Hinz&Kunzt 307 September 2018
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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>307</strong><br />
Sep.18<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro<br />
für unsere Verkäufer<br />
Happy<br />
Birthday,<br />
Veddel!<br />
Seit 250 Jahren gehört die<br />
Elbinsel zu Hamburg. Wir führen<br />
durch den bunten Stadtteil.
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Wandkalender 2019<br />
Heimat, Helden,<br />
Hamburg<br />
Zwölf Hinz&Künztler waren auch in diesem Jahr mit unserer Fotografin<br />
Lena Maja Wöhler auf Fotosafari in Hamburg. Die besten Motive haben<br />
wir jetzt in einem Wandkalender im DIN-A4-Format verewigt.<br />
Ab Mitte <strong>September</strong> beim<br />
Hinz&Künztler Ihres Vertrauens!*<br />
* 4,80 Euro (davon 2,40 Euro für unsere Verkäufer)
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
Redaktionsausflug auf<br />
die Veddel mit den<br />
Redakteuren (von links)<br />
Jonas Füllner, Annette<br />
Woywode, Ulrich Jonas,<br />
Birgit Müller und<br />
Benjamin Laufer.<br />
Rechtes Bild: Fotograf<br />
Andreas Hornoff.<br />
Die Veddel: Elbinsel mit Herz<br />
250 Jahre alt wird die Elbinsel – und wir sind mit<br />
dem Redaktionsteam ausgeschwärmt, um Menschen<br />
auf der Veddel zu treffen. Klar lief es manchmal<br />
genauso wie erwartet: Einige verstehen kaum<br />
Deutsch. Und Einkaufen ist richtig schwierig: Es<br />
gibt nur einen Gemüseladen und einen Penny.<br />
Womit wir aber nicht gerechnet haben: Wie herzlich<br />
die Leute sind, wie sehr sie ihren Stadtteil lieben –<br />
und dass es kaum Kriminalität gibt. Das mit der<br />
Kriminalität hatte uns schon der Gemüsehändler<br />
Yilmaz Kotan (Titel und Seite 19) erzählt. Ich selbst<br />
habe übrigens meine eigenen Erfahrungen gemacht.<br />
Morgens traf ich mich mit dem Hamburg-1-Moderator<br />
Bedo in einem Café und habe dort meinen<br />
Geldbeutel liegen lassen. Bevor ich es bemerkte, hatte<br />
ihn Shpenzim Selimi schon bei meinen Nachbarn<br />
abgegeben. Der 46-jährige Chef einer Trockenbaufirma<br />
hatte ihn gefunden und gleich persönlich quer<br />
durch Hamburg nach Altona gefahren. Danke,<br />
Shpenzim, für diese schöne Erfahrung! Und Happy<br />
Birthday, Veddel. Wir kommen bald wieder.<br />
Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />
(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
TITELBILD: ANDREAS HORNOFF<br />
Inhalt<br />
Stadtgespräch<br />
04 Gut&Schön<br />
06 Abgezockt: die Bewohner im Haus<br />
Reetwerder 3 in Bergedorf<br />
32 Can Dündar: Rettet die Demokratie!<br />
34 Öko Melkburen: Elternzeit für Kühe<br />
40 Hamburger Justiz: doch keine Strafe<br />
für Obdachlose<br />
Lebenslinien<br />
38 Austin, der vierjährige Superheld<br />
Unerschrocken:<br />
Der Journalist<br />
Can Dündar streitet<br />
für Freiheit. Im<br />
<strong>September</strong> liest er<br />
in Hamburg (S. 32).<br />
Kleiner Mann, großes Herz: Der vierjährige Austin Perine<br />
engagiert sich für Odachlose (S. 38).<br />
Freunde<br />
42 Freundschaftsspiel der Symphoniker<br />
Happy Birthday, Veddel!<br />
16 Gesichter der Veddel<br />
22 SoliPolis: Festival in der Eckkneipe<br />
24 Zollhafen unter Denkmalschutz<br />
26 Tradition: die Veddeler Fischgaststätte<br />
27 Poliklinik der Weltverbesserer<br />
28 Vom Weideland zur Wohnsiedlung<br />
30 Die Veddel in Zahlen<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 Orgelkunst trifft Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
50 Indierock von Ilgen-Nur<br />
52 Tipps für den August<br />
56 Comic mit Dodo Dronte<br />
58 Momentaufnahme<br />
Rubriken<br />
05, 41 Kolumne<br />
12 Meldungen<br />
46 Leserbriefe<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Hundeschwimmen<br />
Tierischer Badespaß<br />
Mit einem Hechtsprung stürzt sich Golden Retriever Jenna<br />
vom Beckenrand. „Olympiareif!“, freut sich Herrchen<br />
Wolfgang Lorenz. „Heute Abend ist sie müde.“ So wie rund 40<br />
Hunde, die vergangenes Jahr mit ihren Menschen ins Freibad<br />
Marienhöhe kamen. Bevor die Anlage winterfest gemacht wird,<br />
bietet Bäderland auf Initiative von #hundimfreibad auch jetzt<br />
wieder Hundeschwimmen an. Großer Spaß – ohne Zoff unter<br />
den Tieren. Denn sein Revier hat hier noch keiner markiert:<br />
Eigentlich sind die Bäder hundefreie Zone. ABI<br />
•<br />
Freibad Marienhöhe, Sa, 15.9., Luzerneweg 1–3, 10–17 Uhr,<br />
Eintritt Hunde 3 Euro, Menschen 2 Euro; Strandbad Farmsen, Sa, 29.9.,<br />
Neusurenland 67, 11–17 Uhr, 0,50 Euro je Hund und je Herrchen.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Museen und Theater<br />
Kultur für<br />
alle Kinder!<br />
Kind im Museum: Das müssen<br />
sich die Eltern leisten können.<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S.4) , JULIA MUHS (OBEN), LENA MAJA WÖHLER (UNTEN LINKS),<br />
DAVID ELMER (UNTEN RECHTS), PICTURE ALLIANCE / GODONG (KOLUMNE)<br />
Stellinger Schüler sammeln Spenden<br />
Stadtteilschule goes Mexiko<br />
Hilfe per Rucksack: Zwei Jahre lang bedruckten und<br />
verkauften Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule<br />
Stellingen Stoffrucksäcke mit dem Slogan<br />
„Plastik war gestern“. 6000 Euro kamen so zusammen,<br />
die sie einer indigenen Bildungseinrichtung im<br />
Hochland Mexikos spendeten. Eine Projektgruppe<br />
der Stadtteilschule besuchte die Einrichtung – der<br />
Kulturaustausch machte allen Spaß! LEU<br />
•<br />
Von der Straße ins Stadion<br />
„Hat das Lebensschiff ein Leck, in<br />
Hamburg bleiben wir an Deck“,<br />
heißt es in der Hymne des FC<br />
St. Pauli. Die Fans des etwas<br />
anderen Vereins nehmen diesen<br />
Anspruch sehr ernst. Seit 2003<br />
spendet der Fanclub Basis St. Pauli<br />
regelmäßig vier Dauerkarten für<br />
unsere Verkäufer. Für die Aktion<br />
„Von der Straße ins Stadion“ überreichten<br />
Meike Bittner und Andy<br />
Hausmann vom Fanclub Basis St.<br />
Pauli (Vierte und Zweiter von links) die<br />
Karten für die neue Saison. LEU<br />
•<br />
2800 Ranzen für Bedürftige<br />
Kunden von Budni haben mehr als<br />
2800 Schulranzen und 50 Kisten<br />
mit Schulmaterial gespendet,<br />
die der Verein Hanseatic Help an<br />
bedürftige Eltern verteilt hat. „Es<br />
gibt viele Familien, die sich die teure<br />
Erstausstattung für ihre Kinder zum<br />
Schulanfang nicht leisten können“,<br />
beklagt Arnd Boekhoff von Hanseatic<br />
Help. Budni-Geschäftsführerin<br />
Julia Wöhlke: „Kein Kind sollte bei<br />
der Einschulung mit einer Plastiktüte<br />
dastehen müssen.“ BELA<br />
•<br />
Während am Weltkindertag<br />
am 20. <strong>September</strong> an die<br />
Rechte und Bedürfnisse von<br />
Kindern erinnert wird, geht<br />
Hamburg schon seit Monatsanfang<br />
mit gutem Beispiel voran:<br />
mit dem KulturKlub. Der<br />
übernimmt für Kinder zwischen<br />
drei und zwölf Jahren,<br />
deren Familien wenig Geld haben,<br />
den Eintritt in Museen,<br />
Theater und vermittelt in Kultureinrichtungen,<br />
die Lust aufs<br />
Lesen machen. „Die Resonanz<br />
der Institutionen auf unser<br />
Projekt war super“, freut sich<br />
KulturLeben-Geschäftsführerin<br />
Petra Schilling, die das Projekt<br />
mithilfe der Reimund C.<br />
Reich Stiftung durchführt.<br />
Los geht es erst einmal auf<br />
St. Pauli, weitere Stadtteile sollen<br />
2019 hinzukommen. Der<br />
Bedarf ist da: „Hamburg ist eine<br />
reiche Stadt, doch leider<br />
lebt selbst hier etwa jedes fünfte<br />
Kind in Armut“, sagt Schilling.<br />
„Indem wir kostenfreien<br />
Zugang zum Kinderkultur-<br />
Angebot schaffen, setzen wir<br />
uns ganz praktisch für mehr<br />
Chancengerechtigkeit ein.“<br />
Familien, die auf St. Pauli<br />
wohnen und ihre Kinder beim<br />
KulturKlub anmelden möchten,<br />
haben mehrere Möglichkeiten:<br />
direkt bei KulturLeben<br />
oder bei Partnern wie der<br />
GWA St. Pauli oder dem Haus<br />
der Familie. SIM<br />
•<br />
Info & Anmeldung: KulturLeben,<br />
Tel. 0800/0180 105, Mo–Fr,<br />
14.30–17.30 Uhr oder online:<br />
www.kulturleben-hamburg.de<br />
5
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Im Mai brennt es im<br />
Reetwerder 3. Die Stadt<br />
erklärt das Haus für unbewohnbar.<br />
160 Menschen,<br />
darunter 56 Kinder, müssen<br />
Hals über Kopf in eine<br />
Notunterkunft. Ihr Hab und<br />
Gut lässt die Vermieterin<br />
Anfang Juli wahllos in<br />
Plastiksäcke stopfen und<br />
wegschließen – für die<br />
Mieter bis heute unerreichbar.<br />
6
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Abgezockt<br />
Erst müssen die Bewohner vom Reetwerder überstürzt ihre<br />
Wohnungen verlassen. Dann verweigert die Vermieterin ihnen den<br />
Zugang zu ihrem Hab und Gut – monatelang.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER/ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATIONEN: ESTHER CZAYA<br />
7<br />
DER ALBTRAUM<br />
Stellen Sie sich vor: In Ihrem Mietshaus<br />
gibt es einen Schwelbrand. Polizei und<br />
Feuerwehr rücken an, entdecken blank<br />
liegende Elektroleitungen und fehlende<br />
Rettungswege und alarmieren das Bezirksamt.<br />
Das erklärt das Haus umgehend<br />
für unbewohnbar und lässt Sie<br />
und die anderen Bewohner noch am<br />
selben Tag in eine städtische Notunterkunft<br />
bringen. Bei sich haben Sie nur<br />
die Kleidung, die Sie am Leib tragen,<br />
und ein paar Dinge, die Sie in aller Eile<br />
in eine Tasche gestopft haben. Alles andere<br />
bleibt zurück.<br />
Während Sie sich fragen, wann Sie<br />
endlich in Ihre Wohnung zurückkehren<br />
können, dringen Männer in Ihre Wohnung<br />
ein. Dort stopfen sie Ihr Hab und<br />
Gut wahllos in Plastiksäcke – offenbar<br />
im Auftrag der Vermieterin. Ihr Eigentum<br />
wird gemeinsam mit dem anderer<br />
Mieter in drei Wohnungen im Haus<br />
geschafft und eingeschlossen.<br />
Monate (!) später ist es Ihnen – trotz<br />
Klage, trotz Gerichtsurteil, das Ihnen<br />
Recht gibt – immer noch nicht gelungen,<br />
an Ihre Habseligkeiten zu kommen.<br />
Weil die Vermieterin sich weigert,<br />
die Türen zu öffnen. Und weil Gerichte<br />
und Stadt keine Möglichkeit sehen, sie<br />
dazu zu zwingen. Können Sie sich diesen<br />
Albtraum vorstellen?<br />
DIE VERHANDLUNG<br />
An einem Donnerstagvormittag Ende<br />
Juli reißt der Richterin am Amtsgericht<br />
Bergedorf nach einer Stunde schleppender<br />
Verhandlung der Geduldsfaden.<br />
Es ist heiß, und der Anwalt der Vermieterin<br />
hat wiederholt vorgetragen, dass<br />
er nicht viel sagen könne: Er sei gerade<br />
aus dem Urlaub zurückgekehrt, in dem<br />
seine Mandantin noch weile.<br />
Es geht um die Klage von Ionel Lupu.<br />
Der 32-jährige Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitar-
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Trügerische Idylle: Die Vermieterin betreibt in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt ein<br />
hübsches Café. Manchmal schaut ihr Sohn vorbei – laut Mietern der Geldeintreiber im Reetwerder.<br />
beiter ist einer von rund 160 Menschen,<br />
die seit nunmehr zehn Wochen auf den<br />
Zugang zu ihrem Hab und Gut warten.<br />
Das soll sich laut Anwalt der Beklagten<br />
in mehr als 500 Plastiksäcken hinter<br />
drei Wohnungstüren im Reetwerder 3<br />
befinden.<br />
Die heutige Verhandlung ist bereits<br />
das fünfte Eilverfahren gegen die Vermieterin.<br />
Sie weigert sich trotz aller<br />
Urteile hartnäckig, die Türen zu öffnen –<br />
aus nicht erkennbaren Motiven. Wie<br />
bei allen vorausgegangenen Entscheidungen<br />
will das Gericht auch Ionel<br />
Lupu Zugang zu seinem Eigentum verschaffen.<br />
Nur wie? Selbst wenn die<br />
Mieter in das Haus kämen: Alles liegt<br />
wahllos verteilt in nicht gekennzeichneten<br />
Säcken. Und selbst ein Gerichtsvollzieher,<br />
der die Urteile vollstrecken<br />
könnte, wird nicht 500 Plastiksäcke<br />
durchsuchen, um die Habseligkeiten<br />
jeder einzelnen Familie herauszusammeln,<br />
so das Amtsgericht Bergedorf in<br />
einem seiner Urteile.<br />
„Und was ist mit den Möbeln geschehen?“,<br />
hat die Richterin gefragt,<br />
und der Anwalt hat geantwortet: „Da<br />
bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner<br />
…“ Da bringt die genervte<br />
Richterin die Unverschämtheit mit<br />
zwei Sätzen auf den Punkt: „Ihre Mandantin<br />
hat doch dafür gesorgt, dass die<br />
Sachen verbracht wurden. Also ist es<br />
doch auch das Problem Ihrer Mandantin,<br />
dafür zu sorgen, dass die Menschen<br />
an ihre Sachen kommen!“<br />
8<br />
DIE FAMILIE<br />
Wenn es so einfach wäre. „Wann bekommen<br />
die Mieter vom Reetwerder 3<br />
Zugang zu ihren persönlichen Dingen?“<br />
Diese und weitere Fragen stellt<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> der Vermieterin Marlies<br />
F. einige Tage später über ihren Anwalt.<br />
Der reagiert mit nur einem Satz: „Es ist<br />
nicht ganz klar, wie Sie auf den Gedanken<br />
kommen, dass meine Mandantin<br />
Ihnen auch nur eine der gestellten Fragen<br />
beantwortet.“ Tags darauf teilt er<br />
mit, seine Mandantin habe „kein Interesse<br />
an einem Gespräch“. Interessiert<br />
sich diese Vermieterin denn gar nicht<br />
für das Schicksal ihrer Mieter?<br />
Wer Marlies F. das persönlich fragen<br />
möchte, muss in eine Kleinstadt im<br />
Herzen Schleswig-Holsteins fahren.<br />
Hier betreibt sie ein hübsches Café nahe<br />
des Marktplatzes. Kenner schnalzen<br />
mit der Zunge angesichts des liebevoll<br />
hergerichteten Altbaus, und den leckeren<br />
Kuchen backt die Café-Betreiberin<br />
nach eigenem Bekunden selbst.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Auf die Frage jedoch, warum sie den<br />
Mietern vom Reetwerder 3 nicht endlich<br />
Zugang zu ihrem Hab und Gut<br />
gewährt, antwortet sie nur mit einem<br />
maskenhaften Lächeln und den Sätzen:<br />
„Ich möchte dazu nichts sagen. Das<br />
muss ich ja nicht.“<br />
Marlies F. und ihre Familie sind in<br />
der Kleinstadt durchaus bekannt. Ehemann<br />
Dietrich F. hat vor langer Zeit ein<br />
Palais am Marktplatz fachgerecht sanieren<br />
lassen. Öffentliche Gelder flossen,<br />
groß war die Hoffnung, dass das einzigartige<br />
Haus aus dem Dornröschenschlaf<br />
erweckt werden würde, in den es<br />
gefallen war. Doch es kam anders: Seit<br />
Jahren steht die einst adlige Residenz<br />
nahezu leer. Nur Sohn Daniel F., so erzählt<br />
man, wohnt in einem der vielen<br />
Zimmer des Hauses. Und eine Firma<br />
hat hier einen Briefkasten: die der Mutter<br />
und Vermieterin Marlies F.<br />
Offen reden möchte in der Kleinstadt<br />
niemand über die Familie. Aktenkundig<br />
ist bei der Staatsanwaltschaft<br />
Lübeck: eine Anklage gegen Daniel F.<br />
„wegen des Verdachts der Sachbeschädigung<br />
und der Bedrohung zum Nachteil<br />
seines Vaters“ – die Verhandlung<br />
Mitte August musste vertagt werden,<br />
weil der Angeklagte nicht vor Gericht<br />
erschien. Auch die Kollegen in Hamburg<br />
haben Daniel F. angeklagt: wegen<br />
Nötigung in mehreren Fällen und gewerbsmäßigem<br />
Betrug in einem Mietshaus<br />
in Eilbek – ob und wann darüber<br />
verhandelt wird, muss nun ein Richter<br />
entscheiden. Wegen derselben Immobilie<br />
ermittelte die Staatsanwaltschaft darüber<br />
hinaus gegen Mutter Marlies F.<br />
wegen Mietwucher. Dieses Verfahren ist<br />
eingestellt: gegen Auf lagen und die<br />
Zahlung einer Geldbuße.<br />
Aktuell hat die Vermieterin erneut<br />
Ärger mit der Justiz: Dieses Mal liegt<br />
eine Strafanzeige wegen Betrug vor –<br />
Tatort hier: der Reetwerder 3 in Bergedorf.<br />
Dort wiederum soll Sohn Daniel<br />
F. laut ehemaliger Bewohner regelmäßig<br />
die Miete bar eingetrieben haben.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> sieht ihn erstmals im<br />
Café seiner Mutter. Gemeinsam mit<br />
den Eltern sitzt er an einem Tisch im<br />
Innenhof und hält einen Plausch. Er<br />
wolle später noch „meine Motorradjungs“<br />
treffen, erzählt der geschniegelte<br />
„Ich möchte<br />
dazu nichts sagen.<br />
Das muss ich ja<br />
nicht.“ DIE VERMIETERIN<br />
Mittvierziger. „Du hast ja ein aufregendes<br />
Leben“, sagt Vater Dietrich F.,<br />
woraufhin Sohn Daniel grinsend entgegnet:<br />
„Das hält jung.“<br />
Kurze Zeit später steht Daniel F.<br />
vor einer Herrenboutique und raucht<br />
eine Zigarette. „Stimmt es, dass Sie die<br />
Mieten im Reetwerder 3 einkassiert haben?“,<br />
fragt ihn unser Redakteur. Die<br />
Antwort fällt so aggressiv wie deutlich<br />
aus: „Verpiss dich!“<br />
So würde man es sich wünschen: Mutter und Sohn erklären<br />
sich vor Gericht. Tatsächlich erschien bislang nur ein Anwalt.<br />
So wenig gesprächsbereit wie der Geldeintreiber<br />
und seine Mutter ist Mirja F.<br />
Sie steht im Grundbuch und ist somit<br />
die Eigentümerin des Reetwerder 3.<br />
Formal ist sie also mindestens genauso<br />
verantwortlich für die Zustände im<br />
Haus wie die Vermieterin. Und nicht<br />
zufällig trägt sie den selben Nachnamen<br />
wie die anderen. Insider erzählen,<br />
dass sie die Ex-Frau von Daniel F. ist.<br />
Warum unternimmt sie nichts, um den<br />
offenkundigen Missstand zu beenden?<br />
Die wiederholten Nachfragen von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> blieben bis Redaktionsschluss<br />
unbeantwortet.<br />
DIE VORGESCHICHTE<br />
Genauso speziell wie die Geschichte der<br />
Familie ist auch die des Hauses. Im Frühjahr<br />
2013 fallen Teile der Fassade auf<br />
den Bürgersteig. Glücklicherweise werden<br />
keine Passanten verletzt. Jahrelang<br />
bieten Prostituierte in dem denkmalgeschützten<br />
Gebäude ihre Dienste an.<br />
Später ziehen vor allem Menschen<br />
aus Rumänien, Bulgarien und der Türkei<br />
ein, die sonst auf dem Wohnungs-<br />
9
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Hat der Sohn der Vermieterin die Mieten im Reetwerder regelmäßig bar eingetrieben?<br />
Bis Redaktionsschluss beantwortete er diese Frage von Hinz&<strong>Kunzt</strong> nicht.<br />
markt kaum eine Chance haben. So wie<br />
Ionel Lupu, der sich als Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Verkäufer über Wasser hielt, als er den<br />
Mietvertrag unterzeichnete.<br />
Im März dieses Jahres rücken Mitarbeiter<br />
unterschiedlicher Behörden zu<br />
einem „Aktionstag“ im Haus an. Unter<br />
anderem gibt es Hinweise auf Mietwucher.<br />
Der Verdacht der Ämter ist begründet:<br />
Mieter zahlen hier 500 Euro<br />
warm pro Zimmer, für eine Vier-Zimmer-Altbauwohnung<br />
müssen sie laut<br />
Mietverträgen, die Hinz&<strong>Kunzt</strong> vorliegen,<br />
2000 Euro pro Monat berappen.<br />
Nach dem medienwirksamen Aufschlag<br />
der Stadt spitzt sich die Situation<br />
zu: Im April klagen Bewohner darüber,<br />
dass kein Wasser mehr aus den Hähnen<br />
fließt – die Vermieterin hat offenbar<br />
Rechnungen nicht bezahlt. Mitte Mai<br />
dann der Showdown: Die Feuerwehr<br />
wird gerufen, weil aus dem Keller des<br />
Gebäudes Rauch quillt. Blank liegende<br />
Stromkabel schmoren vor sich hin. Das<br />
Bezirksamt erklärt das Haus für unbewohnbar,<br />
die Bewohner müssen ihre<br />
Wohnungen überstürzt verlassen.<br />
10<br />
DIE STADT<br />
Das Bezirksamt Bergedorf bleibt nicht<br />
untätig. Es fordert die Hausbesitzerin<br />
auf, die Elektroinstallationen umgehend<br />
instand setzen zu lassen. Bis heute<br />
geschieht das offenbar nicht.<br />
Die Sozialbehörde wiederum organisiert<br />
für die Mieter nicht nur eine<br />
Notunterkunft. Weil unklar ist, wem<br />
was in den Plastiksäcken gehört, bietet<br />
eine Vertreterin der Behörde bei der<br />
Verhandlung am Amtsgericht Bergedorf<br />
sogar eine Lösung an: Die Stadt<br />
werde nach einer Lagerfläche suchen.<br />
Dorthin könne die Vermieterin die<br />
500 Plastiksäcke bringen, um eine<br />
geordnete Übergabe zu ermöglichen.<br />
Eine Monatsmiete für die Halle werde<br />
seine Mandantin wohl zahlen, sagt der<br />
Anwalt von Marlies F.<br />
Kurz darauf schreibt er einen Brief:<br />
Die Stadtreinigung möge den Transport<br />
übernehmen, und mehr als 500<br />
Euro dürfe die Halle nicht kosten.<br />
