160621.KHM.Booklet.Kern.Doppel
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Was bereitet Ihnen persönlich,<br />
allen organisatorischen und kuratorischen<br />
Herausforderungen<br />
zum Trotz, die größte Freude?<br />
Es ist beglückend, an der Verwirklichung<br />
einer Vision mitwirken zu dürfen, etwas<br />
zu gestalten, das von Dauer und von Wert<br />
für die Gesellschaft ist. Ich bin sehr dankbar<br />
für die große Unterstützung, die wir<br />
aus der Bürgerschaft und von vielen Interessierten<br />
erhalten und für die wunderbare<br />
Arbeit meines Teams. Alle ziehen an<br />
einem Strang in dieser Stadt, das Unmögliche<br />
wird möglich.<br />
Wie würden Sie die<br />
42 Mentalität der Mannheimer<br />
Bürger beschreiben?<br />
Mannheim ist eine jener Städte, die ihre<br />
Qualitäten erst auf den zweiten Blick<br />
enthüllen, dann einen aber umso länger<br />
gefangen nehmen. Mannheim hat großen<br />
Charme und gleichzeitig etwas Raues.<br />
Stark ausgeprägt ist der Drang, Neues zu<br />
wagen und sich selbst in Bewegung zu<br />
setzen. Eine typische Einstellung ist, erst<br />
einmal mit einer Sache zu starten und<br />
dann zu schauen, was verbessert werden<br />
kann. Das gefällt mir.<br />
Wenn Sie drei Wünsche<br />
frei hätten, was würden<br />
Sie sich wünschen?<br />
Auch wenn es vermessen klingt, wünsche ich mir dreimal,<br />
dass die Kunsthalle Mannheim jene internationale<br />
Pionierstellung zurückgewinnt, die sie in den ersten<br />
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auszeichnete. Auch<br />
heute gilt es, in drei Bereichen Maßstäbe zu setzen: im<br />
kontinuierlichen Sammeln von Kunst, die ihre volle Wirkung<br />
erst in der Zukunft entfaltet, beim Programmieren<br />
von brisanten Ausstellungen und beim Initiieren von<br />
geistigen Impulsen, die Geschichte schreiben (wie die<br />
Neue Sachlichkeit 1925).<br />
Und so ganz persönlich?<br />
Es gibt da diese Geschichte: Zur Wiege<br />
des berühmten Kunsthistorikers Erwin<br />
Panofsky eilen drei Feen. Statt der<br />
Schönheitsfee, die zu spät kommt, verspricht<br />
eine wichtigere Fee dem späteren<br />
Begründer der Ikonographie, dass<br />
er „das Buch immer an der richtigen<br />
Stelle aufschlagen werde“. Dieses Gespür<br />
für den richtigen Moment und<br />
die notwendigen Mittel dazu, das wär’s.<br />
Warum ist Kunst Ihnen<br />
persönlich wichtig?<br />
Wenn ich mir vorstelle, dass in ein Werk ein ganzes<br />
Leben einfließt, dass der Künstler alles von<br />
sich hineingibt, dann wird es zu einem riesigen<br />
Privileg, sich das aneignen, daran teilhaben zu<br />
dürfen. Kunst ist wie eine Batterie, ein Speicher<br />
von Zeit, Erfahrung, Zweifeln, Gewissheiten, Glück.<br />
Wenn ich da andocke, werde ich um so viel reicher.<br />
Darum geht bei mir ohne Kunst nichts.<br />
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