21.09.2018 Aufrufe

254. Ausgabe, ET 22.09.2018

Mauscheln.Macht.Mutlos: Wie konnte ein „Bild“-Interview von Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen dazu führen, dass sich die Spitzenköpfe der GroKo schon wieder zum Krisengipfel trafen? Und was sagt uns das Ergebnis? Von Michael Zäh

Mauscheln.Macht.Mutlos: Wie konnte ein „Bild“-Interview von Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen dazu führen, dass sich die Spitzenköpfe der GroKo schon wieder zum Krisengipfel trafen? Und was sagt uns das Ergebnis? Von Michael Zäh

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Samstag, 22. September 2018<br />

HINTERGRUND POLITIK 3<br />

22. September 2018<br />

22. September 2018<br />

Samstag, 22. September 2018<br />

Streit für die Leute „auf der Straße“<br />

Diesel-Fahrverbote. Nach etlichen Gerichtsurteilen, die Diesel-Fahrverbote von Hamburg, Frankfurt bis München<br />

aussprachen, streiten sich Bundesverkehrminister Scheuer und Bundesumweltmnisterin Schulze. Von Michael Zäh<br />

Endlich gibt es jetzt in der<br />

Regierung (GroKo genannt)<br />

mal Streit um ein Thema, das<br />

wohl alle Leute „auf der Straße“<br />

interessiert. Dabei sind sich also<br />

Umwelt- und Verkehrsministerium<br />

in der Frage uneins, ob ältere Dieselfahrzeuge<br />

(die geschummelt an den<br />

Käufer kamen) technisch nachgerüstet<br />

werden sollen. Verkehrsminister<br />

Andreas Scheuer (CSU) Scheuer will<br />

statt Hardware-Nachrüstungen neue<br />

Kaufprämien der Industrie. Doch<br />

Bundesumweltministerin Svenja<br />

Schulze (SPD) besteht auf die Nachrüstungen.<br />

„Entscheidend ist, dass<br />

die Luft in den belasteten Städten<br />

sauberer wird. Die Autoindustrie hat<br />

das Problem verursacht. Darum muss<br />

die Industrie auch Verantwortung<br />

übernehmen“, sagt sie. Technische<br />

Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller<br />

seien „der beste und gerechteste<br />

Weg aus der Dieselkrise“.<br />

Nun gut, das Thema ist spannend,<br />

weil auch Kanzlerin Merkel bis<br />

Ende September eine tragfähige<br />

Lösung der Dieselkrise von ihren<br />

Ministern fordert. Zudem haben<br />

sich einer Umfrage zufolge 12<br />

Verkehrs- und 13 Umweltminister<br />

aus den Bundesländern dafür stark<br />

gemacht, die Nachrüstung von der<br />

Industrie zu fordern.<br />

Dies alles logischerweise nicht<br />

so ganz freiwillig. Man weiß ja, dass<br />

deutschte Politiker ihre liebe Autoindustrie<br />

möglichst schützen. Am<br />

27. Februar 2018 entschied aber<br />

das Bundesverwaltungsgericht,<br />

dass Fahrverbote zur Luftreinhaltung<br />

rechtens sein können. Und<br />

seitdem haben Gerichte bereits für<br />

Hamburg, Aachen, Stuttgart und<br />

Frankfurt No-go-Areas für ältere<br />

Diesel-Autos verordnet, wenn man<br />

einen Euro-5-Diesel „alt“ nennen<br />

kann. Die Deutsche Umwelthilfe,<br />

die das Thema Dieselskandal immer<br />

wieder in die Gerichte bringt, hat<br />

noch lange nicht genug. Insgesamt<br />

in 34 deutschen Städten laufen<br />

weitere Verfahren, sagt DUH-Geschäftsführer<br />

Jürgen Resch. Und<br />

dies übrigens nicht aus Jux und<br />

Tollerei: Im Jahr 2016 überschritten<br />

90 deutsche Städte den gesetzlich<br />

erlaubten Stickoxid-Grenzwert, im<br />

Jahr 2017 waren es trotz diverser<br />

Maßnahmen immer noch 65 Städte.<br />

Es geht dabei um die Gesundheit<br />

der Leute und da verstehen auch die<br />

Richter keinen Spaß. So haben sie<br />

etwa in München Landespolitikern<br />

mit Erzwingungshaft gedroht, sollten<br />

sie die gerichtlichen Vorgaben<br />

nicht umsetzen. Ganz zu schweigen<br />

von den politischen Dimensionen,<br />

die vor den Landtagswahlen in<br />

Bayern und in Hessen im Oktober<br />

eine Rolle spielen.<br />

Der hessische Ministerpräsident<br />

Volker Bouffier forderte zuerst im<br />

Wahlkampf die Nachrüstung auf<br />

Kosten der Industrie. „Die Leute<br />

wollen die Nachrüstung. Und sie<br />

wollen auch, dass die Hersteller<br />

dafür bezahlen“, hieß es selbst in<br />

CSU-Kreisen, also quasi rund um<br />

Scheuer. Und auch Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel hat angekündigt,<br />

über „das Thema“ nun also bis Ende<br />

September zu entscheiden. Es hieß,<br />

sie werde sich darum kümmern,<br />

weil nämlich „das Thema“ auch<br />

im Hessen-Wahlkampf eine Rolle<br />

spiele. Na also, geht doch, wenn<br />

eine nicht unerhebliche Zahl von<br />

acht Millionen Dieselbesitzer in<br />

Deutschland sich leicht verarscht<br />

vorkommen.<br />

Doch Bundesverkehrsminister<br />

Andreas Scheuer setzt eher auf die<br />

Kaufprämien der Industrie, also<br />

quasi als Verkaufshelfer von VW,<br />

BMW und Co. Er nennt das dann<br />

„attraktive Umstiegsprämien.“ Das<br />

geht ungefähr so: Wer kürzlich erst<br />

ein Euro-5-Diesel gekauft hat, kann<br />

diesen beim Händler in Zahlung<br />

geben, wenn er dafür halt einen<br />

neuen Wagen kauft. Die „ollen“<br />

(vor kurzen noch tollen) Diesel<br />

werden dann von der Industrie ins<br />

Ausland verkauft (also nicht etwa in<br />

die USA, sondern dorthin, wo keine<br />

strenge Abgasnormen existieren),<br />

der Absatz neuer Wagen wird prima<br />

angekurbelt und na ja, die stolzen<br />

Besitzer der neuen Kisten dürfen<br />

(noch) in die Innenstädte fahren.<br />

„Nicht jede oder jeder hat so<br />

viel Geld, sich mal eben ein neues<br />

Auto zu kaufen, selbst wenn es dafür<br />

einen Rabatt gäbe“, sagt Svenja<br />

Schulze mit etwas mehr Bezug zur<br />

Realität. Es sei weder ökologisch<br />

noch ökonomisch sinnvoll, ein erst<br />

wenige Jahre altes Euro-5-Fahrzeug<br />

zu verschrotten. Bravo!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!