br />
und hierdurch viel besser beurteilen kann. Er wird Sie selbst in<br />
Ihrem gewohnten Umfeld erleben, in dem Sie wahrscheinlich
›
Ein anderer<br />
Blick<br />
auf den<br />
Kunstmarkt:<br />
Kunst ist nicht<br />
Demokratisch<br />
›› 125
Im letzten Kapitel möchte ich Ihnen beispielhaft einige Fakten<br />
und Studien zum Kunstmarkt vorstellen 32 . Während Sie in den<br />
vorangegangenen Kapiteln Handlungsweisen für Ihre Recherche<br />
und Selbstpositionierung bekommen haben, wird Ihnen<br />
nun der Hintergrund vermittelt, vor dem Ihr Bemühen stattfindet.<br />
Vieles, was nach außen glamourös wirkt, ist bei näherer Betrachtung<br />
der Zahlen ernüchternd, bisweilen sogar alarmierend.<br />
Die Lage der Künstler<br />
In der Bundesrepublik Deutschland hat der Gesetzgeber mit<br />
dem Künstlersozialversicherungsgesetz 1981 für bildende<br />
Künstler, Musiker, Schriftsteller und darstellende Künstler die<br />
Grundlage geschaffen, sich in der gesetzlichen Kranken- und<br />
Rentenversicherung zu versichern. Die Idee dahinter war, dass<br />
kreative Freiberufler den gleichen Versicherungsschutz wie Angestellte<br />
nutzen können. 1983 nahm dann die Künstlersozialkasse<br />
(KSK) ihre Arbeit auf 33 . Bis heute ist es so, dass die versicherten<br />
Künstler 50 Prozent ihrer Beiträge selbst entrichten, die andere<br />
Hälfte wird getragen durch die Abgaben der sogenannten<br />
Verwerter (30 Prozent), also beispielsweise <strong>Galerie</strong>n, und einen<br />
Zuschuss des Bundes (20 Prozent).<br />
Wertet man die Zahlen der KSK aus, so erhält man äußerst<br />
aufschlussreiche Informationen über das Leben von Künstlern<br />
jenseits des „Superstar-Prinzips“. Zunächst einmal ist zu beobachten,<br />
dass in den letzten 20 Jahren die Anzahl der KSK-Versicherten<br />
in allen Sparten steigt 34 . Das hat natürlich auch mit<br />
einem Wandel der Lebensgewohnheiten und des Arbeitsmarktes<br />
zu tun, beispielsweise können sich Web-Designer, die vor<br />
wenigen Jahren als Berufsgruppe noch gar nicht existierten, bei
Ein anderer Blick auf den Kunstmarkt: Kunst ist nicht demokratisch ›› 127<br />
der Künstlersozialkasse versichern. Greift man die Entwicklung<br />
für bildende Künstler heraus, so ist ein Anstieg von gut 250 Prozent<br />
zu verzeichnen!<br />
›<br />
KSK Versicherte 1992–2010<br />
60.000<br />
50.000<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
1992<br />
2010<br />
Das bedeutet für jeden Künstler in Deutschland heute, dass er<br />
in Konkurrenz steht mit fast 60.000 offiziell versicherten sowie<br />
weiteren, nicht gemeldeten Künstlern; hinzu kommen ausländische<br />
Künstler, die vor allem in attraktiven Zentren wie Köln oder<br />
Berlin zusätzlich auf den Markt drängen. Im deutschen Sprachraum<br />
bilden ungefähr 30 Hochschulen jedes Jahr mehrere Hundert<br />
Künstler aus. 35
Da die Bundesrepublik sich seit Jahrzehnten von einer Industriegesellschaft<br />
zu einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft<br />
wandelt, in der auch die Kunst (man spricht inzwischen<br />
von der „Kreativwirtschaft“) ihren Platz hat, könnte man die<br />
oben dargestellte Entwicklung also begrüßen. Ein detaillierter<br />
Blick auf die Zahlen bietet allerdings ein anderes Bild.<br />
Generell verlängern sich Ausbildungszeiten. Oft müssen sich<br />
Künstler auch mit prekären Jobs über Wasser halten, um ihrer<br />
Kunst nachzugehen. Die aktive Schaffensphase verschiebt<br />
sich altersmäßig nach hinten (dieser Zusammenhang wird immer<br />
wieder diskutiert, wenn es um Altersgrenzen für Stipendien<br />
oder Kunstpreise geht). Stellten noch vor zehn Jahren die<br />
Künstler zwischen 30 und 40 Jahren den Hauptanteil aller KSK-<br />
Versicherten dar, so sind es heute mit fast 40 Prozent aller Versicherten<br />
die 40- bis 50-Jährigen, wie nachfolgende Grafik zeigt.<br />
›<br />
Versicherte nach Altersgruppen 2001–2011<br />
25.000<br />
30–40 Jährige<br />
40–50 Jährige<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
`01<br />
`02<br />
`03<br />
`04<br />
`05<br />
`06<br />
`07<br />
`08<br />
`09<br />
`10<br />
`11
Ein anderer Blick auf den Kunstmarkt: Kunst ist nicht demokratisch ›› 129<br />
Führt man solche kunstmarktfernen, gesellschaftspolitischen<br />
Fragestellungen weiter, dann findet man ein ernüchterndes Abbild<br />
der übrigen Verhältnisse. So geht aus den Angaben der KSK<br />
hervor, dass zu Beginn (Altersgruppe unter 30 Jahren) der Anteil<br />
