Burschenschaftliche Blätter 2015 - 1
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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
kann sie aber – insbesondere wenn man die<br />
damalige Zeit bedenkt und die Schuld, welche<br />
Christen auf sich geladen haben – in<br />
einem milderen Licht sehen.<br />
Was man aber nicht verstehen und auch<br />
nicht dulden kann, ist, daß heutige Muslime<br />
– zwar nicht deren Mehrheit, aber doch<br />
eine offenbar zunehmende Minderheit –<br />
den geschichtlichen Kontext dieser Gewaltaufrufe<br />
nicht erkennt, sondern in der Annahme,<br />
daß es sich bei dem Koran um unmittelbar<br />
verbindliches Gottesgebot handelt,<br />
mit solchen Sprüchen Gewalttätigkeiten<br />
aller Art rechtfertigen. Die in Afrika zwischen<br />
Christen und Muslimen ausgetragenen<br />
ständigen mörderischen Kleinkriege<br />
nehmen wir dabei kaum zur Kenntnis.<br />
Was wir dem Islam abfordern müssen, was<br />
wir ihm allerdings auch wünschen möchten,<br />
ist, daß er eine Reformation bei sich zuläßt,<br />
die ihn dahin belehren wird, daß der Koran<br />
ein zeitgebundenes Glaubensdokument ist,<br />
von welchem viele seiner anstößigen Aussagen<br />
der seither eingetretenen Entwicklung<br />
der Menschheitsgeschichte angepaßt<br />
werden müssen.<br />
BBl: Auf der einen Seite ein kraftvoller<br />
Vormarsch des Islam, auf der anderen<br />
Seite ein schwaches Christentum. Selbst<br />
der naheliegende Auftrag zur Missionierung<br />
gegenüber fremdgläubigen Migranten<br />
wird seitens der christlichen Kirchen<br />
bei uns in geradezu unfassbarer Form<br />
vernachlässigt. Herr Professor Aden:<br />
Warum werden eher leer stehende Gotteshäuser<br />
an zivile Nutzer verkauft anstatt<br />
christlich missioniert?<br />
Aden: Bei allem im Einzelfall verständlichen<br />
Unmut, ja sogar Zorn über das, was in den<br />
Kirchen (nicht) geschieht, müssen wir folgendes<br />
sehen: Katholiken neigen mit ihrem<br />
traditionellen Kirchenverständnis dazu, die<br />
Kirche an ihrer Statt glauben zu lassen.<br />
„Herr, siehe nicht auf unserem Unglauben,<br />
sondern sieh auf den Glauben der Kirche“ –<br />
so wird im großen Kirchengebet in der<br />
Messe gebetet. So geht es aber nicht. Die<br />
Kirche kann nur so gläubig sein, wie die<br />
Menschen. Viele Gründe haben dazu geführt,<br />
daß die Glaubensbereitschaft des<br />
modernen Menschen offenbar abnimmt, jedenfalls<br />
dann, wenn wir von dem herkömmlichen<br />
in uralte Dogmen und Mythen eingepackten<br />
christlichen Glauben sprechen.<br />
Verfallsgrund unserer Kirchen:<br />
Das Fehlen aktiver Seelsorge<br />
Gravierend ist auch: Der völlige Wegfall<br />
jeglicher aktiver Seelsorge, bei der man<br />
Menschen aufsucht, und zwar auch die, die<br />
nicht mehr zur Kirche gehören, ist wohl der<br />
Hauptgrund für den offensichtlichen Verfall<br />
der christlichen Kirchen und des herkömmlichen<br />
Kirchenglaubens.<br />
BBl: Sie beklagen den „Verlust von Einfachheit“<br />
im derzeitigen Christentum,<br />
was zu der Frage führt: Was ist die<br />
Grundfrage jeder Religion und wie müsste<br />
sie heute neu gestellt werden?<br />
Aden: Die meisten, der das Christentum<br />
bis heute prägenden mythologischen und<br />
theologischen Figuren stammen aus der –<br />
wenn man sich so ausdrücken darf –<br />
