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Hinz&Kunzt 307 September 2018

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>307</strong><br />

Sep.18<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

Happy<br />

Birthday,<br />

Veddel!<br />

Seit 250 Jahren gehört die<br />

Elbinsel zu Hamburg. Wir führen<br />

durch den bunten Stadtteil.


Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Wandkalender 2019<br />

Heimat, Helden,<br />

Hamburg<br />

Zwölf Hinz&Künztler waren auch in diesem Jahr mit unserer Fotografin<br />

Lena Maja Wöhler auf Fotosafari in Hamburg. Die besten Motive haben<br />

wir jetzt in einem Wandkalender im DIN-A4-Format verewigt.<br />

Ab Mitte <strong>September</strong> beim<br />

Hinz&Künztler Ihres Vertrauens!*<br />

* 4,80 Euro (davon 2,40 Euro für unsere Verkäufer)


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inhalt<br />

Redaktionsausflug auf<br />

die Veddel mit den<br />

Redakteuren (von links)<br />

Jonas Füllner, Annette<br />

Woywode, Ulrich Jonas,<br />

Birgit Müller und<br />

Benjamin Laufer.<br />

Rechtes Bild: Fotograf<br />

Andreas Hornoff.<br />

Die Veddel: Elbinsel mit Herz<br />

250 Jahre alt wird die Elbinsel – und wir sind mit<br />

dem Redaktionsteam ausgeschwärmt, um Menschen<br />

auf der Veddel zu treffen. Klar lief es manchmal<br />

genauso wie erwartet: Einige verstehen kaum<br />

Deutsch. Und Einkaufen ist richtig schwierig: Es<br />

gibt nur einen Gemüseladen und einen Penny.<br />

Womit wir aber nicht gerechnet haben: Wie herzlich<br />

die Leute sind, wie sehr sie ihren Stadtteil lieben –<br />

und dass es kaum Kriminalität gibt. Das mit der<br />

Kriminalität hatte uns schon der Gemüsehändler<br />

Yilmaz Kotan (Titel und Seite 19) erzählt. Ich selbst<br />

habe übrigens meine eigenen Erfahrungen gemacht.<br />

Morgens traf ich mich mit dem Hamburg-1-Moderator<br />

Bedo in einem Café und habe dort meinen<br />

Geldbeutel liegen lassen. Bevor ich es bemerkte, hatte<br />

ihn Shpenzim Selimi schon bei meinen Nachbarn<br />

abgegeben. Der 46-jährige Chef einer Trockenbaufirma<br />

hatte ihn gefunden und gleich persönlich quer<br />

durch Hamburg nach Altona gefahren. Danke,<br />

Shpenzim, für diese schöne Erfahrung! Und Happy<br />

Birthday, Veddel. Wir kommen bald wieder.<br />

Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />

(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

TITELBILD: ANDREAS HORNOFF<br />

Inhalt<br />

Stadtgespräch<br />

04 Gut&Schön<br />

06 Abgezockt: die Bewohner im Haus<br />

Reetwerder 3 in Bergedorf<br />

32 Can Dündar: Rettet die Demokratie!<br />

34 Öko Melkburen: Elternzeit für Kühe<br />

40 Hamburger Justiz: doch keine Strafe<br />

für Obdachlose<br />

Lebenslinien<br />

38 Austin, der vierjährige Superheld<br />

Unerschrocken:<br />

Der Journalist<br />

Can Dündar streitet<br />

für Freiheit. Im<br />

<strong>September</strong> liest er<br />

in Hamburg (S. 32).<br />

Kleiner Mann, großes Herz: Der vierjährige Austin Perine<br />

engagiert sich für Odachlose (S. 38).<br />

Freunde<br />

42 Freundschaftsspiel der Symphoniker<br />

Happy Birthday, Veddel!<br />

16 Gesichter der Veddel<br />

22 SoliPolis: Festival in der Eckkneipe<br />

24 Zollhafen unter Denkmalschutz<br />

26 Tradition: die Veddeler Fischgaststätte<br />

27 Poliklinik der Weltverbesserer<br />

28 Vom Weideland zur Wohnsiedlung<br />

30 Die Veddel in Zahlen<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

48 Orgelkunst trifft Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

50 Indierock von Ilgen-Nur<br />

52 Tipps für den August<br />

56 Comic mit Dodo Dronte<br />

58 Momentaufnahme<br />

Rubriken<br />

05, 41 Kolumne<br />

12 Meldungen<br />

46 Leserbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Hundeschwimmen<br />

Tierischer Badespaß<br />

Mit einem Hechtsprung stürzt sich Golden Retriever Jenna<br />

vom Beckenrand. „Olympiareif!“, freut sich Herrchen<br />

Wolfgang Lorenz. „Heute Abend ist sie müde.“ So wie rund 40<br />

Hunde, die vergangenes Jahr mit ihren Menschen ins Freibad<br />

Marienhöhe kamen. Bevor die Anlage winterfest gemacht wird,<br />

bietet Bäderland auf Initiative von #hundimfreibad auch jetzt<br />

wieder Hundeschwimmen an. Großer Spaß – ohne Zoff unter<br />

den Tieren. Denn sein Revier hat hier noch keiner markiert:<br />

Eigentlich sind die Bäder hundefreie Zone. ABI<br />

•<br />

Freibad Marienhöhe, Sa, 15.9., Luzerneweg 1–3, 10–17 Uhr,<br />

Eintritt Hunde 3 Euro, Menschen 2 Euro; Strandbad Farmsen, Sa, 29.9.,<br />

Neusurenland 67, 11–17 Uhr, 0,50 Euro je Hund und je Herrchen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Museen und Theater<br />

Kultur für<br />

alle Kinder!<br />

Kind im Museum: Das müssen<br />

sich die Eltern leisten können.<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S.4) , JULIA MUHS (OBEN), LENA MAJA WÖHLER (UNTEN LINKS),<br />

DAVID ELMER (UNTEN RECHTS), PICTURE ALLIANCE / GODONG (KOLUMNE)<br />

Stellinger Schüler sammeln Spenden<br />

Stadtteilschule goes Mexiko<br />

Hilfe per Rucksack: Zwei Jahre lang bedruckten und<br />

verkauften Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule<br />

Stellingen Stoffrucksäcke mit dem Slogan<br />

„Plastik war gestern“. 6000 Euro kamen so zusammen,<br />

die sie einer indigenen Bildungseinrichtung im<br />

Hochland Mexikos spendeten. Eine Projektgruppe<br />

der Stadtteilschule besuchte die Einrichtung – der<br />

Kulturaustausch machte allen Spaß! LEU<br />

•<br />

Von der Straße ins Stadion<br />

„Hat das Lebensschiff ein Leck, in<br />

Hamburg bleiben wir an Deck“,<br />

heißt es in der Hymne des FC<br />

St. Pauli. Die Fans des etwas<br />

anderen Vereins nehmen diesen<br />

Anspruch sehr ernst. Seit 2003<br />

spendet der Fanclub Basis St. Pauli<br />

regelmäßig vier Dauerkarten für<br />

unsere Verkäufer. Für die Aktion<br />

„Von der Straße ins Stadion“ überreichten<br />

Meike Bittner und Andy<br />

Hausmann vom Fanclub Basis St.<br />

Pauli (Vierte und Zweiter von links) die<br />

Karten für die neue Saison. LEU<br />

•<br />

2800 Ranzen für Bedürftige<br />

Kunden von Budni haben mehr als<br />

2800 Schulranzen und 50 Kisten<br />

mit Schulmaterial gespendet,<br />

die der Verein Hanseatic Help an<br />

bedürftige Eltern verteilt hat. „Es<br />

gibt viele Familien, die sich die teure<br />

Erstausstattung für ihre Kinder zum<br />

Schulanfang nicht leisten können“,<br />

beklagt Arnd Boekhoff von Hanseatic<br />

Help. Budni-Geschäftsführerin<br />

Julia Wöhlke: „Kein Kind sollte bei<br />

der Einschulung mit einer Plastiktüte<br />

dastehen müssen.“ BELA<br />

•<br />

Während am Weltkindertag<br />

am 20. <strong>September</strong> an die<br />

Rechte und Bedürfnisse von<br />

Kindern erinnert wird, geht<br />

Hamburg schon seit Monatsanfang<br />

mit gutem Beispiel voran:<br />

mit dem KulturKlub. Der<br />

übernimmt für Kinder zwischen<br />

drei und zwölf Jahren,<br />

deren Familien wenig Geld haben,<br />

den Eintritt in Museen,<br />

Theater und vermittelt in Kultureinrichtungen,<br />

die Lust aufs<br />

Lesen machen. „Die Resonanz<br />

der Institutionen auf unser<br />

Projekt war super“, freut sich<br />

KulturLeben-Geschäftsführerin<br />

Petra Schilling, die das Projekt<br />

mithilfe der Reimund C.<br />

Reich Stiftung durchführt.<br />

Los geht es erst einmal auf<br />

St. Pauli, weitere Stadtteile sollen<br />

2019 hinzukommen. Der<br />

Bedarf ist da: „Hamburg ist eine<br />

reiche Stadt, doch leider<br />

lebt selbst hier etwa jedes fünfte<br />

Kind in Armut“, sagt Schilling.<br />

„Indem wir kostenfreien<br />

Zugang zum Kinderkultur-<br />

Angebot schaffen, setzen wir<br />

uns ganz praktisch für mehr<br />

Chancengerechtigkeit ein.“<br />

Familien, die auf St. Pauli<br />

wohnen und ihre Kinder beim<br />

KulturKlub anmelden möchten,<br />

haben mehrere Möglichkeiten:<br />

direkt bei KulturLeben<br />

oder bei Partnern wie der<br />

GWA St. Pauli oder dem Haus<br />

der Familie. SIM<br />

•<br />

Info & Anmeldung: KulturLeben,<br />

Tel. 0800/0180 105, Mo–Fr,<br />

14.30–17.30 Uhr oder online:<br />

www.kulturleben-hamburg.de<br />

5


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Im Mai brennt es im<br />

Reetwerder 3. Die Stadt<br />

erklärt das Haus für unbewohnbar.<br />

160 Menschen,<br />

darunter 56 Kinder, müssen<br />

Hals über Kopf in eine<br />

Notunterkunft. Ihr Hab und<br />

Gut lässt die Vermieterin<br />

Anfang Juli wahllos in<br />

Plastiksäcke stopfen und<br />

wegschließen – für die<br />

Mieter bis heute unerreichbar.<br />

6


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Abgezockt<br />

Erst müssen die Bewohner vom Reetwerder überstürzt ihre<br />

Wohnungen verlassen. Dann verweigert die Vermieterin ihnen den<br />

Zugang zu ihrem Hab und Gut – monatelang.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER/ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATIONEN: ESTHER CZAYA<br />

7<br />

DER ALBTRAUM<br />

Stellen Sie sich vor: In Ihrem Mietshaus<br />

gibt es einen Schwelbrand. Polizei und<br />

Feuerwehr rücken an, entdecken blank<br />

liegende Elektroleitungen und fehlende<br />

Rettungswege und alarmieren das Bezirksamt.<br />

Das erklärt das Haus umgehend<br />

für unbewohnbar und lässt Sie<br />

und die anderen Bewohner noch am<br />

selben Tag in eine städtische Notunterkunft<br />

bringen. Bei sich haben Sie nur<br />

die Kleidung, die Sie am Leib tragen,<br />

und ein paar Dinge, die Sie in aller Eile<br />

in eine Tasche gestopft haben. Alles andere<br />

bleibt zurück.<br />

Während Sie sich fragen, wann Sie<br />

endlich in Ihre Wohnung zurückkehren<br />

können, dringen Männer in Ihre Wohnung<br />

ein. Dort stopfen sie Ihr Hab und<br />

Gut wahllos in Plastiksäcke – offenbar<br />

im Auftrag der Vermieterin. Ihr Eigentum<br />

wird gemeinsam mit dem anderer<br />

Mieter in drei Wohnungen im Haus<br />

geschafft und eingeschlossen.<br />

Monate (!) später ist es Ihnen – trotz<br />

Klage, trotz Gerichtsurteil, das Ihnen<br />

Recht gibt – immer noch nicht gelungen,<br />

an Ihre Habseligkeiten zu kommen.<br />

Weil die Vermieterin sich weigert,<br />

die Türen zu öffnen. Und weil Gerichte<br />

und Stadt keine Möglichkeit sehen, sie<br />

dazu zu zwingen. Können Sie sich diesen<br />

Albtraum vorstellen?<br />

DIE VERHANDLUNG<br />

An einem Donnerstagvormittag Ende<br />

Juli reißt der Richterin am Amtsgericht<br />

Bergedorf nach einer Stunde schleppender<br />

Verhandlung der Geduldsfaden.<br />

Es ist heiß, und der Anwalt der Vermieterin<br />

hat wiederholt vorgetragen, dass<br />

er nicht viel sagen könne: Er sei gerade<br />

aus dem Urlaub zurückgekehrt, in dem<br />

seine Mandantin noch weile.<br />

Es geht um die Klage von Ionel Lupu.<br />

Der 32-jährige Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitar-


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Trügerische Idylle: Die Vermieterin betreibt in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt ein<br />

hübsches Café. Manchmal schaut ihr Sohn vorbei – laut Mietern der Geldeintreiber im Reetwerder.<br />

beiter ist einer von rund 160 Menschen,<br />

die seit nunmehr zehn Wochen auf den<br />

Zugang zu ihrem Hab und Gut warten.<br />

Das soll sich laut Anwalt der Beklagten<br />

in mehr als 500 Plastiksäcken hinter<br />

drei Wohnungstüren im Reetwerder 3<br />

befinden.<br />

Die heutige Verhandlung ist bereits<br />

das fünfte Eilverfahren gegen die Vermieterin.<br />

Sie weigert sich trotz aller<br />

Urteile hartnäckig, die Türen zu öffnen –<br />

aus nicht erkennbaren Motiven. Wie<br />

bei allen vorausgegangenen Entscheidungen<br />

will das Gericht auch Ionel<br />

Lupu Zugang zu seinem Eigentum verschaffen.<br />

Nur wie? Selbst wenn die<br />

Mieter in das Haus kämen: Alles liegt<br />

wahllos verteilt in nicht gekennzeichneten<br />

Säcken. Und selbst ein Gerichtsvollzieher,<br />

der die Urteile vollstrecken<br />

könnte, wird nicht 500 Plastiksäcke<br />

durchsuchen, um die Habseligkeiten<br />

jeder einzelnen Familie herauszusammeln,<br />

so das Amtsgericht Bergedorf in<br />

einem seiner Urteile.<br />

„Und was ist mit den Möbeln geschehen?“,<br />

hat die Richterin gefragt,<br />

und der Anwalt hat geantwortet: „Da<br />

bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner<br />

…“ Da bringt die genervte<br />

Richterin die Unverschämtheit mit<br />

zwei Sätzen auf den Punkt: „Ihre Mandantin<br />

hat doch dafür gesorgt, dass die<br />

Sachen verbracht wurden. Also ist es<br />

doch auch das Problem Ihrer Mandantin,<br />

dafür zu sorgen, dass die Menschen<br />

an ihre Sachen kommen!“<br />

8<br />

DIE FAMILIE<br />

Wenn es so einfach wäre. „Wann bekommen<br />

die Mieter vom Reetwerder 3<br />

Zugang zu ihren persönlichen Dingen?“<br />

Diese und weitere Fragen stellt<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> der Vermieterin Marlies<br />

F. einige Tage später über ihren Anwalt.<br />

Der reagiert mit nur einem Satz: „Es ist<br />

nicht ganz klar, wie Sie auf den Gedanken<br />

kommen, dass meine Mandantin<br />

Ihnen auch nur eine der gestellten Fragen<br />

beantwortet.“ Tags darauf teilt er<br />

mit, seine Mandantin habe „kein Interesse<br />

an einem Gespräch“. Interessiert<br />

sich diese Vermieterin denn gar nicht<br />

für das Schicksal ihrer Mieter?<br />

Wer Marlies F. das persönlich fragen<br />

möchte, muss in eine Kleinstadt im<br />

Herzen Schleswig-Holsteins fahren.<br />

Hier betreibt sie ein hübsches Café nahe<br />

des Marktplatzes. Kenner schnalzen<br />

mit der Zunge angesichts des liebevoll<br />

hergerichteten Altbaus, und den leckeren<br />

Kuchen backt die Café-Betreiberin<br />

nach eigenem Bekunden selbst.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Auf die Frage jedoch, warum sie den<br />

Mietern vom Reetwerder 3 nicht endlich<br />

Zugang zu ihrem Hab und Gut<br />

gewährt, antwortet sie nur mit einem<br />

maskenhaften Lächeln und den Sätzen:<br />

„Ich möchte dazu nichts sagen. Das<br />

muss ich ja nicht.“<br />

Marlies F. und ihre Familie sind in<br />

der Kleinstadt durchaus bekannt. Ehemann<br />

Dietrich F. hat vor langer Zeit ein<br />

Palais am Marktplatz fachgerecht sanieren<br />

lassen. Öffentliche Gelder flossen,<br />

groß war die Hoffnung, dass das einzigartige<br />

Haus aus dem Dornröschenschlaf<br />

erweckt werden würde, in den es<br />

gefallen war. Doch es kam anders: Seit<br />

Jahren steht die einst adlige Residenz<br />

nahezu leer. Nur Sohn Daniel F., so erzählt<br />

man, wohnt in einem der vielen<br />

Zimmer des Hauses. Und eine Firma<br />

hat hier einen Briefkasten: die der Mutter<br />

und Vermieterin Marlies F.<br />

Offen reden möchte in der Kleinstadt<br />

niemand über die Familie. Aktenkundig<br />

ist bei der Staatsanwaltschaft<br />

Lübeck: eine Anklage gegen Daniel F.<br />

„wegen des Verdachts der Sachbeschädigung<br />

und der Bedrohung zum Nachteil<br />

seines Vaters“ – die Verhandlung<br />

Mitte August musste vertagt werden,<br />

weil der Angeklagte nicht vor Gericht<br />

erschien. Auch die Kollegen in Hamburg<br />

haben Daniel F. angeklagt: wegen<br />

Nötigung in mehreren Fällen und gewerbsmäßigem<br />

Betrug in einem Mietshaus<br />

in Eilbek – ob und wann darüber<br />

verhandelt wird, muss nun ein Richter<br />

entscheiden. Wegen derselben Immobilie<br />

ermittelte die Staatsanwaltschaft darüber<br />

hinaus gegen Mutter Marlies F.<br />

wegen Mietwucher. Dieses Verfahren ist<br />

eingestellt: gegen Auf lagen und die<br />

Zahlung einer Geldbuße.<br />

Aktuell hat die Vermieterin erneut<br />

Ärger mit der Justiz: Dieses Mal liegt<br />

eine Strafanzeige wegen Betrug vor –<br />

Tatort hier: der Reetwerder 3 in Bergedorf.<br />

Dort wiederum soll Sohn Daniel<br />

F. laut ehemaliger Bewohner regelmäßig<br />

die Miete bar eingetrieben haben.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> sieht ihn erstmals im<br />

Café seiner Mutter. Gemeinsam mit<br />

den Eltern sitzt er an einem Tisch im<br />

Innenhof und hält einen Plausch. Er<br />

wolle später noch „meine Motorradjungs“<br />

treffen, erzählt der geschniegelte<br />

„Ich möchte<br />

dazu nichts sagen.<br />

Das muss ich ja<br />

nicht.“ DIE VERMIETERIN<br />

Mittvierziger. „Du hast ja ein aufregendes<br />

Leben“, sagt Vater Dietrich F.,<br />

woraufhin Sohn Daniel grinsend entgegnet:<br />

„Das hält jung.“<br />

Kurze Zeit später steht Daniel F.<br />

vor einer Herrenboutique und raucht<br />

eine Zigarette. „Stimmt es, dass Sie die<br />

Mieten im Reetwerder 3 einkassiert haben?“,<br />

fragt ihn unser Redakteur. Die<br />

Antwort fällt so aggressiv wie deutlich<br />

aus: „Verpiss dich!“<br />

So würde man es sich wünschen: Mutter und Sohn erklären<br />

sich vor Gericht. Tatsächlich erschien bislang nur ein Anwalt.<br />

So wenig gesprächsbereit wie der Geldeintreiber<br />

und seine Mutter ist Mirja F.<br />

Sie steht im Grundbuch und ist somit<br />

die Eigentümerin des Reetwerder 3.<br />

Formal ist sie also mindestens genauso<br />

verantwortlich für die Zustände im<br />

Haus wie die Vermieterin. Und nicht<br />

zufällig trägt sie den selben Nachnamen<br />

wie die anderen. Insider erzählen,<br />

dass sie die Ex-Frau von Daniel F. ist.<br />

Warum unternimmt sie nichts, um den<br />

offenkundigen Missstand zu beenden?<br />

Die wiederholten Nachfragen von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> blieben bis Redaktionsschluss<br />

unbeantwortet.<br />

DIE VORGESCHICHTE<br />

Genauso speziell wie die Geschichte der<br />

Familie ist auch die des Hauses. Im Frühjahr<br />

2013 fallen Teile der Fassade auf<br />

den Bürgersteig. Glücklicherweise werden<br />

keine Passanten verletzt. Jahrelang<br />

bieten Prostituierte in dem denkmalgeschützten<br />

Gebäude ihre Dienste an.<br />

Später ziehen vor allem Menschen<br />

aus Rumänien, Bulgarien und der Türkei<br />

ein, die sonst auf dem Wohnungs-<br />

9


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Hat der Sohn der Vermieterin die Mieten im Reetwerder regelmäßig bar eingetrieben?<br />

Bis Redaktionsschluss beantwortete er diese Frage von Hinz&<strong>Kunzt</strong> nicht.<br />

markt kaum eine Chance haben. So wie<br />

Ionel Lupu, der sich als Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Verkäufer über Wasser hielt, als er den<br />

