Berliner Zeitung 20.10.2018
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 245 · 2 0./21. Oktober 2018 5 *<br />
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Politik<br />
Suche nach dem Schuldigen<br />
Im Fall des vermutlich ermordeten Journalisten Khashoggi verschärft US-Präsident Trump den Tongegenüber dem saudischen Königshaus nur ein wenig<br />
VonKarlDoemens, Washington<br />
Der Präsident setzte eine<br />
ernste Miene auf. „Das<br />
ist eine schlimme,<br />
schlimme Sache“, sagte<br />
Donald Trump, bevor er am Donnerstag<br />
die Präsidentenmaschine<br />
bestieg. Mitreisende Reporter hatten<br />
ihn gefragt, ob der seit zwei Wochen<br />
verschwundene saudische Journalist<br />
Jamal Khashoggi wohl tot sei. „Es<br />
sieht für mich auf jeden Fall danach<br />
aus“, räumte Trump erstmals ein<br />
und drohte, die Konsequenzen für<br />
die Führung des Wüstenstaates<br />
könnten „sehr schwerwiegend“ sein.<br />
Fünf Stunden später hatte sich die<br />
Laune des obersten Republikaners<br />
deutlich aufgehellt. Trump stand auf<br />
der Bühne einer Wahlkundgebung in<br />
Missoula im Bundesstaat Montana,<br />
und die Menge jubelte ihm zu. Solche<br />
Auftritte absolviertder ehemalige TV-<br />
Star nun fast jeden Abend bis zu den<br />
Kongresswahlen am 6. November.<br />
Ein„unglaublicher Anführer“ sei der<br />
regionale Abgeordnete Greg Gianforte,<br />
lobte Trump. Der Waffennarr<br />
war zu nationaler Berühmtheit gelangt,<br />
als er im vorigen Jahr einen kritischen<br />
Journalisten packte und zu<br />
Boden warf. Dafür wurde er zu sechs<br />
Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.<br />
„Jeder,der einen Body Slam machen<br />
kann, ist mein Typ“, so Trump.<br />
Zwar wurde Ben Jacobs, der betroffene<br />
Korrespondent der britischen<br />
<strong>Zeitung</strong> The Guardian, nicht<br />
gefoltert und bestialisch getötet wie<br />
nun höchstwahrscheinlich sein Kollege<br />
Khashoggi. Dennoch handelt es<br />
sich bei der Äußerung um mehr als<br />
eine Geschmacklosigkeit. Immerhin<br />
bezeichnet Trump die Presse seit seiner<br />
Amtseinführung als „Feinde des<br />
Volkes“. Entsprechend empört reagierte<br />
der US-Chefredakteur des<br />
Guardian, John Mulholland: Einen<br />
Angriff auf einen Journalisten zu feiern,<br />
sei ein Angriff auf die US-Verfassung,<br />
konterte er: Nach dem Mord<br />
an Khashoggi lade das „zu Angriffen<br />
auf Journalisten hier und in allerWelt<br />
ein“.<br />
Deutsche Waffenlieferungen<br />
Wasgeschah im saudischen Konsulat mit Jamal Khashoggi?<br />
„Es sieht für mich auf jeden Fall danach aus.<br />
Es ist sehr traurig.“<br />
US-Präsident Donald Trump geht mittlerweile auch davon aus, dass der regimekritische<br />
saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi tot ist.<br />
APX<br />
In jedem Fall verdeutlicht die Szene<br />
Trumps Ambivalenz in der Khashoggi-Affäre.<br />
Frühzeitig hatte der<br />
US-Präsident klargemacht, wie<br />
wichtig ihm gute Beziehungen und<br />
Geschäfte mit Saudi-Arabien sind<br />
und dass er nicht an ein Einfrieren<br />
derWaffenverkäufe denke.Und auch<br />
die deutsche Rüstungsindustrie ist<br />
ein guter Kunde des Wüstenstaates.<br />
Bis zum 30. September erteilte die<br />
Bundesregierung Exportgenehmigungen<br />
fürWaffenlieferungen an das<br />
Königreich im Wert von416,4 Millionen<br />
Euro.Das geht aus einer Antwort<br />