Auch die Sozialbehörde rudert ein<br />
Stück zurück. Mitte August erklärt sie,<br />
sie könne keine geeignete Fläche bereitstellen.<br />
„Es obliegt somit weiterhin ausschließlich<br />
der Vermieterin, eine entsprechende<br />
Lagerhalle anzumieten und<br />
die persönliche Habe der Mieter dorthin<br />
zu verbringen.“
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Leidtragende sind die Menschen, die vor mehr als drei<br />
Monaten ihre Wohnungen räumen mussten. Bitter für<br />
Ionel Lupu: Er hat wegen des Hickhacks seinen Sommerurlaub<br />
gestrichen – eigentlich wollte der Vater zweier<br />
Kinder mit seiner Familie nach Rumänien fahren.<br />
„... frei von Privatmietern<br />
oder vollständig<br />
vermietet ...“ VERKAUFSANGEBOT REETWERDER 3<br />
Immerhin gehört der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitarbeiter zu den<br />
wenigen, die eine neue Wohnung gefunden haben. Ein<br />
teures Unterfangen: Schließlich musste sich die Familie<br />
komplett neu einrichten, weil sie keinen Zugang zu ihrem<br />
Hab und Gut erhält.<br />
Mitte August bietet ein Makler die Immobilie Reetwerder<br />
3 auf einem Onlineportal zum Kauf an. Preis:<br />
sechs Millionen Euro. Laut Exposé kann der Käufer angeblich<br />
auswählen, „ob das Objekt frei von Privatmietern<br />
oder vollständig vermietet übergeben werden soll“ – eine<br />
sehr eigenwillige Interpretation der Rechtslage, zumal die<br />
Mietverträge der ausgesperrten Bewohner offenbar nie<br />
gekündigt wurden. Offenkundig wollen die F.’s noch<br />
schnelles Geld machen. Laut Gerichtspressestelle ist die<br />
Zwangsversteigerung der Immobilie bereits angeordnet.<br />
DIE MIETERSCHÜTZERIN<br />
Bis Redaktionsschluss (20. August) war unklar, wie es für<br />
die ehemaligen Bewohner vom Reetwerder weitergeht.<br />
Mieterschützerin Sylvia Sonnemann sieht die Behörden<br />
weiter in der Pflicht: „Wenn die Vermieterin sich nicht<br />
kümmert, muss die Stadt an ihrer Stelle eine Halle anmieten<br />
und ihr die Kosten anschließend in Rechnung stellen.“<br />
Und das Bezirksamt müsse seine Forderungen mit allen<br />
Mitteln durchsetzen.<br />
Immerhin: Mieter helfen Mietern hat die Vertretung<br />
von elf Mietparteien übernommen. Sonnemann will Vermieterin<br />
Marlies F. nach wiederholten erfolglosen Aufforderungen<br />
nun auf Instandsetzung der Wohnungen<br />
verklagen – bis ein Gericht darüber entscheidet, werden<br />
vermutlich Monate vergehen. •<br />
Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
Mehr über das Haus lesen Sie unter<br />
www.huklink.de/reetwerder<br />
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Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />
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Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />
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hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen Sie uns<br />
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11
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Diese Holzhäuser verkauft<br />
derzeit die Stadt –<br />
auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist<br />
interessiert.<br />
Leben in diesen Holzhäusern bald Obdachlose?<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> sucht eine Fläche<br />
Sie sind wetterbeständig und ganzjährig bewohnbar: 50 Holzhäuser, die die Stadt<br />
Mitte August für 1000 Euro pro Stück zum Kauf angeboten hat. „Wenn uns jemand<br />
eine geeignete Fläche oder Halle anbietet, würden wir sofort zehn Häuser<br />
kaufen und dort Obdachlose unterbringen“, sagt Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer. Zwei Angebote musste Hinz&<strong>Kunzt</strong> leider ausschlagen:<br />
Die Grundstücke lagen jenseits der Stadtgrenzen. Die Stadt hatte die Holzhäuser<br />
vor Jahren gekauft, um dort Geflüchtete unterzubringen. Auf Nachfrage hieß es:<br />
„Soziale Projekte werden bei der Vergabe sicherlich vorgezogen.“ UJO<br />
•<br />
Hamburg soll Geflüchtete retten Abzocke in Segeberger Chaussee<br />
Seebrücke für Menschlichkeit Eigentümer zeigt Vermittler an<br />
Weil Mittelmeerstaaten ihre Häfen Er soll von drei rumänischen Familien<br />
dichtmachen, haben Seenotretter immer<br />
größere Probleme – und werden und Kaution für Wohnungen in ei-<br />
je rund 4000 Euro Miete, Courtage<br />
sogar kriminalisiert. „Machen wir nem Haus in Norderstedt abkassiert<br />
Hamburg zum Sicheren Hafen!“, haben – und mit dem Geld abgetaucht<br />
sein: Patrick P. (siehe H&K Nr.<br />
fordert deshalb die Initiative Seebrücke<br />
und ruft zur Demonstration 305). Hauseigentümer Domenico G.<br />
am 2. <strong>September</strong> auf (14.30 Uhr, hatte die Wohnungen an den angeblichen<br />
Vermittler vermietet. G. erklärte<br />
Landungsbrücken). „Wenn die Regierungen<br />
in Europa versagen, dann gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>, er habe von<br />
liegt es an den Städten, zu handeln!“, P. oder seiner Firma kein Geld erhalten<br />
– „und zwischenzeitlich Anzeige<br />
heißt es in dem Aufruf. Zuletzt sind<br />
innerhalb von zwei Monaten mehr gestellt“. Die Staatsanwaltschaft Kiel<br />
als 700 Menschen auf der Flucht im ermittelt „wegen Betrugsverdacht in<br />
Mittelmeer ertrunken. UJO<br />
•<br />
zahlreichen Fällen“. UJO<br />
•<br />
Winternotprogramm<br />
Neue Unterkunft in Lokstedt<br />
An der Kollaustraße in Lokstedt werden<br />
ab 1. November Obdachlose<br />
Schutz vor der Kälte finden. Das<br />
teilte die Sozialbehörde mit. Derzeit<br />
leben auf dem Gelände der Stadt<br />
noch Geflüchtete. Geplant sei eine<br />
Belegung mit drei bis vier Betten pro<br />
Container, so die Behörde. Damit<br />
würden dort 252 bis 336 Plätze bereitstehen.<br />
Das Bezirksamt Eimsbüttel<br />
muss den Plänen zustimmen, was<br />
bei Redaktionsschluss als sicher galt.<br />
Die Stadt musste einen neuen Standort<br />
finden, weil eine Unterbringung<br />
Obdachloser am Schaarsteinweg<br />
(360 Plätze) nicht mehr möglich ist.<br />
Weitere 400 Betten des Winternotprogramms<br />
stehen wie vergangenen<br />
Winter in einer Unterkunft in der<br />
Friesenstraße (Hammerbrook). UJO<br />
•<br />
Platte am Fischmarkt geräumt<br />
Bezirk vertreibt Obdachlose<br />
Erneut hat der Bezirk Altona Obdachlose<br />
vertrieben: Am 21. August<br />
räumte die Stadtreinigung die Platte<br />
von rund 20 Menschen. Sie hatten<br />
am Fischmarkt in Zelten geschlafen.<br />
Für die Betroffenen unverständlich:<br />
„Es gab hier nie Stress“, so Ex-Bewohner<br />
Dennis. Das Bezirksamt, das<br />
die Aktion vorher angekündigt hatte,<br />
verwies auf Anwohner-Beschwerden<br />
über die „hygienischen Zustände“.<br />
Wo die Betroffenen nun schlafen, ist<br />
unklar: Die Notunterkunft Pik As ist<br />
für viele wegen der Angst vor Diebstahl<br />
keine Alternative. Zudem dürfen<br />
Osteuropäer, die hier noch nicht<br />
sozialversicherungspflichtig gearbeitet<br />
haben, dort nicht länger als sieben<br />
Tage bleiben. H&K-Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer: „Wir brauchen<br />
endlich Unterkünfte, die allen<br />
offenstehen und die von Obdachlosen<br />
angenommen werden.“ SIM<br />
•<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
12
Stadtgespräch<br />
JENISCH<br />
HAUS<br />
Übergriffe in Hamburg und Berlin<br />
Erneut Gewalt gegen Obdachlose<br />
Wieder sind Menschen, die auf der Straße leben, Opfer<br />
von Gewalt geworden: In Hamburg bewarf ein Unbekannter<br />
einen Obdachlosen mit einem Stein und verletzte<br />
ihn im Gesicht. Der 36-Jährige hatte nach eigenen<br />
Angaben zuvor mit dem Mann gestritten, so die Polizei.<br />
Seine Verletzungen waren so schwer, dass Rettungskräfte<br />
ihn ins Krankenhaus brachten. Das Landeskriminalamt<br />
sucht Zeugen für die Tat, die sich am Abend des<br />
1. August ereignete (Tel. 040/42 86-567 89). In Berlin<br />
übergoss ein Mann zwei schlafende Obdachlose mit<br />
Benzin und zündete sie an – sie erlitten schwere Verletzungen.<br />
Beide mussten ins Krankenhaus, einer lag dort<br />
noch bei Redaktionsschluss. Auch hier soll es zuvor Streit<br />
gegeben haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen<br />
einen 47-Jährigen wegen versuchten Totschlags. BELA<br />
•<br />
KLASSISCH<br />
DÄNISCH<br />
NORDDEUTSCHE BAUKULTUR SEIT 1790<br />
28.05.<strong>2018</strong> – 24.02.2019<br />
www.shmh.de<br />
Veranstaltungsreihe Gerechte Stadt<br />
Von hohen Mieten und niedrigen Löhnen<br />
Rund 250.000 Menschen in Hamburg sind auf Hilfe<br />
vom Staat angewiesen. Weitere 33.000 müssen mit Hartz<br />
IV aufstocken, weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht.<br />
Muss das so sein? Und warum sind in Hamburg die<br />
Mieten so hoch? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die<br />
Soziologin Natalie Grimm, Christina Boll (HWWA), Stephan<br />
S. Junker („Wohnverhältnisse in Deutschland“) und<br />
die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger. UJO<br />
•<br />
Dienstag, 11.9., 17.30 Uhr, beim Projekt<br />
„Das Geld hängt an den Bäumen“, Harkortstr. 79<br />
Wohnprojekte-Tage<br />
Gemeinsam wohnt es sich besser!<br />
Hamburg will künftig bis zu 20 Prozent der Flächen in größeren<br />
Neubauquartieren an Baugemeinschaften vergeben.<br />
Was und wie können die dazu beitragen, den Stadtteil<br />
zu entwickeln? Dieser Frage gehen Experten auf den<br />
diesjährigen Wohnprojekte-Tagen nach. Außerdem<br />
öffnen erfolgreiche Projekte ihre Türen für potenzielle<br />
Nachahmer. Workshops bieten Interessierten praktische<br />
Tipps auf dem langen Weg zum eigenen Wohnprojekt,<br />
ein Speeddating bringt Gleichgesinnte zusammen. UJO<br />
•<br />
14. und 15.9., Fr, 16–20 Uhr, Sa, 10–20 Uhr, Bürgerhaus<br />
Wilhelmsburg, Mengestr. 20<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter: www.hinzundkunzt.de<br />
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Förderkreis Norddeutschland e.V.<br />
Tel. 040 306 20 1460<br />
13<br />
NACHHALTIGE GELDANLAGE SEIT 1975.
Happy Birthday,<br />
Veddel!<br />
SEIT 250 JAHREN GEHÖRT DIE VEDDEL ZU HAMBURG. FÜR UNS<br />
MEHR ALS GRUND GENUG, UNS MAL AUF DER ELBINSEL<br />
UMZUSEHEN. DIE HINZ&KUNZT-REDAKTEURE JONAS FÜLLNER,<br />
ULRICH JONAS, BENJAMIN LAUFER, BIRGIT MÜLLER<br />
UND ANNABEL TRAUTWEIN STELLEN DEN STADTTEIL VOR.
Streitfall „Goldenes Haus“:<br />
In der Veddeler Brückenstraße 152<br />
ist Hamburg-1-Moderator<br />
und CDU-Mitglied Bedo<br />
aufgewachsen. Dass es als<br />
Kunstprojekt mit Blattgold<br />
verkleidet wurde, findet er gut.<br />
„Das Geld kam aus dem<br />
Kulturetat und wäre auch nicht<br />
anderweitig ausgegeben<br />
worden. Und ein bisschen Gold<br />
kann dem Aschenputtel<br />
‚Veddel‘ nicht schaden.“<br />
Gesichter der<br />
Veddel<br />
250 Jahre wird die Veddel alt. Da wollten wir Menschen treffen, die dort<br />
leben und arbeiten: unter anderen den einzigen Gemüsemann, die Sozialarbeiterin,<br />
den Bürgernahen Beamten und Bedo, den Hamburg-1-Moderator.<br />
16
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Happy Birthday, Veddel!<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF, MIGUEL FERRAZ (RECHTS)<br />
Macht richtig Spaß, mit<br />
Bedo alias Bülent Kayaturan<br />
auf der Veddel unterwegs<br />
zu sein. Heimspiel:<br />
Der Hamburg-1-Moderator ist<br />
hier in der Veddeler Brückenstraße aufgewachsen.<br />
Und liebt den Kiez. Heimat,<br />
das macht der 42-Jährige gleich klar:<br />
„Ganz oben steht bei mir die Veddel,<br />
dann kommt Hamburg und dann<br />
Deutschland.“ Türkei – eher schwierig,<br />
auch wegen der politischen Lage.<br />
Was ihn richtig aufregt: „Die Veddel ist<br />
so etwas wie Aschenputtel. Sie wird<br />
stiefmütterlich behandelt – ausgegrenzt<br />
und verunglimpft.“<br />
Bülent Kayaturan ist ein Kind türkischer<br />
Einwanderer, ein Junge aus dem<br />
Stadtteil, der allerdings eine ungewöhnliche<br />
Entwicklung gemacht hat:<br />
Bis hin zu „Bedo“, dem Fernsehmoderator.<br />
Deswegen ist er ein idealer Gesprächspartner.<br />
Wir sitzen noch keine<br />
fünf Minuten im Eiscafé, da haben wir<br />
schon die großen Themen zu packen:<br />
Heimat und Integration. Seine Eltern<br />
hatten in der Türkei nur vier Jahre die<br />
Schule besucht und kamen Anfang der<br />
1970er-Jahre nach Deutschland. „Sie<br />
haben alle Zelte in der Osttürkei abgerissen,<br />
alles hinter sich gelassen. Sie hatten<br />
nichts, konnten nicht mal die Sprache,<br />
aber wollten etwas erarbeiten – für<br />
uns Kinder“, sagt er. „Weißt du, was<br />
das für eine Auf opferung ist?“<br />
In Hamburg haben sie richtig malocht.<br />
„Der Klassiker. So wie es fast bei<br />
allen war: Meine Mutter hat geputzt.<br />
Mein Vater hat bei Aurubis gearbeitet,<br />
einer der größten Kupferhütten der<br />
Welt, wie meine beiden Opas und der<br />
Bruder von meinem Opa und meine<br />
Onkels.“<br />
In Bedos Klasse waren fast alle<br />
Migrantenkinder. „Heute heißt es immer:<br />
Jeder zweite Erstklässler hat einen<br />
Migrationshintergrund. Ich kann mich<br />
dran erinnern, bei uns waren von 20<br />
Schülern nur zwei Deutsche“, blickt er<br />
zurück. „Unsere biodeutschen Freunde<br />
waren in der Minderheit, das war die<br />
Realität.“<br />
In der Schule war Bedo alles andere<br />
als ein Überflieger. Aber er hatte immer<br />
die Unterstützung seiner Eltern. „Mein<br />
Vater konnte schlecht Deutsch, meine<br />
Mutter konnte kaum ein Wort Deutsch.<br />
Trotzdem haben sie nie auf gegeben, an<br />
mich zu glauben und mich immer mental<br />
unterstützt“, sagt er.<br />
Seine Mutter hat ihn auch immer<br />
ange trieben, noch mehr zu machen.<br />
„Du willst besser sein als die anderen,<br />
dann musst du auch zweimal mehr leisten.<br />
Gerade als Ausländerkind.“ Das<br />
hat er beherzigt. „Das Glück ist mit den<br />
Tüchtigen“, dieser urdeutsche Spruch<br />
ist seiner geworden. Alles könne man<br />
ihm vorwerfen, dass er begriffsstutzig<br />
gewesen sei oder langsam, „aber faul<br />
war ich nie“.<br />
Soziale Kontrolle statt Kriminalität<br />
Als vor ein paar Monaten der neue Kunstrasenplatz auf der Veddel eröffnet<br />
wurde, hat gleich in der ersten Nacht jemand den Anstoßpunkt aus dem<br />
Spielfeld gestochen und mitgenommen. „Das kann auch nur hier passieren“,<br />
sagt Stefan Jost und muss ein bisschen lachen. Der 59-Jährige ist<br />
seit 2006 Bürgernaher Beamter auf der Veddel – und versteht sich selbst<br />
inzwischen eher als Sozialarbeiter denn als Polizist. „Polizeilich ist die<br />
Veddel eine Oase der Ruhe“, sagt er. Kriminalfälle gebe es hier kaum. Klar,<br />
mal eine Schlägerei oder auch mal ein Einbruch, aber eigentlich gebe es<br />
auf der Veddel ja auch nichts zu holen. Das Zusammenleben sei weit gehend<br />
friedlich. Er vergleicht es mit dem Leben auf dem Dorf: „Man kennt sich,<br />
es gibt hier eine soziale Kontrolle.“ BELA<br />
•<br />
17<br />
„Meine Mutter<br />
konnte kaum ein<br />
Wort Deutsch.“<br />
HAMBURG-1-MODERATOR BEDO<br />
Die Eltern wollten, dass sich die F amilie<br />
integriert. „Sie gaben uns das Gefühl:<br />
Hier seid ihr zu Hause, hier müsst ihr etwas<br />
aus eurem Leben machen“, sagt<br />
Bedo. „Hier ist hier!“
Happy Birthday, Veddel!<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Bülent die fünfte Klasse wiederholt –<br />
und es war nicht das letzte Mal, dass er<br />
wiederholt hat“, sagt er selbstironisch.<br />
In der 9. Klasse wieder dasselbe.<br />
Sein Klassenlehrer fand, er soll doch<br />
lieber eine Lehre machen, das Abi<br />
würde er doch nie schaffen. „Da überlegst<br />
du schon: ‚Vielleicht hat dein Lehrer<br />
recht.‘“ Der Vater ist geschockt, dass<br />
Bedo die Schule schmeißen wollte und<br />
„Meine Eltern<br />
wollten, dass ich<br />
weiterkomme.“ BEDO<br />
Bedo zeigt Chefredakteurin Birgit Müller sein Viertel. „Was willst du von einem<br />
Stadtteil erwarten, der seine letzte Apotheke aufgegeben hat und noch nicht mal<br />
eine eigene Bank hat? Wir haben nur noch einen Obst- und Gemüseladen, einen Penny.“<br />
Richtig hart wurde es für ihn auf dem<br />
Gymnasium. Er hatte Schwierigkeiten<br />
mitzukommen. Dass er überhaupt auf<br />
eine weiterführende Schule ging, war<br />
und ist für ein Veddeler Kind ungewöhnlich<br />
(siehe Zahlen Seite 30). Nach der<br />
fünften Klasse wollte seine Klassenlehrerin,<br />
dass er die Schule verlässt. Ausgerechnet<br />
seine Mutter mit ihrem gebrochenen<br />
Deutsch hat sich dagegen<br />
gesperrt. „Sie ging eine Woche lang<br />
jeden Tag in die Schule und hat klar<br />
gemacht: ‚Der Junge bleibt auf dieser<br />
Schule!‘“, sagt Bedo stolz. „Also hat der<br />
sein Bruder richtig sauer. „Dann kriegst<br />
du richtig Ärger!“ Dabei ging der selbst<br />
nicht aufs Gymnasium, sondern machte<br />
eine Ausbildung. „Aber er sagte: ‚Ja,<br />
weil ich keine andere Möglichkeit habe,<br />
du Holzkopf.‘“ Der Spruch hat gesessen.<br />
„Bei mir hat es sofort Klick gemacht“,<br />
sagt er. „Da habe ich erst realisiert:<br />
Meine Eltern wollten, dass ich<br />
weiterkomme.“<br />
Er selbst war 14 Monate alt, als er<br />
nach Hamburg kam. Sein Bruder und<br />
seine Schwester sind erst mit 12 und 13<br />
Jahren nach Deutschland gekommen,<br />
konnten kein Wort Deutsch. Sein Vater<br />
Leben auf engstem Raum<br />
Ist die Veddel ein Problemstadtteil? „Es gibt hier viele Familien, denen es<br />
gut geht, deren Kinder studieren – und die sich ärgern, wenn die Veddel<br />
als Armutsstadtteil dargestellt wird“, sagt Francine Lammar, die Geschäftsführerin<br />
des Vereins Veddel aktiv.<br />
Als Sozialarbeiterin kennt sie aber auch die Alltagsnöte im Quartier.<br />
Die meisten Leute kämen wegen Wohnungsnot zu ihr, sagt sie: „Ich habe<br />
gerade mit einer Familie zu tun, die lebt bald zu fünft in einer<br />
40-Quadratmeter- Wohnung.“ Kein Einzelfall, wie sie weiß. Doch viele<br />
nähmen die Enge in Kauf, um nicht aus dem Stadtteil wegziehen zu<br />
müssen.<br />
Die Veddel zu verlassen, kostet Geld. Selbst die Fahrt nach Wilhelmsburg<br />
können sich manche Veddeler nicht leisten, sagt Lammar. Auch Geburtstagsfeste<br />
oder Kinobesuche sind für viele schlicht zu teuer. Ihr Verein<br />
hält dagegen – mit Bastelnachmittagen, Ausflügen, Sportangeboten und<br />
der Stadtteilbücherei. Oder mit Treffpunkten für Eltern und Kinder.<br />
Damit in Zukunft mehr Menschen auf der Veddel gut leben. ATW<br />
•<br />
18
Happy Birthday, Veddel!<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
sagte damals zu ihm: „Du bist der Einzige<br />
in der Familie, der wirklich was anderes<br />
machen kann, zieh das durch!“<br />
Ein paar Tage später sagte Bedo seinem<br />
Lehrer, dass er auf jeden Fall das Abi<br />
machen wolle.<br />
Er lacht. Wird dann ernst, weil er<br />
glaubt, dass andere Kinder, gerade<br />
Migrantenkinder, ähnliche Probleme<br />
hatten und haben wie er. „Wenn ein<br />
Schüler Schwierigkeiten hat oder wiederholt,<br />
heißt es ja nicht, dass er doof<br />
ist, sondern dass er vielleicht einfach<br />
mehr Unterstützung und Zeit braucht.“<br />
Inzwischen hat er stark an sich gearbeitet<br />
und seine Lernmethoden gefunden.<br />
„Ich habe jetzt eine schnellere Auffassungsgabe<br />
als früher.“<br />
Sogar studiert hat er noch. Dabei<br />
wollte er eigentlich nur eins: Radio machen.<br />
Im Offenen Kanal, wo Bürger<br />
das Programm gestalten, hatte er seine<br />
tägliche deutsch-türkische Morgenshow.<br />
Der damalige Geschäftsführer<br />
des Senders kam eines Tages ins Studio,<br />
knallte Bedo Studienunterlagen auf<br />
den Tisch, mit den Worten: „Unterschreib<br />
den Scheiß und gib es ab!“ Er<br />
hatte die Unterlagen sogar schon selbst<br />
ausgefüllt. „Das vergesse ich ihm nie“,<br />
„ Jeder junge<br />
Mensch braucht<br />
jemanden, der<br />
an ihn glaubt.“ BEDO<br />
sagt Bedo, der findet: „Jeder junge<br />
Mensch braucht jemanden, der an ihn<br />
glaubt.“<br />
Mit 2,3 schließt er sein Diplom auf<br />
der Hochschule für Wirtschaft und<br />
Politik ab. Am liebsten wäre er damit zu<br />
seinen Lehrern gelaufen und hätte es<br />
ihnen unter die Nase gehalten.<br />
Kurz bevor der Offene Kanal<br />
