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Romys Bühne - Romy wie wie sie wirklich war

Romys Bühne - Romy wie sie wirklich war Teil 3 Zeitschriftenhandel - Als Print ab dem 29.03.2019 im Handel erhältlich Zusammenfassung von Teil 1 und Teil 2 mit neuen unveröffentlichten Bildern der Schauspielerin

Romys Bühne - Romy wie sie wirklich war
Teil 3 Zeitschriftenhandel - Als Print ab dem 29.03.2019 im Handel erhältlich
Zusammenfassung von Teil 1 und Teil 2 mit neuen unveröffentlichten Bildern der Schauspielerin

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ROMY`S<br />

BÜHNE<br />

ZeitBlatt Magazin<br />

<strong>Romy</strong> Schneider<br />

<strong>wie</strong> <strong>sie</strong> <strong>wirklich</strong> <strong>war</strong><br />

Autor Ariane Rykov / Zeitblatt Verlag


Einleitung<br />

„Die Erinnerung ist oft das schönste“<br />

„Ich werde weiterleben und das richtig gut“<br />

„Besser kurz und schön als lang und in Maßen“<br />

-<strong>Romy</strong> Schneider-<br />

In diesem Jahr wäre <strong>Romy</strong> Schneider 80 Jahre alt<br />

geworden.<br />

Die Welt hielt 1982 den Atem an, als bekannt wurde<br />

das <strong>Romy</strong> Schneider starb. Leise hatte <strong>sie</strong> ein lautes<br />

Leben verlassen. <strong>Romy</strong> Schneider selbst beschrieb<br />

ihren Wunsch, ihre Denkweise über dieses Leben<br />

mit den Worten „Besser kurz und schön als lang und<br />

in Maßen“. „Das Maß“ - in ihrem Leben hatte <strong>sie</strong><br />

wohl nie gefunden. Als Autorin des Buches <strong>Bühne</strong><br />

des Lebens und als Inhaberin des <strong>Romy</strong> Schneider<br />

Archivs ist es meine persönliche Meinung – das sich<br />

das Mittelmaß- zwischen den Dingen in <strong>Romy</strong><br />

Schneiders Leben nie etablierte. <strong>Romy</strong> Schneider als<br />

Schauspielerin, Weltstar und Frau – betrachte ich als<br />

ein Leben, geführt permanent am Limit. Himmelhoch<br />

jauchzend, zu Tode betrübt. Alles ist perfekt, das<br />

private Glück, der berufliche Erfolg – alles, aber<br />

<strong>wirklich</strong> alles ist so schlecht <strong>wie</strong> es dramatischer<br />

nicht möglich wäre. Das wäre meine Antwort auf die<br />

Frage <strong>wie</strong> ich ihr Leben in einem kurzen Satz<br />

beschreiben würde. Aber das ist meine Meinung,<br />

und vielleicht auch nur meine Meinung. So <strong>wie</strong> alles<br />

im Leben immer im Auge des Betrachters liegt.<br />

So verhält es sich auch mit dem heutigem Interesse<br />

an der Person und der Schauspielerin <strong>Romy</strong><br />

Schneider.<br />

Wer <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> Schneider?<br />

Diese Frage stellte ich mir mein Leben lang. Mein<br />

Leben lang begeisterte ich mich für <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

Bereits in frühster Jugend habe ich damit begonnen<br />

alles über <strong>Romy</strong> Schneider zu sammeln was mir in<br />

die Hände geriet. Bis heute betrachte ich diese<br />

Person, als Künstlerin <strong>wie</strong> auch als Mensch – als<br />

ewigen Mythos, als Legende.<br />

Doch was ist ewig?<br />

„Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ - predigt die Kirche.<br />

Nun, ich persönlich glaube nicht an Gott. Diese<br />

beschriebene Ewigkeit entzieht sich somit meiner<br />

Vorstellungskraft - leider. Viel mehr glaube ich daran,<br />

das Nichts ewig ist. <strong>Romy</strong> Schneider gilt als Mythos,<br />

als Legende – unvergessen, geliebt, und in den<br />

Herzen eines Millionen Publikums.<br />

Im Wandel der Zeit erkenne ich, das es immer<br />

weniger Menschen gibt, die sich von <strong>Romy</strong><br />

Schneider in ihren Bann gezogen fühlen, die sich<br />

weder für die Person, als auch das künstlerische<br />

Werk dieser Frau interes<strong>sie</strong>ren. Nach der<br />

Veröffentlichung von <strong>Bühne</strong> des Lebens plante ich<br />

ein weiteres Werk zu Ehren <strong>Romy</strong> Schneider zu<br />

Ihrem 80. Geburtstag in diesem Jahr. Doch eines<br />

Tages stellte ich mir die Frage was ich eigentlich<br />

noch sagen will, ich habe doch schon so viel gesagt<br />

und noch mehr geschrieben.<br />

Was die Herausgabe eines Buches an dieser Stelle<br />

überflüssig macht. Auch wollte ich nicht das<br />

tausendste Buch über <strong>Romy</strong> Schneider schreiben.<br />

So kam ich, zusammen mit dem Vorstand meines<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.V zu der Erkenntnis, es bei<br />

der Herausgabe eines Magazins anlässlich des 80.<br />

Geburtstages zu belassen.<br />

Es mag sein, das <strong>Romy</strong> Schneider in der heutigen<br />

Zeit, im Zeitalter eines medialen Überangebotes<br />

nicht mehr von allzu großem Interesse ist. In Zeiten<br />

von Social Media Stars oder auch<br />

Influencern – was meiner Meinung nach , nach einer<br />

mittelschweren Krankheit klingt...Ist das Interesse an<br />

den <strong>wirklich</strong>en Ikonen, den Personen die in ihrem<br />

Leben doch tatsächlich etwas geleistet haben, viel<br />

mehr etwas bewirkten – gesunken.


So lässt sich auf dem Internationalen Markt<br />

beobachten <strong>wie</strong> Exponate von oder über <strong>Romy</strong><br />

Schneider den Sammlern völlig hinterher geschmissen<br />

werden. Noch vor einiger Zeit <strong>war</strong> es so, das sich ein<br />

Sammler daran erfreute Autogramme, Bücher oder<br />

gar Objekte die ihr persönlich gehörten zu erwerben.<br />

Das <strong>war</strong> etwas ganz besonders.<br />

Heute ist es anders. Heute ist der Sammler an<br />

Dumpingpreise gewöhnt, denn er verfolgt die erzielten<br />

Preise auf zahlreichen Online Plattformen. Original<br />

Fotografien, Handabzüge von Fotografen mit deren<br />

Signatur sind drastisch im Wert gesunken. Denn<br />

Heute gibt es Google, Facebook oder Instagram, um<br />

nur einige der neuen Quellen zu benennen. Dort so<br />

das verbreitete denken, ist es möglich sich die<br />

Fotografie herunterzuladen um <strong>sie</strong> anschließend im<br />

Fotoautomaten auszudrucken.<br />

Dies ist die eine Seite die ich ohne <strong>sie</strong> zu bewerten<br />

niederschreibe. Die andere Seite ist die, das der Kreis<br />

derer, welche überhaupt etwas über <strong>Romy</strong> Schneider<br />

wissen, immer überschaubarer wird – gerade in der<br />

Generation von „heute“. Mein persönliches Ziel ist es<br />

nie gewesen, diesen Menschen <strong>Romy</strong> Schneider<br />

näher zu bringen. Mein Ziel ist und bleibt es, jenen die<br />

<strong>sie</strong> kennen und verehren den Menschen <strong>Romy</strong><br />

Schneider noch ein Stück weit näher zu bringen. Dies<br />

durch die Publikation von vielleicht unbekanntem<br />

Material in meinen Büchern als auch im <strong>Romy</strong><br />

Schneider Archiv.<br />

Mein ganz persönliches Anliegen ist die<br />

Schauspielkunst. Die <strong>Bühne</strong>nkunst in der Welt des<br />

Theaters und des Films nach den großen Mythologen<br />

Jerzy Grotowski, Konstantin S. Stanislawski, Lee<br />

Strasberg. Als Schauspielerin <strong>war</strong> es <strong>Romy</strong> Schneider<br />

gelungen diese Kunst zu verstehen, zu verinnerlichen<br />

und dem Publikum zu präsentieren. Zeugnis dafür sind<br />

ihre zahlreichen Filme beispielsweise mit Ihrem<br />

Lehrer, Ihrem Meister, Ihrem Weggefährten Luchino<br />

Visconti. Sie selbst sagte einmal, „ich bin keine Liz<br />

Taylor, keine Marilyn Monroe, aber ich bin<br />

Schauspielerin – verstehen <strong>sie</strong>?“ Das ist es worauf ich<br />

meine Arbeit für das <strong>Romy</strong> Schneider Archiv und<br />

auch meine Arbeit als Autorin des Buches <strong>Bühne</strong> des<br />

Lebens begründe. Sie <strong>war</strong> eine Schauspielerin welche<br />

der Nachwelt, uns Künstlern oder auch<br />

Filmbegeisterten etwas bleibendes hinterließ.<br />

Kunst ba<strong>sie</strong>rt auf der Grundlage eines Fundamentes,<br />

auf Talent, Technik und das Wissen darüber eine<br />

erlernte Technik anzuwenden, was durch die<br />

permanente Arbeit des Schauspielers an sich selbst<br />

und des Rollenfaches erreicht werden kann – dies<br />

sind Themen des ersten Semesters einer jeden<br />

Schauspielschule getauft.<br />

An dieser Stelle möchte ich meine Mentorin zitieren,<br />

die einmal zu mir sagte: „ Es ist nicht wichtig welches<br />

Talent in dir steckt, es ist nur wichtig was du bereit<br />

bist dafür zu tun, an dir selbst zu arbeiten.“ Heute ist<br />

ein solches Wissen über Grundlagen und Technik<br />

einer Kunst nur selten erkennbar in den Darstellungen<br />

der jeweiligen Protagonisten. Im Schauspielbereich<br />

gibt es natürlich Namen von Größen die heute auf der<br />

selben Stufe stehen <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> Schneider damals.<br />

Dies möchte ich nicht bestreiten und schon gar nicht in<br />

Frage stellen. Dennoch gibt es auch die andere Seite<br />

auf der sich die sogenannten Personen des<br />

öffentlichen Lebens <strong>wie</strong>derfinden, für deren passende<br />

Beschreibung nur wenige Worte genügen – nichts<br />

gelernt, nichts geleistet – sich selbst mit dem Namen<br />

Weltstar<br />

Junge Talente zu fördern, ihre Begabungen zu<br />

erkennen und <strong>sie</strong> auf Ihrem Weg zu begleiten. Diese<br />

Aufgabe haben wir uns mit der Arbeit des <strong>Romy</strong><br />

Schneider Archiv e.V. zum Ziel gesetzt. Zusammen<br />

mit unseren Gründungsmitgliedern suchten wir nach<br />

Möglichkeiten die Wege aufzeigen dieses Ziel zu<br />

erreichen. In Boxpromoterin Eva Rolle fanden wir eine<br />

gestandene Persönlichkeit mit dem Herzen auf dem<br />

rechtem Fleck. Eva Rocky Rolle oder auch“Pitbull“<br />

konzipierte bereits vor einigen Jahren ein Projekt<br />

welches Kinder der Großstadt ländliche Gebiete<br />

besuchen lies um dort etwas von den Grundlagen des<br />

Boxsportes zu erfahren. Gemeinsam entstand die Idee<br />

dieses Projekt erneut ins Leben zu rufen, im<br />

sportlichen Bereich als auch in der Kunst – im<br />

darstellenden Spiel. Am Ende dieses Magazins stellt<br />

sich das <strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.V. vor, lesen <strong>sie</strong><br />

dort über die Entstehung des Vereins und natürlich<br />

über unsere Philosophie. Vielleicht ist es uns<br />

gelungen, mit unseren Ideen, unserem Konzept etwas<br />

anzusprechen was auch Ihren Wünschen und<br />

Vorstellungen entspricht. Wir würden uns freuen,<br />

zahlreiche neue Mitglieder begrüßen zu dürfen die<br />

gemeinsam mit uns an der Reali<strong>sie</strong>rung dieser Ziele<br />

arbeiten.<br />

Die Einleitung zu diesem Magazin möchte ich mit<br />

einem Gesprächsresüme beenden.<br />

Ich wurde von einer mir nahestehenden Person<br />

angesprochen <strong>war</strong>um ich mich mit Toten beschäftige.<br />

Eine ganz banale und plumpe Frage – <strong>wie</strong> ich fand.<br />

Da es für mich keine „doofen Fragen“ sondern nur<br />

„doofe Antworten“ gibt setzte ich mich mit dieser mit<br />

weniger verständlichen Frage auseinander. Gemeint<br />

<strong>war</strong> natürlich - <strong>Romy</strong> Schneider. Dieses Gespräch,<br />

vielmehr der Inhalt des Gespräches beschäftigte mich<br />

eine lange Zeit. So kam es, das ich meine Arbeit sogar<br />

für einen kurzen Moment in Frage stellte und mich<br />

selbst nach dem <strong>war</strong>um fragte...


Heute kenne ich die Antwort auf diese Frage... Die Schauspielkunst, ihre Geschichte die Personen die etwas<br />

auf diesem Gebiet vollbrachten sind das Bestreben meiner Arbeit. Das Bestreben des <strong>Romy</strong> Schneider<br />

Archivs, so<strong>wie</strong> auch das Bestreben des ZeitBlatt Magazins. Nachhaltigkeit, Talent – Kunst, das ist es was wir<br />

als unsere Passion beschreiben. Diese Themen sollen uns auch weiterhin beschäftigen, denn das ist das<br />

Getriebe des Motors der uns in unserem kreativen Schaffen antreibt. Unsere Zielsetzungen und Leitfäden die<br />

wir auch in Zukunft verfolgen und ver<strong>wirklich</strong>en wollen.<br />

Diese Passion, möchten wir mit Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser teilen.<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

Inhaber:<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.V.<br />

ZEITBLATT Magazin


TEIL 1<br />

Ich werde<br />

weiterleben<br />

TEIL 1<br />

und richtig gut .......<br />

R O M Y W I E S I E W I R K L I C H W A R<br />

ROMYS BÜHNE


1 erste<br />

alles begann<br />

Wie<br />

Albach und der<br />

Rosemarie<br />

Film<br />

Am Abend des 14. Juli 1953 rasselte im Hause<br />

Mariengrund das Telefon.<br />

Es <strong>war</strong> schon spät, <strong>Romy</strong> saß mit ihren Großeltern am<br />

Tisch und <strong>sie</strong> spielten gemütlich Karten, als ein Anruf<br />

von ihrer Mutter Magda aus München eintraf. „Pack<br />

deine Koffer und mach dich hübsch. Nimm den<br />

Frühzug nach München.“ <strong>Romy</strong> wusste gar nicht, <strong>wie</strong><br />

ihr geschah, als <strong>sie</strong> die Worte ihrer Mutter vernahm.<br />

Auf dem Weg nach München schrieb <strong>sie</strong> voller Freude<br />

in ihr Tagebuch, welches <strong>sie</strong> „Peggy“ nannte: „Ich filme,<br />

ich fiiilme, wenn alles klappt, heißt es, das <strong>war</strong> ein<br />

Tag!“<br />

Magda Schneider hatte einen Vertrag für eine neue<br />

Filmarbeit in München angeboten bekommen, für den<br />

Film: „Wenn der weiße Flieder <strong>wie</strong>der blüht“. Da die<br />

Besetzung noch nicht vollständig <strong>war</strong> und es für die<br />

Rolle ihrer Filmtochter noch keine<br />

Besetzungsvorschläge gab, wurde Magda gefragt, ob<br />

<strong>sie</strong> nicht eine Tochter habe und diese nicht auch mal im<br />

Film ihre Tochter spielen würde. <strong>Romy</strong> schrieb am 15.<br />

Juli 1953 in ihr Tagebuch, was ihrer Mutter in diesem<br />

Moment durch den Kopf ging:<br />

„Sie sagte nicht nein (die Liebste!). Sie sagte aber auch<br />

nicht ja. Sie sagte zuerst gar nichts, nahm das<br />

Drehbuch und fuhr nach Hause ins Hotel, um es dort<br />

zu lesen.“<br />

Zunächst einmal sollte <strong>Romy</strong> sich beim Regisseur<br />

vorstellen. Sie zog ihr schönstes Kleid an, das<br />

Hellblaue von Mama, dazu den guten Mantel, die<br />

Handschuhe und ihre Absatzschuhe und machte sich<br />

hübsch. Sie <strong>war</strong> sehr aufgeregt, schließlich würde sich<br />

in ein paar Stunden entscheiden, ob <strong>sie</strong> ihre erste Rolle<br />

bekommen sollte.<br />

Am 18. August kannte <strong>sie</strong> ihren Text längst<br />

auswendig und <strong>war</strong> voller Vorfreude auf die<br />

bevorstehenden Probeaufnahmen. Sie konnte es gar<br />

nicht ab<strong>war</strong>ten. <strong>Romy</strong> konnte sich sehr gut in das<br />

