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<strong>Opa</strong> kann auch ohne<br />
Raumschiff fliegen<br />
Hanna Niestegge
Hanna Niestegge, 1992 in Vreden, Deutschland geboren, studiert Grafik- und<br />
Kommunikationsdesign an der Fachhochschule in Bielefeld und wird ihr Studium mit dieser Arbeit<br />
abschließen. Sie hofft auf einen Master-Platz und träumt davon, irgendwann einmal vom<br />
Illustrieren von Kinderbüchern leben zu können.<br />
<strong>Opa</strong> kann auch<br />
ohne Raumschiff fliegen<br />
Hanna Niestegge<br />
Hanna Niestegge, 1992 in Vreden, Deutschland geboren, studiert Grafik- und<br />
00 00 11 00 11 111<br />
© 2014 Möchtegern Verlag, Bielefeld<br />
Kommunikationsdesign an der Fachhochschule in Bielefeld und wird ihr Studium mit dieser Arbeit<br />
alle Rechte vorbehalten<br />
abschließen. Sie hofft auf einen Master-Platz<br />
Lettering: Hanna<br />
und<br />
Niestegge<br />
träumt davon, irgendwann einmal vom<br />
Illustrieren von Kinderbüchern Druck: FH Bielefeldleben zu können.<br />
Printed in Germany<br />
ISBN: 001 1 111000 110 1<br />
<strong>Opa</strong> kann auch<br />
ohne Raumschiff fliegen<br />
Hanna Niestegge
Bei Oma und <strong>Opa</strong> zu schlafen ist immer ganz<br />
wunderbar. Oma kocht uns leckeren Wackelpudding,<br />
<strong>Opa</strong> spielt lustige Lieder auf seiner Orgel und ich<br />
tanze dann wild mit meiner Puppe Pippi Langstrumpf<br />
um den Tisch herum.
Manchmal darf ich sogar länger als sont auf<br />
bleiben. <strong>Opa</strong> und ich gehen dann nach draußen und<br />
schauen uns den Sternenhimmel an.<br />
Ich versuche, die Sterne zu zählen, komme aber nur<br />
bis Zwölf. <strong>Opa</strong> sagt, wenn wir alle Sterne zählen<br />
würden, dann lägen wir in hundert Jahren noch hier.
<strong>Opa</strong> kennt sich mit Sternbildern aus. Alle Sternbilder<br />
setzen sich aus verschiedenen Sternen zusammen.<br />
Er erzählt vom Großen Bären und dem Löwen, die sich<br />
um die Fische streiten, von Pegasus, einem Pferd mit<br />
riesigen Flügeln, und von Vielen Vielen mehr.
„Pippis Mama ist auch im Himmel. „Warum ist sie da<br />
oben?“, frage ich und unterbreche <strong>Opa</strong>s Erzählungen.<br />
<strong>Opa</strong> überlegt kurz und antwortet dann: „Pippis Mama<br />
ist gestorben. Deswegen ist sie im Himmel. Und<br />
immer, wenn Pippi auf der Erde in die Sterne schaut<br />
und zu erzählen beginnt, dann hört ihre Mama ihr im<br />
Himmel zu.“ „Und Pippi kann ihre Mama im Himmel<br />
nicht besuchen kommen?“, frage ich. „Nein, leider<br />
nicht.“, antwortet <strong>Opa</strong>. „Aber vielleicht kommt Pippi<br />
ihre Mama in ihren Träumen im Himmel besuchen.“
„Mama?“, rufe ich laut. Mama wollte mir heute<br />
Abend wieder aus dem Pippi-Langstrumpf-Buch<br />
vorlesen. Wo bleibt sie nur? Als ich runtergehe, um sie<br />
zu holen, stehen Mama und Papa im Wohnzimmer.<br />
Mama weint und Papa versucht, sie zu trösten.<br />
Sie merken gar nicht, dass ich da bin. Vor lauter<br />
Schreck renne ich zurück in mein Zimmer und weine<br />
mit Pippi zusammen unter meiner Bettdecke, bis ich<br />
irgendwann einschlafe.
In dieser Nacht träume ich von meinem <strong>Opa</strong>.<br />
Ich habe ein Seil in der Hand und ziehe fest daran.<br />
Am anderen Ende des Seils, hoch oben, fliegt <strong>Opa</strong> wie<br />
ein Drache Richtung Himmel. Der Wind weht so stark,<br />
dass ich das Seil kaum noch halten kann. Dann reißt<br />
das Seil und <strong>Opa</strong> verschwindet in den Wolken.
