Die Wirtschaft 06_2015
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20 GELD &G<br />
Auf westfälischem Nährbode<br />
Das Netzwerk „Technische Textilien imBauwesen“ wirkt erfolgreich als Schnittstelle zwischen fast 30<br />
Münsterland. Kenntnisse und Wissen sind das Pfund, mit dem die Firmen in der Region bequem wu<br />
-Als die Bekleidungsindustrie zurückging,<br />
mussten münsterländische<br />
Textilunternehmen aus der Not<br />
eine Tugend machen. Gemeinsam mit<br />
Forschungs- und Bildungseinrichtungen<br />
galt es, das vorhandene<br />
Potenzial als Nährboden für neue innovative<br />
Produkte zu nutzen. So ergaben<br />
sich Betätigungsfelder im Bereich<br />
der Technischen Textilien.<br />
KIWA TBU<br />
Seit der Gründung 1992 ist die Kiwa TBU ein An-Institut<br />
der FH Münster. Esunterstützt Baufirmen, Behörden und<br />
Ingenieurbüros bei der Prüfung und Entwicklung von<br />
Geokunststoffen/technischen Textilien –international.<br />
Technische Textilien sind oft mehr als 30Jahre imEinsatz.<br />
Sie sichern den Untergrund unter Flughäfen, liegen<br />
unter Autobahnen, dränen Deponieoberflächen und<br />
Gründächer und schützen auch als sandgefüllte Vliesstoffschläuche<br />
die Küste auf Sylt vor dem Meer, das<br />
nach jeder Sturmflut bis zu zwölf Meter Strand wegspült.<br />
Prof. Dr. Frank Heimbecher ist wissenschaftlicher Leiter<br />
des Instituts.<br />
pesa<br />
Technische Textilien in der Bundesliga: Membrandächer können enorme Lasten tragen, massive Baustoffe ersetzen und Akzente setzen. Da<br />
Technische Textilien sind Erzeugnisse,<br />
die wegen ihrer<br />
funktionellen Eigenschaften<br />
produziert und eingesetzt<br />
werden, zum Beispiel als<br />
textile Fassaden-Unterbausysteme,<br />
Membrane für leichte Flächentragwerke,<br />
Isoliermaterial gegen Kälte und Wärme,<br />
Sonnenschutz-Textilien, Drainage-<br />
Vliesstoffe, Erosionsschutzmatten oder<br />
Trennschichten für den Eisenbahn- und<br />
Deichbau. <strong>Die</strong> Kunst liegt in maßgeschneiderten<br />
Produkten oder Systemlösungen.<br />
So können Textilien im Tief-, Erd- und<br />
Hochbau unterschiedliche Funktionen<br />
erfüllen. Sie filtern, trennen, schützen<br />
oder bewehren. Und dies mit Erfolg.<br />
TechnischeTextilien sindheute in Architektur<br />
und Bauwesen beliebt, vor allem<br />
wenn es darum geht, Funktionalität und<br />
Ästhetik miteinander zu verbinden wie<br />
beim neu erbauten Dach der Rhein-Neckar-Arena<br />
des Bundesligisten TSG<br />
Hoffenheim.<br />
Der Baustoffhandel setzt vermehrt auf<br />
technische Textilien statt auf Holz, Mörtel,<br />
Beton, Metalle und Bitumen. So ersetzenimBetonbautextile<br />
Bewehrungsmaterialien<br />
die üblichen Baustahlmatten.<br />
In der Fachhochschule Münster, FachbereichGeotechnik,<br />
hat sich der seltene<br />
Arbeitsschwerpunkt zur Anwendungder<br />
Technischen Textilien/Geokunststoffe<br />
etabliert. Ein An-Institut der FH in Greven,<br />
die Kiwa GmbH TBU, befasst sich<br />
mit der Produktprüfung und Qualitätssicherung<br />
Technischer Textilien.<br />
Das Netzwerk „Technische Textilien im<br />