schließt, geht für ihn eine neue Medientür<br />
auf. Er trifft zufällig Herbert Schalthoff<br />
von Hamburg 1 – und ein paar<br />
Wochen später kommt er mit seiner<br />
Oriental Night ins Fernsehen. „Überleg<br />
doch mal!“, sagt er enthusiastisch.<br />
Ob Christ oder Moslem – der Kunde ist König<br />
Kürzlich hatte Yilmaz Kotan einen Herzinfarkt. Aber er steht schon wieder<br />
in seinem Laden am Wilhelmsburger Platz – neben dem Penny-Markt das<br />
einzige Geschäft auf der Veddel. Mit einem Gemüseladen hat er angefangen,<br />
inzwischen hat der 53-Jährige in den angrenzenden Räumen noch eine<br />
Bäckerei aufgemacht – und einen Friseursalon.<br />
Seit 17 Jahren lebt der türkische Kurde in Deutschland. Früher hatte er<br />
einen Laden in Wilhelmsburg. Fast nur deutsche Kunden habe er damals<br />
gehabt, was er sehr gut fand. Hier auf der Veddel ist es bunt gemischt. Vor<br />
allem, seit die Studenten in den Stadtteil gezogen sind. Er kommt mit allen<br />
klar. „Ich bin Geschäftsmann, da ist der Kunde König, egal ob er Christ<br />
oder Moslem ist.“ Wichtig sei nur, dass sich alle gut verstehen, und das sei<br />
gerade auf der Veddel der Fall. „Man muss mal fünf Stunden in Altona sein<br />
oder in Wilhelmsburg, da kommt irgendwann die Polizei, weil was los ist“,<br />
sagt er. „Hier ist alles ruhig. Man kennt sich eben.“ BIM<br />
•<br />
19
Happy Birthday, Veddel!<br />
Die Oriental Night – mit Talk und Musik<br />
rund um die deutsch-türkische Kultur<br />
– auf Deutsch. Das ist sein Ding.<br />
Brücken bauen zwischen seinen beiden<br />
Kulturen. Und er will noch mehr, will<br />
sich politisch engagieren, gerade für die<br />
Veddel: „Die Infrastruktur geht gegen<br />
null. Was erwartest du von einem Stadtteil,<br />
der seine letzte Apotheke aufgegeben<br />
hat? Noch nicht mal eine eigene<br />
Bank hat. Wir haben nur noch einen<br />
Obst- und Gemüseladen, einen Penny“,<br />
sagt er. „So etwas führt manchmal dazu,<br />
dass du irgendwann resignierst und<br />
aufgibst.“ Und für die Hamburger Kids<br />
mit Migrationshintergrund will er sich<br />
Bedo liebt die Veddel, weil sie bunt ist.<br />
Andererseits findet er es nicht gut,<br />
„dass man sich hier verlieren kann,<br />
weil man nicht viel Deutsch hört“.<br />
engagieren. Obwohl er denen auch gerne<br />
mal – im übertragenen Sinne – in<br />
den Hintern treten will: „Du musst<br />
schon Feuer im Arsch haben, Arschbacken<br />
zusammenkneifen und durchziehen.<br />
Und mal in den sauren Apfel<br />
beißen“, ist seine Ansage. Hat er selbst<br />
erlebt. „Ich habe bei Hamburg 1 anfangs<br />
als Freelancer gearbeitet. Da hab<br />
ich nicht viel verdient, auch wenn alle<br />
denken, beim Fernsehen wirst du Millionär.“<br />
Fleiß sei wichtig – und: „Leute,<br />
es geht nicht von heute auf morgen!“<br />
Inzwischen ist er auch Mitglied<br />
einer Partei. So wie Bedo immer redet,<br />
denkt man automatisch, er müsse bei<br />
den Grünen sein oder bei der SPD. Ist<br />
er aber nicht. Der Mann ist Christdemokrat.<br />
Ausschlaggebend war wohl<br />
Ole von Beust (Bürgermeister von<br />
2001–2010) mit seiner Vision einer modernen,<br />
konservativen Großstadtpartei<br />
– und seinem „ Sprung über die Elbe“.<br />
Davon versprach sich Bedo, dass es mit<br />
der Veddel aufwärtsgehen würde. So<br />
richtig gelungen findet er das bislang<br />
nicht. „Ich weiß, dass es hier jetzt mehr<br />
Studenten gibt“, sagt er. „Aber ich behaupte<br />
mal, dass sie zwar hier wohnen,<br />
„Man muss<br />
kein Christ sein,<br />
um Jesus zu<br />
schätzen.“ BEDO<br />
aber immer noch lieber in der Schanze<br />
unterwegs sind.“ Das müsste man ändern,<br />
mehr Angebote machen.<br />
Was er Ole von Beust noch hoch<br />
anrechnet: „Er holte mit den Staatsverträgen<br />
die Moscheen und Islamverbände<br />
aus den Hinterhöfen raus.“ Das Verhältnis<br />
zu den Gemeinden sei schwierig.<br />
„Aber wenn man alle Zelte abbricht,<br />
dann weiß niemand mehr, was wirklich<br />
in den Moscheen gesagt wird.“ Hat er<br />
Der Stadtteilkünstler<br />
Dieser Mann will Brücken bauen. „Ich möchte gemeinsam mit<br />
Bewohnern ein Outfit entwickeln, das über kulturelle Unterschiede<br />
hinweggeht, über das man sagen kann: Das repräsentiert die<br />
Veddel“, sagt Baldur Burwitz. „Island of beauty“ hat der 47-Jährige<br />
sein Projekt überschrieben, das er eine „soziale Skulptur“<br />
nennt: „Ich will nicht ein Kunstwerk machen und es hinstellen.<br />
Ich gehe raus und spreche mit den Menschen.“<br />
Immer dabei hat Burwitz einen Fotoapparat, um zunächst zu<br />
dokumentieren: Wie kleiden sich die Veddeler derzeit überhaupt?<br />
Mehr als 100 Bilder hat er bereits gemacht, bald werden sie im<br />
Internet zu sehen sein, um die Diskussion über das kleidungstechnisch<br />
kleinste gemeinsame Vielfache zu eröffnen. Finanziert wird<br />
das Projekt von der Stiftung Nachbarschaft der Saga, die bereits<br />
den sechsten Stadtteilkünstler auf der Veddel unterstützt. Neben<br />
der Atelierwohnung steht Burwitz ein Ausstellungsraum zur Verfügung,<br />
den er für Künstler aus ganz Hamburg öffnen will. UJO<br />
•<br />
Infos unter mail@baldurburwitz.de
Happy Birthday, Veddel!<br />
bei der CDU keine Probleme mit dem „C“? „Nö, gar<br />
nicht.“ Natürlich stehe das „C“ für das Christliche,<br />
aber im übertragenen Sinne. „Bei dem C geht es um<br />
Menschenliebe, Nächstenliebe, gesellschaftliches Zusammenleben<br />
und politische Verantwortung, Vorbild<br />
sein – was Jesus auch vorgelebt hat“, sagt er. „Ich muss<br />
kein Christ sein, um diesen Menschen zu schätzen.“<br />
Deswegen ist er manchmal sauer auf bestimmte Politiker,<br />
auch aus seiner eigenen Partei: „Wer in Kauf<br />
nimmt, Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen,<br />
der hat das C nicht kapiert.“ BIM<br />
•<br />
H<br />
E X TR ACA R D<br />
I N Z & K U N Z T<br />
HINZ&KUNZT<br />
UND<br />
EXTRACARD<br />
WERDEN 25!<br />
EIN GANZES JAHR LANG<br />
BUCHEN UND SPAREN<br />
WWW.EXTRACARD.DE<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF, MIGUEL FERRAZ (S. 20 UNTEN)<br />
Wie man Erfolgserlebnisse schafft<br />
Auf der Veddel gibt es für Kinder und Jugendliche<br />
nicht viele Freizeitangebote. Zum Glück für sie ist da<br />
Jürgen Hensen. Der Geschäftsführer des Vereins Get<br />
the Kick hat sich seit vielen Jahren der Jugendarbeit<br />
verschrieben. „Mir war klar: Man muss mit den Kindern<br />
raus aufs Wasser!“, sagt er. Den Migrantenkids<br />
von der Veddel den Elitesport Segeln beibringen, das<br />
gefällt Hensen. Mehrmals die Woche segeln und paddeln<br />
seine Jugendlichen inzwischen durch den Müggenburger<br />
Zollhafen. Im Haus der Jugend machen sie<br />
Boote flott und drehen Kurzfilme, auch in Zusammenarbeit<br />
mit Schulen. Hensen macht keinen Hehl<br />
daraus, dass es ihnen nicht selten auch an Sozialverhalten<br />
mangle: „Wir vermitteln das, was das Elternhaus<br />
leisten sollte“, sagt er. Und: „Es geht auch darum,<br />
ihnen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.“ Den<br />
Jugendlichen scheinen die Angebote jedenfalls zu gefallen,<br />
sagt er grinsend: „Die Fehlzeiten bei uns sind<br />
geringer als in der Schule.“ BELA<br />
•<br />
21<br />
KALENNER-<br />
DEERNS<br />
KOMÖDIE VON TIM FIRTH<br />
NACH DEM FILM KALENDER GIRLS<br />
26.8. – 29.9.<strong>2018</strong><br />
Kartentelefon: 040 / 35 08 03 21 oder<br />
online buchen: www.ohnsorg.de<br />
Foto: Sinje Hasheider
Vorhang auf<br />
im Zonck<br />
Vom Kneipier zum Bühnenhelden:<br />
Schon nach den<br />
ersten Theaterproben ist<br />
Karsten Löffler begeistert.<br />
Das Festival SoliPolis feiert zwei Wochen lang an unterschiedlichen Orten<br />
die Veddel und ihre Bewohner. Mittendrin: die Eckkneipe Zonck. Dort wird die<br />
Theke kurzerhand zur Bühne für Schauspielprofis und Laien umfunktioniert.<br />
Eigentlich steht Karsten Löffler<br />
hinter der Theke und<br />
nicht auf der Bühne. Im Café<br />
Zonck auf der Veddel begrüßt<br />
der 55-Jährige seine Gäste herzlich.<br />
Sie kennen sich in der Eckkneipe,<br />
und sie halten zusammen hier. An den<br />
Wänden blinken Spielautomaten, aus<br />
den Boxen tönt Rockmusik. Zigarettenrauch<br />
hängt in der Luft, das Licht ist<br />
schummrig. Dass das bald die Bühne<br />
für ein Theaterstück sein wird, man<br />
kann es sich nur schwer vorstellen. Aber<br />
beim SoliPolis-Festival im <strong>September</strong><br />
ziehen hier professionelle Schauspieler<br />
ein. Und Leute wie Karsten, die von<br />
Schauspielerei so gar keine Ahnung<br />
haben. Seine Theke wird dann zur<br />
Bühne, und er selbst schlüpft in eine<br />
Rolle. „Ich bin der Blinde unter den<br />
Sehenden“, sagt er und schmunzelt.<br />
Seine Bilanz nach den ersten Proben<br />
könnte jedoch kaum positiver ausfallen:<br />
„Das ist eine wunderbare Erfahrung,<br />
mir macht das Spaß!“<br />
Die Idee, dass Café Zonck zum<br />
Spielort beim Festival zu machen und<br />
die Belegschaft mit einzubinden,<br />
kommt nicht von ungefähr. Die Festivalmacherinnen<br />
von New Hamburg,<br />
einer Kooperation des Schauspielhauses<br />
mit dem evangelisch-lutherischen<br />
Kirchenkreis Hamburg-Ost, möchten<br />
ganz nah bei den Veddel-Bewohnern<br />
22<br />
sein. Ihren Bedürfnissen wollen sie eine<br />
Plattform geben, ihre Probleme sichtbar<br />
machen. Um die zu erfahren, haben<br />
sie zahllose Interviews auf der Elbinsel<br />
geführt. „Das war über Monate<br />
unsere einzige Arbeit: Leute kennenlernen“,<br />
erzählt Sina Schröppel von<br />
New Hamburg.<br />
Dabei trafen sie auch Karsten. Er<br />
begrüßt die Organisatorinnen auf der<br />
Straße inzwischen wie alte Freundinnen.<br />
Mit ihrem Vorhaben treffen sie bei<br />
ihm einen Nerv: „Wir sind der vergessene<br />
Stadtteil, sage ich immer.“ Ihn stört<br />
etwa, dass es nur einen Briefkasten auf<br />
der Veddel gibt und dass dem einzigen<br />
Geldautomaten auch schon mal das
Bargeld ausgeht, wenn am Monatsende<br />
die Hartz-IV-Empfänger endlich wieder<br />
flüssig sind. „Ein barrierefreier Aufgang<br />
zum Bahndamm wäre auch wichtig“,<br />
sagt Karsten. Wünsche, die das<br />
Team von New Hamburg immer wieder<br />
hört.<br />
Ihr SoliPolis-Festival will zeigen,<br />
wie man es anders machen, wie eine solidarische<br />
Stadt aussehen könnte. Und<br />
zwar für alle, egal woher, egal ob hier<br />
gebürtig, auf der Suche nach Arbeit<br />
hergekommen oder hierhin geflüchtet.<br />
Zwei Wochen lang sollen Theaterstücke,<br />
Konzerte, Workshops und Tanzperformances<br />
die Veddel und ihre Bewohner<br />
feiern.<br />
Da passt das Café Zonck super rein.<br />
„Das ist ein Zuhause für gestrandete<br />
Seelen“, sagt Karsten. Zwar tummeln<br />
sich an der Theke vor allem die wenigen<br />
deutschen Veddel-Bewohner ohne<br />
Migrationshintergrund, für die das hier<br />
ein Refugium ist. Doch Karsten stellt<br />
klar: „Wir behandeln alle gleich, jeder<br />
ist willkommen.“<br />
Dann kommt der Chef rein, großer<br />
Bahnhof, Karsten nimmt ihn in den<br />
Happy Birthday, Veddel!<br />
250 Jahre Veddel<br />
Vom 15. bis zum 30. <strong>September</strong> veranstaltet<br />
New Hamburg das Festival<br />
SoliPolis. Theateraufführungen,<br />
Lesungen, Konzerte und Filmvor führungen<br />
finden an vielen Orten auf der<br />
Veddel statt. Auf der Wilhelmsburger<br />
Straße wird jeden Abend an langen<br />
Tafeln gemeinsam gegessen.<br />
Programm: www.huklink.de/solipolis<br />
Schon am Wochenende vom 1. auf den<br />
2. <strong>September</strong> wird der Veddel-Geburtstag<br />
mit dem Stadtteilfest Veddel 250<br />
gefeiert: umfangreiches Programm auf<br />
der Open-Air-Bühne in der Veddeler<br />
Brückenstraße und mehrere Theateraufführungen<br />
und Konzerte bei der<br />
AWO und im EKiZ. Alle Veranstaltungen<br />
unter www.veddel250.de<br />
Arm. Vielleicht ist das ein sehr typischer<br />
Moment für die Veddel – denn<br />
der Chef der Kneipe, in die die Deutschen<br />
gehen, er heißt: Erkan. BELA<br />
•<br />
POETRY-<br />
SLAM<br />
Momentaufnahme #6<br />
zugunsten von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Mit dabei:<br />
Hinnerk Köhn<br />
Mona Harry<br />
Sven Kamin<br />
Lucia Lucia<br />
Danny Grimpe<br />
Marcel Schneuer<br />
Cap San Diego, Luke 5<br />
Di, 4.9.<strong>2018</strong><br />
Einlass: 19.30 Uhr<br />
Beginn: 20.00 Uhr<br />
Moderation:<br />
Rasmus Blohm<br />
Tickets im VVK:<br />
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FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
Das Schauspielhaus im Kirchgarten<br />
Als der Immanuel-Kirche auf der Veddel langsam aber sicher die Gläubigen<br />
ausgingen, musste ein neues Konzept für das Gotteshaus her. Seit 2014 ist New<br />
Hamburg zu Gast: eine Kooperation des Deutschen Schauspielhauses und des<br />
evangelischen Kirchenkreises Hamburg-Ost. New Hamburg haucht der Kirche<br />
neues Leben ein: Im Kirchenschiff werden Filme auf Leinwand gezeigt – oder<br />
Theaterstücke und Konzerte gegeben. Im benachbarten früheren Gemeindehaus<br />
öffnet drei Mal pro Woche das Café Nova, das von vielen Nachbarn gerne besucht<br />
wird. Auch im früheren Kirchgarten (Foto) können die Gäste es sich gemütlich<br />
machen. Gottesdienste gibt es manchmal auch noch – an Weihnachten etwa. BELA<br />
•<br />
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Nicht einer Meinung: Elinor Schües,<br />
Vorsitzende des Denkmalrates, und SPD-Politiker<br />
und Stadtteilkümmerer Klaus Lübke.<br />
Herr Lübke, wieso sind Sie gegen den<br />
Denkmalschutz an dieser Stelle?<br />
KLAUS LÜBKE: Die Begründung der Denkmalschützer<br />
zielt auf die Geschichte<br />
des Freihafens. Die projiziert man nun<br />
ausgerechnet an diese Stelle. Wir haben<br />
auch Zollämter, wo niemand etwas dagegen<br />
hätte, sie zu erhalten. Hier brauchen<br />
wir den Platz für Nutzungen, die<br />
im Stadtteil dringend benötigt werden.<br />
Was wäre das?<br />
LÜBKE: Wir hatten hier eine Zweifeld-<br />
Sporthalle geplant, einen großen Lebensmittelmarkt,<br />
Platz für eine Drogerie,<br />
eine Apotheke und einen Discounter, für<br />
Ärzte und einen Hochzeitssaal. In der<br />
Randbebauung waren Büros vorgesehen,<br />
innen sollten Wohnungen entstehen.<br />
Außerdem hätten wir hier Platz<br />
gehabt für eine Moschee. Im Bezirk<br />
arbeiten wir seit sechs Jahren daran, das<br />
alles zu entwickeln.<br />
Weg damit?<br />
Das Denkmalschutzamt hat die Zollanlagen auf der Veddel<br />
unter Schutz gestellt und damit Pläne zur Neubebauung<br />
des Geländes vereitelt. Annabel Trautwein hat mit Elinor Schües<br />
vom Denkmalrat und mit SPD-Bezirkspolitiker Klaus Lübke<br />
über das Für und Wider der Entscheidung gesprochen.<br />
Mehr Wohnungen, Geschäfte<br />
und Arztpraxen<br />
werden auf der Veddel<br />
dringend gebraucht,<br />
doch der Platz auf der Elbinsel ist rar.<br />
Bereits seit Jahren haben Bezirkspolitiker<br />
deshalb die am nördlichen Rand<br />
gelegene ehemalige Zollanlage im<br />
Blick. Die historischen Gebäude sollen<br />
Neubauten weichen, so ihr Plan. Doch<br />
jetzt hat das Denkmalschutzamt ihnen<br />
einen Strich durch die Rechnung gemacht<br />
und das Ensemble unter Denkmalschutz<br />
gestellt. Aus der rot-grünen<br />
Bezirksregierung kommen harsche<br />
Worte, Grünen-Fraktionschef Michael<br />
Osterburg sprach gar von einer Retourkutsche<br />
des Denkmalschutzamtes für<br />
den City-Hof, den der Senat gegen den<br />
Willen des Amtes abreißen lassen will.<br />
Könnte man die Gebäude nicht erhalten<br />
und trotzdem Platz für Wohnen und<br />
Gewerbe schaffen? Elinor Schües, Vorsitzende<br />
des Denkmalrates, sieht Potenzial.<br />
Klaus Lübke, Bezirkspolitiker der<br />
SPD und Stadtteilkümmerer auf der<br />
Veddel, hofft dagegen auf ein Machtwort<br />
des Senats gegen die Denkmalschützer.<br />
Ein Streitgespräch.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Der Denkmalschutzrat<br />
hat schon vor 2013 auf den Schutz<br />
dieser Gebäude gepocht. Warum ist das<br />
erst jetzt passiert?<br />
ELINOR SCHÜES: Wir haben oft nachgefragt,<br />
warum sich da nichts tut. Immer wieder<br />
sagte uns das Denkmalschutzamt: Uns<br />
fehlen die Leute. Jetzt ist der Ärger da.<br />
Warum gibt es dann nicht längst einen neuen<br />
Bebauungsplan? Der geltende ist von 1956.<br />
LÜBKE: Nach der Öffnung des Freihafens<br />
2013 war es das Wichtigste, die umliegenden<br />
Straßen umzubauen. Dann<br />
sollte das Gelände entwickelt werden.<br />
Diesen Prozess hat das Bezirksamt<br />
aber im vergangenen Jahr angehalten,<br />
weil abgewartet werden sollte, was am<br />
Kleinen Grasbrook passiert. Wir haben<br />
ein Jahr mit den Planungen pausiert.<br />
Und kurz vor dem nächsten<br />
Schritt kam die Entscheidung des<br />
Denkmalschutzamtes dazwischen – für<br />
uns völlig überraschend.<br />
Lassen die Pläne des Bezirks sich denn nicht<br />
mit dem Denkmalschutz vereinen?<br />
SCHÜES: Erst einmal sollte man schauen,<br />
was schützenswert ist. Die langen Zollgebäude<br />
haben zweifelsohne einen starken<br />
Aussagewert, solche charakteristischen<br />
Gebäude gibt es viel zu wenig in<br />
Hamburg. Hier wäre ein interessanter<br />
Ort für Künstlerateliers oder Clubs,<br />
ähnlich wie im Oberhafen. Aus solchen<br />
schrägen, alten Gebäuden entsteht ja<br />
Kultur. Wenn wir die nicht mehr haben,<br />
ist Hamburg klinisch tot.<br />
Aber was ist mit den Geschäften und Einrichtungen,<br />
von denen Klaus Lübke sprach?<br />
SCHÜES: Als Architektin sehe ich hier<br />
24
Happy Birthday, Veddel!<br />
In den 50er-Jahren wurden<br />
die Zollanlagen mit<br />
den Flugdächern gebaut.<br />
durchaus Raum für Bebauung.<br />
Die könnte<br />
man auch mit einem<br />
Teil der Zollgebäude<br />
kombinieren. Da ist<br />
jetzt Kreativität gefragt.<br />
Überzeugt Sie das,<br />
Herr Lübke?<br />
LÜBKE: Nein. Mit dem,<br />
was jetzt unter Denkmalschutz steht,<br />
kann man hier nichts mehr machen.<br />
Das wird einfach verfallen, bis es irgendwann<br />
eh abgerissen wird. Und so<br />
ein Modell wie am Oberhafen kann ich<br />
mir hier gar nicht vorstellen.<br />
Der Denkmalschutz soll ja gerade<br />
verhindern, dass interessante Orte einfach<br />
verfallen. Ist das nicht auch eine Chance<br />
für die Veddel?<br />
LÜBKE: So wie ich es sehe, dient der<br />
Denkmalschutz hier den wohlhabenderen<br />
Bildungsbürgern. Diejenigen, die<br />
hier leben und weniger Geld haben,<br />
werden nicht gehört.<br />
Sollte nun also der Senat den Denkmalstatus<br />
für die Zollanlage wieder kassieren?<br />
LÜBKE: Das ist das Ziel der Bezirksversammlung<br />
Hamburg-Mitte, ganz klar.<br />
SCHÜES: Der Senat sollte jetzt erst mal sehen,<br />
wie man mit der Entscheidung<br />
umgehen kann. Das Denkmalschutzamt<br />
wird sicher Abstriche machen müssen.<br />
Aber die Entscheidung in toto zu<br />
kassieren wäre schade – auch wegen<br />
dieser Gebäude. •<br />
Die<br />
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FOTOS: ANDREAS HORNOFF (S.24 UND OBEN), MIGUEL FERRAZ<br />
Die Veddel-Hose: für<br />
die Ewigkeit gemacht<br />
Neulich brachte ein Motorradfahrer<br />
seine Lederhose zu Carsten<br />
Paulsen – er war mit 170 Stundenkilometern<br />
gestürzt. „Zwei kleine<br />
Abrissstellen, mehr war nicht“, so<br />
der 64-jährige Ladeninhaber stolz.<br />
Unzerstörbar, besondere Taschen,<br />
viel Schlag und Maßarbeit:<br />
Das sind Kenn zeichen der Veddel-<br />
Hose. Erfunden hat sie 1962 Paulsens<br />
Mutter. Weil sie die Nase voll<br />
hatte vom Flicken, wählte sie robusten<br />
Stoff und setzte feste Nähte ein.<br />
Heute kleiden Handwerksfirmen<br />
ihre Belegschaft damit ein (Arbeitshose<br />
ab 98 Euro), Fans lassen<br />
sich die Traumhose schneidern<br />
(Freizeithose ab 159,50 Euro). Über<br />
allem steht das Motto: „Für jeden<br />
Arsch ’ne Hose nach Maß.“ UJO<br />
•<br />
Niedergeorgswerder Deich 56, Mo–Fr,<br />
8–18 Uhr, Sa, 9–12 Uhr<br />
SINGEN<br />
PFLEGEN<br />
TRAUERN<br />
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Das Leben<br />
steckt voller<br />
Fragen.<br />
25<br />
Wie können wir Ihnen helfen?
