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Z21/22 Reformation Teil 2 Leseprobe der ersten 80 Seiten

Die Reformation ging nach Luther weiter - leider nicht unblutiger. Wie sieht Reformation heute aus, wo sind die aktuellen Herausforderungen. Warum verfolgen die vorigen Reformatoren immer die aktuellen?

Die Reformation ging nach Luther weiter - leider nicht unblutiger. Wie sieht Reformation heute aus, wo sind die aktuellen Herausforderungen. Warum verfolgen die vorigen Reformatoren immer die aktuellen?

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f ü r Z u k u n f t<br />

REFORMA<br />

FIKTION 5.2<br />

DIE WELT FRAGT<br />

NICHT NACH KIRCHE<br />

SIE SUCHT ECHTES<br />

A u s g a b e # 2 1 / 2 2<br />

Z für Zukunft<br />

1<br />

w w w . Z f ü r Z u k u n f t . d e


Leitthema<br />

Foto: © DesktopPapers.co<br />

Reformafiktion 5.1<br />

Der zweite <strong>Teil</strong> einer Fiction, in <strong>der</strong> wir uns vorstellen, eine umfassende <strong>Reformation</strong><br />

wäre möglich. Aber als erstes, vergessen wir, was wir uns von <strong>Reformation</strong> vorgestellt<br />

haben. Versetzen wir uns in das Jahr 2137.<br />

Peter Ischka<br />

Mit <strong>der</strong><br />

HDS-Bank stieß<br />

Lary Bracks eine<br />

Kettenreaktion<br />

an und schuf<br />

einen Kollateral-<br />

Gewinn von<br />

unschätzbarem<br />

Wert<br />

Sie erinnern sich noch, was am 31.<br />

Oktober 2117 Tagesthema war?<br />

Nein, nicht das 600-Jahr-Jubiläum<br />

<strong>der</strong> <strong>Reformation</strong>, das hat kein Aufsehen<br />

erregt. Ich meine die Eröffnung<br />

<strong>der</strong> HDS-Bank, <strong>der</strong> Bank mit dem absurden<br />

Geschäftsmodell: Wer die Geschäftsbedingungen<br />

akzeptiert, bekommt alle seine Schulden erstattet<br />

und erhält einen monatlichen Prosperitätssatz bis<br />

zum Lebensende. Das hat eine umfassende <strong>Reformation</strong><br />

ausgelöst, es hat unser Land tiefgreifend<br />

verän<strong>der</strong>t. Was die Entmachtung von „Schuld“<br />

ausrichten kann – wir hätten es uns nicht träumen<br />

lassen.<br />

Alles ausgelöst durch Larry Bracks; <strong>der</strong> Billiardär<br />

investierte sein gesamtes Vermögen in diese<br />

Idee. Was er mit Worten nicht auszudrücken vermochte,<br />

fasste er ins HDS-Modell: Habit, Debit,<br />

Save!<br />

Als global vernetzter und äußerst korrupter<br />

Geschäftsmann hatte er zuvor unzählige Menschenleben<br />

auf dem Gewissen; dann war er zur<br />

falschen Zeit am falschen Ort und wurde Opfer<br />

eines Terroranschlags. Dem Tode nahe, stand ihm<br />

die Frage vor Augen: „Was ist ein Menschenleben<br />

eigentlich wert?“ Das hatte ihn noch nie gekümmert,<br />

aber nun wurde er diesen Gedanken nicht<br />

mehr los. Rob, ein schrulliger Außenseiter und<br />

Sohn eines guten Geschäftspartners, brachte ihn<br />

auf die Spur, wie er die volle Vergebung seiner<br />

unvorstellbaren Gräueltaten erlangen konnte.<br />

Bracks ist kein Mann großer Worte, aber er ver-<br />

6<br />

Z für Zukunft


Leitthema<br />

steht etwas von Geld – und die Sprache des Geldes<br />

versteht doch je<strong>der</strong>. So beschloss Bracks,<br />

seinen Zeitgenossen mithilfe <strong>der</strong> HDS-Bank zu<br />

zeigen, was Vergebung bewirkt und wie sich ein<br />

Leben ohne Schuld anfühlt.<br />

War es Zufall, dass am Tag <strong>der</strong> Eröffnung, am<br />

31. Oktober 2117, auch das <strong>Reformation</strong>sjubiläum<br />

begangen wurde? O<strong>der</strong> wollte Bracks damit<br />

ein Zeichen setzen? Ursprünglich ging es bei<br />

<strong>der</strong> <strong>Reformation</strong> sechs Jahrhun<strong>der</strong>te zuvor doch<br />

um die Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> bedingungslosen<br />

Entschuldung, <strong>der</strong> Rechtfertigung aus Glauben:<br />

Schuldvergebung ohne religiöses Wenn und Aber.<br />

Doch hat die lutherische Institution sich von ihrer<br />

Herkunft und ihrem Erbe so weit entfernt – durch<br />

linksliberale Ideologie und atheistisch-humanistische<br />

Denkmuster –, dass eine Beziehung zum historischen<br />

Ereignis jetzt nur noch von höchst spezialisierten<br />

Fachkräften erahnt werden kann.<br />

Die HDS-Erfolgsstory im Großen …<br />

Nach dem <strong>ersten</strong> Jahr hatte die HDS-Bank 2,49<br />

Millionen Kunden; 236 Milliarden Euro Schulden<br />

wurden ausgeglichen. Nach dem zweiten Jahr<br />

verzeichnete man bereits 19,64 Millionen Kunden,<br />

die Schuldentilgung erreichte über <strong>22</strong>,5 Billionen<br />

Euro (1 Billion = 1000 Milliarden, eine Eins<br />

mit zwölf Nullen). Der Passus in den Geschäftsbedingungen,<br />

dass Kunden den eigenen Schuldnern<br />

ebenfalls die Schulden erlassen müssen, stieß<br />

eine Kettenreaktion an und schuf einen Kollateral-Gewinn<br />

von unschätzbarem Wert – monetär,<br />

psychisch, sozial, metaphysisch.<br />

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2137. Die<br />

Mitglie<strong>der</strong>zahl <strong>der</strong> Luther-Institution ist in den<br />

letzten beiden Jahrzehnten weiter gesunken,<br />

unter die 2-Prozent-Marke; parallel dazu sind<br />

über 40 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung direkt o<strong>der</strong><br />

indirekt durch die HDS-Bank entschuldet. Was<br />

Luther einst wie<strong>der</strong>entdeckte, seine Nachfolgeinstitution<br />

aber schon lange nicht mehr vermitteln<br />

kann, realisiert nun eine Bank. Deren Kunden<br />

haben nicht nur ihre finanziellen Probleme in<br />

den Griff bekommen; sie bemerken auch Verän<strong>der</strong>ung<br />

in ihren Beziehungen und in den eigenen<br />

Emotionen: Ihre Ängste haben sich verloren, sie<br />

sehen die Welt nun mit ganz an<strong>der</strong>en Augen, und<br />

Misstrauen und Neid lösen sich mehr und mehr<br />

auf. Das Prinzip „Vergebung“ findet universale<br />

Anwendung und zeitigt ungeahnte Vorteile: Es<br />

gibt immer weniger Grund, sich krankzusorgen;<br />

<strong>der</strong> Gesundheitszustand <strong>der</strong> HDS-Kunden hat<br />

sich enorm verbessert und die Krankheitsindustrie<br />

musste gravierende Einschnitte hinnehmen.<br />

… und im Kleinen<br />

In <strong>Teil</strong> 1 <strong>der</strong> Reportage (»Z« 19/20,Titelgeschichte)<br />

haben wir ein paar Schicksale kennengelernt:<br />

Kuno Bretschnei<strong>der</strong> wurden 127 000 Euro an<br />

Schulden erstattet; seitdem erhält er monatlich<br />

einen Prosperitätssatz von 5430 Euro. Seine<br />

Geldsorgen waren ihm früher richtig unter die<br />

Haut gegangen; die psychosomatische Erkrankung<br />

hat er aber längst überwunden. Vielfach<br />

ausgezahlt hat sich die Weiterbildung in kreativer<br />

Kommunikation – inzwischen bekleidet er eine<br />

leitende Position in einer namhaften Werbeagentur.<br />

Aber auch in einem umfassen<strong>der</strong>en Sinn hat<br />

sich für ihn die Welt <strong>der</strong> Kommunikation eröffnet:<br />

Bretschnei<strong>der</strong> hat festgestellt, dass man oft unter<br />

ein und demselben Wort etwas völlig an<strong>der</strong>es verstehen<br />

kann – das verspricht Missverständnisse<br />

en gros! Diesem Phänomen ist Kuno an die Pelle<br />

gerückt; sein „Wörterbuch <strong>der</strong> Missverständnisse“<br />

ist Bestseller geworden. –<br />

Manchmal denkt er zurück an die alten Zeiten<br />

mit den Schulden und <strong>der</strong> Angst, und dann ist er<br />

doppelt dankbar, dass er diese Last vom Hals hat.<br />

Tagtäglich profitiert er von den Auswirkungen auf<br />

die Kommunikation von Mensch zu Mensch.<br />

Der einst hoch verschuldete, dem Bankrott<br />

nahe Unternehmer Fries konnte sein Unternehmen<br />

in eine fast mitbewerberfreie Nische führen<br />

und hat kräftig expandiert. Von dem Passus in<br />

den HDS-Geschäftsbedingungen, dass den eigenen<br />

Schuldnern die Schulden zu erlassen sind,<br />

profitierten vor allem die langjährigen Mitarbeiter;<br />

die Folge: eine starke Identifikation mit <strong>der</strong><br />

Firma. Das Misstrauen hat einer vorbildlichen<br />

Vertrauenskultur Platz gemacht, man kann sich<br />

auf ein Wort wie<strong>der</strong> verlassen.<br />

Was Luther<br />

einst wie<strong>der</strong>entdeckte,<br />

seine Nachfolgeinstitution<br />

aber<br />

schon lange<br />

nicht mehr<br />

vermitteln kann,<br />

realisiert<br />

inzwischen<br />

eine Bank<br />

Z für Zukunft<br />

7


Leitthema<br />

Foto: © Agentur PJI, Montage<br />

Menschen umarmen sich,<br />

Mauern gesellschaftlicher<br />

Isulation werden<br />

durchbrochen. Es entstehen<br />

Beziehungen.<br />

Plötzlich redet<br />

man wie<strong>der</strong> miteinan<strong>der</strong><br />

und<br />

kommt in Beziehung.<br />

Das Grundmuster<br />

von<br />

Kirche wäre wie<strong>der</strong>hergestellt<br />

tisch getilgt wurden. Er skizziert die Geschäftsbedingungen<br />

und erklärt, man müsse seine Schulden<br />

eingestehen und den eigenen Schuldnern die<br />

Schulden erlassen; seines Wissens gelte dieses<br />

Angebot zwar bisher nur für Privatpersonen, aber<br />

es könnte sich lohnen, mit dem Management <strong>der</strong><br />

HDS-Bank in Verhandlung zu treten.<br />

Man diskutiert, wie das politisch korrekt kommuniziert<br />

werden könne, die Schulden auf diese<br />

Weise einzugestehen und damit öffentlich zu<br />

machen. Wie steht die EKD dann da, mit all den<br />

Fehlentscheidungen <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte? Das<br />

käme ja einem Schuldgeständnis gleich!<br />

Schließlich wählt man aus dem Finanzausschuss<br />

eine dreiköpfige Delegation und<br />

beschließt, mit einem Insolvenzantrag noch zu<br />

warten, bis das Verhandlungsergebnis vorliegt.<br />

Bracks spricht Klartext<br />

Larry Bracks wurde unmittelbar über diesen<br />

Antrag informiert – und ließ es sich nicht nehmen,<br />

die Abordnung persönlich zu empfangen.<br />

Er erklärt das HDS-Geschäftsmodell: „Entschuldet<br />

aus Gnade“. Einer <strong>der</strong> Delegierten meint sich<br />

zu erinnern: „Da war doch was“ – ja, richtig, diesen<br />

alten Lehrsatz hat <strong>der</strong> konservative Flügel<br />

immer wie<strong>der</strong> auf die Tagesordnung zu bringen<br />

versucht. „Gerechtfertigt aus Glauben“ – das war<br />

doch einfach nicht mehr zeitgemäß. Luther war<br />

eben Kind seiner Zeit und hatte nicht das Wissen,<br />

das die mo<strong>der</strong>ne Theologie inzwischen zu Tage<br />

beför<strong>der</strong>t hat.<br />

Bracks hakt ein: HDS bediene keine theologischen<br />

Theorien, son<strong>der</strong>n beseitige ganz konkrete<br />

Geldschulden; zu philosophischen Träumereien,<br />

konservativ hin o<strong>der</strong> her, gebe er sich nicht her –<br />

„Wollen Sie nun die Schulden getilgt haben<br />

o<strong>der</strong> nicht?“ Ja, das wollte man natürlich.<br />

Blieb die Frage, wie die vier Punkte <strong>der</strong><br />

Geschäftsbedingen in diesem Fall anzuwenden<br />

seien. Die EKD ist ja keine Privatperson, son<strong>der</strong>n<br />

eine Körperschaft mit noch 1,1 Millionen<br />

Mitglie<strong>der</strong>n.<br />

Die HDS-Geschäftsbedingungen:<br />

• Ich erlasse meinen Schuldnern alle Schulden zu<br />

100 % und verzichte vollständig und endgültig<br />

auf alle diese For<strong>der</strong>ungen.<br />

• 25 % meines Prosperitätssatzes verwende ich<br />

dafür, die Lebensbedingungen von Menschen in<br />

meinem Umfeld zu verbessern.<br />

• Ich wähle eine Erwerbstätigkeit und/o<strong>der</strong> ein<br />

Ehrenamt, in dem ich mich meinen Fähigkeiten<br />

und Begabungen entsprechend weiterentwickeln<br />

kann.<br />

• Ich treffe mich regelmäßig mit zwei bis drei Personen<br />

meines Vertrauens zum Essen, um mich<br />

über Fragen des Lebens und über Probleme<br />

des Alltags auszutauschen, von den Erfahrungen<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu lernen und zu einer positiven<br />

Motivation beizutragen.<br />

Larry Bracks überlegt kurz und macht dann<br />

einen interessanten Vorschlag: „Wir bleiben unserem<br />

HDS-Konzept treu: Nur für Privatpersonen!<br />

Also legen wir die Verschuldung auf die Mitglie<strong>der</strong><br />

um, macht Pi mal Daumen etwa 200 000 Euro pro<br />

Kopf. Diesen Betrag bekommt <strong>der</strong> Einzelne von<br />

<strong>der</strong> HDS-Bank ausbezahlt und spendet ihn <strong>der</strong><br />

EKD. Das geht aber nur, wenn je<strong>der</strong> Einzelne in ein<br />

Vertragsverhältnis mit HDS kommt und die weiteren<br />

drei Punkte <strong>der</strong> Geschäftsbedingungen auf<br />

privater Ebene erfüllt: Jedes Mitglied erhält einen<br />

Prosperitätssatz und verwendet davon wie vorgesehen<br />

25 Prozent dafür, die Lebensbedingungen<br />

von Menschen in seinem Umfeld zu verbessern,<br />

wählt ein Ehrenamt und trifft sich regelmäßig<br />

mit zwei, drei Personen, um eine Beziehungs- und<br />

Gesprächskultur zu entwickeln.“<br />

12<br />

Z für Zukunft


Die Delegation zog sich zur Beratung zurück:<br />

Ist das machbar? Dazu braucht die EKD die Einwilligung<br />

aller 1,1 Millionen Mitglie<strong>der</strong>. Ein komplexer<br />

Prozess – wann hat man das letzte Mal mit<br />

<strong>der</strong> Basis so direkt kommuniziert? Aber es könnte<br />

klappen, lautet <strong>der</strong> Konsens nach heftiger Diskussion.<br />

Denn das Angebot mit dem Prosperitätssatz<br />

als monatlichem bedingungslosem Betrag für<br />

jeden (einzige Bedingung ist die Verwendung <strong>der</strong><br />

25 Prozent), das könnte doch für alle ein Anreiz<br />

sein, war man überzeugt. Damit könnten trotz <strong>der</strong><br />

zunehmenden Isolation von Einzelnen die Barrieren<br />

überwunden und alle zu einem Ehrenamt und<br />

diesen Treffen motiviert werden.<br />

Mit diesen „Hausaufgaben“ wurde die Delegation<br />

entlassen. Die lutherische Institution muss<br />

nun einen Weg finden, die Einwilligung jedes einzelnen<br />

Mitglieds zu bekommen.<br />

Auf dem Rückflug ist Larry Bracks in Gedanken<br />

versunken: Was wird wohl daraus werden?<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> werden es honorieren, dass die<br />

EKD auf solche Weise ihren Bankrott erklärt, und<br />

die Einwilligung erteilen. Wer zu seinem Versagen<br />

steht, hat immer die besseren Karten. Gut,<br />

und <strong>der</strong> Prosperitätssatz wird allen ein Anreiz<br />

sein. Doch kaum auszumalen, was für eine unvorstellbare<br />

Dynamik das auslösen wird: Plötzlich<br />

werden alle im Ehrenamt aktiv, man redet wie<strong>der</strong><br />

miteinan<strong>der</strong> und kommt in Beziehung. Bracks<br />

schmunzelt: Das Grundmuster von Kirche wäre<br />

auf diesem Weg wie<strong>der</strong>hergestellt.<br />

Der Vorab-Test<br />

Achtung: Das war eine fiktive Geschichte; bitte<br />

nicht traurig sein, wenn Sie das noch nicht so<br />

erleben! Sie könnten aber mit Freunden einzelne<br />

Module testen; warten Sie nicht bis 2137, son<strong>der</strong>n<br />

probieren Sie aus, ob die Fiktion vielleicht<br />

schon heute Realität werden kann.<br />

Leitthema<br />

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Z für Zukunft<br />

13


Z-aktuell<br />

Foto: © Fil Luther 2003<br />

95 Humanismus-Antithesen<br />

an die Tore liberaler Kirchen<br />

Ignace Demaerel<br />

Humanismus<br />

bedeutet: Der<br />

Mensch steht im<br />

Mittelpunkt und<br />

macht sich zu<br />

Gott, zum Maß<br />

aller Dinge<br />

Luther ahnte nicht, dass seine Thesen<br />

eine Revolution auslösen und die<br />

geistliche Landschaft Europas völlig<br />

verän<strong>der</strong>n würden. Seine 95 Thesen<br />

entsprangen seiner aufrichtigen<br />

Empörung – o<strong>der</strong> sogar einem heiligen Zorn –<br />

über falsches Handeln, das sich nicht mit <strong>der</strong> Bibel<br />

begründen ließ und auch dem gesunden Menschenverstand<br />

wi<strong>der</strong>sprach. Luther war ein Whistleblower<br />

seiner Zeit und es grenzt an ein Wun<strong>der</strong>,<br />

dass er das nicht mit dem Leben bezahlte.<br />

Heute ist <strong>der</strong> atheistische Humanismus ein<br />

tausendfach größeres Übel als seinerzeit das<br />

Ablass-Unwesen. Das Heil, das Gott als Geschenk<br />

anbietet, hat man damals aus Geldgier den Menschen<br />

verkauft. Sie wurden zwar geschröpft, aber<br />

hoffentlich dennoch gerettet.<br />

Diese „95 Thesen“ nun, die sich mit <strong>der</strong> Ideologie<br />

des Humanismus befassen, sind aus ähnlicher<br />

Empörung heraus entstanden. Der Aufbruch<br />

im Mittelalter gegen die Bevormundung und den<br />

Machtmissbrauch seitens <strong>der</strong> Institution Kirche<br />

führte in zwei Richtungen: einerseits hin zu Gott,<br />

an<strong>der</strong>erseits total von ihm weg.<br />

Humanismus bedeutet: Der Mensch steht im<br />

Mittelpunkt. Der Mensch macht sich zu Gott, zum<br />

Maß aller Dinge. In <strong>der</strong> Befreiung von dem fal-<br />

14<br />

Z für Zukunft


Leitthema<br />

schen Gottesbild, das eine machthungrige Kirche<br />

vermittelt hatte, hat man es über die Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

nicht richtiggestellt, son<strong>der</strong>n Gott gleich<br />

ganz aus dem Bild gerückt. Da Gott aber nun mal<br />

unverrückbar ist, hat sich <strong>der</strong> Mensch selber ins<br />

Abseits gestellt und sich damit dem Segen Gottes<br />

entzogen, <strong>der</strong> doch die Quelle seiner Kraft ist.<br />

Zur Zeit Luthers wurde den Gläubigen gegen<br />

viel Geld das Heil verkauft (Ablass). Das war<br />

Betrug und Diebstahl aus purer Geldgier. Wenigstens<br />

wollten die Gläubigen damit noch vor Gott<br />

besser dastehen.<br />

Heute ist die Kirche in einem weit schlimmeren<br />

Zustand als zur Zeit Luthers: Der Humanismus<br />

hat das Denken durchdrungen und kaum einem<br />

ist noch bewusst, dass er einer Beziehung zu Gottes<br />

bedarf. Gott und Sünde wurden zuerst relativiert,<br />

dann mussten sie <strong>der</strong> Beliebigkeit ganz weichen.<br />

Die überhöhte Vernunft meint, sie könnte<br />

Gott beibringen, wie er sich zu verstehen habe.<br />

Der Vergleich von nützlicher Saat und Unkraut<br />

in den Evangelien veranschaulicht die Situation<br />

sehr gut: 1<br />

„Dass Jesus als souveräner König die Herrschaft<br />

hat, kann man vergleichen mit dem Bauern,<br />

<strong>der</strong> den guten Samen <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong> auf<br />

seinen Acker säte. In <strong>der</strong> Nacht kam sein Feind<br />

und säte heimlich den Humanismus als Unkraut<br />

dazwischen.<br />

Als die Saat aufging, kam auch das Unkraut<br />

zum Vorschein. Was tun? ‚Sollen wir das Unkraut<br />

ausreißen?‘ – ‚Nein‘, war die Antwort, ‚ihr würdet<br />

mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißen.<br />

Wenn die Ernte kommt, sollen die Erntearbeiter<br />

das humanistische Unkraut ausreißen und es verbrennen.<br />

Dann soll die Frucht einer umfassenden<br />

<strong>Reformation</strong> eingebracht werden!‘<br />

Kurz darauf redete Jesus mit seinen Freunden<br />

Klartext: ‚Der Mann, <strong>der</strong> den guten Samen<br />

aussät, ist <strong>der</strong> Menschensohn. Der Acker ist die<br />

Welt. Der gute Same sind die Menschen unter<br />

<strong>der</strong> Herrschaft Gottes; das Unkraut sind die Menschen,<br />

die dem Bösen folgen, und <strong>der</strong> Feind, <strong>der</strong><br />

das Unkraut gesät hat, ist <strong>der</strong> Teufel. (Einem<br />

„vernünftigen“ Menschen wurde beigebracht, des<br />

gebe keinen Teufel. Das ist für diesen das beste<br />

Argument, in seinen bösen Aktivitäten ungestört<br />

zu bleiben). Die Ernte ist das Finale dieser Welt.<br />

Da wird alles aus meinem Reich entfernt werden,<br />

was nicht nach Gottes Ordnung ist. Und dann<br />

werden die aus Glauben Gerechtfertigten im<br />

Reich ihres Vaters leuchten wie die Sonne.‘“<br />

Wie viele Denkkonzepte nimmt man heute einfach<br />

hin, ohne sie ernsthaft zu hinterfragen?! Von<br />

den Medien werden sie gebetsmühlenartig wie<strong>der</strong>holt;<br />

so entsteht <strong>der</strong> Eindruck, je<strong>der</strong> sähe es<br />

so. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich<br />

vieles als heiße Luft.<br />

Verbannt man Gott aus dem Weltbild und macht<br />

den Menschen zum Maß aller Dinge, sind Probleme<br />

vorprogrammiert; wer erkennt schon, wie sehr <strong>der</strong><br />

Zeitgeist im Wi<strong>der</strong>spruch steht zum gesunden<br />

Menschenverstand und zur Würde des Menschen?<br />

Deshalb sollen diese neuen 95 Thesen zum Humanismus<br />

wie die Thesen Luthers eine Einladung sein<br />

zu einer grundlegenden Debatte – und sie sind <strong>der</strong><br />

Rahmen für ein Buch mit gleichem Titel, das umfassend<br />

auf Zusammenhänge und Folgen eingeht. 2<br />

Dabei wollen wir differenzieren zwischen dem<br />

Humanismus als Denkmuster, als Ideologie, und<br />

seinen Vertretern, den Humanisten, unter denen<br />

es ehrenwerte, vorbildliche Menschen gibt, die<br />

viel Gutes bewirkt haben. Wir wollen die Konzepte<br />

und Werte analysieren, die hinter dem<br />

Humanismus stecken, und so dieses Denksystem<br />

entlarven.<br />

Das Muster ist<br />

uralt, es wird uns<br />

in einem <strong>der</strong> <strong>ersten</strong><br />

Texte <strong>der</strong> Bibel überliefert,<br />

im Bericht<br />

vom sogenannten<br />

Sündenfall – und <strong>der</strong><br />

führt uns zum Urproblem<br />

<strong>der</strong> Menschheit<br />

schlechthin: „Sollte<br />

Gott gesagt haben?“<br />

Die Kirche<br />

heute ist in einem<br />

weit schlimmeren<br />

Zustand als zur<br />

Zeit Luthers:<br />

Der Humanismus<br />

hat das Denken<br />

durchdrungen und<br />

kaum einem ist<br />

noch bewusst,<br />

dass er einer<br />

Beziehung zu<br />

Gottes bedarf<br />

Der Vergleich von<br />

nützlicher Saat<br />

und Unkraut in<br />

den Evangelien<br />

veranschaulicht die<br />

Situation sehr gut: In<br />

<strong>der</strong> Nacht kam <strong>der</strong> Feind<br />

und säte heimlich den<br />

Humanismus als Unkraut<br />

dazwischen.<br />

Foto: Wikipedia, Dalibri<br />

Z für Zukunft<br />

15


Z-aktuell<br />

„Freiheit führt<br />

das Volk an“<br />

Romantische historien<br />

malerei. Im Gedenken<br />

an die Französische<br />

Revolution von 1830<br />

Eugène Delacroix,<br />

Louvre, Paris<br />

Freiheit, das<br />

schönsten Ideale<br />

auf Erden.<br />

Im Mund von<br />

Demagogen wird<br />

es schnell zur<br />

billigen Phrase<br />

<strong>der</strong> gesunde Menschenverstand erkennen, dass<br />

etwas Übergeordnetes nötig ist: in <strong>der</strong> Familie,<br />

beim Fußball, in <strong>der</strong> Wirtschaft, in Armee, Regierung,<br />

Schule … Wie wi<strong>der</strong>sinnig, wenn ausgerechnet<br />

in den wichtigsten Lebensbereichen je<strong>der</strong> tun<br />

und lassen kann, was er möchte! Es gleicht einem<br />

Land, in dem je<strong>der</strong> König ist – scheinbar „demokratisch”,<br />

frei und angenehm, aber das En<strong>der</strong>gebnis<br />

ist völlige Nivellierung und Anarchie.<br />

These 49: Der Humanismus behauptet, er<br />

strebe die Freiheit <strong>der</strong> Menschen an, und wehrt<br />

sich gegen alle Bedrückung durch religiöse Systeme.<br />

Aber jede Religion, Ideologie, politische<br />

Bewegung, Revolution, Therapie, Sekte … behauptet<br />

doch auch, Freiheit zu bringen! Jedes System<br />

o<strong>der</strong> Regime bringt eine gewisse Form von Unterdrückung<br />

mit sich, und <strong>der</strong> Humanismus ist da<br />

keine Ausnahme. Freiheit ist eines <strong>der</strong> schönsten<br />

Ideale auf Erden, aber schnell wird sie zur billigen<br />

Phrase im Mund von Demagogen. Je nach Art <strong>der</strong><br />

„Freiheit” landet man dann eher in einer an<strong>der</strong>en,<br />

meist ärgeren Form von Sklaverei.<br />

These 50: „Toleranz” ist <strong>der</strong> höchste Wert des<br />

Humanismus; aber Toleranz hat ihre Grenzen –<br />

alles zu tolerieren (z. B. Pädophilie, Kindesmissbrauch,<br />

Vergewaltigung …) geht unmöglich! In<br />

<strong>der</strong> Realität jedoch wird <strong>der</strong> Begriff „Toleranz”<br />

mit Absicht als Waffe gebraucht: Im Konflikt<br />

beschuldigen sich beide <strong>Seiten</strong> <strong>der</strong> Intoleranz;<br />

