atw 2018-12
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<strong>atw</strong> Vol. 63 (<strong>2018</strong>) | Issue 11/<strong>12</strong> ı November/December<br />
Position des Arbeitskreises „Szenarienentwicklung“<br />
zur Thematik:<br />
Wahrscheinlichkeitsklassen und<br />
Umgang mit unwahrscheinlichen<br />
Entwicklungen<br />
T. Beuth, G. Bracke, S. Chaudry, A. Lommerzheim, K.-M. Mayer, V. Metz, J. Mönig, S. Mrugalla,<br />
J. Orzechowski, E. Plischke, K.-J. Röhlig, A. Rübel, G. Stolzenberg, J. Wolf und J. Wollrath<br />
Zusammenfassung Die Sicherheitsanforderungen [BMU 10] verlangen bei der Analyse von zukünftigen<br />
Entwicklungen eines Endlagers und Endlagerstandortes die Unterscheidung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres<br />
Eintretens. Darüber hinaus forderte die nach dem Standortauswahlgesetz [STA 13] in 2013 eingesetzte Endlagerkommission<br />
in ihrem Abschluss bericht [KOM 16] die Überprüfung der Einteilung in die Wahrscheinlichkeitsklassen<br />
„wahrscheinliche“, „weniger wahrscheinliche“ und „unwahrscheinliche“ Entwicklungen und der Trennung in<br />
„ wahrscheinliche“ und „weniger wahrscheinliche“ Entwicklungen.<br />
In der Vergangenheit wurden in<br />
Vorhaben zur Szenarienentwicklung<br />
zwar wahrscheinliche und weniger<br />
wahrscheinliche Szenarien abgeleitet<br />
und auch das menschliche Eindringen<br />
in ein Endlager untersucht, jedoch<br />
keine unwahrscheinlichen Entwicklungen<br />
berücksichtigt.<br />
Der Arbeitskreis „Szenarienentwicklung“<br />
(AKS) hat sich mit der Einteilung<br />
von Entwicklungen in Wahrscheinlichkeitsklassen,<br />
der Ableitung<br />
von unwahrscheinlichen Szenarien<br />
sowie mit deren Behandlung auseinandergesetzt<br />
und die folgende<br />
Position formuliert:<br />
Der AKS vertritt die Auffassung,<br />
dass die Einteilung von Entwicklungen<br />
in Wahrscheinlichkeitsklassen<br />
eine übliche Vorgehensweise ist und<br />
dass eine solche Klassifizierung einen<br />
wesentlichen Aspekt für die Optimierung<br />
der Endlagerauslegung und die<br />
Zusammenstellung von Argumenten<br />
im Rahmen des Langzeitsicherheitsnachweises<br />
darstellt sowie für die<br />
allgemeine Diskussion ein hilfreiches<br />
Unterscheidungsmerkmal sein kann.<br />
Insgesamt ist die Einteilung in drei<br />
Klassen ausreichend. Um eine weitere<br />
Differenzierung in Klassen vorzunehmen,<br />
sind verlässliche Daten notwendig,<br />
die oftmals nicht vorliegen.<br />
Die quantitative Vorgabe von Wahrscheinlichkeiten<br />
für alle Aspekte der<br />
unterschiedlichen Entwicklungen hält<br />
der AKS für nicht praktikabel.<br />
Nach Auffassung des AKS ist eine<br />
umfassende, systematische Erfassung<br />
von unwahrscheinlichen Szenarien<br />
nicht möglich. Aus diesem Grund<br />
empfiehlt der AKS, unwahrschein liche<br />
Szenarien getrennt von einer systematischen<br />
Entwicklung wahrscheinlicher<br />
und weniger wahrscheinlicher Szenarien<br />
zu behandeln.<br />
In den Sicherheitsanforderungen<br />
[BMU 10] wird für unwahrscheinliche<br />
Entwicklungen, die zu hohen Strahlenexpositionen<br />
führen können, eine<br />
Optimierungsprüfung dahingehend<br />
gefordert, ob eine Reduzierung der<br />
