Die Idee Gebannt starren wir auf die großen Bildschirme, die das Signal der Videokameras des Unterwasserroboters zeigen. Unter uns befinden sich zwei Kilometer Wasser. Am Meeresboden brodeln fast 200°C heiße Quellen, in deren Umgebung es vor Leben nur so wimmelt. Faustgroße Muscheln, dicht gepackt entlang von Spalten im schwarzen Lavagestein, dazwischen große Krabben, die mit ihren kräftigen Scheren versuchen, die Muscheln zu knacken. Garnelen schweben nahe an Schloten, von denen das heiße Wasser in den eiskalten Ozean austritt, und sich wie Rauch aus einem Schornstein im Schwarz der Tiefsee verliert. Ich befinde mich an Bord des deutschen Forschungsschiffs METEOR als Meeresbiologe, zusammen mit zwei Dutzend weiterer Wissenschaftler und ebensoviel Besatzung. Mitten im Atlantik sind wir den Geheimnissen der weißen und schwarzen Raucher, den Tiefseevulkanen, auf der Spur. Wir wollen besser verstehen, wie die Hydrothermalquellen diese Oasen des Lebens in der Tiefsee gestalten und wie die Tiere in Symbiose mit Bakterien es schaffen, diese Oasen erfolgreich zu besiedeln. Die Faszination der Bilder hält uns lange an den Monitoren, bis das Remotely Operated Vehicle, kurz ROV, den Meeresboden verläßt, um Proben an die Oberfläche zu bringen. In der Wartezeit spreche ich mit dem Deckspersonal über dies und das, und auch über das Holz, mit dem eben jenes Arbeitsdeck verkleidet ist. Im Innern der METEOR noch rötlich leuchtend, hier draußen braungrau, verwittert, mit Scharten, Löchern, Rissen. „Aber das wird beim nächsten Werftaufenthalt ausgetauscht“, erfahre ich vom Bootsmann. Und: „Ja, das wird dann entsorgt“. „Damit kann man doch was Sinnvolles machen“, denke ich bei mir und falle nach 20 Stunden Arbeit in tiefen Schlaf. Kapitän Baschek ist begeistert, als ich ihm erzähle, dass ich mich darum bemühen möchte, das Decksholz der METEOR nach 25 Jahren Fahrt einer neuen Bestimmung zuzuführen. Es sollen Möbel daraus entstehen, Objekte, in denen das Holz weiterlebt, denen man die Geschichte ansieht. Und die dazu beitragen, die Kenntnis über unsere Ozeane und ihre Bewohner zu mehren und zu verbreiten. Ein Verein soll mit dem Erlös gefördert werden, um vor allem junge Menschen zu erreichen. Kapitän Baschek kontaktiert über Satellit die Leitstelle in Hamburg, die die Schiffsaktivitäten koordiniert. Dort nimmt Kapitän Jakobi die Idee auf und setzt sich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung und bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die das FS METEOR betreiben und finanzieren, dafür ein, dass unser Verein AQUEIS e.V. das Altholz bekommen kann. Im Oktober 2011, rund ein Jahr nach der Forschungsfahrt zum Mittelatlantischen Rücken, wird das Deck in der MWB-Werft in Bremerhaven herausgerissen und zur Einlagerung gebracht. Über 40 Tonnen Decksplanken müssen nun erst einmal trocknen, bevor sie weiterverarbeitet werden können. Christian Lott