s'Magazin usm Ländle, 5. August 2018
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FESTSPIELE<br />
Vermissen Sie ein starke<br />
Opposition, HerrMarkovics?<br />
INTER<br />
VIEW<br />
Karl Markovics ist schon längst nicht mehr „nur“ Schauspieler. Derzeit arbeitet er an<br />
seinem dritten Spielfilm, und bei den Bregenzer Festspielen inszeniert er die<br />
Uraufführung „Das Jagdgewehr“. Im Interview spricht der Regisseur über den Mut zur<br />
Lücke, die Kraft der Dichtung und über fehlende Menschlichkeit in der Politik.<br />
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Ein Foto mit Sonnenbrille<br />
auf der Stirn? Diese<br />
Bitte unseres Fotografen<br />
lehnt Markovics<br />
strikt ab. „Nein, hinaufgeschobene<br />
Sonnenbrille? Dastrage<br />
ich nie–nicht einmalimFilm!“<br />
Sie stehen mitten in der Probenarbeit<br />
zur Uraufführung der Oper „Das Jagdgewehr“<br />
von Thomas Larcher, am1<strong>5.</strong><br />
<strong>August</strong> wird Premiere gefeiert. Wie<br />
geht es Ihnen?<br />
Gut, sehr gut sogar. Diese Aufgabe<br />
ist das Idealmeiner Vorstellung von<br />
Arbeit, denn esist ein großes Abenteuer.<br />
Vor drei Jahren schon haben<br />
wir uns das erste Mal inBregenz zu<br />
Gesprächen getroffen. Da redeten<br />
wir über ein Projekt, von dem noch<br />
kein einziger Ton komponiert war.<br />
Und nun, kurz vor der Premiere,<br />
sind wir zwar schon ein gutes Stück<br />
gegangen, wissen aber immer noch<br />
nicht,wogenauwir ankommen werden.<br />
All das ist eine Reise, die immer<br />
nochimGangeist.<br />
In der japanischen Literatur sind die<br />
Protagonisten –geht es um Emotionen<br />
–oft mit einer gewissen Sprachlosigkeit<br />
ausgestattet. Kommt die<br />
Musik bei einer Bühnenfassung des<br />
„Jagdgewehrs“ nicht gerade recht,<br />
um hier noch eine Stimme hinzuzufügen?<br />
Ganz recht. Das Grundproblem der<br />
Figuren dieser Geschichte ist, dass<br />
alles gedeckelt ist. Das Wesentliche<br />
wird nicht gesagt, es wird<br />
unterdrückt, um einer Konvention<br />
zu genügen. Und gleichzeitig leiden<br />
die Figuren unter diesem Genügen.<br />
„Genug kann nie genügen“<br />
heißt es in einem Lied von Konstantin<br />
Wecker. Und die Figuren<br />
bemerken erst viel zu spät, dass es<br />
notwendig gewesen wäre, ein Wort<br />
zu sagen oder die Wahrheit einzufordern.<br />
Für all das, was unter den<br />
Teppich gekehrt wird, findet die<br />
Musik einen Ausdruck. Das<br />
schafft auch einen großen Freiraum<br />
in der Arbeit mit den Sängern.<br />
Mein großer Anspruch war,<br />
jeglichenOperngestusaufzugeben.<br />
Da tun sich Sänger oft schwer,<br />
selbst bei zeitgenössischen Opern.<br />
Das Schöne ist aber nun, dass die<br />
Sänger mit mir die positive Spannung<br />
verspüren, wenn sie diesen<br />
Gestus weglassen. Musik, Inhalt<br />
und Gestus müssen einander nicht<br />
immer verdreifachen, das ist eine<br />
Art Hollywood-Overkill.<br />
Sie zeigenalso Mut zur Lücke?<br />
Ja, das siehtman auch am Bühnenbild.<br />
Wir wollten eine Struktur<br />
schaffen für einen grob strukturierten<br />
Innenraum, dann gibt es noch<br />
einen Riss,der für das weiße Flussbett<br />
steht, und eine schwebende<br />
Wolke. Einziges Symbol auf der<br />
Bühne ist ein Papierschiffchen. Das<br />
war’s. Ich habe mitgezählt: Derzeit<br />
haben wir nur drei Requisiten auf<br />
der Bühne. Mir war wichtig, das<br />
Wesentliche zuvermitteln. Und in<br />
demStückgeht es darum, was Dichtung<br />
kann. Wie sehr Dichtung Zeiten,<br />
Gedankenund selbst Menschen<br />
durchlässig zu machen imstande ist.<br />
Was im Leben verhärtet und abgekapselt<br />
ist,kann Dichtung öffnen.<br />
Es ist die erste Oper, bei der Sie Regie<br />
führen, und Sie sind ja Opernliebhaber<br />
…<br />
… Liebhaber ist übertrieben, für<br />
mich ist Musik ein Lebenselement,<br />
dazu gehört auch die Oper, aber<br />
nichtinerster Linie.<br />
Ist Oper so etwas wie die Superform<br />
der darstellenden Kunst?<br />
Der Begriff Gesamtkunstwerk<br />
kommt nicht von ungefähr. Es greifen<br />
Musik, Dichtung, Dramatik,<br />
das Theaterhafte und das Skulpturale<br />
ineinander. Ähnliches gibt es in<br />
der Moderne als Steigerung nur<br />
noch als Film. Susan Sontag sagte<br />
einmal: „Würde Wagner heute leben,würde<br />
er Filmemachen.“<br />
Macht Ihnen diese Arbeit Freude?<br />
Ja, es ist aufregend, eine Entdeckungsreise.<br />
Heuer habe ich<br />
zudem meinen dritten Spiel-<br />
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