Bauwesen“ hat –als Schnittstelle zwischen<br />
den Textilunternehmen im Münsterland<br />
– die Ziele ,Synergien zunutzen,<br />
Innovationen zu entwickeln, Wissen<br />
zu teilen, Kompetenzzuzeigen.Ihm<br />
gehören rund 30 Unternehmen (darunter<br />
BNP Brinkmann, Ceno Membrane<br />
Technology, Saertex multiCom, wedi<br />
GmbH) sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen<br />
an–darunter der<br />
Förderkreis für textile Bau- und Umwelttechnik,<br />
Kiwa TBU, Transferagentur<br />
Fachhochschule Münster, Verband der<br />
Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie<br />
und die <strong>Wirtschaft</strong>sförderungs-<br />
und Entwicklungsgesellschaft<br />
Steinfurt<br />
Das Netzwerk „Technische Textilien im<br />
Bauwesen“ ist Teil der „Innovationsnetzwerke<br />
Textil- und Bekleidungswirtschaft“.<br />
<strong>Die</strong>ses Projekt wurde im Rahmen<br />
des aus dem Europäischen Fonds<br />
für Regionale Entwicklung finanzierten<br />
Programms für NRW („Regionale Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Beschäftigung“)<br />
für die Jahre 2007 bis 2010 ausgewählt<br />
und vom Land und von der EU gefördert.<br />
<strong>Die</strong> Netzwerkaktivitäten werden von<br />
einem Team unter Leitung von Prof. Dr.<br />
Ing.Frank Heimbecherinder Fachhochschule<br />
Münster koordiniert. <strong>Die</strong> FH hat<br />
dieFederführung und verbindet alle Teilprojektmaßnahmen.<br />
Dafür kann sie auf<br />
ihre bisherige Forschungsarbeit und<br />
Prüftätigkeit im Bereich der technischen<br />
Textilien und die Kooperationmit derKiwa<br />
TBU in Greven zurückgreifen.<br />
<strong>Die</strong>ses An-Institut arbeitetfür Hersteller,<br />
Baufirmen, Behörden und Ingenieurbüros<br />
und hat sich auf die Prüfung, Zertifizierung<br />
undInspektionvon weltweit produzierten<br />
Geokunststoff<br />
en (darunter<br />
Geotextilien und Dichtungsbahnen)<br />
spezialisiert.<br />
Wissenschaftlicher<br />
Leiterder Kiwa TBU<br />
ist Frank Heimbecher.<br />
Für den erf<br />
ahrenen<br />
Wissenschaftler<br />
sind Technischen<br />
Textilien<br />
eine<br />
spannende<br />
Sache,<br />
diesich vielerorts<br />
im Alltag<br />
wiederf<br />
indet: Ob<br />
beim Böschungsbau<br />
an der A1 zwischen<br />
Münster-Nord und Greven<br />
nach dem verheerenden<br />
Starkregen 2014, bei den<br />
Kunststoff<br />
dichtungsbahnen<br />
beim Tunnelbau, zum Abdichten<br />
von Deponien oder zum Verstärken<br />
von Bodenschichten für den Straßenbau<br />
wie bei der Ortsumgehung Altenberge.<br />
Netzwerktreffen der beteiligten Partner<br />
bieten Gelegenheit für einen offenen<br />
und kreativen Austausch.Zwischenden<br />
Netzwerkpartnern entwickeln sich Ideen<br />
zur Umsetzung von Projekten. Bei Seminaren<br />
und anderen Gelegenheiten werden<br />
weitere Kontakte geknüpft. Anwender<br />
Technischer Textilien im Bauwesen<br />
sollen so auf dievielseitigen Kompetenzen<br />
und Angebote münsterländischer<br />
Firmen und Einrichtungen aufmerksam<br />
gemacht werden.<br />
Das Ziel des Netzwerks beschreibt<br />
Frank Heimbecher so: „Wir wollen die<br />
