04.03.2019 Views

atw 2019-03

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

<strong>atw</strong> Vol. 64 (<strong>2019</strong>) | Issue 3 ı March<br />

Verlängerte Zwischenlagerung – Auswirkungen auf die<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung?<br />

149<br />

Tobias Leidinger<br />

Die in Deutschland erteilten Genehmigungen für die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen sind auf 40 Jahre – gerechnet<br />

ab Einlagerung des ersten Behälters – befristet. Für die zentralen Zwischenlager Gorleben und Ahaus laufen die § 6<br />

AtG-Genehmigungen im Jahre 2<strong>03</strong>4 bzw. 2<strong>03</strong>6, für die dezentralen Zwischenlager an den KKW-Standorten in den<br />

Jahren danach aus. Angesichts einer – mangels Endlagerverfügbarkeit – zu erwartenden verlängerten Zwischenlagerung<br />

in Deutschland stellt sich die Frage, ob es im Zuge der „Verlängerung“ der Aufbewahrungsgenehmigungen der<br />

Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVPG) bedarf.<br />

I. Ausgangslage<br />

Durch das „Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in<br />

der kerntechnischen Entsorgung“ vom 27. Januar 2017<br />

wurden die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen<br />

für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle<br />

neu geregelt. Für den Betrieb der Zwischenlager wurde<br />

2017 die bundeseigene BGZ Gesellschaft für die Zwischenlagerung<br />

mbH gegründet, die ab August 2017 die Verantwortung<br />

für die Zwischenlager Ahaus und Gorleben und<br />

ab 1. Januar <strong>2019</strong> auch den Betrieb der zwölf dezentralen<br />

Standort-Zwischenlager übernommen hat. Angesichts<br />

der ab Anfang der 2<strong>03</strong>0er-Jahre auslaufenden § 6 AtG­<br />

Genehmigungen ist – mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf<br />

– zu klären, ob eine verlängerte Zwischenlagerung<br />

nach Ablauf der jeweiligen Befristung der bisherigen<br />

Genehmigungen die Durchführung einer UVP erfordert.<br />

Denn ein solches Verfahren ist mit erheblichem sachlichen<br />

und zeitlichen Aufwand verbunden.<br />

II. Zwischenlagerung bleibt – auch im Fall<br />

der Verlängerung – Zwischenlagerung<br />

Eine Zwischenlagerung im Sinne von § 6 AtG ist solange<br />

gegeben, wie die Überbrückung der Zeit bis zur Inbetriebnahme<br />

eines Bundesendlagers dauert. Eine bestimmte<br />

zeitliche Grenze sieht der Gesetzgeber für die Einordnung<br />

als Zwischenlagerung nicht vor. Werden die bislang auf<br />

40 Jahre befristeten Genehmigungen also anschließend<br />

„verlängert“, ändert dies nichts daran, dass auch eine verlängerte<br />

Aufbewahrung „Zwischenlagerung“ im Rechtssinne<br />

bleibt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 30.10.1996 – 21 D<br />