„Sieger” wird, wer lauter schreit.<br />

These 53: Sind christliche Werte getrennt von<br />

<strong>der</strong> Quelle <strong>der</strong> Inspiration (Gott), dann gleicht das<br />

Schnittblumen in einer Vase: Eine Weile sehen sie<br />

hübsch aus, aber sie verwelken. Christliche Prinzipien<br />

von Gott zu trennen macht sie zu abstrakten<br />

Regeln und Allgemeinplätzen, bringt aber<br />

kein Leben hervor.<br />

These 63: Der Humanismus wurde in einer<br />

säkularen Gesellschaft zur neuen Staatsreligion:<br />

Die Entwertung <strong>der</strong> Kirche als Autorität führte zu<br />

einem Vakuum; das hat sich gefüllt mit einer radikalen<br />

Selbstbestimmung. Über Definitionen, Rahmenbedingungen<br />

und Bezugspunkte ist ein geistlicher<br />

„Krieg” entbrannt; wer lauter schreit, <strong>der</strong><br />

drückt dem An<strong>der</strong>en seine Weltsicht auf. Längst<br />

hat <strong>der</strong> Humanismus neue Regeln und Rahmenbedingungen<br />

festgelegt,unter dem Vorwand <strong>der</strong><br />

„Neutralität”.<br />

These 64: Der Humanismus nennt ständig<br />

Religionen als Ursache von Kriegen und Blutvergießen,<br />

übersieht aber vorsätzlich die Tatsache,<br />

dass die aus humanistischen Ideologien geborenen<br />

atheistischen Diktaturen des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

unvorstellbar mehr Opfer gekostet haben<br />

als alle Religionskriege zusammengenommen.<br />

(Man denke nur an die Sowjetunion, das Dritte<br />

Reich, China, Kambodscha, Nordkorea und zum<br />

Vergleich an den Siegeszug des Islams im frühen<br />

Mittelalter, den Kreuzzügen, dem Dreißigjährigen<br />

Krieg, Al-Kaida und IS …)<br />

These 65: Der Humanismus präsentiert sich<br />

gerne humaner als das Christentum, aber an<br />

seinen „Früchten” sehen wir das Gegenteil:<br />

Erniedrigung des Menschen. Bei <strong>der</strong> Anwendung<br />

seiner ethischen Einstellung, zum Beispiel<br />

zu Abtreibung und Euthanasie, wird das Leben<br />

des Menschen systematisch ab- und nicht aufgewertet.<br />

These 67: Der Humanismus hat die Sicht auf<br />

Sexualität radikal verän<strong>der</strong>t; er brachte eine<br />

sogenannte „Befreiung” von <strong>der</strong> „Unterdrücker”-<br />

Ethik <strong>der</strong> christlichen Ehe. Heute wirkt diese<br />

sexuelle Freiheit zerstörerischer, als die Tabus<br />

von früher es je hätten sein können. Die Treue in<br />

18<br />

Z für Zukunft


Leitthema<br />

<strong>der</strong> Ehe wird geopfert auf dem Altar des Individualismus;<br />

Kin<strong>der</strong> haben in <strong>der</strong> totalen Selbstbestimmung<br />

bei<strong>der</strong> Eltern nicht wirklich Platz.<br />

These 71: Humanistisches Denken hat die<br />

christlichen Kirchen seit Jahrhun<strong>der</strong>ten infiltriert.<br />

Jede gute Absicht in den „mo<strong>der</strong>nen” Kirchen,<br />

das Evangelium annehmbarer, nie<strong>der</strong>schwelliger<br />

zu machen – alles „Anstoßerregende” zu beseitigen<br />

– war nur destruktiv: Die Folgen waren ein<br />

Verlust an Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft,<br />

ein Mehr an Anpassung und die Verwässerung<br />

des Glaubens. Kurz, das humanistische Denken<br />

führt zu einer kraftlosen Christenheit, die sich<br />

<strong>der</strong> Beliebigkeit preisgegeben hat.<br />

These 75: Mit den Anfangsworten <strong>der</strong> Bergpredigt<br />

„Selig sind die Armen im Geist” legte Jesus<br />

dem Humanismus eine Bombe, somit auch unserem<br />

oberflächlichen Selbstvertrauen und unserer<br />

Selbstgefälligkeit. Von Natur aus ist doch je<strong>der</strong><br />

mehr o<strong>der</strong> weniger humanistisch kontaminiert;<br />

je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> dieser Ideologie entgegentreten will,<br />

muss zunächst einigermaßen fertigwerden mit<br />

seiner Ich-Bezogenheit und Selbstgerechtigkeit<br />

sowie <strong>der</strong> seiner Kirche.<br />

These 77: Wer behauptet, das Evangelium<br />

„verbessern” zu wollen, erweist sich meist als<br />

arrogant; das Ergebnis zeigt genau das Gegenteil.<br />

Wer sich als <strong>Teil</strong> einer „humanistischen<br />

Bewegung in <strong>der</strong> Christenheit” sieht, muss sich<br />

entscheiden, um welchen Mittelpunkt er sich<br />

dreht – welchem Gott er dient: dem Gott <strong>der</strong> Bibel<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Menschheit? Passen wir die Bibel an den<br />

Zeitgeist an o<strong>der</strong> richten wir unser Denken an <strong>der</strong><br />

Gesinnung des Gottes <strong>der</strong> Bibel aus?<br />

These 79: „Mo<strong>der</strong>ne” Bewegungen in Kirchen<br />

als Ausdruck humanistischen Christentums laufen<br />

<strong>der</strong> Welt nach und folgen den Trends, statt<br />

prophetische Vorläufer zu sein. „Jesus verwandelte<br />

Wasser in Wein; auch die mo<strong>der</strong>ne Theologie<br />

wirkt ‚Wun<strong>der</strong>‘: Sie verwandelt Wein wie<strong>der</strong><br />

zu Wasser!” Verständlich, dass viele dieses verwässerte,<br />

geschmacklose Christentum angewi<strong>der</strong>t<br />

ausgespuckt haben. Der dramatische Verfall<br />

<strong>der</strong> Kirche in Europa zeigt, dass Gott nicht im<br />

Mittelpunkt stand.<br />

These 89: Die Finanz- o<strong>der</strong> Bankenkrise ist<br />

ein gutes Gleichnis für die aktuelle ideologische<br />

Krise: Wenn Derivate nicht mehr durch reale<br />

Werte gedeckt sind, bricht das System zusammen.<br />

Wie die Bankenkrise verursacht wurde durch<br />

übermäßiges Investment mit geborgtem Geld und<br />

durch Handel mit virtuellem Geld, so wird auch <strong>der</strong><br />

„Markt <strong>der</strong> Ideologien” erschüttert – <strong>der</strong> Humanismus<br />

arbeitet nur mit „geborgten Werten”.<br />

These 79: Die Ichbezogenheit sitzt tief und ist<br />

nahezu unverwüstlich. Sie entspricht ganz unserer<br />

Natur und ist schwierig zu überwinden. Nur<br />

Gott kann uns befreien von dieser Tyrannei unseres<br />

Ichs! Nur ein vollkommener, guter und heiliger<br />

Gott ist <strong>der</strong> zentrale Bezugspunkt für Normen<br />

und Werte, für Lebenssinn und -zweck. Nur<br />

er kann ein unparteiischer Vermittler sein und<br />

uns helfen, den Irrgarten des Lebens von oben<br />

zu betrachten.<br />

Ignace Demaerel, Denker, Schriftsteller, Theologe, Kolumnist;<br />

Jahrgang 1961, lebt nahe Brüssel<br />

1 Nach Matthäus-Evangelium 13,24–30.38–43.<br />

2 För<strong>der</strong>n Sie das Buchprojekt mit Ihrer Subskription:<br />

www.agentur-pji.com/95thesen.<br />

3 Matthäus-Evangelium 16,18–23.<br />

Auch die<br />

humanistische<br />

Theologie wirkt<br />

‚Wun<strong>der</strong>‘: Sie<br />

verwandelt<br />

Wein wie<strong>der</strong><br />

zu Wasser!<br />

Humanismus:<br />

In einer<br />

säkularen<br />

Gesellschaft<br />

die neuen<br />

Staatsreligion<br />

Z für Zukunft<br />

19


Z-aktuell<br />

Foto: © Pixabay, MarleneBitzer<br />

Das Filetstück <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong><br />

Statt moralischer Berechnung – fröhlicher Austausch; durch Bekennen – Vergebung<br />

erlangen: Ohne diese anhaltende Erfahrung macht sich Kirche überflüssig<br />

Rainer Mayer<br />

Was soll Buße?<br />

Das bezeichtnet<br />

eine notwendige<br />

Richtungskorrektur,<br />

eine<br />

Umkehr: statt<br />

gegen die Wand,<br />

aufs Ziel zu<br />

Selbstgerechtigkeit –<br />

o<strong>der</strong> Umkehr zu Jesus Christus?<br />

Die erste <strong>der</strong> 95 Thesen Martin Luthers vom 31.<br />

Oktober 1517 lautet: „Da unser Herr und Meister<br />

Jesus Christus spricht: Tut Buße!, will er, dass<br />

das ganze Leben seiner Gläubigen eine stete und<br />

unaufhörliche Buße sein soll.” Diese These ist wie<br />

eine Überschrift mit Doppelpunkt; die folgenden<br />

Thesen entfalten diese Grundaussage weiter. –<br />

Was ist gemeint?<br />

Wenn das ganze Leben eines Christen eine<br />

stete und anhaltende Buße sein soll, dann brauchen<br />

wir eine grundsätzliche innere Haltung<br />

und neue Einstellung Gott gegenüber. Man kann<br />

mit Gott nicht wie im Business aufrechnen und<br />

gegenrechnen, nach dem Motto: „Du gibst mir<br />

Vergebung, ich gebe dir ‚gute Werke‘.“ Vielmehr<br />

ist alles, wirklich alles, reines Geschenk – also<br />

Gnade –, sowohl die Vergebung selbst als auch<br />

die daraus folgenden guten Taten.<br />

Denn beim Zuspruch <strong>der</strong> Vergebung im Namen<br />

von Jesus Christus wird nicht nur im juristischen<br />

Sinne die Schuld vor Gott getilgt, son<strong>der</strong>n durch<br />

die Kraft des Heiligen Geistes vollzieht sich eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung des Menschen. Zwar wird ein Christ<br />

lebenslang immer wie<strong>der</strong> von Verfehlungen übereilt<br />

werden, doch geschieht durch anhaltende<br />

Hingabe an Jesus Christus und die dabei empfangene<br />

Vergebung stetig Verän<strong>der</strong>ung; <strong>der</strong> Einzelne<br />

merkt das selber oft weniger als seine Umgebung.<br />

Das Leben bekommt eine an<strong>der</strong>e Gesamtrichtung;<br />

Liebe, Freude und Friede erfüllen die<br />

Persönlichkeit. Der Mensch wird umgestaltet<br />

durch die Kraft des Heiligen Geistes.<br />

Luthers fröhliche Wirtschaft<br />

Beim Generalkonvent des Augustiner-Ordens im<br />

April 1518 in Heidelberg sagte Luther in <strong>der</strong> letzten<br />

seiner dortigen 28 Thesen: „Die Liebe des<br />

Menschen entsteht an ihrem Gegenstand”, also<br />

z. B. an einem an<strong>der</strong>en Menschen, einem Kunst-<br />

20<br />

Z für Zukunft


Leitthema<br />

werk o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur; „aber die Liebe Gottes findet<br />

ihren Gegenstand nicht vor, son<strong>der</strong>n schafft<br />

ihn sich.” Es handelt sich um Neuschöpfung! –<br />

Schlicht und einfach heißt das: Im moralischen<br />

Sinne vermag ein Mensch gewiss viel Gutes zu<br />

tun, aber vor Gott kann er das nicht aufrechnen.<br />

Denn auch die Kraft zum Guten ist ein Geschenk<br />

Gottes! In seinem Lied von 1524 (EG 299,2) hat<br />

Luther es so ausgedrückt:<br />

„… es ist doch unser Tun umsonst,<br />

auch in dem besten Leben.<br />

Vor dir niemand sich rühmen kann,<br />

des muss dich fürchten je<strong>der</strong>mann<br />

und deiner Gnade leben.“<br />

Hinzu kommt, dass das in unserer menschlichen<br />

Sicht vermeintlich Gute auch auf Irrtum<br />

beruhen kann und dann letztlich alles an<strong>der</strong>e<br />

als gut ist. Auch können die Folgen einer Tat in<br />

all ihren Konsequenzen häufig nicht abgeschätzt<br />

werden, so dass unser guter Wille manchmal<br />

überhaupt nicht zum Guten beiträgt. Und umgekehrt<br />

kann Gott auch auf krummen Linien gerade<br />

schreiben. Menschliche Aktion kann ihn jedenfalls<br />

nicht aus seiner Weltregierung ausschließen.<br />

Dem Vorwurf, durch diese Sichtweise würde<br />

es überflüssig, Gutes zu tun, hat Luther entschieden<br />

wi<strong>der</strong>sprochen. 1520 veröffentlichte er<br />

einen „Sermon von den guten Werken“, und im<br />

Kleinen und Großen Katechismus stellte er die<br />

Zehn Gebote an den Anfang <strong>der</strong> Erklärung des<br />

Glaubens. Nein, Gutes zu tun ist we<strong>der</strong> überflüssig<br />

noch belanglos. Frei wird <strong>der</strong> Mensch jedoch<br />

erst, wenn er sich ganz und vorbehaltlos „mit<br />

Haut und Haaren“ <strong>der</strong> Gnade und Barmherzigkeit<br />

des himmlischen Vaters ausliefert. Es geht<br />

schlicht darum, loszukommen von einer rechnenden<br />

und berechnenden, ja letztlich for<strong>der</strong>nden<br />

inneren Haltung Gott gegenüber.<br />

Im zwölften Artikel seiner Schrift „Von <strong>der</strong><br />

Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) hat<br />

Luther dafür das schöne Bild vom „fröhlichen<br />

Tausch“ gebraucht: Das Wollen und Vollbringen<br />

des gläubigen Menschen nennt er „Seele“; Jesus<br />

Christus nennt er den „Bräutigam“. Beim glaubenden<br />

Christen geschieht nun folgen<strong>der</strong> Tausch:<br />

Wie Braut und Bräutigam in <strong>der</strong> Ehe eins werden,<br />

so geschieht es auch zwischen Christus und<br />

<strong>der</strong> menschlichen Seele, „… so dass, was Christus<br />

hat, das ist eigen <strong>der</strong> gläubigen Seele; was<br />

die Seele hat, wird eigen Christi. So hat Christus<br />

alle Güter und Seligkeit: die sind [nun] <strong>der</strong> Seele<br />

eigen; so hat die Seele alle Untugend und Sünde<br />

auf sich: die werden [nun] Christi eigen. Hier<br />

erhebt sich nun <strong>der</strong> fröhliche Wechsel … Ist nun<br />

das nicht eine fröhliche Wirtschaft, da <strong>der</strong> reiche,<br />

edle, fromme Bräutigam Christus das arme,<br />

verachtete, böse Hürlein [Seele] zur Ehe nimmt<br />

und sie entledigt von allem Übel, zieret mit allen<br />

Gütern? So ist’s nicht möglich, dass die Sünden<br />

sie verdammen, denn sie liegen nun auf Christo<br />

und sind in ihm verschlungen.“<br />

Freiheit ist nicht Beliebigkeit<br />

Erst durch solche innige Glaubensgemeinschaft<br />

– einer Verschmelzung mit Jesus Christus, die von<br />

allen Berechnungen absieht und ganz aus freudiger<br />

Dankbarkeit lebt – erst dadurch entsteht die<br />

Heilsgewissheit. Wohlgemerkt: Gewissheit, nicht<br />

aber falsche Sicherheit und Gleichgültigkeit. Wer<br />

von Dankbarkeit und Freude erfüllt ist, wird nicht<br />

gleichgültig – im Gegenteil, er ist leidenschaftlich<br />

und brennt!<br />

Damit ist allen Missverständnissen abgesagt,<br />

die die „Freiheit eines Christenmenschen“ mit<br />

Gleichgültigkeit, ja Beliebigkeit verwechseln. –<br />

Solchen Missbrauch gibt es freilich. Da wird dann<br />

die Sünde gerechtfertigt statt des Sün<strong>der</strong>s. Falsche<br />

Sicherheit wird propagiert, statt zu echter<br />

Reue und Umkehr aufzurufen. Bonhoeffer nannte<br />

Verkündigung dieser Art „billige Gnade“; eine<br />

<strong>der</strong>artige Entstellung <strong>der</strong> Rechtfertigungsbotschaft<br />

verurteilte er aufs Schärfste.<br />

Gnade ist kein abstraktes<br />

Prinzip, son<strong>der</strong>n ein göttliches<br />

Geschenk, das im Lebensvollzug<br />

erfahren wird. Die <strong>Reformation</strong><br />

war keine Verbilligung christlicher<br />

Lebenspraxis, son<strong>der</strong>n ist im<br />

Gegenteil eine große Konzentrationsbewegung<br />

weg vom Nebensächlichen<br />

hin auf das Zentrum:<br />

Nein, Gutestun<br />

wir durch Gnade<br />

nicht überflüssig.<br />

Frei wird<br />

<strong>der</strong> Mensch<br />

jedoch nur,<br />

wenn er sich<br />

<strong>der</strong> Gnade und<br />

Barmherzigkeit<br />

Gottes ausliefert<br />

Bonhoeffer sprach von<br />

billiger Gnade, leisen Sie<br />

dazu den Artikel „Billige<br />

Gnade, Todfeind <strong>der</strong> Kirche“<br />

Seite 38 Z#19/20<br />

Z für Zukunft<br />

21


Z-aktuell<br />

Foto: © Gebetshaus Augsburg<br />

Das Missions-Manifest<br />

10 Thesen für ein „Comeback <strong>der</strong> Kirche”<br />

Die<br />

Katholischen<br />

Kirche auf <strong>der</strong><br />

reformatorischen<br />

Überholspur?<br />

Das sind mutige <strong>Reformation</strong>s-Thesen,<br />

die da im Januar 2018 in Augsburg<br />

an die MEHR-Tür genagelt<br />

wurden. Gut, dass es keine 95 sind!<br />

Diese 10 hat man schnell gelesen,<br />

sie sind herausfor<strong>der</strong>nd und gut nachvollziehbar<br />

(natürlich müssten sie auch noch gelebt werden).<br />

Damit gehen unsere katholischen Geschwister<br />

deutlich auf Überholspur, wogegen die lutherische<br />

Kirche in <strong>der</strong> Rückschau auf ihre Geschichte<br />

zur 500-Jahr-Feier den Missionsgedanken so<br />

ziemlich an den Nagel gehängt hat.<br />

Die Idee zu dem Manifest entstand im Juni<br />

2017 bei einem Treffen im Gebetshaus Augsburg.<br />

Zu den Initiatoren zählen <strong>der</strong> katholische<br />

Theologe Dr. Johannes Hartl, Leiter des<br />

Gebetshauses Augsburg; P. Karl Wallner, Zisterzienser<br />

und Direktor von Missio Österreich;<br />

Bernhard Meuser, Mitverfasser des Youcat<br />

(katholischer Jugendkatechismus); Martin Iten<br />

aus <strong>der</strong> Schweiz; Paul Metzlaff, Jugendseelsorge<br />

<strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz; sowie Bene-<br />

dikt Michal, JAKOB (Jugendarbeit <strong>der</strong> Österreichischen<br />

Bischofskonferenz).<br />

Hier nun die zehn Augsburger MEHR-Thesen<br />

und anschließend mein Kommentar:<br />

THESE 1 — Uns bewegt die Sehnsucht,<br />

dass Menschen sich zu Jesus Christus<br />

bekehren. Es ist nicht mehr genug, katholisch<br />

sozialisiert zu sein. Die Kirche muss wie<strong>der</strong> wollen,<br />

dass Menschen ihr Leben durch eine klare<br />

Entscheidung Jesus Christus übergeben. Sie ist<br />

ja weniger eine Institution o<strong>der</strong> Kulturform als<br />

eine Gemeinschaft, mit Jesus in <strong>der</strong> Mitte. Wer<br />

Jesus Christus als seinem persönlichen Herrn<br />

nachfolgt, wird an<strong>der</strong>e für eine leidenschaftliche<br />

Nachfolge Jesu entzünden.<br />

THESE 2 — Wir wollen, dass Mission zur<br />

Priorität Nummer eins wird. Und zwar durch<br />

eine Fokussierung <strong>der</strong> finanziellen und personellen<br />

Ressourcen <strong>der</strong> Kirche auf die Evangelisierung.<br />

„Die Kirche ist ihrem Wesen nach missiona-<br />

24<br />

Z für Zukunft


Leitthema<br />

Zu These 4: Das ist wirklich eine große Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

keinen Unterschied zu machen.<br />

Ja, Gott will, dass alle Menschen gerettet werden<br />

(1. Timotheus 2,4), und das ist schön. Will ich das<br />

auch? Zumindest für die Menschen, die ich kenne<br />

und zu denen ich Kontakt habe?<br />

Zu These 5: Kraftvolles Gebet war immer <strong>der</strong><br />

Vorläufer wirksamer Erneuerung. Aber es ist<br />

trügerisch zu meinen, viel Gebet und Fasten<br />

bewirkte viel. Als ob wir Gott bestechen könnten.<br />

Viele Gebete sind von vornherein wirkungslos;<br />

das Modellgebet zeigt die Richtung: „Dein<br />

Wille geschehe, dein Reich komme …” Das impliziert,<br />

dass die Beter den Willen Gottes kennen<br />

und autorisiert sind, des Königs Herrschaft auszubreiten.<br />

Zu These 6: Der Respekt vor Christen außerhalb<br />

<strong>der</strong> katholischen Kirche ist bemerkenswert,<br />

und auch, dass sie als Vorbild für gelebte Mission<br />

geschätzt werden. Aber die große Frage ist: Wie<br />

geht Einheit? Unsere Antwort darauf ist weithin<br />

noch zu sehr institutionell geprägt. Gemäß These<br />

1 stelle ich fest: In dem Maß wie jemand eins ist<br />

mit Jesus Christus als seinem persönlichen Herrn,<br />

<strong>der</strong> kann auch eins sein mit jedem an<strong>der</strong>en, <strong>der</strong> in<br />

ähnlichem Maß eins ist mit Jesus.<br />

Zu These 7: Ja, wir müssen die Inhalte des<br />

Glaubens neu entdecken. Die Betonung liegt auf<br />

neu. Die Überlieferung <strong>der</strong> Kirche, das Verständnis,<br />

wie es <strong>der</strong> Katechismus lehrt, ist aber nicht<br />

„neu”, son<strong>der</strong>n überlagert von einer jahrhun<strong>der</strong>tealten<br />

Decke <strong>der</strong> Tradition (Überlieferung).<br />

– Wer an<strong>der</strong>en Menschen den Glauben verkünden<br />

will, dürfe nicht dilettieren. Was heißt das? Dilettieren,<br />

das ist, wenn man etwas ohne Expertise<br />

tut, ohne Fachkenntnis. „Wenn ihr nicht werdet<br />

wie die Kin<strong>der</strong> …”! Das Geheimnis des Glaubens<br />

bleibt oft unerklärbar, hat aber durch das Leben<br />

umso größere Zeugniskraft.<br />

Zu These 8: Mission solle nicht indoktrinieren:<br />

diese These relativiert den subtile Indoktrinierungsanspruch<br />

<strong>der</strong> vorigen. – Absolut richtig:<br />

„Den Wahrheitsanspruch des christlichen<br />

Glaubens vertreten wir ohne jede Aggression,<br />

ohne Druck, im Respekt gegenüber An<strong>der</strong>sdenkenden.”<br />

Wenn wir zur Freiheit freigemacht sind<br />

(Galater 5,1), dann gilt das auch für die Art und<br />

Weise, wie wir weitergeben, was wir glauben.<br />

Zu These 9: „Demokratisierung” trifft es nicht<br />

ganz; was praktisch überall not tut, ist die „Entklerikalisierung”<br />

– das wäre die Lösung des Problems<br />

<strong>der</strong> Christenheit spätestens seit Konstantin<br />

im 4. Jahrhun<strong>der</strong>t, als durch die Trennung „Hier<br />

Klerus, da Laien” dem Kirchenvolk die Mündigkeit<br />

abgesprochen und das „allgemeine Priestertum”<br />

verwehrt wurde.<br />

Zu These 10: Sich „von <strong>der</strong> Weltlichkeit <strong>der</strong><br />

Welt lösen und die Gedankengebäude des humanistischen<br />

Mainstreams verlassen” – das klingt<br />

gut. Aber wohin soll die Reise gehen? Religiosität<br />

ist nur eine fromme Erscheinungsform <strong>der</strong> Weltlichkeit.<br />

Wenn diese These sagen will, dass wir<br />

uns erst einmal selber zum Evangelium bekehren<br />

sollten, gut, aber doch möglichst zum richtigen:<br />

Jesus sprach ausschließlich vom Evangelium des<br />

Reiches Gottes, und dieses Reich liegt bis heute<br />

im Wi<strong>der</strong>streit mit dem Reich dieser Welt. Wenn<br />

wir sprechen: „Dein Reich komme!”, dann wünschen<br />

wir doch einen Herrschaftswechsel, und<br />

zwar ganz konkret. Da können wir, wie in These<br />

7 verlangt, wirklich Neues entdecken: den Paradigmenwechsel<br />

von einem „Ich-meiner-mir-mich-<br />

Evangelium” zu dem Evangelium, in dem die<br />

Königsherrschaft Jesu im Alltag „aktiviert” wird,<br />

zur Geltung kommt.<br />

Zusammenfassend ist zu betonen: Glaube<br />

ist eine Herzenssache. Mit dem Herzen wird<br />

geglaubt (Römer 10,10); und wovon das Herz voll<br />

ist, davon geht <strong>der</strong> Mund über (Matthäus 12,34).<br />

Ist das Herz voll, sollte Mission kein so großes<br />

Problem sein.<br />

Quelle <strong>der</strong> 10 Thesen: www.missionmanifest.online, Missio –<br />