Am nächsten Morgen weckt mich Papa und<br />
erklärt mir, dass mich heute Annette in den Kindergarten<br />
bringen wird. Ich verstehe gar nicht, was los ist<br />
und unsere Nachbarin Annette finde ich sowieso blöd.<br />
„Warum bringt ihr mich denn nicht in den<br />
Kindergarten und wo ist Mama?“<br />
Papa erzählt, dass <strong>Opa</strong> gestorben ist und Mama und<br />
er nun zur Beerdigung müssen.<br />
„Was heißt ,gestorben‘, Papa?“, frage ich. Aber Papa<br />
sagt, dass er das heute Abend erklären kann, wenn<br />
Mama und er wieder nach Hause kommen.<br />
Ich bin wütend. Sollen Mama und Papa doch zu dieser<br />
,Beerdigung‘ fahren und mich hier mit der blöden<br />
Annette alleine lassen.
„Annette? Was heißt ,gestorben‘?“, frage ich auf<br />
dem Weg zum Kindergarten. Annette blickt nervös<br />
auf die Straße. „Das erklären dir besser deine Eltern.“<br />
Endlich bin ich im Kindergarten bei meinem Freund Lukas.<br />
Wir dürfen mit dem neuen Kaninchen spielen. Sein Name<br />
ist Schneeweißchen. Ich habe ihm sogar eine Möhre von zu<br />
Hause mitgebracht.
Ich liege zusammen mit meiner Puppe Pippi im Bett.<br />
Mama und Papa sind noch nicht wieder nach Hause<br />
gekommen, aber Annette hat gesagt, dass sie mich<br />
schonmal ins Bett bringt. Ich will aber noch nicht<br />
schlafen und mache, sobald sie weg ist, das Licht<br />
wieder an.<br />
„Was heißt denn nochmal ,gestorben‘? Pippi, weißt du<br />
das?“, frage ich meine Puppe. Pippi antwortet nicht.<br />
Aber ich habe das Wort doch schon einmal gehört.<br />
Pippis Mama ist gestorben, das hat <strong>Opa</strong> gesagt. Und,<br />
dass sie im Himmel lebt.<br />
„Pippi, <strong>Opa</strong> ist jetzt bestimmt auch im Himmel!“
Im Traum saust <strong>Opa</strong> durch die Wolken.<br />
Immer höher und höher fliegt er, bis er irgendwann<br />
so hoch oben schwebt, dass keine Wolken zum durchlöchern<br />
mehr da sind.
„Wer ist das?“, fragt mich Lukas. Ich sitze Im Kindergarten am Maltisch.<br />
„Das ist mein <strong>Opa</strong>, der ist jetzt im Himmel.“, sage ich selbstverständlich.<br />
„Kann der fliegen? Ohne Raumschiff?“<br />
„Ja genau, <strong>Opa</strong> kann auch ohne Raumschiff fliegen.“
„Hallo <strong>Opa</strong>! Heute haben Lukas und ich im Kindergarten<br />
Raumschiff gespielt.“ Ich erzähle <strong>Opa</strong>, wie wir<br />
aus einem Pappkarton ein Raumschiff gebaut haben<br />
und damit durch den Kindergarten gesaust sind.<br />
„Das hat Spaß gemacht. Gute Nacht, <strong>Opa</strong>.“<br />
Der Große Wagen leuchtet hell am Sternenhimmel. Der<br />
Wagen sieht aus wie unser Papp-Raumschiff.
In dieser Nacht darf ich im Traum endlich <strong>Opa</strong> im<br />
Himmel besuchen.<br />
Zusammen sausen wir mit unserem Pappkarton-<br />
Raumschiff durchs Weltall. Wir erkunden die<br />
Planeten, entdecken noch viel mehr Sterne und sehen<br />
die Erde immer kleiner werden.
„Schneeweißchen wacht einfach nicht auf.“,erklärt<br />
Lukas unserer Kindergärtnerin. Lukas und ich wollten<br />
Schneeweißchen besuchen, aber das Kaninchen<br />
lag einfach nur da und hat sich nicht geregt. Als wir<br />
es anfassen wollten, hat es sich ganz kalt und starr<br />
angefühlt.<br />
Nachdem die Kindergärtnerin das Kaninchen untersucht<br />
hat, erklärt sie uns, dass das Kaninchen<br />
gestorben ist. Einige Kinder fangen an zu weinen.<br />
„Armes Schneeweißchen.“, sagen sie.<br />
Das Kaninchen wird unter einem kleinen Haufen Erde<br />
vergraben. Zusammen feiern wir eine ,Beerdigung‘.<br />
Es wird ein schönes, aber trauriges Lied gesungen<br />
und das Grab, in dem Schneeweißchen nun liegt, wird<br />
schön geschmückt.