Mietvertrag unterzeichnete.<br />

Im März dieses Jahres rücken Mitarbeiter<br />

unterschiedlicher Behörden zu<br />

einem „Aktionstag“ im Haus an. Unter<br />

anderem gibt es Hinweise auf Mietwucher.<br />

Der Verdacht der Ämter ist begründet:<br />

Mieter zahlen hier 500 Euro<br />

warm pro Zimmer, für eine Vier-Zimmer-Altbauwohnung<br />

müssen sie laut<br />

Mietverträgen, die Hinz&<strong>Kunzt</strong> vorliegen,<br />

2000 Euro pro Monat berappen.<br />

Nach dem medienwirksamen Aufschlag<br />

der Stadt spitzt sich die Situation<br />

zu: Im April klagen Bewohner darüber,<br />

dass kein Wasser mehr aus den Hähnen<br />

fließt – die Vermieterin hat offenbar<br />

Rechnungen nicht bezahlt. Mitte Mai<br />

dann der Showdown: Die Feuerwehr<br />

wird gerufen, weil aus dem Keller des<br />

Gebäudes Rauch quillt. Blank liegende<br />

Stromkabel schmoren vor sich hin. Das<br />

Bezirksamt erklärt das Haus für unbewohnbar,<br />

die Bewohner müssen ihre<br />

Wohnungen überstürzt verlassen.<br />

10<br />

DIE STADT<br />

Das Bezirksamt Bergedorf bleibt nicht<br />

untätig. Es fordert die Hausbesitzerin<br />

auf, die Elektroinstallationen umgehend<br />

instand setzen zu lassen. Bis heute<br />

geschieht das offenbar nicht.<br />

Die Sozialbehörde wiederum organisiert<br />

für die Mieter nicht nur eine<br />

Notunterkunft. Weil unklar ist, wem<br />

was in den Plastiksäcken gehört, bietet<br />

eine Vertreterin der Behörde bei der<br />

Verhandlung am Amtsgericht Bergedorf<br />

sogar eine Lösung an: Die Stadt<br />

werde nach einer Lagerfläche suchen.<br />

Dorthin könne die Vermieterin die<br />

500 Plastiksäcke bringen, um eine<br />

geordnete Übergabe zu ermöglichen.<br />

Eine Monatsmiete für die Halle werde<br />

seine Mandantin wohl zahlen, sagt der<br />

Anwalt von Marlies F.<br />

Kurz darauf schreibt er einen Brief:<br />

Die Stadtreinigung möge den Transport<br />

übernehmen, und mehr als 500<br />

Euro dürfe die Halle nicht kosten.<br />

Auch die Sozialbehörde rudert ein<br />

Stück zurück. Mitte August erklärt sie,<br />

sie könne keine geeignete Fläche bereitstellen.<br />

„Es obliegt somit weiterhin ausschließlich<br />

der Vermieterin, eine entsprechende<br />

Lagerhalle anzumieten und<br />

die persönliche Habe der Mieter dorthin<br />

zu verbringen.“


Stadtgespräch<br />

Freude schenken ...<br />

... mit Produkten aus fairem Handel<br />

• Kaffee, Tee, Schokolade ...<br />

• Geschenke, Körbe, Musikinstrumente, Bücher, Lederwaren,<br />

Spielzeug - aus Afrika, Asien und Lateinamerika ...<br />

DIE OPFER<br />

Leidtragende sind die Menschen, die vor mehr als drei<br />

Monaten ihre Wohnungen räumen mussten. Bitter für<br />

Ionel Lupu: Er hat wegen des Hickhacks seinen Sommerurlaub<br />

gestrichen – eigentlich wollte der Vater zweier<br />

Kinder mit seiner Familie nach Rumänien fahren.<br />

„... frei von Privatmietern<br />

oder vollständig<br />

vermietet ...“ VERKAUFSANGEBOT REETWERDER 3<br />

Immerhin gehört der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitarbeiter zu den<br />

wenigen, die eine neue Wohnung gefunden haben. Ein<br />

teures Unterfangen: Schließlich musste sich die Familie<br />

komplett neu einrichten, weil sie keinen Zugang zu ihrem<br />

Hab und Gut erhält.<br />

Mitte August bietet ein Makler die Immobilie Reetwerder<br />

3 auf einem Onlineportal zum Kauf an. Preis:<br />

sechs Millionen Euro. Laut Exposé kann der Käufer angeblich<br />

auswählen, „ob das Objekt frei von Privatmietern<br />

oder vollständig vermietet übergeben werden soll“ – eine<br />

sehr eigenwillige Interpretation der Rechtslage, zumal die<br />

Mietverträge der ausgesperrten Bewohner offenbar nie<br />

gekündigt wurden. Offenkundig wollen die F.’s noch<br />

schnelles Geld machen. Laut Gerichtspressestelle ist die<br />

Zwangsversteigerung der Immobilie bereits angeordnet.<br />

DIE MIETERSCHÜTZERIN<br />

Bis Redaktionsschluss (20. August) war unklar, wie es für<br />

die ehemaligen Bewohner vom Reetwerder weitergeht.<br />

Mieterschützerin Sylvia Sonnemann sieht die Behörden<br />

weiter in der Pflicht: „Wenn die Vermieterin sich nicht<br />

kümmert, muss die Stadt an ihrer Stelle eine Halle anmieten<br />

und ihr die Kosten anschließend in Rechnung stellen.“<br />

Und das Bezirksamt müsse seine Forderungen mit allen<br />

Mitteln durchsetzen.<br />

Immerhin: Mieter helfen Mietern hat die Vertretung<br />

von elf Mietparteien übernommen. Sonnemann will Vermieterin<br />

Marlies F. nach wiederholten erfolglosen Aufforderungen<br />

nun auf Instandsetzung der Wohnungen<br />

verklagen – bis ein Gericht darüber entscheidet, werden<br />

vermutlich Monate vergehen. •<br />

Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

Mehr über das Haus lesen Sie unter<br />

www.huklink.de/reetwerder<br />

Fairhandelszentrum Groß- und Einzelhandel<br />

Fachbuchhandlung • Stresemannstr. 374 • 22761 Hamburg<br />

Tel.: 040 / 890 61 33 • Fax: 040 / 899 74 52<br />

www.sued-nord-kontor.de<br />

Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 10.00 - 19.00 Uhr<br />

Samstag 10.00 - 14.00 Uhr<br />

Ambulanter Pflegedienst<br />

antifaschistisch - antirassistisch<br />

seit 1996<br />

Lagerstr. 30-32, 20357 Hamburg<br />

Tel.: 040 – 38 68 66 -0<br />

Email: info@solihilfe.de<br />

www.solihilfe.de<br />

ANKER<br />

DES LEBENS<br />

Wünschen Sie<br />

ein persönliches<br />

Gespräch?<br />

Kontaktieren Sie<br />

unseren Geschäftsführer<br />

Dr. Jens Ade.<br />

Tel.: 040/32 10 84 03<br />

oder Mail: jens.ade@<br />

hinzundkunzt.de<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />

für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />

Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen? Dann<br />

hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen Sie uns<br />

in Ihrem Testament! Als Testamentsspender wird Ihr Name auf<br />

Wunsch auf unserem Gedenk-Anker in der Hafencity graviert. Ein<br />

maritimes Symbol für den Halt, den Sie den sozial Benachteiligten<br />

mit Ihrer Spende geben.<br />

11


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Diese Holzhäuser verkauft<br />

derzeit die Stadt –<br />

auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist<br />

interessiert.<br />

Leben in diesen Holzhäusern bald Obdachlose?<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> sucht eine Fläche<br />

Sie sind wetterbeständig und ganzjährig bewohnbar: 50 Holzhäuser, die die Stadt<br />

Mitte August für 1000 Euro pro Stück zum Kauf angeboten hat. „Wenn uns jemand<br />

eine geeignete Fläche oder Halle anbietet, würden wir sofort zehn Häuser<br />

kaufen und dort Obdachlose unterbringen“, sagt Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer. Zwei Angebote musste Hinz&<strong>Kunzt</strong> leider ausschlagen:<br />

Die Grundstücke lagen jenseits der Stadtgrenzen. Die Stadt hatte die Holzhäuser<br />

vor Jahren gekauft, um dort Geflüchtete unterzubringen. Auf Nachfrage hieß es:<br />

„Soziale Projekte werden bei der Vergabe sicherlich vorgezogen.“ UJO<br />

•<br />

Hamburg soll Geflüchtete retten Abzocke in Segeberger Chaussee<br />

Seebrücke für Menschlichkeit Eigentümer zeigt Vermittler an<br />

Weil Mittelmeerstaaten ihre Häfen Er soll von drei rumänischen Familien<br />

dichtmachen, haben Seenotretter immer<br />

größere Probleme – und werden und Kaution für Wohnungen in ei-<br />

je rund 4000 Euro Miete, Courtage<br />

sogar kriminalisiert. „Machen wir nem Haus in Norderstedt abkassiert<br />

Hamburg zum Sicheren Hafen!“, haben – und mit dem Geld abgetaucht<br />

sein: Patrick P. (siehe H&K Nr.<br />

fordert deshalb die Initiative Seebrücke<br />

und ruft zur Demonstration 305). Hauseigentümer Domenico G.<br />

am 2. <strong>September</strong> auf (14.30 Uhr, hatte die Wohnungen an den angeblichen<br />

Vermittler vermietet. G. erklärte<br />

Landungsbrücken). „Wenn die Regierungen<br />

in Europa versagen, dann gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>, er habe von<br />

liegt es an den Städten, zu handeln!“, P. oder seiner Firma kein Geld erhalten<br />

– „und zwischenzeitlich Anzeige<br />

heißt es in dem Aufruf. Zuletzt sind<br />

innerhalb von zwei Monaten mehr gestellt“. Die Staatsanwaltschaft Kiel<br />

als 700 Menschen auf der Flucht im ermittelt „wegen Betrugsverdacht in<br />

Mittelmeer ertrunken. UJO<br />

•<br />

zahlreichen Fällen“. UJO<br />

•<br />

Winternotprogramm<br />

Neue Unterkunft in Lokstedt<br />

An der Kollaustraße in Lokstedt werden<br />

ab 1. November Obdachlose<br />

Schutz vor der Kälte finden. Das<br />

teilte die Sozialbehörde mit. Derzeit<br />

leben auf dem Gelände der Stadt<br />

noch Geflüchtete. Geplant sei eine<br />

Belegung mit drei bis vier Betten pro<br />

Container, so die Behörde. Damit<br />

würden dort 252 bis 336 Plätze bereitstehen.<br />

Das Bezirksamt Eimsbüttel<br />

muss den Plänen zustimmen, was<br />

bei Redaktionsschluss als sicher galt.<br />

Die Stadt musste einen neuen Standort<br />

finden, weil eine Unterbringung<br />

Obdachloser am Schaarsteinweg<br />

(360 Plätze) nicht mehr möglich ist.<br />

Weitere 400 Betten des Winternotprogramms<br />

stehen wie vergangenen<br />

Winter in einer Unterkunft in der<br />

Friesenstraße (Hammerbrook). UJO<br />

•<br />

Platte am Fischmarkt geräumt<br />

Bezirk vertreibt Obdachlose<br />

Erneut hat der Bezirk Altona Obdachlose<br />

vertrieben: Am 21. August<br />

räumte die Stadtreinigung die Platte<br />

von rund 20 Menschen. Sie hatten<br />

am Fischmarkt in Zelten geschlafen.<br />

Für die Betroffenen unverständlich:<br />

„Es gab hier nie Stress“, so Ex-Bewohner<br />

Dennis. Das Bezirksamt, das<br />

die Aktion vorher angekündigt hatte,<br />

verwies auf Anwohner-Beschwerden<br />

über die „hygienischen Zustände“.<br />

Wo die Betroffenen nun schlafen, ist<br />

unklar: Die Notunterkunft Pik As ist<br />

für viele wegen der Angst vor Diebstahl<br />

keine Alternative. Zudem dürfen<br />

Osteuropäer, die hier noch nicht<br />

sozialversicherungspflichtig gearbeitet<br />

haben, dort nicht länger als sieben<br />

Tage bleiben. H&K-Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer: „Wir brauchen<br />

endlich Unterkünfte, die allen<br />

offenstehen und die von Obdachlosen<br />

angenommen werden.“ SIM<br />

•<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

12


Stadtgespräch<br />

JENISCH<br />

HAUS<br />

Übergriffe in Hamburg und Berlin<br />

Erneut Gewalt gegen Obdachlose<br />

Wieder sind Menschen, die auf der Straße leben, Opfer<br />

von Gewalt geworden: In Hamburg bewarf ein Unbekannter<br />

einen Obdachlosen mit einem Stein und verletzte<br />

ihn im Gesicht. Der 36-Jährige hatte nach eigenen<br />

Angaben zuvor mit dem Mann gestritten, so die Polizei.<br />

Seine Verletzungen waren so schwer, dass Rettungskräfte<br />

ihn ins Krankenhaus brachten. Das Landeskriminalamt<br />

sucht Zeugen für die Tat, die sich am Abend des<br />

1. August ereignete (Tel. 040/42 86-567 89). In Berlin<br />

übergoss ein Mann zwei schlafende Obdachlose mit<br />

Benzin und zündete sie an – sie erlitten schwere Verletzungen.<br />

Beide mussten ins Krankenhaus, einer lag dort<br />

noch bei Redaktionsschluss. Auch hier soll es zuvor Streit<br />

gegeben haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen<br />

einen 47-Jährigen wegen versuchten Totschlags. BELA<br />

•<br />

KLASSISCH<br />

DÄNISCH<br />

NORDDEUTSCHE BAUKULTUR SEIT 1790<br />

28.05.<strong>2018</strong> – 24.02.2019<br />

www.shmh.de<br />

Veranstaltungsreihe Gerechte Stadt<br />

Von hohen Mieten und niedrigen Löhnen<br />

Rund 250.000 Menschen in Hamburg sind auf Hilfe<br />

vom Staat angewiesen. Weitere 33.000 müssen mit Hartz<br />

IV aufstocken, weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht.<br />

Muss das so sein? Und warum sind in Hamburg die<br />

Mieten so hoch? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die<br />

Soziologin Natalie Grimm, Christina Boll (HWWA), Stephan<br />

S. Junker („Wohnverhältnisse in Deutschland“) und<br />

die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger. UJO<br />

•<br />

Dienstag, 11.9., 17.30 Uhr, beim Projekt<br />

„Das Geld hängt an den Bäumen“, Harkortstr. 79<br />

Wohnprojekte-Tage<br />

Gemeinsam wohnt es sich besser!<br />

Hamburg will künftig bis zu 20 Prozent der Flächen in größeren<br />

Neubauquartieren an Baugemeinschaften vergeben.<br />

Was und wie können die dazu beitragen, den Stadtteil<br />

zu entwickeln? Dieser Frage gehen Experten auf den<br />

diesjährigen Wohnprojekte-Tagen nach. Außerdem<br />

öffnen erfolgreiche Projekte ihre Türen für potenzielle<br />

Nachahmer. Workshops bieten Interessierten praktische<br />

Tipps auf dem langen Weg zum eigenen Wohnprojekt,<br />

ein Speeddating bringt Gleichgesinnte zusammen. UJO<br />

•<br />

14. und 15.9., Fr, 16–20 Uhr, Sa, 10–20 Uhr, Bürgerhaus<br />

Wilhelmsburg, Mengestr. 20<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter: www.hinzundkunzt.de<br />

WENN UNSERE UMWELT<br />

NICHT FÜR DIE RENDITE<br />

BEZAHLEN MUSS. DANN<br />

IST ES GUTES GELD.<br />

GUTESGELD.DE<br />

Interessiert an ethischer Geldanlage?<br />

Informieren Sie sich beim Oikocredit<br />

Förderkreis Norddeutschland e.V.<br />

Tel. 040 306 20 1460<br />

13<br />

NACHHALTIGE GELDANLAGE SEIT 1975.


Happy Birthday,<br />

Veddel!<br />

SEIT 250 JAHREN GEHÖRT DIE VEDDEL ZU HAMBURG. FÜR UNS<br />

MEHR ALS GRUND GENUG, UNS MAL AUF DER ELBINSEL<br />

UMZUSEHEN. DIE HINZ&KUNZT-REDAKTEURE JONAS FÜLLNER,<br />

ULRICH JONAS, BENJAMIN LAUFER, BIRGIT MÜLLER<br />

UND ANNABEL TRAUTWEIN STELLEN DEN STADTTEIL VOR.


Streitfall „Goldenes Haus“:<br />

In der Veddeler Brückenstraße 152<br />

ist Hamburg-1-Moderator<br />

und CDU-Mitglied Bedo<br />

aufgewachsen. Dass es als<br />

Kunstprojekt mit Blattgold<br />

verkleidet wurde, findet er gut.<br />

„Das Geld kam aus dem<br />

Kulturetat und wäre auch nicht<br />

anderweitig ausgegeben<br />

worden. Und ein bisschen Gold<br />

kann dem Aschenputtel<br />

‚Veddel‘ nicht schaden.“<br />

Gesichter der<br />

Veddel<br />

250 Jahre wird die Veddel alt. Da wollten wir Menschen treffen, die dort<br />

leben und arbeiten: unter anderen den einzigen Gemüsemann, die Sozialarbeiterin,<br />

den Bürgernahen Beamten und Bedo, den Hamburg-1-Moderator.<br />

16


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Happy Birthday, Veddel!<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF, MIGUEL FERRAZ (RECHTS)<br />

Macht richtig Spaß, mit<br />

Bedo alias Bülent Kayaturan<br />

auf der Veddel unterwegs<br />

zu sein. Heimspiel:<br />

Der Hamburg-1-Moderator ist<br />

hier in der Veddeler Brückenstraße aufgewachsen.<br />

Und liebt den Kiez. Heimat,<br />

das macht der 42-Jährige gleich klar:<br />

„Ganz oben steht bei mir die Veddel,<br />

dann kommt Hamburg und dann<br />

Deutschland.“ Türkei – eher schwierig,<br />

auch wegen der politischen Lage.<br />

Was ihn richtig aufregt: „Die Veddel ist<br />

so etwas wie Aschenputtel. Sie wird<br />

stiefmütterlich behandelt – ausgegrenzt<br />

und verunglimpft.“<br />

Bülent Kayaturan ist ein Kind türkischer<br />

Einwanderer, ein Junge aus dem<br />

Stadtteil, der allerdings eine ungewöhnliche<br />

Entwicklung gemacht hat:<br />

Bis hin zu „Bedo“, dem Fernsehmoderator.<br />

Deswegen ist er ein idealer Gesprächspartner.<br />

Wir sitzen noch keine<br />

fünf Minuten im Eiscafé, da haben wir<br />

schon die großen Themen zu packen:<br />

Heimat und Integration. Seine Eltern<br />

hatten in der Türkei nur vier Jahre die<br />

Schule besucht und kamen Anfang der<br />

1970er-Jahre nach Deutschland. „Sie<br />

haben alle Zelte in der Osttürkei abgerissen,<br />

alles hinter sich gelassen. Sie hatten<br />

nichts, konnten nicht mal die Sprache,<br />

aber wollten etwas erarbeiten – für<br />

uns Kinder“, sagt er. „Weißt du, was<br />

das für eine Auf opferung ist?“<br />

In Hamburg haben sie richtig malocht.<br />

„Der Klassiker. So wie es fast bei<br />

allen war: Meine Mutter hat geputzt.<br />

Mein Vater hat bei Aurubis gearbeitet,<br />

einer der größten Kupferhütten der<br />

Welt, wie meine beiden Opas und der<br />

Bruder von meinem Opa und meine<br />

Onkels.“<br />

In Bedos Klasse waren fast alle<br />

Migrantenkinder. „Heute heißt es immer:<br />

Jeder zweite Erstklässler hat einen<br />

Migrationshintergrund. Ich kann mich<br />

dran erinnern, bei uns waren von 20<br />

Schülern nur zwei Deutsche“, blickt er<br />

zurück. „Unsere biodeutschen Freunde<br />

waren in der Minderheit, das war die<br />

Realität.“<br />

In der Schule war Bedo alles andere<br />

als ein Überflieger. Aber er hatte immer<br />

die Unterstützung seiner Eltern. „Mein<br />

Vater konnte schlecht Deutsch, meine<br />

Mutter konnte kaum ein Wort Deutsch.<br />

Trotzdem haben sie nie auf gegeben, an<br />

mich zu glauben und mich immer mental<br />

unterstützt“, sagt er.<br />

Seine Mutter hat ihn auch immer<br />

ange trieben, noch mehr zu machen.<br />

„Du willst besser sein als die anderen,<br />

dann musst du auch zweimal mehr leisten.<br />

Gerade als Ausländerkind.“ Das<br />

hat er beherzigt. „Das Glück ist mit den<br />

Tüchtigen“, dieser urdeutsche Spruch<br />

ist seiner geworden. Alles könne man<br />

ihm vorwerfen, dass er begriffsstutzig<br />

gewesen sei oder langsam, „aber faul<br />

war ich nie“.<br />

Soziale Kontrolle statt Kriminalität<br />

Als vor ein paar Monaten der neue Kunstrasenplatz auf der Veddel eröffnet<br />

wurde, hat gleich in der ersten Nacht jemand den Anstoßpunkt aus dem<br />

Spielfeld gestochen und mitgenommen. „Das kann auch nur hier passieren“,<br />

sagt Stefan Jost und muss ein bisschen lachen. Der 59-Jährige ist<br />

seit 2006 Bürgernaher Beamter auf der Veddel – und versteht sich selbst<br />

inzwischen eher als Sozialarbeiter denn als Polizist. „Polizeilich ist die<br />

Veddel eine Oase der Ruhe“, sagt er. Kriminalfälle gebe es hier kaum. Klar,<br />

mal eine Schlägerei oder auch mal ein Einbruch, aber eigentlich gebe es<br />

auf der Veddel ja auch nichts zu holen. Das Zusammenleben sei weit gehend<br />

friedlich. Er vergleicht es mit dem Leben auf dem Dorf: „Man kennt sich,<br />

es gibt hier eine soziale Kontrolle.“ BELA<br />

•<br />

17<br />

„Meine Mutter<br />

konnte kaum ein<br />

Wort Deutsch.“<br />

HAMBURG-1-MODERATOR BEDO<br />

Die Eltern wollten, dass sich die F amilie<br />

integriert. „Sie gaben uns das Gefühl:<br />

Hier seid ihr zu Hause, hier müsst ihr etwas<br />

aus eurem Leben machen“, sagt<br />

Bedo. „Hier ist hier!“


Happy Birthday, Veddel!<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Bülent die fünfte Klasse wiederholt –<br />

und es war nicht das letzte Mal, dass er<br />

wiederholt hat“, sagt er selbstironisch.<br />

In der 9. Klasse wieder dasselbe.<br />

Sein Klassenlehrer fand, er soll doch<br />

lieber eine Lehre machen, das Abi<br />

würde er doch nie schaffen. „Da überlegst<br />

du schon: ‚Vielleicht hat dein Lehrer<br />

recht.‘“ Der Vater ist geschockt, dass<br />

Bedo die Schule schmeißen wollte und<br />

„Meine Eltern<br />

wollten, dass ich<br />

weiterkomme.“ BEDO<br />

Bedo zeigt Chefredakteurin Birgit Müller sein Viertel. „Was willst du von einem<br />

Stadtteil erwarten, der seine letzte Apotheke aufgegeben hat und noch nicht mal<br />

eine eigene Bank hat? Wir haben nur noch einen Obst- und Gemüseladen, einen Penny.“<br />