der versicherten Künstlerinnen fast doppelt so hoch ist wie<br />
der der Künstler. Dieses Verhältnis nähert sich in der Lebensmitte<br />
an (Altersgruppe 40 bis 50 Jahre) und kehrt sich später<br />
um (Altersgruppe 60 Jahre und älter). Während also am Anfang<br />
deutlich mehr Frauen in den Kunstmarkt drängen, bleiben am<br />
Ende die Männer übrig. Es wundert daher nicht, dass sich die<br />
bekannten Unterschiede in den Einkommensverhältnissen auch<br />
im Kunstbereich widerspiegeln. Während die durchschnittlichen<br />
Einkommen von Künstlerinnen und Künstlern zu Beginn noch<br />
annährend gleich sind, driften diese mit zunehmendem Alter<br />
auseinander.<br />
›<br />
Durchschnittliches Nettoeinkommen 2000–2010<br />
Männer<br />
Frauen<br />
€16.000<br />
€14.000<br />
€12.000<br />
€10.000<br />
€8.000<br />
€6.000<br />
€4.000<br />
€2.000<br />
€0
Zum Autor<br />
Cai Wagner eröffnete seine erste <strong>Galerie</strong> 2000 in Berlin. Zuvor<br />
hat er Germanistik und Theaterwissenschaft an der Freien Universität<br />
Berlin studiert und einige Jahre am Theater gearbeitet.<br />
2008 gründete er gemeinsam mit Margret Uhrmeister die <strong>Galerie</strong><br />
Wagner + Partner, die sich auf zeitgenössische Fotografie<br />
und Malerei spezialisiert hat. Er ist seit vielen Jahren im Landesverband<br />
Berliner <strong>Galerie</strong>n im Vorstand tätig, zuletzt als stellvertretender<br />
Vorsitzender und dort u.a. verantwortlich für den Bereich<br />
Fortbildung und Qualifizierung. Regelmäßig ist Cai Wagner<br />
auch an Kunsthochschulen Gastdozent.
Anmerkungen<br />
1 Fesel, Bernd: Der Kunstmarkt in Europa. Ein internationaler Boom und<br />
viele nationale Krisen. http://www.kulturmanagement.net/downloads/<br />
fesel-kunstmarkt.pdf, 27.03.2011<br />
Fesel korrigiert sich jedoch 2009 nach dem Finanzmarktcrash teilweise<br />
(vgl. IKK-Branchenhearing, S. 21).<br />
2 „Die Konsumstimmung ist nach dem Einbruch durch die Finanzkrise<br />
wieder durchweg gut“, schreibt Susanne Schreiber über die TEFAF<br />
2011 stellvertretend für die Branche. Der regelmäßige Crash scheint<br />
wie der Boom zum Kunstmarkt zu gehören.<br />
3 Mehrere Quellen sagen, dass nur gut 2 Prozent der Künstler von<br />
ihrer Kunst leben können: „Nur zwei Prozent der Absolventen von<br />
Kunsthochschulen partizipieren am Kunstmarkt“, so Prof. Dr. Stephan<br />
Schmidt-Wulffen, Rektor der Kunstakademie Wien. In: Initiative Kultur-<br />
und Kreativwirtschaft, Berlin 2009, S. 11. Im Folgenden kurz: IKK<br />
Branchenhearing<br />
4 Natürlich kaufen etablierte Künstler auch Kunst von anderen, manche<br />
besitzen sogar eine stattliche Sammlung. Und nicht wenige<br />
Galeristen waren früher einmal Künstler, wie Konrad Lueg (<strong>Galerie</strong><br />
Konrad).<br />
5 Vgl. hierzu Weinhold, S. 22f<br />
6 Ein bekanntes Beispiel sind die sog. Jungen Wilden, eine Reihe von<br />
postexpressiven Malern im West-Berlin der 1980er Jahre, die erst exorbitant<br />
hohe Preise erzielten, dann gnadenlos am Markt abstürzten<br />
und heute großenteils irrelevant sind. Wahrscheinlich wird es nur Rainer<br />
Fetting schaffen, seine Position zu behaupten.<br />
7 Weinhold nennt hier Zahlen: „Studien zeigen Relationen von mehr<br />
als 46 Prozent erwerbstätigen Künstlern, die in Städten mit mehr als<br />
100.000 Einwohnern leben, wobei Berlin und Hamburg eine besonders<br />
hohe Konzentration zeigen […] Köln und München werden Hamburg<br />
wohl mittlerweile nicht nachstehen.“ (Weinhold, S. 24)<br />
8 Man sollte nur im Blick haben, dass nicht registrierte Mitglieder keinen<br />
Zugang zu den Informationen haben, die Sie dort niedergelegt<br />
haben. Nicht jeder Galerist will bei diversen Portalen dabei sein.<br />
9 Folgende Kunstportale bieten weitreichende Informationen kostenlos<br />
an: artfact.nets; artnet.de; galerie.de; kunstaspekte.de; kunstmarkt.<br />
com; photography-now.de.<br />
10 Die Mitgliedschaft im Bundesverband Deutscher <strong>Galerie</strong>n (BVDG)<br />
oder in einem der zahlreichen Landesverbände lässt auf ein gewisses<br />
Qualitätsniveau der <strong>Galerie</strong> schließen.<br />
11 Bei der Vielzahl von Neben- oder Satellitenmessen vergisst man heute,<br />
dass dies eine relativ junge Entwicklung am Messehimmel ist.<br />
1995 eröffnete die Liste Basel unter viel Widerstand der Art Basel,<br />
seit 2000 sind zahllose Nebenmessen entstanden; einige wie Volta,<br />
scope oder Pulse haben sich etabliert.<br />
›› 139