Marion Göttsches<br />
Fischgaststätte in der<br />
Tunnelstraße 70<br />
hat Montag bis Freitag<br />
von 11–17.45 Uhr<br />
geöffnet.<br />
In alter Treue<br />
Fünf Gerichte, Sinn für Tradition und Stammgäste,<br />
die ein Leben lang bleiben – das macht die historische<br />
Veddeler Fischgaststätte zum Kultlokal.<br />
Hier ist alles original, von der<br />
Eckbank bis zum Kartoffelsalat-Rezept<br />
von 1932. So<br />
lang ist es her, dass Louis Matthes auf<br />
der Veddel seine „Fischbratküche“ eröffnete.<br />
„Feinkost Tiedchen & Worbis“<br />
lag damals in der Tunnelstraße, ebenso<br />
„Ulrich’s Tanzdiele“ und das Kabarett<br />
an der Ecke. „Hier war richtig Highlife“,<br />
schwärmt Renate Puttfarken. Die<br />
gebürtige Veddelerin sitzt mit ihrem<br />
Mann Berni am „Stammtisch“, wo nur<br />
die treuesten Gäste Platz nehmen dürfen.<br />
„Ich komme seit 1952 hierher – damals<br />
mit meinen Eltern und sechs Geschwistern“,<br />
erzählt sie. „Einmal die<br />
Woche haben wir uns das geleistet.“<br />
Heute fährt das Ehepaar von seinem<br />
Zuhause in Rothenburgsort jeden<br />
Donnerstag zum Fischessen aufs frühere<br />
Zollgelände, umtost vom Verkehr.<br />
Nicht leicht zu finden, räumt Betreiberin<br />
Marion Göttsche ein. Vor zwölf<br />
Jahren übernahm sie mit ihrem damaligen<br />
Mann das Lokal von Gerhard und<br />
Anneliese Matthes. Fast 40 Jahre standen<br />
Sohn und Schwiegertochter von<br />
Louis Matthes damals schon hinterm<br />
Tresen, hegten die Kundschaft und<br />
pflegten den Gasbräter, der seit 1947<br />
seinen Dienst tat. „Das Herzstück“, wie<br />
Marion Göttsche sagt. Die Göttsches<br />
waren 2006 selbst Stammgäste, beide<br />
ohne Arbeit und auf der Suche nach einem<br />
Geschäft. „Nehmt doch unseres“,<br />
riet die Wirtin. Man kannte sich ja.<br />
Als das kleine Lokal hinter Bauzäunen<br />
verschwand, war die Treue der<br />
Stammgäste die Rettung des Traditionslokals.<br />
Anderthalb Jahre lang umkreisten<br />
Bagger die Fischgaststätte, rissen<br />
die Straße auf und machten Staub<br />
und Dreck. Die Stammgäste kamen<br />
trotzdem und riefen medienwirksam zu<br />
Retter-Essen auf. Jetzt sind die Bagger<br />
weg, und Marion Göttsche blickt gelassen<br />
dem 100-jährigen Jubiläum entgegen:<br />
„Ich habe grünes Licht vom Verpächter,<br />
dass ich hier weitere 15 Jahre<br />
bleiben kann.“ ATW<br />
•<br />
Chefin Marion<br />
Göttsche vor ihrer<br />
Gaststätte (oben)<br />
und mit ihren<br />
Mitarbeiterinnen.<br />
Renate Puttfarken<br />
kommt seit<br />
1952 hierher –<br />
inzwischen<br />
mit ihrem<br />
Ehemann Berni.<br />
26
„Hier kann ich an den Problemen<br />
ansetzen“, sagt Jan Kaiser. Der Arzt verdient<br />
in der Poliklinik nicht mehr als die<br />
Reinigungskraft – 16,70 Euro die Stunde.<br />
FOTOS: LENA MAJA WÖHLER (S. 26), ANDREAS HORNOFF (OBEN), MIGUEL FERRAZ (UNTEN)<br />
Die Weltverbesserer<br />
Das Kollektiv der Poliklinik bietet nicht nur ärztliche Hilfe,<br />
sondern auch Rat und Tat in allen Lebenslagen.<br />
Wer sich wie Jan Kaiser intensiv<br />
mit Bewohnern der<br />
Veddel beschäftigt, merkt<br />
schnell: „Hier sind auch jüngere Leute<br />
chronisch krank.“ Herz-Kreislauf-<br />
Probleme, Lungenerkrankungen oder<br />
Durch blutungsstörungen betreffen anderswo<br />
meist Menschen jenseits der 50,<br />
sagt der Arzt. „Manche meiner Patienten<br />
hingegen sind erst Ende 30.“<br />
Dass die Erfinder der Poliklinik sich<br />
die Veddel als Standort ausgesucht haben,<br />
ist kein Zufall: An Ärzten herrscht<br />
hier Mangel, und Studien zeigen, dass<br />
Bewohner von armen Quartieren im<br />
Schnitt zehn Jahre früher sterben als<br />
Othmarschener oder Poppenbütteler.<br />
Die Gründe dafür sind vielfältig, doch<br />
für den 32-jährigen Mediziner ist klar:<br />
„Das Einkommen wirkt am stärksten.“<br />
Denn Armut verursacht Stress, wirft<br />
existenzielle Fragen auf, die Kaiser oft<br />
zu hören bekommt: Wie bekomme ich<br />
meinen Lebensunterhalt zusammen?<br />
Und wie viel Geld habe ich, um mir<br />
etwas Ordentliches zu essen zu kaufen?<br />
Und: Armut bedeutet oft auch schlechte<br />
Wohnverhältnisse: „Schimmel ist hier<br />
in vielen Häusern ein Problem.“<br />
Wer die Menschen nachhaltig gesünder<br />
machen will, muss ihnen deshalb<br />
umfassend helfen, meint Jan Kaiser:<br />
„Wir versuchen, uns mehr Zeit zu<br />
nehmen, soziale Probleme mitzuverhandeln.“<br />
Weil manches den Rahmen<br />
eines Arztbesuches sprengt, bieten<br />
Honorarkräfte Sozialberatung an,<br />
schreiben Widersprüche gegen fehlerhafte<br />
Bescheide des Jobcenters oder begleiten<br />
Hilfesuchende zur Ausländerbehörde.<br />
Eine kostenlose psychologische<br />
Sprechstunde gibt es und auch Rechtsberatung<br />
für Geflüchtete.<br />
„Wir wollen Projekte entwickeln,<br />
die soziale Probleme direkt behandeln<br />
und nicht nur die einzelnen Menschen“,<br />
sagt Jan Kaiser. Einen Abend<br />
haben sie deshalb neulich mit Mietern<br />
und einer Expertin diskutiert, wie man<br />
sich gemeinsam gegen Schimmel wehren<br />
kann. Ab diesem Monat klären Ehrenamtliche<br />
Jugendliche in der Schule<br />
darüber auf, wie gesundes Leben aussehen<br />
kann und was der Einzelne und die<br />
Gesellschaft tun sollten.<br />
Anderthalb Jahre nach Eröffnung<br />
der Poliklinik sind Erfolge sichtbar:<br />
Noch diesen Monat soll auf der Veddel<br />
eine Apotheke aufmachen, „sicherlich<br />
auch, weil es uns gibt“, sagt Kaiser. Und<br />
für die „Community Health Nurse“<br />
(Stadtteil-Krankenschwester), die ab<br />
2020 die Gesundheitsversorgung im<br />
Quartier weiter verbessern soll, haben<br />
sie schon erste Fördergelder eingeworben.<br />
Zu tun bleibt genug: Ein<br />
Kinderarzt fehlt ebenso wie eine Frauenärztin,<br />
Kaiser träumt von fachärztlichen<br />
Sprechstunden. Dann würde aus<br />
den Räumen im Hinterhof noch mehr<br />
das Stadtteil-Gesundheitszentrum, das<br />
sich die Initiatoren wünschen. Und, ein<br />
Dauerthema: Geld muss her. „Ausführliche<br />
Patientengespräche und Sozialberatung<br />
werden von den Krankenkassen<br />
schließlich nicht bezahlt.“ UJO<br />
•<br />
Mehr Infos unter<br />
www.poliklinik1.org<br />
Konsum für<br />
Genossen<br />
Im Osten der Veddel liegt<br />
die Peute. Das heutige Industriegebiet<br />
wurde erst<br />
in den 1870er-Jahren zur<br />
Elbinsel. Dort, wo einst<br />
Ausflugslokale das Elbufer<br />
säumten, errichtete<br />
in den 1920er-Jahren die<br />
Großeinkaufsgesellschaft (GEG) der deutschen Konsumvereine ihr Zentrallager.<br />
Die Konsumgenossenschaftsbewegung hatte sich zum Ziel gesetzt, die<br />
Versorgungslage der Arbeiter zu verbessern. 1933 leitete die Gleichschaltung<br />
durch die Nationalsozialisten ihr Ende ein. Zwar wurde nach Kriegsende<br />
die Eigenproduktion wieder aufgenommen, in den 1980er-Jahren jedoch<br />
endgültig eingestellt. 2010 erwarb die Hamburg Port Authority (HPA)<br />
das Areal und sorgte für einen Skandal: Zwei Gebäude ließ sie abreißen –<br />
ohne Zustimmung des Denkmalschutzamtes. Man wollte Platz schaffen für<br />
ein neues Logistiklager des Online-Versandhändlers Amazon. JOF<br />
•<br />
27
Vom Weideland<br />
zur Wohnsiedlung<br />
Die Häuser vom<br />
Veddeler Elbdeich<br />
vor der Brücke über<br />
die Norderelbe<br />
(ca. 1900).<br />
„Veddel“ kommt von „Wehde“, der niederdeutschen Bezeichnung für Weideland.<br />
Genau das war die Veddel lange Zeit. Ihr Aufstieg begann erst im 19. Jahrhundert:<br />
Die Elbinsel wurde Hafenquartier, Amüsiermeile und Wohnviertel.<br />
Hamburger kennen die<br />
Veddel als traditionellen<br />
Arbeiterstadtteil. Dabei<br />
diente die kleine Elbinsel<br />
– heutzutage eingezwängt zwischen Autobahn<br />
und Bahngleisen – einst als Weideland.<br />
Die Besiedelung begann so<br />
richtig erst vor rund 140 Jahren. Damals<br />
ließ Reeder Robert Miles Sloman<br />
auf der bis dahin dünn besiedelten Fläche<br />
südlich der Norderelbe rund 200<br />
kleine Einfamilienhäuser für Hafenund<br />
Werftarbeiter erbauen.<br />
So wie sich heute kaum jemand die<br />
Veddel als Acker vorstellen kann, so<br />
kam es den Menschen vor 250 Jahren<br />
wohl auch nicht in den Sinn, dass<br />
auf der kleinen Insel in der Elbe später<br />
einmal mehr als 7000 Menschen<br />
leben würden. Damals, im Jahr 1768,<br />
sicherte sich die Hansestadt nach zähen<br />
Verhandlungen die Unabhängigkeit<br />
von Dänemark.<br />
Die Eigenständigkeit ließ sich die<br />
rund 100.000 Einwohner zählende<br />
Hansestadt einiges kosten: Städtchen<br />
wie Trittau und Reinbek mit ihren<br />
Schlossanlagen trat sie an Dänemark<br />
ab. Im Gegenzug erhielten die Stadtherren<br />
eigentlich wertlose Elbinseln<br />
und Niederungsgebiete zwischen Finkenwerder<br />
und Billwerder, auf denen<br />
höchstens einige Kühe grasten. Es waren<br />
die Flächen, auf denen sich später<br />
28<br />
der Hafen ausweitete und wichtige<br />
Industrieanlagen erbaut wurden. Und<br />
die zudem ausreichend Platz für das<br />
rasante Wachstum der Stadt boten. Seit<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich<br />
Hamburgs Einwohnerzahl auf rund<br />
eine Viertelmillion mehr als verdoppelt.<br />
1878 wurde schließlich auf der<br />
Veddel mit dem Bau der sogenannten<br />
Sloman-Siedlung begonnen. Die aufgelockerte<br />
Bebauung im Stil einer Gartenstadt<br />
mit höchstens dreistöckigen<br />
Häusern außerhalb der Großstadt sollte<br />
die Lebensbedingungen der Hafenarbeiter<br />
verbessern.<br />
Tatsächlich war die Siedlung aber<br />
schon 50 Jahre später wieder Ge-
Happy Birthday, Veddel!<br />
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
schichte. Die Bevölkerungszahl hatte<br />
die Millionengrenze durchbrochen und<br />
die kleinen Siedlungshäuser mussten<br />
weichen. Es entstand eine Großsiedlung:<br />
Ein geschlossenes Wohnquartier<br />
unter der Leitung von Oberbaudirektor<br />
Fritz Schumacher mit den in Hamburg<br />
typischen roten Klinkerbauten, die<br />
noch heute – trotz der Bombardierung<br />
im Zweiten Weltkrieg – das Bild der<br />
Veddel prägen.<br />
Hafenarbeiter<br />
besuchten die<br />
Gaststätte „Anker“<br />
(oben) in der<br />
Tunnelstraße<br />
schon frühmorgens.<br />
Bild unten:<br />
Dienstags und<br />
freitags war<br />
Wochenmarkt.<br />
In den 1920ern<br />
wurde die<br />
Veddel zu<br />
Klein St. Pauli.<br />
FOTOS: ARCHIV THAL<br />
Die Veddel mauserte sich und wurde –<br />
kaum vorstellbar – zum Ausgehviertel.<br />
In den 1920er- und 1930er-Jahren muss<br />
die Veddel genau das gewesen sein, bestätigt<br />
Experte Dieter Thal gegenüber<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Der Lokalhistoriker sammelt<br />
seit vielen Jahren historische Fotos<br />
und Postkarten der Veddel und beschäftigt<br />
sich ausführlich mit der Geschichte<br />
der Elbinsel. Seine Recherchen zeigen,<br />
dass es damals teilweise bis zu acht<br />
Kneipen in einer Straße gab. Das<br />
Nachtleben in „Klein St. Pauli“ – wie<br />
die Hamburger den Stadtteil nannten –<br />
muss richtig pulsiert haben, sagt Thal.<br />
Rund 7000 Menschen lebten damals<br />
auf der Veddel. Zum Vergleich:<br />
Heute leben noch rund 4700 Hamburger<br />
in dem kleinen Stadtteil, der gerade<br />
mal einen Supermarkt und ansonsten<br />
nur wenige Cafés, Kneipen und kleine<br />
Bäckereien beherbergt. Vor knapp 100<br />
Jahren hingegen luden zahlreiche Geschäfte<br />
zum Flanieren ein. Es gab Banken,<br />
Apotheken und eine Postfiliale.<br />
Diese glanzvollen Zeitn kennt Dieter<br />
Thal selbst nur aus Erzählungen.<br />
Der 68-Jährige wuchs in den 1950er-<br />
Jahren in den ehemaligen Auswandererhallen<br />
im südlichen Teil der Veddel auf.<br />
Hapag-Generaldirektor Albert Ballin<br />
ließ sie Anfang des 20. Jahrhunderts als<br />
Massenunterkünfte für Tausende Auswanderer<br />
errichten, die aus ganz Europa<br />
jede Woche in der Stadt ankamen.<br />
Nach der Machtübernahme durch die<br />
Nationalsozialisten dienten sie als<br />
Herberge für die Waffen-SS. Später, in<br />
Folge der Befreiung Hamburgs, wurden<br />
sie dann als Notunterkunft für ausgebombte<br />
Familien, wie die von Dieter<br />
Thal, genutzt.<br />
Den Aufschwung der Veddel seit<br />
den 1920er-Jahren bremste der Zweite<br />
Weltkrieg brutal aus. Der Nordteil war<br />
zerstört. Hinzu kam die schlechte Luft<br />
durch die immer größer werdenden Industrieanlagen<br />
auf der benachbarten<br />
Peute. Wer konnte, zog weg. So auch<br />
die Familie von Dieter Thal.<br />
Geblieben sind überwiegend Menschen<br />
mit geringem Einkommen, vor<br />
allem Migranten, deren Anteil inzwischen<br />
– zählt man die Bewohner der<br />
Flüchtlingsunterkünfte nicht hinzu –<br />
nirgendwo in Hamburg höher ist. Lange<br />
Zeit vernachlässigt, geriet die Veddel<br />
erst wieder Mitte der 2000er in den<br />
Blick der Stadtplaner.<br />
Industrie wanderte ab und im Zuge<br />
der 2007 gestarteten Internationalen<br />
Bauausstellung setzte der Senat ein<br />
Subventionsprogramm für vergünstigte<br />
Mieten für Studenten auf.<br />
Mit Erfolg: Heutzutage ist fast jeder<br />
zehnte Bewohner der Veddel ein<br />
Student. JOF<br />
•<br />
Dieter Thal: Hamburg-Veddel (2012),<br />
Sutton Verlag, 19,95 Euro, 128 Seiten<br />
(ca. 200 Abbildungen)<br />
29
Die Veddel<br />
in Zahlen<br />
Was Sie über das Geburtstagskind<br />
unbedingt wissen sollten.<br />
Hartz-IV-Empfänger<br />
unter 15 Jahren<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
42,9 Prozent<br />
20,7 Prozent<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />
Woher Veddeler und<br />
ihre Eltern kommen<br />
Nahezu jeder vierte<br />
Bewohner der Veddel ist<br />
Türke oder hat türkische<br />
Eltern. Auch viele<br />
Mazedonier leben hier.<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />
100 %<br />
72,3 %<br />
übrige Länder<br />
1391<br />
Türkei<br />
1008<br />
Ghana<br />
154<br />
Mazedonien<br />
447<br />
Bulgarien<br />
219<br />
Afghanistan<br />
155<br />
45,1%<br />
Ärztliche<br />
Versorgung<br />
Niedergelassene Ärzte 3<br />
Apotheken 1*<br />
*ab <strong>September</strong> <strong>2018</strong><br />
Arztquote je 1000 Einwohner<br />
auf der Veddel: 0,64<br />
in ganz Hamburg: 2,61<br />
(Statistikamt Nord, Dez. 2017, eigene Recherchen)<br />
Bevölkerung<br />
4667<br />
Mit Migrationshintergrund<br />
3374<br />
Bewohner der Veddel<br />
Drei von vier Menschen haben Wurzeln<br />
außerhalb Deutschlands. Bei Kindern und<br />
Jugendlichen sind es neun von zehn. Fast jeder<br />
zweite Veddeler hat keinen deutschen Pass.<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />
45,1 %<br />
Ohne deutschen Pass<br />
2106<br />
Hamburg<br />
WOHNUNGEN<br />
Veddel gesamt: 2040<br />
darunter Saga-Wohnungen: 1400<br />
darunter Sozialwohnungen: 260*<br />
* Weitere 215 Wohnungen in der Straße<br />
Passierzettel werden nach Abschluss der<br />
Modernisierung ebenfalls einer Mietpreisbindung<br />
unterliegen.<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2017 / Saga, August <strong>2018</strong>)<br />
30<br />
18,8%<br />
Veddel<br />
Anteil Schüler in Gymnasien<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
18,8 Prozent<br />
45,1 Prozent<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2016)
Anteil der Hilfeempfänger<br />
(SGB II) an der Bevölkerung<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
24,9 Prozent<br />
10,3 Prozent<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />
Quadratmeterpreise<br />
für Bauland<br />
247<br />
EURO<br />
(LBS, <strong>2018</strong>)<br />
657<br />
EURO<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
Mietpreise<br />
Neu vermietete Wohnungen<br />
auf der Veddel<br />
9,75 Euro/m 2<br />
Neu vermietete<br />
Wohnungen in Hamburg13,24 Euro/m 2<br />
(Gymnasium Ohmoor, 1. Quartal <strong>2018</strong>)<br />
Jährliche Einkünfte<br />
je Steuerpflichtigem<br />
Veddel<br />
15.831 Euro<br />
Hamburg<br />
39.054 Euro<br />
(2013, Statistikamt Nord)<br />
Ergebnisse Bürgerschaftswahl 2015<br />
Wieviele der Wahlberechtigten<br />
haben sich tatsächlich an der Wahl beteiligt?<br />
Wahlberechtigte<br />
41,1%<br />
(Statistikamt Nord)<br />
Wahlberechtigte<br />
Durchschnittliche<br />
Wohnfläche je Einwohner<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
26,8 Quadratmeter<br />
38,3 Quadratmeter<br />
43%<br />
70,9%<br />
(Statistikamt Nord, Dezember 2016)<br />
56,5%<br />
Wahlbeteiligte<br />
Wahlbeteiligte<br />
Veddel<br />
Hamburg<br />
SPD 37,6 %<br />
Linke 22,4 %<br />
Grüne 15,4 %<br />
Piraten 5,9 %<br />
Die Partei 4,7 %<br />
AfD 4,4 %<br />
FDP 3,6 %<br />
CDU 2,9 %<br />
Übrige 3,2 %<br />
SPD 45,6 %<br />
Linke 8,5 %<br />
Grüne 12,3 %<br />
Piraten 1,6 %<br />
Die Partei 0,9 %<br />
AfD 6,1 %<br />
FDP 7,4 %<br />
CDU 15,9 %<br />
Übrige 1,7 %<br />
Grünflächen<br />
Veddel: 1,5 Prozent<br />
Hamburg: 4,3 Prozent<br />
(Bezirksamt Mitte,<br />
Umweltbehörde, August <strong>2018</strong>)
Can Dündar war<br />
Chefredakteur der<br />
türkischen Zeitung<br />
Cumhuriyet. 2016<br />
verurteilte ein<br />
türkisches Gericht<br />
den Erdo an-Kritiker<br />
wegen „Geheimnisverrat“<br />
zu knapp<br />
sechs Jahren<br />
Gefängnis, das<br />
Urteil ist jedoch noch<br />
nicht rechtskräftig.<br />
Dündar lebt in<br />
Berlin im Exil.<br />
Can Dündars Anleitung<br />
zur Rettung der Demokratie<br />
Can Dündar sieht Demokratie, Frieden und Freiheit in Gefahr, bedroht durch Anhänger autoritärer Ideen.<br />
Mit Tut Was! legt er nun ein leidenschaftliches Plädoyer für eine aktive Demokratie vor. Ein Auszug.<br />
FOTO: MILENA SCHLOESSER<br />
32<br />
Wir sind mit einem globalen Angriff<br />
auf unsere Freiheiten konfrontiert. Dagegen<br />
ist vereinzelter Widerstand auf<br />
lokaler Ebene zu schwach. Die globale<br />
Attacke können wir nur mit globalem<br />
Widerstand abwehren. Damit können<br />
wir die uns von der Globalisierung zugefügten<br />
giftigen Wunden mit einer<br />
Medizin heilen, die uns wiederum die<br />
Globalisierung bietet. Globalisierung<br />
ist nicht unser Gegner, sie ist der Name<br />
einer Kraft, die wir uns zunutze machen<br />
können. Wenn die Flut, die alle<br />
Zufluchtsstätten fortreißt, richtig gelenkt<br />
wird, kann sie die Mühlen unseres<br />
Engagements für Gerechtigkeit, Gleichheit<br />
und Freiheit antreiben. Sie kann<br />
uns mit Menschen, die anderswo auf<br />
unserem Planeten für Freiheit kämpfen,<br />
zusammenbringen und lehren, wie<br />
wir Unrecht, Rassismus und Populismus<br />
gemeinsam bekämpfen können.<br />
Mit ihrer Hilfe können wir Menschen,<br />
die das Gefühl haben, ganz allein dazustehen,<br />
zurufen: „Du bist nicht allein,<br />
wir sind da!“<br />
Wenn wir den Menschen ein Gefühl<br />
von Sicherheit, Hoffnung auf die<br />
Zukunft und Überlebensgarantien<br />
geben können, verringern sich die<br />