Richtig hart wurde es für ihn auf dem<br />

Gymnasium. Er hatte Schwierigkeiten<br />

mitzukommen. Dass er überhaupt auf<br />

eine weiterführende Schule ging, war<br />

und ist für ein Veddeler Kind ungewöhnlich<br />

(siehe Zahlen Seite 30). Nach der<br />

fünften Klasse wollte seine Klassenlehrerin,<br />

dass er die Schule verlässt. Ausgerechnet<br />

seine Mutter mit ihrem gebrochenen<br />

Deutsch hat sich dagegen<br />

gesperrt. „Sie ging eine Woche lang<br />

jeden Tag in die Schule und hat klar<br />

gemacht: ‚Der Junge bleibt auf dieser<br />

Schule!‘“, sagt Bedo stolz. „Also hat der<br />

sein Bruder richtig sauer. „Dann kriegst<br />

du richtig Ärger!“ Dabei ging der selbst<br />

nicht aufs Gymnasium, sondern machte<br />

eine Ausbildung. „Aber er sagte: ‚Ja,<br />

weil ich keine andere Möglichkeit habe,<br />

du Holzkopf.‘“ Der Spruch hat gesessen.<br />

„Bei mir hat es sofort Klick gemacht“,<br />

sagt er. „Da habe ich erst realisiert:<br />

Meine Eltern wollten, dass ich<br />

weiterkomme.“<br />

Er selbst war 14 Monate alt, als er<br />

nach Hamburg kam. Sein Bruder und<br />

seine Schwester sind erst mit 12 und 13<br />

Jahren nach Deutschland gekommen,<br />

konnten kein Wort Deutsch. Sein Vater<br />

Leben auf engstem Raum<br />

Ist die Veddel ein Problemstadtteil? „Es gibt hier viele Familien, denen es<br />

gut geht, deren Kinder studieren – und die sich ärgern, wenn die Veddel<br />

als Armutsstadtteil dargestellt wird“, sagt Francine Lammar, die Geschäftsführerin<br />

des Vereins Veddel aktiv.<br />

Als Sozialarbeiterin kennt sie aber auch die Alltagsnöte im Quartier.<br />

Die meisten Leute kämen wegen Wohnungsnot zu ihr, sagt sie: „Ich habe<br />

gerade mit einer Familie zu tun, die lebt bald zu fünft in einer<br />

40-Quadratmeter- Wohnung.“ Kein Einzelfall, wie sie weiß. Doch viele<br />

nähmen die Enge in Kauf, um nicht aus dem Stadtteil wegziehen zu<br />

müssen.<br />

Die Veddel zu verlassen, kostet Geld. Selbst die Fahrt nach Wilhelmsburg<br />

können sich manche Veddeler nicht leisten, sagt Lammar. Auch Geburtstagsfeste<br />

oder Kinobesuche sind für viele schlicht zu teuer. Ihr Verein<br />

hält dagegen – mit Bastelnachmittagen, Ausflügen, Sportangeboten und<br />

der Stadtteilbücherei. Oder mit Treffpunkten für Eltern und Kinder.<br />

Damit in Zukunft mehr Menschen auf der Veddel gut leben. ATW<br />

•<br />

18


Happy Birthday, Veddel!<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

sagte damals zu ihm: „Du bist der Einzige<br />

in der Familie, der wirklich was anderes<br />

machen kann, zieh das durch!“<br />

Ein paar Tage später sagte Bedo seinem<br />

Lehrer, dass er auf jeden Fall das Abi<br />

machen wolle.<br />

Er lacht. Wird dann ernst, weil er<br />

glaubt, dass andere Kinder, gerade<br />

Migrantenkinder, ähnliche Probleme<br />

hatten und haben wie er. „Wenn ein<br />

Schüler Schwierigkeiten hat oder wiederholt,<br />

heißt es ja nicht, dass er doof<br />

ist, sondern dass er vielleicht einfach<br />

mehr Unterstützung und Zeit braucht.“<br />

Inzwischen hat er stark an sich gearbeitet<br />

und seine Lernmethoden gefunden.<br />

„Ich habe jetzt eine schnellere Auffassungsgabe<br />

als früher.“<br />

Sogar studiert hat er noch. Dabei<br />

wollte er eigentlich nur eins: Radio machen.<br />

Im Offenen Kanal, wo Bürger<br />

das Programm gestalten, hatte er seine<br />

tägliche deutsch-türkische Morgenshow.<br />

Der damalige Geschäftsführer<br />

des Senders kam eines Tages ins Studio,<br />

knallte Bedo Studienunterlagen auf<br />

den Tisch, mit den Worten: „Unterschreib<br />

den Scheiß und gib es ab!“ Er<br />

hatte die Unterlagen sogar schon selbst<br />

ausgefüllt. „Das vergesse ich ihm nie“,<br />

„ Jeder junge<br />

Mensch braucht<br />

jemanden, der<br />

an ihn glaubt.“ BEDO<br />

sagt Bedo, der findet: „Jeder junge<br />

Mensch braucht jemanden, der an ihn<br />

glaubt.“<br />

Mit 2,3 schließt er sein Diplom auf<br />

der Hochschule für Wirtschaft und<br />

Politik ab. Am liebsten wäre er damit zu<br />

seinen Lehrern gelaufen und hätte es<br />

ihnen unter die Nase gehalten.<br />

Kurz bevor der Offene Kanal<br />

schließt, geht für ihn eine neue Medientür<br />

auf. Er trifft zufällig Herbert Schalthoff<br />

von Hamburg 1 – und ein paar<br />

Wochen später kommt er mit seiner<br />

Oriental Night ins Fernsehen. „Überleg<br />

doch mal!“, sagt er enthusiastisch.<br />

Ob Christ oder Moslem – der Kunde ist König<br />

Kürzlich hatte Yilmaz Kotan einen Herzinfarkt. Aber er steht schon wieder<br />

in seinem Laden am Wilhelmsburger Platz – neben dem Penny-Markt das<br />

einzige Geschäft auf der Veddel. Mit einem Gemüseladen hat er angefangen,<br />

inzwischen hat der 53-Jährige in den angrenzenden Räumen noch eine<br />

Bäckerei aufgemacht – und einen Friseursalon.<br />

Seit 17 Jahren lebt der türkische Kurde in Deutschland. Früher hatte er<br />

einen Laden in Wilhelmsburg. Fast nur deutsche Kunden habe er damals<br />

gehabt, was er sehr gut fand. Hier auf der Veddel ist es bunt gemischt. Vor<br />

allem, seit die Studenten in den Stadtteil gezogen sind. Er kommt mit allen<br />

klar. „Ich bin Geschäftsmann, da ist der Kunde König, egal ob er Christ<br />

oder Moslem ist.“ Wichtig sei nur, dass sich alle gut verstehen, und das sei<br />

gerade auf der Veddel der Fall. „Man muss mal fünf Stunden in Altona sein<br />

oder in Wilhelmsburg, da kommt irgendwann die Polizei, weil was los ist“,<br />

sagt er. „Hier ist alles ruhig. Man kennt sich eben.“ BIM<br />

•<br />

19


Happy Birthday, Veddel!<br />

Die Oriental Night – mit Talk und Musik<br />

rund um die deutsch-türkische Kultur<br />

– auf Deutsch. Das ist sein Ding.<br />

Brücken bauen zwischen seinen beiden<br />

Kulturen. Und er will noch mehr, will<br />

sich politisch engagieren, gerade für die<br />

Veddel: „Die Infrastruktur geht gegen<br />

null. Was erwartest du von einem Stadtteil,<br />

der seine letzte Apotheke aufgegeben<br />

hat? Noch nicht mal eine eigene<br />

Bank hat. Wir haben nur noch einen<br />

Obst- und Gemüseladen, einen Penny“,<br />

sagt er. „So etwas führt manchmal dazu,<br />

dass du irgendwann resignierst und<br />

aufgibst.“ Und für die Hamburger Kids<br />

mit Migrationshintergrund will er sich<br />

Bedo liebt die Veddel, weil sie bunt ist.<br />

Andererseits findet er es nicht gut,<br />

„dass man sich hier verlieren kann,<br />

weil man nicht viel Deutsch hört“.<br />

engagieren. Obwohl er denen auch gerne<br />

mal – im übertragenen Sinne – in<br />

den Hintern treten will: „Du musst<br />

schon Feuer im Arsch haben, Arschbacken<br />

zusammenkneifen und durchziehen.<br />

Und mal in den sauren Apfel<br />

beißen“, ist seine Ansage. Hat er selbst<br />

erlebt. „Ich habe bei Hamburg 1 anfangs<br />

als Freelancer gearbeitet. Da hab<br />

ich nicht viel verdient, auch wenn alle<br />

denken, beim Fernsehen wirst du Millionär.“<br />

Fleiß sei wichtig – und: „Leute,<br />

es geht nicht von heute auf morgen!“<br />

Inzwischen ist er auch Mitglied<br />

einer Partei. So wie Bedo immer redet,<br />

denkt man automatisch, er müsse bei<br />

den Grünen sein oder bei der SPD. Ist<br />

er aber nicht. Der Mann ist Christdemokrat.<br />

Ausschlaggebend war wohl<br />

Ole von Beust (Bürgermeister von<br />

2001–2010) mit seiner Vision einer modernen,<br />

konservativen Großstadtpartei<br />

– und seinem „ Sprung über die Elbe“.<br />

Davon versprach sich Bedo, dass es mit<br />

der Veddel aufwärtsgehen würde. So<br />

richtig gelungen findet er das bislang<br />

nicht. „Ich weiß, dass es hier jetzt mehr<br />

Studenten gibt“, sagt er. „Aber ich behaupte<br />

mal, dass sie zwar hier wohnen,<br />

„Man muss<br />

kein Christ sein,<br />

um Jesus zu<br />

schätzen.“ BEDO<br />

aber immer noch lieber in der Schanze<br />

unterwegs sind.“ Das müsste man ändern,<br />

mehr Angebote machen.<br />

Was er Ole von Beust noch hoch<br />

anrechnet: „Er holte mit den Staatsverträgen<br />

die Moscheen und Islamverbände<br />

aus den Hinterhöfen raus.“ Das Verhältnis<br />

zu den Gemeinden sei schwierig.<br />

„Aber wenn man alle Zelte abbricht,<br />

dann weiß niemand mehr, was wirklich<br />

in den Moscheen gesagt wird.“ Hat er<br />

Der Stadtteilkünstler<br />

Dieser Mann will Brücken bauen. „Ich möchte gemeinsam mit<br />

Bewohnern ein Outfit entwickeln, das über kulturelle Unterschiede<br />

hinweggeht, über das man sagen kann: Das repräsentiert die<br />

Veddel“, sagt Baldur Burwitz. „Island of beauty“ hat der 47-Jährige<br />

sein Projekt überschrieben, das er eine „soziale Skulptur“<br />

nennt: „Ich will nicht ein Kunstwerk machen und es hinstellen.<br />

Ich gehe raus und spreche mit den Menschen.“<br />

Immer dabei hat Burwitz einen Fotoapparat, um zunächst zu<br />

dokumentieren: Wie kleiden sich die Veddeler derzeit überhaupt?<br />

Mehr als 100 Bilder hat er bereits gemacht, bald werden sie im<br />

Internet zu sehen sein, um die Diskussion über das kleidungstechnisch<br />

kleinste gemeinsame Vielfache zu eröffnen. Finanziert wird<br />

das Projekt von der Stiftung Nachbarschaft der Saga, die bereits<br />

den sechsten Stadtteilkünstler auf der Veddel unterstützt. Neben<br />

der Atelierwohnung steht Burwitz ein Ausstellungsraum zur Verfügung,<br />

den er für Künstler aus ganz Hamburg öffnen will. UJO<br />

•<br />

Infos unter mail@baldurburwitz.de


Happy Birthday, Veddel!<br />

bei der CDU keine Probleme mit dem „C“? „Nö, gar<br />

nicht.“ Natürlich stehe das „C“ für das Christliche,<br />

aber im übertragenen Sinne. „Bei dem C geht es um<br />

Menschenliebe, Nächstenliebe, gesellschaftliches Zusammenleben<br />

und politische Verantwortung, Vorbild<br />

sein – was Jesus auch vorgelebt hat“, sagt er. „Ich muss<br />

kein Christ sein, um diesen Menschen zu schätzen.“<br />

Deswegen ist er manchmal sauer auf bestimmte Politiker,<br />

auch aus seiner eigenen Partei: „Wer in Kauf<br />

nimmt, Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen,<br />

der hat das C nicht kapiert.“ BIM<br />

•<br />

H<br />

E X TR ACA R D<br />

I N Z & K U N Z T<br />

HINZ&KUNZT<br />

UND<br />

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WWW.EXTRACARD.DE<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF, MIGUEL FERRAZ (S. 20 UNTEN)<br />

Wie man Erfolgserlebnisse schafft<br />

Auf der Veddel gibt es für Kinder und Jugendliche<br />

nicht viele Freizeitangebote. Zum Glück für sie ist da<br />

Jürgen Hensen. Der Geschäftsführer des Vereins Get<br />

the Kick hat sich seit vielen Jahren der Jugendarbeit<br />

verschrieben. „Mir war klar: Man muss mit den Kindern<br />

raus aufs Wasser!“, sagt er. Den Migrantenkids<br />

von der Veddel den Elitesport Segeln beibringen, das<br />

gefällt Hensen. Mehrmals die Woche segeln und paddeln<br />

seine Jugendlichen inzwischen durch den Müggenburger<br />

Zollhafen. Im Haus der Jugend machen sie<br />

Boote flott und drehen Kurzfilme, auch in Zusammenarbeit<br />

mit Schulen. Hensen macht keinen Hehl<br />

daraus, dass es ihnen nicht selten auch an Sozialverhalten<br />

mangle: „Wir vermitteln das, was das Elternhaus<br />

leisten sollte“, sagt er. Und: „Es geht auch darum,<br />

ihnen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.“ Den<br />

Jugendlichen scheinen die Angebote jedenfalls zu gefallen,<br />

sagt er grinsend: „Die Fehlzeiten bei uns sind<br />

geringer als in der Schule.“ BELA<br />

•<br />

21<br />

KALENNER-<br />

DEERNS<br />

KOMÖDIE VON TIM FIRTH<br />

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26.8. – 29.9.<strong>2018</strong><br />

Kartentelefon: 040 / 35 08 03 21 oder<br />

online buchen: www.ohnsorg.de<br />

Foto: Sinje Hasheider


Vorhang auf<br />

im Zonck<br />

Vom Kneipier zum Bühnenhelden:<br />

Schon nach den<br />

ersten Theaterproben ist<br />

Karsten Löffler begeistert.<br />

Das Festival SoliPolis feiert zwei Wochen lang an unterschiedlichen Orten<br />

die Veddel und ihre Bewohner. Mittendrin: die Eckkneipe Zonck. Dort wird die<br />

Theke kurzerhand zur Bühne für Schauspielprofis und Laien umfunktioniert.<br />

Eigentlich steht Karsten Löffler<br />

hinter der Theke und<br />

nicht auf der Bühne. Im Café<br />

Zonck auf der Veddel begrüßt<br />

der 55-Jährige seine Gäste herzlich.<br />

Sie kennen sich in der Eckkneipe,<br />

und sie halten zusammen hier. An den<br />

Wänden blinken Spielautomaten, aus<br />

den Boxen tönt Rockmusik. Zigarettenrauch<br />

hängt in der Luft, das Licht ist<br />

schummrig. Dass das bald die Bühne<br />

für ein Theaterstück sein wird, man<br />

kann es sich nur schwer vorstellen. Aber<br />

beim SoliPolis-Festival im <strong>September</strong><br />

ziehen hier professionelle Schauspieler<br />

ein. Und Leute wie Karsten, die von<br />

Schauspielerei so gar keine Ahnung<br />

haben. Seine Theke wird dann zur<br />

Bühne, und er selbst schlüpft in eine<br />

Rolle. „Ich bin der Blinde unter den<br />

Sehenden“, sagt er und schmunzelt.<br />

Seine Bilanz nach den ersten Proben<br />

könnte jedoch kaum positiver ausfallen:<br />

„Das ist eine wunderbare Erfahrung,<br />

mir macht das Spaß!“<br />

Die Idee, dass Café Zonck zum<br />

Spielort beim Festival zu machen und<br />

die Belegschaft mit einzubinden,<br />

kommt nicht von ungefähr. Die Festivalmacherinnen<br />

von New Hamburg,<br />

einer Kooperation des Schauspielhauses<br />

mit dem evangelisch-lutherischen<br />

Kirchenkreis Hamburg-Ost, möchten<br />

ganz nah bei den Veddel-Bewohnern<br />

22<br />

sein. Ihren Bedürfnissen wollen sie eine<br />

Plattform geben, ihre Probleme sichtbar<br />

machen. Um die zu erfahren, haben<br />

sie zahllose Interviews auf der Elbinsel<br />

geführt. „Das war über Monate<br />

unsere einzige Arbeit: Leute kennenlernen“,<br />

erzählt Sina Schröppel von<br />

New Hamburg.<br />

Dabei trafen sie auch Karsten. Er<br />

begrüßt die Organisatorinnen auf der<br />

Straße inzwischen wie alte Freundinnen.<br />

Mit ihrem Vorhaben treffen sie bei<br />

ihm einen Nerv: „Wir sind der vergessene<br />

Stadtteil, sage ich immer.“ Ihn stört<br />

etwa, dass es nur einen Briefkasten auf<br />

der Veddel gibt und dass dem einzigen<br />

Geldautomaten auch schon mal das


Bargeld ausgeht, wenn am Monatsende<br />

die Hartz-IV-Empfänger endlich wieder<br />

flüssig sind. „Ein barrierefreier Aufgang<br />

zum Bahndamm wäre auch wichtig“,<br />

sagt Karsten. Wünsche, die das<br />

Team von New Hamburg immer wieder<br />

hört.<br />

Ihr SoliPolis-Festival will zeigen,<br />

wie man es anders machen, wie eine solidarische<br />

Stadt aussehen könnte. Und<br />

zwar für alle, egal woher, egal ob hier<br />

gebürtig, auf der Suche nach Arbeit<br />

hergekommen oder hierhin geflüchtet.<br />

Zwei Wochen lang sollen Theaterstücke,<br />

Konzerte, Workshops und Tanzperformances<br />

die Veddel und ihre Bewohner<br />

feiern.<br />

Da passt das Café Zonck super rein.<br />

„Das ist ein Zuhause für gestrandete<br />

Seelen“, sagt Karsten. Zwar tummeln<br />

sich an der Theke vor allem die wenigen<br />

deutschen Veddel-Bewohner ohne<br />

Migrationshintergrund, für die das hier<br />

ein Refugium ist. Doch Karsten stellt<br />

klar: „Wir behandeln alle gleich, jeder<br />

ist willkommen.“<br />

Dann kommt der Chef rein, großer<br />

Bahnhof, Karsten nimmt ihn in den<br />

Happy Birthday, Veddel!<br />

250 Jahre Veddel<br />

Vom 15. bis zum 30. <strong>September</strong> veranstaltet<br />

New Hamburg das Festival<br />

SoliPolis. Theateraufführungen,<br />

Lesungen, Konzerte und Filmvor führungen<br />

finden an vielen Orten auf der<br />

Veddel statt. Auf der Wilhelmsburger<br />

Straße wird jeden Abend an langen<br />

Tafeln gemeinsam gegessen.<br />

Programm: www.huklink.de/solipolis<br />

Schon am Wochenende vom 1. auf den<br />

2. <strong>September</strong> wird der Veddel-Geburtstag<br />

mit dem Stadtteilfest Veddel 250<br />

gefeiert: umfangreiches Programm auf<br />

der Open-Air-Bühne in der Veddeler<br />

Brückenstraße und mehrere Theateraufführungen<br />

und Konzerte bei der<br />

AWO und im EKiZ. Alle Veranstaltungen<br />

unter www.veddel250.de<br />

Arm. Vielleicht ist das ein sehr typischer<br />

Moment für die Veddel – denn<br />

der Chef der Kneipe, in die die Deutschen<br />

gehen, er heißt: Erkan. BELA<br />

•<br />

POETRY-<br />

SLAM<br />

Momentaufnahme #6<br />

zugunsten von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Mit dabei:<br />

Hinnerk Köhn<br />

Mona Harry<br />

Sven Kamin<br />

Lucia Lucia<br />

Danny Grimpe<br />

Marcel Schneuer<br />

Cap San Diego, Luke 5<br />

Di, 4.9.<strong>2018</strong><br />

Einlass: 19.30 Uhr<br />

Beginn: 20.00 Uhr<br />

Moderation:<br />

Rasmus Blohm<br />

Tickets im VVK:<br />

12 € (zzgl. Gebühren)<br />

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FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Das Schauspielhaus im Kirchgarten<br />

Als der Immanuel-Kirche auf der Veddel langsam aber sicher die Gläubigen<br />

ausgingen, musste ein neues Konzept für das Gotteshaus her. Seit 2014 ist New<br />

Hamburg zu Gast: eine Kooperation des Deutschen Schauspielhauses und des<br />

evangelischen Kirchenkreises Hamburg-Ost. New Hamburg haucht der Kirche<br />

neues Leben ein: Im Kirchenschiff werden Filme auf Leinwand gezeigt – oder<br />

Theaterstücke und Konzerte gegeben. Im benachbarten früheren Gemeindehaus<br />

öffnet drei Mal pro Woche das Café Nova, das von vielen Nachbarn gerne besucht<br />

wird. Auch im früheren Kirchgarten (Foto) können die Gäste es sich gemütlich<br />

machen. Gottesdienste gibt es manchmal auch noch – an Weihnachten etwa. BELA<br />

•<br />

Gute Beratung<br />

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Nicht einer Meinung: Elinor Schües,<br />

Vorsitzende des Denkmalrates, und SPD-Politiker<br />

und Stadtteilkümmerer Klaus Lübke.<br />

Herr Lübke, wieso sind Sie gegen den<br />

Denkmalschutz an dieser Stelle?<br />

KLAUS LÜBKE: Die Begründung der Denkmalschützer<br />

zielt auf die Geschichte<br />

des Freihafens. Die projiziert man nun<br />

ausgerechnet an diese Stelle. Wir haben<br />

auch Zollämter, wo niemand etwas dagegen<br />

hätte, sie zu erhalten. Hier brauchen<br />

wir den Platz für Nutzungen, die<br />

im Stadtteil dringend benötigt werden.<br />

Was wäre das?<br />

LÜBKE: Wir hatten hier eine Zweifeld-<br />

Sporthalle geplant, einen großen Lebensmittelmarkt,<br />

Platz für eine Drogerie,<br />

eine Apotheke und einen Discounter, für<br />

Ärzte und einen Hochzeitssaal. In der<br />

Randbebauung waren Büros vorgesehen,<br />

innen sollten Wohnungen entstehen.<br />

Außerdem hätten wir hier Platz<br />

gehabt für eine Moschee. Im Bezirk<br />

arbeiten wir seit sechs Jahren daran, das<br />

alles zu entwickeln.<br />

Weg damit?<br />

Das Denkmalschutzamt hat die Zollanlagen auf der Veddel<br />

unter Schutz gestellt und damit Pläne zur Neubebauung<br />

des Geländes vereitelt. Annabel Trautwein hat mit Elinor Schües<br />

vom Denkmalrat und mit SPD-Bezirkspolitiker Klaus Lübke<br />

über das Für und Wider der Entscheidung gesprochen.<br />

Mehr Wohnungen, Geschäfte<br />

und Arztpraxen<br />

werden auf der Veddel<br />

dringend gebraucht,<br />

doch der Platz auf der Elbinsel ist rar.<br />

Bereits seit Jahren haben Bezirkspolitiker<br />

deshalb die am nördlichen Rand<br />

gelegene ehemalige Zollanlage im<br />

Blick. Die historischen Gebäude sollen<br />

Neubauten weichen, so ihr Plan. Doch<br />

jetzt hat das Denkmalschutzamt ihnen<br />

einen Strich durch die Rechnung gemacht<br />

und das Ensemble unter Denkmalschutz<br />

gestellt. Aus der rot-grünen<br />

Bezirksregierung kommen harsche<br />

Worte, Grünen-Fraktionschef Michael<br />

Osterburg sprach gar von einer Retourkutsche<br />

des Denkmalschutzamtes für<br />

den City-Hof, den der Senat gegen den<br />

Willen des Amtes abreißen lassen will.<br />

Könnte man die Gebäude nicht erhalten<br />

und trotzdem Platz für Wohnen und<br />

Gewerbe schaffen? Elinor Schües, Vorsitzende<br />

des Denkmalrates, sieht Potenzial.<br />

Klaus Lübke, Bezirkspolitiker der<br />

SPD und Stadtteilkümmerer auf der<br />

Veddel, hofft dagegen auf ein Machtwort<br />

des Senats gegen die Denkmalschützer.<br />

Ein Streitgespräch.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Der Denkmalschutzrat<br />

hat schon vor 2013 auf den Schutz<br />

dieser Gebäude gepocht. Warum ist das<br />

erst jetzt passiert?<br />

ELINOR SCHÜES: Wir haben oft nachgefragt,<br />

warum sich da nichts tut. Immer wieder<br />

sagte uns das Denkmalschutzamt: Uns<br />

fehlen die Leute. Jetzt ist der Ärger da.<br />

Warum gibt es dann nicht längst einen neuen<br />

Bebauungsplan? Der geltende ist von 1956.<br />

LÜBKE: Nach der Öffnung des Freihafens<br />

2013 war es das Wichtigste, die umliegenden<br />

Straßen umzubauen. Dann<br />

sollte das Gelände entwickelt werden.<br />

Diesen Prozess hat das Bezirksamt<br />

aber im vergangenen Jahr angehalten,<br />

weil abgewartet werden sollte, was am<br />

Kleinen Grasbrook passiert. Wir haben<br />

ein Jahr mit den Planungen pausiert.<br />

Und kurz vor dem nächsten<br />

Schritt kam die Entscheidung des<br />

Denkmalschutzamtes dazwischen – für<br />

uns völlig überraschend.<br />

Lassen die Pläne des Bezirks sich denn nicht<br />

mit dem Denkmalschutz vereinen?<br />

SCHÜES: Erst einmal sollte man schauen,<br />

was schützenswert ist. Die langen Zollgebäude<br />

haben zweifelsohne einen starken<br />

Aussagewert, solche charakteristischen<br />

Gebäude gibt es viel zu wenig in<br />

Hamburg. Hier wäre ein interessanter<br />

Ort für Künstlerateliers oder Clubs,<br />

ähnlich wie im Oberhafen. Aus solchen<br />

schrägen, alten Gebäuden entsteht ja<br />

Kultur. Wenn wir die nicht mehr haben,<br />

ist Hamburg klinisch tot.<br />

Aber was ist mit den Geschäften und Einrichtungen,<br />

von denen Klaus Lübke sprach?<br />

SCHÜES: Als Architektin sehe ich hier<br />

24


Happy Birthday, Veddel!<br />

In den 50er-Jahren wurden<br />

die Zollanlagen mit<br />

den Flugdächern gebaut.<br />

durchaus Raum für Bebauung.<br />

Die könnte<br />

man auch mit einem<br />

Teil der Zollgebäude<br />

kombinieren. Da ist<br />

jetzt Kreativität gefragt.<br />

Überzeugt Sie das,<br />

Herr Lübke?<br />

LÜBKE: Nein. Mit dem,<br />

was jetzt unter Denkmalschutz steht,<br />

kann man hier nichts mehr machen.<br />

Das wird einfach verfallen, bis es irgendwann<br />

eh abgerissen wird. Und so<br />

ein Modell wie am Oberhafen kann ich<br />

mir hier gar nicht vorstellen.<br />

Der Denkmalschutz soll ja gerade<br />

verhindern, dass interessante Orte einfach<br />

verfallen. Ist das nicht auch eine Chance<br />

für die Veddel?<br />

LÜBKE: So wie ich es sehe, dient der<br />

Denkmalschutz hier den wohlhabenderen<br />

Bildungsbürgern. Diejenigen, die<br />

hier leben und weniger Geld haben,<br />

werden nicht gehört.<br />

Sollte nun also der Senat den Denkmalstatus<br />

für die Zollanlage wieder kassieren?<br />

LÜBKE: Das ist das Ziel der Bezirksversammlung<br />

Hamburg-Mitte, ganz klar.<br />

SCHÜES: Der Senat sollte jetzt erst mal sehen,<br />

wie man mit der Entscheidung<br />

umgehen kann. Das Denkmalschutzamt<br />

wird sicher Abstriche machen müssen.<br />

Aber die Entscheidung in toto zu<br />

kassieren wäre schade – auch wegen<br />

dieser Gebäude. •<br />

Die<br />

Großuhrwerkstatt<br />

Bent Borwitzky<br />

Uhrmachermeister<br />

Telefon: 040/298 34 274<br />

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FOTOS: ANDREAS HORNOFF (S.24 UND OBEN), MIGUEL FERRAZ<br />