Mädchen, das <strong>sie</strong> im Film verkörpern sollte, hinein<br />

versetzen, konnte erahnen, was diese in der<br />

jeweiligen Situation fühlen und denken würde. Ihrem<br />

Tagebuch, das Sie „Peggy“ nannte, vertraute <strong>sie</strong><br />

zuversichtlich an: „Ich kann das bestimmt spielen.“<br />

Anfang September endlich sollten die lang er<strong>war</strong>teten<br />

Probeaufnahmen beginnen. <strong>Romy</strong> konnte überhaupt<br />

nicht mehr klar denken und <strong>war</strong> völlig irritiert von den<br />

vielen Menschen, die sich im Aufnahmeraum<br />

befanden. Sie <strong>war</strong> davon ausgegangen, das sich nur<br />

die Schauspieler und Hans Deppe dort aufhalten<br />

würden.<br />

Sie verstand, dass die übrigen Leute auch<br />

dazugehörten, und gewöhnte sich schnell an all die<br />

Menschen, das Licht und die Kamera.<br />

„Nicht in die Kamera schauen!“, tönte es aus der<br />

Regieanweisung. <strong>Romy</strong> folgte gehorsam, ging <strong>wie</strong><br />

besprochen durch die Tür, hängte ihren Mantel auf<br />

und setzte sich an den Tisch, an dem Magda<br />

Schneider bereits saß. „Und dann sprachen wir beide<br />

so, <strong>wie</strong> ich es gelernt hatte. Plötzlich, auf einmal, <strong>war</strong><br />

es aus. Fein <strong>Romy</strong>chen, fein haste det jemacht“,<br />

sagte Herr Deppe.<br />

Damit <strong>war</strong>en die Probeaufnahmen beendet und<br />

<strong>Romy</strong> Albach <strong>war</strong> zusammen mit ihrer Mutter für<br />

ihren ersten Film: „Wenn der weiße Flieder <strong>wie</strong>der<br />

blüht“ engagiert. Der Einstieg in die Welt des Films<br />

<strong>war</strong> geschafft, am 8. September 1953 starteten die<br />

offiziellen Dreharbeiten. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> glücklich. Und<br />

Mutter Magda noch viel glücklicher.<br />

Kaum <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> in München angekommen, machte<br />

sich Magda Schneider zusammen mit ihrer Tochter auf<br />

den Weg ins Krankenhaus. Dort lag der Regisseur<br />

Hans Deppe mit einem bandagierten Bein. Sie wurden<br />

von Hans Deppe und den anderen Mitarbeitern des<br />

Films bereits er<strong>war</strong>tet. <strong>Romy</strong> bekam lediglich das<br />

Gesicht von Hans Deppe zu sehen, der Rest blieb für<br />

Sie unter Decken und Verbänden verborgen. Dennoch<br />

machte <strong>sie</strong> brav einen Knicks und stellte sich vor.<br />

„Mensch, det isse ja!“, stieß Deppe hervor und lud<br />

<strong>Romy</strong> prompt zu Probeaufnahmen nach Berlin ein.“<br />

„Ich, <strong>Romy</strong> Albach, zu Probeaufnahmen nach Berlin?“


2<br />

wird<br />

Ein Traum wahr<br />

Das Mädchen Rosemarie Albach Retty wurde zum<br />

Filmstar <strong>Romy</strong> Schneider. Vom „Schrecken“ des<br />

Internats zum Kassenschlager des Deutschen<br />

Filmgeschäfts. Das Pendant zum deutschen<br />

Wirtschaftswunder. Das Erfolgskonzept des frisch<br />

gebackenen Nachwuchstalents?<br />

Ein zarter unbekümmerter Charme. <strong>Romy</strong> erinnert sich<br />

zurück an die Zeit, wo <strong>sie</strong> selbst noch keine<br />

Schauspielerin, sondern das Kind eines berühmten<br />

Schauspieler-Paares <strong>war</strong>: „Als ich ins Internat kam<br />

wurde ich gleich bestürmt: Was, du bist Rosemarie<br />

Albach? Und dein Vater ist Wolf Albach Retty? Was<br />

sollte ich damals darauf sagen? Ich <strong>war</strong> nämlich noch<br />

nie in einem Atelier gewesen. Kurz darauf <strong>war</strong> ich in<br />

einem Atelier, und ich sollte es auch so schnell nicht<br />

mehr vergessen. Ich spielte hemmungslos drauf los, bei<br />

den Probeaufnahmen „Zum weißen Flieder“. Ich werde<br />

nie vergessen <strong>wie</strong> es <strong>war</strong>, der gestrengen Präfektin<br />

noch einmal die Hand zu schütteln und den anderen<br />

Mädchen ein letztes Mal zuzuwinken.“<br />

Vergessen <strong>war</strong>en nun die Tage, wo Rosemarie Albach<br />

von der Frau Präfektin mit einem Karl May Buch bei der<br />

Andacht erwischt wurde. Vorbei <strong>war</strong>en die Stunden, in<br />

denen in den Schlafräumen der Mädchen quatsch<br />

gemacht wurde. Die Schulzeit glich dem Hauch der<br />

Erinnerung an vergangene Schulmädchen-Tage: „Doch<br />

ich habe mich nicht geändert.“<br />

Die gleiche Unbekümmertheit, die einst der Frau<br />

Präfektin im Internat Kopfschmerzen bereitet hatte,<br />

bereitete nun einem Millionen-Publikum Freude: „Man<br />

sagt, den Erfolg des weißen Flieders hätte ich dieser,<br />

meiner Unbekümmertheit zu verdanken.“<br />

Nach dem „Weißen Flieder“ engagierte man die junge<br />

<strong>Romy</strong> für die Filme „Feuerwerk“, dann folgten<br />

„Mädchenjahre einer Königin“, „Die Deutschmeister“,<br />

„Der letzte Mann“ und schließlich „Sissi“.<br />

In nur zwei Jahren Filmkarriere überschritt die Zahl der<br />

Heiratsanträge die Grenze der Zehntausend. Die<br />

Filmproduzenten überboten einander um den<br />

Nachwuchsstar zu engagieren. Denn insgeheim fragte<br />

man sich, <strong>wie</strong> lange der zarte Schmelz dieses<br />

Backfisches wohl andauern würde, um den<br />

kommerziellen Erfolg der Filme zu garantieren. „Jeder<br />

wird mal älter“, sagten die Produzenten in Geiselgasteig<br />

und Tempelhof, denen es nicht gelang <strong>Romy</strong> zu<br />

engagieren. „Aber dann ist es vorbei mit ihr“.<br />

Mit dem Film „Kitty und die große Welt“ gelang <strong>Romy</strong><br />

erstmals der Absprung von den mit der Zeit<br />

ungeliebten „Backfisch-Rollen“ zu annähernd<br />

ernsthaften Filmstoffen.<br />

Sie irrten sich mächtig, so <strong>wie</strong> sich die Studios von<br />

Hollywood geirrt hatten, als <strong>sie</strong> <strong>Romy</strong> nicht<br />

engagierten.<br />

In nur zwei Jahren <strong>war</strong> es <strong>Romy</strong> gelungen sich mit<br />

den sogenannten Backfisch-Rollen an die Spitze des<br />

deutschen Films zu spielen.<br />

„<strong>Romy</strong> spielt alle an die Wand“ lobte ihr Regisseur<br />

Alfred Weidenmann. In „Kitty und die große Welt“<br />

präsentiert sich <strong>Romy</strong> erstmals nicht mehr als<br />

Backfisch, sondern als junge Dame mit erlerntem<br />

Beruf. Mit dieser zarten Rolle, der Angestelltem eines<br />

Genfer Coiffeur-Salons, erlangte ihre Persönlichkeit<br />

einen reiferen Charme.<br />

Die Skala ihrer Ausdrucksmöglichkeiten erweiterte<br />

sich beträchtlich und führten ihr schließlich viele neue<br />

Bewunderer zu.<br />

Dem Regisseur Alfred Weidenmann <strong>war</strong> es<br />

gelungen, Charakter-Schauspieler <strong>wie</strong> O.E. Hasse,<br />

Ernst Schröder, Paul Dahlke, und Charles Regnier in<br />

einem heiteren Film vor die Kamera zu bekommen<br />

und ihnen die jungen Publikumslieblinge <strong>Romy</strong><br />

Schneider und Karlheinz Böhm zu Partnern zu<br />

geben.<br />

So gegensätzlich, <strong>wie</strong> die Hauptdarsteller des Kitty<br />

Films in ihrem Rollenfach sind, ist auch das Milieu, in<br />

dem die Geschichte spielt. Für Kitty sind in dem<br />

Münchner Filmatelier die kleine und die große Welt<br />

enge Nachbarn geworden: Hier der Coiffeur-Salons<br />

des Mon<strong>sie</strong>ur Jeannot (Charles Regnier), in dem die<br />

Maniküren Kitty (<strong>Romy</strong> Schneider) und Jeanette (Ina<br />

Peters) Nägel aus vielen Ländern polieren, weil in<br />

ihrer Stadt, in Genf, gerade <strong>wie</strong>der eine<br />

Außenministerkonferenz bevorsteht.<br />

Das Palais, in dem die Vertreter der großen Vier über<br />

das Schicksal der Welt beraten werden. Die beiden<br />

Welten, vertreten durch den britischen Außenminister<br />

Sir William Ashlin (O.E. Hasse) und die kleine<br />

Maniküre Kitty, begegnen sich in einer Straße Genfs.<br />

Der Außenminister, auf der Suche nach einem<br />

bisschen einfachen Leben, will ausgerechnet von<br />

dem ahnungslosen Backfisch Kitty erfahren, wo man<br />

in dieser Stadt nett zu Abend essen kann.


Kitty, voller Lokalstolz, führt – alle Ermahnungen ihrer<br />

Eltern vergessend – den Fremden zu einem<br />

Gartenrestaurant.<br />

Sie kann auch nicht widerstehen, als er <strong>sie</strong> einlädt, mit<br />

ihm zu Abend zu essen. Und so kommt <strong>Romy</strong><br />

Schneider, alias „Kitty“ in die Weltpresse, weil die<br />

Pressefotografen von Genf das ungleiche Paar<br />

fotografiert haben. Um den drohenden Skandal zu<br />

verhindern, greift Robert Asklin (KarlHeinz Böhm) der<br />

Neffe des Außenministers ein und bringt Kitty in<br />

pressesichere Gefilde am Genfer See.<br />

Nachdem schon das Photo mit dem kleinen Mädchen<br />

Sir William in den Mittelpunkt wilder Sensationsgerüchte<br />

gebracht hat, pas<strong>sie</strong>rt ihm auf einem Spaziergang eine<br />

ganz dumme Geschichte, die ihn davon abhält auf der<br />

Konferenz zu erscheinen. Dort rätselt man herum, was<br />

ihn zu diesem Affront gegen die Politiker der anderen<br />

Länder veranlasst haben kann. Sir William seinerseits<br />

glaubt, diese Geschichte bedeute das Ende seiner<br />

diplomatischen Laufbahn – und schließlich kommt alles<br />

ganz anders, als alle dachten.<br />

Wie in dem Film „Kitty und die große Welt“ bleibt auch<br />

in „Sissi“ die Natürlichkeit <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Trumpf. Mit dem<br />

ersten Teil der Sissi Erfolgs-Trilogie eroberte <strong>Romy</strong> die<br />

Herzen eines Millionenpublikums im Sturm. Sissi wurde<br />

von <strong>Romy</strong> Schneider so herzerfrischend dargestellt, das<br />

in Madrid, Amsterdam und Stockholm während der<br />

Vorstellung spontaner Beifall aufrauschte.<br />

So kam es zum Beispiel, das während eines Madrid<br />

Besuchs einer der Söhne des Saudiarabischen Königs<br />

Sand gefallen an <strong>Romy</strong> gefunden hatte. Da er im<br />

Castella–Hilton Hotel direkt über den Schneiders<br />

wohnte, bat er <strong>Romy</strong> einfach telefonisch zum Tee auf<br />

sein Zimmer.<br />

Als Marischka nach den Erfolgen der ersten beiden<br />

Sissi Filme einen Dritten folgen lassen wollte, lehnte<br />

<strong>Romy</strong> ab.<br />

Auch die Höhe des Honorars brachte <strong>sie</strong> vorerst nicht<br />

von ihrer Weigerung ab. Die Gazetten überschlugen<br />

sich mit klangvollen Schlagzeilen über <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Ablehnung eines dritten Teils der Erfolgs Trilogie.<br />

„Scheut sich <strong>Romy</strong> vor der Rolle der lungenkranken<br />

Kaiserin“ oder „Sissi nicht mehr Salonfähig“ titelten die<br />

Gazetten in ganz Europa.<br />

Doch <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> geplagt von starken Angstgefühlen.<br />

Sie hatte Angst davor in das Rollenklischee der<br />

pausbäckigen Kaiserin gepresst zu werden. Von Glanz<br />

und Elend des Wiener Hofes wollte <strong>sie</strong> sich endlich<br />

befreien. Doch bevor ihr dieser Befreiungsschlag gelang<br />

spielte <strong>sie</strong> noch ein drittes Mal an der Seite von Karl-<br />

Heinz Böhm die Rolle der österreichischen Kaiserin.<br />

Alle drei Sissi-Filme <strong>war</strong>en nach den Ideen und Texten<br />

jenes Ernst Marischka entstanden, der zusammen mit<br />

seinem Bruder im Jahre 1932 schon die Texte für<br />

Kreislers „Singspiel“ geschrieben hatte.<br />

Ein Millionen-Publikum hätte es damals <strong>wie</strong> heute sehr<br />

bedauert, wenn <strong>Romy</strong> ihrem ersten Impuls<br />

nachgegeben und nicht ein drittes Mal Sissis<br />

Kaiserkrone aufgesetzt hätte, <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> es aus Angst vor<br />

dem Klischee zunächst wollte.<br />

Ernst Marischka hatte noch einmal ein Drehbuch<br />

geschrieben, das <strong>Romy</strong> sowohl als Schauspielerin, als<br />

auch als junge und begeisterungsfähige Frau von<br />

neunzehn Jahren einfach ansprechen musste. Als<br />

Schauspielerin bot ihr die Rolle die Möglichkeit, ihren<br />

Jahren beträchtlich voraus zu eilen, und verlangte von<br />

ihr, sich in die Gefühlswelt einer reifen Frau und<br />

Monarchin hinein zu finden.<br />

<strong>Romy</strong> müsste jedoch nicht das unverfälschte junge<br />

Menschenkind sein, wenn <strong>sie</strong> nicht auch die<br />

prachtvollen Kostüme und der grandiose Aufwand des<br />

Films reizen würden. Vor allem die Schlussszene, das<br />

Finale des letzten Films lassen selbst noch die Pracht<br />

der ungarischen Krönung im zweiten Teil verblassen.<br />

Ernst Marischka fuhr mit seiner Kaiserin <strong>Romy</strong> und<br />

seinem Kaiser Karl-Heinz extra für Außenaufnahmen<br />

nach Italien.<br />

Dort hatte er für die Ver<strong>wirklich</strong>ung seiner Vision, das<br />

Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth, Sissi,<br />

filmisch darzustellen, keine Kosten und Mühen<br />

gescheut. Für die Dreharbeiten von „Sissi,<br />

Schicksalsjahre einer Kaiserin“ wurde eigens der<br />

berühmte Canale Grande eine Stunde lang gesperrt.