Chancen auf einen Sieg für Trump, der<br />
eine Mauer zu Mexiko baut, und für<br />
Erdo an, der an der syrischen Grenze<br />
eine Pufferzone einrichtet.<br />
Eine auf die Menschen fokussierte,<br />
Leistung und Arbeit fördernde Finanzpolitik<br />
und eine auf Entwicklung bauende<br />
Wirtschaft, die in erster Linie auf<br />
Investitionen, Wachstum und gerechte<br />
Verteilung setzt und für die Schaffung<br />
neuer Arbeitsplätze sorgt, um den<br />
Schmerz von Arbeitslosigkeit zu lindern,<br />
wäre imstande, die panische<br />
Angst abzubauen, Flüchtlinge würden<br />
den Arbeitsmarkt überrennen.<br />
Universale Friedenspolitik würde<br />
jene, die aus Gründen des Machterhalts<br />
Angst verbreiten, entwaffnen.<br />
„Wir können<br />
uns Globalisierung<br />
zunutze<br />
machen.“<br />
Es ist an der Zeit, die bedrängte<br />
Menschheit die liebevolle Hand der<br />
Solidarität erfahren zu lassen. Dazu
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
braucht es ein globales Solidaritätsnetzwerk,<br />
in dem wir alle mitarbeiten.<br />
Fürchten Menschen, arbeitslos zu<br />
werden, müssen wir die Gewerkschaften<br />
reorganisieren.<br />
Fürchten sie einen Nuklearkrieg,<br />
müssen wir Anti-Atom-Kampagnen in<br />
die Wege leiten.<br />
Sorgen sie sich wegen des Flüchtlingszustroms,<br />
müssen wir uns für eine<br />
Lösung des Problems an der Wurzel<br />
einsetzen, für Frieden in Nahost, damit<br />
den Geflüchteten die Heimkehr ermöglicht<br />
wird.<br />
Verbreitet die um sich greifende<br />
Gewalt Angst und Schrecken im Alltag,<br />
müssen wir bei den Videospielen der<br />
Kinder anfangen, uns gegen individuelle<br />
Bewaffnung stellen und Wege finden,<br />
den Einfluss der Waffenlobby zu brechen,<br />
die die Regierungen in aller Welt,<br />
insbesondere in den USA, in die Knie<br />
zwingt.<br />
Lösen Homoehe, unterschiedliche<br />
sexuelle Präferenzen und vom Mainstream<br />
abweichende Meinungen Sorge,<br />
Widerspruch oder Ärger bei den Massen<br />
ohne Bewusstsein aus, müssen wir<br />
uns Lehrbücher, Populärkultur und<br />
Fernsehserien vornehmen. Wir müssen<br />
in eine Zukunft investieren, in der wir<br />
in all unserer Unterschiedlichkeit zusammenleben<br />
können, indem wir in<br />
jedem Bereich Empathie fördern, Intoleranz<br />
aus den Köpfen tilgen und Hassdiskurse<br />
beseitigen.<br />
Verlage müssen Bücher von Angehörigen<br />
von Minderheiten, diskriminierten<br />
Migranten, verachteten Flüchtlingen<br />
und Opfern rassistischer Übergriffe<br />
drucken.<br />
In Galerien, auf Theaterbühnen,<br />
in Konzertsälen müssen Werke gezeigt<br />
werden, die im Mainstream keinen<br />
Platz bekommen.<br />
Musiker aus unterschiedlichen Kulturen<br />
müssen gemeinsam spielen und<br />
sich des kulturellen Erbes annehmen,<br />
das in Vergessenheit zu geraten droht,<br />
das verboten oder vernachlässigt wurde.<br />
Wie die Waffenlobby in Filme investiert,<br />
in denen Kugeln durch die Luft<br />
schwirren, muss die gemeinsame Kraft<br />
des Friedens Filme zur Abrüstung<br />
finanzieren, muss sich die Sprache des<br />
Friedens auf Leinwänden, Bildschirmen<br />
und Bühnen widerspiegeln.<br />
Zeitungen müssen ihre Kolumnen<br />
unterschiedlichen Meinungen öffnen,<br />
Radiosender Menschen beschäftigen,<br />
deren Stimmen zum Verstummen gebracht<br />
wurden.<br />
Anwaltskammern müssen Mechanismen<br />
schaffen, um gemeinsam das<br />
Unrecht zu bekämpfen, das sich epidemisch<br />
von Tag zu Tag, von Land zu<br />
Land weiter ausbreitet.<br />
„Wir müssen<br />
Intoleranz aus<br />
den Köpfen<br />
tilgen.“<br />
Universitäten müssen ihre Pforten<br />
Wissenschaftlern öffnen, die aus ihren<br />
Fachbereichen und Ländern vertrieben<br />
wurden, und neue Abteilungen einrichten,<br />
damit die Konfliktregionen der<br />
Welt besser verstanden und für komplex<br />
gewordene Probleme gemeinsam<br />
Lösungen entwickelt werden können.<br />
Grundlagen für eine bessere Integration<br />
verschiedener Gesellschaften müssen<br />
geschaffen werden, dazu müssen Austauschprogramme<br />
für Studierende besser<br />
finanziert werden.<br />
Sportvereine müssen überzeugt<br />
werden, ihren Einfluss zur Bekämpfung<br />
von Rassismus, Hassdiskursen und<br />
Gewalt einzusetzen. Olympiaden, Turniere<br />
und Wettkämpfe sollten keine unbarmherzigen<br />
Auseinandersetzungen<br />
sein, sondern sich in Vorbilder freundschaftlichen<br />
Wettbewerbs verwandeln.<br />
Wie die #MeToo-Bewegung gemeinsam<br />
gegen Belästigung, Erniedrigung<br />
und Gewalt gegen Frauen protestierte,<br />
sollten ähnlichen Kampagnen für<br />
sexismusfreie Sprache, nicht diskriminierende<br />
Politik und eine gleichberechtigte,<br />
globalisierte Welt eintreten.<br />
Parteien, Gewerkschaften, Jugendorganisationen,<br />
NGOs, die gedrängt<br />
werden, sich »lokal und national« zu<br />
verhalten, müssen zu Zusammenarbeit<br />
auf globaler Ebene ermutigt und unterstützt<br />
werden. Wenn die Ko-Vorsitzenden<br />
und zehn weitere Abgeordnete der<br />
33<br />
zweitgrößten Oppositionspartei in der<br />
Türkei in Haft sind, muss die Weltdemokratiefamilie<br />
vor den Gefängnistoren<br />
stehen und am ersten Verhandlungstag<br />
in den Gerichtssaal drängen.<br />
Da mittlerweile bekannt ist, dass es<br />
beim Engagement für die Umwelt um<br />
den Überlebenskampf der Erde geht,<br />
muss gegen die globale Vergiftung der<br />
Geist für grenzüberschreitenden Aktivismus<br />
geweckt werden.<br />
Aufgeklärte Religionsgelehrte sollten<br />
zusammenarbeiten, um Laizismus<br />
wieder aufzubauen und Fanatismus abzuwehren.<br />
Lehrer sollten sich vernetzen,<br />
um die Sprache des Friedens zu<br />
etablieren, engagierte Bürgermeister,<br />
um kommunale Verwaltungen zu stärken,<br />
umsichtige Stadtplaner, um die<br />
Ausplünderung der Städte zu verhindern,<br />
uneigennützige Mediziner, um<br />
Gesundheitsversorgung für alle auf globaler<br />
Ebene zu erreichen.<br />
Das Kapital der reichsten ein Prozent<br />
der Weltbevölkerung ist heute größer<br />
als das der restlichen 99 Prozent.<br />
Das zeigt uns, wie sich unsere Welt in<br />
den Klauen der tagtäglich wachsenden<br />
Ungerechtigkeit windet. Dank einer globalen<br />
Kooperation, wie ich sie beschrieben<br />
habe, brachten die Panama Papers<br />
ans Licht, wie und wo sich die besagten<br />
ein Prozent verstecken. Jetzt sind von<br />
sozialer Gerechtigkeit überzeugte Wirtschaftswissenschaftler<br />
gefragt, um die<br />
ungleiche Einkommensverteilung zu<br />
überwinden, und Experten der Sozialpolitik,<br />
um nachhaltige politische Strategien<br />
für die öffentliche Hand zu<br />
entwickeln.<br />
Das Boot des Populismus bläht<br />
seine Segel mit den Winden der Angst –<br />
Verfechter von Demokratie, Frieden<br />
und Freiheit auf der ganzen Welt müssen<br />
zusammenkommen und dafür sorgen,<br />
dass der Wind sich dreht. •<br />
Can Dündar liest in Hamburg<br />
Der Journalist, Dokumentarfilmer<br />
und Autor Can Dündar liest beim<br />
Harbour Front Literaturfestival:<br />
So, 16.09., 11 Uhr, Hamburger<br />
Kammerspiele, Hartung straße 9–11,<br />
12/15 Euro. Beim Eintritt muss der<br />
Personalausweis vorgezeigt werden.
SERIE<br />
Die Besser-Verdiener<br />
Kleine, geile Firmen,<br />
die sozial wirtschaften<br />
Für die Zukunft gut gerüstet:<br />
Die Rinder von Hans Möller<br />
fressen, was der Bauer<br />
auf seinem Hof produziert.<br />
Das rechnet sich für den<br />
Öko Melkburen.
Stadtgespräch<br />
Elternzeit<br />
für Kühe<br />
Bei den Öko Melkburen dürfen Kälber in der<br />
Herde aufwachsen und am Euter trinken.<br />
Dafür verzichten die Bauern auf rund ein Drittel<br />
des Ertrags. Für Biobauer Hans Möller und<br />
seine Kollegen ist es trotzdem ein Gewinn –<br />
nicht nur aus ethischen Gründen.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Hans Möller kneift die Augen zusammen und lässt<br />
seinen Blick über die Weide streifen. Ein Zaunstück<br />
liegt flach. „Das waren wohl die Jungrinder,<br />
die irgendeinen Blödsinn vorhatten“, sagt der Landwirt<br />
und deutet auf ein Grüppchen Kälber, das sich etwas<br />
abseits der Herde ins Gras gelegt hat. Anders als die kleinen<br />
Kälber, die noch innig von ihren Muttertieren umsorgt<br />
werden, haben die Heranwachsenden bereits ihren<br />
eigenen Club aufgemacht. Nur hin und wieder trotten sie<br />
zu ihren Müttern zurück, stupsen mit der Nase gegen das<br />
Euter und trinken. Eine Szene wie aus dem Bilderbuch –<br />
aber leider die Ausnahme.<br />
Wäre Hans Möller ein Landwirt wie die meisten anderen<br />
in Deutschland, hätte er Kälber und Kühe nach<br />
der Geburt getrennt. Die Kühe würde er zu Hunderten<br />
platzsparend im Stall unterbringen und mit Mais, Getreide,<br />
Soja und Silage füttern. Die Kälber bekämen Milchpulverlösung<br />
aus Eimern mit Gummisauger, bis sie das<br />
Kraftfutter fressen könnten, das die Futtermittelindustrie<br />
verkauft mit dem Versprechen, es gäbe mehr Ertrag.<br />
Dagegen setzt die Gemeinschaft der Öko Melkburen,<br />
die Hans Möller gemeinsam mit den Biolandwirten<br />
Achim Bock und Heino Dwinger gegründet hat, auf ein<br />
anderes Konzept: „Elternzeit für Kühe“. Hier bleiben die<br />
Kälber so lange wie möglich in der Herde und sind mit<br />
ihr das ganze Jahr auf der Weide. Bis sie von den älteren<br />
Tieren gelernt haben, Gras zu fressen, können sie jederzeit<br />
am Euter trinken. Hans Möller ist überzeugt: „Das ist<br />
das Beste, was man machen kann.“<br />
Auch wenn die familiengerechte Aufzucht für die<br />
Öko Melkburen erst einmal Umsatzeinbuße bedeutet.<br />
Denn ein Teil des Ertrags landet ja nicht im Milchkarton,<br />
sondern im Magen der Kälbchen. „Wir verzichten pro<br />
Kuh auf 600 bis 800 Liter Milch im Jahr“, erklärt Möller.<br />
„Aber das ist es uns wert.“ Nicht nur wegen des rührenden<br />
Anblicks einer Kuh, die ihr frisch geborenes Kalb auf<br />
der Weide liebevoll trockenleckt. Hans Möller geht es ums<br />
35
Die Qualität stimmt: Landwirt<br />
Hans Möller setzt vor allem<br />
auf seine „4 Jahreszeiten Milch“,<br />
die deutlich verträglicher ist.<br />
Ganze, um einen verantwortungsbewussten<br />
und würdigen Umgang mit<br />
dem Tier. Auch seine Rinder sieht<br />
Möller als soziale Wesen, die spielen,<br />
voneinander lernen und füreinander<br />
sorgen. Die Öko Melkburen wollen<br />
ihnen all das zugestehen – soweit es für<br />
sie als Bauern möglich ist. Denn auch<br />
die „Elternzeit für Kühe“ ist ein Kompromiss,<br />
sagt Hans Möller: „Wenn man<br />
der Natur gerecht werden wollte, dann<br />
würde keine Milch übrigbleiben.“<br />
Der Kompromiss zahlt sich aus.<br />
Denn als ökologische Landwirte arbeiten<br />
die Öko Melkburen im geschlossenen<br />
Kreislauf: Die Rinder leben von<br />
dem, was die Höfe selbst produzieren.<br />
Nur bei Engpässen wie in diesem trockenen<br />
Sommer müssen Hans Möller<br />
und seine Kollegen Futter zukaufen.<br />
Nun hofft er auf ergiebigen Herbstregen.<br />
„Dann kommen wir hoffentlich<br />
gut über den Winter.“ Sonst muss er<br />
Tiere verkaufen, statt die weiblichen<br />
Kälber als Milchkühe großzuziehen.<br />
Die männlichen Kälber werden als<br />
Ochsen geschlachtet.<br />
Gewinn machen die Öko Melkburen<br />
vor allem mit ihren saisonalen Bio-<br />
Milchprodukten und dem Bio-Fleisch<br />
36<br />
der Ochsen von Möllers Hof. Ihr Markenzeichen<br />
ist die „4 Jahreszeiten<br />
Milch“, die je nach Saison etwas anders<br />
aussieht und schmeckt. Zurzeit ist die<br />
„Sommermilch“ im Handel, die besonders<br />
viele Omega-Fettsäuren enthält.<br />
Dass sich darin manchmal Rahmschlieren<br />
bilden, ist für die Öko Melkburen<br />
ein Qualitätsmerkmal: Ihre Milch<br />
behält den natürlichen Fettgehalt und<br />
wird nicht auf 130 Grad erhitzt oder<br />
durch Mikrofilter gepresst, um sie zu<br />
homogenisieren. Nur um die vorgeschriebene<br />
Pasteurisierung, ein einmaliges<br />
Erhitzen auf 72 Grad, kommt auch<br />
die „4 Jahreszeiten Milch“ nicht herum.<br />
Ansonsten ist sie naturbelassen – und<br />
dadurch bekömmlicher, sagt Möller.<br />
Immer wieder habe er Gäste auf dem<br />
Hof, die glaubten, grundsätzlich keine<br />
Milch zu vertragen. Manche probierten<br />
dann doch. „Da bekommen wir schon<br />
mal Mails von Leuten, die sagen: ‚Toll,<br />
ich kann wieder Milch trinken.‘“<br />
Gutes Marketing gehört zu einer<br />
erfolgreichen Ökolandwirtschaft dazu –<br />
daraus macht Hans Möller keinen<br />
Hehl. Doch für ihn persönlich ist es<br />
mehr. „Ich bin ein christlicher Mensch“,
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
„De Öko Melkburen“ kompakt:<br />
Standorte: Lentföhrden, Schmalfeld und Lutzhorn (Schleswig-Holstein)<br />
Gründung: 2011<br />
Gründer: Hans Möller, Achim Bock, Heino Dwinger<br />
Motto: „Regionale Werte schaffen – Elternzeit für unsere Kühe“<br />
Produkte: „4 Jahreszeiten Milch“ und „4 Jahreszeiten Joghurt“ – saisonal<br />
unterschiedlich in Nährstoffgehalt, Farbe und Geschmack, je nachdem,<br />
was die Weide hergibt.<br />
Geschäftsmodell: Solidarische Landwirtschaft. Ein Depot zur Abholung von<br />
Ernteanteilen in Hamburg ist geplant. Wer mehr darüber erfahren oder die<br />
Solidarische Landwirtschaft unterstützen möchte, kann eine Mail schreiben<br />
an solawi@deoekomelkburen.de<br />
Mehr Infos und Händlerverzeichnis: deoekomelkburen.de<br />
sagt er. Als Landwirt fühlt er sich der<br />
Schöpfung verpflichtet und beauftragt,<br />
die Natur zu erhalten. „Wenn man bis<br />
auf die Bibel zurückgeht, soll die Landwirtschaft<br />
den Menschen zur Ernährung<br />
dienen“, sagt er. „Heute ist sie verkommen<br />
zur Geldmaximierung.“<br />
Sein Hof, den er in vierter Generation<br />
betreibt, war bis Ende der 1990er-<br />
Jahre eine konventionelle Landwirtschaft.<br />
Urgroßvater, Großvater und<br />
Vater lieferten ihre Milch an die Molkereien.<br />
„Bis in die 1970er-Jahre gab es<br />
selbst hier bei uns im Ort noch eine<br />
Molkerei“, sagt Möller. Doch nach und<br />
nach kauften die größeren Betriebe die<br />
„Wird man der<br />
Natur gerecht,<br />
bleibt keine<br />
Milch übrig.“<br />
kleinen auf, die Konzerne wuchsen.<br />
„Uns Landwirten wurde erzählt: ‚Ihr<br />
müsst fusionieren – dann wird alles besser.‘“<br />
Hans Möller schnaubt verächtlich.<br />
Was er tatsächlich beobachtete,<br />
waren Kündigungen und das Verschwinden<br />
lokaler Produkte. Wenn auf<br />
der Tüte „Milch aus Norddeutschland“<br />
stehe, bedeute das nur, dass die Milch<br />
im Norden abgefüllt werde. „Was man<br />
heute in den Milchregalen findet, ist zu<br />
mehr als 80 Prozent von zwei, drei<br />
Bei den Melkburen bleiben die Kälber<br />
bei den Müttern, bis sie vom Euter<br />
entwöhnt sind und sich bei den Großen<br />
das Grasfressen abgeguckt haben.<br />
37<br />
Großplayern: Arla, DMK oder Nestlé.<br />
Die beherrschen den Markt.“ Und<br />
während die Gewinne in den Konzernen<br />
verteilt würden, bleibe den Landwirten<br />
nur die Verwaltung ihrer Verluste.<br />
Keine gute Aussicht – und für Hans<br />
Möller ein Grund mehr, weshalb er als<br />
junger Mann kein Landwirt werden<br />
wollte. Doch für den ersten Sohn der<br />
achtköpfigen Bauernfamilie war seine<br />
Zukunft als Hofnachfolger entschieden.<br />
„Ich hätte gern etwas anderes gelernt“,<br />
sagt er. Ein Rückenleiden führte ihn in<br />
eine zweite Berufsausbildung zum Versicherungsfachmann.<br />
Doch am Ende<br />
fügte er sich der Tradition. Nur eins<br />
stand für ihn fest: Er würde nicht nach<br />
den Spielregeln der Futter- und Düngemittelkonzerne<br />
und der Agrarindustrie<br />
wirtschaften. Also ließ er Ställe abreißen,<br />
nutzte den Platz für Ferienwohnungen<br />
und Hofladen und stellte auf<br />
Ökolandbau um. „Mein Vater hat mir<br />
nie gesagt, dass er das gut fand“, erzählt<br />
Hans Möller und lacht. Dass der alte<br />
Bauer stolz von den Erfolgen des Sohnes<br />
erzählte, erfuhr er erst über andere.<br />
Noch immer zählt Hans Möllers<br />
Arbeitswoche sieben Tage. Er steht um<br />
6 Uhr auf und hat manchmal erst um<br />
22 Uhr Feierabend. Immerhin ist Urlaub<br />
drin – etwa eine fünftägige Wandertour<br />
auf Luthers Pfaden und eine<br />
Woche Mallorca. Ohne seine drei Mitarbeiter<br />
in der Landwirtschaft und die<br />
zwei Stellen im Gastbetrieb ginge das<br />
kaum. Auch weil sich Annette und Hans<br />
Möller entschieden haben, ihre Söhne<br />
„neutral zu erziehen“: Hilfe auf dem<br />
Hof ist gern gesehen, aber keine Pflicht.<br />
Unterstützung geben die Öko Melk -<br />
buren sich lieber gegenseitig. Und sie<br />
hoffen auf Kunden, die in ihrer neu gegründeten<br />
Solidarischen Landwirtschaft<br />
Verantwortung teilen wollen.<br />
Jeder Haushalt finanziert dann über sogenannte<br />
Ernteanteile die Betriebskosten<br />
des Hofs mit und darf sich dafür<br />
seinen Teil am Ertrag abholen. Und<br />
natürlich auf dem Hof vorbeischauen.<br />
Denn das gute Gefühl, ein Kälbchen<br />
bei seiner Mutter groß werden zu sehen,<br />
teilt Hans Möller genauso gern. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
In dieser Serie erschienen<br />
Bridge&Tunnel (Mai 2017)<br />
LemonAid (Juni 2017)<br />
tricargo (Juli 2017)<br />
FahrradGarderobe (<strong>September</strong> 2017)<br />
Weberei Hamburg (Oktober 2017)<br />
Goldeimer (November 2017)
Lebenslinien<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
„Gebt nicht auf!“<br />
Die Geschichte des vierjährigen Austin aus den USA machte im<br />
Frühjahr im Netz die Runde. Seine Mission: Obdachlosen helfen!<br />
Was macht der kleine Superheld jetzt?<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTO: KARIM SHAMSI-BASHA, ALABAMA<br />
NEWS CENTER
Lebenslinien<br />
P<br />
lötzlich war da dieses Video: Ein kleiner Junge<br />
mit flatterndem Superhelden-Cape, der Sandwiches,<br />
Umarmungen und aufmunternde Worte<br />
verteilt: Nicht an irgendwen – an Obdachlose.<br />
Sein Name: Austin Perine. Sein Alter: vier Jahre.<br />
Chat mit Austins Vater TJ: Der 38-Jährige schreibt,<br />
dass Austin durch eine Tierdoku über ein verstoßenes<br />
Panda-Junges auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam<br />
geworden wäre. Ob es so etwas auch bei Menschen<br />
gäbe? TJ bejaht und nimmt seinen Sohn eines Tages in<br />
die örtliche Obdachlosenunterkunft mit. „Austin sagte:<br />
‚Dad, die Menschen sehen traurig aus. Wir müssen ihnen<br />
helfen‘“, erinnert sich TJ.<br />
Die Heimat der Perines ist Birmingham in Alabama,<br />
USA. Eine verblühte Industriestadt: Knapp 25 Prozent<br />
der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze, die<br />
Zahl der Obdachlosen schätzt TJ auf „mehr als 1000“.<br />
Er lernt mit Austin nun einige von ihnen kennen, trifft sie<br />
im Park oder auf ihrer Platte. „Entschuldigen Sie, möchten<br />