Päpstliche Missionswerke in Österreich<br />

Das Buch „Missions Manifest” finden Sie auf: http://shop.agenturpji.com/mission-manifest.html<br />

Es ist<br />

wichtig zu<br />

verstehen:<br />

Das Missions<br />

Manifest<br />

richtet sich in<br />

erster Linie an<br />

katholische<br />

Christen,<br />

aber vieles gilt<br />

für alle.<br />

Prüfet alles und behaltet das<br />

gute! Rät Paulus in<br />

1 Thessalonicher 5,21<br />

Nur weil einem 20 % nicht gut<br />

erscheint, deshalb <strong>80</strong> % nicht<br />

zu nehmen, wäre daher<br />

extrem unklug, um nicht<br />

saudumm zu sagen.<br />

Das Buch zum Manifest hat 240<br />

<strong>Seiten</strong> und lohnt sich zu lesen<br />

Z für Zukunft<br />

27


Z-aktuell<br />

Foto: © Carlos Martínez<br />

Als Pantomime bereist<br />

Carlos Martínez seit mehr<br />

als 35 Jahren mit seinen<br />

Soloprogrammen die Welt.<br />

Dank seiner universellen<br />

Ausdruckssprache verfügt <strong>der</strong><br />

Spanier über eine beson<strong>der</strong>e<br />

Begabung, mit Menschen<br />

je<strong>der</strong> Herkunft schnell einen<br />

Kontakt herzustellen. Seit<br />

seinem 12. Lebensjahr<br />

wohnt er in Barcelona.<br />

Foto: © Carlos Martínez<br />

Die Kirche <strong>der</strong> Zukunft<br />

wird wie<strong>der</strong> lachen<br />

Carlos Martínez auf <strong>der</strong> »SCHØN«-Konferenz im Gespräch mit Peter Ischka<br />

Zu Beginn meiner Pantomime-Karriere,<br />

in den achtziger Jahren, bekam<br />

ich oft zu hören: „Pantomime hat<br />

keine Zukunft“; man sagte mir, ich<br />

solle mich etwas an<strong>der</strong>em widmen.<br />

Ja, es war schwierig. Freunde klopften mir auf<br />

die Schulter und sagten: „Das ist eine brotlose<br />

Kunst.“ Als ich nach einigen Auftritten das erste<br />

Geld verdiente, meinten sie, ich hätte eben Glück<br />

gehabt, und bestanden darauf: Pantomime hat<br />

keine Zukunft. Dieses Jahr feiere ich mein 36-<br />

jähriges Bühnenjubiläum und stehe immer noch<br />

international auf vielen Bühnen.<br />

Das Geheimnis meines Erfolgs<br />

Auch heute bekommen viele junge Menschen,<br />

viele angehende Künstler solche Sätze zu hören.<br />

Ja, ich habe einen Beruf gewählt, <strong>der</strong> in den<br />

Augen vieler keine Zukunft zu haben scheint;<br />

die beste Antwort darauf ist ein Blick auf meinen<br />

Tourplan. Was war das Geheimnis? Ich möchte<br />

jungen Künstlern helfen; darum habe ich meine<br />

Karriere analysiert – also das Geheimnis ist: Du<br />

brauchst ein Team um dich herum! Baue es auf<br />

und fang mit dem Manager an.<br />

Die Zukunft <strong>der</strong> Kirche? Da sehe ich durchaus<br />

Parallelen. Mein Manager hat mich ganz am<br />

Anfang gefragt: „Willst du berühmt werden – o<strong>der</strong><br />

28<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Salzig sein, was ist das?<br />

Wenn wir im Spanischen sagen, dass jemand „salzig”<br />

ist, meinen wir: Der hat Pep, ist sympathisch<br />

und hat Humor. Das Salz, im richtigen Maß, gibt<br />

<strong>der</strong> Suppe einen guten Geschmack. Sollte die<br />

christliche Botschaft nicht auch eine würzige<br />

Note haben? Ich sage nicht, dass wir sie verän<strong>der</strong>n<br />

müssten; sie soll ganzheitlich vermittelt<br />

werden: vertikal und horizontal – wir dürfen nicht<br />

ihre „menschliche” Seite aus den Augen verlieren:<br />

Streuen wir doch ein wenig Humor drüber.<br />

Ich weiß nicht, wie die Kirche <strong>der</strong> Zukunft sein<br />

wird; meine Aufgabe ist es, ihren Leitern Hilfsmittel<br />

anzubieten. Als Pantomime trainiere ich<br />

mit Pastoren die Körpersprache. Das hilft ihnen,<br />

jene kleinen Gesten hinzuzufügen, die die Wörter<br />

brauchen, damit man die Botschaft hören und<br />

sehen kann.<br />

Mein Ziel ist nicht nur, dass sie besser predigen,<br />

son<strong>der</strong>n dass sie ihren eigentlichen Platz in<br />

<strong>der</strong> Kirche entdecken. Meiner Meinung nach ist<br />

ihr Platz nicht nur auf <strong>der</strong> Kanzel, son<strong>der</strong>n ganz<br />

nah bei den Leuten. Körpersprache ist nicht nur<br />

am Altar wichtig, son<strong>der</strong>n im Kontakt mit dem<br />

Einzelnen. Der Körperausdruck, die Präsenz sind<br />

<strong>Teil</strong> <strong>der</strong> Botschaft.<br />

Meine Arbeit tue ich nicht nur auf <strong>der</strong> Bühne,<br />

son<strong>der</strong>n auch anschließend, wenn ich ungeschminkt<br />

am Ausgang stehe und mit den Leuten<br />

Kontakt aufnehme – ein Händedruck, ein Lächeln,<br />

ein Autogramm …<br />

Ein Traum wird wahr<br />

Einmal hatte ich eine Aufführung in einem kleinen<br />

Dorf mit nur 300 Einwohnern. Der Pastor wollte<br />

jedes Jahr den Traum eines Einheimischen wahr<br />

machen; in diesem Jahr hatte er eine Gruppe von<br />

Teens gefragt: „Wer von euch hat einen Traum?”<br />

Ein Junge sagte: „Mein Traum wäre, dass Carlos<br />

Martínez hier bei uns auftritt.” Das Problem: Keiner<br />

außer dem Jungen wusste, wer Carlos Martínez<br />

war. Gut, dass es das Internet gibt, und zum<br />

Glück fanden auch <strong>der</strong> Bürgermeister und einige<br />

Geschäftsleute aus <strong>der</strong> Gegend diese Idee gut. Sie<br />

Foto: © Carlos Martínez<br />

entdeckten mich online, unterschrieben den Vertrag<br />

mit meiner Agentur und ließen mich in <strong>der</strong><br />

Mehrzweckhalle auftreten. Am Ende <strong>der</strong> Vorstellung<br />

bat ich den Jungen auf die Bühne und überreichte<br />

ihm meine Handschuhe.<br />

Sieben Jahre später traf ich ihn wie<strong>der</strong>. Er war<br />

zum Mann geworden und schmiedete als Student<br />

<strong>der</strong> Ingenieurwissenschaften an seiner Zukunft .<br />

Ich fragte ihn nach <strong>der</strong> Aufführung damals, und<br />

er strahlte. Die Handschuhe habe er immer noch,<br />

zur Erinnerung daran, dass Träume wahr werden<br />

können.<br />

Wenn Pastoren und Künstler ein Team um sich<br />

haben und Menschen, die sich um die Zukunft<br />

kümmern, können sie sich besser <strong>der</strong> Gegenwart<br />

widmen, dem Heute, dem Hier und Jetzt.<br />

Das heißt: Sie erarbeiten nicht nur theologisch<br />

korrekte Predigten o<strong>der</strong> erschaffen authentische<br />

Kunstwerke, son<strong>der</strong>n sie streuen auch etwas Salz<br />

darüber, diese Prise Humor, dank <strong>der</strong> die Kirche<br />

sich mit einem Lächeln neu entdecken kann.<br />

So in die Gegenwart zu investieren, das sorgt<br />

für die besten Zukunftsaussichten.<br />

www.carlosmartinez.de<br />

1 Lukas 11,33.<br />

Wenn ich mit<br />

Pastoren Körpersprache<br />

trainiere,<br />

geht es nicht<br />

darum, dass sie<br />

besser predigen,<br />

son<strong>der</strong>n dass sie<br />

ihren eigentlichen<br />

Platz in <strong>der</strong> Kirche<br />

entdecken.<br />

Z für Zukunft<br />

31


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Internationale Krankenversicherung<br />

Die Care Concept AG (CCAG) versichert Deutsche<br />

im Ausland, Auslän<strong>der</strong> in Deutschland und Reisende<br />

weltweit für kurz-, mittel und langfristige Aufenthaltsdauern.<br />

Die Produkte erfüllen die Voraussetzungen<br />

<strong>der</strong> nationalen Gesetzgeber, so sind sie beispielsweise<br />

Schengenkonform. Die Prämien betragen<br />

0,85 € pro Tag z. B. für den Care Visa Protect o<strong>der</strong><br />

ab 28 EUR mtl. für die Krankenversicherung von<br />

Sprachschüler und Studenten Care College.<br />

Schwerpunkt <strong>der</strong> Unternehmenstätigkeit ist<br />

die Internationale Krankenversicherung.<br />

Die Produkte können ergänzt werden durch<br />

Unfall-, Haftpflicht-, Krankentagegeld- o<strong>der</strong><br />

Reiserücktritts-Versicherungen.<br />

Die CCAG zeichnet sich aus durch:<br />

- faire, kompetent kalkulierte und langfristig stabile<br />

Preise<br />

- Mehrsprachigkeit : Die Homepage ist in 7 Sprachen<br />

übersetzt. Die Mitarbeiter sprechen 19<br />

Sprachen.<br />

- schlanke Online–Verfahren mit kürzesten Bearbeitungs-<br />

und Reaktionszeiten<br />

Die christliche Prägung <strong>der</strong> CCAG:<br />

- Beratung <strong>der</strong> Kunden u. Kooperationspartner unter<br />

Nennung <strong>der</strong> Vor- und Nachteile <strong>der</strong> Produkte<br />

- Tatsache, dass sich die CCAG <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

CSR-Projekten verpflichtet fühlt (Corporate Social<br />

Responsibility), wie zum Beispiel <strong>der</strong> Mikrokrankenversicherungen<br />

für die Ärmsten <strong>der</strong> Armen<br />

- Kooperation <strong>der</strong> CCAG mit Entraide Missionaire<br />

(EMS), einem an den Vatikan angeglie<strong>der</strong>ten<br />

Versorgungswerk. Im Rahmen dieser Kooperation<br />

können konfessionsübergreifend Christen<br />

im Ausland eine sehr kostengünstige und unbefristete<br />

Krankenversorgung erhalten.<br />

Selbstverständlich stehen die Produkte <strong>der</strong><br />

CCAG Angehörigen aller kulturellen und religiösen<br />

Gruppen zur Verfügung.<br />

Weitere Informationen<br />

- zur christlichen Prägung des Unternehmens finden<br />

Sie unter www.care-concept.de/ichthys.<br />

- zu allgemeinen Fragen o<strong>der</strong> Vertragsabschlüssen<br />

über das Internet unter www.care-concept.de<br />

- persönliche Beratung: Frank Brandenberg (Leiter<br />

Vertrieb), f.brandenberg@care-concept.de<br />

32<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Ende Juni 2018 fand im hessischen Kirchheim <strong>der</strong> erste „Christus Convent Deutschland“<br />

(CCD) statt; 200 Leiter von von ca. 100 Kirchen, Bewegungen, Werken und<br />

Gemeinschaften aus vielen Konfessionen kamen zusammen. Der CCD ist das bisher<br />

breiteste Treffen christlicher Leiter in diesem Land und hat etwas wahrhaft Historisches:<br />

Sein Ziel ist Einheit – aber nicht durch Übereinstimmung in allen Punkten, son<strong>der</strong>n<br />

durch den Blick auf Christus, durch Liebe zueinan<strong>der</strong> und die Bereitschaft zur<br />

gemeinsamen Mission.<br />

Peter Ischka<br />

Von den drei CCD-Tagen gäbe es viele<br />

Highlights zu berichten; ich konzentriere<br />

mich hier auf drei Schlüssel-<br />

Beiträge. Sollten diese „Ohren finden,<br />

die auch in <strong>der</strong> Lage sind zu<br />

hören“, hätten sie elementare Sprengkraft für<br />

Kirche und Gesellschaft.<br />

Johannes Hartl vermittelte, was in ihm brennt:<br />

eine Ahnung von einer Kirche <strong>der</strong> Zukunft, etwas,<br />

das in vielerlei Hinsicht an<strong>der</strong>s sein werde, als<br />

wir es bisher gewohnt seien – etwas Wun<strong>der</strong>bares.<br />

Er ist überzeugt: Die Gestalt von Christentum<br />

und Kirche muss sich auf entscheidende und tiefgreifende<br />

Weise verän<strong>der</strong>n und reformieren – und<br />

das wird sie auch.<br />

Aber was mag dieses Neue sein? Das fragte<br />

Hartl sich und im Gebet Gott und stieß auf die<br />

TV-Sendung „Sing meinen Song“; hier singen<br />

bekannte Popstars einan<strong>der</strong> ihre Lie<strong>der</strong> vor und<br />

erzählen aus dem Leben – mit höchsten Einschaltquoten.<br />

Erstaunlich: Fast in je<strong>der</strong> Sendung ging<br />

es irgendwie auch um Gott, und oft fiel das Wort<br />

„spirituell“. Patrick Kelly zum Beispiel erzählte<br />

ganz offen, wie er zum Glauben an Jesus Christus<br />

gefunden hat. Bezeichnend die Frage an Kelly:<br />

„Du bist Christ, aber trotzdem gut drauf!?“ – Welches<br />

Bild hat man da wohl vom Christentum?,<br />

stellte Johannes Hartl in den Raum.<br />

In Kreativität und Kunst, hier: bei Musikern,<br />

liegen Fragen nach dem Spirituellen und nach<br />

Gott sehr nahe. In den Sendungen flossen auch<br />

Tränen, offensichtlich gab es Raum für Nähe;<br />

dabei habe man das Gefühl, dass hier niemand<br />

verurteilt werde; es sei okay, Gefühle zu zeigen.<br />

Viele Lie<strong>der</strong> handeln von Schmerz und Verlust,<br />

Johannes Hartl ist deutscher<br />

katholischer Theologe, Buchautor,<br />

Referent, Lie<strong>der</strong>macher und<br />

Grün<strong>der</strong> und Leiter eines<br />

Gebetshauses in Augsburg<br />

Z für Zukunft<br />

33


Z-aktuell<br />

Der Fokolare-<br />

Bewegung ist<br />

es gelungen,<br />

Bischöfe<br />

aus allen<br />

Bischofskirchen<br />

zu sammeln<br />

Foto:: 2014 in Rom © SegVes<br />

Christian Krause<br />

ist evangelischer Theologe<br />

und ehemaliger Landesbischof<br />

<strong>der</strong> Evangelisch-Lutherischen<br />

Landeskirche in Braunschweig<br />

mit Sitz in Wolfenbüttel. Von<br />

1997-2003 Präsident des<br />

lutherischen Weltbundes<br />

Die bunten Bischöfe<br />

Bischof Christian Krause, Präsident des lutherischen<br />

Weltbundes (von 1997-2003), hat zusammen<br />

mit Kardinal Edward Idris Cassidy am 31.<br />

Oktober 1999 in Augsburg die „Gemeinsame<br />

Erklärung <strong>der</strong> Rechtfertigungslehre“ unterzeichnet.<br />

Dahinter standen immerhin 30 Jahre Dialog,<br />

in dem sich die Partner nichts geschenkt hatten.<br />

Bischof Krause erzählte von seinen Begegnungen<br />

mit Papst Johannes Paul II., die maßgeblich dazu<br />

beitrugen, dass die massiven Wi<strong>der</strong>stände auf<br />

katholischer Seite gegen diese Erklärung überwunden<br />

werden konnten; auf <strong>der</strong> evangelischen<br />

Seite, so betonte er, waren es nur die Deutschen,<br />

die dagegen aufmarschierten.<br />

Damals entdeckte Krause die Fokolare-Bewegung<br />

mit Chiara Lubich und ihren vielen Jugendlichen;<br />

dieser Bewegung ist es gelungen, Bischöfe<br />

aus allen Bischofskirchen zu sammeln. Bischof<br />

Krause nennt sie die „bunten Bischöfe“. Sie sind<br />

nicht nach Hierarchie ausgewählt, son<strong>der</strong>n nach<br />

einem Gleichklang, diese Bischöfe <strong>der</strong> ost-orientalischen<br />

Kirchen, <strong>der</strong> Ostkirchen, <strong>der</strong> Anglikaner,<br />

<strong>der</strong> Katholiken und Lutheraner sowie <strong>der</strong><br />

Methodistenkirche. Bischof Krause ist einer von<br />

etwa 50, die sich jedes Jahr an irgendeiner Stelle<br />

treffen, von <strong>der</strong> sie meinen, dass das Zeugnis dort<br />

wichtig sei. Sie geben keine Erklärung ab, sie sind<br />

einfach da, zum Beispiel an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Kopten<br />

in Kairo. Die „bunten Bischöfe“ kann man nicht<br />

übersehen, wenn sie auf <strong>der</strong> Straße marschieren.<br />

Letztes Jahr waren sie in Polen, um mit ihren<br />

Geschwistern über Europa zu reden; vor einigen<br />

Jahren waren sie in Istanbul und sie haben im<br />

letzten Augenblick Damaskus besucht.<br />

Diese Bischöfe verbindet eines: Jedes Mal, wenn<br />

sie sich treffen, schließen sie einen Pakt gegenseitiger<br />

Liebe. Ihr Gelübde sprechen sie jedes Jahr aufs<br />

Neue: „Im Namen Jesu vereint versprechen wir<br />

uns für das ganze Leben, dass wir vor allem und in<br />

allem einan<strong>der</strong> lieben wollen, wie Jesus uns geliebt<br />

hat. Schenke uns, Vater, die Gnade, in deinem Geist<br />

so miteinan<strong>der</strong> eins zu werden, dass das Kreuz des<br />

einen das Kreuz des an<strong>der</strong>en ist, die Freude des<br />

einen die Freude des an<strong>der</strong>en, die Sehnsucht des<br />

einen die Sehnsucht des an<strong>der</strong>en, damit alle eins<br />

seien und die Welt staune.“ Sie unterzeichnen dieses<br />

Gelübde feierlich und halten einen Gottesdienst<br />

– zusammen mit vielen Menschen, und er endet in<br />

einem Freudenfest.<br />

Bischof Krause erinnert sich: „Früher dachte<br />

ich: Und wenn einer dabei ist, den ich nicht leiden<br />

kann? Das könnte ja vorkommen in so einer<br />

großen Gruppe. Aber das ist nie so gewesen. Im<br />

Gegenteil, wir sind zueinan<strong>der</strong>gekommen und es<br />

ist immer wie<strong>der</strong> eine große Freude, wenn wir<br />

uns sehen, denn das gilt: Dein Kreuz ist mein<br />

Kreuz, deine Freude ist meine Freude.“<br />

Fazit dieser drei Schlüssel-Beiträge<br />

Die Welt sehnt sich nicht nach Kirche, sehr wohl<br />

aber nach dem Reich Gottes – und das nicht in<br />

Worten, son<strong>der</strong>n in Kraft 5 . Was sich u. a. im Vierklang<br />

von Spiritualität, „gut drauf sein“, Kreativität<br />

und Empathie zeigt. Das Reich Gottes tritt in<br />

Erscheinung nicht als billige Kopie <strong>der</strong> Welt, son<strong>der</strong>n<br />

als radikales Gegenmodell.<br />

Die Gestalt von Christentum und Kirche wird,<br />

ja muss sich auf entscheidende und tiefgreifende<br />

Weise verän<strong>der</strong>n und reformieren. In vielerlei<br />

Hinsicht wird sie an<strong>der</strong>s sein, als wir es gewohnt<br />

waren.<br />

36<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Das Gewohnte, das wir bisher für Gewinn<br />

erachtet haben, wird gelegentlich als Schaden<br />

erkannt werden, um Christus zu gewinnen. Wenn<br />

unsere Bildung, unser Titel, unsere Positionen,<br />

unsere Prägungen, unsere Traditionen, unsere<br />

Werte und Tugenden unsere Identität ausmachen<br />

und nicht Christus, dann ist es, in <strong>der</strong> Radikalität<br />

von Paulus ausdrückt, scheiße! Mit weniger als<br />

dem, was Paulus in Philipper 3 schreibt, mit weniger<br />

als einer radikalen Fokussierung auf Jesus<br />

Christus, werden wir den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

unserer Zeit nichts Substanzielles entgegenhalten<br />

können. Es gibt nur eines, was am Christentum<br />

attraktiv ist, nur eines, was Kirche attraktiv<br />

macht: Jesus Christus! Wer seine Identidät in<br />

Christus hat, kann mir jemanden, <strong>der</strong> seine Identität<br />

in Christus hat eins sein.<br />

Nehmen wir uns, auf welcher Ebene auch immer,<br />

an den „bunten Bischöfen“ ein Beispiel: „Wir wollen<br />

vor allem und in allem einan<strong>der</strong> lieben. Lasst<br />

uns im Geist Gottes so miteinan<strong>der</strong> eins werden,<br />

dass das Kreuz des einen das Kreuz des an<strong>der</strong>en<br />

ist, die Freude des einen die Freude des an<strong>der</strong>en,<br />

die Sehnsucht des einen die Sehnsucht des an<strong>der</strong>en,<br />

damit wir eins seien und die Welt staune.“<br />

Die Welt wird auch deshalb staunen, weil sie<br />

erlebt: Da kommt Reich Gottes und da geschieht<br />

Gottes Wille. Es erfüllt sich, was wir immer schon<br />

im Vaterunser gesprochen haben. So nebenbei<br />

wird dann Spiritualität, „gut drauf sein“, Kreativität<br />

und herzliche Empathie erlebt, wie es die<br />

Welt nicht bieten kann. Das könnten die Konturen<br />

einer Kirche <strong>der</strong> Zukunft sein.<br />

1 Römer 8,19.<br />

2 Philipper 3,7–8.<br />

3 Philipper 3,5–6.<br />

4 Galater 3,28 (freie Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Redaktion).<br />

5 1 Korinther 4,20<br />

„Einheit“, ein Thema, über das große Uneinigkeit herrscht.<br />

Eines aber ist sicher: Es gibt jemanden, <strong>der</strong> tut alles, um sie zu<br />

verhin<strong>der</strong>n. Wo ihm das nicht gelingt, erzeugt er die schillernsten<br />

Imitationen von Einheit.<br />

In dem Buch kommen wir dem näher, was Jesus meinte, als er von<br />

Einheit sprach. Worum hat er in Johannes 17 eigentlich gebetet?<br />

– Erstaunlicher Weise nicht um Einheit. Er hat um drei an<strong>der</strong>e<br />

Dinge gebetet, damit dadurch Einheit überhaupt erst möglich<br />

wird. Versäumen wir diese drei Dinge, bleibt Einheit weiterhin ein<br />

Traum. Wir sollten auch dieses Gebet Jesu, als Prototyp wie das<br />

Vaterunser verstehen.<br />

In dem Buch finden sie eine Anleitung für ihr persönliches „Einheits-<br />

Entwicklungs-Labor“ und ganz konkrete Hinweise, wo Einheit<br />

anfängt und wie Einheit in ihrer Stadt aktiviert werden<br />

kann. – Sie selbst spielen dabei eine Schlüsselrolle!<br />

Pb, 96 S., 21 x 14,8 cm, Best.Nr.: 453.103.779 12,95<br />

Staffelpreise: ab 3 Expl. à 10,- • ab 10 Expl. à 7,95<br />

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Umfassende<br />

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Z für Zukunft<br />

37


Z-aktuell<br />

Fotos: © Afrikanerin:<br />

Pixabay, wjgomes<br />

Araber: Pixabay, ArmyAmber<br />

Südamerikaner:<br />

wikipedia, Cacophony<br />

Chinesin: Pixabay,<br />

jeltevanoostrum<br />

Sind Sie auch Christ?<br />

Entschuldigen sie diese indiskrete Frage. Der persönliche Glaube gehört inzwischen ja<br />

zum Intimbereich. Wir wurden christlich sozialisiert und weil wir in eine christlich geprägt<br />

Kultur hineingeboren wurden, zählen wir uns einfach dazu. Aber stimmt denn das?<br />