Die Veddel-Hose: für<br />

die Ewigkeit gemacht<br />

Neulich brachte ein Motorradfahrer<br />

seine Lederhose zu Carsten<br />

Paulsen – er war mit 170 Stundenkilometern<br />

gestürzt. „Zwei kleine<br />

Abrissstellen, mehr war nicht“, so<br />

der 64-jährige Ladeninhaber stolz.<br />

Unzerstörbar, besondere Taschen,<br />

viel Schlag und Maßarbeit:<br />

Das sind Kenn zeichen der Veddel-<br />

Hose. Erfunden hat sie 1962 Paulsens<br />

Mutter. Weil sie die Nase voll<br />

hatte vom Flicken, wählte sie robusten<br />

Stoff und setzte feste Nähte ein.<br />

Heute kleiden Handwerksfirmen<br />

ihre Belegschaft damit ein (Arbeitshose<br />

ab 98 Euro), Fans lassen<br />

sich die Traumhose schneidern<br />

(Freizeithose ab 159,50 Euro). Über<br />

allem steht das Motto: „Für jeden<br />

Arsch ’ne Hose nach Maß.“ UJO<br />

•<br />

Niedergeorgswerder Deich 56, Mo–Fr,<br />

8–18 Uhr, Sa, 9–12 Uhr<br />

SINGEN<br />

PFLEGEN<br />

TRAUERN<br />

INFORMIEREN<br />

HEIRATEN<br />

Das Leben<br />

steckt voller<br />

Fragen.<br />

25<br />

Wie können wir Ihnen helfen?


Marion Göttsches<br />

Fischgaststätte in der<br />

Tunnelstraße 70<br />

hat Montag bis Freitag<br />

von 11–17.45 Uhr<br />

geöffnet.<br />

In alter Treue<br />

Fünf Gerichte, Sinn für Tradition und Stammgäste,<br />

die ein Leben lang bleiben – das macht die historische<br />

Veddeler Fischgaststätte zum Kultlokal.<br />

Hier ist alles original, von der<br />

Eckbank bis zum Kartoffelsalat-Rezept<br />

von 1932. So<br />

lang ist es her, dass Louis Matthes auf<br />

der Veddel seine „Fischbratküche“ eröffnete.<br />

„Feinkost Tiedchen & Worbis“<br />

lag damals in der Tunnelstraße, ebenso<br />

„Ulrich’s Tanzdiele“ und das Kabarett<br />

an der Ecke. „Hier war richtig Highlife“,<br />

schwärmt Renate Puttfarken. Die<br />

gebürtige Veddelerin sitzt mit ihrem<br />

Mann Berni am „Stammtisch“, wo nur<br />

die treuesten Gäste Platz nehmen dürfen.<br />

„Ich komme seit 1952 hierher – damals<br />

mit meinen Eltern und sechs Geschwistern“,<br />

erzählt sie. „Einmal die<br />

Woche haben wir uns das geleistet.“<br />

Heute fährt das Ehepaar von seinem<br />

Zuhause in Rothenburgsort jeden<br />

Donnerstag zum Fischessen aufs frühere<br />

Zollgelände, umtost vom Verkehr.<br />

Nicht leicht zu finden, räumt Betreiberin<br />

Marion Göttsche ein. Vor zwölf<br />

Jahren übernahm sie mit ihrem damaligen<br />

Mann das Lokal von Gerhard und<br />

Anneliese Matthes. Fast 40 Jahre standen<br />

Sohn und Schwiegertochter von<br />

Louis Matthes damals schon hinterm<br />

Tresen, hegten die Kundschaft und<br />

pflegten den Gasbräter, der seit 1947<br />

seinen Dienst tat. „Das Herzstück“, wie<br />

Marion Göttsche sagt. Die Göttsches<br />

waren 2006 selbst Stammgäste, beide<br />

ohne Arbeit und auf der Suche nach einem<br />

Geschäft. „Nehmt doch unseres“,<br />

riet die Wirtin. Man kannte sich ja.<br />

Als das kleine Lokal hinter Bauzäunen<br />

verschwand, war die Treue der<br />

Stammgäste die Rettung des Traditionslokals.<br />

Anderthalb Jahre lang umkreisten<br />

Bagger die Fischgaststätte, rissen<br />

die Straße auf und machten Staub<br />

und Dreck. Die Stammgäste kamen<br />

trotzdem und riefen medienwirksam zu<br />

Retter-Essen auf. Jetzt sind die Bagger<br />

weg, und Marion Göttsche blickt gelassen<br />

dem 100-jährigen Jubiläum entgegen:<br />

„Ich habe grünes Licht vom Verpächter,<br />

dass ich hier weitere 15 Jahre<br />

bleiben kann.“ ATW<br />

•<br />

Chefin Marion<br />

Göttsche vor ihrer<br />

Gaststätte (oben)<br />

und mit ihren<br />

Mitarbeiterinnen.<br />

Renate Puttfarken<br />

kommt seit<br />

1952 hierher –<br />

inzwischen<br />

mit ihrem<br />

Ehemann Berni.<br />

26


„Hier kann ich an den Problemen<br />

ansetzen“, sagt Jan Kaiser. Der Arzt verdient<br />

in der Poliklinik nicht mehr als die<br />

Reinigungskraft – 16,70 Euro die Stunde.<br />

FOTOS: LENA MAJA WÖHLER (S. 26), ANDREAS HORNOFF (OBEN), MIGUEL FERRAZ (UNTEN)<br />

Die Weltverbesserer<br />

Das Kollektiv der Poliklinik bietet nicht nur ärztliche Hilfe,<br />

sondern auch Rat und Tat in allen Lebenslagen.<br />

Wer sich wie Jan Kaiser intensiv<br />

mit Bewohnern der<br />

Veddel beschäftigt, merkt<br />

schnell: „Hier sind auch jüngere Leute<br />

chronisch krank.“ Herz-Kreislauf-<br />

Probleme, Lungenerkrankungen oder<br />

Durch blutungsstörungen betreffen anderswo<br />

meist Menschen jenseits der 50,<br />

sagt der Arzt. „Manche meiner Patienten<br />

hingegen sind erst Ende 30.“<br />

Dass die Erfinder der Poliklinik sich<br />

die Veddel als Standort ausgesucht haben,<br />

ist kein Zufall: An Ärzten herrscht<br />

hier Mangel, und Studien zeigen, dass<br />

Bewohner von armen Quartieren im<br />

Schnitt zehn Jahre früher sterben als<br />

Othmarschener oder Poppenbütteler.<br />

Die Gründe dafür sind vielfältig, doch<br />

für den 32-jährigen Mediziner ist klar:<br />

„Das Einkommen wirkt am stärksten.“<br />

Denn Armut verursacht Stress, wirft<br />

existenzielle Fragen auf, die Kaiser oft<br />

zu hören bekommt: Wie bekomme ich<br />

meinen Lebensunterhalt zusammen?<br />

Und wie viel Geld habe ich, um mir<br />

etwas Ordentliches zu essen zu kaufen?<br />

Und: Armut bedeutet oft auch schlechte<br />

Wohnverhältnisse: „Schimmel ist hier<br />

in vielen Häusern ein Problem.“<br />

Wer die Menschen nachhaltig gesünder<br />

machen will, muss ihnen deshalb<br />

umfassend helfen, meint Jan Kaiser:<br />

„Wir versuchen, uns mehr Zeit zu<br />

nehmen, soziale Probleme mitzuverhandeln.“<br />

Weil manches den Rahmen<br />

eines Arztbesuches sprengt, bieten<br />

Honorarkräfte Sozialberatung an,<br />

schreiben Widersprüche gegen fehlerhafte<br />

Bescheide des Jobcenters oder begleiten<br />

Hilfesuchende zur Ausländerbehörde.<br />

Eine kostenlose psychologische<br />

Sprechstunde gibt es und auch Rechtsberatung<br />

für Geflüchtete.<br />

„Wir wollen Projekte entwickeln,<br />

die soziale Probleme direkt behandeln<br />

und nicht nur die einzelnen Menschen“,<br />

sagt Jan Kaiser. Einen Abend<br />

haben sie deshalb neulich mit Mietern<br />

und einer Expertin diskutiert, wie man<br />

sich gemeinsam gegen Schimmel wehren<br />

kann. Ab diesem Monat klären Ehrenamtliche<br />

Jugendliche in der Schule<br />

darüber auf, wie gesundes Leben aussehen<br />

kann und was der Einzelne und die<br />

Gesellschaft tun sollten.<br />

Anderthalb Jahre nach Eröffnung<br />

der Poliklinik sind Erfolge sichtbar:<br />

Noch diesen Monat soll auf der Veddel<br />

eine Apotheke aufmachen, „sicherlich<br />

auch, weil es uns gibt“, sagt Kaiser. Und<br />

für die „Community Health Nurse“<br />

(Stadtteil-Krankenschwester), die ab<br />

2020 die Gesundheitsversorgung im<br />

Quartier weiter verbessern soll, haben<br />

sie schon erste Fördergelder eingeworben.<br />

Zu tun bleibt genug: Ein<br />

Kinderarzt fehlt ebenso wie eine Frauenärztin,<br />

Kaiser träumt von fachärztlichen<br />

Sprechstunden. Dann würde aus<br />

den Räumen im Hinterhof noch mehr<br />

das Stadtteil-Gesundheitszentrum, das<br />

sich die Initiatoren wünschen. Und, ein<br />

Dauerthema: Geld muss her. „Ausführliche<br />

Patientengespräche und Sozialberatung<br />

werden von den Krankenkassen<br />

schließlich nicht bezahlt.“ UJO<br />

•<br />

Mehr Infos unter<br />

www.poliklinik1.org<br />

Konsum für<br />

Genossen<br />

Im Osten der Veddel liegt<br />

die Peute. Das heutige Industriegebiet<br />

wurde erst<br />

in den 1870er-Jahren zur<br />

Elbinsel. Dort, wo einst<br />

Ausflugslokale das Elbufer<br />

säumten, errichtete<br />

in den 1920er-Jahren die<br />

Großeinkaufsgesellschaft (GEG) der deutschen Konsumvereine ihr Zentrallager.<br />

Die Konsumgenossenschaftsbewegung hatte sich zum Ziel gesetzt, die<br />

Versorgungslage der Arbeiter zu verbessern. 1933 leitete die Gleichschaltung<br />

durch die Nationalsozialisten ihr Ende ein. Zwar wurde nach Kriegsende<br />

die Eigenproduktion wieder aufgenommen, in den 1980er-Jahren jedoch<br />

endgültig eingestellt. 2010 erwarb die Hamburg Port Authority (HPA)<br />

das Areal und sorgte für einen Skandal: Zwei Gebäude ließ sie abreißen –<br />

ohne Zustimmung des Denkmalschutzamtes. Man wollte Platz schaffen für<br />

ein neues Logistiklager des Online-Versandhändlers Amazon. JOF<br />

•<br />

27


Vom Weideland<br />

zur Wohnsiedlung<br />

Die Häuser vom<br />

Veddeler Elbdeich<br />

vor der Brücke über<br />

die Norderelbe<br />

(ca. 1900).<br />

„Veddel“ kommt von „Wehde“, der niederdeutschen Bezeichnung für Weideland.<br />

Genau das war die Veddel lange Zeit. Ihr Aufstieg begann erst im 19. Jahrhundert:<br />

Die Elbinsel wurde Hafenquartier, Amüsiermeile und Wohnviertel.<br />

Hamburger kennen die<br />

Veddel als traditionellen<br />

Arbeiterstadtteil. Dabei<br />

diente die kleine Elbinsel<br />

– heutzutage eingezwängt zwischen Autobahn<br />

und Bahngleisen – einst als Weideland.<br />

Die Besiedelung begann so<br />

richtig erst vor rund 140 Jahren. Damals<br />

ließ Reeder Robert Miles Sloman<br />

auf der bis dahin dünn besiedelten Fläche<br />

südlich der Norderelbe rund 200<br />

kleine Einfamilienhäuser für Hafenund<br />

Werftarbeiter erbauen.<br />

So wie sich heute kaum jemand die<br />

Veddel als Acker vorstellen kann, so<br />

kam es den Menschen vor 250 Jahren<br />

wohl auch nicht in den Sinn, dass<br />

auf der kleinen Insel in der Elbe später<br />

einmal mehr als 7000 Menschen<br />

leben würden. Damals, im Jahr 1768,<br />

sicherte sich die Hansestadt nach zähen<br />

Verhandlungen die Unabhängigkeit<br />

von Dänemark.<br />

Die Eigenständigkeit ließ sich die<br />

rund 100.000 Einwohner zählende<br />

Hansestadt einiges kosten: Städtchen<br />

wie Trittau und Reinbek mit ihren<br />

Schlossanlagen trat sie an Dänemark<br />

ab. Im Gegenzug erhielten die Stadtherren<br />

eigentlich wertlose Elbinseln<br />

und Niederungsgebiete zwischen Finkenwerder<br />

und Billwerder, auf denen<br />

höchstens einige Kühe grasten. Es waren<br />

die Flächen, auf denen sich später<br />

28<br />

der Hafen ausweitete und wichtige<br />

Industrieanlagen erbaut wurden. Und<br />

die zudem ausreichend Platz für das<br />

rasante Wachstum der Stadt boten. Seit<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich<br />

Hamburgs Einwohnerzahl auf rund<br />

eine Viertelmillion mehr als verdoppelt.<br />

1878 wurde schließlich auf der<br />

Veddel mit dem Bau der sogenannten<br />

Sloman-Siedlung begonnen. Die aufgelockerte<br />

Bebauung im Stil einer Gartenstadt<br />

mit höchstens dreistöckigen<br />

Häusern außerhalb der Großstadt sollte<br />

die Lebensbedingungen der Hafenarbeiter<br />

verbessern.<br />

Tatsächlich war die Siedlung aber<br />

schon 50 Jahre später wieder Ge-


Happy Birthday, Veddel!<br />

WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

schichte. Die Bevölkerungszahl hatte<br />

die Millionengrenze durchbrochen und<br />

die kleinen Siedlungshäuser mussten<br />

weichen. Es entstand eine Großsiedlung:<br />

Ein geschlossenes Wohnquartier<br />

unter der Leitung von Oberbaudirektor<br />

Fritz Schumacher mit den in Hamburg<br />

typischen roten Klinkerbauten, die<br />

noch heute – trotz der Bombardierung<br />

im Zweiten Weltkrieg – das Bild der<br />

Veddel prägen.<br />

Hafenarbeiter<br />

besuchten die<br />

Gaststätte „Anker“<br />

(oben) in der<br />

Tunnelstraße<br />

schon frühmorgens.<br />

Bild unten:<br />

Dienstags und<br />

freitags war<br />

Wochenmarkt.<br />

In den 1920ern<br />

wurde die<br />

Veddel zu<br />

Klein St. Pauli.<br />

FOTOS: ARCHIV THAL<br />

Die Veddel mauserte sich und wurde –<br />

kaum vorstellbar – zum Ausgehviertel.<br />

In den 1920er- und 1930er-Jahren muss<br />

die Veddel genau das gewesen sein, bestätigt<br />

Experte Dieter Thal gegenüber<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Der Lokalhistoriker sammelt<br />

seit vielen Jahren historische Fotos<br />

und Postkarten der Veddel und beschäftigt<br />

sich ausführlich mit der Geschichte<br />

der Elbinsel. Seine Recherchen zeigen,<br />

dass es damals teilweise bis zu acht<br />

Kneipen in einer Straße gab. Das<br />

Nachtleben in „Klein St. Pauli“ – wie<br />

die Hamburger den Stadtteil nannten –<br />

muss richtig pulsiert haben, sagt Thal.<br />

Rund 7000 Menschen lebten damals<br />

auf der Veddel. Zum Vergleich:<br />

Heute leben noch rund 4700 Hamburger<br />

in dem kleinen Stadtteil, der gerade<br />

mal einen Supermarkt und ansonsten<br />

nur wenige Cafés, Kneipen und kleine<br />

Bäckereien beherbergt. Vor knapp 100<br />

Jahren hingegen luden zahlreiche Geschäfte<br />

zum Flanieren ein. Es gab Banken,<br />

Apotheken und eine Postfiliale.<br />

Diese glanzvollen Zeitn kennt Dieter<br />

Thal selbst nur aus Erzählungen.<br />

Der 68-Jährige wuchs in den 1950er-<br />

Jahren in den ehemaligen Auswandererhallen<br />

im südlichen Teil der Veddel auf.<br />

Hapag-Generaldirektor Albert Ballin<br />

ließ sie Anfang des 20. Jahrhunderts als<br />

Massenunterkünfte für Tausende Auswanderer<br />

errichten, die aus ganz Europa<br />

jede Woche in der Stadt ankamen.<br />

Nach der Machtübernahme durch die<br />

Nationalsozialisten dienten sie als<br />

Herberge für die Waffen-SS. Später, in<br />

Folge der Befreiung Hamburgs, wurden<br />

sie dann als Notunterkunft für ausgebombte<br />

Familien, wie die von Dieter<br />

Thal, genutzt.<br />

Den Aufschwung der Veddel seit<br />

den 1920er-Jahren bremste der Zweite<br />

Weltkrieg brutal aus. Der Nordteil war<br />

zerstört. Hinzu kam die schlechte Luft<br />

durch die immer größer werdenden Industrieanlagen<br />

auf der benachbarten<br />

Peute. Wer konnte, zog weg. So auch<br />

die Familie von Dieter Thal.<br />

Geblieben sind überwiegend Menschen<br />

mit geringem Einkommen, vor<br />

allem Migranten, deren Anteil inzwischen<br />

– zählt man die Bewohner der<br />

Flüchtlingsunterkünfte nicht hinzu –<br />

nirgendwo in Hamburg höher ist. Lange<br />

Zeit vernachlässigt, geriet die Veddel<br />

erst wieder Mitte der 2000er in den<br />

Blick der Stadtplaner.<br />

Industrie wanderte ab und im Zuge<br />

der 2007 gestarteten Internationalen<br />

Bauausstellung setzte der Senat ein<br />

Subventionsprogramm für vergünstigte<br />

Mieten für Studenten auf.<br />

Mit Erfolg: Heutzutage ist fast jeder<br />

zehnte Bewohner der Veddel ein<br />

Student. JOF<br />

•<br />

Dieter Thal: Hamburg-Veddel (2012),<br />

Sutton Verlag, 19,95 Euro, 128 Seiten<br />

(ca. 200 Abbildungen)<br />

29


Die Veddel<br />

in Zahlen<br />

Was Sie über das Geburtstagskind<br />

unbedingt wissen sollten.<br />

Hartz-IV-Empfänger<br />

unter 15 Jahren<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

42,9 Prozent<br />

20,7 Prozent<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />

Woher Veddeler und<br />

ihre Eltern kommen<br />

Nahezu jeder vierte<br />

Bewohner der Veddel ist<br />

Türke oder hat türkische<br />

Eltern. Auch viele<br />

Mazedonier leben hier.<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />

100 %<br />

72,3 %<br />

übrige Länder<br />

1391<br />

Türkei<br />

1008<br />

Ghana<br />

154<br />

Mazedonien<br />

447<br />

Bulgarien<br />

219<br />

Afghanistan<br />

155<br />

45,1%<br />

Ärztliche<br />

Versorgung<br />

Niedergelassene Ärzte 3<br />

Apotheken 1*<br />

*ab <strong>September</strong> <strong>2018</strong><br />

Arztquote je 1000 Einwohner<br />

auf der Veddel: 0,64<br />

in ganz Hamburg: 2,61<br />

(Statistikamt Nord, Dez. 2017, eigene Recherchen)<br />

Bevölkerung<br />

4667<br />

Mit Migrationshintergrund<br />

3374<br />

Bewohner der Veddel<br />

Drei von vier Menschen haben Wurzeln<br />

außerhalb Deutschlands. Bei Kindern und<br />

Jugendlichen sind es neun von zehn. Fast jeder<br />

zweite Veddeler hat keinen deutschen Pass.<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />

45,1 %<br />

Ohne deutschen Pass<br />

2106<br />

Hamburg<br />

WOHNUNGEN<br />

Veddel gesamt: 2040<br />

darunter Saga-Wohnungen: 1400<br />

darunter Sozialwohnungen: 260*<br />

* Weitere 215 Wohnungen in der Straße<br />

Passierzettel werden nach Abschluss der<br />

Modernisierung ebenfalls einer Mietpreisbindung<br />

unterliegen.<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2017 / Saga, August <strong>2018</strong>)<br />

30<br />

18,8%<br />

Veddel<br />

Anteil Schüler in Gymnasien<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

18,8 Prozent<br />

45,1 Prozent<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2016)


Anteil der Hilfeempfänger<br />

(SGB II) an der Bevölkerung<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

24,9 Prozent<br />

10,3 Prozent<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2017)<br />

Quadratmeterpreise<br />

für Bauland<br />

247<br />

EURO<br />

(LBS, <strong>2018</strong>)<br />

657<br />

EURO<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

Mietpreise<br />

Neu vermietete Wohnungen<br />

auf der Veddel<br />

9,75 Euro/m 2<br />

Neu vermietete<br />

Wohnungen in Hamburg13,24 Euro/m 2<br />

(Gymnasium Ohmoor, 1. Quartal <strong>2018</strong>)<br />

Jährliche Einkünfte<br />

je Steuerpflichtigem<br />

Veddel<br />

15.831 Euro<br />

Hamburg<br />

39.054 Euro<br />

(2013, Statistikamt Nord)<br />

Ergebnisse Bürgerschaftswahl 2015<br />

Wieviele der Wahlberechtigten<br />

haben sich tatsächlich an der Wahl beteiligt?<br />

Wahlberechtigte<br />

41,1%<br />

(Statistikamt Nord)<br />

Wahlberechtigte<br />

Durchschnittliche<br />

Wohnfläche je Einwohner<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

26,8 Quadratmeter<br />

38,3 Quadratmeter<br />

43%<br />

70,9%<br />

(Statistikamt Nord, Dezember 2016)<br />

56,5%<br />

Wahlbeteiligte<br />

Wahlbeteiligte<br />

Veddel<br />

Hamburg<br />

SPD 37,6 %<br />

Linke 22,4 %<br />

Grüne 15,4 %<br />

Piraten 5,9 %<br />

Die Partei 4,7 %<br />

AfD 4,4 %<br />

FDP 3,6 %<br />

CDU 2,9 %<br />

Übrige 3,2 %<br />

SPD 45,6 %<br />

Linke 8,5 %<br />

Grüne 12,3 %<br />

Piraten 1,6 %<br />

Die Partei 0,9 %<br />

AfD 6,1 %<br />

FDP 7,4 %<br />

CDU 15,9 %<br />

Übrige 1,7 %<br />

Grünflächen<br />

Veddel: 1,5 Prozent<br />

Hamburg: 4,3 Prozent<br />

(Bezirksamt Mitte,<br />

Umweltbehörde, August <strong>2018</strong>)


Can Dündar war<br />

Chefredakteur der<br />

türkischen Zeitung<br />

Cumhuriyet. 2016<br />

verurteilte ein<br />

türkisches Gericht<br />

den Erdo an-Kritiker<br />

wegen „Geheimnisverrat“<br />

zu knapp<br />

sechs Jahren<br />

Gefängnis, das<br />

Urteil ist jedoch noch<br />

nicht rechtskräftig.<br />

Dündar lebt in<br />

Berlin im Exil.<br />

Can Dündars Anleitung<br />

zur Rettung der Demokratie<br />

Can Dündar sieht Demokratie, Frieden und Freiheit in Gefahr, bedroht durch Anhänger autoritärer Ideen.<br />

Mit Tut Was! legt er nun ein leidenschaftliches Plädoyer für eine aktive Demokratie vor. Ein Auszug.<br />

FOTO: MILENA SCHLOESSER<br />

32<br />

Wir sind mit einem globalen Angriff<br />

auf unsere Freiheiten konfrontiert. Dagegen<br />

ist vereinzelter Widerstand auf<br />

lokaler Ebene zu schwach. Die globale<br />

Attacke können wir nur mit globalem<br />

Widerstand abwehren. Damit können<br />

wir die uns von der Globalisierung zugefügten<br />

giftigen Wunden mit einer<br />

Medizin heilen, die uns wiederum die<br />

Globalisierung bietet. Globalisierung<br />

ist nicht unser Gegner, sie ist der Name<br />

einer Kraft, die wir uns zunutze machen<br />

können. Wenn die Flut, die alle<br />

Zufluchtsstätten fortreißt, richtig gelenkt<br />

wird, kann sie die Mühlen unseres<br />

Engagements für Gerechtigkeit, Gleichheit<br />

und Freiheit antreiben. Sie kann<br />

uns mit Menschen, die anderswo auf<br />

unserem Planeten für Freiheit kämpfen,<br />

zusammenbringen und lehren, wie<br />

wir Unrecht, Rassismus und Populismus<br />

gemeinsam bekämpfen können.<br />

Mit ihrer Hilfe können wir Menschen,<br />

die das Gefühl haben, ganz allein dazustehen,<br />

zurufen: „Du bist nicht allein,<br />

wir sind da!“<br />

Wenn wir den Menschen ein Gefühl<br />

von Sicherheit, Hoffnung auf die<br />

Zukunft und Überlebensgarantien<br />

geben können, verringern sich die<br />

Chancen auf einen Sieg für Trump, der<br />

eine Mauer zu Mexiko baut, und für<br />

Erdo an, der an der syrischen Grenze<br />

eine Pufferzone einrichtet.<br />

Eine auf die Menschen fokussierte,<br />

Leistung und Arbeit fördernde Finanzpolitik<br />

und eine auf Entwicklung bauende<br />

Wirtschaft, die in erster Linie auf<br />

Investitionen, Wachstum und gerechte<br />

Verteilung setzt und für die Schaffung<br />

neuer Arbeitsplätze sorgt, um den<br />

Schmerz von Arbeitslosigkeit zu lindern,<br />

wäre imstande, die panische<br />

Angst abzubauen, Flüchtlinge würden<br />

den Arbeitsmarkt überrennen.<br />

Universale Friedenspolitik würde<br />

jene, die aus Gründen des Machterhalts<br />

Angst verbreiten, entwaffnen.<br />

„Wir können<br />

uns Globalisierung<br />

zunutze<br />

machen.“<br />

Es ist an der Zeit, die bedrängte<br />

Menschheit die liebevolle Hand der<br />

Solidarität erfahren zu lassen. Dazu


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

braucht es ein globales Solidaritätsnetzwerk,<br />

in dem wir alle mitarbeiten.<br />

Fürchten Menschen, arbeitslos zu<br />

werden, müssen wir die Gewerkschaften<br />

reorganisieren.<br />

Fürchten sie einen Nuklearkrieg,<br />

müssen wir Anti-Atom-Kampagnen in<br />

die Wege leiten.<br />

Sorgen sie sich wegen des Flüchtlingszustroms,<br />

müssen wir uns für eine<br />

Lösung des Problems an der Wurzel<br />

einsetzen, für Frieden in Nahost, damit<br />

den Geflüchteten die Heimkehr ermöglicht<br />

wird.<br />

Verbreitet die um sich greifende<br />

Gewalt Angst und Schrecken im Alltag,<br />

müssen wir bei den Videospielen der<br />

Kinder anfangen, uns gegen individuelle<br />

Bewaffnung stellen und Wege finden,<br />

den Einfluss der Waffenlobby zu brechen,<br />

die die Regierungen in aller Welt,<br />

insbesondere in den USA, in die Knie<br />

zwingt.<br />

Lösen Homoehe, unterschiedliche<br />

sexuelle Präferenzen und vom Mainstream<br />

abweichende Meinungen Sorge,<br />

Widerspruch oder Ärger bei den Massen<br />

ohne Bewusstsein aus, müssen wir<br />

uns Lehrbücher, Populärkultur und<br />

Fernsehserien vornehmen. Wir müssen<br />

in eine Zukunft investieren, in der wir<br />

in all unserer Unterschiedlichkeit zusammenleben<br />

können, indem wir in<br />

jedem Bereich Empathie fördern, Intoleranz<br />

aus den Köpfen tilgen und Hassdiskurse<br />

beseitigen.<br />

Verlage müssen Bücher von Angehörigen<br />

von Minderheiten, diskriminierten<br />

Migranten, verachteten Flüchtlingen<br />

und Opfern rassistischer Übergriffe<br />

drucken.<br />

In Galerien, auf Theaterbühnen,<br />

in Konzertsälen müssen Werke gezeigt<br />

werden, die im Mainstream keinen<br />

Platz bekommen.<br />

Musiker aus unterschiedlichen Kulturen<br />

müssen gemeinsam spielen und<br />

sich des kulturellen Erbes annehmen,<br />

das in Vergessenheit zu geraten droht,<br />

das verboten oder vernachlässigt wurde.<br />

Wie die Waffenlobby in Filme investiert,<br />

in denen Kugeln durch die Luft<br />

schwirren, muss die gemeinsame Kraft<br />

des Friedens Filme zur Abrüstung<br />

finanzieren, muss sich die Sprache des<br />

Friedens auf Leinwänden, Bildschirmen<br />

und Bühnen widerspiegeln.<br />

Zeitungen müssen ihre Kolumnen<br />

unterschiedlichen Meinungen öffnen,<br />

Radiosender Menschen beschäftigen,<br />

deren Stimmen zum Verstummen gebracht<br />

wurden.<br />

Anwaltskammern müssen Mechanismen<br />

schaffen, um gemeinsam das<br />

Unrecht zu bekämpfen, das sich epidemisch<br />

von Tag zu Tag, von Land zu<br />

Land weiter ausbreitet.<br />

„Wir müssen<br />

Intoleranz aus<br />

den Köpfen<br />

tilgen.“<br />

Universitäten müssen ihre Pforten<br />

Wissenschaftlern öffnen, die aus ihren<br />

Fachbereichen und Ländern vertrieben<br />

wurden, und neue Abteilungen einrichten,<br />

damit die Konfliktregionen der<br />

Welt besser verstanden und für komplex<br />

gewordene Probleme gemeinsam<br />

Lösungen entwickelt werden können.<br />

Grundlagen für eine bessere Integration<br />

verschiedener Gesellschaften müssen<br />

geschaffen werden, dazu müssen Austauschprogramme<br />

für Studierende besser<br />

finanziert werden.<br />

Sportvereine müssen überzeugt<br />

werden, ihren Einfluss zur Bekämpfung<br />

von Rassismus, Hassdiskursen und<br />

Gewalt einzusetzen. Olympiaden, Turniere<br />

und Wettkämpfe sollten keine unbarmherzigen<br />

Auseinandersetzungen<br />

sein, sondern sich in Vorbilder freundschaftlichen<br />

Wettbewerbs verwandeln.<br />

Wie die #MeToo-Bewegung gemeinsam<br />

gegen Belästigung, Erniedrigung<br />

und Gewalt gegen Frauen protestierte,<br />

sollten ähnlichen Kampagnen für<br />

sexismusfreie Sprache, nicht diskriminierende<br />

Politik und eine gleichberechtigte,<br />

globalisierte Welt eintreten.<br />

Parteien, Gewerkschaften, Jugendorganisationen,<br />

NGOs, die gedrängt<br />

werden, sich »lokal und national« zu<br />

verhalten, müssen zu Zusammenarbeit<br />

auf globaler Ebene ermutigt und unterstützt<br />

werden. Wenn die Ko-Vorsitzenden<br />

und zehn weitere Abgeordnete der<br />

33<br />

zweitgrößten Oppositionspartei in der<br />

Türkei in Haft sind, muss die Weltdemokratiefamilie<br />

vor den Gefängnistoren<br />

stehen und am ersten Verhandlungstag<br />

in den Gerichtssaal drängen.<br />

Da mittlerweile bekannt ist, dass es<br />

beim Engagement für die Umwelt um<br />

den Überlebenskampf der Erde geht,<br />

muss gegen die globale Vergiftung der<br />

Geist für grenzüberschreitenden Aktivismus<br />

geweckt werden.<br />

Aufgeklärte Religionsgelehrte sollten<br />

zusammenarbeiten, um Laizismus<br />

wieder aufzubauen und Fanatismus abzuwehren.<br />

Lehrer sollten sich vernetzen,<br />

um die Sprache des Friedens zu<br />

etablieren, engagierte Bürgermeister,<br />

um kommunale Verwaltungen zu stärken,<br />

umsichtige Stadtplaner, um die<br />

Ausplünderung der Städte zu verhindern,<br />

uneigennützige Mediziner, um<br />

Gesundheitsversorgung für alle auf globaler<br />

Ebene zu erreichen.<br />

Das Kapital der reichsten ein Prozent<br />

der Weltbevölkerung ist heute größer<br />

als das der restlichen 99 Prozent.<br />

Das zeigt uns, wie sich unsere Welt in<br />

den Klauen der tagtäglich wachsenden<br />

Ungerechtigkeit windet. Dank einer globalen<br />

Kooperation, wie ich sie beschrieben<br />

habe, brachten die Panama Papers<br />

ans Licht, wie und wo sich die besagten<br />

ein Prozent verstecken. Jetzt sind von<br />

sozialer Gerechtigkeit überzeugte Wirtschaftswissenschaftler<br />

gefragt, um die<br />

ungleiche Einkommensverteilung zu<br />

überwinden, und Experten der Sozialpolitik,<br />

um nachhaltige politische Strategien<br />

für die öffentliche Hand zu<br />

entwickeln.<br />

Das Boot des Populismus bläht<br />

seine Segel mit den Winden der Angst –<br />

Verfechter von Demokratie, Frieden<br />

und Freiheit auf der ganzen Welt müssen<br />

zusammenkommen und dafür sorgen,<br />

dass der Wind sich dreht. •<br />

Can Dündar liest in Hamburg<br />

Der Journalist, Dokumentarfilmer<br />

und Autor Can Dündar liest beim<br />

Harbour Front Literaturfestival:<br />

So, 16.09., 11 Uhr, Hamburger<br />

Kammerspiele, Hartung straße 9–11,<br />

12/15 Euro. Beim Eintritt muss der<br />

Personalausweis vorgezeigt werden.


SERIE<br />

Die Besser-Verdiener<br />

Kleine, geile Firmen,<br />

die sozial wirtschaften<br />

Für die Zukunft gut gerüstet:<br />

Die Rinder von Hans Möller<br />

fressen, was der Bauer<br />

auf seinem Hof produziert.<br />

Das rechnet sich für den<br />

Öko Melkburen.


Stadtgespräch<br />

Elternzeit<br />

für Kühe<br />

Bei den Öko Melkburen dürfen Kälber in der<br />

Herde aufwachsen und am Euter trinken.<br />

Dafür verzichten die Bauern auf rund ein Drittel<br />

des Ertrags. Für Biobauer Hans Möller und<br />

seine Kollegen ist es trotzdem ein Gewinn –<br />

nicht nur aus ethischen Gründen.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Hans Möller kneift die Augen zusammen und lässt<br />

seinen Blick über die Weide streifen. Ein Zaunstück<br />

liegt flach. „Das waren wohl die Jungrinder,<br />

die irgendeinen Blödsinn vorhatten“, sagt der Landwirt<br />

und deutet auf ein Grüppchen Kälber, das sich etwas<br />

abseits der Herde ins Gras gelegt hat. Anders als die kleinen<br />

Kälber, die noch innig von ihren Muttertieren umsorgt<br />

werden, haben die Heranwachsenden bereits ihren<br />

eigenen Club aufgemacht. Nur hin und wieder trotten sie<br />

zu ihren Müttern zurück, stupsen mit der Nase gegen das<br />

Euter und trinken. Eine Szene wie aus dem Bilderbuch –<br />

aber leider die Ausnahme.<br />

Wäre Hans Möller ein Landwirt wie die meisten anderen<br />

in Deutschland, hätte er Kälber und Kühe nach<br />

der Geburt getrennt. Die Kühe würde er zu Hunderten<br />

platzsparend im Stall unterbringen und mit Mais, Getreide,<br />

Soja und Silage füttern. Die Kälber bekämen Milchpulverlösung<br />

aus Eimern mit Gummisauger, bis sie das<br />

Kraftfutter fressen könnten, das die Futtermittelindustrie<br />

verkauft mit dem Versprechen, es gäbe mehr Ertrag.<br />

Dagegen setzt die Gemeinschaft der Öko Melkburen,<br />

die Hans Möller gemeinsam mit den Biolandwirten<br />

Achim Bock und Heino Dwinger gegründet hat, auf ein<br />

anderes Konzept: „Elternzeit für Kühe“. Hier bleiben die<br />

Kälber so lange wie möglich in der Herde und sind mit<br />

ihr das ganze Jahr auf der Weide. Bis sie von den älteren<br />

Tieren gelernt haben, Gras zu fressen, können sie jederzeit<br />

am Euter trinken. Hans Möller ist überzeugt: „Das ist<br />

das Beste, was man machen kann.“<br />

Auch wenn die familiengerechte Aufzucht für die<br />

Öko Melkburen erst einmal Umsatzeinbuße bedeutet.<br />

Denn ein Teil des Ertrags landet ja nicht im Milchkarton,<br />

sondern im Magen der Kälbchen. „Wir verzichten pro<br />

Kuh auf 600 bis 800 Liter Milch im Jahr“, erklärt Möller.<br />

„Aber das ist es uns wert.“ Nicht nur wegen des rührenden<br />

Anblicks einer Kuh, die ihr frisch geborenes Kalb auf<br />

der Weide liebevoll trockenleckt. Hans Möller geht es ums<br />

35


Die Qualität stimmt: Landwirt<br />

Hans Möller setzt vor allem<br />

auf seine „4 Jahreszeiten Milch“,<br />

die deutlich verträglicher ist.<br />

Ganze, um einen verantwortungsbewussten<br />

und würdigen Umgang mit<br />

dem Tier. Auch seine Rinder sieht<br />

Möller als soziale Wesen, die spielen,<br />

voneinander lernen und füreinander<br />

sorgen. Die Öko Melkburen wollen<br />

ihnen all das zugestehen – soweit es für<br />

sie als Bauern möglich ist. Denn auch<br />

die „Elternzeit für Kühe“ ist ein Kompromiss,<br />

sagt Hans Möller: „Wenn man<br />

der Natur gerecht werden wollte, dann<br />

würde keine Milch übrigbleiben.“<br />

Der Kompromiss zahlt sich aus.<br />

Denn als ökologische Landwirte arbeiten<br />

die Öko Melkburen im geschlossenen<br />

Kreislauf: Die Rinder leben von<br />

dem, was die Höfe selbst produzieren.<br />

Nur bei Engpässen wie in diesem trockenen<br />

Sommer müssen Hans Möller<br />

und seine Kollegen Futter zukaufen.<br />

Nun hofft er auf ergiebigen Herbstregen.<br />

„Dann kommen wir hoffentlich<br />

gut über den Winter.“ Sonst muss er<br />

Tiere verkaufen, statt die weiblichen<br />

Kälber als Milchkühe großzuziehen.<br />

Die männlichen Kälber werden als<br />

Ochsen geschlachtet.<br />

Gewinn machen die Öko Melkburen<br />

vor allem mit ihren saisonalen Bio-<br />

Milchprodukten und dem Bio-Fleisch<br />

36<br />

der Ochsen von Möllers Hof. Ihr Markenzeichen<br />

ist die „4 Jahreszeiten<br />

Milch“, die je nach Saison etwas anders<br />

aussieht und schmeckt. Zurzeit ist die<br />

„Sommermilch“ im Handel, die besonders<br />

viele Omega-Fettsäuren enthält.<br />

Dass sich darin manchmal Rahmschlieren<br />

bilden, ist für die Öko Melkburen<br />

ein Qualitätsmerkmal: Ihre Milch<br />

behält den natürlichen Fettgehalt und<br />

wird nicht auf 130 Grad erhitzt oder<br />

durch Mikrofilter gepresst, um sie zu<br />

homogenisieren. Nur um die vorgeschriebene<br />

Pasteurisierung, ein einmaliges<br />

Erhitzen auf 72 Grad, kommt auch<br />

die „4 Jahreszeiten Milch“ nicht herum.<br />

Ansonsten ist sie naturbelassen – und<br />

dadurch bekömmlicher, sagt Möller.<br />

Immer wieder habe er Gäste auf dem<br />

Hof, die glaubten, grundsätzlich keine<br />

Milch zu vertragen. Manche probierten<br />

dann doch. „Da bekommen wir schon<br />

mal Mails von Leuten, die sagen: ‚Toll,<br />

ich kann wieder Milch trinken.‘“<br />

Gutes Marketing gehört zu einer<br />

erfolgreichen Ökolandwirtschaft dazu –<br />

daraus macht Hans Möller keinen<br />

Hehl. Doch für ihn persönlich ist es<br />

mehr. „Ich bin ein christlicher Mensch“,


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„De Öko Melkburen“ kompakt:<br />