Sie ein Sandwich?“, fragt Austin, die braune Papptüte mit<br />
Essen stets dabei. Fast alle wollen – sind erstaunt und<br />
dankbar. „Wenn mal jemand keine Hilfe annehmen kann,<br />
sagen wir ‚Gott schütze dich‘ und ziehen weiter“, so TJ.<br />
Anfangs haben sie die Sandwiches noch selbst<br />
geschmiert. Heute werden sie von einer Burgerkette<br />
gesponsert. TJ wollte sich eigentlich mit einem Gartenservice<br />
selbstständig machen, aber Austins Mission ist<br />
mittlerweile auch seine. Er hat eine Stiftung gegründet,<br />
mit der sie ein Zentrum bauen wollen, das neben Essen<br />
auch Unterkunft und medizinische Versorgung für<br />
Obdachlose bietet. Mehr als 80.000 Dollar haben sie<br />
dafür schon gesammelt.<br />
Vater und Sohn sind weiterhin ein Mal pro Woche<br />
unterwegs. „Jeder im Park und in den Unterkünften kennt<br />
mich!“, sagt Austin stolz. Er hat sogar schon einmal mit<br />
jemandem auf der Straße getanzt. Am liebsten mag<br />
Austin den obdachlosen Raymond: „Er sagt, dass ich ihm<br />
Hoffnung gebe. Jedes Mal, wenn er mich sieht, gibt er mir<br />
ein High Five.“<br />
Dann lässt Austin über seinen Vater noch etwas für<br />
die Obdachlosen in Hamburg ausrichten: „Gebt nicht<br />
auf! Irgendwann werde ich auch nach Hamburg kommen<br />
und Liebe zeigen. Haltet durch!“ •<br />
Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />
39<br />
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Jetzt<br />
Mitglied<br />
werden<br />
20097 Hamburg
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Rechtsanwältin Alexandra<br />
Elek hat aufgedeckt, was<br />
Polizisten, Staatsanwälte<br />
und Richter übersehen<br />
haben. David und andere<br />
Obdachlose müssen<br />
deshalb nun doch<br />
keine Strafe wegen Hausfriedensbruch<br />
zahlen.<br />
Staatsanwaltschaft korrigiert sich:<br />
Doch keine Strafe<br />
für Obdachlose<br />
450 Euro Strafe wegen Hausfriedensbruch sollte Hinz&Künztler David zahlen – weil er<br />
auf einem Grundstück der Bahn übernachtete. Dabei stellte die Bahn ihre<br />
Strafanzeige gegen ihn und 29 andere Obdachlose zu spät. Fast hätte das niemand bemerkt.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Eigentlich war die Sache entschieden. Gegen zwei<br />
Obdachlose, die im vergangenen Jahr auf einem<br />
Grundstück der Bahn nahe den Elbbrücken geschlafen<br />
hatten, hatte das Amtsgericht schon Strafbefehle<br />
erlassen. Jeweils 450 Euro wegen Hausfriedensbruch,<br />
30 Tagessätze à 15 Euro. Und einem weiteren Obdachlosen<br />
drohte das Gleiche.<br />
„Den Strafbefehl bekommt er jetzt gleich“, sagt der Richter<br />
an einem Dienstagmorgen Anfang Mai im Amtsgericht<br />
Harburg. Die Sache scheint klar: Wer sich gegen den Willen<br />
des Eigentümers auf dessen Grundstück aufhält, begeht<br />
Hausfriedensbruch. Wenn der Eigentümer Anzeige stellt,<br />
müssen die Strafverfolgungsbehörden ihr nachgehen. Und<br />
der Richter am Ende über die Schuld befinden. Im Saal sitzen<br />
neben dem Richter in diesem Fall nur ein junger Staatsanwalt<br />
und der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Reporter. Der Angeklagte erscheint<br />
nicht, auch kein Anwalt vertritt seine Interessen.<br />
Weil der Obdachlose nicht erscheint, vertreiben sich Richter<br />
und Staatsanwalt die Zeit und beginnen eine Plauderei. Es<br />
fällt ein bezeichnender Satz: „Wenn man keine Fehler mehr<br />
40
Stadtgespräch<br />
macht, macht man auch irgendwas falsch.“ Der Staatsanwalt<br />
sagt ihn. Dass hier gerade ein folgenschwerer Fehler droht, ist<br />
ihm nicht bewusst. Bis der Reporter sich einschaltet: „Sind Sie<br />
sicher, dass der Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde?“<br />
Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt. Die Behörden<br />
werden nur aktiv, wenn jemand eine Anzeige stellt. Das hat<br />
die Bahn getan, in 30 Fällen. Allerdings zu spät. „Eine Tat,<br />
die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn<br />
der Antragsberechtigte es unterläßt, den Antrag bis zum Ablauf<br />
einer Frist von drei Monaten zu stellen“, steht im Gesetz.<br />
Diese Regel gilt auch in diesem Fall, auch für Obdachlose.<br />
„Das wäre bei Herrn<br />
Ackermann wahrscheinlich<br />
nicht passiert.“<br />
RECHTSANWÄLTIN ALEXANDRA ELEK<br />
Der Richter zückt seinen Kalender und rechnet nach. Und<br />
tatsächlich: Die Bahn hat den Strafantrag genau einen Tag zu<br />
spät gestellt. Das war ihm nicht aufgefallen. Der Staatsanwalt<br />
plädiert zwar dennoch auf schuldig, doch inzwischen ist das<br />
Verfahren gegen den Obdachlosen eingestellt worden.<br />
Auch Hinz&Künztler David hat Glück: Das Verfahren<br />
gegen ihn hat das Gericht nun auch eingestellt, die bereits<br />
verhängte Strafe in Höhe von 450 Euro muss er nicht bezahlen.<br />
Seiner Rechtsanwältin Alexandra Elek war aufgefallen,<br />
dass die Bahn ihre Anzeige einen Tag zu spät stellte und hatte<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> schon vor Wochen darauf hingewiesen. So kamen<br />
wir dem Justizirrtum auf die Spur.<br />
Kann es sein, dass alle Polizisten, Richter und Staatsanwälte,<br />
die mit den Strafanzeigen der Bahn beschäftigt waren,<br />
das nicht bemerkt haben? „Möglicherweise haben die Kollegen<br />
das übersehen“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft,<br />
Nana Frombach. „Das kann sein.“ Auch scheine<br />
es den Richtern „durchgerutscht“ zu sein. Sie ließ nach der<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Anfrage alle Fälle intern überprüfen. Und<br />
tatsächlich gab es einiges zu revidieren: In einem Fall reichte<br />
die Staatsanwaltschaft sogar ein Gnadengesuch bei der Justizbehörde<br />
ein, weil die Strafe schon verhängt war. In einem anderen<br />
hat sie vor Gericht ihren Strafbefehlantrag zurückgenommen,<br />
um einen Schuldspruch zu verhindern. Und in<br />
einem dritten Verfahren beantragte sie die Aufhebung des<br />
Strafbefehls. Die anderen Verfahren sind endgültig eingestellt<br />
worden. „Mühselig“ sei die Überprüfung gewesen, sagt<br />
Frombach. „Aber das zeigt, dass wir in der Lage sind uns zu<br />
korrigieren, wenn wir uns verrechnet haben.“<br />
Anwältin Elek vermutet, dass in den Behörden weniger<br />
genau hingesehen wird, wenn es kein großes öffentliches<br />
Interesse an einem Fall gibt: „Das wäre bei Herrn Ackermann<br />
wahrscheinlich nicht passiert.“ •<br />
Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />
Obdachlose im August<br />
Schutzlos der Hitze<br />
ausgeliefert<br />
Der August war hart für Hamburgs Obdachlose.<br />
Denn nicht nur Kälte und Nässe setzt ihnen<br />
zu. „Die Hitze ist scheiße“, sagt Bonnie Anfang<br />
August erschöpft. Die Hinz&Künztlerin<br />
leidet unter Diabetes und hatte daher während<br />
der heißen Tage mit massiven Kreislaufproblemen<br />
zu kämpfen. „Viel trinken ist wichtig“, so<br />
Bonnie, die mit ihrem Freund Clyde in der<br />
Mönckebergstraße Platte macht. Die heißen<br />
Tage überstehen sie mehr schlecht als recht:<br />
„Wir schlafen spät ein und tagsüber sind wir<br />
hundemüde.“<br />
Sich allerdings bei der Hitze zum Schlafen<br />
irgendwo in den Schatten zu legen, ist gefährlich.<br />
Wenn die Sonne dann weiterwandert,<br />
liegt man plötzlich in der Sonne. Wer betrunken<br />
ist, der bekommt das nicht mit, sagt Annette<br />
Antkowiak. Für die Leiterin des Krankenmobils<br />
der Caritas war der August eine<br />
spezielle Herausforderung: „Wir mussten Verbrennungen<br />
bei den Obdachlosen behandeln“,<br />
sagt sie. Auch sei die Gefahr zu Dehydrieren<br />
groß: „In der Innenstadt gibt es zu wenige öffentliche<br />
Wasserstellen“, beklagt Antkowiak.<br />
Auch die Mediziner des Gesundheitsmobils<br />
der Johanniter hatten alle Hände voll zu<br />
tun: „Wir haben mehr als doppelt so viele Patienten<br />
gesehen wie sonst“, sagt der medizinische<br />
Koordinator Ronald Kelm. 50 statt wie<br />
sonst üblich 20 obdachlose Patienten seien von<br />
drei Ärzten behandelt worden. Ein großes Problem<br />
seien schmutzige, entzündete Wunden<br />
gewesen, die versorgt wurden: „Bei der Hitze<br />
sind Wunden ein Schlaraffenland für Keime.“<br />
Ausgerechnet während der heißesten Tage<br />
hatten gleich zwei der wenigen Anlaufstellen<br />
für Obdachlose unerwartet geschlossen. In der<br />
Tagesaufenthaltsstätte TAS der Diakonie können<br />
sich Obdachlose eigentlich duschen und<br />
ausruhen – doch wegen Krankheitsfällen war<br />
das vom 1. bis 15. August nicht möglich. Eine<br />
weitere Hiobsbotschaft: Wasser flutete wegen<br />
eines Rohrbruchs das Erdgeschoss des Herz<br />
As. Duschen und Essensausgaben bleiben wohl<br />
bis in den Herbst geschlossen. Und das, obwohl<br />
es ohnehin schon zu wenige Duschen für<br />
Obdachlose in Hamburg gibt.<br />
Behelfsweise hat die Sozialbehörde zwei<br />
Duschen im Pik As in der Neustadt für alle<br />
Obdachlosen zur Verfügung gestellt, die eigentlich<br />
den Bewohnern der Notunterkunft<br />
vorbehalten sind. Der Bedarf war teilweise<br />
groß: Es könnte zu Wartezeiten beim Duschen<br />
kommen, hieß es vom Betreiber. JOF/BELA<br />
•<br />
41
Vor den Freundeskreis-Mitgliedern von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu spielen, war für<br />
Adrian Iliescu und seine Orchesterkollegen<br />
eine Herzensangelegenheit.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
Botschafter<br />
für eine<br />
bessere Welt<br />
Die Symphoniker Hamburg sind Koryphäen der<br />
klassischen Musik – und haben den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Freundeskreis zur Probe eingeladen.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
FOTOS: LENA MAJA WÖHLER<br />
A<br />
n einem Dienstag verwandelt<br />
Adrian Iliescu die Shoppingmall<br />
im Hanseviertel in<br />
eine Bühne. Es ist Mittagszeit,<br />
als der 37-Jährige seine Geige auspackt,<br />
sich vor einer leuchtenden Werbetafel<br />
aufbaut und begnadet zu spielen<br />
beginnt. Die Szene, festgehalten in einem<br />
„YouTube“-Video, zeigt, wie der<br />
Künstler in seiner Musik versinkt, während<br />
Menschen achtlos vorbeihasten.<br />
War das nicht frustrierend? Adrian Iliescu<br />
lacht. „Nein, im Gegenteil: Ich fand<br />
es interessant zu beobachten, wie Leute<br />
reagieren, wenn ein scheinbar verrückter<br />
Musiker alleine Paganini spielt. Und<br />
ich bin mir sicher, dass bei vielen etwas<br />
hängengeblieben ist.“<br />
Der Auftritt des Künstlers im Konsumtempel<br />
war Teil eines Plans: Mit<br />
„MusikImPuls“ eroberten die Symphoniker<br />
Hamburg den öffentlichen Raum<br />
und warben um neue Fans. Auch im Alten<br />
Elbtunnel und auf dem Isemarkt<br />
haben sie gespielt, erzählt Iliescu.<br />
Zwar sind die Symphoniker in seinen<br />
Augen das Sinfonieorchester der<br />
Stadt mit „einer der besten Konzerthallen<br />
Europas“, der Laeiszhalle, als Residenz.<br />
„Doch die Aufmerksamkeit der<br />
Menschen müssen wir trotzdem immer<br />
wieder aufs Neue gewinnen“, sagt der<br />
Violinist. Auf die Jugend setzt der Musiker<br />
dabei weniger: „Das Publikum für<br />
klassische Musik ist immer schon älter<br />
gewesen. Ich hoffe darauf, dass die, die<br />
heute 20 sind, eines Tages auch zu uns<br />
kommen.“<br />
„Die Geige<br />
ist die<br />
Königin der<br />
Instrumente.“<br />
Iliescu selbst nahm schon als Fünfjähriger<br />
zum ersten Mal eine Geige in die<br />
Hand. Sein Vater spielte Trompete in einem<br />
großen Bukarester Orchester. Adrian<br />
und sein jüngerer Bruder, heute ebenfalls<br />
Musiker von Beruf, entschieden sich<br />
für das filigranere Instrument: „Die Geige<br />
haben wir von Anfang an gemocht.<br />
Sie ist die Königin der Instrumente:<br />
43
Der Konzertmeister übersetzt den Wunsch des<br />
Dirigenten für das Orchester – so formt sich ein Klangkörper.<br />
Du kannst sie unglaublich vielseitig spielen<br />
und findest sie in fast jeder Art von<br />
Musik, etwa auch in der Volksmusik<br />
oder im Jazz.“<br />
Die Brüder besuchten ein Musikgymnasium,<br />
der Traum von einem Leben<br />
für die Kunst nahm Gestalt an: „Mit<br />
12, 13 merkt man, ob jemand die Begabung<br />
hat oder nicht.“ Manche Kollegen<br />
meinen, sie hätten für ihre Berufung die<br />
Kindheit geopfert, erzählt Adrian Iliescu,<br />
der es selbst anders empfindet: „Klar<br />
hatten wir wegen des vielen Übens weniger<br />
Zeit als andere“, sagt er und schmunzelt.<br />
„Doch dann haben wir halt mal den<br />
Schulunterricht geschwänzt und in der<br />
Zeit Fußball gespielt.“<br />
Nach dem Abitur zieht Iliescu zum<br />
Studieren nach Lübeck, der gute Ruf<br />
deutscher Musikhochschulen lockt: „Sie<br />
zählen zu den besten weltweit.“ Der<br />
2000 Kilometer weite Sprung von Rumänien<br />
nach Deutschland fällt dem damals<br />
18-Jährigen zunächst nicht leicht:<br />
„Die ersten Wochen habe ich mich<br />
schon sehr alleine gefühlt. Doch an der<br />
Hochschule habe ich dann schnell<br />
Freunde gefunden.“<br />
„ Jeder<br />
bringt seine<br />
Besonderheiten<br />
ein.“<br />
Nach dem Studium arbeitet Iliescu bei<br />
den Lübecker Philharmonikern, später<br />
wechselt er zum Kammerorchester<br />
Stuttgart. Eine schöne Zeit, erinnert er<br />
sich. „Wir sind viel gereist.“ Doch als die<br />
44<br />
Symphoniker Hamburg 2013 die Stelle<br />
des Konzertmeisters ausschreiben,<br />
zögert der Musiker nicht lange: „Ich<br />
spiele lieber in einem großen Sinfonieorchester,<br />
und Hamburg ist eine tolle<br />
Stadt.“ Das Auswahlverfahren ist hart<br />
und zieht sich über Monate hin. Doch<br />
Iliescus virtuoses Spiel überzeugt die<br />
Kollegen schließlich ebenso wie seine<br />
kommunikativen Fähigkeiten: „Der<br />
Konzertmeister hat eine ähnliche Aufgabe<br />
wie der Kapitän eines Fußballteams:<br />
Er leitet das weiter, was der Dirigent<br />
will, und gleichzeitig soll jeder im<br />
Orchester das Gefühl haben, dass er<br />
mitsprechen und mitentscheiden kann.“<br />
Nach dem plötzlichen Tod Sir<br />
Jeffrey Tates im Juni 2017 mussten die<br />
Symphoniker ein Jahr lang ohne Chefdirigenten<br />
auskommen – „eine schwere,<br />
aber auch interessante Zeit“, meint<br />
Iliescu. „Wir hatten sehr viele gute
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Dirigenten zu Gast.“ Ab der neuen<br />
Saison wird Sylvain Cambreling die Leitung<br />
des Orchesters übernehmen, und<br />
sein Konzertmeister freut sich schon:<br />
„Er hat uns vergangenen Oktober<br />
schon mal dirigiert; das Orchester war<br />
sehr begeistert.“<br />
Adrian Iliescu liebt die Freiheit, die<br />
sein Beruf mit sich bringt: „Ich habe<br />
keinen geregelten Wochenplan wie viele<br />
andere Menschen.“ Andererseits: Zu<br />
den Proben muss er schon erscheinen,<br />
und „drei bis vier Stunden“ tägliches<br />
Üben zu Hause kommen hinzu.<br />
Da ist es schon praktisch, dass seine<br />
Frau, die er im Stuttgarter Kammerorchester<br />
kennengelernt hat, seine Liebe<br />
zur Geige teilt – und auf der Bühne nur<br />
wenige Meter entfernt von ihm sitzt.<br />
„Wir haben das große Glück, dass wir<br />
hier beide eine Stelle bekommen<br />
haben.“<br />
Freunde<br />
Dass sie einen japanischen Pass hat und<br />
er einen rumänischen, ist nicht ungewöhnlich:<br />
Mehr als 15 Nationen sind<br />
bei den Symphonikern Hamburg vertreten.<br />
Adrian Iliescu empfindet den<br />
Mix der Kulturen als Gewinn: „Jeder<br />
bringt seine Besonderheiten und Traditionen<br />
ein und bereichert damit das große<br />
Ganze.“ Wie Sportler seien Musiker<br />
in gewisser Weise Botschafter einer besseren<br />
Welt – mit einem erheblichen Vorteil<br />
gegenüber anderen: „Wir haben die<br />
Musik als zusätzliche Sprache.“ •<br />
Konzerte mit Adrian Iliescu:<br />
„Begegnungen“, Di, 11.9., 19 Uhr, Karten<br />
ab 7 Euro; „Konzertmeister-Recital“,<br />
Do, 1.11., 19.30 Uhr, Karten ab 8 Euro.<br />
Laeiszhalle, Dammtorwall 46, mehr Infos<br />
unter www.symphonikerhamburg.de<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler/Studenten/Senioren)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Die Symphoniker Hamburg haben den<br />
Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> zur<br />
diesjährigen Dankeschön-Veranstaltung<br />
eingeladen: die Generalprobe zum Programm<br />
„Dreams of America“ im Januar <strong>2018</strong>.<br />
Wir danken herzlich dem Freundeskreis-<br />
Mitglied, das uns den Probenbesuch ermöglicht<br />
hat, sowie Alexandra Everding, dem<br />
Dirigenten Eivind Gullberg Jensen und<br />
dem gesamten Orchester.<br />
Dankeschön<br />
• Reichsbund Stiftung<br />
• Tatort Cafe Angela Günther<br />
• Familie Zitzwitz und ihren<br />
Geburtstagsgästen<br />
• Familie Wüst anlässlich<br />
der Trauerfeier von Gisela Wüst<br />
• Ella, Dicle und Pauline für ihre<br />
Gesangsspende in der Osterstraße<br />
• Trauergäste von Rüdiger Knott<br />
• Trauergäste von Olaf Dräger<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Wir danken außerdem allen, die im August<br />
an uns gespendet haben, sowie allen<br />
Mitgliedern im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
für die Unterstützung unserer Arbeit!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• IPHH • wk it services<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• Hamburger Tafel<br />
• Axel Ruepp Rätselservice<br />
• Hamburger Kunsthalle<br />
• bildarchiv-hamburg.de<br />
• Röder-Stiftung<br />
• SoVD und Klaus Wichern<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Gabriele Momsen-Seligmann<br />
Immobilien- und Hausverwaltung<br />
• Sabine und Claus Benning<br />
• Julia Bogdahn • Sonja Braasch<br />
• Brigitte Cochius • Julia Fath<br />
• Bettina Greifenberg • Andrea Hennig<br />
• Stefan Höing • Hendrik Hüning<br />
• Meike Kaiser • Barbara Kirchmann<br />
• Bernd Kiso • Nils Lemke • Reinhard Martens<br />
• Karin Maukel • Darren Mullen<br />
• Stefanie Müller • Hartmut Reimers<br />
• Peter Schröder • Joachim Troitzsch<br />
• Till Weinrich • Mathias Wichern<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können Sie<br />
jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer personenbezogenen<br />
Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>307</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Was unsere Leser meinen<br />
„Ein Cover, das einen schlucken lässt.“<br />
Ausgezeichnet: Unser Titelblatt<br />
H&K 306, „Bitte lasst nicht noch mehr<br />
ertrinken“<br />
Das Titelblatt unserer August-Ausgabe<br />
ist auf Platz 7 des Wettbewerbs „Cover<br />
des Monats“ gelandet – direkt nach<br />
einer Titelseite des Fußballmagazins<br />
„11 Freunde“ und vor einem Cover des<br />
„Spiegel“, das Donald Trump und<br />
Angela Merkel zeigt. Jurymitglied<br />
Christoph Nann, Chief Creative Officer<br />
bei FCB Hamburg, lobte unsere<br />
Titelseite: „Gleichzeitig so pietätvoll<br />
dezent und so erschütternd und direkt.<br />