des Wirtschaftsministeriums auf<br />
eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten<br />
Omid Nouripour hervor.<br />
An der Aufklärung des mutmaßlichen<br />
Mordes schien Trump indessen<br />
nur mäßig interessiert: Es seien vielleicht<br />
Killer auf eigene Rechnung gewesen,<br />
unkte er. Doch befeuert<br />
durch immer neue grauenvolle Details,<br />
die seit Tagen von Regierungskreisen<br />
in der Türkei verbreitet werden,<br />
entwickelt sich die Geschichte<br />
für Trump zum Problem. Die türkischen<br />
Behörden gehen davon aus,<br />
dass Khashoggi im saudischen Konsulat<br />
in Istanbul voneiner eigens aus<br />
Saudi-Arabien angereisten Spezialeinheit<br />
gefoltertund getötet wurde.<br />
Die grausigen Details bis hin zur<br />
Zerstückelung der Leiche mit einer<br />
Knochensäge verfehlen die öffentliche<br />
Wirkung nicht, und entsprechend<br />
verändert Trump seinen Ton.<br />
„Das hat einen großen Eindruck auf<br />
die Welt gemacht“, räumte er am<br />
Freitag in einem Interview mit der<br />
New York Times ein: „Das ist größer<br />
geworden, als es normalerweise sein<br />
würde.“ Nicht nur international ist<br />
das Entsetzen groß. Auch melden<br />
sich immer mehr republikanische<br />
Senatoren zu Wort, die harte Sanktionen<br />
bis zu einem Stopp der Waffenlieferungen<br />
fordern.<br />
Gute Geschäftsbeziehungen<br />
Trump, der als Geschäftsmann seit<br />
fast 30 Jahren enge Kontakte zu den<br />
Scheichs unterhielt und ihnen eine<br />
Etage seines Trump World Towers in<br />
Manhattan verkaufte, will eigentlich<br />
eine Eskalation vermeiden. Dabei<br />
wird er nach US-Medienberichten<br />
massiv von seinem Schwiegersohn<br />
Jared Kushner bearbeitet, der mit<br />
dem saudischen Kronprinzen Mohammed<br />
bin Salman regelmäßig per<br />
WhatsApp kommuniziertund ihn als<br />
zentralen Akteur in seinem Nahost-<br />
Friedensplan sieht. Gleichzeitig versuchen<br />
andereVerbündetedes Präsidenten,<br />
das liberale Image vonKhashoggi<br />
zu zerstören und ihn als gefährlichen<br />
Islamisten darzustellen.<br />
In dieser Situation lieferndie US-<br />
Geheimdienste laut NewYorkTimes<br />
dem Präsidenten widersprüchliche<br />
Einschätzungen: Während die CIA<br />
von der Verantwortung des Kronprinzen<br />
für die brutale Ermordung<br />
überzeugt sei, gehe die NSA eher von<br />
einer gescheiterten Entführungsaktion<br />
aus.<br />
Derzeit glaubt Trump offenbar,<br />
dass die Affäre nicht ganz ohne Konsequenzen<br />
abgeräumt werden kann.<br />
Nach langem Zögern sagte US-Finanzminister<br />
Steven Mnuchin nach<br />
Rücksprache mit dem Präsidenten<br />
seine Teilnahme an einer großen Investoren-Konferenz<br />
in Riad ab. Außenminister<br />
Mike Pompeo erklärte,<br />
man wolle der Führung in Riad„noch<br />
ein paar Tage“ einräumen, um ihre<br />
Untersuchungen abzuschließen.<br />
Bis dahin erwartet Trump offenbar<br />
eine Erklärung, die ihm im Wahlkampf<br />
nicht schadet. Nach Informationen<br />
der Washington Post wird im<br />
saudischen Königshaus zunehmend<br />
der stellvertretende Geheimdienstchef<br />
Ahmed Al-Assiri für die Bluttat<br />
und den PR-GAU verantwortlich gemacht.<br />
Eine Verurteilung des hochrangigen<br />
Generals solle offenbar den<br />
Druck vomKronprinzen nehmen.<br />
KarlDoemens<br />
zweifelt an Trumps echtem<br />
Aufklärungswillen.<br />
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