Wo sonst Motorboote, Barken und Gondeln dicht an<br />

dicht dahin gleiten, regierte sechzig Minuten lang einzig<br />

und allein der Aufnahmestab von „Sissi, Schicksalsjahre<br />

einer Kaiserin“. Er inszenierte ein wahres Märchen von<br />

Venedig: Eine glanzvolle Gondelfahrt auf dem Canale<br />

Grande und eine phantastische Demonstration auf dem<br />

Markusplatz. Marischka mag bei diesem grandiosen<br />

Schluss vielleicht ganz bewusst nach dem alten<br />

Sprichwort gehandelt haben: “Wenn es am Schönsten<br />

ist, soll man aufhören“. So endete die Sissi Trilogie in<br />

Glanz und Schönheit.<br />

Gazetten in der ganzen Welt titelten : „Der glanzvolle 3.<br />

Teil eines Welterfolges“ „Der Höhepunkt der<br />

faszinierenden Lebensgeschichte der Kaiserin Elisabeth<br />

von Österreich“ „Der schönste Sissi Farbfilm,<br />

glanzvoller denn je“<br />

Schließlich erhielt Sissi den Bambi als kassenstärkster<br />

Film.<br />

Im dritten Teil der Sissi Trilogie verkörperte <strong>Romy</strong> die<br />

unglückliche Herrscherin, deren melancholische<br />

Persönlichkeit immer <strong>wie</strong>der Historiker,<br />

Romanschriftsteller, Film- und Operetten-Autoren und<br />

ein MillionenPublikum in ihren Bann zieht, ein letztes<br />

Mal.<br />

Elisabeth, genannt Sissi, als Kind einer Nebenlinie des<br />

Hauses Wittelsbach zum ungezwungenen Landleben,<br />

aber nicht zum regieren erzogen, wird im Jahre 1854<br />

plötzlich in das kalte Zeremoniell des Wiener Hofes<br />

gepresst. Das auch die Liebe des Kaiser Franz Joseph<br />

nicht erwärmen kann. Sie erlebt die unglückliche Liebe<br />

ihrer Schwester Sophie zu ihrem Vetter, dem<br />

Bayernkönig Ludwig II. Ihre Schwester Sophie hatte<br />

sich hoffnungslos in den Märchenkönig von Bayern<br />

verliebt.<br />

Doch dieser hegte nur freundschaftliche Gefühle zu ihr,<br />

da er, so munkelte man, homosexuell <strong>war</strong>. Worunter<br />

<strong>sie</strong> ein Leben lang zu leiden hatte, denn er <strong>war</strong> ihre<br />

einzige große Liebe.<br />

Sie verliert in der Tragödie von Schloß Mayerling ihren<br />

einzigen Sohn, Kronprinz Rudolf. Und <strong>sie</strong> irrt schließlich<br />

ruhelos und gehetzt durch die Welt, die keine Aufgabe<br />

mehr für <strong>sie</strong> hat. Denn das komplizierte Gefüge des<br />

österreichischen Staates lässt der Kaiserin nur die<br />

leeren Pflichten der Repräsentation, die ihr verhasst<br />

sind. Selbst bei der Erziehung der Kinder regiert nicht<br />

das Gefühl der Mutter, sondern die Staatsraison.<br />

Mit ihrer Verkörperung der österreichischen Kaiserin<br />

wird <strong>Romy</strong> zur jüngsten Mutter des deutschen Films.<br />

Im Film sichert sich Sissi, aller Hofintriegen zum Trotze,<br />

doch wenigstens das Familienglück.<br />

Dieses Familienglück welches sich Kaiserin Sissi im<br />

Film erkämpfte, in dem <strong>sie</strong> sich gegen die verhasste<br />

Sch<strong>wie</strong>germutter, Erzherzogin Sophie durchsetze, <strong>war</strong><br />

der echten Kaiserin nicht vergönnt.<br />

„Film ist eben Illusion – Filmstars sind eben Menschen<br />

mit Illusionen“<br />

Ernst Marischka hatte Recht, in dem er zu <strong>Romy</strong> sagte:<br />

„Du wirst alle jungen Mädchen Europas zum Träumen<br />

bringen“<br />

Wer andere zum Träumen bringen mag, mag auch<br />

selbst gern einmal träumen. So träumte <strong>Romy</strong> im zarten<br />

Alter von achtzehn Jahren von den eigenen vier<br />

Wänden, der ersten eigenen Wohnung. Sie hatte es satt<br />

während der Dreharbeiten immer in Hotels zu wohnen<br />

„Ich möchte endlich einmal eine eigene Wohnung,<br />

eigene vier Wände haben“.<br />

Das Haus soll in Berlin stehen. In der Königsallee im<br />

Grunewald. Während der Drehpausen zu Sissi<br />

verbrachte <strong>Romy</strong> jede freie Minute damit, die Pläne der<br />

Architekten eifrig zu studieren. Sie wählt zwischen<br />

Tapetenmustern und Möbelangeboten.<br />

„Eines steht fest: Alle Räume werden im Pariser Stil<br />

eingerichtet.“ <strong>Romy</strong> träumt weiter: „ Alle Zimmer sollen<br />

helle Pastellfarben erhalten. Der große Wohnraum wird<br />

gelb... das Schlafzimmer wird gelb, das Badezimmer<br />

hellblau. Ich stelle mir eine große Terrasse zum See<br />

vor, und im Garten natürlich ein schönes<br />

Schwimmbassin.“ Die Möbel?<br />

Nichts geziertes, keine teuren Goebelins, kein Plüsch.<br />

„Auch in Paris gibt es helle, moderne Möbel.“ In der Villa<br />

soll ein Lokal untergebracht werden! „Es soll aber<br />

keines Weges <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Künstlerkeller oder <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Bar<br />

heißen.“<br />

Scherzhaft sagt <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Stiefvater Hans Herbert<br />

Blatzheim, der Kölner Gastronomie- Zar „Bei meiner<br />

Tochter werde Ich Wirt im Haus“ Sichtlich erfreut über<br />

den Erfolg seiner Stieftochter wehrte er jedoch ab „Mit<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Namen möchte ich keine Geschäfte machen.“<br />

Doch schien auch er sichtlich erfreut darüber zu sein,<br />

dass es <strong>Romy</strong> gelungen <strong>war</strong> mit nur neunzehn Jahren<br />

weltweiten Bekanntheitsgrad zu erlangen.


3<br />

Star<br />

deutscher<br />

Ein<br />

Amerika in<br />

Vor ihrem Abflug nach Amerika gab <strong>Romy</strong> der<br />

Redakteurin Louella Parsons ein Interview, in ihrem<br />

schönen Haus in Mariengrund, mit Magda Schneider.<br />

„Ich bin weder schön noch sexy“ sagte <strong>sie</strong> zur Parsons,<br />

weil es ihr peinlich <strong>war</strong>, als schönste Schauspielerin<br />

Europas betitelt zu werden. Louella Parsons bestätigte:<br />

„Sie sei nicht schön und auch nicht sexy, <strong>sie</strong> sei mehr:<br />

nämlich reizend hoch drei!“<br />

<strong>Romy</strong> wirkt <strong>wie</strong> ein Schulmädchen, nicht <strong>wie</strong> der größte<br />

Star Europas, befanden die Interna der Weltstars.<br />

<strong>Romy</strong> vertraute Louella Parsons an, <strong>sie</strong> bekomme nicht,<br />

<strong>wie</strong> in den Medien behauptet, 3000 Liebesbriefe<br />

wöchentlich, es seien „nur“ 600. Sie sagte ihr auch, <strong>sie</strong><br />

hasse das Wort „Glamour“, <strong>sie</strong> wolle als ernsthafte<br />

Schauspielerin akzeptiert werden und nicht auf Beine<br />

zeigen und Nacktkunst zurückgreifen.<br />

Mit einem weißen Bären im Arm, begleitet von Mutter<br />

Magda, startete <strong>Romy</strong> von München aus nach New<br />

York. Die mit einer Luxuskabine für Mutter und Tochter<br />

ausgestattete planmäßige Maschine von Düsseldorf<br />

nach New York <strong>war</strong> eigens über München umgeleitet<br />

worden.<br />

Gleichzeitig in 400 amerikanischen Städten lief deren<br />

gemeinsamer Film „Mädchenjahre einer Königin“<br />

erstmals vor amerikanischem Publikum.<br />

Der größte Filmmanager der Welt, der Micky Maus<br />

Schöpfer Walt Disney hatte <strong>Romy</strong> und Magda<br />

Schneider eingeladen. Mit Hilfe eines täglichen,<br />

zwölfstündigen Pensums sollte <strong>Romy</strong> in New York und<br />

dann in Hollywood, mit allen Mitteln der amerikanischen<br />

Publicity Maschine, für die Kinobesucher populär<br />

gemacht werden „So gewaltig habe ich mir die<br />

Wolkenkratzer nicht vorgestellt“ gestand <strong>Romy</strong>, die<br />

gleich nach ihrer Ankunft einen Stadtrundgang durch<br />

New York machte. Zusammen mit ihrer Mutter, Magda<br />

Schneider, stellte <strong>sie</strong> sich vor einem New Yorker Revue<br />

Theater den Fotografen.<br />

Wenige Stunden später hatte ihr gemeinsamer Film<br />

„Mädchenjahre einer Königin“ Premiere. Die<br />

dreiwöchige Amerikareise sollte <strong>sie</strong> quer durchs Land<br />

und durch Hollywood, der Traumstadt aller Stars führen.<br />

Natürlich stand auch ein Besuch des Trickfilm-Ateliers<br />

von Walt Disney auf dem Plan.<br />

In New York saß <strong>Romy</strong> dem berühmten Maler Pietro<br />

Annigoni Modell. Pietro Annigoni hatte <strong>sie</strong> in sein<br />

feudales New Yorker Atelier eingeladen, um <strong>sie</strong> dort für<br />

die Ewigkeit in Öl festzuhalten. Wenige Tage vorher<br />

erregte Pietro Annigoni großes Aufsehen mit seinem<br />

Portrait von der englischen Prinzessin Margret. Annigoni<br />

malte <strong>Romy</strong> in dem Kostüm der jungen Queen Viktoria<br />

von England aus ihrem Film: „Mädchenjahre einer<br />

Königin“.<br />

Auch danach hatte <strong>Romy</strong> kaum Zeit zum verschnaufen.<br />

Ein Termin folgte dem Nächsten, <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Terminkalender <strong>war</strong> prall gefüllt. Auf dem Plan standen<br />

Empfänge beim österreichischen Generalkonsul, bei<br />

den verschiedensten Zeitungen, Rundfunk- und<br />

Fernsehstationen. Trotz der ganzen Flut an Terminen<br />

<strong>war</strong> es <strong>Romy</strong> gelungen, sich einen ganz persönlichen<br />

Herzenswunsch zu erfüllen: Den Ausverkauf in Macys<br />

Warenhaus zu besuchen, das gerade sein 100 jähriges<br />

Jubiläum feierte.<br />

Bewegt von den vielen tausend Eindrücken sagte<br />

<strong>Romy</strong>: „So schnell kann ich gar nicht alles verarbeiten.“<br />

Ihr Weg führte <strong>sie</strong> unter anderem auch durch die MGM<br />

Filmstudios in Hollywood, wo man ihr den baumlangen<br />

Held der Fernsehverfilmung des Romanes<br />

„Mord Westpassage“, Buddy Ebsen vorstellte. Felix<br />

Wayne führte <strong>Romy</strong> und Magda Schneider an zwei<br />

Tagen durch die MGM Produktionsstätten.<br />

Nach fünf Tagen in New York hatte <strong>Romy</strong> bereits sechs<br />

Fernsehsendungen und vierzehn Interviews absolviert.<br />

Erstaunt bemerkte <strong>sie</strong>: „Ich hätte nie geglaubt, das so<br />

viele Leute in Amerika deutsch sprechen können. Viele,<br />

viele gute Freunde und alte Bekannte haben wir<br />

begrüßen können. Auf einer Party, die der deutsche<br />

Generalkonsul Dr. Eduard Schneider in Los Angeles für<br />

uns gab, schüttelten wir Hände mit der unvergessenen<br />

Fritzi Massary, dem Regisseur William Dieterle, dem<br />

Produzenten Gottfried Reinhardt.<br />

Auch Liselotte Pulver, Curd Jürgens und Helmut<br />

Käutner, die alle in Hollywood drehten, <strong>war</strong>en<br />

gekommen, um mir zur Premiere meines Films:<br />

„Mädchenjahre einer Königin“ Hals und Beinbruch zu<br />

wünschen. Was mir am Besten gefallen hat? Ich kann<br />

es einfach noch nicht sagen.


Die vielen, vielen Eindrücke haben mich überwältigt.<br />

Interessant <strong>war</strong> auf alle Fälle die großartige Aufführung<br />

des Broadway Erfolgs „My fair Lady“, der Wiener<br />

Opernball und der „Rosenkavalier“ in der Metropolitan<br />

unter Professor Böhm. Was mir hier nicht gefällt?- Vor<br />

allem die überheizten Räume in New York. Wo man<br />

sich sofort die Kleider vom Leib reißen möchte, wenn<br />

man von draußen in ein Zimmer kommt. Nicht ganz<br />

einverstanden <strong>war</strong> ich auch mit der Reklame, die<br />

manchmal um mich gemacht wurde. In Zeitungsnotizen<br />

<strong>war</strong> ich als „schönste Europäerin“ vorgestellt worden.<br />

Einfach lächerlich! Bei manchen Interviews wurden mir<br />

auch törichte Fragen gestellt.<br />

Beispielsweise fragte man immer und immer <strong>wie</strong>der, ob<br />

ich Elvis Presley gern habe und ihn sehen möchte.<br />

Wenn ich erklärte, dass ich Bing Crosby oder Frank<br />

Sinatra vorziehe, lachten <strong>sie</strong>.“<br />

In den Walt Disney Studios wurden von <strong>Romy</strong><br />

Schneider erste Probeaufnahmen gemacht. In einer<br />

Schweizer Tracht à la Hollywood machte <strong>Romy</strong><br />

Probeaufnahmen für den Sommerfilm „Banner in the<br />

sky“, den Disney 1959 in der Schweiz verfilmen wollte.<br />

Ihr Erster Filmpartner in Hollywood <strong>war</strong> der Fernsehstar<br />

Jerome Courtland, den <strong>Romy</strong> seit dieser Zeit<br />

anhimmelte, da er <strong>sie</strong> um mehr als Haupteslänge<br />

überragte.<br />

„Was ich spielen werde, kann ich noch nicht sagen. Ich<br />

habe eigentlich keine Idealrollen im Sinn. Aber wenn ich<br />

eine nennen sollte, dann müsste ich sagen, die<br />

Christine in Schnitzlers „Liebelei“, die Rolle, die meine<br />

Mama in der ersten Fassung gespielt hat und die ich<br />

bald in Frankreich drehen werde. Ich pauke dafür schon<br />

eifrig französisch.<br />

Ich weiß das Amerika filmisch gesehen ein schweres<br />

Pflaster ist. Aber ich bin bereit den Kampf<br />

aufzunehmen. Hoffentlich findet man für mich die<br />

richtige Story. Kein Teenager, sondern eine Art<br />

„Christine“. Königinnen gab es ja keine in der<br />

amerikanischen Geschichte. Ich habe vieles gesehen<br />

und erlebt. Aber ich weiß, dass man auf den ersten<br />

Blick nicht alles erfassen kann.<br />

Ich hoffe, eines Tages nach Amerika zurückzukehren<br />

und in Ruhe mehr zu sehen. Zunächst werde ich in<br />

Deutschland meinen nächsten Film: „Mädchen in<br />

Uniform“ drehen.“<br />

Als man Felix Wayne fragte, wann denn <strong>Romy</strong><br />

Schneider in den MGM Produktionen drehen würde,<br />

antwortete der kluge Mann von der internationalen<br />

Publicity: „<strong>Romy</strong> ist ein reizendes, sehr intelligentes<br />

Mädchen. Wir haben Foto- und Test-Aufnahmen mit ihr<br />

gemacht. Eine Rolle haben wir noch nicht, aber die<br />

MGM behält das junge Fräulein im Auge.“<br />

<strong>Romy</strong> hatte damals, als <strong>sie</strong> an der Hand von Felix<br />

Wayne, dem so ziemlich wichtigsten Mann der<br />

Produktion, dem „Talent Exekutive“ vorgestellt wurde,<br />

einen Regiefehler begangen.<br />

Sie kam sehr schlicht, ganz „Unzurechtgemacht“ und<br />

ohne jegliche pompösen, affektierten Allüren, was man<br />

in den USA von einem berühmtem europäischen Star<br />

er<strong>war</strong>tete, zum Termin.<br />

Ein junges Mädchen ist immer am Schönsten wenn es<br />

natürlich ist, aber wer nach Hollywood kommt, um hier<br />

Weltkarriere machen zu wollen, der muss in der Stadt<br />

des schönen Scheins mitscheinen.<br />

Hollywood sagte: „<strong>Romy</strong> Schneider ist bestimmt ein<br />

hübsches Mädchen, aber für eine wirksame<br />

PortraitFotografie bedarf dieses junge Gesicht mit den<br />

zu tief liegenden grün grauen Augen einer unmerklich<br />

raffinierteren Betonung. Auch steht ihr die straff<br />

zurückgekämmte Frisur die <strong>sie</strong> jetzt trägt nicht so recht.<br />

Jedenfalls nicht besser als die weiche Haarwolke ihrer<br />

braunen Kastanienmähne, die das Gesicht vorher<br />

einrahmte. Und die aus tapferem Hungern entstandene<br />

Elfenlinie prägt das Jungmädchengesicht und die Figur<br />

doch ein bisschen zu schmal und elend.“<br />

<strong>Romy</strong> Schneider hat einfach nicht das, was einen<br />

berühmter Star ausmacht, nicht so <strong>wie</strong> wir uns einen<br />

Star vorstellen, keine Marylin, keine Jane, befand<br />

Hollywood.<br />

Die MGM gab <strong>Romy</strong> also keinen Vertrag, auch keine<br />

Rolle, aber man interes<strong>sie</strong>rte sich trotzdem für <strong>sie</strong>. Da<br />

man in Hollywood von <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Filmen nichts gesehen<br />

hatte, wussten die Produzenten nicht recht was <strong>sie</strong> mit<br />

diesem schlichten und gescheiten Mädchen anfangen<br />

konnten.<br />

Von Maria Schells Filmen hatte man in Hollywood auch<br />

nichts gesehen. Doch die junge Schauspielerin hatte ein<br />

Quäntchen mehr Glück als <strong>Romy</strong>, als <strong>sie</strong> durch einen<br />

simplen Zufall dort als „Gruschenka“ entdeckt und<br />

verpflichtet wurde. Erst danach sah man sich Maria<br />

Schells deutsche Filme an.