Ein Cover, das einen schlucken lässt.<br />
Weil es das Drama vollkommen unkrawallig<br />
darstellt.“ Unser Dank geht an<br />
den Fotografen Dmitrij Leltschuk für<br />
das Bild, „PX2“ für die Bearbeitung<br />
des Fotos und den „Grafikdeerns“ für<br />
die Gestaltung der Titelseite!<br />
„Zutiefst bestürzt“<br />
Ja, das Cover ist wirklich schön!<br />
Der Artikel dahinter hat mich ziemlich<br />
erschüttert und berührt. MONIKA SBA<br />
Ich bin zutiefst bestürzt über die<br />
zunehmende emotionale Verrohung<br />
nicht nur in unserer Gesellschaft,<br />
sondern wohin man blickt, europa- und<br />
weltweit! Die privaten Seenotretter jetzt<br />
zu kriminalisieren, ist eine bodenlose<br />
Unverschämtheit! Vor Gericht gehören<br />
diese „seelenlosen“ europäischen<br />
Regierungen, die vorsätzlich Menschen<br />
im Mittelmeer ertrinken lassen.<br />
Empathie scheint für diese Menschen<br />
ein Fremdwort zu sein! WOLFGANG HAMANN<br />
Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />
wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />
uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
Im August haben wir das Sterben<br />
auf dem Mittelmeer zum Thema unserer<br />
Titelseite gemacht.<br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS<br />
ANDERE<br />
STADTRUNDGANG<br />
Wir trauern um<br />
Thadäus Draschanowski<br />
25. Januar 1965 – 14. Juli <strong>2018</strong><br />
Thadäus war seit 2013 bei uns und hat sich seinen Verkaufsplatz<br />
in der Hufnerstraße mit seiner Freundin geteilt.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wir trauern um<br />
Sanja Rosso<br />
04. Juni 1975 – 01. August <strong>2018</strong><br />
Sanja hatte ihren Verkaufsplatz vor dem Abaton-Kino<br />
und war schon seit 2001 Hinz&Künztlerin.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />
Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />
keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />
Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />
statt Einkaufspassage.<br />
Anmeldung: Bequem online buchen unter<br />
www.hinzundkunzt.de oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />
Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />
nächste Termine: 9. + 23.9.<strong>2018</strong>, 15 Uhr<br />
mit Abschiedshaus
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Ehrfürchtig: Beim Orgelerklärkonzert im Michel tönen 6697 Pfeifen und mehr (S. 48).<br />
Cool: Ilgen-Nur über ihren musikalischen Erfolg und persönliche Tiefschläge (S. 50).<br />
Tanzbar: Die einstigen Straßenmusiker von Les Négresses Vertes rocken die Fabrik (S. 55).<br />
Im <strong>September</strong> ist es wieder so weit:<br />
Das Reeperbahn Festival bietet ein<br />
pralles Programm auf dem Kiez. Im<br />
vergangenen Jahr gastierte die<br />
schottische Band Biffy Clyro im<br />
Docks. Was dieses Jahr läuft, steht<br />
unter www.reeperbahnfestival.com.<br />
FOTO: FLORIAN TRYKOWSKI
Die Meister der Michel-Orgeln:<br />
Christoph Schoener (links)<br />
und Manuel Gera.<br />
Hamburger<br />
Gipfeltreffen im Michel<br />
Dieses Konzert hat ordentlich Wumms: Mit mehr als 10.000 Pfeifen können die<br />
Orgeln im Michel die Hauptkirche beben lassen. Wie aufregend das ist, zeigen die<br />
beiden Kirchenmusikdirektoren bei einem Konzert zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: MIGUEL FERRAZ<br />
ie<br />
D<br />
Monumentalität, das Gold, die Weite!“ Als Christoph<br />
Schoener zum ersten Mal den Michel betrat,<br />
blieb dem heute 65-Jährigen die Luft weg. Seit mehr<br />
als 20 Jahren ist die Orgelempore jetzt schon der Arbeitsplatz<br />
des Kirchenmusikdirektors. Mit den Jahren ist die Hauptkirche<br />
für ihn jeden Tag ein bisschen kleiner geworden, sagt<br />
er, „das macht die Gewöhnung.“ Mittlerweile findet er den<br />
Michel ganz kuschelig, fast wie ein Wohnzimmer, „deshalb<br />
lieben ihn die Hamburger so“.<br />
Doch nicht für alle ist der Zugang zur Orgelmusik einfach.<br />
„Viele erleben die Orgel nur im Gottesdienstrahmen,<br />
und das ist nicht immer von Erfolg gekrönt“, formuliert er<br />
vorsichtig – den Musikern in den Gemeinden will er nicht zu<br />
nahe treten. Wie sein Kollege Manuel Gera möchte er die<br />
Hemmschwelle vor dem Instrument senken. Bei ihren Erklärkonzerten<br />
bringen die beiden Musiker ihren Zuhörern<br />
die Besonderheiten der Michelorgeln auf unterhaltsame<br />
Weise nah – auch beim Sonderkonzert „Hinz&Orgelkunzt“.<br />
Das Benefizkonzert ist ein echter Hamburger Gipfel. Die<br />
beiden Orgel-Koryphäen des Hamburger Wahrzeichens haben<br />
sich für Komponisten entschieden, die alle einen Bezug<br />
zu Hamburg haben: Stücke von Felix Mendelssohn Barthol-<br />
48
Vom Zentralspieltisch<br />
lassen sich mehrere<br />
Orgeln anspielen, auch<br />
die Große Orgel (Mitte)<br />
über dem Hauptportal.<br />
dy, Carl Philipp Emanuel Bach, Johannes Brahms und Johann<br />
Sebastian Bach werden auf den Orgeln des Michel zu<br />
hören sein.<br />
Sechs der imposanten Instrumente sind im Michel verteilt.<br />
Vier davon sind im Kirchenraum zu hören, eine steht<br />
unten in der Krypta und eine weitere ist mobil dort einzusetzen,<br />
wo sie gerade benötigt wird.<br />
Der dickste Brummer steht gleich über dem Hauptportal.<br />
Die Große Orgel hat 6697 Pfeifen zu bieten und ein Glockenspiel,<br />
das sie besonders festlich klingen lässt, vor allem zu<br />
Weihnachten kommt das sehr gut an. Die Konzertorgel auf<br />
der Nordempore (links vom Eingang) ist die älteste. 1914<br />
gebaut, wurde sie in den Hamburger Bombennächten des<br />
Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt. Nach der Sanierung<br />
klingt sie heute wieder so romantisch wie damals. In der<br />
kleinen Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel gegenüber auf<br />
der Südempore hat sich ein Vogel versteckt: Eine der Pfeifen<br />
klingt wie der Ruf einer Nachtigall.<br />
Die vierte Orgel, das Fernwerk, ist nur zu hören, aber<br />
nicht zu sehen, denn sie steht auf dem Dachboden. Über<br />
einen 20 Meter langen Schallkanal auf dem Dachboden werden<br />
ihre zarten Töne zu einem Schallloch an der Kirchendecke<br />
geführt. Doch das Fernwerk kann es auch im Michel<br />
regnen lassen – beinahe jedenfalls: Es verfügt über eine<br />
Trommel mit Kieselsteinen. Wenn man diese in Gang setzt,<br />
klingt es wie prasselnder Regen.<br />
Vor allem Kinder sind fasziniert, wenn sich die bunte Welt<br />
der Orgeln im Michel entfaltet. Schreck und Freude liegen<br />
dicht beieinander, wenn es dabei so richtig laut wird. „Bei<br />
uns im Michel waren bestimmt schon 10.000 Kinder“,<br />
erzählt Manuel Gera. In seinen Kinderkonzerten nimmt eine<br />
ellenlange bunte Strickwurst, der Orgelwurm Willibald, den<br />
Kleinen mit kessen Sprüchen und großer Klappe schnell die<br />
Befangenheit. So manche große Liebe zur Musik ist hier<br />
geweckt worden, wenn die Kinder selbst am Zentralspieltisch<br />
auf der Empore den ganzen Kirchenraum zum Klingen<br />
bringen dürfen. „Aber auch Erwachsene haben bei dem<br />
Erlebnis schon vor Freude geweint“, sagt der 55-Jährige.<br />
Was macht für ihn selbst die Faszination des Instrumentes<br />
Orgel aus? Da muss Manuel Gera nicht lange überlegen.<br />
„Beim Spielen tritt man aus sich selbst heraus, man nähert<br />
sich einer anderen Kraft“, sagt er. „Der Klang entsteht im<br />
Raum und löst sich von meiner Handlung. Dieses Erlebnis ist<br />
ganz wunderbar.“ •<br />
„Hinz&Orgelkunzt“, Mittwoch, 19. <strong>September</strong>, 19.30 Uhr<br />
in St. Michaelis. Karten 10 € zzgl. Vorverkaufsgebühr im<br />
MichelShop in der Turmhalle, bei der Konzertkasse Gerdes<br />
(Telefon: 45 33 26 oder 44 02 98) und an allen<br />
bekannten Vorverkaufsstellen.<br />
49
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
„Nettsein<br />
ist cool“<br />
Als sie vor zwei Jahren nach<br />
Hamburg kam, lief erst mal alles<br />
schief. Jetzt spielt die junge<br />
Musikerin Ilgen-Nur mit ihrer<br />
Band beim Reeperbahn Festival.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTO: ANDREAS HORNOFF<br />
Sie steht auf die Band Hole und deren Frontfrau Courtney Love,<br />
macht aber musikalisch ihr eigenes Ding: Ilgen-Nur.<br />
Ilgen-Nur hat die Ruhe weg. „Ja, ich<br />
chille schon oft auf meiner Couch“,<br />
sagt die 22-Jährige. Draußen, wo es<br />
ungleich hektischer zugeht, feiert die<br />
Musikpresse sie schon als „das nächste<br />
große Ding“. Tocotronic-Sänger Dirk<br />
von Lowtzow schwärmt: „Von ihr wird<br />
man noch viel hören.“ Ilgen-Nur hat<br />
die Tocos bei ihrer jüngsten Tour als<br />
Vorband begleitet.<br />
Sie hat dieses Jahr auch schon in<br />
England und Dänemark gespielt und<br />
beim Reeperbahn Festival ist sie zum<br />
zweiten Mal in Folge dabei. Das ist insofern<br />
bemerkenswert, als dass es von ihr<br />
noch gar kein Debütalbum gibt – bloß<br />
eine Handvoll Songs, die man sich im<br />
Internet und, wenn man eher altmodisch<br />
unterwegs ist, auf Kassette anhören<br />
kann. Trotz all der Vorschusslorbeeren<br />
versucht Ilgen-Nur, cool zu bleiben.<br />
„Cool“, so heißt auch der Song, mit<br />
dem alles begann. Vergangenen Sommer<br />
hörte man ihn plötzlich überall:<br />
„I’m just trying to be cool, but I feel like<br />
a fool“, reimte Ilgen-Nur im Refrain.<br />
Hinreißend melodisch klang das. Und<br />
der Text drückte auf lakonische Weise<br />
aus, was schon Generationen von „diesen<br />
jungen Leuten“ umgetrieben hat:<br />
Soll das alles einen Sinn ergeben? Was,<br />
wenn jemand merkt, dass ich hier nur<br />
so tue, als hätte ich einen Plan? Hilfe!<br />
Ilgen-Nur hat „Cool“ geschrieben,<br />
als es in ihrem Leben ziemlich uncool<br />
lief: Sie war aus dem Schwarzwald für<br />
ein Praxissemester nach Hamburg gezogen.<br />
Mit der Idee, hier weiter Kommunikationswissenschaften<br />
zu studieren.<br />
Beim Einschreiben an der Uni<br />
tauchten jedoch unerwartet Probleme<br />
auf. Und nicht nur da. Auf ihre Bewerbungen<br />
für Nebenjobs hagelte es Absa-<br />
50
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
„Ich hatte immer<br />
Freunde, habe<br />
aber auch viel<br />
Hate abgekriegt.“<br />
ILGEN-NUR<br />
gen. „Die meiste Zeit war ich zu Hause<br />
und sehr verzweifelt“, erinnert sie sich.<br />
Sie hatte Zeit, viel Zeit. Die sie<br />
nutzte: „Ich schreibe prinzipiell immer,<br />
wenn es mir nicht gut geht. Meistens direkt<br />
auf dem Handy. Oft nachts um<br />
3 Uhr“, sagt sie. Musik macht sie gefühlt<br />
schon ewig: Blockflöte in der<br />
Grundschule, sechs Jahre lang Klavierunterricht,<br />
mit elf Jahren schreibt sie<br />
den ersten Song, mit 16 bringt sie sich<br />
Gitarrespielen bei. Sie will der britischen<br />
Indie-Pop-Musikerin Kate Nash<br />
nacheifern. „Ich habe ihr erstes Album<br />
sehr, sehr obsessiv gehört“, sagt sie.<br />
Bei den Eltern, in einem kleinen Ort<br />
nahe Stuttgart, lief andere Musik. „Ich<br />
bin in einem türkisch-muslimischen<br />
Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern<br />
hörten türkische Popmusik – Sezen Aksu<br />
– meine Großeltern eher so traditionelle<br />
Sachen wie Zeki Müren. Damals fand<br />
ich das eher abstoßend“, erinnert sie<br />
sich. Sie wollte sich abgrenzen.<br />
In der Schule grenzten sich andere<br />
ihr gegenüber ab. „Ich hatte immer<br />
Freunde, aber ich habe auch echt viel<br />
Hate abgekriegt“, sagt sie. „Sobald man<br />
irgendwie nicht in die Norm passt, sich<br />
anders kleidet, einen Background hat,<br />
der nicht deutsch ist, und noch dazu eine<br />
51<br />
Frau ist – da zieht man ja alle Opferkarten<br />
hintereinander“, sagt sie und lacht.<br />
Damals wie heute ist ihr nicht<br />
deutsch klingender Name immer wieder<br />
Thema: „Ich höre ganz oft Sachen wie:<br />
‚Wo kommst du eigentlich her? Ich kann<br />
deinen Namen nicht aussprechen!‘ Alles,<br />
was du eben so hörst, wenn dein Name<br />
nicht Anna ist“, sagt Ilgen-Nur<br />
Borali. Auch deshalb hat sie sich gegen<br />
einen Künstlernamen entschieden und<br />
veröffentlicht Musik unter ihrem Vornamen.<br />
„Wenn die Leute das gut finden,<br />
was ich mache“, sagt sie, „dann müssen<br />
sie sich den Namen merken.“<br />
Spätestens im Frühjahr wird man<br />
ihren Namen häufiger hören. Dann soll<br />
ihr Debüt erscheinen. Sie hinkt ihrem<br />
Zeitplan hinterher. Dafür hat sie einfach<br />
zwischendurch schon mal einen<br />
Song veröffentlicht, der schon fertig<br />
war. Titel: „A Matter Of Time“, eine<br />
Frage der Zeit.<br />
Offensichtliche Frage vielleicht,<br />
aber wir stellen sie trotzdem: „Was findest<br />
du selbst cool, Ilgen-Nur?“ „Menschen,<br />
die sich selber treu bleiben. Die<br />
den Weg gegen die Norm gehen, obwohl<br />
es der schwerere Weg ist.“ Sie<br />
überlegt kurz, „und Nettsein ist cool.<br />
Eine Freundin von mir sagt immer: ‚Be<br />
nice but take no shit!‘ Das finde ich sehr<br />
gut.“ Dann muss sie weg. Die Couch<br />
wartet. •<br />
Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />
Konzert: Mittwoch, 19.9., Reeperbahn<br />
Festival, Zeit und Ort unter:<br />
www.reeperbahn-festival.de, Tages ticket<br />
35 Euro, 4-Tagesticket 99 Euro.<br />
<br />
STEFAN GWILDIS TRIFFT<br />
HAMBURG SINGT<br />
<br />
DIETER THOMAS KUHN & BAND<br />
<br />
GRYFFIN<br />
<br />
JONATHAN WILSON<br />
<br />
EVERLAST<br />
<br />
NICK MASON'S SAUCERFUL<br />
OF SECRETS<br />
<br />
LOTTO KING KARL<br />
<br />
RICK ASTLEY<br />
<br />
SAXON<br />
<br />
DESIIGNER<br />
<br />
JAZZANOVA<br />
<br />
REA GARVEY<br />
<br />
DONAVON FRANKENREITER<br />
<br />
STEPHAN EICHER & MARTIN SUTER<br />
<br />
SONGS FROM ABOVE<br />
<br />
SEASICK STEVE<br />
<br />
AGAINST THE CURRENT<br />
<br />
JASON DERULO<br />
<br />
DANIEL BRANDT & ETERNAL<br />
SOMETHING<br />
<br />
PER GESSLE'S ROXETTE<br />
<br />
THE MYSTERY OF THE BULGARIAN<br />
VOICES FEAT. LISA GERRARD<br />
<br />
SASHA<br />
<br />
JESPER MUNK<br />
<br />
JOHN BUTLER TRIO<br />
<br />
LEON BRIDGES<br />
<br />
ANGELO BRANDUARDI<br />
<br />
SHARON SHANNON + BAND<br />
<br />
METRIC<br />
<br />
MACY GRAY<br />
<br />
CHVRCHES<br />
<br />
KLAUS HOFFMANN & BAND<br />
TICKETS: KJ.DE
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>September</strong>:<br />
subjektiv und<br />
einladend<br />
Ausstellung<br />
Schönheit des Lebens mit der Natur<br />
Fischen, kochen, schlafen, wohnen –<br />
fast ihr ganzes Leben verbringen die indonesischen<br />
Bajau als Seenomaden in<br />
schmalen Booten auf dem Meer. Sie<br />
gehören zu den letzten Menschen auf<br />
der Erde, die ihre indigene Kultur in<br />
einer industriell geprägten Welt noch<br />
lebendig halten. Wie lange halten sie das<br />
noch durch? Mit dieser Frage beschäftigt<br />
sich der Fotograf Markus Mauthe<br />
in seiner Ausstellung „Am Rande der<br />
Welt“, die gemeinsam mit Greenpeace<br />
entstanden ist. Im Überseequartier<br />
zeigt er eindrucksvolle Bilder von seinen<br />
52<br />
Ein Leben mit und auf dem Meer: Die Bajau halten<br />
ihre traditionelle Lebensweise aufrecht.<br />
Reisen zu indigenen Gruppen auf<br />
der ganzen Welt, deren ursprünglicher<br />
Lebensraum zunehmend vom sogenannten<br />
Fortschritt bedroht wird. •<br />
Überseeboulevard, HafenCity,<br />
ab Do, 6.9., 18 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.an-den-raendern-der-welt.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Draußen<br />
Karoviertel damals und heute<br />
Das Karoviertel ist auch nicht mehr<br />
das, was es einmal war. Nur: Wie war<br />
es denn früher? Vom Wandel des<br />
Quartiers in den vergangenen<br />
150 Jahren erzählen ortskundige<br />
Leute des St. Pauli-Archivs bei einem<br />
Rundgang zum Thema „Zwischen<br />
Ausgegrenzt und Angesagt“. •<br />
Karolinenstraße, Treffpunkt U-Bahn<br />
Messehallen, So, 2.9. + Sa, 29.9.,<br />
jeweils 15 Uhr, Teilnahme 9/5 Euro,<br />
www.st-pauli-archiv.de<br />
FOTOS: MARKUS MAUTHE, ERIC ANDERS, NIKLAS MARC HEINECKE<br />
Straßenfest<br />
Blick hinter die Rolltore am Oberhafen<br />
Lange galt der Oberhafen als Niemandsland mit allenfalls schlummerndem Potenzial<br />
– bis ihn Kunstschaffende entdeckten und wachküssten. Seitdem hat sich viel<br />
getan in den alten Hallen zwischen Großmarkt und HafenCity: Ateliers, Studios,<br />
Werkstätten und Konzerthallen sind entstanden, die Hanseatische Materialverwaltung<br />
schlägt hier ihre Kulturgüter um, auch das Moloch und die Parkour-Halle<br />
haben einiges in Bewegung gesetzt. Zum Tag des Oberhafens öffnen nun alle ihre<br />
Rolltore und laden zum Entdecken und Mitmachen ein. Dabei soll auch über<br />
die Zukunft des bunten Quartiers informiert und diskutiert werden – denn rings<br />
um die alten Hallen rücken die Neubauten und Anlagen der HafenCity näher. •<br />
Oberhafenquartier, Stockmeyerstraße 41–43, So, 9.9., ab 12 Uhr,<br />
Eintritt frei, Spenden willkommen, www.der-oberhafen.de<br />
Theater<br />
Sie spielen wieder<br />
Endlich: Die Hamburger Theater<br />
läuten die neue Spielzeit ein. Um die<br />
Vorfreude zu steigern, gibt es zur<br />
Theaternacht die ersten Kostproben<br />
auf kommende Premieren sowie<br />
Blicke hinter die Kulissen: Das John<br />
Neumeier Ballett lädt zur öffentlichen<br />
Probe ein, im Allee Theater werden<br />
Kostüme feilgeboten und die Gäste<br />
vom Ensemble bekocht, im Lichthof<br />
darf das Publikum die Spielzeitvorschau<br />
mitgestalten und im Thalia<br />
geht es literarisch „in acht Drinks um<br />
die Welt“. •<br />
Theaternacht, 38 Spielorte, Sa, 8.9.,<br />
ab 16 Uhr, Eintritt für alle Häuser 17 Euro,<br />
www.theaternacht-hamburg.org<br />
Bühne frei für die neuen Stücke:<br />
Die Theaternacht schürt Vorfreude.<br />
Was geht, was kommt an der Stockmeyerstraße? Zum Tag des<br />
Oberhafens laden die Kulturschaffenden zum Entdecken ein.<br />
Ausstellung<br />
Steht auf, wenn ihr Mädels seid<br />
Wer immer noch glaubt, Fußball sei<br />
Männersache, gehört ins Museum –<br />
und zwar ins 1910-Museum am<br />
Millerntorstadion. Da feiert die Ausstellung<br />
„Fan.Tastic Females“ Weltpremiere.<br />
Das Crowdfunding-Projekt<br />
zeigt weibliche Fußballleidenschaft in<br />
allen möglichen Facetten. •<br />
1910 Museum, Heiligengeistfeld 1,<br />
ab Sa, 8.9., Di–So, 15–20 Uhr, Eintritt<br />
gegen Spende, blog.1910-museum.de<br />
Straßenfest<br />
Pik As öffnet seine Türen<br />
Eine Nachbarschaft zum Kennenlernen<br />
und Mitmachen – so präsentiert<br />
sich die Neustadt beim Festival<br />
„Drunter & Drüber“. Dazu gehört<br />
auch die Obdachlosenunterkunft<br />
Pik As, die neben Ateliers, Läden<br />
und Kneipen ihre Türen öffnet. •<br />
Neustadt Festival, Fr–So, 14.–16.9., Eintritt<br />
frei, Infos: www.kulturfestival-neustadt.de<br />
Bühne<br />
15 Jahre Polittbüro<br />
Zum 15. Geburtstag des Polittbüros<br />
legt Lisa Politt ein neues Solo hin:<br />
„Sollbruchstelle“ ist Titel und Thema,<br />