2/89.AK, Rn. 93).<br />

III. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung<br />

einer verlängerten Zwischenlagerung<br />

Eine „Verlängerung“ der Zwischenlagerung kommt im<br />

Ergebnis auf zwei unterschiedlichen Wegen in Betracht,<br />

die sich auf die UVP-Thematik auswirkt: Entweder als<br />

„ Änderungsgenehmigung“ oder als „Neugenehmigung“.<br />

Die Rechtsprechung lässt grundsätzlich beide Möglichkeiten<br />

zu. Die Verlängerung der Geltungsfrist der Genehmigung<br />

kann durch eine Neugenehmigung erfolgen oder<br />

durch eine bloße Änderung der der Genehmigung bislang<br />

schon beigefügten Frist, also durch eine Änderung der<br />

zeitlichen Erstreckung ihrer Geltungswirkung.<br />

Die inhaltlichen Zulassungsvoraussetzungen für eine<br />

Erteilung einer Änderungsgenehmigung oder einer<br />

Neugenehmigung unterscheiden sich grundsätzlich nicht:<br />

In beiden Fällen ergeben sie sich aus § 6 Abs. 2 AtG (vgl.<br />

dazu im Einzelnen: Leidinger, in: Frenz, Atomrecht, <strong>2019</strong>,<br />

§ 6 Rn. 23 ff.). Unterschiedlich ist grundsätzlich der<br />

Genehmigungsgegenstand: Gegenstand einer Änderungsgenehmigung<br />

sind zunächst nur die Teile, für die aus<br />

Anlass der Änderung die Genehmigungsfrage erneut<br />

aufgeworfen wird. Bei qualitativen Änderungen, die sich<br />

auf die gesamte Anlage beziehen, sind auch die unveränderten<br />

Anlagenteile Gegenstand der Änderungsgenehmigung,<br />

soweit sich die Änderung darauf auswirkt.<br />

Das führt dazu, dass sämtliche Umweltauswirkungen<br />

unmittelbarer Prüfungsgegenstand des Änderungsgenehmigungsverfahrens<br />

sind. Bei einer Verlängerung der<br />

Zwischenlagerung handelt es sich nicht um eine quantitative<br />

Erweiterung, sondern um eine qualitative –<br />

nämlich zeitliche – Änderung. Dies führt dazu, dass grundsätzlich<br />

sämtliche materiellen Zulassungsvoraus setzungen<br />

des § 6 Abs. 2 AtG erneut zu prüfen sind, denn die<br />

Änderung betrifft den gesamten Inhalt der Genehmigung.<br />

Das entspricht der Situation bei der Erteilung einer Neugenehmigung,<br />

durch die die Verlängerung der Aufbewahrungsdauer<br />

bewirkt werden soll: Sie verändert nicht<br />

die Aufbewahrung, sondern erlaubt sie über den bisherigen<br />

Befristungszeitraum hinaus neu. Mithin sind<br />

sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2<br />

AtG auch dann zu prüfen.<br />

IV.<br />

Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

nach UVPG<br />

Unterschiede zwischen Änderungs- und Neugenehmigung<br />

im Fall einer verlängerten Zwischenlagerung ergeben<br />

sich indes im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung,<br />

denn das UVPG unterscheidet zwischen Neuund<br />

Änderungsvorhaben.<br />

1. Neuvorhaben<br />

Für Neuvorhaben folgt die UVP-Pflichtigkeit aus § 6 S. 1<br />

UVPG i.V.m. Nr. 11.3 der Anlage 1 des UVPG. Danach<br />

bedarf es einer UVP, wenn es um die Lagerung bestrahlter<br />

Kernbrennstoffe oder radioaktiver Abfälle für mehr als<br />

zehn Jahre an einem anderen Ort als dem Ort geht, an dem<br />

diese Stoffe angefallen sind. Das ist sowohl bei zentralen<br />

als auch bei dezentralen Zwischenlagern der Fall, wenn<br />

die „Verlängerung“ für mehr als 10 Jahre erfolgen soll.<br />

Die danach zwingend durchzuführende UVP ist unselbständiger<br />

Teil des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens<br />

nach § 6 AtG. Zur Durchführung der UVP<br />

verweist § 2a Abs. 1 S. 2 AtG auf die Vorschriften der AtVfV,<br />

in denen die näheren Vorgaben zur UVP – entsprechend<br />

den Regelungen im UVPG selbst – speziell bestimmt sind.<br />

2. Änderungsvorhaben<br />

Ist hingegen von einem Änderungsvorhaben auszugehen,<br />

richtet sich die UVP-Pflicht nach § 9 UVPG. Hier ist zu<br />

unterscheiden zwischen Vorhaben, für die bereits eine<br />

UVP durchgeführt worden ist (§ 9 Abs. 1 UVPG) und<br />

Vorhaben, für die bislang keine UVP durchgeführt worden<br />

ist (§ 9 Abs. 2, Abs. 3 UVPG). Beide Fälle sind in der Praxis<br />

anzutreffen.<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW<br />

Spotlight on Nuclear Law<br />

Extended Interim Storage – Impact on the Environmental Impact Assessment? ı Tobias Leidinger

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!