Jubel und Kritik wurden laut, als <strong>Romy</strong> in Begleitung ihrer Mutter, Magda Schneider, auf einer<br />

Vorstellungstournee durch Amerika reiste. Die Fachpresse, die den Film vorher vorgeführt bekam, hatte<br />

ihn in der Luft zerrissen. Mit Ihm auch Magda Schneider, doch <strong>Romy</strong> fand man allerliebst.<br />

Jubel für <strong>Romy</strong> und ihren in den USA synchroni<strong>sie</strong>ren Film „Mädchenjahre einer Königin“. Kritik, an der<br />

schon so oft beanstandeten Mutter-Tochter-Kombination <strong>Romy</strong> und Magda Schneider. Die sich drastisch<br />

verstärkte, als sich Mutter Magda immer <strong>wie</strong>der in den Vordergrund schob.<br />

Doch <strong>Romy</strong> lies sich nicht beirren und schenkte dem wenig Gehör. Viel lieber genoss <strong>sie</strong> zusammen mit<br />

ihrer Mutter die vielfältigen und farbenprächtigen Eindrücke dieser Reise. New York hatte auch <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Herz im Sturm erobert. Besonders überwältigt schien <strong>sie</strong> vom Rockefeller Wolkenkratzer. Dort traf <strong>sie</strong> auf<br />

eine Schar übermütiger Kadetten der Georgia Militär Akademie. „Nun gehen die wundervollen, aber<br />

gleichzeitig auch so anstrengenden Tage leider zu Ende. Hollywood empfing mich mit dem schönsten<br />

„Sissi Wetter“, es ist hier herrlich <strong>war</strong>m <strong>wie</strong> im Sommer. Die Leute sind nett und zauberhaft zu Mami und<br />

mir, und wir haben in drei Wochen mehr gesehen als normalerweise in einem ganzen Jahr. Manchmal<br />

fühle ich mich <strong>wie</strong> eine Ameise im Irrenhaus – aber im besten Sinne.“


<strong>Romy</strong> und<br />

Sissi,<br />

Traum von<br />

ein<br />

4 Freiheit<br />

„Ich wollte leben, lieben, mich künstlerisch<br />

weiterentwickeln, ein neuer Mensch werden. Vor allem<br />

aber: frei sein. Ich suchte diesen Absprung, seit ich<br />

achtzehn Jahre alt <strong>war</strong>. “<br />

Wie jedes Junge Mädchen mit Anfang Zwanzig wollte<br />

auch <strong>Romy</strong> Ihr eigenes Leben in Freiheit leben.<br />

Selbstständig werden, sich aus den Zwängen der<br />

Familie lösen, auf eigenen Beinen stehen:<br />

<strong>Romy</strong> suchte den Absprung, konnte ihn aber nicht<br />

finden. Die Nähe zum Elternhaus, die Verträge die <strong>sie</strong><br />

noch erfüllen musste … das alles ließ keinen Platz für<br />

Freiheit.<br />

Millionen Mädchen mit Anfang zwanzig träumen den<br />

Traum von der Freiheit, dem Leben auf eigenen Beinen,<br />

ohne bevormundende Worte der Eltern. Millionen<br />

Mädchen in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Alter hatten ihr aber<br />

etwas Entscheidendes voraus: Sie <strong>war</strong>en kein Star!<br />

Sie konnten einfach in eine andere Stadt ziehen, eine<br />

andere Stellung suchen und ihr Leben so gestalten <strong>wie</strong><br />

<strong>sie</strong> es für richtig hielten. <strong>Romy</strong> konnte das nicht, <strong>Romy</strong><br />

<strong>war</strong> gebunden an Stiefvater und Mutter, gebunden in<br />

Verträgen.<br />

Sissi hat einen Weltstar aus der jungen <strong>Romy</strong><br />

Schneider gemacht. Sissi hat <strong>Romy</strong> sehr viel zu<br />

verdanken, genauer gesagt, Sissi hat <strong>sie</strong> alles zu<br />

verdanken. Sissi ermöglichte ihr den Sprung in das<br />

sogenannte Starsystem, <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> den Ruhm und den<br />

weltweiten Erfolg zu nennen pflegte.<br />

Bereits im Internat konnte sich <strong>Romy</strong> nichts anderes<br />

vorstellen als einmal eine Schauspielerin zu werden.<br />

Sie wollte eine Schauspielerin werden und Figuren<br />

darstellen, ihnen Leben einhauchen. Sissi hatte <strong>sie</strong><br />

dieses Leben eingehaucht, Sissi verbindet man seit<br />

diesen Filmen mit <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

Aber <strong>Romy</strong> Schneider ist nicht Sissi. Sie hat diese Rolle<br />

gespielt und <strong>war</strong> während dieser Zeit Sissi. Danach <strong>war</strong><br />

<strong>Romy</strong> <strong>wie</strong>der <strong>Romy</strong> Schneider. Für das Publikum und<br />

für ihre Verehrer blieb <strong>Romy</strong> Schneider auch danach<br />

Sissi. Davon wollte <strong>sie</strong> sich befreien.<br />

Diese Befreiung <strong>war</strong> keineswegs undankbar. <strong>Romy</strong><br />

wollte einfach nur raus aus der Rolle der süßen, lieben,<br />

pausbäckigen Prinzessin. Sie wollte nicht zeitlebens die<br />

süßen jungen Wiener Mädel Rollen spielen<br />

Sie wollte sich künstlerisch weiter entwickeln, sich<br />

endlich selbst reali<strong>sie</strong>ren. ihrer Mutter wäre <strong>sie</strong> mit<br />

vierzehn durchgebrannt, hätte diese Ihr nicht die<br />

Möglichkeit gegeben Ihren Traum von der<br />

Schauspielerei zu ver<strong>wirklich</strong>en. „Der weiße Flieder“<br />

<strong>war</strong> der Anfang und der Start zur Ver<strong>wirklich</strong>ung ihres<br />

Traums. Sissi <strong>war</strong> der Höhepunkt und die Eintrittskarte<br />

zur Pforte zum Weltstar.<br />

Die Dreharbeiten zu Sissi <strong>war</strong>en eine wunderbare Zeit<br />

in ihrem Leben.<br />

Sie <strong>war</strong> die Prinzessin, und das nicht nur vor der<br />

Kamera. Auch in späteren Jahren redete <strong>Romy</strong><br />

Schneider gerne über die schöne Zeit die <strong>sie</strong> als Sissi<br />

hatte. Ernst Marischka <strong>war</strong> Ihr ein guter Freund<br />

geworden, seine Frau wurde Ihre zweite Mutter. „Aber<br />

Sissi <strong>war</strong> ich nie. - Das soll nicht undankbar klingen,<br />

man könnte meine Worte unrichtiger nicht auslegen“<br />

Der Erfolg dieser Filme bildete den Grundstock Ihres<br />

Vermögens. Wenn gleich <strong>sie</strong> damals darüber nicht<br />

verfügen konnte und Daddy Blatzheim ihr davon<br />

lediglich ein Taschengeld auszahlte.<br />

Ein Taschengeld was ihr noch lange nicht erlaubte so<br />

zu leben <strong>wie</strong> die anderen Stars, die oftmals weniger<br />

Erfolg hatten als <strong>Romy</strong> zu dieser Zeit.<br />

<strong>Romy</strong> fühlte sich abgestempelt. Sich abgestempelt<br />

fühlen ist für jeden Schauspieler der absolute Albtraum.<br />

Jeder Schauspieler und jede Schauspielerin möchte als<br />

eigenständige Person und eigenständige Künstlerin<br />

wahrgenommen werden. Nicht zeitlebens auf eine Rolle<br />

reduziert werden. Während der Dreharbeiten zum<br />

zweiten Sissi Film überkam <strong>Romy</strong> diese Angst, auf<br />

diese Rolle reduziert zu werden und einen Stempel zu<br />

bekommen. Den Sissi Stempel. Mutter und Stiefvater<br />

Blatzheim drängten auf einen dritten Teil der<br />

Erfolgstrilogie. Sissi Teil drei wollte <strong>Romy</strong> ablehnen, die<br />

Rolle der Kaiserin hing ihr zum Halse raus. Sie wehrte<br />

sich schon gegen die zweite Sissi und spielte trotzdem<br />

die Dritte<br />

Innerlich kämpfte <strong>Romy</strong> gegen Sissi. Auf Sissis Seite<br />

standen Magda und Daddy, also gewann Sissi den<br />

Kampf und <strong>Romy</strong> blieb bis zum Dritten Teil der<br />

Erfolgstrilogie Sissi!<br />

<strong>Romy</strong> wollte ausbrechen, privat so<strong>wie</strong> auch<br />

künstlerisch. Sie wollte endlich ein neues Leben<br />

beginnen.


Mit neuen Menschen und neuen beruflichen<br />

Herausforderungen. Die Situation erschien ihr<br />

ausweglos! <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> verzweifelt. Sie wusste nicht was<br />

<strong>sie</strong> tun konnte um auszubrechen in die von ihr<br />

angestrebte Freiheit die <strong>sie</strong> solange suchte.<br />

Weitere Prinzessinnen Rollen sollten folgen! „Aber<br />

<strong>Romy</strong>, du wirst doch nicht <strong>sie</strong>benhundertfünfzigtausend<br />

Mark ausschlagen! Du wirst doch die Katja noch<br />

spielen“<br />

Wieder lies <strong>sie</strong> sich überzeugen, unterschrieb einen<br />

Vertrag für einen weiteren Kostümfilm, für eine weitere<br />

ungeliebte Prinzessinnen Rolle. Dann kam der<br />

Wendepunkt.<br />

Ein Mann trat in ihr Leben, der ihr Leben von einem Tag<br />

zum anderen verändert hat. Der ihr Leben von jetzt auf<br />

gleich komplett auf den Kopf gestellt hatte. ,<br />

Alain Delon!<br />

Dieser junge aufmüpfige Franzose, der frei von<br />

Konventionen <strong>war</strong>, jegliche Regeln brach, der<br />

lebenslustig und wild <strong>war</strong>, den es „une merde“<br />

interes<strong>sie</strong>rte was andere von ihm denken würden.<br />

Er tat das was er für richtig hielt, lebte <strong>wie</strong> er es für<br />

richtig hielt. Regeln? Sind dazu da das man <strong>sie</strong> bricht.<br />

Das <strong>war</strong> sein Lebensmotto. <strong>Romy</strong> lernte alle diese<br />

Regeln und Normen, nur nicht <strong>wie</strong> man <strong>sie</strong> bricht. Alain<br />

beherrscht diese Kunst perfekt.<br />

Alain stand mit seinen dreiundzwanzig Jahren mitten<br />

im Leben, er glaubte an große Träume, und der Glaube<br />

an etwas versetzt ja bekanntlich Berge. Alain<br />

ver<strong>wirklich</strong>te sich selbst, ver<strong>wirklich</strong>te seine Träume.<br />

Mutter Magda rümpfte die Nase über diesen jungen, zu<br />

sehr von sich überzeugten Burschen. Alain wusste um<br />

sein Talent, wusste um seine Fähigkeiten, und das gab<br />

ihm die Selbstsicherheit die er hatte. Die ihn auf viele<br />

Menschen höheren Alters überheblich wirken ließ.<br />

Bei <strong>Romy</strong> Schneider und Alain Delon prallten zwei<br />

Welten aufeinander. In <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Welt gab es klare<br />

Regeln und Normen an die man sich zu halten hatte,<br />

die ihr seit frühester Kindheit aufdiktiert wurden, es gab<br />

Verträge, die mahnenden Worte der Mutter und die<br />

mahnenden Worte des Stiefvaters.<br />

Alains Welt <strong>war</strong> beherrscht von Freiheit, Rebellion,<br />

Lebenslust und Ungezwungenheit. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> das<br />

komplette Gegenteil von Alain.<br />

Alain das komplette Gegenteil von <strong>Romy</strong>. Ein altes<br />

Sprichwort sagt „Gegensätze ziehen sich an“. Was sich<br />

bei den beiden bewahrheiten sollte: „Zwei Seelen<br />

wohnen, ach! in meiner Brust. Die eine heißt Rosemarie<br />

Albach, die andere <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

<strong>Romy</strong> Schneider ist wild, lebenslustig und mutig.<br />

Rosemarie Albach ist schüchtern, zurückhaltend und<br />

ängstlich.“<br />

Alain Delon liebt die <strong>Romy</strong>, die wild, frech und<br />

lebenslustig ist über alles auf der Welt. Mit der gleichen<br />

Intensität hasst er allerdings die andere <strong>Romy</strong>. In Alains<br />

Brust schlagen auch mindestens zwei Seelen. Auch er<br />

ist das was man eine gespaltene Persönlichkeit nennt.<br />

Liebe und Hass liegen so nah beieinander.<br />

Aus Hass kann ganz schnell Liebe werden, ebenso<br />

schnell kann aus Liebe ganz schnell Hass entstehen.<br />

Als <strong>Romy</strong> und Alain sich kennen lernten hassten <strong>sie</strong><br />

einander. Er empfand <strong>sie</strong> als naiv und langweilig. Ein<br />

süßes Wiener Mädel so ganz ohne Pfiff! Zum kotzen,<br />

<strong>wie</strong> er später sagte. Und sowas wird in Deutschland<br />

zum Star.<br />

Sie empfand Ihn als arrogant, zu aufgesetzt, zu perfekt.<br />

Seine Frisur, sein zu modischer Anzug mit Schlips und<br />

Kragen, das <strong>war</strong> für <strong>Romy</strong> keineswegs natürlich, das<br />

sah verkleidet, kostümiert aus. Er bewegte sich in<br />

diesem Kostüm nicht authentisch, deshalb wirkte er<br />

verkleidet und eben <strong>wie</strong> in einem Kostüm. Die Rosen<br />

die er Ihr bei ihrer ersten Begegnung schenkte <strong>war</strong>en<br />

für <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Geschmack zu rot. Wie alles an Ihm für Ihren<br />

Geschmack zu viel, zu übertrieben, eben zu aufgesetzt<br />

<strong>war</strong>. Es wirkte einfach nicht echt. Für <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Geschmack <strong>war</strong> er geschmacklos und uninteressant.<br />

„ISCH LIEBE DISCH“ lernte Alain auswendig und fand<br />

es sehr amüsant, <strong>Romy</strong> das alle paar Minuten während<br />

eines für die Fotografen organi<strong>sie</strong>rten Tanzabends, ins<br />

Ohr zu flüstern. <strong>Romy</strong> fand das keineswegs amüsant<br />

und Alain fand Sie komplett uninteressant. Das beruhte<br />

auf Gegenseitigkeit.<br />

Und ausgerechnet diese beiden jungen Leute, die sich<br />

einander anscheinend überhaupt nicht riechen konnten<br />

sollten in den nächsten sechs Wochen zusammen<br />

einen Film drehen. <strong>Romy</strong> sprach zu dieser Zeit kein<br />

französisch, Delon sprach kein Englisch.