Erkennen Sie<br />

die Christen<br />

aus Afrika, dem<br />

Nahen Osten,<br />

Südamerika und<br />

China?<br />

Früher war das noch deutlicher: Wessen<br />

Glauben <strong>der</strong> Fürst, so auch das<br />

Volk. Wer an<strong>der</strong>s glaubte, sollte besser<br />

das Land wechseln. Nach siegreichen<br />

kriegerischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

wurden ganze Völker annektiert und<br />

Zwangstaufen, christianisiert. Niemand hat sie<br />

nach einer Überzeugung gefragt. Die meisten<br />

wussten gar nicht worum es ging.<br />

Das passiert bis heute, nur sicher etwas<br />

freundlicher. Aber damals, als sie als Baby rituell<br />

befeuchtet wurden, hat sie genauso keiner<br />

gefragt, ob sie das wollen, wie damals im 17 Jh.<br />

Bei Kirchenstatistiken gibt es die Rubrik „Austritte”<br />

und dem gegenüber werden in einer Spalte<br />

„Taufen” aufgeführt. Wenn die Zahl <strong>der</strong> Austritte<br />

und <strong>der</strong> Taufen ausgeglichen sind, simuliert das<br />

Zufriedenheit. Diese Art von Taufe kann so quasie<br />

38<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

als eine ungefragte Mitglie<strong>der</strong>rekrutierung, als<br />

Neuzugänge verstanden werden.<br />

Konkret: Köksal, <strong>der</strong> Teppichhändler<br />

Bei einem Türkei-Aufenthalt freundete ich mich<br />

mit einem Teppichhändler im Basar an. Er war<br />

muslimisch sozialisiert – keiner würde von so<br />

jemandem erwarten, dass er sich für einen Christen<br />

hält. Über seine alten Teppiche kamen wir<br />

dann auch auf das Christentum zu sprechen, ist<br />

doch die antike Türkei dessen Wiege.<br />

Eines Nachts hatte Köksal 1 einen Traum: Er<br />

sah sich am Boden liegen, in Ketten gefesselt; vor<br />

ihm eine Person, hell gekleidet, und ich stand an<br />

<strong>der</strong> Seite. Mit <strong>der</strong> Hand wies <strong>der</strong> Mann in Weiß<br />

auf den Teppichhändler und aus <strong>der</strong> Handinnenfläche<br />

kam ein starker Lichtstrahl, <strong>der</strong> die Ketten<br />

sprengte. Dann wies er auf mich: „Den Weg, den<br />

er geht, den gehe!”<br />

Als wir uns das nächste Mal trafen, wollte<br />

Köksal unbedingt wissen, welchen Weg ich gehe;<br />

<strong>der</strong> Traum bewegte ihn immer noch. Ich erklärte<br />

ihm, dass ich Jesus nachfolge – er ist sozusagen<br />

<strong>der</strong> Regierungschef in meinem Leben. „Wenn du<br />

auch diesen Weg gehen möchtest, brauchst du so<br />

etwas wie einen Wechsel <strong>der</strong> Staatsbürgerschaft:<br />

Du musst den Herrschaftsbereich des Islams verlassen<br />

und Staatsbürger im Reich Gottes werden;<br />

dort regiert Jesus, den du im Traum gesehen<br />

hast. Der übrigens alle Autorität im Himmel und<br />

auf <strong>der</strong> Erde hat.” 2<br />

Der Traum war für ihn so deutlich gewesen, ja,<br />

unbedingt, diesen Weg wolle er gehen. So knieten<br />

wir uns auf den schönen Teppichen nie<strong>der</strong><br />

und Köksal bat um Vergebung dafür, dass er bisher<br />

unter an<strong>der</strong>er Herrschaft war, und für alles,<br />

was aus dieser Abhängigkeit heraus schiefgelaufen<br />

ist – und nahm die Erlösung, die Jesus am<br />

Kreuz erwirkt hat, für sich in Anspruch. Er erbat<br />

und erhielt Vergebung; er übergab Jesus die Herrschaft<br />

über sein Leben und lud den Heiligen Geist<br />

ein, ihm zu helfen, Jesus nachzufolgen. Anschließend,<br />

um das freudige Ereignis zu feiern, nahmen<br />

wir das Herrenmahl: „Nehmt das Brot, es steht<br />

für meinen Leib, <strong>der</strong> für euch gegeben wurde,<br />

sagte Jesus. Nehmt den Wein, er steht für das Blut<br />

des Bundes, das für euch vergossen wurde. Damit<br />

ihr so richtig mit mir im Bunde stehen könnt.” 3<br />

Etwas später ließ Köksal sich im Meer taufen,<br />

als Ausdruck seiner Entscheidung – durch komplettes<br />

Untertauchen identifizierte er sich mit<br />

dem Tod von Jesus: mitgestorben! Im Auftauchen<br />

drückte er aus: Ich habe Anteil am Auferstehungsleben<br />

von Jesus. 4 Nachdem Köksal aus dem Wasser<br />

aufgetaucht war, zitierte er etwa fünfzehn Minuten<br />

lang Bibelstellen, die er zuvor noch nie gelesen<br />

o<strong>der</strong> gehört hatte – das war wie eine prophetische<br />

Aussicht auf das, was er bald erleben sollte, und<br />

das war alles an<strong>der</strong>e als ein Spaziergang! Wenn ein<br />

Muslim sich zu Jesus, dem Sohn Gottes, bekehrt,<br />

hat das oft schlimme Folgen. Köksal kam nur ins<br />

Gefängnis, aufgrund falscher Anschuldigungen.<br />

(Das ist eine Geschichte für sich, zu lesen in dem<br />

Buch „Auf <strong>der</strong> Suche nach Kraft”).<br />

Ich erzähle diese Geschichte, weil sie so klar<br />

zeigt, wie jemand Christ wird. In Köksals Fall verstehen<br />

wir das. In unseren Breiten aber hält man<br />

sich oft für einen Christen, ohne tatsächlich einer<br />

zu sein, und aufgrund dieses Missverständnisses<br />

wird die Einladung, Christ zu werden, häufig<br />

ausgeschlagen: „Was wollen Sie, ich bin doch<br />

Christ … ich bin ja Mitglied in <strong>der</strong> …” Schön und<br />

gut, aber man hat nicht die „Staatsbürgerschaft”<br />

gewechselt und ist somit nicht Bürger dieses Reiches,<br />

in dem Jesus regiert.<br />

Ein neuer Pass<br />

Das Bild von einer neuen Staatsbürgerschaft<br />

veranschaulicht den Sachverhalt recht gut. Ein<br />

Flüchtling verlässt seine Heimat, weil er Diktatur<br />

und Unterdrückung entfliehen will, und sucht<br />

sich ein Land, das ihm Freiheit gewährt. Wenn er<br />

die Einbürgerung bekommt, erhält er einen neuen<br />

Pass. Alle Einträge im alten Pass, die ihn belasten<br />

würden, sind nicht mehr vorhanden. Er<br />

hat sozusagen eine neue Identität. 5<br />

Der Vater im Himmel hat uns errettet<br />

aus dem Machtbereich <strong>der</strong> Finsternis und<br />

uns versetzt in das Reich seines geliebten<br />

Sohnes, in dem wir die Erlösung haben,<br />

nämlich die Vergebung <strong>der</strong> Sünden. 6<br />

Von einem<br />

Teppichhändler<br />

in einem<br />

türkischen Basar,<br />

würde niemand<br />

erwarten, dass<br />

er sich für einen<br />

Christen hält<br />

Die ganze Geschichte über Köksal<br />

lesen Sie in diesem Buch mit<br />

herrlichen Panoramafotos.<br />

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Z für Zukunft<br />

39


Z-aktuell<br />

Ian McCormack berichte<br />

von seinen Erfahrungen<br />

nach dem er gestorben war<br />

Foto © Agentur PJI<br />

Nach Kant<br />

haben wir<br />

uns in <strong>der</strong><br />

Aufklärung<br />

von einer selbstverschuldeten<br />

Bevormundung<br />

befreit, einer<br />

höheren<br />

Ordnung<br />

über uns<br />

Buch und DVD<br />

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Tappen im Dunkeln<br />

Der westeuropäische Kulturkreis wurde in den<br />

letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten von einem humanistischen<br />

und zunehmend atheistischen Denkkonzept<br />

geprägt: <strong>der</strong> Mensch sieht sich als das Maß aller<br />

Dinge, als Gott. Nach Immanuel Kant haben wir<br />

uns in <strong>der</strong> Aufklärung von einer selbstverschuldeten<br />

Bevormundung befreit, einer höheren Ordnung<br />

über uns, also Gott. Die „Vernunft” wurde<br />

dabei zu neuen Religion erhöht.<br />

Auch wenn eine Mehrheit behauptet: „Es gibt<br />

keinen Gott”, hat das auf die Wirklichkeit seiner<br />

Existenz keinen Einfluss. Einer meiner Professoren<br />

sagte öfters: „Die Masse ist blöd!” Ich weiß nicht,<br />

ob er recht hat, aber solche Denkkonzepte o<strong>der</strong><br />

Festlegungen hin<strong>der</strong>n natürlich daran, Wirklichkeiten<br />

zu erkennen, die unseren Horizont übersteigen.<br />

Die Ursache liegt in eben in dieser Finsternis,<br />

über die <strong>der</strong> Apostel Paulus an seine Freunde in<br />

Kolossä schreibt: 5 „Sie tappen im Dunkeln …”<br />

Erscheint es nicht anmaßend, aus einer niedrigen<br />

Ordnung eine höhere erklären zu wollen?<br />

Also: wenn Menschen Gott erklären wollen? Wäre<br />

es nicht vernünftiger, die Erklärungen heranzuziehen,<br />

die Gott über sich verfügbar gemacht hat?<br />

Eine nüchterne Entscheidung<br />

Durch die rituelle Befeuchtung eines Babys wird<br />

man nur Mitglied einer kirchlichen Organisation,<br />

aber nicht Bürger des Reiches Gottes.<br />

Mit aller Bestimmtheit sagte Jesus zu einem<br />

Theologen seiner Zeit: „Wenn jemand nicht von<br />

Neuem (d. h. geistlich) geboren wird, kann er das<br />

Reich Gottes nicht sehen – für ihn bleibt es finster.<br />

Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass<br />

er seinen einzigen, in dieser Art geborenen Sohn<br />

gab, damit je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> an ihn glaubt, nicht verloren<br />

geht, son<strong>der</strong>n ewiges Leben hat. Wer an den<br />

Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem<br />

Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen,<br />

wegen <strong>der</strong> Abwesenheit Gottes in ihm.” 7<br />

Christ zu werden, das bedarf <strong>der</strong> freiwilligen<br />

Entscheidung, die „Staatsbürgerschaft” zu wechseln;<br />

<strong>der</strong> Neubürger wechselt vom Reich <strong>der</strong><br />

Finsternis dieser Welt zum Reich <strong>der</strong> Liebe. Wer<br />

bewusst sagt: „Gott, dein Reich komme in meinem<br />

Leben! Dein Wille geschehe durch mich” 8 ,<br />

<strong>der</strong> begibt sich aktiv unter den Einfluss des Königs<br />

Jesus Christus. Und wer sich unter seine Regierung<br />

stellt, wird Bürger seines Reiches. Ganz<br />

logisch. Und er akzeptiert die dazugehörende Verfassung,<br />

die in <strong>der</strong> Bibel zugrunde gelegt ist.<br />

Das ist kein frommer Gefühlsdusel; hier ist<br />

eine ganz nüchterne Entscheidung gefragt: Ich<br />

komme vom Herrschaftsbereich des Fürsten dieser<br />

Welt unter die Herrschaft von Jesus Christus.<br />

– Treffe ich diese nüchterne Entscheidung nicht,<br />

bleibe ich weiterhin unter dem Einfluss des bisherigen<br />

Regimes, ob mir das bewusst ist o<strong>der</strong> nicht.<br />

Sterbe ich unter dieser Herrschaft, bin ich auch<br />

danach unter diesen Machtverhältnissen.<br />

Die Drohung mit <strong>der</strong> Hölle: „Wenn du nicht<br />

glaubst …” vor dem Hintergrund eines strafenden,<br />

bösen Gottes erzeugt ein völlig verzerrtes,<br />

falsches Bild. Nicht Gott straft, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong><br />

bestraft sich selbst, wenn er zu blöd ist (o<strong>der</strong> zu<br />

stolz), diesen jedem zugänglichen Herrschaftswechsel<br />

zu vollziehen.<br />

Konkret: Sunnyboy auf Mauritius<br />

Der aufgeklärte Mensch sieht sich über diesen<br />

Dingen stehend, das meint er zumindest. Himmel<br />

und Hölle schickt er in die Märchenabteilung.<br />

Mein Freund Ian starb bei einem Tauchunfall;<br />

er wurde von fünf Nesseln eines <strong>der</strong> giftigsten<br />

Lebewesen getroffen, <strong>der</strong> Würfelqualle. Nachdem<br />

40<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

er gestorben war, hatte er Einblick in Himmel und<br />

Hölle nehmen können. Zuvor war er alles an<strong>der</strong>e<br />

als fromm gewesen; man kann also nicht sagen,<br />

er hätte nur die Projektion seiner Wunschvorstellungen<br />

wahrgenommen.<br />

Auf dem Seziertisch des Krankenhauses kam<br />

er ins Leben zurück; inzwischen hat er Abertausenden<br />

davon berichtet.<br />

Ian hatte das Leben genossen: Als Sunnyboy<br />

ging er vor Mauritius surfen; die an<strong>der</strong>en großen<br />

Themen seines Lebens waren „Sex, Drugs and<br />

Rock’n’Roll”.<br />

Er wusste, dass ein Schlag von <strong>der</strong> Würfelqualle<br />

tödlich ist. In seinem Todeskampf erinnerte<br />

er sich an die Worte seiner Mutter: „Wenn<br />

du in Not bist, ruf zu Jesus.” Aber er hatte keine<br />

Ahnung, was er da rufen sollte. Im Rettungswagen<br />

erschienen ihm die Worte des Vaterunsers<br />

vor seinen Augen: „Dein Reich komme … Dein<br />

Wille geschehe … Vergib mir meine Schuld, wie<br />

ich meinen Schuldnern vergebe …”<br />

Der Weg ins Krankenhaus dauerte zu lange.<br />

Die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun.<br />

Er sah sich selbst dort liegen und entschwand<br />

in bedrückende, absolute Dunkelheit. Ein Lichtstrahl<br />

zog ihn heraus; er fand sich wie<strong>der</strong> vor<br />

einer Person, die so hell war, dass er nichts<br />

erkennen konnte; nur eine unbeschreibliche<br />

Liebe überwältigte ihn, die von dieser Person ausging.<br />

Er sah Landschaften, unglaublich schön.<br />

„Ich habe das nicht verdient”, dachte er bei sich<br />

und erhielt zur Antwort, sein Stoßgebet in letzter<br />

Minute habe alles verän<strong>der</strong>t: „Du hast damit<br />

dieses Reich gewählt und du hast vergeben – und<br />

deshalb wurde auch dir vergeben.” 9<br />

Für seine Mutter war Ian <strong>der</strong> verlorene Sohn,<br />

<strong>der</strong> die Sünde liebte, und dieser Schmerz sollte<br />

von ihr genommen werden; Ian wollte, dass sie<br />

erfährt, dass sich sein Leben gravierend geän<strong>der</strong>t<br />

hatte. So konnte er zurück in seinen Körper, aber<br />

nicht nur, um es seiner Mutter zu sagen; Tausenden<br />

und Abertausenden hat er seitdem bezeugt,<br />

dass <strong>der</strong> Himmel Realität ist. Am nächsten Tag<br />

verließ er das Krankenhaus, völlig wie<strong>der</strong>hergestellt.<br />

10<br />

Aber es geht dabei primär gar nicht darum,<br />

dass wir einmal in den Himmel kommen. Nur<br />

deshalb gläubig zu werden, wäre etwas zu kurz<br />

gedacht, sogar ein wenig egoistisch. Das mag verwun<strong>der</strong>n,<br />

aber <strong>der</strong> Himmel ist nur eine logische<br />

Folgeerscheinung.<br />

Die Episode im Garten Eden<br />

Und Gott sprach: „Lasst uns Menschen machen<br />

nach unserm Bild, uns ähnlich! Sie sollen herrschen<br />

über die verschiedenen Lebewesen und über die<br />

ganze Erde. … Von jedem Baum des Gartens darfst<br />

du essen; aber vom Baum <strong>der</strong> Erkenntnis des Guten<br />

und Bösen nicht; denn an dem Tag, da du davon<br />

isst, musst du sterben!” Da sagte die Schlange zur<br />

Frau: „Keineswegs werdet ihr sterben! Son<strong>der</strong>n<br />

Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure<br />

Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie<br />

Gott, erkennend Gutes und Böses.”<br />

Sie aßen davon – da gingen beiden die Augen<br />

auf. Sie erkannten, dass sie nackt waren; und sie<br />

bedeckten sich mit Feigenblättern. 11<br />

Was ist damals passiert? Parabel hin o<strong>der</strong><br />

her, hier geht es um ein elementares Prinzip.<br />

Ursprünglich wurde dem Menschen die Erde<br />

als Herrschaftsgebiet übergeben; davon handelt<br />

diese Geschichte, doch Herrschaftsansprüche<br />

sind nicht „in Stein gemeißelt”, Regierungsautorität<br />

kann in an<strong>der</strong>e Hände gelangen – durch Heirat,<br />

durch Siege o<strong>der</strong> auch durch Betrug.<br />

In <strong>der</strong> Anfangszeit war es für den Menschen völlig<br />

normal gewesen, Gott<br />

zu begegnen und mit ihm<br />

ganz direkt einige Worte<br />

zu wechseln. Es gab eine<br />

unmittelbare Beziehung<br />

(und diese Beziehung<br />

war es, die damals starb).<br />

„Sollte Gott gesagt<br />

haben?“ Diese Frage<br />

wird aus atheistischhumanistischer<br />

Perspektive<br />

auch heute jeden Tag<br />

gestellt – damals nahm<br />

sie ihren Anfang.<br />

Sollte Gott<br />

gesagt haben?<br />

... Nein, wenn<br />

ihr von dieser<br />

Frucht esst,<br />

werdet ihr nur<br />

Humanisten,<br />

sein wie Gott<br />

Bild: Ausschnitt aus<br />

„Adam und Eva im Garten<br />

Eden“, Lucas Cranach d. Ä.:<br />

Z für Zukunft<br />

41


Muslime<br />

träumen von<br />

Jesus! Lesen Sie<br />

in diesem Buch<br />

tolle Berichte<br />

davon<br />

Z-aktuell<br />

nämlich nur die Macht, die ihm dummerweise eingeräumt<br />

wird von jenen Christen, die nur Mitläufer<br />

einer Organisation sind und das Evangelium nicht<br />

umfassend kennen. Aber wo immer ihm wi<strong>der</strong>standen<br />

wird, entzieht ihm das seine Macht; das lässt<br />

ihn zum Fußschemel werden.<br />

Ein spannen<strong>der</strong> Bericht von Pilgerreisen auf den Spuren des Apostels Paulus. Sie<br />

werden zur Suche nach <strong>der</strong> Kraft des Glaubens und führen zu aufschlussreichen<br />

historischen Plätzen <strong>der</strong> <strong>ersten</strong> Christen in „Kleinasien“, <strong>der</strong> heutigen Türkei.<br />

Herrliche Panoramabil<strong>der</strong> begleiten den mitreißenden Text (<strong>80</strong> Farb- und 34 s/w-Fotos).<br />

Der Leser spürt etwas von <strong>der</strong> Leidenschaft <strong>der</strong> <strong>ersten</strong> Christenheit.<br />

Geschichte und Gegenwart verschmelzen: Istanbul – Konstantinopel, das Tor zum<br />

Orient. Über Ankara geht es zu den tausend Höhlenkirchen in Kappadokien. Auch die<br />

Stätten <strong>der</strong> sieben apokalyptischen Gemeinden fehlen nicht.<br />

An <strong>der</strong> türkischen Südküste, wo die erste Reise des Paulus ihren Ausgang nahm,<br />

sollte Peter Ischka vieles selbst erleben, wovon in <strong>der</strong> Apostelgeschichte berichtet wird:<br />

Er bekommt den „Auftrag“, einen jungen Christen, <strong>der</strong> auf Grund seiner Bekehrung<br />

ins Gefängnis kam, daraus zu befreien. In diesem Buch lesen Sie, wie das Unmögliche<br />

tatsächlich geschah. Daumennagelgroße Nierensteine verschwinden nach schlichtem<br />

Gebet. Jesus begegnet Muslimen in Träumen und Visionen.<br />

Sogar ein Esel wird von dieser Kraft übernatürlich berührt.<br />

Dieses Buch liest sich wie die Fortsetzung <strong>der</strong> Apostelgeschichte<br />

und macht Mut, längst in Vergessenheit geratenes<br />

Glaubensgut wie<strong>der</strong> beim Wort zu nehmen.<br />

Gebunden, 160 S., 32 <strong>Seiten</strong> Panorama-Fotos, 17 x 25 cm, Best.-Nr. 453.103.778<br />

17,95<br />

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QR zur <strong>Leseprobe</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stand und bessere Karten<br />

Wi<strong>der</strong>stand – wie soll das gehen? Ganz einfach.<br />

Sagen Sie jeden Tag: „Dein Reich komme. König<br />

Jesus, regiere du in meinem Leben. In mir und<br />

meinem Leben hat <strong>der</strong> Fürst dieser Welt keine<br />

Regierungsgewalt mehr! Ich habe die Staatsbürgerschaft<br />

gewechselt. Vater, dein Wille geschehe<br />

in meinem Leben und nicht die bösen Pläne dieser<br />

Welt.” – Und schon hat sich das Reich Gottes<br />

um ein paar Zentimeter erweitert. Dort, wo Jesus<br />

regieren kann, da ist Reich Gottes. Lesen Sie<br />

regelmäßig in seiner Verfassung, in <strong>der</strong> Bibel.<br />

Wie wäre es, wenn Sie die Staatsbürgerschaft<br />

wechseln und Bürger des Reiches werden, dessen<br />

Regent Liebe in Vollendung ist und außerdem alle<br />

Macht und Autorität im Himmel und auf <strong>der</strong> Erde<br />

hat? Mit Christus als persönlichem Regierungschef<br />

sind sie Christ im eigentlichen Sinne und<br />

haben dazu noch eindeutig die besseren Karten.<br />

1 Name geän<strong>der</strong>t.<br />

2 Matthäus 28,18.<br />

3 Lukas-Evangelium <strong>22</strong>,19–20.<br />

4 2. Timotheus 2,11; Kolosser 2,12.<br />

5 2. Korinther 5,17.<br />

6 Kolosser 1,13–14.<br />

7 Johannes 3,3;16;36.<br />

8 Matthäus 6,10.<br />

9 Matthäus 6,14–15.<br />

10 Ausführlich berichten davon das Buch „Ich war tot” und inzwischen<br />

auch ein Kinofilm: „Die perfekte Welle” mit Scott Eastwoods<br />

Sohn Clint in <strong>der</strong> Hauptrolle.<br />

11 1. Mose 1,26; 2,17; 3,4–5; 3,7.<br />

12 1. Korinther 15,45.<br />

13 Johannes 12,31; 14,13.<br />

14 Epheser 2,1–2.<br />

15 Kolosser 1,12–14.<br />

16 Apostelgeschichte 26,18.<br />

17 Römer 3,<strong>22</strong>–24.<br />

18 Kolosser 2,14–15.<br />

19 Hebräer 2,8.<br />

20 Hebräer 10,13.<br />

21 Apostelgeschichte 3,21.<br />

<strong>22</strong> 1. Johannes 5,4; 4,4.<br />

23 Johannes 17,14–18.<br />

24 Offenbarung 3,21.<br />

25 1. Mose 1,26.<br />

44<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Luther und die Neuzeit<br />

Die evangelische Kirche ist heute durch eine Inflation des Kreuzes gekennzeichnet,<br />

stellt Norbert Bolz leidenschaftlich fest.<br />

Nur noch selten hört man etwas<br />

über das Ärgernis und den Skandal<br />

des Wortes von dem einen<br />

Kreuz, wie es im Zentrum <strong>der</strong> Paulus-Briefe<br />

steht. Dafür bekommt<br />

man sonntags viel zu hören über die Kreuze dieser<br />

Welt – Hunger, Flüchtlingselend, Klimakatastrophe<br />

und so weiter, und dazu die Zusammenhalt-Parole<br />

„Reden wir miteinan<strong>der</strong>“.<br />

Für Sören Kierkegaard war das schon vor 160<br />

Jahren „Geschwätz“. Der Pfarrer kommt immer<br />

häufiger als Gutmensch daher – in <strong>der</strong> Sprache<br />

des Neuen Testaments: Pharisäer, und die Predigt<br />

verkommt zu einem sentimentalen Moralismus.<br />

„Nichts entvölkert unsere Kirchen so sehr, als<br />

dass man es in ihrem Gottesdienst so viel mit den<br />

persönlichen Ansichten ihrer Prediger zu tun hat“,<br />

attestierte schon <strong>der</strong> Kirchenhistoriker Franz<br />

Overbeck. Sentimentales Moralisieren – eine<br />

Hauptquelle <strong>der</strong> protestantischen Heuchelei.<br />

Die evangelische Kirche heute geht Konflikten<br />

aus dem Weg, indem sie immer weniger behauptet.<br />

Sie hat Angst vor den eigenen Dogmen und möchte<br />

um keinen Preis als orthodox erscheinen. Aber nicht<br />

orthodox sein zu wollen, das ist für einen Glauben<br />

paradox. Kennt die evangelische Kirche überhaupt<br />

noch den Unterschied zwischen Christentum und<br />

einem diffusen Humanitarismus?, fragt Prof. Bolz.<br />

Sie ersetzt den Skandal des Gekreuzigten zunehmend<br />

durch einen neutralen Kult <strong>der</strong> Menschlichkeit.<br />

Thomas Mann hat das schon vor hun<strong>der</strong>t Jahren<br />

„Verrat am Kreuz“ genannt.<br />

Dieses Wohlfühlchristentum befriedigt ein tiefes<br />

Bedürfnis nach Betäubung. Wenn Marx vom<br />

„Opium des Volkes“ sprach und Nietzsche von<br />

einem „opiatischen Christentum“, meinten sie<br />

eigentlich: Nicht Religion an sich ist Opium, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Mensch macht aus Religion ein<br />

Opiat. Das Christentum als Droge, zur Beruhigung.<br />

Jede Spur christlicher Erschütterung wird<br />

sorgfältig vermieden. Man lässt sich zwar noch<br />

von Jesus-Geschichten rühren, z. B. an Weihnachten;<br />

aber vom Jüngsten Gericht will niemand<br />

Kennt die<br />

evangelische<br />

Kirche überhaupt<br />

noch den Unterschied<br />

zwischen<br />

Christentum und<br />

einem diffusen<br />

Humanitarismus?<br />

Z für Zukunft<br />

45


Z-aktuell<br />

Das Individuum<br />

wurde zu seinem<br />

eigenen<br />

Willkürgott.<br />

Wer sich selbst<br />

sucht, findet sich<br />

– das ist seine<br />

Strafe, die Hölle<br />

Das Resultat <strong>der</strong><br />

Aufklärung war ja die<br />

Entzauberung <strong>der</strong> Welt.<br />

Die Erde ist nicht <strong>der</strong><br />

Mittelpunkt, <strong>der</strong> Mensch<br />

ist auch nur ein Tier.<br />

Bild: Wikipedia,<br />

Camille Flammarion, 1888<br />

Und damit beginnt die Religion <strong>der</strong> Einmaligkeit.<br />

Ihre Varianten sind bekannt: Ich erlöse<br />

mich selbst, kaufe mir in einer Religionsboutique<br />

einen europäisch verschlankten Buddhismus.<br />

Errege mich selbst durch Drogen. For<strong>der</strong>e<br />

mich selbst heraus, indem ich an einem Gummiseil<br />

von <strong>der</strong> Brücke springe. Ich beschäftige mich<br />

mit mir selbst, indem ich meine eigenen Leiden<br />

und Beschädigungen studiere – am besten in einer<br />

Selbsterfahrungsgruppe: die Suche nach dem Heil<br />

im eigenen Selbst. Kultzentrum ist das „Selbst“<br />

jedes Einzelnen. Man berauscht sich an sich<br />

selbst – Selbstverwirklichungs-Opiate. Fénelon<br />

spricht vom Götzendienst des Ich: „Wer sich selbst<br />

sucht, findet sich – das ist seine Strafe, die Hölle.<br />

Um aus dieser Sackgasse herauszufinden, braucht<br />

<strong>der</strong> Mensch die Beziehung auf den ganz An<strong>der</strong>en.<br />

Er braucht die Öffnung zur Transzendenz.“<br />

Entzauberung <strong>der</strong> Welt<br />

Es gibt keine Persönlichkeit ohne Transzendenz,<br />

weiß Norbert Bolz. Das ist dem aufgeklärten<br />

Bewusstsein <strong>der</strong> Neuzeit beson<strong>der</strong>s schwer zu<br />

vermitteln, weil es sich mit dem Götzendienst<br />

des Ich gepanzert hat gegen die eigenen wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse.<br />

Das Resultat <strong>der</strong> Aufklärung war ja die Entzauberung<br />

<strong>der</strong> Welt; schmerzhaft wurde sie vor<br />

allem als Entzauberung des Menschen in einer<br />

Folge narzisstischer Kränkungen. Diese Kränkungen<br />

seines Selbstwertgefühls beginnen mit<br />

Kopernikus und gehen über Darwin und Freud<br />

bis hin zu Alan Turing. Ihre Erkenntnisse sind für<br />

den menschlichen Geist unerträgliche Zumutungen:<br />

Die Erde ist nicht <strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> Welt,<br />