auch in sozialer Hinsicht. Streitlustig<br />
und ohne unnötigen Charme<br />
wirft sie die Frage auf: Wie repariert<br />
man eine gespaltene Gesellschaft? •<br />
Polittbüro, Steindamm 45,<br />
ab Sa, 15.9., 20 Uhr, Eintritt 20/15 Euro,<br />
www.polittbuero.de<br />
53
Kino<br />
Filmen gegen die Repression<br />
Sie machten ihm Druck, sperrten ihn<br />
zu Hause ein – trotzdem weigert sich<br />
der Filmemacher Kirill Serebrennikov,<br />
sich den russischen Behörden zu beugen.<br />
Weil er nicht zum Set durfte, führte<br />
er über Skype Regie. So entstand sein<br />
Film „Leto“, ein kritischer und doch<br />
wunderbar beschwingter Film über die<br />
Underground-Musikszene im Leningrad<br />
der 1980er-Jahre, die der staatlichen<br />
Repression trotzt. Das Filmfest<br />
Hamburg zeigt den Film im Rahmen<br />
seines Schwerpunkts „Kunst bleibt“,<br />
der politisch verfolgten Filmemachern<br />
gewidmet ist. Dazu zählt auch Jafar<br />
Panahi, der im Iran mit einem Berufsverbot<br />
belegt wurde und trotzdem<br />
seitdem vier Filme gedreht hat,<br />
angefangen mit „This Is Not A Film“.<br />
Sein jüngstes Werk „Drei Gesichter“<br />
Rund 130 Filme, etliche Premieren<br />
und viele Preise locken Cineasten<br />
zum Filmfest in die Kinosessel.<br />
porträtiert Schauspielerinnen, die unter<br />
widrigen Umständen Karriere machen.<br />
Wie auch „Leto“ wird der Streifen auf<br />
dem Filmfest Hamburg zum ersten Mal<br />
in Deutschland gezeigt. Insgesamt sind<br />
rund 130 Filmproduktionen aus aller<br />
Welt zu sehen. •<br />
Filmfest Hamburg, diverse Kinos, ab Do,<br />
27.9. Das ganze Programm und alle Infos<br />
ab 11.9. unter www.filmfesthamburg.de<br />
54
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
FILMSTILL: HYPE; FOTOS: STEFAN MALZKORN, PRIVAT<br />
Draußen<br />
Ein Hafenfest für Genießer<br />
Traditionsschiffe unter Segel und alte Pötte unter Volldampf: Das ist es, was viele<br />
Hamburger bei Hafenfesten ans Flussufer zieht. Das Elbfest in Oevelgönne lässt<br />
es weitgehend dabei bewenden und verzichtet auf Rummel und Trubel, der<br />
das stille Genießen übertönen könnte. Sutsche geht es zu beim Schippern und<br />
Dampferfahren oder beim „Ausschläfer Fischmarkt“ (Sonntag ab 11 Uhr), wo<br />
frische Waren direkt von Deck verkauft werden. Musik gibt es beim Elbfest von<br />
Franz Albers und Käpt’n Kruse, Danubes Banks oder Jeanette Trèsbien – zum<br />
Tanzen und Träumen. •<br />
Museumshafen Oevelgönne und weitere Orte an der Elbe, Sa+So, 22.+23.9., ab 10 Uhr,<br />
Eintritt frei, alle Infos und Programm: www.elbfest.hamburg.<br />
Mehr als 50<br />
historische Schiffe<br />
fahren bei der<br />
Parade mit.<br />
Konzert<br />
Musikalischer Mittelmeertrip<br />
Gerade aus dem Urlaub zurück und<br />
schon wieder Fernweh? Dann empfiehlt<br />
sich ein Abend mit Les Négresses<br />
Vertes. Die französische Band macht<br />
Musik, die auf jeder Straße in jedem<br />
Land rund um das Mittelmeer zu<br />
Hause sein könnte. Tatsächlich<br />
haben die meisten Bandmitglieder<br />
früher als Straßenmusiker gespielt.<br />
Seit ihrem ersten Album „Mlah“, das<br />
sie in Frankreich über Nacht berühmt<br />
machte, haben Les Négresses Vertes<br />
viel erlebt und verarbeitet – unter<br />
anderem den Abschied von ihrem<br />
Sänger Helno, der 1993 an einer<br />
Überdosis Heroin starb. Die Band<br />
hielt trotzdem zusammen, kam<br />
wieder auf die Beine und setzte ihre<br />
musikalische Reise fort. Nun, 30 Jahre<br />
nach ihrem gefeierten Debütalbum, ist<br />
sie in Hamburg zu Gast. •<br />
Fabrik, Barnerstraße 36, Mo, 17.9.,19.30<br />
Uhr, Eintritt 38,05 (VVK), www.fabrik.de<br />
Film<br />
Großes Kino für Altona-Nord<br />
Mit der Kiezdoku „Manche hatten<br />
Krokodile“ gelang Christian Hornung<br />
ein liebevolles Porträt von St.<br />
Pauli und seinen eigensinnigen, mitunter<br />
schrulligen Bewohnern. Nun<br />
hat sich der Filmemacher einer weniger<br />
bekannten Ecke Hamburgs gewidmet:<br />
„Das schräge Herz“ entstand<br />
im Auftrag des Bürgertreffs Altona-<br />
Nord ebenda. Auch hier lenkt Hornung<br />
das Augenmerk auf Menschen,<br />
die sonst selten in Imagefilmen zu sehen<br />
sind – obwohl sie es verdient hätten.<br />
Bei der Premiere ist er dabei. •<br />
Bürgertreff Altona-Nord, Gefionstraße 3,<br />
Sa, 22.9., 19 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.buergertreff-altonanord.de<br />
Über Tipps für Oktober freut sich<br />
Annabel Trautwein. Bitte bis 10.9.<br />
schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Kinofilm des Monats<br />
Drama. Made<br />
in Germany.<br />
Beim Phantomschmerz tut<br />
etwas weh, was nicht mehr da<br />
ist. Echtes Wehtun, großes<br />
Drama für Betroffene. Und<br />
schon deshalb ein prima assoziativer<br />
Titel zu einem dramatischen<br />
deutschen Thriller.<br />
Taxifahrer Finn Fischer<br />
hat vor zwei Jahren seinen<br />
Bruder bei einem Unfall verloren.<br />
Er trauert noch immer.<br />
Dann steigt eines Tages ausgerechnet<br />
der Chefarzt in<br />
sein Auto, der seinen Bruder<br />
damals nicht retten konnte.<br />
Und der reißt die frischen<br />
Wunden wieder auf. In Finn<br />
wächst der Verdacht, dass der<br />
Tod seines Bruders vielleicht<br />
doch nicht unvermeidbar<br />
war. Er fängt an, der Sache<br />
auf den Grund und seinen<br />
Mitmenschen dabei gehörig<br />
auf die Nerven zu gehen.<br />
Als dann im Krankenhaus<br />
noch die Unterlagen<br />
verschwunden sind, gräbt<br />
Finn tiefer. Das schwermütige<br />
Drama wird zum spannenden<br />
Thriller. Phantomschmerz<br />
nimmt deutlich an<br />
Fahrt auf. Dabei hilft die „alte<br />
Garde“ des deutschen Kinos:<br />
Muttis Liebling Sven Martinek<br />
oder die oft unterschätzte<br />
Charaktermimin Katy Karrenbauer.<br />
Dass im deutschen<br />
Film oft ein wenig überzogen<br />
wird, verzeiht man, weil man<br />
sich an das „overacting“ gewöhnt<br />
hat.<br />
Und vielleicht freut man<br />
sich, dass es ein toller deutscher<br />
Film auf die Leinwand<br />
schafft, der ohne Altherrenwitz<br />
und Matthias Schweighöfer<br />
auskommt. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.<br />
55
<strong>Kunzt</strong>&Comic<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
franz.<br />
Weltgeistlicher<br />
Fantasievorstellung<br />
großer<br />
Zorn,<br />
Wut,<br />
Raserei<br />
Fallen<br />
des<br />
Meeresspiegels<br />
Reifeprüfling<br />
äußerst<br />
dünn,<br />
mager<br />
Aufsehen,<br />
Skandal<br />
Gesamtheit<br />
der<br />
Christen<br />
Buch mit<br />
Landkarten<br />
Sonnengott<br />
der<br />
römischen<br />
Sage<br />
Ostsee-<br />
Zufluss<br />
durch<br />
Lübeck<br />
4<br />
6<br />
3<br />
5<br />
8<br />
1<br />
englisch:<br />
Osten<br />
7<br />
2<br />
1<br />
2<br />
7<br />
1<br />
3<br />
9<br />
3<br />
8<br />
Halbinsel<br />
Südspaniens<br />
(brit.)<br />
Kurzform<br />
von: Ursula<br />
oder<br />
Ulrike<br />
9<br />
7<br />
4<br />
5<br />
8<br />
Diamant<br />
am Zepter<br />
des russ.<br />
Zaren<br />
deutscher<br />
Kirchenkomponist<br />
† 7<br />
deutscher<br />
Sozialist<br />
† 1895<br />
2<br />
5<br />
4<br />
vorsichtig<br />
oder<br />
suchend<br />
greifen<br />
das Haar<br />
leicht<br />
färben<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
6<br />
Längenmaß<br />
Wildsau<br />
vom 3.<br />
Lebensjahr<br />
an<br />
Einbringen<br />
der Feldfrüchte<br />
Witterungsablauf<br />
in<br />
e. Gebiet<br />
Bewohner<br />
einer Republik<br />
im<br />
Baltikum<br />
3<br />
poetisch:<br />
Brunnen<br />
(veraltet)<br />
englisch:<br />
Alter<br />
Figur aus<br />
der Oper<br />
„Tiefland“<br />
Laufjunge,<br />
Überbringer<br />
Roman<br />
von Zola<br />
englisch,<br />
französisch:<br />
Luft<br />
Halbton<br />
über G<br />
holprig,<br />
wellig<br />
Stadt<br />
an der<br />
Aller<br />
quarkähnliche<br />
Speise<br />
aus Soja<br />
ausgestorbener<br />
Feuerld.-<br />
Indianer<br />
medizin.<br />
Fachrichtung<br />
(Abk.)<br />
Vertreter<br />
des<br />
Schulleiters<br />
norwegischer<br />
Schriftsteller<br />
†<br />
Riese<br />
im Alten<br />
Testament<br />
fehlgeleitete<br />
Postsendung<br />
ein<br />
wenig,<br />
ein<br />
bisschen<br />
Grundfarbe<br />
italienischer<br />
Heiliger<br />
† 1595<br />
Kosename<br />
einer<br />
span.<br />
Königin †<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 30. <strong>September</strong> <strong>2018</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />
kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder das Comicdebüt<br />
„Lichtung“ der Hamburger Zeichnerin Antonia Kühn (Reprodukt Verlag)<br />
gewinnen.<br />
Das Juli-Lösungswort beim Kreuzworträtsel lautete: Plakatwand.<br />
Die Sudoku-Zahlenreihe war: 415 739 286.<br />
6<br />
2<br />
5<br />
1<br />
7<br />
6<br />
7<br />
3<br />
8<br />
2<br />
9<br />
9<br />
4<br />
10<br />
10<br />
AR1115-0618_08<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwalt),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, v.i.S.d.P.),<br />
Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Benjamin Laufer (bela; stellv. CvD),<br />
Simone Deckner (sim), Jonas Füllner (jof),<br />
Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk), Misha Leuschen (leu),<br />
Annabel Trautwein (atw)<br />
Korrektorat Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />
Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar <strong>2018</strong><br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />
Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />
Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />
Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Ionel Lupu, Bianca Raducan<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />
Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />
Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />
und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />
17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />
beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />
dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />
Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />
Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />
ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 3. Quartal <strong>2018</strong>:<br />
61.666 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Bald wird Sozialarbeiterin<br />
Ana-Maria Ilisiu in Berlin<br />
studieren. Nicht nur ihr<br />
Chef Stephan Karrenbauer<br />
wird sie vermissen.<br />
Die Stimme unserer<br />
rumänischen Verkäufer<br />
Ana-Maria war drei Jahre Sozialarbeiterin bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Jetzt geht sie.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Ihr erster Arbeitstag bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
ist gerade mal drei Stunden alt, als Ana-<br />
Maria Ilisiu merkt: Dieser Job wird heftig.<br />
Einer jungen Mutter aus Rumänien,<br />
die in Harburg in einer Dachgeschosswohnung<br />
lebt, droht die Zwangsräumung.<br />
Ana-Maria übersetzt, telefoniert,<br />
versucht alles, um eine Obdachlosigkeit<br />
der Familie abzuwenden – am Ende erfolgreich.<br />
Mitgenommen ist sie trotzdem:<br />
„Damals habe ich von dem Fall<br />
noch einige Nächte geträumt“, sagt die<br />
Sozialarbeiterin drei Jahre später. Heute<br />
weiß sie genau, wie sie Berufliches<br />
und Privates trennt.<br />
Die 30-Jährige hat unzählige Beratungsgespräche<br />
geführt, gemeinsam<br />
nach Lösungen gesucht, Hunde gestreichelt<br />
und freundlich, aber bestimmt zu<br />
den Wartenden vor ihrer Tür gesagt:<br />
„Bitte noch einen Moment, ich spreche<br />
gleich mit dir.“ Auf Rumänisch, ihrer<br />
Muttersprache.<br />
„Ana-Maria ist für uns die Stimme<br />
der rumänischen Verkäufer“, sagt Stephan<br />
Karrenbauer, der die Sozialarbeit<br />
bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> seit 23 Jahren leitet.<br />
Es sei ein „großer Vorteil“, dass seine<br />
Kollegin nicht nur die Sprache der rumänischen<br />
Verkäufer, sondern auch<br />
deren Migrationserfahrung teilt: Sie<br />
war 14 Jahre alt, als ihre Familie aus<br />
Agnetheln, einer einst von Deutschen<br />
gegründeten Stadt in Siebenbürgen,<br />
nach Spanien auswanderte. „Ich glaube,<br />
es ist schon wichtig, dass ich selber<br />
auch als Migrantin gelebt habe“, sagt<br />
Ana-Maria, die in ihrer neuen Heimat<br />
Spanien Sozialerziehung studierte, bevor<br />
sie vor fünf Jahren nach Hamburg zog.<br />
Zu tun hat sie bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> fast<br />
immer zu viel: Rund 135 der 500<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer kommen aus<br />
Rumänien. Ihre Schwierigkeiten, in<br />
Hamburg Fuß zu fassen, ähneln sich oft:<br />
keine Wohnung, keine Arbeit, zu wenig<br />
Deutschkenntnisse. Hinz&<strong>Kunzt</strong> musste<br />
Ana-Marias Stundenzahl schnell aufstocken,<br />
was durch eine Spende des Rotary<br />
Clubs Hamburg-Elbe unkompliziert<br />
möglich war.<br />
Ein Miteinander, kein von oben herab,<br />
das ist der Sozialarbeiterin wichtig.<br />
„Ich schätze, wie hier auf Augenhöhe<br />
mit den Menschen gearbeitet wird“,<br />
sagt sie. Trotzdem wird sie Hamburg<br />
diesen Monat gen Berlin verlassen und<br />
dort weiter studieren: Interkulturelles<br />
Konfliktmanagement. Praktische Erfahrung<br />
hat sie ja genug gesammelt.<br />
Bislang hat sie die Gefühle an den<br />
baldigen Abschied noch verdrängt. Sie<br />
wird Hinz&<strong>Kunzt</strong> vermissen. „Das<br />
Team, natürlich.“ Und die Verkäufer.<br />
„Ich bin dankbar dafür, was ich von ihnen<br />
alles gelernt habe“, sagt sie. Stephan<br />
Karrenbauer hat Ana-Maria gesagt,<br />
sie könne gern wiederkommen.<br />
Jederzeit. Oder „în orice moment“, wie<br />
es auf Rumänisch heißt. •<br />
HINZ&KUNZT<br />
SUCHT<br />
eine/n Sozialarbeiter/in<br />
oder Sozialpädagog/in<br />
oder jemanden, der/die sich im<br />
Sozialrecht auskennt und rumänisch<br />
spricht. Beschäftigung in Teilzeit<br />
(20 Stunden/Woche). Bezahlung nach<br />
AVR Diakonie. Unbefristete Stelle.<br />
Bewerbung bitte ausschließlich per<br />
E-Mail an info@hinzundkunzt.de<br />
58
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />
Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />
2.<br />
1.<br />
3.<br />
1. Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />
100% GOTS zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />
Farbe: norddeutschgrau.<br />
Schürzenbreite ca. 80 cm, Länge ca. 86 cm.<br />
Hautfreundlich, atmungsaktiv, langlebig,<br />
pfl egeleicht und knitterarm.<br />
Maschinenwäsche bis 60 Grad.<br />
Von Kaya & Kato Gmbh, Firma für<br />
fair produzierte Arbeitskleidung aus Köln,<br />
www.kaya-kato.de<br />
Preis: 25 Euro<br />
2. „Macht auch wach!“<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Kaffeemischung,<br />
100% Arabica gemahlen, 250-g-Beutel<br />
oder Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Espresso, italienische<br />
Mischung, kräftiger Geschmack,<br />
ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von<br />
der Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />
Preis: jeweils 5,95 Euro<br />
3. Frühstücksbrettchen<br />
Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus der<br />
Serie „Schöne Aussichten“, Pension<br />
für Produkte Hamburg.<br />
Design: Wolfgang Vogler,<br />
Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />
lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />
in Deutschland gefertigt.<br />
Preis: 15,90 Euro<br />
4. Tasse „Fischkopp“<br />
Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong> von der<br />
Hamburger Firma AHOI MARIE.<br />
Qualitätsporzellan von Kahla aus Thüringen.<br />
Design: Jan-Hendrik Holst.<br />
Keramischer Siebdruck.<br />
Maße: D: 9 cm, H: 9 cm,<br />
mikrowellen- und spülmaschinentauglich.<br />
Preis: 13,90 Euro<br />
5. Jubiläumsbonbons von Lutschebuller<br />
Lutschbonbons in den Geschmacksrichtungen<br />
Vanille-Zimt und Kaffee-Vanille.<br />
Hergestellt in Hamburg nach dänischem Rezept.<br />
Vegan, aber nicht zuckerfrei.<br />
Preis pro Glas: 3,95 Euro<br />
6. Haftnotizen<br />
Haftnotizpapier mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Logo fürs<br />
Büro, Zuhause und alle Lebenslagen, in denen<br />
Gedanken schnell festgehalten werden müssen.<br />
5 Blocks à 50 Blatt, 7 x 7 cm<br />
Preis: 6,50 Euro<br />
7. „Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte für Kinder<br />
über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />
illustriert von Jutta Bauer.<br />
Preis: 4,80 Euro<br />
4.<br />
6.<br />
7.<br />
5.
<strong>September</strong> <strong>2018</strong><br />
Komponisten<br />
und Pflegeexperten<br />
und andere Menschen, die Hamburger bewegen<br />
Mo 17.09. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />
Der Deutsche Herbst Spätestens im Herbst 1977 stürzte die Rote Armee Fraktion die Bundesrepublik<br />
in eine tiefe Krise. Über die damalige Ausnahmesituation diskutieren die Historikerin<br />
Petra Terhoeven, der Regisseur Felix Moeller und Clais Baron von Mirbach, dessen Vater 1975<br />
von der RAF ermordet wurde. Stefan Reinecke, Die Tageszeitung, moderiert.<br />
Mi 19.09. | 19.00 Uhr | Gespräch im Haus im Park<br />
PflegeZeit: Ist den Helfern noch zu helfen? Wie kann der Pflegeberuf wieder attraktiver<br />
ge staltet werden? Darüber sprechen die Fachkrankenschwester Claudia Sannmann, die Pflegeexpertin<br />
Almuth Satrapa-Schill und Franz Müntefering, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Seniorenorganisa tionen. Es moderiert Doris Kreinhöfer, Körber-Stiftung.<br />
Mo 24.09. | 19.00 Uhr | Diskussion<br />
Körber Debate: Osteuropa – Demokratie in Gefahr? Die EU verfolgt den Kurs der Regierungen<br />
in Warschau und Budapest mit Sorge. Wie soll Brüssel sich zu den illiberalen Tendenzen<br />
verhalten? Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung, moderiert das Streitgespräch zwischen zwei<br />
Experten mit gegensätzlichen Positionen. In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung.<br />
Mi 26.09. | 19.00 Uhr | Gesprächskonzert<br />
2 x hören: Keine Angst vor Mack Viele Komponisten sind fasziniert davon, die technischen<br />
Möglichkeiten eines Instruments auszureizen. Entsteht dadurch eine besondere Atmosphäre?<br />
Dieser Frage geht Anne Kussmaul am Beispiel von Dieter Macks Trio VI nach – mit Shirley Brill<br />
an der Klarinette, Gesine Dreyer an der Harfe und David Stromberg am Violoncello.<br />
Stand: August <strong>2018</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: privat, BAGSO/Rieger, Claudia Höhne/Körber-Stiftung, Felix Broede<br />
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: www.koerberforum.de<br />
KörberForum | Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />
Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />
Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.