Standorte: Lentföhrden, Schmalfeld und Lutzhorn (Schleswig-Holstein)<br />

Gründung: 2011<br />

Gründer: Hans Möller, Achim Bock, Heino Dwinger<br />

Motto: „Regionale Werte schaffen – Elternzeit für unsere Kühe“<br />

Produkte: „4 Jahreszeiten Milch“ und „4 Jahreszeiten Joghurt“ – saisonal<br />

unterschiedlich in Nährstoffgehalt, Farbe und Geschmack, je nachdem,<br />

was die Weide hergibt.<br />

Geschäftsmodell: Solidarische Landwirtschaft. Ein Depot zur Abholung von<br />

Ernteanteilen in Hamburg ist geplant. Wer mehr darüber erfahren oder die<br />

Solidarische Landwirtschaft unterstützen möchte, kann eine Mail schreiben<br />

an solawi@deoekomelkburen.de<br />

Mehr Infos und Händlerverzeichnis: deoekomelkburen.de<br />

sagt er. Als Landwirt fühlt er sich der<br />

Schöpfung verpflichtet und beauftragt,<br />

die Natur zu erhalten. „Wenn man bis<br />

auf die Bibel zurückgeht, soll die Landwirtschaft<br />

den Menschen zur Ernährung<br />

dienen“, sagt er. „Heute ist sie verkommen<br />

zur Geldmaximierung.“<br />

Sein Hof, den er in vierter Generation<br />

betreibt, war bis Ende der 1990er-<br />

Jahre eine konventionelle Landwirtschaft.<br />

Urgroßvater, Großvater und<br />

Vater lieferten ihre Milch an die Molkereien.<br />

„Bis in die 1970er-Jahre gab es<br />

selbst hier bei uns im Ort noch eine<br />

Molkerei“, sagt Möller. Doch nach und<br />

nach kauften die größeren Betriebe die<br />

„Wird man der<br />

Natur gerecht,<br />

bleibt keine<br />

Milch übrig.“<br />

kleinen auf, die Konzerne wuchsen.<br />

„Uns Landwirten wurde erzählt: ‚Ihr<br />

müsst fusionieren – dann wird alles besser.‘“<br />

Hans Möller schnaubt verächtlich.<br />

Was er tatsächlich beobachtete,<br />

waren Kündigungen und das Verschwinden<br />

lokaler Produkte. Wenn auf<br />

der Tüte „Milch aus Norddeutschland“<br />

stehe, bedeute das nur, dass die Milch<br />

im Norden abgefüllt werde. „Was man<br />

heute in den Milchregalen findet, ist zu<br />

mehr als 80 Prozent von zwei, drei<br />

Bei den Melkburen bleiben die Kälber<br />

bei den Müttern, bis sie vom Euter<br />

entwöhnt sind und sich bei den Großen<br />

das Grasfressen abgeguckt haben.<br />

37<br />

Großplayern: Arla, DMK oder Nestlé.<br />

Die beherrschen den Markt.“ Und<br />

während die Gewinne in den Konzernen<br />

verteilt würden, bleibe den Landwirten<br />

nur die Verwaltung ihrer Verluste.<br />

Keine gute Aussicht – und für Hans<br />

Möller ein Grund mehr, weshalb er als<br />

junger Mann kein Landwirt werden<br />

wollte. Doch für den ersten Sohn der<br />

achtköpfigen Bauernfamilie war seine<br />

Zukunft als Hofnachfolger entschieden.<br />

„Ich hätte gern etwas anderes gelernt“,<br />

sagt er. Ein Rückenleiden führte ihn in<br />

eine zweite Berufsausbildung zum Versicherungsfachmann.<br />

Doch am Ende<br />

fügte er sich der Tradition. Nur eins<br />

stand für ihn fest: Er würde nicht nach<br />

den Spielregeln der Futter- und Düngemittelkonzerne<br />

und der Agrarindustrie<br />

wirtschaften. Also ließ er Ställe abreißen,<br />

nutzte den Platz für Ferienwohnungen<br />

und Hofladen und stellte auf<br />

Ökolandbau um. „Mein Vater hat mir<br />

nie gesagt, dass er das gut fand“, erzählt<br />

Hans Möller und lacht. Dass der alte<br />

Bauer stolz von den Erfolgen des Sohnes<br />

erzählte, erfuhr er erst über andere.<br />

Noch immer zählt Hans Möllers<br />

Arbeitswoche sieben Tage. Er steht um<br />

6 Uhr auf und hat manchmal erst um<br />

22 Uhr Feierabend. Immerhin ist Urlaub<br />

drin – etwa eine fünftägige Wandertour<br />

auf Luthers Pfaden und eine<br />

Woche Mallorca. Ohne seine drei Mitarbeiter<br />

in der Landwirtschaft und die<br />

zwei Stellen im Gastbetrieb ginge das<br />

kaum. Auch weil sich Annette und Hans<br />

Möller entschieden haben, ihre Söhne<br />

„neutral zu erziehen“: Hilfe auf dem<br />

Hof ist gern gesehen, aber keine Pflicht.<br />

Unterstützung geben die Öko Melk -<br />

buren sich lieber gegenseitig. Und sie<br />

hoffen auf Kunden, die in ihrer neu gegründeten<br />

Solidarischen Landwirtschaft<br />

Verantwortung teilen wollen.<br />

Jeder Haushalt finanziert dann über sogenannte<br />

Ernteanteile die Betriebskosten<br />

des Hofs mit und darf sich dafür<br />

seinen Teil am Ertrag abholen. Und<br />

natürlich auf dem Hof vorbeischauen.<br />

Denn das gute Gefühl, ein Kälbchen<br />

bei seiner Mutter groß werden zu sehen,<br />

teilt Hans Möller genauso gern. •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

In dieser Serie erschienen<br />

Bridge&Tunnel (Mai 2017)<br />

LemonAid (Juni 2017)<br />

tricargo (Juli 2017)<br />

FahrradGarderobe (<strong>September</strong> 2017)<br />

Weberei Hamburg (Oktober 2017)<br />

Goldeimer (November 2017)


Lebenslinien<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

„Gebt nicht auf!“<br />

Die Geschichte des vierjährigen Austin aus den USA machte im<br />

Frühjahr im Netz die Runde. Seine Mission: Obdachlosen helfen!<br />

Was macht der kleine Superheld jetzt?<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTO: KARIM SHAMSI-BASHA, ALABAMA<br />

NEWS CENTER


Lebenslinien<br />

P<br />

lötzlich war da dieses Video: Ein kleiner Junge<br />

mit flatterndem Superhelden-Cape, der Sandwiches,<br />

Umarmungen und aufmunternde Worte<br />

verteilt: Nicht an irgendwen – an Obdachlose.<br />

Sein Name: Austin Perine. Sein Alter: vier Jahre.<br />

Chat mit Austins Vater TJ: Der 38-Jährige schreibt,<br />

dass Austin durch eine Tierdoku über ein verstoßenes<br />

Panda-Junges auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam<br />

geworden wäre. Ob es so etwas auch bei Menschen<br />

gäbe? TJ bejaht und nimmt seinen Sohn eines Tages in<br />

die örtliche Obdachlosenunterkunft mit. „Austin sagte:<br />

‚Dad, die Menschen sehen traurig aus. Wir müssen ihnen<br />

helfen‘“, erinnert sich TJ.<br />

Die Heimat der Perines ist Birmingham in Alabama,<br />

USA. Eine verblühte Industriestadt: Knapp 25 Prozent<br />

der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze, die<br />

Zahl der Obdachlosen schätzt TJ auf „mehr als 1000“.<br />

Er lernt mit Austin nun einige von ihnen kennen, trifft sie<br />

im Park oder auf ihrer Platte. „Entschuldigen Sie, möchten<br />

Sie ein Sandwich?“, fragt Austin, die braune Papptüte mit<br />

Essen stets dabei. Fast alle wollen – sind erstaunt und<br />

dankbar. „Wenn mal jemand keine Hilfe annehmen kann,<br />

sagen wir ‚Gott schütze dich‘ und ziehen weiter“, so TJ.<br />

Anfangs haben sie die Sandwiches noch selbst<br />

geschmiert. Heute werden sie von einer Burgerkette<br />

gesponsert. TJ wollte sich eigentlich mit einem Gartenservice<br />

selbstständig machen, aber Austins Mission ist<br />

mittlerweile auch seine. Er hat eine Stiftung gegründet,<br />

mit der sie ein Zentrum bauen wollen, das neben Essen<br />

auch Unterkunft und medizinische Versorgung für<br />

Obdachlose bietet. Mehr als 80.000 Dollar haben sie<br />

dafür schon gesammelt.<br />

Vater und Sohn sind weiterhin ein Mal pro Woche<br />

unterwegs. „Jeder im Park und in den Unterkünften kennt<br />

mich!“, sagt Austin stolz. Er hat sogar schon einmal mit<br />

jemandem auf der Straße getanzt. Am liebsten mag<br />

Austin den obdachlosen Raymond: „Er sagt, dass ich ihm<br />

Hoffnung gebe. Jedes Mal, wenn er mich sieht, gibt er mir<br />

ein High Five.“<br />

Dann lässt Austin über seinen Vater noch etwas für<br />

die Obdachlosen in Hamburg ausrichten: „Gebt nicht<br />

auf! Irgendwann werde ich auch nach Hamburg kommen<br />

und Liebe zeigen. Haltet durch!“ •<br />

Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

39<br />

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Jetzt<br />

Mitglied<br />

werden<br />

20097 Hamburg


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Rechtsanwältin Alexandra<br />

Elek hat aufgedeckt, was<br />

Polizisten, Staatsanwälte<br />

und Richter übersehen<br />

haben. David und andere<br />

Obdachlose müssen<br />

deshalb nun doch<br />

keine Strafe wegen Hausfriedensbruch<br />

zahlen.<br />

Staatsanwaltschaft korrigiert sich:<br />

Doch keine Strafe<br />

für Obdachlose<br />

450 Euro Strafe wegen Hausfriedensbruch sollte Hinz&Künztler David zahlen – weil er<br />

auf einem Grundstück der Bahn übernachtete. Dabei stellte die Bahn ihre<br />

Strafanzeige gegen ihn und 29 andere Obdachlose zu spät. Fast hätte das niemand bemerkt.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Eigentlich war die Sache entschieden. Gegen zwei<br />

Obdachlose, die im vergangenen Jahr auf einem<br />

Grundstück der Bahn nahe den Elbbrücken geschlafen<br />

hatten, hatte das Amtsgericht schon Strafbefehle<br />

erlassen. Jeweils 450 Euro wegen Hausfriedensbruch,<br />

30 Tagessätze à 15 Euro. Und einem weiteren Obdachlosen<br />

drohte das Gleiche.<br />

„Den Strafbefehl bekommt er jetzt gleich“, sagt der Richter<br />

an einem Dienstagmorgen Anfang Mai im Amtsgericht<br />

Harburg. Die Sache scheint klar: Wer sich gegen den Willen<br />

des Eigentümers auf dessen Grundstück aufhält, begeht<br />

Hausfriedensbruch. Wenn der Eigentümer Anzeige stellt,<br />

müssen die Strafverfolgungsbehörden ihr nachgehen. Und<br />

der Richter am Ende über die Schuld befinden. Im Saal sitzen<br />

neben dem Richter in diesem Fall nur ein junger Staatsanwalt<br />

und der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Reporter. Der Angeklagte erscheint<br />

nicht, auch kein Anwalt vertritt seine Interessen.<br />

Weil der Obdachlose nicht erscheint, vertreiben sich Richter<br />

und Staatsanwalt die Zeit und beginnen eine Plauderei. Es<br />

fällt ein bezeichnender Satz: „Wenn man keine Fehler mehr<br />

40


Stadtgespräch<br />

macht, macht man auch irgendwas falsch.“ Der Staatsanwalt<br />

sagt ihn. Dass hier gerade ein folgenschwerer Fehler droht, ist<br />

ihm nicht bewusst. Bis der Reporter sich einschaltet: „Sind Sie<br />

sicher, dass der Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde?“<br />

Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt. Die Behörden<br />

werden nur aktiv, wenn jemand eine Anzeige stellt. Das hat<br />

die Bahn getan, in 30 Fällen. Allerdings zu spät. „Eine Tat,<br />

die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn<br />

der Antragsberechtigte es unterläßt, den Antrag bis zum Ablauf<br />

einer Frist von drei Monaten zu stellen“, steht im Gesetz.<br />

Diese Regel gilt auch in diesem Fall, auch für Obdachlose.<br />

„Das wäre bei Herrn<br />

Ackermann wahrscheinlich<br />

nicht passiert.“<br />

RECHTSANWÄLTIN ALEXANDRA ELEK<br />

Der Richter zückt seinen Kalender und rechnet nach. Und<br />

tatsächlich: Die Bahn hat den Strafantrag genau einen Tag zu<br />

spät gestellt. Das war ihm nicht aufgefallen. Der Staatsanwalt<br />

plädiert zwar dennoch auf schuldig, doch inzwischen ist das<br />

Verfahren gegen den Obdachlosen eingestellt worden.<br />

Auch Hinz&Künztler David hat Glück: Das Verfahren<br />

gegen ihn hat das Gericht nun auch eingestellt, die bereits<br />

verhängte Strafe in Höhe von 450 Euro muss er nicht bezahlen.<br />

Seiner Rechtsanwältin Alexandra Elek war aufgefallen,<br />

dass die Bahn ihre Anzeige einen Tag zu spät stellte und hatte<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> schon vor Wochen darauf hingewiesen. So kamen<br />

wir dem Justizirrtum auf die Spur.<br />

Kann es sein, dass alle Polizisten, Richter und Staatsanwälte,<br />

die mit den Strafanzeigen der Bahn beschäftigt waren,<br />

das nicht bemerkt haben? „Möglicherweise haben die Kollegen<br />

das übersehen“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft,<br />

Nana Frombach. „Das kann sein.“ Auch scheine<br />

es den Richtern „durchgerutscht“ zu sein. Sie ließ nach der<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Anfrage alle Fälle intern überprüfen. Und<br />

tatsächlich gab es einiges zu revidieren: In einem Fall reichte<br />

die Staatsanwaltschaft sogar ein Gnadengesuch bei der Justizbehörde<br />

ein, weil die Strafe schon verhängt war. In einem anderen<br />

hat sie vor Gericht ihren Strafbefehlantrag zurückgenommen,<br />

um einen Schuldspruch zu verhindern. Und in<br />

einem dritten Verfahren beantragte sie die Aufhebung des<br />

Strafbefehls. Die anderen Verfahren sind endgültig eingestellt<br />

worden. „Mühselig“ sei die Überprüfung gewesen, sagt<br />

Frombach. „Aber das zeigt, dass wir in der Lage sind uns zu<br />

korrigieren, wenn wir uns verrechnet haben.“<br />

Anwältin Elek vermutet, dass in den Behörden weniger<br />

genau hingesehen wird, wenn es kein großes öffentliches<br />

Interesse an einem Fall gibt: „Das wäre bei Herrn Ackermann<br />

wahrscheinlich nicht passiert.“ •<br />

Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />

Obdachlose im August<br />

Schutzlos der Hitze<br />

ausgeliefert<br />

Der August war hart für Hamburgs Obdachlose.<br />

Denn nicht nur Kälte und Nässe setzt ihnen<br />

zu. „Die Hitze ist scheiße“, sagt Bonnie Anfang<br />

August erschöpft. Die Hinz&Künztlerin<br />

leidet unter Diabetes und hatte daher während<br />

der heißen Tage mit massiven Kreislaufproblemen<br />

zu kämpfen. „Viel trinken ist wichtig“, so<br />

Bonnie, die mit ihrem Freund Clyde in der<br />

Mönckebergstraße Platte macht. Die heißen<br />

Tage überstehen sie mehr schlecht als recht:<br />

„Wir schlafen spät ein und tagsüber sind wir<br />

hundemüde.“<br />

Sich allerdings bei der Hitze zum Schlafen<br />

irgendwo in den Schatten zu legen, ist gefährlich.<br />

Wenn die Sonne dann weiterwandert,<br />

liegt man plötzlich in der Sonne. Wer betrunken<br />

ist, der bekommt das nicht mit, sagt Annette<br />

Antkowiak. Für die Leiterin des Krankenmobils<br />

der Caritas war der August eine<br />

spezielle Herausforderung: „Wir mussten Verbrennungen<br />

bei den Obdachlosen behandeln“,<br />

sagt sie. Auch sei die Gefahr zu Dehydrieren<br />

groß: „In der Innenstadt gibt es zu wenige öffentliche<br />

Wasserstellen“, beklagt Antkowiak.<br />

Auch die Mediziner des Gesundheitsmobils<br />

der Johanniter hatten alle Hände voll zu<br />

tun: „Wir haben mehr als doppelt so viele Patienten<br />

gesehen wie sonst“, sagt der medizinische<br />

Koordinator Ronald Kelm. 50 statt wie<br />

sonst üblich 20 obdachlose Patienten seien von<br />

drei Ärzten behandelt worden. Ein großes Problem<br />

seien schmutzige, entzündete Wunden<br />

gewesen, die versorgt wurden: „Bei der Hitze<br />

sind Wunden ein Schlaraffenland für Keime.“<br />

Ausgerechnet während der heißesten Tage<br />

hatten gleich zwei der wenigen Anlaufstellen<br />

für Obdachlose unerwartet geschlossen. In der<br />

Tagesaufenthaltsstätte TAS der Diakonie können<br />

sich Obdachlose eigentlich duschen und<br />

ausruhen – doch wegen Krankheitsfällen war<br />

das vom 1. bis 15. August nicht möglich. Eine<br />

weitere Hiobsbotschaft: Wasser flutete wegen<br />

eines Rohrbruchs das Erdgeschoss des Herz<br />

As. Duschen und Essensausgaben bleiben wohl<br />

bis in den Herbst geschlossen. Und das, obwohl<br />

es ohnehin schon zu wenige Duschen für<br />

Obdachlose in Hamburg gibt.<br />

Behelfsweise hat die Sozialbehörde zwei<br />

Duschen im Pik As in der Neustadt für alle<br />

Obdachlosen zur Verfügung gestellt, die eigentlich<br />

den Bewohnern der Notunterkunft<br />

vorbehalten sind. Der Bedarf war teilweise<br />

groß: Es könnte zu Wartezeiten beim Duschen<br />

kommen, hieß es vom Betreiber. JOF/BELA<br />

•<br />

41


Vor den Freundeskreis-Mitgliedern von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu spielen, war für<br />

Adrian Iliescu und seine Orchesterkollegen<br />

eine Herzensangelegenheit.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Freunde<br />

Botschafter<br />

für eine<br />

bessere Welt<br />

Die Symphoniker Hamburg sind Koryphäen der<br />

klassischen Musik – und haben den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Freundeskreis zur Probe eingeladen.<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: LENA MAJA WÖHLER<br />

A<br />

n einem Dienstag verwandelt<br />

Adrian Iliescu die Shoppingmall<br />

im Hanseviertel in<br />

eine Bühne. Es ist Mittagszeit,<br />

als der 37-Jährige seine Geige auspackt,<br />

sich vor einer leuchtenden Werbetafel<br />

aufbaut und begnadet zu spielen<br />

beginnt. Die Szene, festgehalten in einem<br />

„YouTube“-Video, zeigt, wie der<br />

Künstler in seiner Musik versinkt, während<br />

Menschen achtlos vorbeihasten.<br />

War das nicht frustrierend? Adrian Iliescu<br />

lacht. „Nein, im Gegenteil: Ich fand<br />

es interessant zu beobachten, wie Leute<br />

reagieren, wenn ein scheinbar verrückter<br />

Musiker alleine Paganini spielt. Und<br />

ich bin mir sicher, dass bei vielen etwas<br />

hängengeblieben ist.“<br />

Der Auftritt des Künstlers im Konsumtempel<br />

war Teil eines Plans: Mit<br />

„MusikImPuls“ eroberten die Symphoniker<br />

Hamburg den öffentlichen Raum<br />

und warben um neue Fans. Auch im Alten<br />

Elbtunnel und auf dem Isemarkt<br />

haben sie gespielt, erzählt Iliescu.<br />

Zwar sind die Symphoniker in seinen<br />

Augen das Sinfonieorchester der<br />

Stadt mit „einer der besten Konzerthallen<br />

Europas“, der Laeiszhalle, als Residenz.<br />

„Doch die Aufmerksamkeit der<br />

Menschen müssen wir trotzdem immer<br />

wieder aufs Neue gewinnen“, sagt der<br />

Violinist. Auf die Jugend setzt der Musiker<br />

dabei weniger: „Das Publikum für<br />

klassische Musik ist immer schon älter<br />

gewesen. Ich hoffe darauf, dass die, die<br />

heute 20 sind, eines Tages auch zu uns<br />

kommen.“<br />

„Die Geige<br />

ist die<br />

Königin der<br />

Instrumente.“<br />

Iliescu selbst nahm schon als Fünfjähriger<br />

zum ersten Mal eine Geige in die<br />

Hand. Sein Vater spielte Trompete in einem<br />

großen Bukarester Orchester. Adrian<br />

und sein jüngerer Bruder, heute ebenfalls<br />

Musiker von Beruf, entschieden sich<br />

für das filigranere Instrument: „Die Geige<br />

haben wir von Anfang an gemocht.<br />

Sie ist die Königin der Instrumente:<br />

43


Der Konzertmeister übersetzt den Wunsch des<br />

Dirigenten für das Orchester – so formt sich ein Klangkörper.<br />

Du kannst sie unglaublich vielseitig spielen<br />

und findest sie in fast jeder Art von<br />

Musik, etwa auch in der Volksmusik<br />

oder im Jazz.“<br />

Die Brüder besuchten ein Musikgymnasium,<br />

der Traum von einem Leben<br />

für die Kunst nahm Gestalt an: „Mit<br />

12, 13 merkt man, ob jemand die Begabung<br />

hat oder nicht.“ Manche Kollegen<br />

meinen, sie hätten für ihre Berufung die<br />

Kindheit geopfert, erzählt Adrian Iliescu,<br />

der es selbst anders empfindet: „Klar<br />

hatten wir wegen des vielen Übens weniger<br />

Zeit als andere“, sagt er und schmunzelt.<br />

„Doch dann haben wir halt mal den<br />

Schulunterricht geschwänzt und in der<br />

Zeit Fußball gespielt.“<br />

Nach dem Abitur zieht Iliescu zum<br />

Studieren nach Lübeck, der gute Ruf<br />

deutscher Musikhochschulen lockt: „Sie<br />

zählen zu den besten weltweit.“ Der<br />

2000 Kilometer weite Sprung von Rumänien<br />

nach Deutschland fällt dem damals<br />

18-Jährigen zunächst nicht leicht:<br />

„Die ersten Wochen habe ich mich<br />

schon sehr alleine gefühlt. Doch an der<br />

Hochschule habe ich dann schnell<br />

Freunde gefunden.“<br />

„ Jeder<br />

bringt seine<br />

Besonderheiten<br />

ein.“<br />

Nach dem Studium arbeitet Iliescu bei<br />

den Lübecker Philharmonikern, später<br />

wechselt er zum Kammerorchester<br />

Stuttgart. Eine schöne Zeit, erinnert er<br />

sich. „Wir sind viel gereist.“ Doch als die<br />

44<br />

Symphoniker Hamburg 2013 die Stelle<br />

des Konzertmeisters ausschreiben,<br />

zögert der Musiker nicht lange: „Ich<br />

spiele lieber in einem großen Sinfonieorchester,<br />

und Hamburg ist eine tolle<br />

Stadt.“ Das Auswahlverfahren ist hart<br />

und zieht sich über Monate hin. Doch<br />

Iliescus virtuoses Spiel überzeugt die<br />

Kollegen schließlich ebenso wie seine<br />

kommunikativen Fähigkeiten: „Der<br />

Konzertmeister hat eine ähnliche Aufgabe<br />

wie der Kapitän eines Fußballteams:<br />

Er leitet das weiter, was der Dirigent<br />

will, und gleichzeitig soll jeder im<br />

Orchester das Gefühl haben, dass er<br />

mitsprechen und mitentscheiden kann.“<br />

Nach dem plötzlichen Tod Sir<br />

Jeffrey Tates im Juni 2017 mussten die<br />

Symphoniker ein Jahr lang ohne Chefdirigenten<br />

auskommen – „eine schwere,<br />

aber auch interessante Zeit“, meint<br />

Iliescu. „Wir hatten sehr viele gute


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Dirigenten zu Gast.“ Ab der neuen<br />

Saison wird Sylvain Cambreling die Leitung<br />

des Orchesters übernehmen, und<br />

sein Konzertmeister freut sich schon:<br />

„Er hat uns vergangenen Oktober<br />

schon mal dirigiert; das Orchester war<br />

sehr begeistert.“<br />

Adrian Iliescu liebt die Freiheit, die<br />

sein Beruf mit sich bringt: „Ich habe<br />

keinen geregelten Wochenplan wie viele<br />

andere Menschen.“ Andererseits: Zu<br />

den Proben muss er schon erscheinen,<br />

und „drei bis vier Stunden“ tägliches<br />

Üben zu Hause kommen hinzu.<br />

Da ist es schon praktisch, dass seine<br />

Frau, die er im Stuttgarter Kammerorchester<br />

kennengelernt hat, seine Liebe<br />

zur Geige teilt – und auf der Bühne nur<br />

wenige Meter entfernt von ihm sitzt.<br />

„Wir haben das große Glück, dass wir<br />

hier beide eine Stelle bekommen<br />

haben.“<br />

Freunde<br />

Dass sie einen japanischen Pass hat und<br />

er einen rumänischen, ist nicht ungewöhnlich:<br />

Mehr als 15 Nationen sind<br />

bei den Symphonikern Hamburg vertreten.<br />

Adrian Iliescu empfindet den<br />

Mix der Kulturen als Gewinn: „Jeder<br />

bringt seine Besonderheiten und Traditionen<br />

ein und bereichert damit das große<br />

Ganze.“ Wie Sportler seien Musiker<br />

in gewisser Weise Botschafter einer besseren<br />

Welt – mit einem erheblichen Vorteil<br />

gegenüber anderen: „Wir haben die<br />

Musik als zusätzliche Sprache.“ •<br />

Konzerte mit Adrian Iliescu:<br />

„Begegnungen“, Di, 11.9., 19 Uhr, Karten<br />

ab 7 Euro; „Konzertmeister-Recital“,<br />

Do, 1.11., 19.30 Uhr, Karten ab 8 Euro.<br />

Laeiszhalle, Dammtorwall 46, mehr Infos<br />

unter www.symphonikerhamburg.de<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler/Studenten/Senioren)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Die Symphoniker Hamburg haben den<br />

Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> zur<br />

diesjährigen Dankeschön-Veranstaltung<br />

eingeladen: die Generalprobe zum Programm<br />

„Dreams of America“ im Januar <strong>2018</strong>.<br />

Wir danken herzlich dem Freundeskreis-<br />

Mitglied, das uns den Probenbesuch ermöglicht<br />

hat, sowie Alexandra Everding, dem<br />

Dirigenten Eivind Gullberg Jensen und<br />

dem gesamten Orchester.<br />

Dankeschön<br />

• Reichsbund Stiftung<br />

• Tatort Cafe Angela Günther<br />

• Familie Zitzwitz und ihren<br />

Geburtstagsgästen<br />

• Familie Wüst anlässlich<br />

der Trauerfeier von Gisela Wüst<br />

• Ella, Dicle und Pauline für ihre<br />

Gesangsspende in der Osterstraße<br />

• Trauergäste von Rüdiger Knott<br />

• Trauergäste von Olaf Dräger<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Wir danken außerdem allen, die im August<br />

an uns gespendet haben, sowie allen<br />

Mitgliedern im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

für die Unterstützung unserer Arbeit!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• IPHH • wk it services<br />

• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

• Hamburger Tafel<br />

• Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle<br />

• bildarchiv-hamburg.de<br />

• Röder-Stiftung<br />

• SoVD und Klaus Wichern<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Gabriele Momsen-Seligmann<br />

Immobilien- und Hausverwaltung<br />

• Sabine und Claus Benning<br />

• Julia Bogdahn • Sonja Braasch<br />

• Brigitte Cochius • Julia Fath<br />

• Bettina Greifenberg • Andrea Hennig<br />

• Stefan Höing • Hendrik Hüning<br />

• Meike Kaiser • Barbara Kirchmann<br />

• Bernd Kiso • Nils Lemke • Reinhard Martens<br />

• Karin Maukel • Darren Mullen<br />

• Stefanie Müller • Hartmut Reimers<br />

• Peter Schröder • Joachim Troitzsch<br />

• Till Weinrich • Mathias Wichern<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können Sie<br />

jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer personenbezogenen<br />

Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

45<br />

HK <strong>307</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Ein Cover, das einen schlucken lässt.“<br />

Ausgezeichnet: Unser Titelblatt<br />

H&K 306, „Bitte lasst nicht noch mehr<br />

ertrinken“<br />

Das Titelblatt unserer August-Ausgabe<br />

ist auf Platz 7 des Wettbewerbs „Cover<br />

des Monats“ gelandet – direkt nach<br />

einer Titelseite des Fußballmagazins<br />

„11 Freunde“ und vor einem Cover des<br />

„Spiegel“, das Donald Trump und<br />

Angela Merkel zeigt. Jurymitglied<br />

Christoph Nann, Chief Creative Officer<br />

bei FCB Hamburg, lobte unsere<br />

Titelseite: „Gleichzeitig so pietätvoll<br />

dezent und so erschütternd und direkt.<br />

Ein Cover, das einen schlucken lässt.<br />

Weil es das Drama vollkommen unkrawallig<br />

darstellt.“ Unser Dank geht an<br />

den Fotografen Dmitrij Leltschuk für<br />

das Bild, „PX2“ für die Bearbeitung<br />

des Fotos und den „Grafikdeerns“ für<br />

die Gestaltung der Titelseite!<br />

„Zutiefst bestürzt“<br />

Ja, das Cover ist wirklich schön!<br />

Der Artikel dahinter hat mich ziemlich<br />

erschüttert und berührt. MONIKA SBA<br />

Ich bin zutiefst bestürzt über die<br />

zunehmende emotionale Verrohung<br />

nicht nur in unserer Gesellschaft,<br />

sondern wohin man blickt, europa- und<br />

weltweit! Die privaten Seenotretter jetzt<br />

zu kriminalisieren, ist eine bodenlose<br />

Unverschämtheit! Vor Gericht gehören<br />

diese „seelenlosen“ europäischen<br />

Regierungen, die vorsätzlich Menschen<br />

im Mittelmeer ertrinken lassen.<br />

Empathie scheint für diese Menschen<br />

ein Fremdwort zu sein! WOLFGANG HAMANN<br />

Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />

wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />

uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Im August haben wir das Sterben<br />

auf dem Mittelmeer zum Thema unserer<br />

Titelseite gemacht.<br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS<br />

ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Wir trauern um<br />

Thadäus Draschanowski<br />

25. Januar 1965 – 14. Juli <strong>2018</strong><br />

Thadäus war seit 2013 bei uns und hat sich seinen Verkaufsplatz<br />

in der Hufnerstraße mit seiner Freundin geteilt.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Sanja Rosso<br />

04. Juni 1975 – 01. August <strong>2018</strong><br />

Sanja hatte ihren Verkaufsplatz vor dem Abaton-Kino<br />

und war schon seit 2001 Hinz&Künztlerin.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />

statt Einkaufspassage.<br />

Anmeldung: Bequem online buchen unter<br />

www.hinzundkunzt.de oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />

Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />

nächste Termine: 9. + 23.9.<strong>2018</strong>, 15 Uhr<br />

mit Abschiedshaus


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Ehrfürchtig: Beim Orgelerklärkonzert im Michel tönen 6697 Pfeifen und mehr (S. 48).<br />

Cool: Ilgen-Nur über ihren musikalischen Erfolg und persönliche Tiefschläge (S. 50).<br />

Tanzbar: Die einstigen Straßenmusiker von Les Négresses Vertes rocken die Fabrik (S. 55).<br />

Im <strong>September</strong> ist es wieder so weit:<br />

Das Reeperbahn Festival bietet ein<br />

pralles Programm auf dem Kiez. Im<br />

vergangenen Jahr gastierte die<br />

schottische Band Biffy Clyro im<br />

Docks. Was dieses Jahr läuft, steht<br />

unter www.reeperbahnfestival.com.<br />

FOTO: FLORIAN TRYKOWSKI


Die Meister der Michel-Orgeln:<br />

Christoph Schoener (links)<br />

und Manuel Gera.<br />

Hamburger<br />

Gipfeltreffen im Michel<br />

Dieses Konzert hat ordentlich Wumms: Mit mehr als 10.000 Pfeifen können die<br />

Orgeln im Michel die Hauptkirche beben lassen. Wie aufregend das ist, zeigen die<br />

beiden Kirchenmusikdirektoren bei einem Konzert zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTO: MIGUEL FERRAZ<br />

ie<br />

D<br />

Monumentalität, das Gold, die Weite!“ Als Christoph<br />

Schoener zum ersten Mal den Michel betrat,<br />

blieb dem heute 65-Jährigen die Luft weg. Seit mehr<br />

als 20 Jahren ist die Orgelempore jetzt schon der Arbeitsplatz<br />

des Kirchenmusikdirektors. Mit den Jahren ist die Hauptkirche<br />

für ihn jeden Tag ein bisschen kleiner geworden, sagt<br />

er, „das macht die Gewöhnung.“ Mittlerweile findet er den<br />

Michel ganz kuschelig, fast wie ein Wohnzimmer, „deshalb<br />

lieben ihn die Hamburger so“.<br />

Doch nicht für alle ist der Zugang zur Orgelmusik einfach.<br />

„Viele erleben die Orgel nur im Gottesdienstrahmen,<br />

und das ist nicht immer von Erfolg gekrönt“, formuliert er<br />

vorsichtig – den Musikern in den Gemeinden will er nicht zu<br />

nahe treten. Wie sein Kollege Manuel Gera möchte er die<br />

Hemmschwelle vor dem Instrument senken. Bei ihren Erklärkonzerten<br />

bringen die beiden Musiker ihren Zuhörern<br />

die Besonderheiten der Michelorgeln auf unterhaltsame<br />

Weise nah – auch beim Sonderkonzert „Hinz&Orgelkunzt“.<br />

Das Benefizkonzert ist ein echter Hamburger Gipfel. Die<br />

beiden Orgel-Koryphäen des Hamburger Wahrzeichens haben<br />

sich für Komponisten entschieden, die alle einen Bezug<br />

zu Hamburg haben: Stücke von Felix Mendelssohn Barthol-<br />

48


Vom Zentralspieltisch<br />

lassen sich mehrere<br />

Orgeln anspielen, auch<br />

die Große Orgel (Mitte)<br />

über dem Hauptportal.<br />

dy, Carl Philipp Emanuel Bach, Johannes Brahms und Johann<br />

Sebastian Bach werden auf den Orgeln des Michel zu<br />

hören sein.<br />

Sechs der imposanten Instrumente sind im Michel verteilt.<br />

Vier davon sind im Kirchenraum zu hören, eine steht<br />

unten in der Krypta und eine weitere ist mobil dort einzusetzen,<br />

wo sie gerade benötigt wird.<br />

Der dickste Brummer steht gleich über dem Hauptportal.<br />

Die Große Orgel hat 6697 Pfeifen zu bieten und ein Glockenspiel,<br />

das sie besonders festlich klingen lässt, vor allem zu<br />

Weihnachten kommt das sehr gut an. Die Konzertorgel auf<br />

der Nordempore (links vom Eingang) ist die älteste. 1914<br />

gebaut, wurde sie in den Hamburger Bombennächten des<br />

Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt. Nach der Sanierung<br />

klingt sie heute wieder so romantisch wie damals. In der<br />

kleinen Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel gegenüber auf<br />

der Südempore hat sich ein Vogel versteckt: Eine der Pfeifen<br />

klingt wie der Ruf einer Nachtigall.<br />

Die vierte Orgel, das Fernwerk, ist nur zu hören, aber<br />

nicht zu sehen, denn sie steht auf dem Dachboden. Über<br />

einen 20 Meter langen Schallkanal auf dem Dachboden werden<br />

ihre zarten Töne zu einem Schallloch an der Kirchendecke<br />

geführt. Doch das Fernwerk kann es auch im Michel<br />

regnen lassen – beinahe jedenfalls: Es verfügt über eine<br />

Trommel mit Kieselsteinen. Wenn man diese in Gang setzt,<br />

klingt es wie prasselnder Regen.<br />

Vor allem Kinder sind fasziniert, wenn sich die bunte Welt<br />

der Orgeln im Michel entfaltet. Schreck und Freude liegen<br />

dicht beieinander, wenn es dabei so richtig laut wird. „Bei<br />

uns im Michel waren bestimmt schon 10.000 Kinder“,<br />

erzählt Manuel Gera. In seinen Kinderkonzerten nimmt eine<br />

ellenlange bunte Strickwurst, der Orgelwurm Willibald, den<br />

Kleinen mit kessen Sprüchen und großer Klappe schnell die<br />

Befangenheit. So manche große Liebe zur Musik ist hier<br />

geweckt worden, wenn die Kinder selbst am Zentralspieltisch<br />

auf der Empore den ganzen Kirchenraum zum Klingen<br />

bringen dürfen. „Aber auch Erwachsene haben bei dem<br />

Erlebnis schon vor Freude geweint“, sagt der 55-Jährige.<br />

Was macht für ihn selbst die Faszination des Instrumentes<br />

Orgel aus? Da muss Manuel Gera nicht lange überlegen.<br />

„Beim Spielen tritt man aus sich selbst heraus, man nähert<br />

sich einer anderen Kraft“, sagt er. „Der Klang entsteht im<br />

Raum und löst sich von meiner Handlung. Dieses Erlebnis ist<br />

ganz wunderbar.“ •<br />

„Hinz&Orgelkunzt“, Mittwoch, 19. <strong>September</strong>, 19.30 Uhr<br />

in St. Michaelis. Karten 10 € zzgl. Vorverkaufsgebühr im<br />

MichelShop in der Turmhalle, bei der Konzertkasse Gerdes<br />

(Telefon: 45 33 26 oder 44 02 98) und an allen<br />

bekannten Vorverkaufsstellen.<br />

49


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

„Nettsein<br />

ist cool“<br />

Als sie vor zwei Jahren nach<br />

Hamburg kam, lief erst mal alles<br />

schief. Jetzt spielt die junge<br />

Musikerin Ilgen-Nur mit ihrer<br />

Band beim Reeperbahn Festival.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTO: ANDREAS HORNOFF<br />

Sie steht auf die Band Hole und deren Frontfrau Courtney Love,<br />

macht aber musikalisch ihr eigenes Ding: Ilgen-Nur.<br />

Ilgen-Nur hat die Ruhe weg. „Ja, ich<br />

chille schon oft auf meiner Couch“,<br />

sagt die 22-Jährige. Draußen, wo es<br />

ungleich hektischer zugeht, feiert die<br />

Musikpresse sie schon als „das nächste<br />

große Ding“. Tocotronic-Sänger Dirk<br />

von Lowtzow schwärmt: „Von ihr wird<br />

man noch viel hören.“ Ilgen-Nur hat<br />

die Tocos bei ihrer jüngsten Tour als<br />

Vorband begleitet.<br />

Sie hat dieses Jahr auch schon in<br />

England und Dänemark gespielt und<br />

beim Reeperbahn Festival ist sie zum<br />

zweiten Mal in Folge dabei. Das ist insofern<br />

bemerkenswert, als dass es von ihr<br />

noch gar kein Debütalbum gibt – bloß<br />

eine Handvoll Songs, die man sich im<br />

Internet und, wenn man eher altmodisch<br />

unterwegs ist, auf Kassette anhören<br />

kann. Trotz all der Vorschusslorbeeren<br />

versucht Ilgen-Nur, cool zu bleiben.<br />

„Cool“, so heißt auch der Song, mit<br />

dem alles begann. Vergangenen Sommer<br />

hörte man ihn plötzlich überall:<br />

„I’m just trying to be cool, but I feel like<br />

a fool“, reimte Ilgen-Nur im Refrain.<br />

Hinreißend melodisch klang das. Und<br />

der Text drückte auf lakonische Weise<br />

aus, was schon Generationen von „diesen<br />

jungen Leuten“ umgetrieben hat:<br />

Soll das alles einen Sinn ergeben? Was,<br />

wenn jemand merkt, dass ich hier nur<br />

so tue, als hätte ich einen Plan? Hilfe!<br />

Ilgen-Nur hat „Cool“ geschrieben,<br />

als es in ihrem Leben ziemlich uncool<br />

lief: Sie war aus dem Schwarzwald für<br />

ein Praxissemester nach Hamburg gezogen.<br />

Mit der Idee, hier weiter Kommunikationswissenschaften<br />

zu studieren.<br />

Beim Einschreiben an der Uni<br />

tauchten jedoch unerwartet Probleme<br />

auf. Und nicht nur da. Auf ihre Bewerbungen<br />

für Nebenjobs hagelte es Absa-<br />

50


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

„Ich hatte immer<br />

Freunde, habe<br />

aber auch viel<br />

Hate abgekriegt.“<br />

ILGEN-NUR<br />

gen. „Die meiste Zeit war ich zu Hause<br />

und sehr verzweifelt“, erinnert sie sich.<br />

Sie hatte Zeit, viel Zeit. Die sie<br />

nutzte: „Ich schreibe prinzipiell immer,<br />

wenn es mir nicht gut geht. Meistens direkt<br />

auf dem Handy. Oft nachts um<br />

3 Uhr“, sagt sie. Musik macht sie gefühlt<br />

schon ewig: Blockflöte in der<br />

Grundschule, sechs Jahre lang Klavierunterricht,<br />

mit elf Jahren schreibt sie<br />

den ersten Song, mit 16 bringt sie sich<br />

Gitarrespielen bei. Sie will der britischen<br />

Indie-Pop-Musikerin Kate Nash<br />

nacheifern. „Ich habe ihr erstes Album<br />

sehr, sehr obsessiv gehört“, sagt sie.<br />

Bei den Eltern, in einem kleinen Ort<br />

nahe Stuttgart, lief andere Musik. „Ich<br />

bin in einem türkisch-muslimischen<br />

Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern<br />

hörten türkische Popmusik – Sezen Aksu<br />

– meine Großeltern eher so traditionelle<br />

Sachen wie Zeki Müren. Damals fand<br />

ich das eher abstoßend“, erinnert sie<br />

sich. Sie wollte sich abgrenzen.<br />

In der Schule grenzten sich andere<br />

ihr gegenüber ab. „Ich hatte immer<br />

Freunde, aber ich habe auch echt viel<br />

Hate abgekriegt“, sagt sie. „Sobald man<br />

irgendwie nicht in die Norm passt, sich<br />

anders kleidet, einen Background hat,<br />

der nicht deutsch ist, und noch dazu eine<br />

51<br />

Frau ist – da zieht man ja alle Opferkarten<br />

hintereinander“, sagt sie und lacht.<br />

Damals wie heute ist ihr nicht<br />

deutsch klingender Name immer wieder<br />

Thema: „Ich höre ganz oft Sachen wie:<br />

‚Wo kommst du eigentlich her? Ich kann<br />

deinen Namen nicht aussprechen!‘ Alles,<br />

was du eben so hörst, wenn dein Name<br />

nicht Anna ist“, sagt Ilgen-Nur<br />

Borali. Auch deshalb hat sie sich gegen<br />

einen Künstlernamen entschieden und<br />

veröffentlicht Musik unter ihrem Vornamen.<br />

„Wenn die Leute das gut finden,<br />

was ich mache“, sagt sie, „dann müssen<br />

sie sich den Namen merken.“<br />

Spätestens im Frühjahr wird man<br />

ihren Namen häufiger hören. Dann soll<br />

ihr Debüt erscheinen. Sie hinkt ihrem<br />

Zeitplan hinterher. Dafür hat sie einfach<br />

zwischendurch schon mal einen<br />

Song veröffentlicht, der schon fertig<br />

war. Titel: „A Matter Of Time“, eine<br />

Frage der Zeit.<br />

Offensichtliche Frage vielleicht,<br />

aber wir stellen sie trotzdem: „Was findest<br />

du selbst cool, Ilgen-Nur?“ „Menschen,<br />

die sich selber treu bleiben. Die<br />

den Weg gegen die Norm gehen, obwohl<br />

es der schwerere Weg ist.“ Sie<br />

überlegt kurz, „und Nettsein ist cool.<br />

Eine Freundin von mir sagt immer: ‚Be<br />

nice but take no shit!‘ Das finde ich sehr<br />

gut.“ Dann muss sie weg. Die Couch<br />

wartet. •<br />

Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

Konzert: Mittwoch, 19.9., Reeperbahn<br />

Festival, Zeit und Ort unter:<br />

www.reeperbahn-festival.de, Tages ticket<br />

35 Euro, 4-Tagesticket 99 Euro.<br />

<br />

STEFAN GWILDIS TRIFFT<br />

HAMBURG SINGT<br />

<br />

DIETER THOMAS KUHN & BAND<br />

<br />

GRYFFIN<br />

<br />

JONATHAN WILSON<br />

<br />

EVERLAST<br />

<br />

NICK MASON'S SAUCERFUL<br />

OF SECRETS<br />

<br />

LOTTO KING KARL<br />

<br />

RICK ASTLEY<br />

<br />

SAXON<br />

<br />

DESIIGNER<br />

<br />

JAZZANOVA<br />

<br />

REA GARVEY<br />

<br />

DONAVON FRANKENREITER<br />

<br />

STEPHAN EICHER & MARTIN SUTER<br />

<br />

SONGS FROM ABOVE<br />

<br />

SEASICK STEVE<br />

<br />

AGAINST THE CURRENT<br />

<br />

JASON DERULO<br />

<br />

DANIEL BRANDT & ETERNAL<br />

SOMETHING<br />

<br />

PER GESSLE'S ROXETTE<br />

<br />

THE MYSTERY OF THE BULGARIAN<br />

VOICES FEAT. LISA GERRARD<br />

<br />

SASHA<br />

<br />

JESPER MUNK<br />

<br />

JOHN BUTLER TRIO<br />

<br />

LEON BRIDGES<br />

<br />

ANGELO BRANDUARDI<br />

<br />

SHARON SHANNON + BAND<br />

<br />

METRIC<br />

<br />

MACY GRAY<br />

<br />

CHVRCHES<br />

<br />

KLAUS HOFFMANN & BAND<br />

TICKETS: KJ.DE


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>September</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Ausstellung<br />

Schönheit des Lebens mit der Natur<br />

Fischen, kochen, schlafen, wohnen –<br />

fast ihr ganzes Leben verbringen die indonesischen<br />

Bajau als Seenomaden in<br />

schmalen Booten auf dem Meer. Sie<br />

gehören zu den letzten Menschen auf<br />

der Erde, die ihre indigene Kultur in<br />

einer industriell geprägten Welt noch<br />

lebendig halten. Wie lange halten sie das<br />

noch durch? Mit dieser Frage beschäftigt<br />

sich der Fotograf Markus Mauthe<br />

in seiner Ausstellung „Am Rande der<br />

Welt“, die gemeinsam mit Greenpeace<br />

entstanden ist. Im Überseequartier<br />

zeigt er eindrucksvolle Bilder von seinen<br />

52<br />

Ein Leben mit und auf dem Meer: Die Bajau halten<br />

ihre traditionelle Lebensweise aufrecht.<br />

Reisen zu indigenen Gruppen auf<br />

der ganzen Welt, deren ursprünglicher<br />

Lebensraum zunehmend vom sogenannten<br />

Fortschritt bedroht wird. •<br />

Überseeboulevard, HafenCity,<br />

ab Do, 6.9., 18 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.an-den-raendern-der-welt.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Draußen<br />

Karoviertel damals und heute<br />

Das Karoviertel ist auch nicht mehr<br />

das, was es einmal war. Nur: Wie war<br />

es denn früher? Vom Wandel des<br />

Quartiers in den vergangenen<br />

150 Jahren erzählen ortskundige<br />

Leute des St. Pauli-Archivs bei einem<br />

Rundgang zum Thema „Zwischen<br />

Ausgegrenzt und Angesagt“. •<br />

Karolinenstraße, Treffpunkt U-Bahn<br />

Messehallen, So, 2.9. + Sa, 29.9.,<br />

jeweils 15 Uhr, Teilnahme 9/5 Euro,<br />

www.st-pauli-archiv.de<br />

FOTOS: MARKUS MAUTHE, ERIC ANDERS, NIKLAS MARC HEINECKE<br />

Straßenfest<br />

Blick hinter die Rolltore am Oberhafen<br />

Lange galt der Oberhafen als Niemandsland mit allenfalls schlummerndem Potenzial<br />

– bis ihn Kunstschaffende entdeckten und wachküssten. Seitdem hat sich viel<br />

getan in den alten Hallen zwischen Großmarkt und HafenCity: Ateliers, Studios,<br />

Werkstätten und Konzerthallen sind entstanden, die Hanseatische Materialverwaltung<br />

schlägt hier ihre Kulturgüter um, auch das Moloch und die Parkour-Halle<br />

haben einiges in Bewegung gesetzt. Zum Tag des Oberhafens öffnen nun alle ihre<br />

Rolltore und laden zum Entdecken und Mitmachen ein. Dabei soll auch über<br />

die Zukunft des bunten Quartiers informiert und diskutiert werden – denn rings<br />

um die alten Hallen rücken die Neubauten und Anlagen der HafenCity näher. •<br />