Also unterhielten <strong>sie</strong> sich in einem Sprach-Melange…<br />

Nach diesem ersten Kennenlernen flog <strong>Romy</strong> mit dem<br />

Drehbuch im Petto nach Ibiza. Dort besaß <strong>sie</strong> ein<br />

Grundstück. Sie wollte die Zeit genießen, das Drehbuch<br />

lesen, verinnerlichen, sich mit der Figur die <strong>sie</strong> in den<br />

nächsten sechs Wochen spielen würde, vertraut<br />

machen.<br />

Zurück in Paris lernte <strong>sie</strong> einen vollkommen anderen<br />

Alain Delon kennen. Sie lernte nun sein zweites ICH,<br />

sein wahres ICH kennen. Den Alain den <strong>sie</strong> am Anfang<br />

kennen gelernt hatte gab es jetzt nicht mehr. Das heißt<br />

es gab ihn schon, er präsentierte sich nur von einer<br />

völlig anderen Seite. Er zeigte nun seine andere Seite.<br />

Den übermodischen Anzug hatte er gegen eine lässige<br />

Blue Jeans mit T-Shirt getauscht. Seine Stimme <strong>war</strong><br />

laut, er sprach <strong>wie</strong> ein Wasserfall, raste mit seinem<br />

Rennauto in zerzausten Haaren durch Paris, überfuhr<br />

mit einer Selbstverständlichkeit sämtliche rote Ampeln.<br />

Ins Atelier kam er immer zu spät - Maßregelungen der<br />

Kollegen? Ins eine Ohr rein- ins Andere <strong>wie</strong>der raus…<br />

Das kann ja heiter werden, dachte sich <strong>Romy</strong>… auch<br />

diesen neuen Alain, den <strong>sie</strong> jetzt kennen gelernt hatte<br />

fand <strong>sie</strong> nicht sonderlich sympathisch.<br />

Bei den Dreharbeiten flogen die Fetzen. <strong>Romy</strong> und<br />

Alain <strong>war</strong>en ständig damit beschäftigt sich zu streiten.<br />

Danach folgte Funkstille und ihr Partner Jean-Claude<br />

Brialy musste zwischen den beiden Streithähnen<br />

vermitteln. Dieser Zustand etablierte sich über Tage<br />

hinweg, die Crew <strong>war</strong> verzweifelt und litt unter dem<br />

Krieg den die beiden am Filmset austrugen.<br />

Doch nach dem Krieg folgte Frieden.<br />

Grund dafür <strong>war</strong> eine Einladung von <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Stiefvater<br />

Hans Herbert Blatzheim nach Brüssel zum Filmball.<br />

Blatzheim besaß ein Restaurant in Brüssel, <strong>Romy</strong> und<br />

Alain erhielten eine Einladung zum Ball und machten<br />

sich gemeinsam auf den Weg. Auf der Zugfahrt von<br />

Paris nach Brüssel geschah eine Art Wunder:<br />

Die Streithähne <strong>war</strong>en auf einmal friedlich! Sie flirteten<br />

miteinander.<br />

<strong>Romy</strong> hatte es erwischt, <strong>sie</strong> <strong>war</strong> ein Stück weit verliebt<br />

in den verhassten Filmpartner. Schließlich <strong>war</strong> es nicht<br />

das erste Mal das <strong>Romy</strong> für einen Filmpartner<br />

schwärmte. Das <strong>war</strong> keine Seltenheit, man kann sagen,<br />

das gehörte eben dazu. Und was gibt es schöneres als<br />

verliebt zu sein und zu flirten? <strong>Romy</strong> liebte dieses<br />

Gefühl des Verliebtseins, und das flirten...<br />

„Mit fast allen Partnern meiner Filme hatte ich auf Teufel<br />

komm raus geflirtet. Immer hatte ich mich recht schnell<br />

verliebt.<br />

So was ändert sich- das Tempo, meine ich -, aber ich<br />

werde mich immer <strong>wie</strong>der verlieben.“<br />

Dieser Flirt führte zur offenen Auseinandersetzung<br />

zwischen <strong>Romy</strong> und ihrer Familie. Es <strong>war</strong> nicht das<br />

erste Mal. Schon früher, als <strong>Romy</strong> während der<br />

Dreharbeiten zu Monpti einen Flirt mit Filmpartner Horst<br />

Buchholz hatte, wetterte Stiefvater Blatzheim los:<br />

Entweder er oder ich.<br />

Damals hatte <strong>Romy</strong> nicht den Mut aufbringen können,<br />

sich zu entscheiden… oder <strong>war</strong>en eben ihre Gefühle zu<br />

Horst Buchholz nicht stark genug. Jedenfalls kuschte<br />

<strong>sie</strong> und es blieb alles beim Alten. Bei Alain <strong>war</strong> das<br />

anders!<br />

Diesmal hatte <strong>Romy</strong> keine Lust zu kuschen und<br />

weiterhin die Rolle der braven Tochter zu spielen. Sie<br />

wollte sich nicht mehr bevormunden lassen, wollte<br />

endlich auf die Stimme ihres eigenen Herzens hören,<br />

und ihr folgen!: „Lasst mich frei! Lasst mich doch endlich<br />

los, euer kleines Mädchen ist schon groß!“ … dachte<br />

<strong>sie</strong> sich.<br />

Damit provozierte <strong>sie</strong> während des Filmballs in Brüssel<br />

ein regelrechtes Donnerwetter. Ein Gewitter das<br />

harmlos aufzog und schnell zu explodieren drohte. Alles<br />

fing ganz harmlos an: im Blitzlichtgewitter tanzte <strong>sie</strong> mit<br />

Alain auf dem Filmball in Brüssel, die Fotografen<br />

machten ihre Fotos… Während <strong>sie</strong> tanzten bat Alain <strong>sie</strong><br />

an seinen Tisch. <strong>Romy</strong> willigte ein, gab Mutter und<br />

Daddy Blatzheim Bescheid das <strong>sie</strong> sich an Alains Tisch<br />

setzten möchte.<br />

Nach Aussprache dieser Bitte stieg das Gewitter auf.<br />

„Du kannst nicht zu einem Mann an den Tisch gehen.<br />

Was sollen denn die Leute denken.“<br />

Wieder lies sich <strong>Romy</strong> überreden<br />

Der Ball <strong>war</strong> vorbei, und die Arbeit ging weiter.<br />

Außenaufnahmen in Wien standen auf dem Plan. <strong>Romy</strong><br />

wohnte zusammen mit Mutter Magda im Hotel Sacher,<br />

wo auch Alain Delon für diese Zeit wohnte. Sie <strong>war</strong>en<br />

sich jetzt so nah und doch so fern… man sah sich jeden<br />

Tag, arbeitete zusammen, lebte zusammen, aber<br />

redete nicht über die Gefühle die man füreinander<br />

empfand. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> verliebt in Alain und Alain <strong>war</strong><br />

verliebt in <strong>Romy</strong> und keiner von beiden konnte dem<br />

anderen sagen was er für den anderen empfand.<br />

Beide hatten Angst, abge<strong>wie</strong>sen zu werden - besonders<br />

<strong>Romy</strong>.


Sie <strong>war</strong>en sich jetzt so nah und doch so fern… man sah<br />

sich jeden Tag, arbeitete zusammen, lebte zusammen,<br />

aber redete nicht über die Gefühle die man füreinander<br />

empfand. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> verliebt in Alain und Alain <strong>war</strong><br />

verliebt in <strong>Romy</strong> und keiner von beiden konnte dem<br />

anderen sagen was er für den anderen empfand.<br />

Beide hatten Angst, abge<strong>wie</strong>sen zu werden - besonders<br />

<strong>Romy</strong>. Durch eine Sondergenehmigung durfte <strong>sie</strong> ihn<br />

bis zum Flugzeug begleiten. <strong>Romy</strong> stand auf dem<br />

Rollfeld: „Er küsste mich zum Abschied, dann drehte er<br />

sich um und ging die Treppe hinauf.“<br />

Für <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> dieser Abschied etwas Endgültiges… <strong>sie</strong><br />

fühlte sich auf einmal so unglaublich traurig und einsam.<br />

Bevor das Flugzeug abhob sah <strong>Romy</strong> ihn noch einmal<br />

durch die Scheibe, das <strong>war</strong> das Letzte was <strong>sie</strong><br />

erkennen konnte. Tränen flossen über ihr Gesicht. Der<br />

Abschiedsschmerz <strong>war</strong> so stark. Stärker als <strong>sie</strong> es<br />

jemals für möglich gehalten hätte. In diesem Moment<br />

wurde ihr schlagartig bewusst das Alain mehr für <strong>sie</strong><br />

<strong>war</strong> - er <strong>war</strong> mehr als nur ein Flirt während einer<br />

Filmarbeit.<br />

Ein Flirt der nach dem Dreh zu Ende ist.<br />

Der Film <strong>war</strong> zu Ende - der Flirt fing jetzt erst an.<br />

Wieder zurück im Hotel hatte <strong>sie</strong> sich ihrer Mutter<br />

anvertraut. Ihr Ihre Gefühle zu Alain anvertraut. Das<br />

Gesicht immer noch voller Tränen sah <strong>sie</strong> einen Brief,<br />

den Magda vorher von Alain erhalten hatte mit der Bitte<br />

diesen Brief nach seinem Abflug an <strong>Romy</strong><br />

weiterzuleiten.<br />

Sie konnte ihn nicht lesen, konnte kein Wort<br />

erkennen… Ihr Gesicht <strong>war</strong> immer noch voller Tränen.<br />

Sie dachte nach, dachte über das nach was in diesen<br />

sechs Wochen pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong>. Ihr wurde klar dass dieser<br />

junge Rebell Ihr Leben komplett auf dem Kopf gestellt<br />

hatte. Sie wusste, das nach dieser Begegnung und<br />

dieser Zeit die <strong>sie</strong> während der Dreharbeiten<br />

miteinander verbracht hatten nie <strong>wie</strong>der etwas so sein<br />

konnte <strong>wie</strong> vorher.<br />

<strong>Romy</strong> konnte mit dieser Zeit nicht abschließen. Der Film<br />

<strong>war</strong> abgeschlossen, aber Alain? Mit Alain konnte <strong>sie</strong><br />

unmöglich abschließen. Sie konnte unmöglich so<br />

weiterleben <strong>wie</strong> zu der Zeit bevor Alain in Ihr Leben<br />

trat… das <strong>war</strong> nicht möglich. Sie konnte Ihn nicht<br />

vergessen und schon gar nicht konnte <strong>sie</strong> zurück in Ihr<br />

altes Leben.<br />

Sie sollte sich ausruhen für die nächste Filmarbeit,<br />

Ferien machen in Köln, neue Filmstoffe lesen,<br />

spazieren gehen, Autogramme unterschreiben…<br />

Anstatt des Flugtickets nach Köln kaufte <strong>Romy</strong> sich ein<br />

Flugticket nach Paris. Von Orly aus rief <strong>sie</strong> Alain an. Als<br />

<strong>sie</strong> den Hörer auf die Gabel legte begriff <strong>sie</strong> was<br />

geschehen <strong>war</strong>.<br />

Sie hatte es geschafft!<br />

Mit dem Ticket Wien-Paris hatte Sie automatisch das<br />

Ticket zur großen Freiheit erlangt.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> ausgebrochen!<br />

Zum ersten Mal in ihrem Leben <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> <strong>wirklich</strong> frei!


5<br />

Stationen eines<br />

Lebens...Berlin<br />

Die Betrachtung des Lebens als Reise, als ständiges<br />

unterwegs sein, auf der Suche nach dem eignen Ich,<br />

auf der Suche nach sich selbst.<br />

So beschrieb Tara, eine enge Freundin <strong>Romy</strong><br />

Schneiders das Leben der Schauspielerin.<br />

Die russische Schauspielerin Tara lernte <strong>Romy</strong><br />

Schneider in einem privaten Moment im Berliner<br />

Schlosshotel kennen. <strong>Romy</strong> lebte nicht mehr in Paris.<br />

Alain Delon <strong>war</strong> Geschichte, <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Leben verlief in<br />

neuen Bahnen.<br />

Am 1. April 1965 lernte <strong>sie</strong> den Berliner Regisseur und<br />

Schauspieler Harry Meyen bei den<br />

Eröffnungsfeierlichkeiten des Europa Centers kennen.<br />

<strong>Romy</strong> Schneiders Stiefvater Hans Herbert Blatzheim<br />

konnte sich mit der Eröffnung des Europacenters einen<br />

lang geträumten Wunsch erfüllen. Hans Herbert<br />

Blatzheim galt als „Gigant des bundesdeutschen<br />

Wirtschaftswunders“ - mit dem Bau des Europa Centers<br />

sah er sich am Ziel angekommen, er kontrollierte die<br />

gastronomischen Einrichtungen Westberlins. Harry<br />

Meyen und <strong>Romy</strong> Schneider kannten einander länger,<br />

jedoch erhielten Sie an jenem Abend zum ersten Mal<br />

die Möglichkeit ihre Gespräche zu intensivieren und<br />

einander besser kennen zu lernen. Harry Meyen der<br />

während dieser Zeit noch mit Anneliese Römer<br />

verheiratet <strong>war</strong>, verliebte sich in <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

Das Paar heiratete und bezog im Westberliner Bezirk<br />

Grunewald eine Vierzimmerwohnung in der<br />

Winklerstraße 22. Zum ersten Mal in ihrem Leben, so<br />

schien es lebte <strong>Romy</strong> Schneider in gefestigten<br />

Strukturen. In späteren Jahren beschrieb <strong>Romy</strong><br />

Schneider selbst ihre Berliner Zeit als die Glücklichsten<br />

Jahre Ihres Lebens. In Berlin sah <strong>sie</strong> Ihren Sohn David<br />

aufwachsen, <strong>sie</strong> genoss das private Glück. Endlich, so<br />

schien es, <strong>war</strong> es ihr gelungen ein Stück bürgerliches<br />

Leben zu spüren. Zusammen mit Ihrem Mann Harry<br />

Meyen, der bürgerlich Haubenstock hieß und dessen<br />

Namen <strong>sie</strong> angenommen hatte, lebte der Star<br />

zurückgezogen in der Idylle einer Stille. Diese Stille <strong>war</strong><br />

es, was ihr fehlte, was <strong>sie</strong> suchte und endlich gefunden<br />

hatte.<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> glücklich, doch auch dieses Glück<br />

sollte ihr nicht lange beschert bleiben.<br />

Wie so oft in Ihrem Leben, immer dann wenn <strong>Romy</strong><br />

Schneider glaubte alles erreicht zu haben, endlich an<br />

einem Ziel angekommen zu sein, geschah alles anders.<br />

Das Glück mit Harry verrinnt, <strong>wie</strong> der Sand in einer<br />

Sanduhr der seinen Weg nach unten sucht.<br />

Die russische Schauspielerin Tara erinnert sich an eine<br />

Begegnung mit <strong>Romy</strong> Schneider in der Winklerstr. 22<br />

im Grunewald.<br />

Am 17. Juli 1968 gegen 14.00 Uhr betrat Tara das<br />

Haus Winklerstrasse 22 im Berliner Grunewald ein<br />

letztes Mal. Den nächsten Tag zur selben Zeit sollte <strong>sie</strong><br />

schon längst im Zug zurück nach Moskau sitzen. Sie<br />

besuchte <strong>Romy</strong> ein letztes Mal in ihrer Berliner<br />

Wohnung. Das nächste Wiedersehen fand erst Jahre<br />

später in Paris statt.<br />

Die Stimmung an jenem Tag im Juli im Hause<br />

Haubenstock <strong>war</strong> angespannt, um nicht zu sagen, es<br />

brannte die Luft. <strong>Romy</strong> und Harry hatten Streit. Ihre<br />

Auseinandersetzung übertönte das Läuten der Klingel,<br />

sodass Tara einige wenige Bruchstücke der<br />

Konfrontation vor geschlossener Tür vernahm. „Dein<br />

Erfolg in völlig verkitschten 50er-Jahre Streifen ist<br />

Geschichte. Fang endlich an die Realität<br />

wahrzunehmen. Die Zeiten des Ruhms sind vorbei.“<br />

In einem weiteren Satz, <strong>war</strong>f Harry seiner Frau „ein<br />

mangelndes Intellekt auf Grund mangelnder Bildung“<br />

vor. Auch dass <strong>sie</strong> ohne ihn nicht lebensfähig wäre und<br />

völlig Realitätsfremd sei, vernahm Tara aus Harrys<br />

Mund. Sie klingelte erneut und erhoffte sich insgeheim,<br />

dass das Paar ihren Streit während ihrer Anwesenheit<br />

beilegen werde. Doch als <strong>Romy</strong> ihr nach dem dritten<br />

Klingelversuch endlich öffnete ging der Streit weiter. Es<br />

sollte noch besser werden: Harry involvierte Tara in die<br />

bestehende Auseinandersetzung mit seiner Frau. Tara<br />

<strong>war</strong> die Art und Weise <strong>wie</strong> Harry seine Frau<br />

herunterputze, und <strong>sie</strong> als Dummerchen darstellte<br />

peinlich. Sie hatte <strong>Romy</strong> in der intensiven Zeit die <strong>sie</strong><br />

miteinander verbrachten als keineswegs ungebildet<br />

oder gar dumm kennen gelernt. Genau das Gegenteil<br />

<strong>war</strong> der Fall! <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> von der Art ihres Denkens und<br />

Handelns viel weiter als die meisten Menschen ihres<br />

Alters.<br />

Auch die Tatsache das Harry Meyen 14 Jahre älter <strong>war</strong><br />

als <strong>Romy</strong>, gab ihm noch lange nicht das Recht seine<br />

Frau derart zu bevormunden. Während der<br />

Konversation gab Harry ihr anfangs indirekt, und später<br />

sehr direkt zu verstehen dass <strong>sie</strong> mit einem großen<br />

Defizit an Bildung und mangelnden Fähigkeiten behaftet<br />

sei. <strong>Romy</strong> kochte vor Wut. Am Liebsten hätte <strong>sie</strong> sofort<br />

das Wort ergriffen und ihrem Mann gehörig die Meinung<br />

gesagt. Doch Harry gab ihr nicht den Raum, um jene<br />

Argumente die ihr auf der Zunge lagen vorzubringen.