<strong>der</strong> Mensch ist auch nur ein Tier, das Ich ist nicht<br />

Herr im eigenen Haus, und<br />

Intelligenz ist eine Dienstleistung<br />

von Maschinen.<br />

Aber auch schon Luther<br />

bringt eine <strong>der</strong> großen narzisstischen<br />

Kränkungen: Der Mensch<br />

ist auch nicht <strong>der</strong> Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> Schöpfung. Dass er die Welt<br />

durch die christliche Wahrheit<br />

kränkt, erhebt Luther geradezu<br />

zum Programm: Er will ärgern! Luther zeigt sich<br />

hier immer wie<strong>der</strong> als das extremste Gegenteil<br />

eines Relativisten – er ist <strong>der</strong> Antipode des Skeptikers.<br />

Kurt Flasch hat von Luthers Behauptungsstil,<br />

ja Behauptungswut gesprochen.<br />

Fatale Selbstsicherheit<br />

Dass <strong>der</strong> Mensch im Mittelpunkt stehen will, ist<br />

für Luther das entscheidende Problem. Von dieser<br />

falschen Selbstsicherheit befreit uns nur die<br />

Erkenntnis, dass wir Sün<strong>der</strong> sind. Denn wer von<br />

Sünde weiß, <strong>der</strong> kommt an Gott nicht vorbei, und<br />

er kennt seine Unzulänglichkeit.<br />

In Glauben und Liebe zeige ich mich als<br />

bedürftig: Ich stehe nicht im Mittelpunkt, ich bin<br />

nicht souverän. Das Ich ist nicht mein Zentrum.<br />

Ich habe Hilfe nötig. Genau das wird durch den<br />

Begriff „Existenz“ zum Ausdruck gebracht: Das<br />

Wesentliche kommt von außen. Existieren heißt<br />

endlich sein, abhängig sein, angewiesen sein auf<br />

Hilfe von außen. Gewissheit finden wir also nur<br />

außerhalb von uns selbst. Das ist gemeint mit<br />

„Öffnung zur Transzendenz“.<br />

Allgemeine Verunsicherung<br />

Wenn Norbert Bolz auf Luthers Behauptungswut<br />

und seine Formel absoluter Gewissheit hinweist,<br />

so ist das vor dem Hintergrund einer allgemeinen<br />

Verunsicherung zu sehen; wenige Daten mögen<br />

hier genügen: 1452 entsteht die Gutenberg-Bibel<br />

nach <strong>der</strong> von Johannes Gutenberg entwickelten<br />

Technik des Drucks mit beweglichen Lettern.<br />

1492 entdeckt Christoph Kolumbus Amerika.<br />

1509 entwickelt <strong>der</strong> Astronom Nikolaus Kopernikus<br />

in seinem noch nicht für die Öffentlichkeit<br />

bestimmten „Commentariolus“ (Kleiner Kommentar)<br />

das neue heliozentrische Weltbild. Denn im<br />

kopernikanischen Weltbild gibt es ja nicht mehr<br />

das über <strong>der</strong> Erde aufgeschlagene Himmelszelt<br />

– an<strong>der</strong>s ausgedrückt: Der Himmel ist leergeräumt.<br />

Jacob Taubes resümiert: „Auf <strong>der</strong> kopernikanischen<br />

Erde kann die Erlösung allein das Werk<br />

<strong>der</strong> Gnade sein, zu <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch nicht das Mindeste<br />

beizutragen hat.“<br />

Zitiert aus und nach: Norbert Bolz, „Zurück zu Luther“. Wilhelm<br />

Fink Verlag 2016, ISBN 978-3-7705-6086-8, Seite 101–108,<br />

redaktionell bearbeitet.<br />

48<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Norbert Bolz über sich:<br />

Wie viele an<strong>der</strong>e auch, wurde ich vom Zeitgeist <strong>der</strong><br />

1970er-Jahre geprägt und als Student <strong>der</strong> Geisteswissenschaften<br />

war ich natürlich links. Die wenigen,<br />

die das nicht waren, die blieben unter <strong>der</strong><br />

Wahrnehmungsschwelle. Das war damals weniger<br />

von Ideologie geprägt; es war einfach Mode.<br />

Als ich nach Berlin kam, traf ich an <strong>der</strong> Freien<br />

Universität Berlin auf einige wichtige Personen;<br />

einer davon war <strong>der</strong> Philosoph und Judaist Jakob<br />

Taubes, mein späterer Chef. Was ich von ihnen<br />

zu hören bekam, war einerseits faszinierend und<br />

an<strong>der</strong>erseits völlig neu; mit diesen Welten hatte<br />

ich bis dahin überhaupt nichts zu tun gehabt.<br />

Ich dachte vielmehr, Philosophie hieße „Adorno,<br />

Frankfurter Schule und Kritische Theorie“, und<br />

darüber hinaus brauche man nichts zu wissen.<br />

Das Bekenntnis zur Kritischen Theorie implizierte<br />

aber auch eine Menge Tabus; vieles durfte man<br />

gar nicht lesen – u. a. Heidegger.<br />

Faszinierend unverständlich<br />

Es war mir unerklärlich, warum Taubes mich zu<br />

seinem Assistenten gemacht hatte. Ich war nicht<br />

einmal einer seiner Schüler gewesen, einfach aus<br />

Ignoranz, weil ich dem allem nicht folgen konnte.<br />

Alles war faszinierend, aber gleichzeitig unverständlich.<br />

Für mich war das wie eine Inkubationszeit;<br />

erst Jahre später ist herausgebrochen, was<br />

damals in mir angelegt wurde.<br />

Dass ich zu so einem Thema wie Luther<br />

schreibe, brauchte eine längere Entwicklung.<br />

Allerdings gab es schon einen Startschuss bei<br />

meiner Habilitationsschrift „Auszug aus <strong>der</strong> entzauberten<br />

Welt“. Wie <strong>der</strong> Untertitel verdeutlicht,<br />

„Philosophischer Extremismus zwischen<br />

den Weltkriegen“, war die intellektuelle Zeit zwischen<br />

1919 und 1939 deshalb so aufregend, weil<br />

es damals in <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Situation zwischen<br />

den extrem linken und extrem rechten Denkern<br />

kaum Unterschiede gab. Das war für mich<br />

unglaublich – nach dem üblichen Verständnis war<br />

die Welt ja in Gut und Böse eingeteilt: die Linken<br />

waren die Guten und die Rechten die Bösen.<br />

Mein Chef Taubes for<strong>der</strong>te mich auf: Hören Sie<br />

doch auf mit <strong>der</strong> kindischen Angst vor <strong>der</strong> Reaktion<br />

an<strong>der</strong>er, wenn Sie die „falschen“ Autoren studieren<br />

– es ist doch lächerlich zu glauben, es gäbe<br />

Autoren, die tabu seien. – Das war ein wichtiger<br />

Impuls für mich: Lerne etwas von diesen „bösen<br />

Buben“! In diesem Zusammenhang wurde ich<br />

mit vielen Überlegungen konfrontiert, die mich<br />

zunächst völlig aushebelten. Ich war damals wirklich<br />

ein Adornit.<br />

Bei meiner Habilitationsarbeit wollte ich mich<br />

ganz mit Adorno beschäftigen. Taubes fragte,<br />

warum ich dann nicht gleich Benjamin machen<br />

würde, da stehe sowieso alles drin, was Adorno<br />

gedacht habe, nur unendlich viel mehr. So kam<br />

ich mit Walter Benjamin in Berührung – und das<br />

brachte den Stein erst richtig ins Rollen: Themen<br />

wie „Politische Theologie“ und Gnosis bekamen<br />

Bedeutung.<br />

Ich bin konservativ, was soll´s<br />

Mein politisches Spektrum hat sich inzwischen<br />

sehr verän<strong>der</strong>t. Erst mit dem Alter, und das ist<br />

bei mir noch nicht lange her, hatte ich den Mut<br />

zu sagen: „Ich bin konservativ, was soll’s.“ Im universitären<br />

Bereich, gerade in den Geisteswissenschaften<br />

ist das eine Position, durch die man sich<br />

von allem ausschließt.<br />

„Hören Sie<br />

doch auf mit<br />

<strong>der</strong> kindischen<br />

Angst vor <strong>der</strong><br />

Reaktion<br />

an<strong>der</strong>er“<br />

Z für Zukunft<br />

49


Z-aktuell<br />

Das humanitaristische<br />

Gerede, <strong>der</strong><br />

evangelischen<br />

Kirchevertreter,<br />

war mir einfach<br />

unerträglich<br />

Die Lehre Luthers ist klar<br />

und einfach. Man muss<br />

einfach hinschaut,<br />

was dasteht.<br />

Foto: © Norbert Bolz<br />

So bin ich in diese theologischen Reflexionen<br />

immer tiefer vorgedrungen, war aber nicht<br />

etwa gläubig – war ja aus <strong>der</strong> Kirche ausgetreten,<br />

wie man das damals so gemacht hat. Dogmatische<br />

Themen hatten mich nie gekümmert. Das<br />

än<strong>der</strong>te sich aber, weil die Themengebiete des<br />

Religiösen eine immer größere Rolle spielten.<br />

„Politische Religion“ ist eine solche Dimension,<br />

aber auch Dogmen – die christlichen Religionen<br />

in <strong>der</strong> Spannung zu dem, was die Neuzeit zur<br />

Neuzeit gemacht hat. Dazu ist Hans Blumenbergs<br />

Buch „Die Legitimität <strong>der</strong> Neuzeit“ für mich eines<br />

<strong>der</strong> großartigsten Bücher. Die Ablösung aus <strong>der</strong><br />

christlichen Tradition, die Selbstbehauptung des<br />

neuzeitlichen Geistes gegen den Absolutismus<br />

<strong>der</strong> Gottgläubigkeit Luthers – all das war für mich<br />

von außerordentlicher Bedeutung.<br />

Mein Buch: Zurück zu Luther“<br />

Mein Buch ist, wenn man so will, das Komplementärbuch<br />

zu dem von Blumenberg, nur nicht so seitenstark.<br />

Das „neuzeitliche Selbstverständnis“<br />

bei Blumenberg ist eine hervorragende Ergänzung<br />

zu dem, was wir bei Luther als Glaubensüberzeugung<br />

finden.<br />

Was war nun <strong>der</strong> konkrete Anlass zu diesem<br />

Buch „Zurück zu Luther“?<br />

Ich bin wie<strong>der</strong> in die Kirche eingetreten, aus<br />

einem ganz beson<strong>der</strong>en Grund – <strong>der</strong> in dem Buch<br />

klar zum Ausdruck kommt, denn es hat ja auch<br />

eine polemische Seite. Dieses humanitaristische<br />

Gerede, das ich von Vertretern <strong>der</strong> evangelischen<br />

Kirche zu hören bekam, war mir einfach unerträglich.<br />

Ich hatte immer den Eindruck: „Das<br />

kann doch nicht wahr sein – und es entspricht<br />

auch nicht dem Geiste Luthers.“ Das war aber<br />

zunächst nur ein Gefühl.<br />

Dann tauschte ich mich mit einem Kollegen<br />

und Freund darüber aus: „Was hältst du von meinem<br />

Unbehagen, kann man das konkretisieren<br />

und begründen?“ – „Ja, aber du musst Luther<br />

gründlich lesen.“ Nun ist Luther-Latein sehr<br />

schwer zu lesen und auch die unbearbeiteten<br />

deutschen Texte sind nicht leicht genießbar. Aber<br />

es gibt eine Übersetzung <strong>der</strong> wichtigsten Texte<br />

von Luther, sie stammt von Aland; die habe ich<br />

von A bis Z studiert. Dann war ich mir sicher, dass<br />

ich so ein Buch schreiben könnte. Denn irgendwie<br />

hat alles zusammengepasst! Bei einem komplexen<br />

Autor ist es ja normalerweise so, dass es<br />

verschiedene Fäden gibt, und die zerfasern sich<br />

leicht – man versteht nicht alles, und dann weiß<br />

man doch nicht so recht, wie man es auf den<br />

Punkt bringen kann.<br />

Als religiös Unmusikalischer<br />

Aber hier war es für mich genau umgekehrt: Alles<br />

hat von Anfang an zusammengepasst. Wenn das<br />

für mich Laien, den religiös „Unmusikalischen“,<br />

gilt, dann müsste das doch erst recht für die nachvollziehbar<br />

sein, die einen Glauben haben (o<strong>der</strong><br />

zumindest per Taufe und Geburt dieser Kirche<br />

angehören), aber jeden Sonntag unglücklich sind<br />

über das, was sie in <strong>der</strong> Predigt zu hören bekommen.<br />

– Das also war <strong>der</strong> Anlass für dieses Buch.<br />

Darin habe ich versucht, zwei Dimensionen zu<br />

vereinigen. Zum einen diese polemische Dimension<br />

gegen den Istzustand <strong>der</strong> evangelischen<br />

Kirche – ich habe versucht, nicht einfach nur zu<br />

sagen: „Ich finde es schrecklich!“, son<strong>der</strong>n zu<br />

begründen, warum das so ist. Und zum an<strong>der</strong>en<br />

eine Art analytische, pädagogische Dimension:<br />

Ich habe die Hauptlehrstücke von Luther herausgegriffen<br />

und versuche, zu je<strong>der</strong> dieser Lehrfragen<br />

auf wenigen <strong>Seiten</strong> eine klare Antwort zu<br />

geben – zum Beispiel: Was heißt Erbsünde? Was<br />

heißt „gnädiger Gott“? Was ist die Zwei-Reiche-<br />

Lehre? Es soll eindeutig werden, was mit diesen<br />

Begriffen gemeint ist. Denn allgemein wird suggeriert,<br />

das alles sei sehr zweifelhaft, sehr strittig<br />

und mehrdeutig; das entspricht aber überhaupt<br />

nicht meinem Eindruck.<br />

Was Luther zu sagen hat, kann man ganz klar<br />

wie<strong>der</strong>geben. Es müsste keine großen Kontroversen<br />

über Luther geben. Wenn man einfach hinschaut,<br />

was dasteht – also seine Lehre ist klar und<br />

einfach, und deshalb kann man sie auch einfach<br />

und klar darstellen. Genau das wollte ich mit diesem<br />

Buch zum Ausdruck bringen.<br />

Aus einem Vortrag in <strong>der</strong> Bibliothek des Konservatismus, Berlin,<br />

Februar 2017<br />

50<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Foto: © Willow-Kongress<br />

Willow-Kongress –<br />

und die Kirche <strong>der</strong> Zukunft?<br />

Auf dem Willow-Leiterkongress Anfang Februar in Dortmund habe ich eine außerordentliche<br />

Erfahrung gemacht – sie kommt einer „Erleuchtung“ nahe, einer erschreckenden<br />

allerdings: Trotz hohem Vernetzungsgrad so isoliert, dass die Rechte nicht<br />

bemerkt was bei <strong>der</strong> Linken gerade geschieht?<br />

Gigantisch: 12 000 <strong>Teil</strong>nehmer, starker<br />

Lobpreis, super Bühne mit<br />

allen technischen Effekten. Willow<br />

steht für Exzellenz. „Willow Creek<br />

Deutschland“ hat eine über 20-<br />

jährige Geschichte; unzählige erfolgreiche Projekte<br />

in den evangelischen Kirchen in Deutschland<br />

gehen auf Willow-Kongresse und -Impulse<br />

zurück. Ihren Ursprung hat die Organisation in<br />

<strong>der</strong> „Willow Creek Community Church“ in South<br />

Barrington (Chicago); mit 24 000 Gottesdienstbesuchern<br />

ist das eine <strong>der</strong> größten Gemeinden<br />

<strong>der</strong> USA. Weltweit zählen sich über 10 000<br />

Gemeinden zum Willow-Netzwerk; Willow-Leiterkongresse<br />

finden in 128 Län<strong>der</strong>n statt. Durch dieses<br />

Netzwerk wurden viele Tausende mit Jesus<br />

bekannt, und jedes Mal wurde im Himmel dafür<br />

ein Fest gefeiert!<br />

Foto: © Willow-Kongress<br />

Das große Thema des Kongresses in Dortmund<br />

war die Kirche <strong>der</strong> Zukunft; darüber sprach im<br />

Beson<strong>der</strong>en <strong>der</strong> katholische Theologe und Generalvikariatsrat<br />

Dr. Christian Hennecke. Auf seine<br />

hervorragenden Impulse komme ich später zurück;<br />

zuerst meine „erschreckende Erleuchtung“:<br />

Hybels: nur noch 248 Arbeitstage<br />

Bill Hybels, Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Willow Creek Community<br />

Church“, hat nach 15 460 Arbeitstagen nur<br />

Hybels neue<br />

Idee hatte<br />

Cunningham<br />

vor 43 Jahren<br />

– kann das<br />

Zukunft<br />

sein?<br />

Z für Zukunft<br />

51


Z-aktuell<br />

Heather Larson und<br />

Steve Carter treten in die<br />

Fußstapfen von Bill Hybels<br />

Foto: © Bildzitat aus Willow-<br />

Magazin 4/17<br />

Bill Hybels<br />

hat eine neue<br />

Idee, Loren<br />

Cunningham hat<br />

sie veröffentlicht<br />

– aber schon vor<br />

43 Jahren<br />

Loren Cunningham, Grün<strong>der</strong><br />

von Jugend mit einer Mission<br />

Foto: © YWAM<br />

noch 248 vor sich, dann übergibt er an seine<br />

Nachfolger. Sechs Jahre hat man sich darüber<br />

Gedanken gemacht, wer das sein könnte. Ein<br />

säkularer Berater analysierte messerscharf: „Was<br />

macht Bill eigentlich? Er leitet und er lehrt, und<br />

dafür braucht er 85 Stunden in <strong>der</strong> Woche.“ Der<br />

Berater wollte wissen, wer denn so einen Job<br />

haben möchte. Die Lösung: Sie suchten bei Willow<br />

den besten Leiter und den besten Lehrer –<br />

und wurden fündig. In Zukunft werden also zwei<br />

Personen Bill Hybels ersetzen: Heather Larson<br />

(42) wird leiten und Steve Carter (38) lehren.<br />

Bill Hybels hat eine neue Idee<br />

Was wird Bill Hybels nun tun? Mehr segeln als bisher,<br />

aber er erzählte auch von einer ganz neuen<br />

Idee: Die Missstände <strong>der</strong> Gesellschaft hingen<br />

zusammen mit dem Zustand des Menschenherzens;<br />

in seiner neuen Vision sieht er die Kirche in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft umgeben von <strong>der</strong> Geschäftswelt,<br />

<strong>der</strong> Politik, dem Bildungswesen, dem Gesundheitswesen<br />

und Unterhaltungsbusiness. Die Geschäftsleute<br />

in den Gemeinden sollten ein Segen sein für<br />

die Geschäftswelt – und überhaupt: je<strong>der</strong> für den<br />

Gesellschaftsbereich, in dem er tätig ist.<br />

Was ist daran erschreckend, fragen Sie?<br />

Loren Cunningham, <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> von „Jugend<br />

mit einer Mission“, hat das schon 1975 von Gott<br />

gehört; er sprach von sieben Bereichen, in die wir<br />

als Missionare hineinwirken. Noch am selben Tag,<br />

an dem Cunningham diese Vision hatte, erhielt er<br />

von Bill Bright (Campus für Christus) einen Anruf<br />

– <strong>der</strong> hatte dieselbe Vision! Damit nicht genug:<br />

Drei Wochen später sah Lorens Frau Darlene im<br />

Fernsehen einen Vortrag von dem Theologen und<br />

Philosophen Dr. Francis Schäffer („Wie können<br />

wir denn leben?“), und auch er sprach über diese<br />

sieben Bereiche. Heute sind diese Gedanken als<br />

das „7-Berge-Prinzip“ in verschiedenen Bewegungen<br />

im Gespräch; in den letzten zehn Jahren sind<br />

etliche Bücher dazu erschienen. (Wer bemerkt,<br />

was mich hier so erschreckt?)<br />

Am Stand von Gott24.TV konnte ich die »Z«<br />

präsentieren; dabei kam ich mit einigen <strong>der</strong> Top-<br />

Leitern ins Gespräch. Wir kennen uns seit Jahren,<br />

sie haben das »Z«-Magazin in ihrer Post. Auf<br />

meine Frage, ob sie in die letzte Ausgabe, die zum<br />

Thema <strong>Reformation</strong>, schon mal hineinschauen<br />

konnten, antworteten alle mit großem Aufstöhnen:<br />

„Wie stellst du dir das vor, bei den Türmen<br />

Papier, die sich auf meinem Schreibtisch stapelt!“<br />

Das kann ich natürlich gut nachvollziehen.<br />

Top-Leiter – sicher auch mit 85 Wochenstunden<br />

… Könnte das <strong>der</strong> Grund sein, warum Bill<br />

Hybels bisher nichts von dem Sieben-Bereiche-<br />

Prinzip gehört hat, über das Loren Cunningham<br />

seit 43 Jahren spricht (und nach ihm sicher weitere<br />

fünfzig namhafte Leiter)? Hätte Bill Hybels<br />

diese „neue“ Vision schon vor 15 o<strong>der</strong> 20 Jahren<br />

gehabt, könnten heute bereits Hun<strong>der</strong>ttausende<br />

die Früchte davon genießen.<br />

Trotz hohem Vernetzungsgrad isoliert?<br />

Ist es nicht ein teuflischer Raub, dass wir trotz<br />

großer Netzwerke in unseren Denominationen<br />

oft isolierter sind, als wir denken? Wir treffen uns<br />

mit gleichgesinnten Top-Leitern, klopfen uns auf<br />

die Schultern und bestärken einan<strong>der</strong> in dem uns<br />

bereits Bekannten. Wie soll da etwas Neues entstehen?<br />

Kann das die Zukunft sein?<br />

Doch wie kann diese Mauer durchbrochen<br />

werden? Wie kann eine vielleicht bedeutende<br />

Vision eines nicht so namhaften Leiters die Festung<br />

<strong>der</strong> 85-Stunden-Berge durchdringen?<br />

Zwei sind besser als einer,<br />

dem Handbuch entsprechen würden fünf<br />

Noch älter als die Vision <strong>der</strong> sieben Gesellschaftsbereiche<br />

von Loren Cunningham ist die Strategie<br />

des Top-5-Leiterteams, das schon <strong>der</strong> alte Fuchs<br />

Paulus den Ephesern erklärte: „Wenn ihr so etwas<br />

wie Willow ordentlich leiten wollt, dann braucht ihr<br />

exzellente Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten<br />

und Lehrer.“ Einer, ein Einziger ist nur Gott,<br />

52<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

alle an<strong>der</strong>en brauchen einan<strong>der</strong>. Also Bill Hybels ist<br />

gegenüber vielen an<strong>der</strong>en dem eigentlichen Konzept<br />

jedenfalls einen Schritt nähergekommen: Man<br />

hat für seine Nachfolge ein Zweierteam gewählt.<br />

Zwei sind besser als einer, aber das sind immer<br />

noch nicht fünf. Und eins habe ich bei Willow noch<br />

nie gehört: dass hier von Propheten die Rede ist.<br />

Dabei zählen die Propheten doch zur Grundlage<br />

<strong>der</strong> Gemeinde, auf die aufgebaut werden sollte!<br />

Die Kirche <strong>der</strong> Zukunft?<br />

Nun die Impulse von Dr. Hennecke: Bei dem dichten<br />

Programm war er für mich das Glanzlicht zum<br />

Thema „Kirche <strong>der</strong> Zukunft“.<br />

Der Katholik zitiert Bonhoeffer: „Das Wort Gottes<br />

so aussprechen, dass sich dadurch die Welt verän<strong>der</strong>t<br />

und erneuert.“ Das wäre dann prophetisch!<br />

Unser größtes Hin<strong>der</strong>nis sei, wenn wir uns weiter<br />

um uns selbst kreisen. Wir brauchen Umkehr<br />

und eine neue Geburt. Das könne schmerzhaft<br />

sein. Wenn man meine, man habe ja genügend<br />

Finanzen und Macht – das verzögere nur alles.<br />

Nicht nach hinten schauen! „Siehe, ich wirke<br />

Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?“<br />

(Jesaja 43,19). Sollten wir das Neue nicht mitbekommen,<br />

Gott mache es trotzdem.<br />

Wie Hennecke sich die Kirche <strong>der</strong> Zukunft vorstellt?<br />

So: Gott wird sie auf den Kopf stellen.<br />

Nur Christus macht Kirche zur Kirche. Christus<br />

in unserer Mitte – das ist entscheidend.<br />

Die Kirche <strong>der</strong> Zukunft sei mit Sicherheit katholisch,<br />

weil sie die umfassende Weite habe. Und sie<br />

sei jedenfalls evangelisch, weil sie nur vom Evangelium<br />

herkommen könne. Sie ist unbedingt<br />

orthodox, weil sich daraus viele Traditionen neu<br />

erschlössen; und sie sei natürlich pfingstlich, denn<br />

was sollten wir ohne den Geist Gottes anfangen!<br />

Dr. Hennecke zitiert Lothar Zenetti, den katholischen<br />

Theologen, Priester und Schriftsteller:<br />

„Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste<br />

an <strong>der</strong> Kirche? Und sie werden dir sagen: Die<br />

Messe. Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste<br />

an <strong>der</strong> Messe? Und sie werden dir sagen:<br />

Die Wandlung. Sag 100 Katholiken: Das Wichtigste<br />

an <strong>der</strong> Kirche ist die Wandlung. Und sie<br />

werden sich empört abwenden.“ Sie wollen, das<br />

alles so bleibte, wie es ist.<br />

Foto: © Wikipedia, Sandstein<br />

Ja, das sei die Frage: Ob wir Wandlung wollen.<br />

Wandlung, Verän<strong>der</strong>ung habe nämlich mit Sterben<br />

und Auferstehen zu tun. Es dürfe also ruhig<br />

etwas sterben. Ein wesentlicher <strong>Teil</strong> des Wandels<br />

sei deshalb nicht kirchliche Intensivmedizin, son<strong>der</strong>n<br />

Hospizarbeit. Im Glauben wüssten wir, dass<br />

dann etwas Neues entstehe. Wandel: vom Machen<br />

und Herrschen zum Dienen und Ermöglichen.<br />

Die Zukunft <strong>der</strong> Kirche hängt mit dem<br />

Reich Gottes zusammen<br />

Die Kirche, die kommt, diese Kirche ist das Volk Gottes,<br />

in dem alle gleich würdig sind, in dem die Gaben<br />

und Talente hervorgerufen werden. Damit Christus<br />

herrschen darf und sein Wort das Sagen hat.<br />

Sie ist die Blumentopf-Kirche: Die Leiter bilden<br />

den Boden des Blumentopfs und tun alles, damit<br />

die Blumen herrlich in die Welt hinaussprießen.<br />

Wie wäre es, wenn sich Top-Leiter mit vier an<strong>der</strong>en<br />

zusammentun würden und gemeinsam den<br />

Boden von solchen Blumentöpfen bildeten? Dann<br />

hätten sie wie<strong>der</strong> Zeit, auf den Herrn zu warten, um<br />

zu hören, was <strong>der</strong> Geist heute <strong>der</strong> Gemeinde sagt.<br />

Wie kann diese vernetzte Isolation<br />

durchbrochen werden?<br />

Die Kirche <strong>der</strong><br />

Zukunft: Gott<br />

wird sie auf den<br />

Kopf stellen<br />

Dr. Christian Hennecke,<br />

katholische Theologe<br />

und Generalvikariatsrat,<br />

Hildesheim<br />

Foto: © Willow-Kongress<br />

Z für Zukunft<br />

53


Z-aktuell<br />

Hyper-Grace<br />

die noch billigere Gnade<br />

Michael L. Brown schreibt in seinem Buch „Gnade ohne Ende?“ über die Problematik<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gnaden-Bewegung.<br />