Zusammenarbeit unter den Firmen fördern.<br />
Dafür ist es wichtig, sich davon zu<br />
befreien, Konkurrenten<br />
in<br />
Kraftprotz: Solche Geogittereinlagen<br />
unter dem Asphalt sieht man<br />
erst, wenn Straßen Schlaglöcher bekommen<br />
Foto: Peter Sauer<br />
der Branchezusein. Es ist wichtig Teamplayer<br />
zu werden zum Wohle eines neuen<br />
Produktes im <strong>Die</strong>nste des Kunden.“<br />
<strong>Die</strong>s ist nicht ganz so einfach. Geplante<br />
Kooperationen sind bislang noch nicht<br />
zu 100 Prozent realisiert worden. Trotz<br />
toller Konzepte tuen sich manche Firmen<br />
schwer,sichneben demAlltagsgeschäft<br />
auf Neues oder auf andere Firmen<br />
einzulassen, die immer noch als<br />
Konkurrenten gesehen werden.<br />
Immerhin hat es das Netzwerk aber<br />
schon geschafft, dass sich diese Firmen<br />
an einenTisch setzen. Dafür sorgt Prof.<br />
Heimbecher als Koordinator. Erspricht<br />
Firmen an, umPotenziale zu erkennen<br />
und zu fördern, um sie fit für dieZukunft<br />
zu machen, ökonomisch<br />
und ökologisch:<br />
„Das Münsterland<br />
ist sehr stark als<br />
Textilregion. Wir sollten<br />
mit diesem<br />
Pfund mehr<br />
wuchern.“<br />
Heimbecher<br />
führt seine Diskussionen<br />
mit Firmen<br />
und Forschern<br />
etwa in Workshops zu<br />
neuen Prüfverfahren,<br />
die in der FH beziehungsweise<br />
im An-Institut in Greven<br />
entwickelt werden. Dort<br />
geht esauch um Qualität und<br />
Nachhaltigkeit. „Wer etwas Gutes<br />
auf den Weg bringt, sorgt dafür,<br />
dass dies auf die ganze Baubranche<br />
zurückfällt und sie nach<br />
vorne bringt.“ Herstellungs- oder Einbaufehler<br />
sind eine „Negativwerbung“,<br />
die man in der Branche unbedingt vermeiden<br />
will.<br />
Frank Heimbecher: „Der Vorteil des<br />
Netzwerks besteht darin, dass man darüber<br />
informiert ist, welche<br />
der Region gibt und was w<br />
Prüfinstitut machen. Wir g<br />
hängig und offen auf die Fir<br />
den sie eng in die Entwicklun<br />
mit ein.“ Das Netzwerk se<br />
form“ für den Austausch:<br />
man losgelöst vom rein wir<br />
Interesse sehen. Denn wir<br />
einem Boot.“ Heimbecher<br />
Netzwerk auch internationa<br />
teil, etwa um die deutsche<br />
europäischer Ebene bei<br />
werksgestaltung zu stärken<br />
rum, das Bewusstsein für z<br />
sendeProdukte nicht nur in<br />
sondern auch bei den Kun<br />
dern.<br />
Statt auf Beton setzt die<br />
vermehrt auf Geokunststof<br />
spiel für Stützwände: „Mit K<br />
ZUR PERSON<br />
„Ohne ordentliches Funda<br />
würde kein Gebäude steh<br />
ben, kein Tunnel ließe sic<br />
nünftig bauen – alles das<br />
die Geotechnik.“ Prof. Dr.<br />
Heimbecher kümmert sich<br />
FH Münster um alles, was<br />
der Interaktion zwischen B<br />
und Baugrund beschäftigt<br />
wissenschaftlicher Leiter d<br />
Instituts der FH Münster,<br />
GmbH TBU in Greven, un<br />
nator des Netzwerks Tech<br />
Textilien im Bauwesen. Vo<br />
er Referatsleiter bei der B<br />
stalt für Straßenwesen, be<br />
Bundesverkehrsministeriu<br />
großen Bauprojekten im F<br />
kehr (u.a. Tunnel).