Er duldete keinen Widerspruch, ließ <strong>Romy</strong> gar nicht zu<br />

Wort kommen. Taras Anwesenheit hatte er z<strong>war</strong><br />

registriert, aber in dem Moment als unbedeutend<br />

wahrgenommen.<br />

Tara setzte sich auf <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Sofa und verfolgte das<br />

Geschehen von weitem. Harry steigerte sich immer<br />

stärker in ein nicht zu definierendes Problem hinein. Für<br />

Tara hatte es den Anschein das <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Mann Harry<br />

sich selbst sehr gerne reden hörte. Langsam aber<br />

sicher bekam Tara den Eindruck das Harry redete um<br />

des reden Willens.<br />

Für <strong>sie</strong> erschloss sich nicht die Sinnhaftigkeit des<br />

Problems, welches Harry offensichtlich mit seiner Frau<br />

hatte. Er drehte sich im Kreis, fing immer <strong>wie</strong>der an<br />

bereits Gesagtes zu <strong>wie</strong>derholen. Tara hatte nichts<br />

gegen Wiederholungen, im Gegenteil! Wiederholungen<br />

verleihen dem bereits Gesagten eine gesteigerte<br />

Wichtigkeit. Allerdings <strong>war</strong> diese Wichtigkeit bei den von<br />

Harry getroffenen Aussagen nicht gegeben. Tara<br />

reflektierte in diesen Momenten das von <strong>Romy</strong> über<br />

ihren Mann Gesagte. <strong>Romy</strong> hatte ihr vor wenigen<br />

Tagen noch offenbart das Harry der komplette<br />

Gegenpol zu ihrer Person wäre, und <strong>wie</strong> glücklich <strong>sie</strong><br />

doch wäre diesen Mann in ihrem Leben zu haben.<br />

Harry Meyen ist in der Tat der komplette Gegenpol zu<br />

<strong>Romy</strong>.<br />

Tara beschreibt ihn als arrogant, unnahbar, seine<br />

ganze Art wirkt komplett unterkühlt.<br />

Harry untergräbt <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Selbstbewusstsein, gibt ihr<br />

permanent das Gefühl mit einem Mangel an Intellekt<br />

und einem Mangel an künstlerischen Fähigkeiten<br />

behaftet zu sein.<br />

Anfangs liebte <strong>Romy</strong> seine anscheinende<br />

Überlegenheit und seine geschickt verpackte Kritik, die<br />

er an ihrer Arbeit äußerte. Seiner Anschauung nach <strong>war</strong><br />

das Theater die Königsklasse der Kunst. Die Filmarbeit<br />

beschreibt er als zweitklassige Unterhaltung mit<br />

geringem künstlerischem Anspruch. Im Film, so erklärte<br />

er, finden auch minderbemittelte und völlig talentfreie<br />

Schauspieler ohne Berufsausbildung eine Anstellung.<br />

Während im Film Schönheit ein Auswahlkriterium<br />

darstellt, geht es im Theater nur um das <strong>wirklich</strong>e<br />

künstlerische Verständnis. <strong>Romy</strong>, so erklärte Harry<br />

wäre eben ein Filmfräulein ohne eine adäquate<br />

Berufsausbildung und ganz ohne Handwerk. „Dein<br />

Bauchgefühl wird dir irgendwann auch nicht mehr<br />

weiterhelfen, dir fehlt jegliches Handwerk.<br />

Du verfügst über keinerlei künstlerische<br />

Gestaltungsmittel. Du hast nie eine<br />

Schauspielausbildung gemacht, du bist keine<br />

Schauspielerin, du wirst niemals <strong>wirklich</strong> ernsthaftes<br />

Theater spielen können! Da helfen dir auch all deine<br />

Beziehungen aus vergangenen Zeiten nichts! Fang<br />

endlich an realistisch zu denken, und danach zu<br />

handeln.“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> den Tränen nahe. Sie raffte sich zusammen<br />

und bat Harry den Raum zu verlassen und <strong>sie</strong> mit ihrer<br />

Freundin allein zu lassen. „Tara fährt morgen zurück<br />

nach Russland! Ich möchte die letzten Stunden noch<br />

mit meiner Freundin verbringen und mit ihr allein<br />

sprechen… wenn du gestattest!“<br />

Harry <strong>war</strong>f seiner Frau einen prüfenden Blick zu,<br />

machte allerdings keine Anstalten den Raum zu<br />

verlassen. Im Gegenteil, nun wandte er sich auch Tara<br />

zu, die er bisher noch nicht einmal begrüßt hatte.<br />

„Guten Tag meine liebe Tara ! Ich habe ihr kommen gar<br />

nicht wahrgenommen… ich hegte die Annahme Sie<br />

wohnen jetzt bei uns… schließlich sehen <strong>sie</strong> meine<br />

Frau ja häufiger als Ich!… Bitte entschuldigen <strong>sie</strong><br />

vielmals… ich vergaß… <strong>sie</strong> sind ja nun die Lehrerin<br />

meiner Frau. Glauben <strong>sie</strong> ernsthaft <strong>sie</strong> könnten meiner<br />

Frau in einem zwei Wochen-Seminar eine fehlende<br />

Berufsausbildung ersetzen?“<br />

Tara sch<strong>wie</strong>g, auch <strong>sie</strong> ließ Harry nicht zu Wort<br />

kommen! „Sie selbst befinden sich derzeit in einer<br />

Schauspielausbildung... <strong>wie</strong> naiv zu glauben, das die<br />

Tatsache das man Schauspiel studiert, einen dazu<br />

befähigt selbst Schauspiellehrer zu spielen. Es ist ja<br />

ganz amüsant das <strong>sie</strong> sich zusammen setzen um sich<br />

künstlerisch auszutauschen und das Eine oder Andere<br />

zu lernen.<br />

Aber Unterricht? Unterricht kann man das beim besten<br />

Willen nicht nennen. Beenden <strong>sie</strong> erstmal ihr Studium,<br />

und bewähren <strong>sie</strong> sich 10 Jahre in dem Beruf… und<br />

dann können <strong>sie</strong>, wenn <strong>sie</strong> gut sind vielleicht einmal<br />

darüber nachdenken, Unterricht erteilen!“<br />

Tara schluckte! Mittlerweile kochte auch <strong>sie</strong> vor Wut<br />

über den „Pseudo Intellektuellen“ von oben<br />

herabschauenden Ehemann ihrer Freundin. Harry<br />

glaubte <strong>wirklich</strong> die Weisheit dieser Welt mit goldenen<br />

Löffeln gefressen zu haben! Sie hielt kurz inne und<br />

raffte sich auf, dem eben gesagten etwas zu erwidern.<br />

Sie atmete kurz durch und begann ihre Gedanken in<br />

Worte zu fassen: „Lieber Harry, ich glaube du hast<br />

irgendwas grundlegendes nicht ganz mitbekommen!


Ich bin nicht <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Lehrerin, ich bin <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Freundin…<br />

und Freundschaft ist ein Geben und Nehmen! Ich gebe<br />

<strong>Romy</strong> etwas, <strong>Romy</strong> gibt mir etwas. Wir sind beide<br />

Schauspielerinnen, und wir sind beide der Meinung<br />

etwas von einander lernen zu können. <strong>Romy</strong> hat so viel<br />

Erfahrung in diesem Beruf, die mir fehlt. Ich befinde<br />

mich in einer Schauspielausbildung und freue mich<br />

wenn ich <strong>Romy</strong> etwas aus dem Unterricht zeigen kann.<br />

Das hat überhaupt nichts mit Unterrichten zu tun! Wir<br />

tauschen uns lediglich aus!“<br />

Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken,<br />

und das eben Gesagte zu reflektieren ergriff Harry<br />

erneut das Wort. „Das ist ja alles schön und gut… aber<br />

meine Frau hegt, naiv <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> eben ist, die tatsächliche<br />

Annahme, das <strong>sie</strong> eine fundierte Schauspielausbildung<br />

in ein paar Stunden des sogenannten<br />

Nachhilfeunterrichts bei einer Schauspielschülerin des<br />

ersten Semesters nachholen könne. Und diese<br />

Annahme ist eben komplett realitätsfremd.“<br />

Tara traf in diesem Moment eine innere Entscheidung.<br />

Aus einem Impuls heraus hatte <strong>sie</strong> entschieden für ihre<br />

Freundin Partei zu ergreifen. Minutenlang musste <strong>sie</strong><br />

ertragen <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> durch ihren Mann gemaßregelt<br />

wurde. Sie wollte das Wort ergreifen und Harry in die<br />

Schranken weisen. Doch ohne sich anzuhören was<br />

Tara eben Gesagtem zu entgegnen hatte stand er auf<br />

und ging. Mit kratziger Stimme krächzte er betont kühl:<br />

„Gute Reise und auf Wiedersehen“<br />

Er schloss die Tür hinter sich und ging. Bei ihrem ersten<br />

Zusammentreffen <strong>war</strong> Harry sehr nett zu ihr, an diesem<br />

Tage offenbarte er sein <strong>wirklich</strong>es Ich. Ihr schien es, als<br />

hätte <strong>Romy</strong> ihre so lang erkämpfte Eigenständigkeit<br />

verloren. Sie stand komplett unter der Fuchtel ihres<br />

Mannes. Harry bestimmte <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Leben, er entschied<br />

über ihre Arbeit, urteilte über Freunde und Kollegen.<br />

Wortlos ging <strong>sie</strong> nun auf <strong>Romy</strong> zu und umarmte <strong>sie</strong> fest.<br />

Über <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Gesicht flossen Tränen, ihre Freundin<br />

umklammerte <strong>sie</strong> nun ganz fest. Minuten lang<br />

verharrten <strong>sie</strong> in dieser Umarmung. <strong>Romy</strong> sollte dieses<br />

Gefühl haben und wissen, das <strong>sie</strong> in diesem Moment<br />

nicht allein <strong>war</strong>. Zu wissen das es einen Menschen gab<br />

mit dem <strong>sie</strong> reden konnte, der Harry erlebt hatte, und<br />

der <strong>sie</strong> versteht, gab ihr das Gefühl das <strong>sie</strong> in diesem<br />

Moment brauchte.<br />

Tara erinnert sich nach über 40 Jahren noch sehr<br />

genau an jenes Gespräch, welches <strong>sie</strong> an diesem<br />

Abend mit <strong>Romy</strong> führte.<br />

Das was <strong>Romy</strong> ihr an diesem Abend von sich<br />

offenbarte brannte sich so fest in ihre Erinnerungen. So<br />

dass <strong>sie</strong> den Inhalt ihres Gesprächs auch nach all den<br />

Jahren nicht vergessen konnte: „Es ist als wäre es<br />

gestern gewesen! Ich sehe Harry noch ganz genau vor<br />

mir, in seiner grauen Stoffhose, der dazu passenden<br />

grauen Jacke und seinem Professor Higgins Ausdruck<br />

im Gesicht.<br />

Auch <strong>Romy</strong> sehe ich noch ganz genau vor meinem<br />

inneren Auge – <strong>sie</strong> trug ein beigefarbenes<br />

Nachmittagskleid. Diese Traurigkeit in ihren Augen<br />

nach dem Gespräch mit Harry werde ich nie vergessen.<br />

Ich hatte kein Mitleid für <strong>Romy</strong>. Sie <strong>war</strong> keineswegs<br />

eine Frau die Mitleid erweckte. Ich empfand nur eine<br />

wahnsinnige Wut auf Harry und <strong>war</strong> froh das er dann<br />

doch gegangen ist!“<br />

Nach dieser Auseinandersetzung dachte Tara darüber<br />

nach ob <strong>Romy</strong> in Berlin <strong>wirklich</strong> glücklich <strong>war</strong>.<br />

Schließlich liebte <strong>sie</strong> Paris. Dort lebten all ihre Freunde,<br />

ihre Kollegen, ihre beruflichen Kontakte. Paris <strong>war</strong> die<br />

Stadt die <strong>Romy</strong> einst umarmte, die <strong>sie</strong> liebt, die ihr das<br />

Lebensgefühl vermittelt das <strong>sie</strong> braucht. Ihr Pariser<br />

Boheme Leben, das <strong>sie</strong> nie <strong>wie</strong>der missen wollte, hatte<br />

<strong>sie</strong> aufgeben. Aufgegeben für ein gut bürgerliches<br />

Glück in Berlin. Zwischen <strong>Romy</strong> und Berlin bestand<br />

eine wahnsinnige Anziehungskraft. Sie liebte Berlin. Für<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> Berlin der Ort an dem alles begann.<br />

Nach der Trennung von Alain Delon <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> ganz<br />

unten, <strong>sie</strong> befand sich in einem großen sch<strong>war</strong>zen Loch<br />

aus dem <strong>sie</strong> sich aus eigener Kraft nicht befreien<br />

konnte. In diesem Moment trat Harry Meyen in ihr<br />

Leben.<br />

Harry Meyen ist das komplette Gegenteil von Alain<br />

Delon, <strong>Romy</strong> gefiel das Gefühl, sich bei diesem<br />

gebildeten Mann von Welt, der ihr ein Gefühl von<br />

Sicherheit vermittelte, komplett fallen lassen zu können.<br />

Harry steht mit beiden Beinen im Leben, er weiß ganz<br />

genau was er will. <strong>Romy</strong> träumte immer noch den<br />

Traum vom Theater, diesen Traum glaubte <strong>sie</strong>, könne<br />

<strong>sie</strong> durch Harrys Hilfe Wirklichkeit werden lassen.


IHarry hatte Träume, die er glaubte mit <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Hilfe<br />

reali<strong>sie</strong>ren zu können. Bald schon fing <strong>Romy</strong> an Harry<br />

zu ideali<strong>sie</strong>ren. Sie glaubte fest daran, bei ihm jene<br />

Tugenden zu finden die <strong>sie</strong> selbst nicht besaß.<br />

Erstmals in ihrem Leben <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> bereit den Erfolg<br />

und das Filmbusiness ihrem privaten Glück hinten<br />

anzustellen. Sie glaubte ihren Traum von dem kleinen<br />

privaten Glück mit Harry leben zu können. Sie glaubte<br />

das verloren gegangene Nest <strong>wie</strong>dergefunden zu<br />

haben, doch da verwechselte <strong>Romy</strong> Reibung mit<br />

Nestwärme: „Früher <strong>war</strong> alles ganz anders, ich <strong>war</strong><br />

ganz anders. Ich habe mich verändert, das heißt das<br />

Filmbusiness hat mich verändert. Das Filmbusiness hat<br />

meine menschliche Entwicklung beeinflusst, mich<br />

geprägt und mich verändert.“<br />

<strong>Romy</strong> erzählte Tara von früher, von den Anfängen ihrer<br />

Filmarbeit, ihrem Zenit mit Sissi und den<br />

Veränderungen die <strong>sie</strong> in diesen Zeiten durchlebt hat.<br />

Das Leben hatte <strong>Romy</strong> geprägt, und schließlich zu dem<br />

Menschen gemacht der <strong>sie</strong> heute <strong>war</strong>.<br />

„Früher <strong>war</strong> alles ganz anders, ich <strong>war</strong> ganz anders. Ich<br />

habe mich verändert, das heißt das Filmbusiness hat<br />

mich verändert. Das Filmbusiness hat meine<br />

menschliche Entwicklung beeinflusst, mich geprägt und<br />

mich verändert.“<br />

<strong>Romy</strong> erzählte Tara von früher, von den Anfängen ihrer<br />

Filmarbeit, ihrem Zenit mit Sissi und den<br />

Veränderungen die <strong>sie</strong> in diesen Zeiten durchlebt hat.<br />

Das Leben hatte <strong>Romy</strong> geprägt, und schließlich zu dem<br />

Menschen gemacht der <strong>sie</strong> heute <strong>war</strong>. „Mir selbst ist es<br />

nie aufgefallen, das ich arrogant rüberkomme. Meine<br />

Mutter und einige Freunde sagten mir <strong>wie</strong> arrogant ich<br />

doch klinge, und vor allem <strong>wie</strong> arrogant ich mich<br />

verhalte… meine Stimme klingt arrogant…<br />

unbewusst… die mahnenden Worte meiner Mutter…<br />

<strong>sie</strong> meinte in einem ihrer Briefe meine überhebliche<br />

Arroganz wäre nicht mehr zu ertragen… ich stoße die<br />

Leute vor den Kopf und merke es noch nicht einmal,<br />

sagt <strong>sie</strong>! Ich wäre so überheblich, zu denken das auf<br />

mich sogar das Flugzeug <strong>war</strong>tet.“<br />

<strong>Romy</strong> fühlt sich missverstanden. Diese Arroganz, die ihr<br />

beispielsweise von Mutter<br />

Magda nachgesagt wird ist keinesfalls eingebildet oder<br />

herabschauend gemeint. Nein! Es ist vielmehr ein<br />

Schutzwall in den sich <strong>Romy</strong> begeben hatte um sich vor<br />

Angriffen seitens der Familie und seitens der<br />

Öffentlichkeit zu schützen. Schon im elterlichen Hause<br />

in Mariengrund bemühte sich <strong>Romy</strong> an Selbstsicherheit<br />

zu gewinnen. Ihre Sicherheit verflog, sobald Stiefvater<br />

Blatzheim <strong>sie</strong> in einem gesteigert lautem Tonfall<br />

ansprach, <strong>sie</strong> anbrüllte. Sofort begab <strong>sie</strong> sich in ihr<br />