Nur Wolken sind am Himmel zu sehen. Heute kann<br />
ich <strong>Opa</strong> wohl nicht erzählen, was im Kindergarten<br />
passiert ist.<br />
„Ach, wann kommt <strong>Opa</strong> denn endlich wieder?“,<br />
frage ich mich beim Zähne putzen.
In dieser Nacht kommt<br />
mich <strong>Opa</strong> in meinen Träumen<br />
nicht besuchen.
Am nächsten Tag nehme ich eine Möhre für Schneeweißchen<br />
mit in den Kindergarten, aber Schneeweißchen<br />
ist ja nicht mehr in seinem Stall, sondern liegt unter<br />
der Erde im Garten. „Und wann kommt Schneeweißchen<br />
wieder?“, frage ich die Kindergärtnerin. „Schneeweißchen<br />
kommt leider nicht wieder.“, antwortet sie traurig.<br />
„Und mein <strong>Opa</strong>? Kommt der denn auch nie wieder<br />
zurück auf die Erde?“, jetzt weine ich.<br />
Die Kindergärtnerin versucht, mich zu trösten und ruft<br />
schließlich meine Mama an, damit sie mich aus dem<br />
Kindergarten abholt.<br />
Die Kindergärterin bringt Mama zu mir, als sie<br />
endlich da ist. Mama sieht mich traurig an und weiß<br />
nicht, was sie sagen soll. Ich nehme Mama ganz fest in<br />
den Arm und sage: „Weißt du Mama, <strong>Opa</strong> und Schneeweißchen,<br />
die kommen nicht wieder zurück!“ Mama<br />
schaut mich an. Ich streichle Mamas Hand und frage:<br />
„Liegt <strong>Opa</strong> auch in einem Grab mit Blumen oben<br />
drauf?“, Mama wischt sich die Tränen von den Backen<br />
und antwortet: „<strong>Opa</strong> liegt auch in einem Grab, ja. Sollen<br />
wir zusammen zu <strong>Opa</strong>s Grab fahren und es uns<br />
anschauen?“<br />
Ja das möchte ich.
<strong>Opa</strong>s Grab sieht toll aus. Mitten in einem Blumenbeet<br />
steht ein Stein, der bestimmt genauso alt ist wie<br />
<strong>Opa</strong>. Obwohl wir auf dem Friedhof alleine sind, kann<br />
ich <strong>Opa</strong> ganz doll fühlen. Ich denke an die Sternabende,<br />
an denen <strong>Opa</strong> mir den Sternenhimmel gezeigt hat<br />
und sage: „Hier fehlen noch Sterne! <strong>Opa</strong> mag die doch<br />
so gerne.“ Mamas Augen strahlen. „Wir können welche<br />
basteln und das Grab damit schmücken.“<br />
Zuhause basteln wir alle zusammen ganz viele Sterne.<br />
Sogar Oma hilft mit.
Am Abend lassen wir einen Ballon mit einem<br />
gebastelten Stern und einer Nachricht an <strong>Opa</strong> in den<br />
Himmel steigen. Ich habe gesagt, was da drauf stehen<br />
soll und Papa hat es aufgeschrieben.<br />
Wir schauen noch lange in den Himmel. Viele Sterne<br />
stehen heute Nacht am Himmel und verbinden sich zu<br />
vielen Bildern. Einige kenne ich schon, wie zum Beispiel<br />
den Großen Wagen. Und irgendwo dazwischen<br />
wohnen jetzt <strong>Opa</strong> und Schneeweißchen.
Ein kleines Mädchen erfährt, dass sein <strong>Opa</strong> plötzlich gestorben ist.<br />
Aber was heißt ‚gestorben‘, wo ist sein <strong>Opa</strong> jetzt und warum spielen die<br />
Erwachsenen so verrückt? Nach und nach beginnt es, sich seine eigene<br />
Vorstellung vom Tod zu machen. Sie besucht ihren <strong>Opa</strong> in ihren Träumen,<br />
erlebt neue Erfahrungen und beginnt langsam zu verstehen, was<br />
‚gestorben‘ bedeutet.