Michael L. Brown, Autor,<br />

Professor und Leiter <strong>der</strong><br />

Coalition of Conscience,<br />

North Carolina, USA.<br />

Foto: © Wikipedia<br />

Es stellt sich die Frage, auf welcher<br />

Seite man vom Pferd fallen möchte:<br />

auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> religiösen Gesetzlichkeit<br />

o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Seite einer selbstfokussierten<br />

Hyper-Gnade. Dabei wäre<br />

es viel komfortabler, fest im Sattel zu sitzen.<br />

Die zerstörerische Wirkung von Gesetzlichkeit<br />

haben wir gesehen – die Frucht einer von außen<br />

auferlegten Religion, von Regeln ohne Beziehung,<br />

von Gesetzen ohne Liebe. Brown hat die<br />

befreiende Auswirkung <strong>der</strong> Gnade selbst massiv<br />

erlebt. Er kann sich nicht vorstellen, auch nur<br />

eine Minute lang ohne diese Gnade Gottes leben<br />

zu wollen, auch beabsichtigt er auf keinen Fall,<br />

Gottes Gnade zu schmälern o<strong>der</strong> sie für selbstverständlich<br />

zu halten.<br />

Aber Gnade kann lei<strong>der</strong> auch missverstanden<br />

werden; sie ist nicht nur die unverdiente Gunst<br />

Gottes, die auch als „Reichtum Gottes auf Christi<br />

Kosten“ erklärt wird (englisch: „God’s Riches At<br />

Christ’s Expense“). Gnade ist auch seine beständige<br />

Bevollmächtigung, seine kontinuierliche<br />

Arbeit an uns, die wir gerettet sind. Brown zitiert<br />

A. M. Hunter: „Gnade ist vor allem die geschenkte<br />

vergebende Liebe Gottes in Christus für Sün<strong>der</strong><br />

und ihre Wirkung im Leben von Christen.“<br />

In den letzten Jahren ist die Botschaft von<br />

<strong>der</strong> Gnade, mit schwerwiegenden Verzerrungen<br />

und Irrtümern vermischt, als neue Offenbarung<br />

o<strong>der</strong> gar als „Gnadenrevolution“ auf den Markt<br />

gekommen. Brown kennt viele Berichte von positiven<br />

Lebensverän<strong>der</strong>ungen dank dieser Bewegung,<br />

sieht aber auch viel Negatives durch diesen<br />

54<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Pastor Ryan Rufus betont: „Aber sogar nach<br />

dem ‚wenn wir sündigen‘ fangen Sie nicht an,<br />

Gott um Vergebung zu bitten. Versuchen Sie<br />

nicht, diese Sünde zu bekennen. Wandeln Sie weiter<br />

im Bund <strong>der</strong> Gnade. Verkünden Sie weiter Ihre<br />

absolute Vergebung.“<br />

Es ist wahr, dass zu dem Zeitpunkt, als Jesus<br />

für die Menschheit starb, unsere Sünden noch<br />

„zukünftig“ waren, wir waren ja noch nicht<br />

einmal geboren. Insofern Ja: Jesus starb und<br />

bezahlte für unsere „zukünftigen“ Sünden. Aber<br />

hatten wir damals bereits Sündenvergebung?<br />

– Absolut nicht! Erst mit dem Schritt <strong>der</strong> Bekehrung<br />

sei das, was zuvor potenziell vorhanden<br />

war, für den einzelnen Christen aktiviert worden,<br />

betont Michael L. Brown.<br />

Einmal errettet, immer erettet?<br />

Da Hyper-Grace-Lehrer glauben, einmal errettete<br />

Christen bräuchten Gott ihre Sünden nicht zu<br />

bekennen noch ihn um Vergebung zu bitten.<br />

Der Apostel Johannes klärt diesen Irrtum in<br />

seinem <strong>ersten</strong> Brief eindeutig auf: „Wenn wir<br />

unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht,<br />

dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt<br />

von je<strong>der</strong> Ungerechtigkeit.“ 2<br />

Aber Ryan Rufus sieht das an<strong>der</strong>s: „Als ein von<br />

Neuem geborener Gläubiger des neuen Bundes<br />

hinzugehen und um Vergebung zu bitten, nachdem<br />

man gesündigt hat, ist eine Sünde. Es ist die<br />

Sünde des Unglaubens. Sie glauben nicht an das<br />

vollendete Werk des Kreuzes.“<br />

Ob er da nicht etwas total missversteht?<br />

Kostenfreie Autowäschen garantiert<br />

David Ravenhill gebraucht ein anschauliches Bild<br />

für diesen Sachverhalt: „Stellen Sie sich ein Autohaus<br />

vor, das jedem Autokäufer kostenfreie Autowäschen<br />

garantiert, solange er das Auto besitzt.<br />

Der Verkäufer versichert Ihnen, alle zukünftigen<br />

Autowäschen, die Sie jemals brauchen, sind<br />

mit dem Autokauf vollständig bezahlt. Einige<br />

Tage später fahren Sie durch schlammige Schlaglöcher<br />

einer Landstraße, <strong>der</strong> Wagen ist von oben<br />

bis unten vollgespritzt. Aber kein Problem, Sie<br />

können Ihre kostenfreie Autowäsche ja nützen.<br />

Aber einer Ihre Freunde teilt Ihnen mit, dass Sie<br />

nicht mehr dorthin zu fahren bräuchten, die erste<br />

Autowäsche wäre absolut ausreichend gewesen.<br />

Jede Überlegung, eine weitere Autowäsche zu brauchen,<br />

sei nicht nur falsch, son<strong>der</strong>n eine Lüge. 3<br />

In <strong>der</strong> Tat: Alles, was wir brauchen, ist vom<br />

Sohn Gottes bezahlt worden und steht uns zur<br />

Verfügung. Gelegentlich müssen wir trotzdem<br />

noch zur Waschstation, aber dafür müssen wir<br />

nichts bezahlen und wir brauchen dabei auch<br />

kein schlechtes Gewissen zu haben. Während wir<br />

mit Jesus durch die Welt laufen, empfangen wir<br />

Vergebung, Reinigung, Führung und Versorgung,<br />

so wie wir es brauchen – sei es Tag für Tag o<strong>der</strong><br />

von einem Augenblick zum nächsten.<br />

Jesus sagt: „Ich überführe und züchtige alle,<br />

die ich liebe. Sei nun eifrig und tu Buße! 4 Überführung<br />

und Züchtigung ist doch nichts Schlechtes,<br />

es ist ein Zeichen für Gottes Liebe zu uns, ein<br />

Ausdruck seiner Gegenwart und Güte.<br />

„Aber“, wendet vielleicht jemand ein, „<strong>der</strong> Heilige<br />

Geist möchte nicht, dass ich mich schlecht<br />

fühle. Er will nur, dass ich mich gut fühle!“ Hier<br />

wird Michael L. Brown sehr direkt: „Dies ist eine<br />

sehr unreife Haltung. Es ist eine unglaublich<br />

oberflächliche Einstellung gegenüber dem Leben<br />

ganz allgemein.“<br />

Wohfühl-Christen sind so mit sich selber<br />

beschäftigt. Werden sie jemals in <strong>der</strong> Lage sein,<br />

dieser Welt etwas zu geben?<br />

Auszug aus Michael L. Brown, „Gnade ohne Ende? -<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Gnaden-Bewegung“, Glaubenszentrum e.V.,<br />

ISBN 978-3-9816146-7-1,<br />

http://shop.agentur-pji.com/gnade-ohne-ende.html<br />

1 Matthäus 6,12.14–15.<br />

2 1. Johannes 1,9.<br />

3 David und Nancy Ravenhill, „Rooting Out Fuzzy Theology<br />

Behind the Hyper-Grace Message”, CharismaNews.com, 13.<br />

April 2013, http://www.charismanews.com/opinion/39015-<br />

rooting -out-fuzzy-theology-behind-the-hyper-grace-message<br />

(aufgerufen am 3. September 2013).<br />

4 Offenbarung 3,19.<br />

„Der Heilige Geist<br />

möchte nicht, dass<br />

ich mich schlecht<br />

fühle.“<br />

„Dies ist wohl<br />

eine sehr<br />

unreife Haltung.<br />

Wohfühl-Christen<br />

sind zu sehr<br />

mit sich selber<br />

beschäftigt<br />

John Crow<strong>der</strong>s<br />

Foto: © LinkedIn<br />

Ryan Rufus<br />

Foto: © www.newnatureministries.org<br />

David Ravenhill<br />

Foto: © www.davidravenhill.com<br />

Z für Zukunft<br />

57


Z-aktuell<br />

Hinrichtung<br />

von Wie<strong>der</strong>täufern<br />

Stick von Jan Luyken<br />

(1649 - 1712)<br />

Der rote Faden, <strong>Teil</strong> zwei<br />

Der erste <strong>Teil</strong> fand seinen Abschluss mit dem Tod von Hans Denck 1 ; nach jahrelanger<br />

Verfolgung starb er 1527 geschwächt im Haus eines Freundes in Basel, wahrscheinlich<br />

noch keine dreißig Jahre alt.<br />

Hans Denck war sehr<br />

einflussreich unter den<br />

Wie<strong>der</strong>täufern. Er fragte:<br />

Was fehlt <strong>der</strong> Lehre Luthers?<br />

Kin<strong>der</strong>taufe o<strong>der</strong> Glaubenstaufe? Diese<br />

Frage trennt bis heute; jahrhun<strong>der</strong>telang<br />

war die Taufe, so wie im Neuen<br />

Testament von ihr berichtet wird,<br />

verboten und wurde mit dem Tode<br />

bestraft. Heute kann man nur seinen Job verlieren,<br />

falls man z. B. in einem kirchlichen beschäftigt<br />

wäre.<br />

Der Schweizer Reformator Johannes Zwingli<br />

for<strong>der</strong>te die Todesstrafe gar für diejenigen, die in<br />

Lehrfragen von seiner Ansicht abwichen. In früheren<br />

Jahren hatte er enge Verbindung zu Wie<strong>der</strong>täufern,<br />

befasste sich ernsthaft mit <strong>der</strong> Tauffrage<br />

– und stellte fest, dass für die Kin<strong>der</strong>taufe sich in<br />

<strong>der</strong> Schrift kein Beleg finde. Aber die zivile Gewalt<br />

sorgte rigoros für die Durchsetzung auch kirchlicher<br />

Beschlüsse, daher än<strong>der</strong>te er seine Haltung.<br />

Hans Denck, 1500–1527<br />

Gehen wir für den zweiten <strong>Teil</strong> unseres „Roten<br />

Fadens” einen Schritt zurück und beginnen wir<br />

mit dem Bayern Hans Denck 1 (1500–1527; auch<br />

Johannes o<strong>der</strong> Johann Denk o<strong>der</strong> Dengk). In Basel<br />

hatte er promoviert; dort war er mit Erasmus<br />

in Berührung gekommen und mit an<strong>der</strong>en klugen<br />

Köpfen, die sich alle mit den verordneten<br />

Denkmustern ihrer Zeit nicht abfinden wollten.<br />

Dann wurde Denck nach Nürnberg berufen, dort<br />

sollte er an einer namhaften Schule unterrichten.<br />

Nürnberg, eine Hochburg <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong> – mit<br />

hohen Erwartungen macht Denck sich auf den<br />

Weg, sicher herrschen hier Sittlichkeit und Aufrichtigkeit.<br />

Aber Denck wird bitter enttäuscht, er<br />

findet das genaue Gegenteil. Wie kann das sein?<br />

Da muss etwas nicht ausgewogen sein an Luthers<br />

Lehre: richtig, die Betonung <strong>der</strong> Rechtfertigung<br />

58<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

aus Glauben, ohne Werke! Ja, Luther hat viele<br />

Missstände behoben, die sich in <strong>der</strong> römischen<br />

Kirche etabliert haben. Aber die Folge des christlichen<br />

Glaubens muss doch – ein mündiger Gehorsam<br />

sein!? Das fehlt Denck: Die Lehre aus Wittenberg<br />

mache nur „sicher und sorglos“. Denn eine<br />

Lehre, die sich gegen „fleischliche Begierden“<br />

wendet, hört man auch im „neuen Glauben“ nicht<br />

gern. Man möchte als Christ angesehen werden;<br />

reicht es denn nicht, dass Gott uns für gerecht<br />

hält? – So durften sich sogar die Schlimmsten,<br />

gerade auch unter dem Klerus, zu den Heiligen<br />

zählen. Wer zur Buße von dem sündigen Wandel<br />

auffor<strong>der</strong>te, <strong>der</strong> konnte sein Bündel schnüren und<br />

woan<strong>der</strong>s ein neues Publikum suchen; und das<br />

war noch eine milde Konsequenz.<br />

Hans Denck prangerte das an. Über ein öffentliches<br />

Streitgespräch wird berichtet, „dass Denck<br />

sich so tüchtig zeigte, dass man es für zwecklos<br />

ansah, mündlich mit ihm zu streiten“. Man for<strong>der</strong>te<br />

von ihm, sieben Hauptpunkte schriftlich<br />

nie<strong>der</strong>zulegen, denen wollte man entgegnen;<br />

aber auch dazu war man nicht fähig. Das Ergebnis:<br />

Denck wurde aufgefor<strong>der</strong>t, Nürnberg noch<br />

vor Nacht zu verlassen. Die Begründung: Er habe<br />

unchristliche Irrlehre eingeführt und gewagt, sie<br />

zu verteidigen, und er sei unbelehrbar. Seine Antworten<br />

seien so unehrlich und listig, dass ein Versuch,<br />

ihnen zu begegnen, zwecklos sei.<br />

Denck sprach über die Ver<strong>der</strong>btheit des Menschen<br />

und dessen Verlangen nach Leben und<br />

Seligkeit. Diese könne man ja durch Glauben<br />

erlangen, hielt man ihm entgegen; aber für Denck<br />

war Glauben mehr als die bloße Zustimmung<br />

zu dem, was man gehört o<strong>der</strong> gelesen hat. Er<br />

stellte fest, die Schrift könne man nicht durch<br />

bloß „äußerliches Lesen“ verstehen, son<strong>der</strong>n<br />

nur, wenn <strong>der</strong> Heilige Geist sie dem Herzen und<br />

Gewissen eröffne.<br />

Ein Dokument lutherischer Geistlicher zu<br />

Dencks Vertreibung besagte, er meine es gut,<br />

seine Worte seien mit solch christlichem Verständnis<br />

geschrieben, dass seine Gedanken und<br />

Ansichten wohl gestattet werden könnten; doch<br />

aus Rücksicht auf die Einheit <strong>der</strong> lutherischen<br />

Kirche sei es nötig, an<strong>der</strong>s zu handeln.<br />

In Augsburg fand Denck Aufnahme und Arbeit;<br />

dort begann er, jene Bürger zu sammeln, die inmitten<br />

des allgemeinen Sittenverfalls ihren christlichen<br />

Glauben im Alltag leben wollten. Unter<br />

denen, die es ernst meinten mit dem Glauben<br />

und Leben, waren viele „glaubensgetauft“, hatten<br />

sich also aus eigenem Entschluss taufen lassen.<br />

Ein Besuch Dr. Balthasar Hubmayrs (1485–1528,<br />

starb als Täufer den Märtyrertod) 2 brachte Denck<br />

zu dem Entschluss, sich ihnen anzuschließen und<br />

sich ebenfalls taufen zu lassen.<br />

Ein Schreiber jener Zeit hielt fest: „Es war ein<br />

schönes Ideal, das den reinen Geistern unter den<br />

Wie<strong>der</strong>täufern vorschwebte. Mit Verlangen schauten<br />

sie auf die herrliche Zeit, da die <strong>ersten</strong> Apostel<br />

von Stadt zu Stadt zogen und die <strong>ersten</strong> Christengemeinden<br />

gründeten, wo alle im Geist <strong>der</strong> Liebe<br />

als Glie<strong>der</strong> eines Leibes zusammenkamen.“<br />

Sektierertum<br />

Sekte bedeutet „Begrenzung“, „Abgrenzung“:<br />

Man begreift eine Aussage, einen <strong>Teil</strong> <strong>der</strong> Heiligen<br />

Schrift, das Herz antwortet darauf und nimmt<br />

es an. Die erkannte Wahrheit wird betont, erklärt,<br />

verteidigt, ihre Kraft und Schönheit begeistert ihre<br />

Anhänger. Eine an<strong>der</strong>e Seite dieser Wahrheit, eine<br />

weitere Sicht, die auch zur Schrift gehört, scheint<br />

die Wahrheit, die man als so kraftvoll empfindet,<br />

aber zu schwächen o<strong>der</strong> ihr gar zu wi<strong>der</strong>sprechen;<br />

so werden in eifersüchtiger Besorgnis um die vertretene<br />

Lehre die ausgleichenden Aspekte abgewertet,<br />

wegerklärt o<strong>der</strong> bestritten.<br />

So gründen sich Sekten auf einen <strong>Teil</strong> einer<br />

Wahrheit des Wortes Gottes, das aber begrenzt und<br />

ist unausgeglichen, weil sie nicht das ganze Spektrum<br />

sehen. Ihren Anhängern wird damit nicht nur<br />

eine Reihe von Zusagen <strong>der</strong> Bibel vorenthalten, sie<br />

werden auch von <strong>der</strong> Gemeinschaft mit an<strong>der</strong>en<br />

Gläubigen abgetrennt.<br />

Wen wollte man da des Sektierertums bezichtigen<br />

in dieser von Lehrfragen so bewegten Zeit,<br />

und wen nicht?<br />

Menno Simons 3 , 1496–1561<br />

„Siebzehn Jahre lang habe ich <strong>der</strong> Lehre von<br />

Münster 4 wi<strong>der</strong>standen und dagegen gekämpft<br />

in Wort und Schrift. Jene, die wie die Leute<br />

Dr. Balthasar Hubmayr<br />

brachte Hans Denck dazu,<br />

sich taufen zu lassen<br />

Sekten gründen<br />

sich auf einen <strong>Teil</strong><br />

einer Wahrheit des<br />

Wortes Gottes, das<br />

begrenzt und ist<br />

unausgeglichen,<br />

man sieht nicht das<br />

ganze Spektrum.<br />

Ihren Anhängern<br />

wird damit nicht<br />

nur einiges vorenthalten,<br />

sie trennen<br />

sich auch von<br />

an<strong>der</strong>en ab<br />

Z für Zukunft<br />

59


Z-aktuell<br />

Paris während <strong>der</strong><br />

Bartholomäusnacht.<br />

Die Häuser <strong>der</strong> Hugenotten<br />

waren gekennzeichnet,<br />

Männer, Frauen und Kin<strong>der</strong><br />

wurden gnadenlos erschlagen.<br />

Zeitgenössisches Gemälde von<br />

François Dubois<br />

Jeanne d‘Albret<br />

Papst Pius V<br />

König Heinrich IV<br />

werden. Die Königin-Mutter von Medici, Jeanne III.<br />

von Navarra, besser bekannt als Jeanne d‘Albret<br />

(1528–1572), 9 schrieb an Papst Pius V: „Die Zahl<br />

<strong>der</strong>er, die sich von <strong>der</strong> römischen Kirche getrennt<br />

haben, ist so groß, dass sie nicht länger durch die<br />

Strenge des Gesetzes o<strong>der</strong> durch Waffengewalt<br />

unterdrückt werden können. Sie sind durch die<br />

adeligen Beamten, die sich <strong>der</strong> Partei angeschlossen<br />

haben, so stark geworden, sie halten so fest<br />

zusammen, dass sie in allen <strong>Teil</strong>en des Königreichs<br />

mehr und mehr gefürchtet werden.“<br />

Der Papst, <strong>der</strong> später heiliggesprochen wurde,<br />

war jedoch dagegen, die Evangeliumsleute gewähren<br />

zu lassen, und beide Parteien machten sich<br />

bereit für militärische Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />

1572: Die Bartholomäusnacht<br />

1562 wurde eine große Versammlung unbewaffneter<br />

Gottesdienstbesucher in einer Scheune<br />

umzingelt; die wehrlosen Opfer wurden abgeschlachtet.<br />

Ein Bürgerkrieg war die Folge, er verwüstete<br />

große <strong>Teil</strong>e Frankreichs.<br />

1572 kam es zur Hochzeit von Heinrich von<br />

Béarn, König von Navarra (1533–1610 10 ), inzwischen<br />

Führer <strong>der</strong> hugenottenischen Sache, und<br />

Margarete 11 (1553–1615), Tochter <strong>der</strong> Katharina<br />

von Medici. Für die Hugenotten sah es aus, als<br />

bringe das Frieden, daher versammelte sich eine<br />

große Zahl von ihnen in Paris, um den Feierlichkeiten<br />

beizuwohnen.<br />

Eine Woche nach <strong>der</strong> Hochzeit in Notre-Dame,<br />

in <strong>der</strong> Nacht zum Tag des heiligen Bartholomäus,<br />

überraschten katholische Truppen die Nichtsahnenden;<br />

es kam zu einem Blutbad. Zuvor waren die<br />

Häuser <strong>der</strong> Hugenotten gekennzeich- net worden,<br />

Männer, Frauen und Kin<strong>der</strong> wurden<br />

gnadenlos erschlagen. In ganz Frankreich kam es<br />

zu ähnlich grauenhaften Handlungen. Die Zusammenkünfte<br />

<strong>der</strong> Hugenotten wurden verboten und<br />

man entzog ihnen ihre Kin<strong>der</strong>, um sie im Kloster<br />

katholisch zu erziehen.<br />

1594 bestieg Heinrich von Navarra als Heinrich<br />

IV. den Thron Frankreichs. Er war kein religiöser<br />

Mensch und sah die Hugenotten eher als politische<br />

Partei. Als protestantischer Herrscher in<br />

einem katholischen Land hatte er es nicht leicht.<br />

Um seinen Thron zu sichern, wurde er katholisch,<br />

nutzte aber seine Stellung, um Gesetze zugunsten<br />

<strong>der</strong> Hugenotten zu erlassen. 1598 wurde durch<br />

das Edikt von Nantes den Hugenotten die Freiheit<br />

des Gewissens und des Gottesdienstes zuerkannt.<br />

Zwölf Jahre danach wurde <strong>der</strong> König ermordet,<br />

die Hugenotten kamen wie<strong>der</strong> in Bedrängnis.<br />

1685 wurde das Edikt von Nantes aufgehoben.<br />

Alle Prediger mussten innerhalb von 14 Tagen das<br />

Land verlassen, <strong>80</strong>0 Versammlungsstätten wurden<br />

zerstört. Wer sich nicht „bekehren“ wollte: Männer<br />

kamen lebenslang auf Galeeren, Frauen ins Gefängnis.<br />

Heimlich, auf verbotenen Pfaden, versuchten<br />

viele mit ihren kleinen Kin<strong>der</strong>n, den Alten und<br />

Kranken das Land zu verlassen – ein Exodus <strong>der</strong><br />

Besten des französischen Volkes. Für die Län<strong>der</strong>,<br />

die die Flüchtlinge aufnahmen – die Schweiz, Preußen,<br />

Holland, England, Nordamerika und an<strong>der</strong>e –<br />

waren sie eine Bereicherung, diese tüchtigen, ehrlichen<br />

Menschen; neben ihrer Gottesfurcht brachten<br />

sie auch ihre Fähigkeiten in Handwerk und Handel<br />

mit und engagierten sich in <strong>der</strong> Politik.<br />

1620: Aufbruch in eine neue Welt<br />

Meinungsverschiedenheiten unter den nicht<br />

katholischen Christen waren gang und gäbe: Die<br />

einen vertraten die Glaubenstaufe, an<strong>der</strong>e sahen<br />

gute Gründe, die Kin<strong>der</strong>taufe beizubehalten. Die<br />

einen waren <strong>der</strong> Ansicht, <strong>der</strong> Staat habe kein Recht,<br />

sich in religiöse Angelegenheiten einzumischen<br />

o<strong>der</strong> irgendeine Richtung zu begünstigen; an<strong>der</strong>e<br />

hielten es für seine Pflicht, eine gewisse Aufsicht<br />

und Kontrolle über die Kirche auszuüben. Und nicht<br />

wenige, die selber protestierten gegen die Zwangsmaßnahmen,<br />

unter denen sie litten, verweigerten<br />

diese Freiheit denen, die ihren Glauben an<strong>der</strong>s lebten<br />

und an<strong>der</strong>s dachten als sie.<br />

62<br />

Z für Zukunft


Einige gute Möglichkeiten:<br />

► von den zeitlos aktuellen bisherigen<br />

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erwarten, hoffen vergeblich.<br />

In <strong>der</strong> Tat: Heute, wo<br />

Meinungsfreiheit geradezu in<br />

den Stand <strong>der</strong> Heiligkeit erhoben<br />

wird, sind eine Fülle neuer<br />

Tabus errichtet worden. Denken<br />

Sie an Eva Herman: Wer als<br />

TV-Sprecherin die einseitige Verherrlichung<br />

<strong>der</strong> erwerbstätigen<br />

Frau infrage stellt und den Wert<br />

<strong>der</strong> Mutter öffentlich ausspricht,<br />

ist seinen Job schnell los.<br />

Die »Z« ist ein Tabubrecher<br />

zugunsten <strong>der</strong> Wahrheit.“<br />

Christa Meves<br />

Hier finden Sie kompetente Beiträge zu allen gesellschaftlichen<br />

Bereichen aus <strong>der</strong> Perspektive christlicher<br />

Werte. Das Magazin »Z« liefert gut formulierte Argumente,<br />

die helfen, in einer erschütterten Welt selber einen<br />

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Z für Zukunft<br />

63


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64<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Der Gedanke, in <strong>der</strong> „Neuen Welt“ jenseits des<br />