Kinderzimmer, schloss ab und heulte los. Mit einem<br />

Schrei <strong>war</strong> das neu gewonnene Gefühl weg,<br />

erschüttert, und die Angst, es für immer verloren zu<br />

haben <strong>war</strong> groß.<br />

Der Erfolg ihrer Filme gab ihr das ersehnte<br />

Selbstbewusstsein und die ersehnte Selbstsicherheit,<br />

die <strong>sie</strong> immer suchte und doch nie fand. Jeder<br />

Schauspieler durchlebt Momente des kompletten an<br />

sich selbst Zweifels. Jeder Schauspieler trägt eine<br />

starke Sensibilität in sich, für die Arbeit vor der Kamera<br />

und die Arbeit auf der <strong>Bühne</strong> ist eine Übersensibilität<br />

erforderlich.<br />

Im <strong>wirklich</strong>en Leben jedoch ist diese Übersensibilität oft<br />

ein Laster, welches der betreffende Schauspieler nicht<br />

abstellen kann. Der Schauspieler ist ein ganz normaler<br />

Mensch! - Eigentlich! Nur das er ein bisschen mehr<br />

Freude empfindet, ein bisschen verrückter ist, ein<br />

bisschen mehr leidet, ein bisschen trauriger ist. Eben<br />

von jedem Gefühl ein bisschen mehr in sich trägt!<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> sehr jung als <strong>sie</strong> in das Haifischbecken des<br />

Filmgeschäfts hinein gerutscht ist. Alles im Leben hat<br />

zwei Seiten, wo Licht ist, ist immer auch Schatten. Das<br />

Licht ist das Glück, so früh <strong>wie</strong> möglich in die<br />

Filmbranche einzusteigen und Erfahrungen zu<br />

sammeln.<br />

Konstantin Sergejewitsch Stanislawski hat einmal<br />

gesagt: „Das Leben hinter den Kulissen untergräbt die<br />

Moral des Schauspielers. Erfolg, Schmeichelei,<br />

Eitelkeit, Eigenliebe, Boheme,<br />

Schmierenkomödiantentum, Eigendünkel, Prahlsucht,<br />

Klatsch, Intrigen – das alles sind Bazillen, die dem<br />

jungen Organismus eines unerfahrenen Anfängers sehr<br />

gefährlich werden können.“<br />

Die Gefahr sich mit diesen Bazillen zu infizieren ist beim<br />

Einstieg ins Filmgeschäft als gegeben zu betrachten.<br />

So wird <strong>Romy</strong> beispielsweise übersteigerte Eitelkeit,<br />

Arroganz, und Eigenliebe vorgeworfen. Keine dieser<br />

genannten Eigenschaften sind Eigenschaften die <strong>Romy</strong><br />

charakteri<strong>sie</strong>ren. Unbewusst und durch Mangel an<br />

Erfahrung entsteht vielleicht dieses Bild von <strong>Romy</strong>.


Doch <strong>Romy</strong> hatte die Problematik und deren<br />

Ernsthaftigkeit erkannt. Die Erkenntnis ist der erste<br />

Schritt auf dem Weg zur Besserung.<br />

Es ist illusorisch zu glauben eine Lösung dieses<br />

Problems in Tagen, Wochen oder Monaten zu finden.<br />

Die Zeit spielt dabei keine gesteigerte Rolle, wichtig ist<br />

das man sich auf den Weg der Lösung begibt, und<br />

genau das tat <strong>Romy</strong>. Es belastete <strong>sie</strong>, unbewusst<br />

Menschen dieses falsche Bild von sich zu vermitteln.<br />

„Ich gebe Menschen die ich sehr liebe oftmals das<br />

Gefühl, <strong>sie</strong> nur zu lieben weil <strong>sie</strong> grade da sind. Da sind<br />

weil ich <strong>sie</strong> brauche, weil es mir grade schlecht geht, ich<br />

mit ihnen reden kann, ich <strong>sie</strong> umklammern kann. Ich<br />

vermittele ihnen das Gefühl <strong>sie</strong> wären eine Art<br />

Notnagel, den ich nur in Anspruch nehme weil grade<br />

niemand anderes da ist. Sobald ich jemanden Anderen<br />

gefunden habe, ist die Person zweitrangig und für mich<br />

nicht mehr von Interesse… Das bin nicht Ich!<br />

Das ist die Andere! Sie ist immer da, <strong>sie</strong> ist in mir. Ich<br />

kriege <strong>sie</strong> nicht raus aus mir. Gegen Sie ziehe ich in<br />

den Krieg. Sie ist mein Berg… der für mich so<br />

unüberwindbar scheint. Ich habe noch keine Lösung<br />

gefunden… aber ich suche…“<br />

Der Schauspieler ist ein Kind, sagt K. Sergejewitsch<br />

Stanislawski. Das ein Kind geimpft wird ist eine<br />

Selbstverständlichkeit. Doch wer impft den<br />

Schauspieler? Wer schützt den Schauspieler vor dem<br />

sogenannten Gift, welches der Beruf mit sich bringt?<br />

Der Schauspieler muss also eine Art Schutzimpfung<br />

bekommen, um sich selbst vor den Schattenseiten des<br />

Berufes schützen zu können. Auf die Frage <strong>wie</strong> der<br />

Schauspieler denn zu dieser Schutzimpfung gelange,<br />

antwortet Stanislawski <strong>wie</strong> folgt: „Indem man ihn erzieht,<br />

die Kunst in sich, nicht aber sich selbst in der Kunst zu<br />

lieben.“<br />

Ein Kind wird von seinen Eltern, seinen<br />

Erziehungsberechtigten erzogen. Ein Schauspieler ist<br />

zu dem Zeitpunkt wo er sich in die Berufsausbildung<br />

zum Schauspieler begibt bereits ein erwachsener<br />

Mensch, die Phase der Erziehung hat er bereits hinter<br />

sich. Dennoch begibt er sich freiwillig in eine erneute<br />

Phase des erzogen Werdens, in die Phase der<br />

künstlerischen Erziehung. Die künstlerische Erziehung<br />

muss sogleich eine Hilfestellung beinhalten die es dem<br />

Schauspieler auf seinem späteren Weg möglich macht<br />

sich selbst zu schützen. Nur <strong>wie</strong> kann das geschehen?<br />

„Mit Hilfe des eigenen Bewusstseins, durch eine feste<br />

iÜberzeugung, durch Gewohnheit, Willen, Abhärtung<br />

und Disziplin, durch Verständnis für die<br />

Voraussetzungen der kollektiven Arbeit und durch<br />

Entwicklung der Kameradschaft. Das alles bildet ein<br />

wirksames Gegengift.“<br />

<strong>Romy</strong> infizierte sich schnell mit dem sogenannten Gift.<br />

Erst durch die Arbeit mit Lucino Visconti sollte <strong>sie</strong> an<br />

das Gegengift gelangen. <strong>Romy</strong> spricht von: „Dem Krieg<br />

mit mir selbst“.<br />

Die Eigenschaft der Selbstreflektion ist bei <strong>Romy</strong> seit<br />

frühster Jugend sehr stark ausgeprägt. In ihrem<br />

Tagebuch schreibt <strong>sie</strong> über Erlebtes, <strong>sie</strong> bringt das<br />

Erlebte nicht nur zu Papier, sondern reflektiert dabei<br />

sich selbst in der jeweiligen Situation.<br />

„Ich beobachte mich so oft <strong>wie</strong> ich in den Krieg mit mir<br />

selber ziehe.“<br />

Sie selbst bezeichnet sich als ein Mensch, der sich<br />

vieles im Leben recht sch<strong>wie</strong>rig macht, sch<strong>wie</strong>riger als<br />

es in Wirklichkeit ist. <strong>Romy</strong> hat es geschafft aus den<br />

Fittichen der Familie, vor allem aus den Fittichen ihres<br />

Stiefvaters Hans Herbert Blatzheim auszubrechen. Sie<br />

hat es geschafft sich von der Rolle der Sissi zu befreien.<br />

So oft ist <strong>sie</strong> in den Krieg mit sich selbst gezogen. So oft<br />

hat <strong>sie</strong> den Krieg gewonnen. Dieses Gefühl ist<br />

unbeschreiblich, nicht von dieser Welt und erst Recht<br />

nicht in Worte zu fassen: „Sich selbst bekriegen, ist der<br />

schwerste Krieg. Sich selbst be<strong>sie</strong>gen, ist der schönste<br />

Sieg!“<br />

Oftmals wird <strong>Romy</strong> vorgeworfen, das <strong>sie</strong> sich zu oft<br />

selbst widerspreche. Das hat keineswegs etwas damit<br />

zu tun das <strong>Romy</strong> nicht ehrlich ist, oder das <strong>sie</strong> feige ist,<br />

schon gar nicht hat es was damit zu tun das <strong>sie</strong> keine<br />

eigene Meinung hat. Ein starker Wille <strong>war</strong> bei <strong>Romy</strong><br />

schon seit frühster Kindheit sehr ausgeprägt. Sie hatte<br />

genaue Vorstellungen von dem was <strong>sie</strong> wollte, und<br />

noch genauere Vorstellungen von dem was <strong>sie</strong> nicht<br />

wollte. Ihrer Freundin Tara vertraut <strong>sie</strong> an:<br />

„Ich bin oft hin und her gerissen. Dann kommt es zu<br />

widersprüchlichen Aussagen meiner Person. Das soll<br />

nicht heißen, ich wäre zu feige zu meiner Meinung und<br />

meinem tun zu stehen! Oftmals weiß ich eben nicht ob<br />

ich A oder B sagen soll. Und wenn mein Kopf vielleicht<br />

grade A gesagt hat, sagt mein Herz im nächsten<br />

Moment B. - Also entscheide ich mich für B und lasse<br />

mir ein Hintertürchen offen. Dazu kommt, dass ich das<br />

was ich mir wünsche, was meine Träume sind - oftmals<br />

für real empfinde.


5<br />

Stationen eines<br />

Lebens...Berlin<br />

Tara sitzt noch immer auf dem Ledersofa in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Wohnzimmer, <strong>Romy</strong> sitzt im Schneidersitz neben ihr. Mit einer<br />

Zigarette in der rechten und einem Glas Wein in der linken Hand. Sie versucht sich Tara zu erklären. Spricht von<br />

den zwei Seelen die <strong>sie</strong> in Ihrer Brust fühlt. Wiederholt erwähnt <strong>sie</strong> die Andere, die immer da ist. Die Andere die in<br />

ihr drin ist, ihr zweites Ich das <strong>sie</strong> nicht loswerden kann! Das zweite Ich, gegen das <strong>sie</strong> nicht ankommt! Wie aus<br />

dem Nichts erscheint es plötzlich, und plötzlich ist es auch <strong>wie</strong>der weg. Sie spricht von der „Last ihrer selbst“.


Schneider<br />

<strong>Romy</strong><br />

Vi<strong>sie</strong>r der<br />

im<br />

6 Stasi<br />

In West Berlin gründete sich 1976 die Untergrund Partei<br />

„Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus“. Die<br />

Partei wurde von Intellektuellen und Künstlern<br />

gegründet und engagierte sich für die Freilassung von<br />

politischen Gefangenen in der DDR. Der West Berliner<br />

Publizist Hannes Schwenger <strong>war</strong> Initiator dieser Partei.<br />

Hannes Schwenger übte eine Tätigkeit als<br />

Lehrbeauftragter am Institut für Medienwissenschaft<br />

und Literatursoziologie an der FU Berlin aus. Trotz der<br />

Annahme eines Lehrauftrags an der FU zu Berlin<br />

bemühte sich Hannes Schwenger nie um einen<br />

Professorentitel.<br />

Zusammen mit anderen Künstlern, <strong>wie</strong> Max Frisch,<br />

Heinrich Böll und <strong>Romy</strong> Schneider entwickelte er<br />

Strukturen für eine mögliche Hilfestellung für politische<br />

Gefangene in der DDR. Das Schutzkomitee für Freiheit<br />

und Sozialismus begann seine Arbeit nach der<br />

Biermann Ausbürgerung und der darauf folgenden Flut<br />

an Verhaftungen <strong>wie</strong> beispielsweise der Verhaftung von<br />

Christian Kunert.<br />

In ihrer ersten Aktion bemühten sich die Mitglieder des<br />

Komitees um die Freilassung des Schriftstellers und<br />

Bürgerrechtlers Jürgen Fuchs. Jürgen Fuchs geriet<br />

bereits in jungen Jahren in Konflikt mit der Regierung<br />

der DDR. Auslöser für diesen Konflikt <strong>war</strong> seine offen<br />

geäußerte Gesellschaftskritik während der<br />

Studentenproteste und des Prager Frühlings 1968.<br />

Jürgen Fuchs schrieb Gedichte und Prosatexte, in Jena<br />

arbeitete er im „Arbeitskreis Literatur und Lyrik“. In<br />

kürzester Zeit wurde die DDR Staatssicherheit auf den<br />

jungen Schriftsteller aufmerksam.<br />

Seine Gedichte und Prosatexte fielen durch das Raster<br />

der Zensur. Aus diesem Grunde wurde er an allen<br />

Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR<br />

ausgeschlossen und politisch zwangsexmatrikuliert.<br />

Nachdem er 1973 der SED beigetreten <strong>war</strong>, wurde er<br />

bereits zwei Jahre später, wegen eines gemeinsamen<br />

Auftritts mit Bettina Wegner und Gerluf Pannach, aus<br />

der Partei ausgeschlossen. Am 19. November 1976<br />

wurde Jürgen Fuchs in der DDR verhaftet. Als<br />

Verhaftungsgrund wurde „staatsfeindliche Hetzte“<br />

angegeben. Zwei Tage vor seiner Verhaftung wurden<br />

ebenfalls die Mitglieder der Band „Renft“, Christian<br />

Kunert und Gerulf Pannach verhaftet. Bereits im Jahr<br />

1975 wurde die Band „Renft“ in der DDR verboten.<br />

Auch in diesem Fall <strong>war</strong> „staatsfeindliche Hetze“ der<br />

Grund.<br />

Die Öffentlichkeit reagierte mit heftigen, internationalen<br />

Protestaktionen auf die Verhaftungswelle von Jürgen<br />

Fuchs, Christian Kunert und Gerluf Pannach. Das<br />

Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus setzte sich<br />

gezielt für die Freilassung dieser Künstler ein. <strong>Romy</strong><br />

Schneider unterstütze das Komitee mit finanziellen<br />

Mitteln, und setzte sich zusammen mit den weiteren<br />

Partei-Mitgliedern aktiv für die Freilassung der<br />

Inhaftierten ein. Dem Druck der Öffentlichkeit hielt die<br />

Regierung der DDR nach 281 Tagen nicht mehr stand.<br />

Nach 281 Tagen wurden Kunert, Fuchs und Pannach<br />

1977 zur Ausreise in den Westen verurteilt. Unter der<br />

Androhung einer langen Haftstrafe willigten <strong>sie</strong><br />

schließlich ein und wurden aus dem Gefängnis des<br />

Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin<br />

Hohenschönhausen, nach West Berlin entlassen.<br />

Ihre Freilassung zählte unter anderem zu den ersten<br />

Verdiensten der „Untergrund-Partei Schutzkomitee für<br />

Freiheit und Sozialismus“. Das Komitee machte es sich<br />

ebenfalls zur Aufgabe, privaten Kontakt zu den<br />

Angehörigen der Inhaftierten zu suchen und diese zu<br />

betreuen.<br />

Da <strong>Romy</strong> Schneider die DDR- Opposition unterstütze,<br />

sammelte die Staatssicherheit der DDR Informationen<br />

über <strong>sie</strong> und legte die Akte <strong>Romy</strong> Schneider an. Ihr<br />

politisches Engagement missfiel der DDR Obrigkeit,<br />

somit galt <strong>Romy</strong> als Staatsfeindin der DDR. Als <strong>Romy</strong><br />

einen öffentlichen Aufruf zur Freilassung von Kunert,<br />

Pannach und Fuchs unterschreibt, <strong>sie</strong>ht sich die Stasi<br />

gezwungen Maßnahmen gegen die Person <strong>Romy</strong><br />

Schneider zu ergreifen. Das Ministerium für<br />

Staatssicherheit erließ am 28. Dezember 1976 einen<br />

„Suchauftrag“ gegen <strong>Romy</strong>. Auf diesem Suchauftrag ist<br />

ein Sondervermerk notiert: „Eilt“! Daraus folgt, die Stasi<br />

fühlte sich von <strong>Romy</strong> und der Partei, welcher <strong>sie</strong><br />

angehörte massiv unter Druck gesetzt, um nicht zu<br />

sagen bedroht. In einem Anlageschreiben notierte das<br />

Ministerium für Staatssicherheit der DDR die Namen<br />

aller bisher bekanntgewordenen Mitglieder des<br />

„Schutzkomitees Freiheit und Sozialismus“. Neben<br />

<strong>Romy</strong> Schneider gehörten auch der Schriftsteller Peter<br />

Schneider und die Feministin Alice Sch<strong>war</strong>zer zu den<br />

Mitgliedern der Untergrundpartei. Die am 3. 12. 1942 in<br />

Wuppertal geborene Alice Sch<strong>war</strong>zer übte während der<br />

Zeit der Gründung des Komitees einen Lehrauftrag an<br />

der Universität in Münster aus.<br />

.