Auswirkungen mit vertretbarem Aufwand<br />
möglich ist. Hier vertritt der<br />
AKS die Auffassung, dass Entwicklungen<br />
im Zusammenhang mit Ereignissen<br />
und Prozessen, die aufgrund<br />
der Anwendung von Ausschlusskriterien<br />
und Mindestanforderungen<br />
im Standortauswahlverfahren am<br />
zu untersuchenden Endlagerstandort<br />
ausgeschlossen werden, im Rahmen<br />
der geforderten Optimierungsprüfung<br />
nicht weiter zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
Der AKS hält es für zwingend<br />
notwendig, eine Unterscheidung<br />
zwischen unwahrscheinlichen Entwicklungen<br />
mit einer Restwahrscheinlichkeit<br />
und ausgeschlossenen<br />
Entwicklungen vorzunehmen.<br />
Der AKS stützt die Festlegungen<br />
in den Sicherheitsanforderungen<br />
[BMU 10], für unwahrscheinliche<br />
Szenarien und Szenarien aufgrund<br />
eines unbeabsichtigten menschlichen<br />
Eindringens in ein Endlager auf<br />
Grenzwerte für zumutbare Risiken<br />
oder zumutbare Strahlenexpositionen<br />
zu verzichten.<br />
Stattdessen schlägt der AKS vor,<br />
über folgende Optionen unwahrscheinliche<br />
Entwicklungen mit einer<br />
Restwahrscheinlichkeit abzuleiten:<br />
• Unwahrscheinliche Ereignisse und<br />
Prozesse, die im Rahmen der<br />
Einteilung in Wahrscheinlichkeitsklassen<br />
identifiziert wurden.<br />
• Unwahrscheinliche Ausprägung<br />
von Ereignissen und Prozessen,<br />
die auf die Barrieren des Endlagersystems<br />
wirken.<br />
• Gleichzeitiges Versagen mehrerer<br />
technischer Komponenten aufgrund<br />
voneinander unabhängiger<br />
Ursachen.<br />
Über den Optimierungsgedanken<br />
hinaus erscheint es nach Ansicht des<br />
AKS zu Anschauungszwecken praktikabel,<br />
eine begrenzte Auswahl von<br />
unwahrscheinlichen Szenarien und/<br />
oder What-If Fällen zusammenzustellen<br />
und die Robustheit des Endlagersystems<br />
und einzelner Komponenten<br />
zu testen und darzustellen.<br />
Für die What-If Fälle sind keine regulatorischen<br />
Vorgaben notwendig.<br />
Motivation/Sachstand<br />
zur Thematik<br />
Die Szenarienentwicklung ist die<br />
Ableitung von potenziellen Entwicklungen<br />
eines Endlagers für radioaktive<br />
Abfälle, die hinsichtlich ihres<br />
Eintretens, gemäß den Sicherheitsanforderungen<br />
des Bundesministeriums<br />
für Umwelt, Naturschutz, Bau und<br />
nukleare Sicherheit (BMU) [BMU 10]<br />
in die folgenden Wahrscheinlichkeitsklassen<br />
eingeteilt werden:<br />
• wahrscheinlich,<br />
• weniger wahrscheinlich und<br />
• unwahrscheinlich.<br />
Die im Jahr 2013 nach dem Standortauswahlgesetz<br />
eingesetzte Kommission<br />
„Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“<br />
(im Folgenden kurz Kommission<br />
genannt) hat unter anderem<br />
diskutiert, ob die bestehenden Sicherheitsanforderungen<br />
[BMU 10] dem<br />
Stand von Wissenschaft und Technik<br />
entsprechen. Eine Empfehlung mit<br />
593<br />
DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Position paper: Probability Classes and Handling of Improbable Developments ı<br />
T. Beuth, G. Bracke, S. Chaudry, A. Lommerzheim, K.-M. Mayer, V. Metz, J. Mönig, S. Mrugalla, J. Orzechowski, E. Plischke, K.-J. Röhlig, A. Rübel, G. Stolzenberg, J. Wolf and J. Wollrath