Oberhafenquartier, Stockmeyerstraße 41–43, So, 9.9., ab 12 Uhr,<br />

Eintritt frei, Spenden willkommen, www.der-oberhafen.de<br />

Theater<br />

Sie spielen wieder<br />

Endlich: Die Hamburger Theater<br />

läuten die neue Spielzeit ein. Um die<br />

Vorfreude zu steigern, gibt es zur<br />

Theaternacht die ersten Kostproben<br />

auf kommende Premieren sowie<br />

Blicke hinter die Kulissen: Das John<br />

Neumeier Ballett lädt zur öffentlichen<br />

Probe ein, im Allee Theater werden<br />

Kostüme feilgeboten und die Gäste<br />

vom Ensemble bekocht, im Lichthof<br />

darf das Publikum die Spielzeitvorschau<br />

mitgestalten und im Thalia<br />

geht es literarisch „in acht Drinks um<br />

die Welt“. •<br />

Theaternacht, 38 Spielorte, Sa, 8.9.,<br />

ab 16 Uhr, Eintritt für alle Häuser 17 Euro,<br />

www.theaternacht-hamburg.org<br />

Bühne frei für die neuen Stücke:<br />

Die Theaternacht schürt Vorfreude.<br />

Was geht, was kommt an der Stockmeyerstraße? Zum Tag des<br />

Oberhafens laden die Kulturschaffenden zum Entdecken ein.<br />

Ausstellung<br />

Steht auf, wenn ihr Mädels seid<br />

Wer immer noch glaubt, Fußball sei<br />

Männersache, gehört ins Museum –<br />

und zwar ins 1910-Museum am<br />

Millerntorstadion. Da feiert die Ausstellung<br />

„Fan.Tastic Females“ Weltpremiere.<br />

Das Crowdfunding-Projekt<br />

zeigt weibliche Fußballleidenschaft in<br />

allen möglichen Facetten. •<br />

1910 Museum, Heiligengeistfeld 1,<br />

ab Sa, 8.9., Di–So, 15–20 Uhr, Eintritt<br />

gegen Spende, blog.1910-museum.de<br />

Straßenfest<br />

Pik As öffnet seine Türen<br />

Eine Nachbarschaft zum Kennenlernen<br />

und Mitmachen – so präsentiert<br />

sich die Neustadt beim Festival<br />

„Drunter & Drüber“. Dazu gehört<br />

auch die Obdachlosenunterkunft<br />

Pik As, die neben Ateliers, Läden<br />

und Kneipen ihre Türen öffnet. •<br />

Neustadt Festival, Fr–So, 14.–16.9., Eintritt<br />

frei, Infos: www.kulturfestival-neustadt.de<br />

Bühne<br />

15 Jahre Polittbüro<br />

Zum 15. Geburtstag des Polittbüros<br />

legt Lisa Politt ein neues Solo hin:<br />

„Sollbruchstelle“ ist Titel und Thema,<br />

auch in sozialer Hinsicht. Streitlustig<br />

und ohne unnötigen Charme<br />

wirft sie die Frage auf: Wie repariert<br />

man eine gespaltene Gesellschaft? •<br />

Polittbüro, Steindamm 45,<br />

ab Sa, 15.9., 20 Uhr, Eintritt 20/15 Euro,<br />

www.polittbuero.de<br />

53


Kino<br />

Filmen gegen die Repression<br />

Sie machten ihm Druck, sperrten ihn<br />

zu Hause ein – trotzdem weigert sich<br />

der Filmemacher Kirill Serebrennikov,<br />

sich den russischen Behörden zu beugen.<br />

Weil er nicht zum Set durfte, führte<br />

er über Skype Regie. So entstand sein<br />

Film „Leto“, ein kritischer und doch<br />

wunderbar beschwingter Film über die<br />

Underground-Musikszene im Leningrad<br />

der 1980er-Jahre, die der staatlichen<br />

Repression trotzt. Das Filmfest<br />

Hamburg zeigt den Film im Rahmen<br />

seines Schwerpunkts „Kunst bleibt“,<br />

der politisch verfolgten Filmemachern<br />

gewidmet ist. Dazu zählt auch Jafar<br />

Panahi, der im Iran mit einem Berufsverbot<br />

belegt wurde und trotzdem<br />

seitdem vier Filme gedreht hat,<br />

angefangen mit „This Is Not A Film“.<br />

Sein jüngstes Werk „Drei Gesichter“<br />

Rund 130 Filme, etliche Premieren<br />

und viele Preise locken Cineasten<br />

zum Filmfest in die Kinosessel.<br />

porträtiert Schauspielerinnen, die unter<br />

widrigen Umständen Karriere machen.<br />

Wie auch „Leto“ wird der Streifen auf<br />

dem Filmfest Hamburg zum ersten Mal<br />

in Deutschland gezeigt. Insgesamt sind<br />

rund 130 Filmproduktionen aus aller<br />

Welt zu sehen. •<br />

Filmfest Hamburg, diverse Kinos, ab Do,<br />

27.9. Das ganze Programm und alle Infos<br />

ab 11.9. unter www.filmfesthamburg.de<br />

54


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

FILMSTILL: HYPE; FOTOS: STEFAN MALZKORN, PRIVAT<br />

Draußen<br />

Ein Hafenfest für Genießer<br />

Traditionsschiffe unter Segel und alte Pötte unter Volldampf: Das ist es, was viele<br />

Hamburger bei Hafenfesten ans Flussufer zieht. Das Elbfest in Oevelgönne lässt<br />

es weitgehend dabei bewenden und verzichtet auf Rummel und Trubel, der<br />

das stille Genießen übertönen könnte. Sutsche geht es zu beim Schippern und<br />

Dampferfahren oder beim „Ausschläfer Fischmarkt“ (Sonntag ab 11 Uhr), wo<br />

frische Waren direkt von Deck verkauft werden. Musik gibt es beim Elbfest von<br />

Franz Albers und Käpt’n Kruse, Danubes Banks oder Jeanette Trèsbien – zum<br />

Tanzen und Träumen. •<br />

Museumshafen Oevelgönne und weitere Orte an der Elbe, Sa+So, 22.+23.9., ab 10 Uhr,<br />

Eintritt frei, alle Infos und Programm: www.elbfest.hamburg.<br />

Mehr als 50<br />

historische Schiffe<br />

fahren bei der<br />

Parade mit.<br />

Konzert<br />

Musikalischer Mittelmeertrip<br />

Gerade aus dem Urlaub zurück und<br />

schon wieder Fernweh? Dann empfiehlt<br />

sich ein Abend mit Les Négresses<br />

Vertes. Die französische Band macht<br />

Musik, die auf jeder Straße in jedem<br />

Land rund um das Mittelmeer zu<br />

Hause sein könnte. Tatsächlich<br />

haben die meisten Bandmitglieder<br />

früher als Straßenmusiker gespielt.<br />

Seit ihrem ersten Album „Mlah“, das<br />

sie in Frankreich über Nacht berühmt<br />

machte, haben Les Négresses Vertes<br />

viel erlebt und verarbeitet – unter<br />

anderem den Abschied von ihrem<br />

Sänger Helno, der 1993 an einer<br />

Überdosis Heroin starb. Die Band<br />

hielt trotzdem zusammen, kam<br />

wieder auf die Beine und setzte ihre<br />

musikalische Reise fort. Nun, 30 Jahre<br />

nach ihrem gefeierten Debütalbum, ist<br />

sie in Hamburg zu Gast. •<br />

Fabrik, Barnerstraße 36, Mo, 17.9.,19.30<br />

Uhr, Eintritt 38,05 (VVK), www.fabrik.de<br />

Film<br />

Großes Kino für Altona-Nord<br />

Mit der Kiezdoku „Manche hatten<br />

Krokodile“ gelang Christian Hornung<br />

ein liebevolles Porträt von St.<br />

Pauli und seinen eigensinnigen, mitunter<br />

schrulligen Bewohnern. Nun<br />

hat sich der Filmemacher einer weniger<br />

bekannten Ecke Hamburgs gewidmet:<br />

„Das schräge Herz“ entstand<br />

im Auftrag des Bürgertreffs Altona-<br />

Nord ebenda. Auch hier lenkt Hornung<br />

das Augenmerk auf Menschen,<br />

die sonst selten in Imagefilmen zu sehen<br />

sind – obwohl sie es verdient hätten.<br />

Bei der Premiere ist er dabei. •<br />

Bürgertreff Altona-Nord, Gefionstraße 3,<br />

Sa, 22.9., 19 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.buergertreff-altonanord.de<br />

Über Tipps für Oktober freut sich<br />

Annabel Trautwein. Bitte bis 10.9.<br />

schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kinofilm des Monats<br />

Drama. Made<br />

in Germany.<br />

Beim Phantomschmerz tut<br />

etwas weh, was nicht mehr da<br />

ist. Echtes Wehtun, großes<br />

Drama für Betroffene. Und<br />

schon deshalb ein prima assoziativer<br />

Titel zu einem dramatischen<br />

deutschen Thriller.<br />

Taxifahrer Finn Fischer<br />

hat vor zwei Jahren seinen<br />

Bruder bei einem Unfall verloren.<br />

Er trauert noch immer.<br />

Dann steigt eines Tages ausgerechnet<br />

der Chefarzt in<br />

sein Auto, der seinen Bruder<br />

damals nicht retten konnte.<br />

Und der reißt die frischen<br />

Wunden wieder auf. In Finn<br />

wächst der Verdacht, dass der<br />

Tod seines Bruders vielleicht<br />

doch nicht unvermeidbar<br />

war. Er fängt an, der Sache<br />

auf den Grund und seinen<br />

Mitmenschen dabei gehörig<br />

auf die Nerven zu gehen.<br />

Als dann im Krankenhaus<br />

noch die Unterlagen<br />

verschwunden sind, gräbt<br />

Finn tiefer. Das schwermütige<br />

Drama wird zum spannenden<br />

Thriller. Phantomschmerz<br />

nimmt deutlich an<br />

Fahrt auf. Dabei hilft die „alte<br />

Garde“ des deutschen Kinos:<br />

Muttis Liebling Sven Martinek<br />

oder die oft unterschätzte<br />

Charaktermimin Katy Karrenbauer.<br />

Dass im deutschen<br />

Film oft ein wenig überzogen<br />

wird, verzeiht man, weil man<br />

sich an das „overacting“ gewöhnt<br />

hat.<br />

Und vielleicht freut man<br />

sich, dass es ein toller deutscher<br />

Film auf die Leinwand<br />

schafft, der ohne Altherrenwitz<br />

und Matthias Schweighöfer<br />

auskommt. •<br />

André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.<br />

55


<strong>Kunzt</strong>&Comic<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

franz.<br />

Weltgeistlicher<br />

Fantasievorstellung<br />

großer<br />

Zorn,<br />

Wut,<br />

Raserei<br />

Fallen<br />

des<br />

Meeresspiegels<br />

Reifeprüfling<br />

äußerst<br />

dünn,<br />

mager<br />

Aufsehen,<br />

Skandal<br />

Gesamtheit<br />

der<br />

Christen<br />

Buch mit<br />

Landkarten<br />

Sonnengott<br />

der<br />

römischen<br />

Sage<br />

Ostsee-<br />

Zufluss<br />

durch<br />

Lübeck<br />

4<br />

6<br />

3<br />

5<br />

8<br />

1<br />

englisch:<br />

Osten<br />

7<br />

2<br />

1<br />

2<br />

7<br />

1<br />

3<br />

9<br />

3<br />

8<br />

Halbinsel<br />

Südspaniens<br />

(brit.)<br />

Kurzform<br />

von: Ursula<br />

oder<br />

Ulrike<br />

9<br />

7<br />

4<br />

5<br />

8<br />

Diamant<br />

am Zepter<br />

des russ.<br />

Zaren<br />

deutscher<br />

Kirchenkomponist<br />

† 7<br />

deutscher<br />

Sozialist<br />

† 1895<br />

2<br />

5<br />

4<br />

vorsichtig<br />

oder<br />

suchend<br />

greifen<br />

das Haar<br />

leicht<br />

färben<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

6<br />

Längenmaß<br />

Wildsau<br />

vom 3.<br />

Lebensjahr<br />

an<br />

Einbringen<br />

der Feldfrüchte<br />

Witterungsablauf<br />

in<br />

e. Gebiet<br />

Bewohner<br />

einer Republik<br />

im<br />

Baltikum<br />

3<br />

poetisch:<br />

Brunnen<br />

(veraltet)<br />

englisch:<br />

Alter<br />

Figur aus<br />

der Oper<br />

„Tiefland“<br />

Laufjunge,<br />

Überbringer<br />

Roman<br />

von Zola<br />

englisch,<br />

französisch:<br />

Luft<br />

Halbton<br />

über G<br />

holprig,<br />

wellig<br />

Stadt<br />

an der<br />

Aller<br />

quarkähnliche<br />

Speise<br />

aus Soja<br />

ausgestorbener<br />

Feuerld.-<br />

Indianer<br />

medizin.<br />

Fachrichtung<br />

(Abk.)<br />

Vertreter<br />

des<br />

Schulleiters<br />

norwegischer<br />

Schriftsteller<br />

†<br />

Riese<br />

im Alten<br />

Testament<br />

fehlgeleitete<br />

Postsendung<br />

ein<br />

wenig,<br />

ein<br />

bisschen<br />

Grundfarbe<br />

italienischer<br />

Heiliger<br />

† 1595<br />

Kosename<br />

einer<br />

span.<br />

Königin †<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 30. <strong>September</strong> <strong>2018</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />

kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder das Comicdebüt<br />

„Lichtung“ der Hamburger Zeichnerin Antonia Kühn (Reprodukt Verlag)<br />

gewinnen.<br />

Das Juli-Lösungswort beim Kreuzworträtsel lautete: Plakatwand.<br />

Die Sudoku-Zahlenreihe war: 415 739 286.<br />

6<br />

2<br />

5<br />

1<br />

7<br />

6<br />

7<br />

3<br />

8<br />

2<br />

9<br />

9<br />

4<br />

10<br />

10<br />

AR1115-0618_08<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwalt),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, v.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Benjamin Laufer (bela; stellv. CvD),<br />

Simone Deckner (sim), Jonas Füllner (jof),<br />

Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk), Misha Leuschen (leu),<br />

Annabel Trautwein (atw)<br />

Korrektorat Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />

Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar <strong>2018</strong><br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />

Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Ionel Lupu, Bianca Raducan<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />

Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />

und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />

17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />

beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />

dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />

Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />

Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />

ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 3. Quartal <strong>2018</strong>:<br />

61.666 Exemplare<br />

57


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Bald wird Sozialarbeiterin<br />

Ana-Maria Ilisiu in Berlin<br />

studieren. Nicht nur ihr<br />

Chef Stephan Karrenbauer<br />

wird sie vermissen.<br />

Die Stimme unserer<br />

rumänischen Verkäufer<br />

Ana-Maria war drei Jahre Sozialarbeiterin bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Jetzt geht sie.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Ihr erster Arbeitstag bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

ist gerade mal drei Stunden alt, als Ana-<br />

Maria Ilisiu merkt: Dieser Job wird heftig.<br />

Einer jungen Mutter aus Rumänien,<br />

die in Harburg in einer Dachgeschosswohnung<br />

lebt, droht die Zwangsräumung.<br />

Ana-Maria übersetzt, telefoniert,<br />

versucht alles, um eine Obdachlosigkeit<br />

der Familie abzuwenden – am Ende erfolgreich.<br />

Mitgenommen ist sie trotzdem:<br />

„Damals habe ich von dem Fall<br />

noch einige Nächte geträumt“, sagt die<br />

Sozialarbeiterin drei Jahre später. Heute<br />

weiß sie genau, wie sie Berufliches<br />

und Privates trennt.<br />

Die 30-Jährige hat unzählige Beratungsgespräche<br />

geführt, gemeinsam<br />

nach Lösungen gesucht, Hunde gestreichelt<br />

und freundlich, aber bestimmt zu<br />

den Wartenden vor ihrer Tür gesagt:<br />

„Bitte noch einen Moment, ich spreche<br />

gleich mit dir.“ Auf Rumänisch, ihrer<br />

Muttersprache.<br />

„Ana-Maria ist für uns die Stimme<br />

der rumänischen Verkäufer“, sagt Stephan<br />

Karrenbauer, der die Sozialarbeit<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> seit 23 Jahren leitet.<br />

Es sei ein „großer Vorteil“, dass seine<br />

Kollegin nicht nur die Sprache der rumänischen<br />

Verkäufer, sondern auch<br />

deren Migrationserfahrung teilt: Sie<br />

war 14 Jahre alt, als ihre Familie aus<br />

Agnetheln, einer einst von Deutschen<br />

gegründeten Stadt in Siebenbürgen,<br />

nach Spanien auswanderte. „Ich glaube,<br />

es ist schon wichtig, dass ich selber<br />

auch als Migrantin gelebt habe“, sagt<br />

Ana-Maria, die in ihrer neuen Heimat<br />

Spanien Sozialerziehung studierte, bevor<br />

sie vor fünf Jahren nach Hamburg zog.<br />

Zu tun hat sie bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> fast<br />

immer zu viel: Rund 135 der 500<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer kommen aus<br />

Rumänien. Ihre Schwierigkeiten, in<br />

Hamburg Fuß zu fassen, ähneln sich oft:<br />

keine Wohnung, keine Arbeit, zu wenig<br />

Deutschkenntnisse. Hinz&<strong>Kunzt</strong> musste<br />

Ana-Marias Stundenzahl schnell aufstocken,<br />

was durch eine Spende des Rotary<br />

Clubs Hamburg-Elbe unkompliziert<br />

möglich war.<br />

Ein Miteinander, kein von oben herab,<br />

das ist der Sozialarbeiterin wichtig.<br />

„Ich schätze, wie hier auf Augenhöhe<br />

mit den Menschen gearbeitet wird“,<br />

sagt sie. Trotzdem wird sie Hamburg<br />

diesen Monat gen Berlin verlassen und<br />

dort weiter studieren: Interkulturelles<br />

Konfliktmanagement. Praktische Erfahrung<br />

hat sie ja genug gesammelt.<br />

Bislang hat sie die Gefühle an den<br />

baldigen Abschied noch verdrängt. Sie<br />

wird Hinz&<strong>Kunzt</strong> vermissen. „Das<br />

Team, natürlich.“ Und die Verkäufer.<br />

„Ich bin dankbar dafür, was ich von ihnen<br />

alles gelernt habe“, sagt sie. Stephan<br />

Karrenbauer hat Ana-Maria gesagt,<br />

sie könne gern wiederkommen.<br />

Jederzeit. Oder „în orice moment“, wie<br />

es auf Rumänisch heißt. •<br />

HINZ&KUNZT<br />

SUCHT<br />

eine/n Sozialarbeiter/in<br />

oder Sozialpädagog/in<br />

oder jemanden, der/die sich im<br />

Sozialrecht auskennt und rumänisch<br />

spricht. Beschäftigung in Teilzeit<br />

(20 Stunden/Woche). Bezahlung nach<br />

AVR Diakonie. Unbefristete Stelle.<br />

Bewerbung bitte ausschließlich per<br />

E-Mail an info@hinzundkunzt.de<br />

58


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />

Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />

2.<br />

1.<br />

3.<br />

1. Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />

100% GOTS zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />

Farbe: norddeutschgrau.<br />

Schürzenbreite ca. 80 cm, Länge ca. 86 cm.<br />

Hautfreundlich, atmungsaktiv, langlebig,<br />

pfl egeleicht und knitterarm.<br />

Maschinenwäsche bis 60 Grad.<br />

Von Kaya & Kato Gmbh, Firma für<br />

fair produzierte Arbeitskleidung aus Köln,<br />

www.kaya-kato.de<br />

Preis: 25 Euro<br />

2. „Macht auch wach!“<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Kaffeemischung,<br />

100% Arabica gemahlen, 250-g-Beutel<br />

oder Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Espresso, italienische<br />

Mischung, kräftiger Geschmack,<br />

ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von<br />

der Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />

Preis: jeweils 5,95 Euro<br />

3. Frühstücksbrettchen<br />

Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus der<br />

Serie „Schöne Aussichten“, Pension<br />

für Produkte Hamburg.<br />

Design: Wolfgang Vogler,<br />

Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />

lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />

in Deutschland gefertigt.<br />

Preis: 15,90 Euro<br />

4. Tasse „Fischkopp“<br />

Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong> von der<br />

Hamburger Firma AHOI MARIE.<br />

Qualitätsporzellan von Kahla aus Thüringen.<br />

Design: Jan-Hendrik Holst.<br />

Keramischer Siebdruck.<br />

Maße: D: 9 cm, H: 9 cm,<br />

mikrowellen- und spülmaschinentauglich.<br />

Preis: 13,90 Euro<br />

5. Jubiläumsbonbons von Lutschebuller<br />

Lutschbonbons in den Geschmacksrichtungen<br />

Vanille-Zimt und Kaffee-Vanille.<br />

Hergestellt in Hamburg nach dänischem Rezept.<br />

Vegan, aber nicht zuckerfrei.<br />

Preis pro Glas: 3,95 Euro<br />

6. Haftnotizen<br />

Haftnotizpapier mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Logo fürs<br />

Büro, Zuhause und alle Lebenslagen, in denen<br />

Gedanken schnell festgehalten werden müssen.<br />

5 Blocks à 50 Blatt, 7 x 7 cm<br />

Preis: 6,50 Euro<br />

7. „Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte für Kinder<br />

über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />

illustriert von Jutta Bauer.<br />

Preis: 4,80 Euro<br />

4.<br />

6.<br />

7.<br />

5.


<strong>September</strong> <strong>2018</strong><br />

Komponisten<br />

und Pflegeexperten<br />

und andere Menschen, die Hamburger bewegen<br />

Mo 17.09. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />

Der Deutsche Herbst Spätestens im Herbst 1977 stürzte die Rote Armee Fraktion die Bundesrepublik<br />

in eine tiefe Krise. Über die damalige Ausnahmesituation diskutieren die Historikerin<br />

Petra Terhoeven, der Regisseur Felix Moeller und Clais Baron von Mirbach, dessen Vater 1975<br />

von der RAF ermordet wurde. Stefan Reinecke, Die Tageszeitung, moderiert.<br />

Mi 19.09. | 19.00 Uhr | Gespräch im Haus im Park<br />

PflegeZeit: Ist den Helfern noch zu helfen? Wie kann der Pflegeberuf wieder attraktiver<br />

ge staltet werden? Darüber sprechen die Fachkrankenschwester Claudia Sannmann, die Pflegeexpertin<br />

Almuth Satrapa-Schill und Franz Müntefering, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Seniorenorganisa tionen. Es moderiert Doris Kreinhöfer, Körber-Stiftung.<br />

Mo 24.09. | 19.00 Uhr | Diskussion<br />

Körber Debate: Osteuropa – Demokratie in Gefahr? Die EU verfolgt den Kurs der Regierungen<br />

in Warschau und Budapest mit Sorge. Wie soll Brüssel sich zu den illiberalen Tendenzen<br />

verhalten? Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung, moderiert das Streitgespräch zwischen zwei<br />

Experten mit gegensätzlichen Positionen. In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung.<br />

Mi 26.09. | 19.00 Uhr | Gesprächskonzert<br />

2 x hören: Keine Angst vor Mack Viele Komponisten sind fasziniert davon, die technischen<br />

Möglichkeiten eines Instruments auszureizen. Entsteht dadurch eine besondere Atmosphäre?<br />

Dieser Frage geht Anne Kussmaul am Beispiel von Dieter Macks Trio VI nach – mit Shirley Brill<br />

an der Klarinette, Gesine Dreyer an der Harfe und David Stromberg am Violoncello.<br />

Stand: August <strong>2018</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: privat, BAGSO/Rieger, Claudia Höhne/Körber-Stiftung, Felix Broede<br />

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: www.koerberforum.de<br />

KörberForum | Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />

Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />

Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.

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