Kampfzeit der jungen Kirche. Das war die<br />
Zeit, als nach dem Abschluss des Kanons<br />
des neuen Testamentes die christliche Religion<br />
sich gegen zahlreiche, Dutzende<br />
Jahrhunderte von Abspaltungen (Stichwort<br />
Moses) durchsetzen mußte um ihren<br />
Weg in die Geschichte zu gehen. Ich<br />
glaube, daß die meisten, etwa im apostolischen<br />
Glaubensbekenntnis weiterhin mit<br />
geschleppten theologischen Figuren, dem<br />
Glauben an Jesus als den Boten Gottes,<br />
eher abträglich sind. Sie sind ein interessantes<br />
Betätigungsfeld für Theologen.<br />
Den Menschen ist aber weder im Leben,<br />
noch im Sterben damit gedient, daß man<br />
die Trinität erklärt oder Maria als eine<br />
Jungfrau im physischen Sinne ausgibt. Ich<br />
habe in meinem Buch Apostolisches<br />
Glaubensbekenntnis versucht darzulegen,<br />
daß Christen heute die Aufgabe haben,<br />
das traditionelle Glaubensgut abzubauen,<br />
am Ende ganz aufzugeben um den<br />
einfachen Menschen Jesus wieder zu erkennen.<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
BBl: Wir stehen heute oftmals vor der<br />
Frage: Was ist das Eigene und was ist –<br />
im religiösen Sinne – das Fremde. Wie<br />
verknüpfen wir die beiden Fragen zugunsten<br />
einer Zukunft des Eigenen, ohne das<br />
Fremde abzuwerten?<br />
Aden: Diese Frage rührt wohl an das entscheidende<br />
Problem nicht nur des Christentums,<br />
sondern an jede Religion. Die<br />
Einzigartigkeit wird am besten dadurch gesichert,<br />
daß man das Fremde nicht wahrnimmt,<br />
so sind zum Beispiel Ameri kaner<br />
und Franzosen wohl deswegen viel bessere<br />
Patrioten als wir Deutschen, weil diese in<br />
viel geringerem Maße ins Ausland reisen<br />
und in ihrer großen Mehrzahl nichts anderes<br />
kennen als ihr eigenes Land. Und das<br />
halten sie natürlich für das Beste, wie ein<br />
Kind die eigene Familie für die bei weitem<br />
beste hält, bis die Begegnung mit anderen<br />
Familien die Blicke schärft.<br />
Das eigene einer jeweiligen Religion ist oftmals<br />
gar nichts Eigenes, sondern besteht<br />
vielleicht nur darin, daß man die jeweiligen<br />
Werte der anderen Religion nicht zur<br />
Kenntnis nimmt. Wir befinden uns im Zeitalter<br />
des Internet und der Globalisierung. Wir<br />
sind – ich sage es bewußt – vom Heiligen<br />
Geist aufgefordert, weniger das Eigene an<br />
unserer Religion zu sehen, sondern das Gemeinsame.<br />
Dieses Gemeinsame sehe ich in<br />
der Verantwortung des Menschen für sein<br />
eigenes Leben, für welches er nach seinem<br />
Tode Rechenschaft ablegen muss, wie auch<br />
in der Verantwortung für seinen Mitmenschen<br />
oder die Welt als ganze.<br />
Im Grunde wußte doch schon die griechische<br />
Antike, daß – unbeschadet der verschiedenartigen<br />
Götternamen – letztlich<br />
eine einheitliche Gottheit über der Welt<br />
waltet. Dieser Gedanke scheint heute weltweit<br />
allgemein zu werden. Das Eigene des<br />
Christentums besteht darin, daß Gott sich<br />
in Jesus Christus gezeigt hat, das Gemeinsame<br />
aber der Religionen besteht dann<br />
darin, daß Gott sich den Menschen überhaupt<br />
zeigt.<br />
BBl: Vielen Dank für das Gespräch.<br />
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30 Heft 1 - <strong>2015</strong>