Atlantiks Gewissens- und Glaubensfreiheit zu finden,<br />

bewegte viele Christen, naturgemäß beson<strong>der</strong>s<br />

die, die genug hatten von den Entbehrungen<br />

<strong>der</strong> Flucht.<br />

Eines <strong>der</strong> <strong>ersten</strong> Schiffe mit den Verfolgten,<br />

das sich nach Westen aufmachte, war 1620 die<br />

Speedwell 12 . Am Delfter Hafen wurde den Scheidenden<br />

die Worte des englischen Puritaners John<br />

Robinson (1575–1625) 13 auf den Weg mitgegeben:<br />

„Wenn Gott euch irgendetwas durch ein<br />

an<strong>der</strong>es seiner Werkzeuge offenbart, seid bereit,<br />

es so willig anzunehmen, wie ihr die Wahrheiten<br />

hier angenommen habt. Denn ich bin überzeugt,<br />

dass <strong>der</strong> Herr noch weitere Wahrheiten hat, die<br />

aus seinem heiligen Wort geschöpft werden<br />

können. Ich kann den Zustand <strong>der</strong> reformierten<br />

Kirche nicht genug beklagen, die zum Stillstand<br />

gekommen ist und heute nicht weiter geht als<br />

ihre Reformatoren. Die Lutheraner können nicht<br />

dazu gebracht werden, über das hinauszugehen,<br />

was Luther sah; was auch immer unser Gott Calvin<br />

offenbart haben mag: sie werden lieber sterben<br />

als es annehmen; und die Calvinisten stecken<br />

da fest, wo sie von dem großen Gottesmann gelassen<br />

worden sind, <strong>der</strong> doch auch nicht alles gesehen<br />

hat. Das ist eine beklagenswerte Not, denn<br />

obwohl sie zu ihrer Zeit brennende Lichter waren,<br />

drangen sie doch nicht in den ganzen Ratschluss<br />

Gottes ein. Denn es ist nicht möglich, dass die<br />

christliche Welt, die erst vor Kurzem aus so tiefer<br />

antichristlicher Finsternis herausgekommen ist,<br />

die volle Erkenntnis auf einmal erfasste.“<br />

Zur Speedwell gesellte sich die Mayflower<br />

(„Maiblume“), die eine Gruppe aus England hinüber<br />

in die „neue Welt“ brachte. Beide Schiffe stachen<br />

in See; ein Leck an <strong>der</strong> Speedwell zwang sie<br />

jedoch zur Umkehr nach Plymouth. Dort drängten<br />

sich alle auf <strong>der</strong> kleinen Mayflower zusammen. Ein<br />

furchtbarer Sturm zwang auch sie fast zur Umkehr,<br />

aber entschlossen setzen die Pioniere die Reise fort,<br />

kämpften sich durch und nach neun schrecklichen<br />

Wochen landeten 102 Personen in <strong>der</strong> Plymouth-Bai<br />

in Neuengland. Hier gründeten sie einen Staat, <strong>der</strong><br />

nie das Gepräge des Charakters <strong>der</strong> Männer und<br />

Frauen verlieren sollte, die ihn in Gottesfurcht und<br />

Freiheitsliebe ins Leben riefen.<br />

John Wesley, 1703–1791 14<br />

Johns Mutter Susanna war eine würdige Ehefrau<br />

ihres Mannes, eines anglikanischen Geistlichen;<br />

wenn dieser abwesend war – und das war er oft<br />

– hielt die Mutter von 19 Kin<strong>der</strong>n (neun starben<br />

sehr früh) selber die Familienandacht, da wurde<br />

in <strong>der</strong> Schrift gelesen und darüber gesprochen.<br />

Auch an<strong>der</strong>e baten darum, teilnehmen zu dürfen;<br />

bisweilen versammelten sich über hun<strong>der</strong>t<br />

Personen. Man beschwerte sich bei ihrem Mann,<br />

sie maße sich einen Platz an, <strong>der</strong> ihr als Frau<br />

nicht zustehe; sie entgegnete: „Ich bin Frau, aber<br />

genauso bin ich Herrin einer großen Familie. Und<br />

in deiner Abwesenheit kann ich doch nichts an<strong>der</strong>es<br />

tun, als auf jede Seele zu achten, die du meiner<br />

Obhut unterstellt hast.”<br />

Susannas Söhne Charles und John wurden<br />

wie ihr Vater anglikanische Geistliche, aber auch<br />

nach ihrer Ordinierung konnten sie noch keinen<br />

eigenen Glauben bezeugen. Auf einer Reise nach<br />

Amerika lernten sie „mährische Brü<strong>der</strong>“ 15 kennen<br />

(Herrnhuter). Ihre Demut, ihr Friede und ihr Mut<br />

machten auf John Wesley großen Eindruck.<br />

Die Reise war für ihn ein Fehlschlag: „Ich ging<br />

nach Amerika, um die Indianer zu bekehren. Aber<br />

ach! wer bekehrt mich?“ 1738, wie<strong>der</strong> zurück in<br />

England, traf er abermals Herrnhuter, und mehrere<br />

tiefgründige Gespräche mit Peter Böhler<br />

öffneten ihm die Tür zum Glauben. Auf die zweifelnde<br />

Frage, ob er das Predigen aufgeben sollte,<br />

antwortet Böhler: „Nein, predige den Glauben,<br />

bis du ihn hast; danach wirst du, weil du ihn hast,<br />

den Glauben predigen.“<br />

So verkündigte John Wesley in vielen<br />

Londo- ner Kirchen eifrig das „freie (unver-<br />

Mayflower & Speedwell im Hafen<br />

von Dartmouth, Gemälde von<br />

Leslie Wilcox<br />

Der Gedanke,<br />

in <strong>der</strong> „Neuen<br />

Welt“ Gewissensund<br />

Glaubensfreiheit<br />

zu finden,<br />

bewegte viele<br />

Christen<br />

John Robinson im Gebet auf <strong>der</strong><br />

Speedwell<br />

Z für Zukunft<br />

65


Z-aktuell<br />

Als Wesley die Kanzel <strong>der</strong><br />

Pfarrkirchen verboten war,<br />

begann er im Freien<br />

zu predigen<br />

Bild: © Wellcome Collection<br />

Peter Böhler<br />

Nikolaus Ludwig<br />

Graf von Zinzendorf<br />

George Whitefield<br />

dient geschenkte und unverdienbare) Heil durch<br />

den Glauben an das Blut Christi“; und in einer nach<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en wurde ihm mitgeteilt, das sei seine<br />

letzte Predigt hier gewesen.<br />

Daraufhin besuchte er Herrnhut und begegnete<br />

dort auch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf,<br />

das war ihm eine große Hilfe.<br />

Wie<strong>der</strong> in England, traf er in Bristol seinen<br />

alten Freund George Whitefield (1714–1770);<br />

dem erging es ähnlich wie John: Der Klerus war<br />

so aufgebracht, dass auch ihm <strong>der</strong> Zugang zu fast<br />

allen Kanzeln verwehrt wurde. Freunde rieten<br />

ihm, er könne ja den Kumpels in den Kohlegruben<br />

predigen, um die kümmere sich keiner. Was<br />

Whitefield denn auch tat: „Da mir die Kanzeln<br />

verschlossen waren und die armen Kohlearbeiter<br />

aus Mangel an Erkenntnis umzukommen drohten,<br />

ging ich zu ihnen und predigte auf einem Berg<br />

vor über zweihun<strong>der</strong>t Arbeitern. Das Eis war<br />

gebrochen und ich hatte wie<strong>der</strong> Boden gewonnen.“<br />

Bei seiner nächsten Predigt kamen zehntausend!<br />

Whitefields Predigt ging ihnen durchs<br />

Herz – die Tränen hinterließen weiße Spuren auf<br />

ihren schwarzen Wangen.<br />

Whitefield bat John Wesley, ihm zu helfen. Wesley<br />

war <strong>der</strong> Ansicht gewesen, Seelen retten könne man<br />

nur in einer Kirche; nun predigte er zum <strong>ersten</strong> Mal<br />

im Freien: „Ich sprach von einer kleinen Anhöhe<br />

nahe <strong>der</strong> Stadt vor ungefähr 3000 Menschen.“<br />

Nun war das Evangelium aus den grauen Kirchenmauern<br />

herausgekommen, und es eroberte das<br />

Land: Nicht nur die Ärmsten in den Elendsvierteln<br />

bekehrten sich, auch <strong>der</strong> Adel wurde erreicht. Es<br />

mangelte an Geistlichen, aber nicht lange, und <strong>der</strong><br />

Theologe Wesley erkannte, dass <strong>der</strong> Heilige<br />

Geist zahlreiche Laien befähigte, das Evangelium<br />

mit Kraft zu verkündigen – auch ohne Ausbildung<br />

waren sie mächtige Zeugen Jesu. Anfangs gab es<br />

bei den Zusammenkünften seltsame Erscheinungen:<br />

Zuhörer stürzten mit Zuckungen zu Boden und<br />

schrien vor Reue o<strong>der</strong> Furcht.<br />

Wesley, Whitefield und an<strong>der</strong>e waren ständig<br />

auf Reisen, durchzogen England und Wales. Eine<br />

große Erweckung erfasste das Land und ergriff<br />

auch Irland, Schottland und sogar Neuengland in<br />

Amerika.<br />

Lehr- und Meinungsverschiedenheiten<br />

Es verwun<strong>der</strong>t nicht, dass es auch Meinungsverschiedenheiten<br />

gab über die „neuen”, bis dahin<br />

vernachlässigten Wahrheiten. Bei Lehrstreitigkeiten<br />

steht nicht immer Wahrheit gegen Irrtum; so<br />

hat die auch Lehre von <strong>der</strong> Rechtfertigung allein<br />

aus Glauben, ohne Werke, ein Gegenüber: die <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit guter Werke als Folge und Beweis<br />

des Glaubens. In <strong>der</strong> Tat hat jede große Lehre<br />

<strong>der</strong> Heiligen Schrift ein Gegenstück; erst beide<br />

zusammen lassen das Ganze sehen.<br />

Einige betonten mehr die eine Seite, an<strong>der</strong>e<br />

wie<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Seite; und je<strong>der</strong> neigte dazu,<br />

seiner Ansicht mehr Nachdruck zu verleihen und<br />

in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en eine Gefahr zu wittern. Die Größe<br />

und Vielseitigkeit von Gottes Offenbarung führt<br />

oft dazu, dass sie nur zu einem <strong>Teil</strong> und unterschiedlich<br />

begriffen wird.<br />

So war es auch bei Wesley und den Herrnhutern<br />

– nach und nach kam es über verschiedene<br />

Punkte zu unterschiedlichen Ansichten. Ihre Herkunft<br />

und ihre Geschichte verlieh den Herrnhutern<br />

Züge, die Wesley abgehoben und weltfremd<br />

vorkamen; seine Persönlichkeit war pragmatisch,<br />

praktisch, zupackend.<br />

Schon früh unterschieden sich auch Wesley und<br />

Whitefield in Lehrfragen; die calvinistische Sicht<br />

Whitefields sagte Wesley gar nicht zu. Ihre Beziehung<br />

litt aber nicht darunter, und bei<strong>der</strong> Verkündigung<br />

<strong>der</strong> Rechtfertigung aus Glauben war gleich<br />

wirksam: Sowohl bei Wesley als auch bei Whitefield<br />

bekehrten sich die Sün<strong>der</strong> in Scharen.<br />

Auch die Predigtstile <strong>der</strong> beiden unterschieden<br />

sich sehr, und doch zeigten sie die gleiche Wirkung.<br />

Whitefield predigte leidenschaftlich, gera-<br />

66<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

dezu dramatisch – Wesley war klar und logisch,<br />

seine Predigten enthielten vor allem Auslegung,<br />

und doch fesselten sie auch die rohesten Zuhörer.<br />

Und heute?<br />

Ist Kirche, sind Versammlungen nach dem Vorbild<br />

des Neuen Testaments heute noch möglich?<br />

Die Antwort darauf – also ob Kirche heute <strong>der</strong><br />

Lehre und dem Vorbild des Neuen Testaments<br />

gerecht werden kann –, hängt sehr davon ab, aus<br />

welchem Blickwinkel man es betrachtet; gelingt<br />

es, die traditionellen Vorgaben zu integrieren, zu<br />

modifizieren, o<strong>der</strong> müssen wir sie eliminieren?<br />

1. Das „Vorbild“ dürfte den Ritualkirchen nicht<br />

allzu erstrebenswert erscheinen; meint man dort<br />

doch, über die Jahrhun<strong>der</strong>te habe man etwas<br />

Besseres erreicht als das, was anfangs praktiziert<br />

wurde; die Schrift wurde durch Überlieferung<br />

„erweitert“ o<strong>der</strong> gar verdrängt.<br />

2. Der Rationalismus betrachtet es ebenfalls als<br />

Rückschritt, wenn man auf die originalen Muster<br />

zurückgreift. Für ihn ist die Schrift nicht<br />

bindende Autorität.<br />

3. Reformatoren bestehen<strong>der</strong> Kirchen – Luther,<br />

Spener und an<strong>der</strong>e – versuchten, einen Kompromiss<br />

zu erwirken; in manchem blieben sie<br />

hinter dem zurück, was sie erkannt hatten.<br />

4. Einige, wie die Mystiker, gaben auf und strebten<br />

nur noch nach einer Art Isolations-Heiligung<br />

und <strong>der</strong> engen Verbindung zu Gott.<br />

„Äußerlichkeiten“ wie Taufe und Abendmahl<br />

wurden vernachlässigt; man lehnt die verbindliche<br />

Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ab<br />

und spricht vom „Zerfall <strong>der</strong> Kirche“.<br />

5. Evangelistische Bewegungen hielten diese Fragen<br />

nicht für so wichtig; sie befassten sich vorwiegend<br />

mit <strong>der</strong> Bekehrung von Sün<strong>der</strong>n und<br />

wie man sie anschließend organisieren kann.<br />

6. Zu allen Zeiten hat es aber auch solche gegeben,<br />

die die Frage nach dem „Zurück zum Original“<br />

mit Ja beantwortet haben: Katharer, Novatianer,<br />

Paulizianer, Bogomilen, Albigenser, Waldenser,<br />

Wie<strong>der</strong>täufer und unzählige an<strong>der</strong>e (ausführlich<br />

dazu siehe „Der rote Faden“ <strong>Teil</strong> 1, »Z« 19/20,<br />

ab S. 48). Sie waren eins in dem Bestreben, im<br />

Neuen Testament zu forschen und dem Vorbild<br />

<strong>der</strong> neutestamentlichen Gemeinde zu folgen.<br />

Rezension mit Auszügen aus „2000 Jahre Gemeinde Jesu –<br />

Schmach und Segen christlicher Pilgerschaft“. Eine spannende<br />

Kirchengeschichte beson<strong>der</strong>er Art von E.H. Broadbent, CV Dillenburg<br />

2016 (redaktionell bearbeitet).<br />

http://shop.agentur-pji.com/2000-jahre-gemeinde-jesu-3.html<br />

1 Hans Denck (auch Johann(es) Den(c)k, authentische Namensform<br />

Dengk<br />

2 Balthasar Hubmaier (auch Huebmör, Hubmör, Hubmair, Hubmayr,<br />

Hubmeier; Friedberger, um 1485–1528) war eine führende<br />

Täuferpersönlichkeit <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong>szeit, was ihn das<br />

Leben kostete.<br />

3 Menno Simons, 1496–1561, nie<strong>der</strong>ländisch-friesischer Theologe.<br />

Simons war einer <strong>der</strong> führenden<br />

4 Das „Täuferreich von Münster” in den 1530er-Jahren in Münster<br />

(Westfalen) um den Prediger Bernd Rothmann war eine sich<br />

zunehmend radikalisierende Bewegung hin zu einem das Ende<br />

<strong>der</strong> Welt erwartenden Regime. Die Stadt wurde von katholischen<br />

Truppen eingekesselt und ausgehungert; das „Täuferreich”<br />

griff zu offener Gewalt. Auch in Lehrfragen und in <strong>der</strong><br />

Sittlichkeit kam es zu groben Verirrungen.<br />

5 Caspar von Schwenkfeld (1490–1561), auch Kaspar<br />

Schwen(c)kfeld von Ossig, war Theologe, Reformator und Verfasser<br />

christlicher Bücher.<br />

6 Jacques Lefèvre d’Étaples (auch Jacobus Faber Stapulensis<br />

(1450/1455–1536) war französischer Theologe und Humanist.<br />

Sein Name verbindet sich vor allem mit „La Sainte Bible en français”<br />

(1523–30), <strong>der</strong> <strong>ersten</strong> vollständigen französischen Bibelübersetzung.<br />

7 Gérard Roussel (lateinisch: Girardus Ruffus, um 1500–1550)<br />

war ein französischer Humanist und religiöser Reformer und ein<br />

ergebener Schüler von Jacques Lefèvre d’Étaples.<br />

8 Johannes Calvin (re-galliziert Jean Calvin, eigentlich Jehan Cauvin;<br />

1509–1564) war ein Reformator französischer Abstammung,<br />

Begrün<strong>der</strong> des Calvinismus. Er gilt als Vertreter einer<br />

kerygmatischen Theologie (Verkündigungstheologie).<br />

9 Jeanne III. von Navarra, besser bekannt als Jeanne d’Albret<br />

(1528–1572), war von 1555 bis 1572 Gräfin von Rodez und<br />

Königin von Navarra.<br />

10 Heinrich IV. von Navarra (französisch Henri IV, 1553–1610) war<br />

seit 1572 als Heinrich III. König von Navarra und von 1589 bis<br />

zu seiner Ermordung 1610 als Heinrich IV. König von Frankreich.<br />

In seiner gascognischen Heimat nannte man ihn in <strong>der</strong><br />

Landessprache „unser guter König Heinrich”.<br />

11 Margarete von Valois (155 –1615), auch bekannt unter dem<br />

Namen la Reine Margot, war Königin von Frankreich und<br />

Navarra sowie Herzogin von Valois.<br />

12 Die Speedwell (gebaut 1577) war ein 60-Tonnen-Segelschiff,<br />

das gemeinsam mit <strong>der</strong> Mayflower „Pilgerväter” nach Nordamerika<br />

bringen sollte in ein Gebiet im heutigen Virginia; wegen<br />

technischer Probleme musste sie nahe England zwei Mal die<br />

Reise abbrechen.<br />

13 John Robinson (1575–1625) war ein englischer Theologe (Puritaner).<br />

14 John Wesley war ein englischer Erweckungsprediger, <strong>der</strong> auch<br />

in Nordamerika tätig war, und einer <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> methodistischen<br />

Bewegung.<br />

15 Die „Herrnhuter”, auch „Mährische Brü<strong>der</strong>”, gehen zurück<br />

auf Glaubensflüchtlinge aus dem heutigen Tschechien. Nikolaus<br />

Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) nahm sie auf,<br />

das war <strong>der</strong> Anfang von Herrnhut, 100 km östlich von Dresden.<br />

Aus <strong>der</strong> „Herrnhuter Brü<strong>der</strong>gemeine” gingen seit 1732 außerordentlich<br />

viele Missionare in alle Welt.<br />

In Streitigkeiten<br />

steht nicht immer<br />

Wahrheit gegen<br />

Irrtum: Die Rechtfertigung<br />

allein aus<br />

Glauben, ohne Werke.<br />

Die guten Werke als<br />

notwendigen Folge<br />

des Glaubens.<br />

Jede große Lehre <strong>der</strong><br />

Heiligen Schrift hat<br />

einen scheinbaren<br />

Gegensatz.<br />

Erst beide<br />

zusammen lassen<br />

das Ganze sehen.<br />

„2000 Jahre Gemeinde Jesu<br />

– Schmach und Segen christlicher<br />

Pilgerschaft“. E.H. Broadbent,<br />

CV Dillenburg 2016<br />

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2000-jahre-gemeinde-jesu-<br />

3.html<br />

Z für Zukunft<br />

67


Z-aktuell<br />

Foto: © Agentur PJI UG<br />

Aphrodisias, ganz in <strong>der</strong><br />

Nähe von Laodizäa, war<br />

im <strong>ersten</strong> Jahrhun<strong>der</strong>t eine<br />

christliche Metropole. Die<br />

Christen prägten damals<br />

die Gesellschaft<br />

Bröckelnde Fundamente<br />

von den <strong>ersten</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ten an – Was hatten die <strong>ersten</strong> Christen,<br />

das heute offensichtlich abhandengekommen ist?<br />

Peter Ischka<br />

Foto: © Wikipedia/Gustave Doré<br />

Ephesos:<br />

Zauberbücher<br />

werden<br />

verbrannt<br />

Spannend, die Erfolgsgeschichte <strong>der</strong> frühen<br />

Christenheit: „Die nun an das Wort<br />

glaubten, ließen sich daraufhin durch<br />

Untertauchen taufen; an jenem Tag<br />

waren es etwa dreitausend. Sie blieben<br />

in <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> Apostel und in <strong>der</strong> Gemeinschaft,<br />

im Brechen des Brotes und im Gebet. Es kam aber<br />

über jeden Ehrfurcht vor Gott, und es geschahen<br />

viele Wun<strong>der</strong> und Zeichen durch die Apostel.“ 1<br />

Am Ende des <strong>ersten</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ts war die damals<br />

bekannte Welt vom Christentum durchdrungen –<br />

ohne Internet, Radio o<strong>der</strong> Fernsehen; <strong>der</strong> Einfluss<br />

<strong>der</strong> Christen in <strong>der</strong> Gesellschaft war unübersehbar.<br />

Denken wir an den Aufstand <strong>der</strong> Silberschmiede in<br />

Ephesos: Die Abwendung von <strong>der</strong> Götzenverehrung<br />

hatte eine ganze Branche erschüttert.<br />

Welche Rolle spielt die Christenheit im Westen<br />

heute? Was hatten die <strong>ersten</strong> Christen, das heute<br />

offensichtlich abhandengekommen ist?<br />

Keine Frage, wir sind Kin<strong>der</strong> unserer Zeit. Wir<br />

haben aus vielen Quellen getrunken und schon<br />

mit <strong>der</strong> Muttermilch wurde uns reichlich Zeitgeist<br />

verabreicht. Wir betrachten daher alles<br />

durch eine humanistisch gefärbte Brille, ohne uns<br />

dessen wirklich bewusst zu sein.<br />

Was Jesus Christus in seinem Werk am Kreuz,<br />

in seiner Auferstehung und <strong>der</strong> Ausgießung des<br />

Heiligen Geistes vollbracht hat, wurde nicht erst<br />

vom Denkkonzept <strong>der</strong> Aufklärung überschattet<br />

(„Der Mensch ist das Maß aller Dinge“); die<br />

Rezeption jener Vorgänge wurde bereits im <strong>ersten</strong><br />

Jahrhun<strong>der</strong>t von philosophischen und heidnischen<br />

Strömungen durchzogen, was einer näheren<br />

Betrachtung wert ist.<br />

Was ist eigentlich „Kirche“?<br />

Wenn man zur Kirche geht, denkt man an ein<br />

bestimmtes Gebäude. Die <strong>ersten</strong> Christen hatten<br />

das an<strong>der</strong>s verstanden; für sie war „Kirche“<br />

68<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Machtgewinn und Befreiungsstreben<br />

Gegen Ende des vierten Jahrhun<strong>der</strong>ts verkehrten<br />

die Bischöfe mit den Oberen <strong>der</strong> weltlichen Herrschaft<br />

und gewannen Einfluss in <strong>der</strong> Politik.<br />

Diese zunehmende Machtdominanz wurde<br />

später, Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts, zum Auslöser<br />

für die Aufklärung, die ursprünglich für<br />

die Emanzipation des Denkens und Handelns<br />

von Kirche und Christentum eintrat, aber wie<br />

ein überzogener Pendelschwung in die sogenannte<br />

„Befreiung“ des Menschen von <strong>der</strong><br />

Religion überhaupt führen sollte.<br />

Die fatale Zweiteilung in Geistliche und Laien ist<br />

bis heute in den Köpfen <strong>der</strong> Gläubigen tief verankert.<br />

Diese Fehlentwicklung hat bisher noch jeden<br />

Reformversuch überstanden; und sie hat auch nicht<br />

haltgemacht vor den sogenannten „Freikirchen“.<br />

„Solus pastorus“?<br />

So wird bis heute <strong>der</strong> Kirchenbesucher zum<br />

passiven Konsumenten degradiert, denn dass<br />

jedes Gemeindemitglied im Gottesdienst einen<br />

Beitrag leistet, ist nach wie vor kaum möglich.<br />

„Wenn ihr zusammenkommt, so hat je<strong>der</strong><br />

etwas zu geben.“ 12<br />

Natürlich stellt sich die Frage: Wie kommt<br />

man von „solus pastorus“ wie<strong>der</strong> zu dem Konzept,<br />

bei dem Christus selbst das Haupt eines vielgliedrigen<br />

Leibes sein darf?<br />

Geköpft?<br />

Die <strong>ersten</strong> Christen wurden von <strong>der</strong> Welt als<br />

etwas ganz Beson<strong>der</strong>es wahrgenommen: „Seht,<br />

wie sie einan<strong>der</strong> lieben!“ Dieses Markenzeichen<br />

wie<strong>der</strong>zugewinnen, könnte <strong>der</strong> Schlüssel<br />

für unsere Zeit werden.<br />

In einem bis heute überlieferten Brief aus dem<br />

1. Jahrhun<strong>der</strong>t nach Christus an die ekklesia in<br />

Ephesos heißt es: „Aber ich habe gegen dich, dass<br />

du deine erste Liebe verlassen hast. Tue Buße;<br />

wenn nicht, so werde ich deinen Leuchter von seiner<br />

Stelle wegrücken. [Es könnte finster werden!]<br />

Wer aber überwindet, dem gebe ich vom Baum des<br />

Lebens zu essen, <strong>der</strong> im Paradiese Gottes steht.“ 13<br />

Die Vermischung mit heidnisch-philosophischen<br />

Elementen hat diesen „Leib“ <strong>der</strong> an Christus<br />

Foto: © Wikipedia<br />

Gläubigen von seinem Haupt Christus weitgehend<br />

abgetrennt – „geköpft“. Man kann sich vorstellen,<br />

dass ein Leib so nicht beson<strong>der</strong>s lebensfähig ist.<br />

In die Pötte kommen<br />

An dem einen Tag wurden damals dreitausend<br />

neue Gläubige „hinzugetan“. In den Großkirchen<br />

erfreuen sich heute nur die Austrittszahlen steigen<strong>der</strong><br />

Tendenz.<br />

Wenn wir die Entwicklung unserer Gesellschaft<br />

aufmerksam beobachten, erkennen wir: Nur eine<br />

ekklesia, wie Jesus sie vorgesehen hat – die etwas<br />

öffnen o<strong>der</strong> schließen kann –, wird in den aktuellen<br />

Strömungen Auswirkung haben. „Werdet nicht<br />

gleichförmig <strong>der</strong> Welt“, empfiehlt Paulus. 15<br />

Zitate und Informationen stammen aus „Heidnisches Christentum?<br />

Über die Hintergründe mancher unserer vermeintlich biblischen<br />

Gemeindetraditionen“ von Frank Viola und George Barna,<br />

GloryWorld Medien 2010, erhältlich bei<br />

http://shop.agentur-pji.com/heidnisches-christentum.html<br />

(ab 19,- Bestellwert kostenloser Versand).<br />

1 Apostelgeschichte 2,41–43.<br />

2 Matthäus 16,18–19.<br />

3 Apostelgeschichte 20,20; Römer 16,3.5; 1. Korinther 16,19.<br />

4 1. Korinther 12,21–34.<br />

5 1. Korinther 14,26; Hebräer 10,24–25.<br />

6 1. Korinther 12–14.<br />

7 Apostelgeschichte 8,1; 13,1; 18,<strong>22</strong>; Römer 16,1; 1. Thessalonicher<br />

1,1.<br />

8 Matthäus 23,8–12.<br />

9 Matthäus 20,25–28; Lukas <strong>22</strong>,25–26.<br />

10 In Epheser 4,11.<br />

11 1. Samuel 8,19.<br />

12 1. Korinther 14,26.<br />

13 Offenbarung 2,7.<br />

14 Matthäus 6,10.<br />

15 Römer 12,2.<br />

Foto: © Wikipedia/Erell<br />

Kaiser Konstantin (Mitte)<br />

trieb den Kirchenbau<br />

voran. Wer das Geld<br />

gibt, hat die Macht<br />

Kirchenmitglie<strong>der</strong><br />

zum Zuschauen<br />

verurteilt<br />

Z für Zukunft<br />

71


Z-aktuell<br />

Der<br />

Antichrist<br />

kommt immer<br />

als Engel<br />

des Lichts.<br />

Lächelt, redet<br />

vom Frieden<br />

und weiß,<br />

wie er die<br />

Massen für<br />

sich gewinnt<br />

Luther und <strong>der</strong> Antichrist<br />

Hat die Sicht des Reformators noch Gegenwartswert? – Die Frage nach dem Antichristen<br />

hat Martin Luther sehr beschäftigt.<br />

Der Theologe Dr. M. H. Jung erinnert<br />

daran, 1 dass Luther schon in seiner<br />

Schrift an den Adel (1520) den Verdacht<br />

äußerte, <strong>der</strong> Papst in Rom sei<br />

das in Offenbarung 13 geschil<strong>der</strong>te<br />

„Tier aus dem Meer“ und <strong>der</strong> „Antichrist“ und<br />

zerstöre die Kirche von innen her.<br />

Dann setzte Luther sich mit dem Anspruch des<br />

Papstes auseinan<strong>der</strong>, das Oberhaupt aller Christen<br />

zu sein, und lehnte diesen sowie die Annahme<br />

seiner Unfehlbarkeit ab. Das kulminiert in seiner<br />

grundlegenden und abschließenden Schrift von<br />

1545, wo er das Papsttum schon im Titel als „vom<br />

Teufel gestiftet” bezeichnet und keineswegs von<br />

Jesus o<strong>der</strong> Petrus begründet. 2<br />

Martin Luther: „Sehr leicht ist zu beweisen,<br />

dass <strong>der</strong> Papst nicht <strong>der</strong> Oberste und das Haupt<br />

<strong>der</strong> Christenheit ist o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Welt, über<br />

Kaiser, Konzile und alles … Er weiß wohl und es<br />

ist so klar wie die liebe Sonne, dass <strong>der</strong> römische<br />

Bischof nicht mehr als ein Bischof gewesen ist und<br />

noch sein sollte … Hieronymus darf frei heraus<br />

zu sagen wagen, alle Bischöfe seien gleich, allesamt<br />

seien sie Erben des Apostolischen Stuhls.<br />

… Gregor <strong>der</strong> Große … hat mit vielen Schriften<br />

das Papsttum verdammt … Sicher ist, dass <strong>der</strong><br />

Papst und sein Stand eine reine Erdichtung und<br />

Erfindung von Menschen ist … Ebenso weiß man<br />

auch sicher, dass über ihn kein Buchstabe göttlichen<br />

Worts in <strong>der</strong> Heiligen Schrift gefunden<br />

wird. Er hat sich vielmehr aus Überheblichkeit,<br />

Vermessenheit und Frevel in diese Höhe gesetzt.<br />

Danach hat er sich mit Gottes Wort geschmückt<br />

… dadurch … sich zum Abgott gemacht … Gott<br />

fragt in seinem Reich nicht nach Großen, Hohen,<br />

Mächtigen, vielen, Weisen, Edlen usw., son<strong>der</strong>n …<br />

Lukas 1,48 ff ‚Er sieht den Niedrigen an‘. … Aber<br />

im Papsttum und im Kirchenrecht geht es darum,<br />

dass er allein ja <strong>der</strong> Größte, Oberste, Mächtigste<br />

sei, dem niemand gleich sei, den niemand verurteilen<br />

o<strong>der</strong> richten dürfe. Son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong>mann solle<br />

untertan sein und sich richten lassen … Das heißt<br />

auf Römisch und Päpstlich: Herr aller Herren,<br />

König aller Könige, auch über alle Christen, das<br />

ist: über Gott, Christus und den Heiligen Geist,<br />

<strong>der</strong> in den Christen wohnt und lebt, wie Johannes<br />

15,4 und 14,17.23 sagt. Diesen angeblichen Herrn<br />

aller Herren nennt Paulus … den Antichrist, <strong>der</strong><br />

sich gegen und über Gott setzt und erhebt. Denn<br />

die Christenheit hat kein Haupt, kann auch kein<br />

72<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

tels des Oberen führen und leiten lassen muss, als<br />

sei er ein toter Körper, <strong>der</strong> sich wohin auch immer<br />

bringen und auf welche Weise auch immer behandeln<br />

lässt, o<strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Stab eines alten Mannes,<br />

<strong>der</strong> dient, wo und wozu auch immer ihn <strong>der</strong> benutzen<br />

will, <strong>der</strong> ihn in <strong>der</strong> Hand hält.” 21 Im Deutschen<br />

entstand daraus das Wort „<br />

Verblüffend ist auch die Anpassung <strong>der</strong> Jesuiten<br />

an außerhalb ihres Ordens Stehende, um z. B. in<br />

Briefen gewünschte Ziele zu erreichen. <strong>22</strong> Ihre erste<br />

Regel ist: 23 „Nachdem wir alles Urteil abgelegt<br />

haben, müssen wir … in allem <strong>der</strong> wahren Braut<br />

Christi unseres Herrn zu gehorchen, die unsere<br />

heilige Mutter, die Hierarchische Kirche ist … Die<br />

sechste: Reliquien von Heiligen loben, wobei man<br />

jene verehrt und zu diesen betet; dabei … Ablässe …<br />

in den Kirchen loben.” Das ist ein schwerer Verstoß<br />

gegen Gottes Gebot in 2. Mose 20,3 ff: „Du sollst<br />

keine an<strong>der</strong>en Götter haben neben mir. Du sollst dir<br />

kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen …:<br />

Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!”<br />

Die Durchführung <strong>der</strong> genannten Reformen ist<br />

bei dieser Sachlage von Papst Franziskus nicht zu<br />

erwarten.<br />

Luther – Was würde er<br />

zur eigenen Kirche sagen?<br />

Ab <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 16. Jh. standen Jesuiten<br />

als „Sturmtruppe <strong>der</strong> Gegenreformation“ an <strong>der</strong><br />

Spitze des Gegenangriffs gegen die Protestanten. 24<br />

Theologin Margot Käßmann jedoch, Botschafterin<br />

des Rates <strong>der</strong> EKD für das <strong>Reformation</strong>sgedenkjahr<br />

2017, sagte dem italienischen Internetportal<br />

„Vatican Insi<strong>der</strong>“ in einem Interview, 25 es sei für sie<br />

kein Problem, dass Papst Franziskus dem Jesuitenorden<br />

angehöre, <strong>der</strong> seinerzeit als Antwort auf die<br />

<strong>Reformation</strong> entstand. Entscheidend sei, „dass er<br />

ein Papst ist, <strong>der</strong> nah an den Menschen ist”.<br />

Eigentlich sollte sie wissen, dass „Nahesein am<br />

Volk” samt <strong>der</strong> Fähigkeit, Volksmassen für sich zu<br />

begeistern, in <strong>der</strong> Geschichte auch äußerst negativen<br />

Persönlichkeiten eigen war und daher kein Kriterium<br />

für eine geistliche Beurteilung ist. Wichtig<br />

wäre das Erreichen klarer Stellungnahmen zu den<br />

jesuitischen Wurzeln und Zielen des Papstes.<br />

Aber Frau Käßmann sagt ja auch in <strong>der</strong> „Bild<br />

am Sonntag“: „Bei Sexualität geht es um Verlässlichkeit,<br />

Vertrauen, Verantwortung, ganz gleich ob<br />

heterosexuell o<strong>der</strong> homosexuell.“ Offenbar nimmt<br />

sie Bibelstellen wie Römer 1,16–28 nicht ernst.<br />

Da hat mancher katholische Theologe wesentlich<br />

mehr Tiefe, sowohl in Fragen <strong>der</strong> Sexualethik<br />

als auch bei <strong>der</strong> Beurteilung des Gegenübers von<br />

<strong>Reformation</strong> und Gegenreformation.<br />

Luther jedenfalls, so ist zu vermuten, würde<br />

auch bei Frau Käßmann ein Wirken des „Antichristen“<br />

erkennen. Wie wertvoll war doch gerade<br />

ihm <strong>der</strong> Römerbrief! Seine Sicht passt eben nicht<br />

mehr in unsere Zeit. O<strong>der</strong> brauchen wir ihn<br />

gerade unserer Zeit wegen mehr denn je?<br />

1 Jung, Dr. Martin H., Amt <strong>der</strong> VELKD (Hrsg.): Luther lesen – Die Zentralen<br />

Texte. „In Rom regiert <strong>der</strong> Antichrist!” (Göttingen: Vandenhoeck<br />

& Ruprecht, 2016), S. 185–191.<br />

2 Luther, Martin: Wi<strong>der</strong> das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet.<br />

Guth, Karl-Maria: Vollst. Neuausgabe (Berlin: Contumax und Nor<strong>der</strong>stedt:<br />

BoD, 2015), 96 <strong>Seiten</strong>.<br />

3 Luther, Martin: Kritische Gesamtausgabe. Schriften. Bd. 54 (Weimar<br />

1883–1993), S. 195–299.<br />

4 Vom Konflikt zur Gemeinschaft – Gemeinsames lutherisch-katholisches<br />

<strong>Reformation</strong>sgedenken im Jahr 2017 (Leipzig: Evang. Verlagsanstalt<br />

und Pa<strong>der</strong>born: Bonifatius, 2013), S. 33, 92, 12, 16, 79, 9.<br />

5 http://www.wasistwas.de/archiv-geschichte-details/martin-lutherund-<strong>der</strong>-reformationstag.html;<br />

Stand 29.09.2016.<br />

6 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche.<br />

„Lumen gentium” (LThK2, Erg.bd. I, 137–347.348–359).<br />

7 Elberfel<strong>der</strong> Studienbibel mit Sprachschlüssel – NT. 5357 „Christos”<br />

(Wuppertal: Brockhaus, 2000), S. 1038.<br />

8 Lukas 4,16–21<br />

9 1. Timotheus 2,9<br />

10 Kolosser 1,18<br />

11 Coenen, Lothar; Beyreuther, Erich; Bietenhard, Hans: Theologisches<br />

Begriffslexikon zum NT. „Presbyter” (Brockhaus, 1. Son<strong>der</strong>ausg. 1993),<br />

S. 1003–1004, 1007.<br />

12 Apostelgeschichte 17,11<br />

13 Elberfel<strong>der</strong> Studienbibel mit Sprachschlüssel – NT, 500 „Antichristos”,<br />

S. 717.<br />

14 Matthäus 23,9<br />

15 Jung, Dr. Martin H., Amt <strong>der</strong> VELKD (Hrsg.): Luther lesen – Die Zentralen<br />

Texte. „Luther for<strong>der</strong>t Reformen – ‚An den deutschen Adel!‘<br />

(1520)”, S. 33–44.<br />

16 Pesch, Otto Hermann: „Luther und <strong>der</strong> Papst” – Artikel in „Christ in<br />

<strong>der</strong> Gegenwart”, 68. Jahrg. 2016.<br />

17 https://www.welt.de/politik/deutschland/article114436068/Der-Papstgehoert-einem-Orden-von-Elitechristen-an.html,<br />

Stand 30.09.2016.<br />

18 Dowley, Tim (Hrsg.): Handbuch – Die Geschichte des Christentums.<br />

„Der Jesuitenorden” (Basel: Brunnen, 1979), S. 412–414.<br />

19 Broadbent, E. H.: 2000 Jahre Gemeinde Jesu. „Loyola” und „Die<br />

‚Gesellschaft Jesu‘“ (Dillenburg: CV, 1995), S. 145–147.<br />

20 Loyola, Ignatius von: Gründungstexte <strong>der</strong> Gesellschaft Jesu (GGJ). Weise<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft und Darbringung. (Würzburg: Echter, 1998), S. 340.<br />

21 Ebd., S. 740–741.<br />

<strong>22</strong> Ebd., S. 836, 840.<br />

23 Ebd., S. 740–741.<br />

24 Dowley, Tim (Hrsg.): Handbuch – Die Geschichte des Christentums,<br />

S. 415–4<strong>22</strong>.<br />

25 https://www.domradio.de/themen/%C3%B6kumene/2016-05-06/<br />

theologin-kaessmann-vergleicht-papst-franziskus-mit-martin-luther,<br />

Stand 30. 09.2016.<br />

„Ich verspreche<br />

dem allmächtigen<br />

Gott und dem<br />

Papst, seinem<br />

Stellvertreter auf<br />

Erden, ständige<br />

Armut, Keuschheit<br />

und Gehorsam.“<br />

<strong>Teil</strong> des Jesuitenschwurs,<br />

daraus entstand das Wort<br />

„Kadavergehorsam“<br />

Ignatius von Loyola war <strong>der</strong><br />

wichtigste Mitbegrün<strong>der</strong> und<br />

Gestalter <strong>der</strong> später auch als<br />

Jesuitenorden bezeichneten<br />

Gesellschaft Jesu. Er wurde<br />

16<strong>22</strong> heiliggesprochen.<br />

Gemälde von Francisco Zurbaran<br />

(1598-1664), Wikipedia<br />

Z für Zukunft<br />

75


Z-aktuell<br />

Jan Hus<br />

und die Wolke <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Zeugen – wofür sie lebten<br />

und wofür sie starben<br />

Ohne Reformatoren keine <strong>Reformation</strong>.<br />

<strong>Reformation</strong>, was ist das eigentlich? Viele<br />

Vor-Reformatoren sahen ein größeres<br />

Ganzes. Ihre Vision – etwas, das erst noch<br />

in Erfüllung gehen wird?<br />

Johannes Wöhr<br />

Spannen<strong>der</strong> als die Frage, was <strong>Reformation</strong><br />

eigentlich ist, ist die Frage<br />

nach den Reformatoren, den Trägern<br />

eines neuen Denkens: Was waren das<br />

für Menschen, die vor vielen Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

ihre Stimme erhoben und damit eine nachhaltige<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Welt auslösten? Für uns<br />

noch wichtiger: Welchen Schlag Mensch bräuchte<br />

es heute für den Aufbruch in eine neue Zeit?<br />

Damit das Miteinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Menschen und Völker<br />

neu geordnet werden könnte – wohlgemerkt: mit<br />

einer deutlich besseren Alternative!<br />

Reformatoren: Kühne Vordenker<br />

Initiale I <strong>der</strong><br />

Martinitz-Bibel, fol 11v.<br />

Mutmaßlich die älteste<br />

Darstellung des Jan Hus.<br />

Bibliothek <strong>der</strong> Akademie<br />

<strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong><br />

Tschechischen Republik<br />

Reformatoren sind offensichtlich Leute, die unbedingt<br />

entschlossen sind, mit den Mängeln des<br />

bestehenden Systems nicht einfach so weiterzumachen;<br />

dazu bringen sie den Mut auf, sich gegen<br />

die Fehler, die Heuchelei und Irrtümer ihrer Zeit<br />

zu erheben. Diese Kühnheit ist Mangelware.<br />

Beson<strong>der</strong>s heute. Dabei muss man sie sehr wohl<br />

unterscheiden von Revolutionären; denen geht es<br />

hauptsächlich um den notwendigen Umsturz an<br />

sich. Reformatoren haben einen an<strong>der</strong>en inneren<br />

Antrieb: Sie suchen die Wie<strong>der</strong>herstellung eines<br />

Originals. Das sagt schon das Wort: re-formieren.<br />

Sie sehen eine Art Blueprint, <strong>der</strong> vielleicht nie<br />

wirklich ausprobiert wurde, <strong>der</strong> aber eine ewige<br />

76<br />

Z für Zukunft


Z-aktuell<br />

Gültigkeit hat. Eine <strong>der</strong> besten Definitionen von<br />

<strong>Reformation</strong> hat <strong>der</strong> Apostel Petrus geliefert; er<br />

nannte es „die Wie<strong>der</strong>herstellung aller Dinge“ 1 .<br />

Schon lange vor dem Zeitraum, <strong>der</strong> als <strong>Reformation</strong>szeit<br />

in die Geschichte eingegangen ist,<br />

gab es einige große Vordenker und Pioniere. 2Die<br />

einen fanden kaum Gehör, an<strong>der</strong>e konnten zum<br />

<strong>Teil</strong> Erhebliches bewirken. Diese Zeiten waren<br />

noch nicht bereit für die Erneuerung des Denkens<br />

– und doch gab es diese Mutigen, die den<br />

verborgenen Verheißungen Glauben schenkten,<br />

auch wenn ihr Same erst in einer späteren Generation<br />

aufgehen sollte; an<strong>der</strong>e würden dann das<br />

ausleben, was diese „Rufer in <strong>der</strong> Wüste“ lange<br />

zuvor verkündet hatten.<br />

Vor-Reformatoren:<br />

Leuchten in finsterer Zeit<br />

Ich nenne sie die Vor-Reformatoren. In finsterer<br />

Zeit hatten sie eine Lampe gefunden, die die<br />

meisten aber als störend empfanden und mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger vehement ablehnten. Einige von<br />

ihnen leuchten beson<strong>der</strong>s hell: die iroschottischen<br />

Mönche wie Columban und Gallus, die Waldenser,<br />

ein John Wyclif, ein Nikolaus von <strong>der</strong> Flüe<br />

o<strong>der</strong> eben ein Jan Hus.<br />

Jan Hus starb 1415, in Konstanz als Ketzer verurteilt,<br />

auf dem Scheiterhaufen, den ihm seine eigene<br />

Kirche errichtet hatte, weil er glaubte, dass die Kirche<br />

auf einem Irrweg war und dringend einer echten<br />

Reform bedurfte. Kurz bevor er starb, soll er<br />

gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans (tschechisch:<br />

husa), aber aus ihrer Asche wird ein Schwan<br />

erstehen, den werdet ihr nicht braten können!“<br />

Für eine an<strong>der</strong>e Generation<br />

Sich Jan Hus zu nähern ist schwierig; eigentlich<br />

geht das nur, wenn man zwischen den Zeilen liest<br />

und über die historische Figur hinauszublicken<br />

vermag. Er bleibt sonst meist unverständlich und<br />

schwach. Was einem aber begegnet, wenn man<br />

seine Geheimnisse aufspürt, ist atemberaubend<br />

und ganz an<strong>der</strong>s als das Leben eines üblichen<br />

Theologen o<strong>der</strong> Schriftgelehrten.<br />

Daher will ich nicht eingehen auf den historischen<br />

Hus, <strong>der</strong> von vielen für ihre religiösen und<br />

politischen o<strong>der</strong> gar nationalen Absichten vereinnahmt<br />

wurde. Die einen haben ihn verteufelt und<br />

an<strong>der</strong>e haben ihn zum Helden für die eigene Sache<br />

stilisiert. Der geistliche Mensch Jan Hus aber ist<br />

viel stärker. In ihm begegnet uns einer, <strong>der</strong> seinem<br />

Gott mehr als alles an<strong>der</strong>e nachfolgte und <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Wahrheit tief verpflichtet war. Er hatte eine Sicht<br />

von einem größeren Ganzen, an<strong>der</strong>s als die vielen<br />

Konzept-Reformatoren nach ihm.<br />

Jan Hus sah die Generationen. Er hatte begriffen,<br />

dass sein Leben, sein Zeitalter nur eine Episode<br />

war; viel wichtiger war ihm, dem großen Plan Gottes<br />

für alle Generationen dienlich zu sein. Man muss<br />

wohl zu dem Schluss kommen, dass er zwar für eine<br />

<strong>Reformation</strong> <strong>der</strong> Kirche lebte, dafür arbeitete und<br />

stritt, aber gestorben ist er für etwas an<strong>der</strong>es.<br />

War Hus ein Fanatiker?<br />

Er hätte sein Leben retten können, wenn er das<br />

gewollt hätte. Die Kirche konnte eigentlich keinen<br />

populären Märtyrer gebrauchen; aber Hus<br />

lehnte es ab, die Brücken, die ihm gebaut wurden,<br />

auch zu nutzen. Er wäre wohl mit dem Leben<br />

davongekommen, hätte er es nicht so sehr auf<br />

die Spitze getrieben. War Hus ein Fanatiker? Ich<br />

glaube: Wir stehen vor einem Mann Gottes mit<br />

einer Sichtweise, die nicht von dieser Welt war.<br />

Darin begegnen wir aber vor allem seinen Vorbil<strong>der</strong>n<br />

in <strong>der</strong> Kirchengeschichte, zum Beispiel dem<br />

<strong>ersten</strong> Märtyrer <strong>der</strong> Christen, Stephanus in Jerusalem.<br />

Auch ihm würde man heute wohl raten, sich<br />

einfach etwas zurückzunehmen und Brücken zu<br />

bauen; so hätte auch er vielleicht sein Leben retten<br />

können. Aber Stephanus musste es ja übertreiben.<br />

Er war einfach nicht interessiert an einem Kompromiss,<br />

einer Friedensvereinbarung mit dem religiösen<br />

System seiner Zeit. Er ließ es auf eine Konfrontation<br />

hinauslaufen. Sehenden Auges.<br />

Die Einheit aller Gruppen, die an den Gott<br />

Abrahams glaubten, war nicht seine Sache; er<br />

wollte die prophetische Dimension Gottes herausschälen,<br />

nämlich: dass er kein Gott eines kirchlichen<br />

Systems, kein Gott von Doktrinen und<br />

Welchen<br />

Schlag Mensch<br />

bräuchte es<br />

heute für den<br />

Aufbruch in<br />

eine neue<br />

Zeit?<br />

jan Hus, unbekannter<br />

Mahler, 16. Jh.<br />

Das Lutherbild hinter dem<br />

Altar <strong>der</strong> St. Thomas Kirche<br />

Tribsees bezieht sich auf<br />

den Ausspruch vo Jan Hus:<br />

„Heute bratet ihr eine Gans<br />

(tschechisch: husa), aber aus<br />

ihrer Asche wird ein Schwan<br />

erstehen, den werdet ihr nicht<br />

braten können!“<br />

Z für Zukunft<br />

77


Z-aktuell<br />

Verbrennung von Jan Hus<br />

auf dem Scheiterhaufen<br />

in Konstanz,<br />

Aus <strong>der</strong> Spiezer Chronik<br />

(1485), verfasst von<br />

Diebold Schilling<br />

dem Älteren<br />

Doch<br />

anstelle echter<br />

Reformatoren<br />

haben in den<br />

letzten Jahren<br />

Verschwörungstheoretiker<br />

die<br />

Rolle von<br />

Propheten<br />

eingenommen<br />

obwohl schon Jesaja davon abgeraten hat: „<br />

Ihr sollt nicht alles Verschwörung nennen, was<br />

dieses Volk Verschwörung nennt; und fürchtet<br />

nicht ihre Furcht und erschreckt nicht davor.“ 10<br />

… o<strong>der</strong> Angst?<br />

Sonst leben wir in <strong>der</strong>selben Angst wie sie: Angst<br />

vor dem Klimawandel, Angst vor dem Weltuntergang,<br />

Angst vor Krieg und Gewalt, vor Verschwörungen<br />

und vor an<strong>der</strong>en Religionen und Weltanschauungen.<br />

Vor-Reformatoren hatten niemals<br />

Angst vor Denkkonzepten und Systemen, die in<br />

ihrer Zeit zwar mächtig waren, die aber vergehen<br />

würden. Das System und seine Macht sowie die<br />

Weltordnung, die Jan Hus verfolgt haben, sie sind<br />

untergegangen.<br />

Reformatoren sind freie Menschen, sie leben<br />

bereits frei, so, als wäre ihre Zeit bereits eine an<strong>der</strong>e<br />

– eine befreite. Sie wollen umgestalten. (Heute wäre<br />

es in unseren Breitengraden erlaubt, seine Meinung<br />

frei zu sagen. Wollen wir das nicht nutzen?)<br />

Das Jubiläumsjahr zur <strong>Reformation</strong> ist vorbei;<br />

es bleibt die Frage: Wo sind die Leute, die<br />

ihre Stimmen erheben, weil sie eine Idee für eine<br />

an<strong>der</strong>e Welt haben? Wo sind die Leute, die nicht<br />

vor allem aus <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

ihre Kraft ziehen, son<strong>der</strong>n die Zukunft kennen,<br />

benennen o<strong>der</strong> sogar gestalten können? Wenn<br />

nicht unbändig Neues in uns lebt, bleibt uns nur,<br />

an die Gräber gehen.<br />

Gräber schmücken –<br />

o<strong>der</strong> wollen wir mehr?<br />

Die Gräber <strong>der</strong> Propheten vergangener Zeiten<br />

wurden immer schon geschmückt. Ganz beson<strong>der</strong>s<br />

von den Unprophetischen und Visionslosen.<br />

Also von jenen, die eigentlich keine Verän<strong>der</strong>ung<br />

wollen, die Angst davor haben, was an<strong>der</strong>e<br />

sagen könnten, und sich unwohl fühlen bei <strong>der</strong><br />

Vorstellung, jemand könnte ihre Welt aus den<br />

Angeln heben. Eine romantische Rückbesinnung<br />

auf die Helden von früher dagegen fühlt sich<br />

gut an: ihnen Denkmäler, Museen und Gräber<br />

zu bauen, das braucht keine eigene Kraft. Dann<br />

können wir für einen Augenblick vom Licht dieser<br />

Helden leben und ihr heller Schein kann unsere<br />

Bedeutungslosigkeit für einen Moment vergessen<br />

machen. Das Wissen über die Helden erscheint<br />

mehr wert, als selber ein Held zu sein.<br />

Der Prophet Joel hielt von Heldengedenken aber<br />

nichts; er rief vielmehr auf: „Erweckt die Helden!“ 11<br />

Wir sind herausgefor<strong>der</strong>t, heute das zum Leben zu<br />

erwecken, wofür Jan Hus und die vielen an<strong>der</strong>en<br />

Vor-Reformatoren gestorben sind und was sie vorausschauend<br />

bereits für unsere Generation gesehen<br />

haben. Versuchen wir, die Geheimnisse kennen zu<br />

lernen, die diese Märtyrer vor Augen hatten 12 : Sie<br />

sahen etwas von <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung aller Dinge,<br />

und dafür haben sie jeden Preis bezahlt.<br />

1 Apostelgeschichte 3,21.<br />

2 <strong>Reformation</strong> ist so viel mehr als nur die Wie<strong>der</strong>herstellung einer <strong>ersten</strong><br />

Kirche o<strong>der</strong> dessen, was im Judentum bereits bekannt war. Es<br />

geht um tatsächlich Neues. Denkweisen, die aus bereits Dagewesenem<br />

herrühren, behin<strong>der</strong>n oft die Bereitschaft, sich auf völlig Unbekanntes<br />

einzulassen.<br />

3 Matthäus 10,39.<br />

4 Hebräer 11,35.<br />

5 Hebräer 12,1.<br />

6 Nach Apostelgeschichte 7,52.<br />

7 2. Petrus 3,12.<br />

8 Judas 14–15.<br />

9 Hiob 38,31; 38,12.<br />

10 Jesaja 8,12.<br />

11 Joel 4,9.<br />

12 Eine Diskussion über eine Säkularisierung <strong>der</strong> gegenwärtigen Kirche<br />

hält <strong>der</strong> Autor nicht für zielführend. Er geht davon aus, dass Kirchen,<br />

auch Freikirchen und außerkirchliche Bewegungen, trotz all den vielen<br />

lieben Leuten und trotz aller guten Motivation, sich eher in einer<br />

babylonischen Gefangenschaft befinden; ess sieht für ihn eher nach<br />

Totalschaden aus. <strong>Reformation</strong> bringt eine neue Kirche zur Geburt,<br />

<strong>der</strong>en Mutter das himmlische Jerusalem ist (Galater 4,26). Deshalb<br />

die Geheimnisse, deshalb die Märtyrer, deshalb <strong>Reformation</strong>.<br />

<strong>80</strong><br />

Z für Zukunft

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