nach West Berlin entlassen.<br />

Ihre Freilassung zählte unter anderem zu den ersten<br />

Verdiensten der „Untergrund-Partei Schutzkomitee für<br />

Freiheit und Sozialismus“. Das Komitee machte es sich<br />

ebenfalls zur Aufgabe, privaten Kontakt zu den<br />

Angehörigen der Inhaftierten zu suchen und diese zu<br />

betreuen.<br />

Da <strong>Romy</strong> Schneider die DDR- Opposition unterstütze,<br />

sammelte die Staatssicherheit der DDR Informationen<br />

über <strong>sie</strong> und legte die Akte <strong>Romy</strong> Schneider an. Ihr<br />

politisches Engagement missfiel der DDR Obrigkeit,<br />

somit galt <strong>Romy</strong> als Staatsfeindin der DDR. Als <strong>Romy</strong><br />

einen öffentlichen Aufruf zur Freilassung von Kunert,<br />

Pannach und Fuchs unterschreibt, <strong>sie</strong>ht sich die Stasi<br />

gezwungen Maßnahmen gegen die Person <strong>Romy</strong><br />

Schneider zu ergreifen. Das Ministerium für<br />

Staatssicherheit erließ am 28. Dezember 1976 einen<br />

„Suchauftrag“ gegen <strong>Romy</strong>. Auf diesem Suchauftrag ist<br />

ein Sondervermerk notiert: „Eilt“! Daraus folgt, die Stasi<br />

fühlte sich von <strong>Romy</strong> und der Partei, welcher <strong>sie</strong><br />

angehörte massiv unter Druck gesetzt, um nicht zu<br />

sagen bedroht.<br />

In einem Anlageschreiben notierte das Ministerium für<br />

Staatssicherheit der DDR die Namen aller bisher<br />

bekanntgewordenen Mitglieder des „Schutzkomitees<br />

Freiheit und Sozialismus“. Neben <strong>Romy</strong> Schneider<br />

gehörten auch der Schriftsteller Peter Schneider und die<br />

Feministin Alice Sch<strong>war</strong>zer zu den Mitgliedern der<br />

Untergrundpartei. Die am 3. 12. 1942 in Wuppertal<br />

geborene Alice Sch<strong>war</strong>zer übte während der Zeit der<br />

Gründung des Komitees einen Lehrauftrag an der<br />

Universität in Münster aus.<br />

Diese Behauptung weise ich entschieden zurück, da <strong>sie</strong><br />

schlicht und ergreifend unwahr ist. <strong>Romy</strong> selbst konnte<br />

sehr schnell durchschauen, welche Motivation hinter<br />

dem jeweiligen Tun ihrer prominenten Kollegen steckt.<br />

Natürlich, so berichtete <strong>sie</strong> mir, gab es Kollegen, die<br />

sich einer Sache die dem allgemeinen guten Zweck<br />

dienen sollte, nur aus Prestigegründen verpflichtet<br />

haben<br />

Das ärgerte <strong>sie</strong> sehr, weil diese Menschen automatisch<br />

auf all jene, denen es um die <strong>wirklich</strong>e Sache geht, ein<br />

negatives Licht werfen. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> fest davon<br />

überzeugt, dass die Motivation immer in<br />

Zusammenhang mit dem Zweck der jeweiligen Sache<br />

stehen muss.<br />

Beispielsweise sagte <strong>sie</strong>: „Leute die scheinbar<br />

berühmte Stars sind und sich für die Kamera als<br />

Spender und Helfer hinstellen, empfinde ich als<br />

scheinheilig. Ich stelle mir immer die Frage, ob <strong>sie</strong> das<br />

Gleiche auch tun würden, wären die Kameras nicht da.<br />

Ich selbst tue Dinge nur, wenn ich mit meinem Herzen<br />

auch <strong>wirklich</strong> dazu stehe, weil ich den Menschen helfen<br />

möchte. Ihnen Freude schenken möchte - aber <strong>wie</strong><br />

gesagt, ohne Kameras und ohne die Absicht öffentlicher<br />

PR.“<br />

Als Ende November des Jahres 1976 die erste<br />

Pressekonferenz des Komitees im Westberlin statt<br />

gefunden hatte, <strong>war</strong> die publizistische Resonanz sehr<br />

groß. Zu dieser Zeit zählte das Komitee 14 ordentliche<br />

(eingeschriebene) Mitglieder. Zu diesen<br />

eingeschriebenen Mitgliedern gehörten:<br />

− Dr. Hannes Schwenger Vorsitzendender des<br />

Westberliner Schriftstellerverbandes − Otto Schily<br />

Rechtsanwalt − Prof. Helmut Gollwitzer − Heinrich Böll<br />

− Max Frisch Zürich − Heinrich Alberts ehem.<br />

Regierender Bürgermeister v. Westberlin − Peter<br />

Schneider − Prof. de Vring Uni Bremen − Moneta<br />

Chefredakteur „Metall“ − <strong>Romy</strong> Schneider − Yves<br />

Montand − Simone Signoret<br />

In einer Akte mit dem Vermerk „Streng geheim!“ wurden<br />

die Namen der 14 ordentlichen Mitglieder des Komitees<br />

schriftlich fixiert: (Originalauszug) „Darüber hinaus<br />

haben bisher etwa 200 Persönlichkeiten des<br />

öffentlichen Lebens der BRD (vor<strong>wie</strong>gend des<br />

kulturellen Bereiches) schriftlich ihre Übereinstimmung<br />

mit den Zielen des Komitees erklärt.“ Nach Aussagen<br />

von Dr. Hannes Schwenger, dem Vorsitzenden des<br />

Komitees „gibt es sehr wenig ernstzunehmende<br />

Persönlichkeiten, die gegenüber dem Komitee und<br />

dessen Zielen eine ablehnende Haltung einnehmen<br />

würden.“<br />

Dr. Hannes Schwenger <strong>war</strong> es gelungen, mit dem von<br />

ihm gegründeten Komitee eine Basis für eine politische<br />

Bewegung zu gründen.<br />

„Das Komitee tagt einmal monatlich mit allen zu dieser<br />

Zeit in Westberlin weilenden ordentlichen Mitgliedern.<br />

Die Idee von der Komiteegründung stammt von Dr.<br />

Schwenger, der nach eigenen Angaben streng darauf<br />

achten will, dass es nicht zu „antikommunistischen<br />

Zwecken“ missbraucht wird.“ In diesem Zusammenhang<br />

wird deutlich gemacht: „So würden alle des<br />

Antikommunismus verdächtigten Personen


vom Komitee ferngehalten.“ In dem Schreiben des MfS<br />

wird angegeben, das Yaak Karsunke der Mentor des<br />

Vorsitzenden Dr. Hannes Schwenger gewesen sei, und<br />

Otto Schily der Rechtsberater des Komitees. Diese drei<br />

wurden durch das MfS als „harter Kern“ des Komitees<br />

angegeben. Doch welche Rolle spielte <strong>Romy</strong> Schneider<br />

im „Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus“?<br />

„Nur an der Periphere bewegt sich <strong>Romy</strong> Schneider, die<br />

Yves Montand und Simone Signoret als Mitglieder für<br />

dieses Komitee gewonnen hat.“ Weiterhin heißt es: „Die<br />

Aktivitäten von Böll, Frisch, und Alberts halten sich<br />

vorerst in Grenzen. Sie geben ihren Namen,<br />

Verbindungen und Spenden. Da die zur Finanzierung<br />

des Komitees notwendigen spärlich werden, ist daran<br />

gedacht, das Komitee als einen Verein eintragen zu<br />

lassen, „um die Spenden von der Steuer absetzen zu<br />

können.“<br />

Das MfS hegte lange Zeit die Vermutung, das auch der<br />

ehemalige Spiegel Korrespondent Mettke zu den<br />

eingetragenen Mitgliedern des Komitees gehörte. In<br />

ihren Recherchen <strong>war</strong> es ihnen nicht gelungen einen<br />

Hinweis auf den Beitritt Mettkes zu finden. „Es gibt<br />

keinen Hinweis darauf, daß auch der ehemalige<br />

„Spiegel“ - Korrespondent Mettke zu den ordentlichen<br />

Mitgliedern des Komitees gehört.“<br />

Selbst die Tatsache, dass <strong>Romy</strong> Schneider das<br />

Komitee nur durch finanzielle Zuwendungen<br />

unterstütze, und lediglich zwei neue ordentliche<br />

Mitglieder für das Komitee gewinnen konnte,<br />

beunruhigte das Ministerium für Staatssicherheit.<br />

Akribisch wurde alles mit <strong>Romy</strong> Schneider im<br />

Zusammenhang stehende durch das Ministerium für<br />

Staatssicherheit dokumentiert und archiviert.<br />

Als am 30. September 1976 die BZ ein Interview mit<br />

<strong>Romy</strong> Schneider veröffentlichte, wurden die Mitarbeiter<br />

des Staatsicherheitsdienstes darauf aufmerksam. In<br />

jenem Interview berichtete <strong>Romy</strong> über die Dreharbeiten<br />

ihres Films: „Gruppenbild mit Dame“.<br />

<strong>Romy</strong> spielt die Rolle der Leni, - die Rolle der Dame um<br />

die sich die anderen Figuren gruppierten. Im Verlauf der<br />

Dreharbeiten wird das gesamte Team eine zeitlang in<br />

Ostberlin verweilen, um dort die jeweiligen Schauplätze<br />

abzudrehen. In diesem Interview äußert <strong>Romy</strong> erstmals<br />

einen Wunsch, mit dem <strong>sie</strong> automatisch <strong>wie</strong>der in das<br />

Vi<strong>sie</strong>r der Stasi gelangt <strong>war</strong>. Im Interview verriet <strong>sie</strong>:<br />

„Ich möchte unbedingt Ulrich Plenzdorf und Wolf<br />

Biermann kennen lernen.“<br />

Die Äußerung ihres Wunsches, diese beiden aus der<br />

DDR stammenden Künstler kennen zu lernen wurde<br />

von der Stasi in einer Kopie des Berichts unterstrichen.<br />

An Hand dieses Interviews schrieb HA XX/7, Gen. Lohr<br />

einen Informationsbericht mit dem Vermerk<br />

„Vertrauliche Dienstsache“. In dem Bericht, datiert mit<br />

dem 25. Oktober 1976 heißt es: „Wie weiter berichtet<br />

hält sich R. Schneider gegenwärtig in Westberlin auf,<br />

wo <strong>sie</strong> an Dreharbeiten zu Bölls „Gruppenbild mit<br />

Dame“ teilnimmt. Im obengenannten Zeitungsartikel<br />

äußerte <strong>Romy</strong> Schneider den Wunsch Wolf Biermann<br />

kennenzulernen. Die Frage ist nun, ob Biermann <strong>Romy</strong><br />

Schneider einmal in seiner Wohnung begrüßen möchte.<br />

Biermann wäre dazu bereit.“<br />

Unterzeichnet wurde dieses Dokument mit F.d.R.A. :<br />

Röbisch .<br />

<strong>Romy</strong> Schneider <strong>war</strong> zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt,<br />

in der Rolle der Leni, die <strong>sie</strong> in: „Gruppenbild mit Dame“<br />

spielte <strong>war</strong> <strong>sie</strong> plötzlich eine Frau von 48 Jahren. Auf<br />

die Frage der BZ <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> denn die Nachkriegszeit<br />

erfassen sollte, obwohl <strong>sie</strong> diese nicht bewusst miterlebt<br />

hatte, antwortete <strong>sie</strong>: „Die kann ich gar nicht empfinden<br />

mit meinen 38 Jahren. Ich weiß einiges von meiner<br />

Mutter.<br />

Das berührt mich sehr. Sie kannte diese Zeit und ich<br />

habe davon zu lernen.“<br />

Da <strong>Romy</strong> 1976 bereits seit langem mit ihrem Mann<br />

Daniel Biasini und ihrem Sohn David in Paris lebte,<br />

stand die Frage im Raum, ob ihre Familie <strong>sie</strong> nach<br />

Berlin begleiten werde. <strong>Romy</strong> entschied sich dafür,<br />

David bei ihrem Mann und seinen Großeltern in Paris<br />

zu lassen. „Es hätte keinen Sinn, wenn er mich hier<br />

besucht und ich drei Monate lang täglich 12 Stunden<br />

arbeiten muss.“<br />

Selbst ihre beruflichen Pläne, die <strong>sie</strong> für die Zukunft<br />

hatte, stellten sich für die Mitglieder der Stasi als<br />

wissenswertes Material heraus. <strong>Romy</strong> spricht von<br />

einem Zukunftsfilm, den <strong>sie</strong> nach den beendeten<br />

Dreharbeiten von: „Gruppenbild mit Dame“ in Angriff<br />

nehmen möchte. Sie weiß auch, dass <strong>sie</strong> nach diesen<br />

arbeitsintensiven drei Monaten zunächst eine Pause<br />

einlegen müsse. Zeit für die Familie, und auch Zeit für<br />

sich selbst. Ihrer Freundin Tara schrieb <strong>sie</strong>: „Ich freue<br />

mich so endlich <strong>wie</strong>der in Berlin zu sein. Ich <strong>war</strong> im<br />

Gehrhus Hotel, an jenem Ort wo alles begann. Ich<br />

wünschte, du könntest jetzt hier sein.“<br />

Ihre Pause nach „Gruppenbild mit Dame“ wollte <strong>Romy</strong><br />

auch für ihre weiteren Projekte mit Tara nutzen.


Sie wollte endlich zu einer Fertigstellung ihres<br />

gemeinsamen Konzeptes kommen und endlich damit<br />

beginnen einen Arbeitsablauf zu fixieren. Ihre Idee von<br />

einem eigenen Theaterstück über das „Leben des<br />

Schauspielers“ sollte endlich Formen annehmen und<br />

möglichst bald zu einem Ergebnis kommen. Ihre Pause<br />

wollte <strong>sie</strong> nutzen um endlich <strong>wie</strong>der die Zeit für ihr<br />

eigenes Projekt zu finden. Nach der einjährigen Pause<br />

schien <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Zeitplan deutlich ausgefüllt zu sein.<br />

„Nach der Rolle der Leni mache ich erst mal ein Jahr<br />

Pause.<br />

Danach sind vier Filme geplant. Die Geschichte einer<br />

krebskranken Frau, die von einem Mann mit einer<br />

eingebauten Kamera im Kopf verfolgt wird. Ein<br />

Zukunftsfilm. Danach: „Portrait der Garbo“. Da spiele<br />

ich eine blinde Frau, die in einem verzweifelten Moment<br />

zwei Fotos der Garbo zerschlägt. Danach kommt ein<br />

Film mit Francis Girot, mit dem ich auch schon „Trio<br />

Infernale“ gemacht habe und dann mit Claude Sautet<br />

„Eine ganz einfache Geschichte“.<br />

Mit Berlin verband <strong>Romy</strong> etwas Einzigartiges. In Berlin<br />

hatte <strong>sie</strong> in jungen Jahren ihren ersten Film gedreht<br />

und in Berlin spielte <strong>sie</strong> nun auch ihre älteste<br />

Rollenfigur, die älteste <strong>Romy</strong> die es je gab. In<br />

„Gruppenbild mit Dame“ spielt <strong>sie</strong> in einer Szene die<br />

Leni, ihre Rollenfigur, als 48 jährige Frau. <strong>Romy</strong> liebte<br />

das Berliner Publikum und die Berliner Art zu Leben.<br />

Das <strong>war</strong> immer ein Publikum das besonders freundlich<br />

zu mir <strong>war</strong>. In dieser Stadt habe ich über zwei Jahre<br />

gelebt. jedoch, ich lebe in Frankreich normaler als hier.<br />

Da werde ich anders gesehen und deshalb in Ruhe<br />

gelassen. In Frankreich rennt man mir nicht auf der<br />

Straße nach. Wenn´s das einmal gab, <strong>war</strong> es sehr<br />

selten. Hier, das muss ich noch mal sagen, ist seit<br />

meinem 15. Lebensjahr ein Image aufgebaut worden,<br />

das sich längst verselbstständigt hat und an dem ich<br />

nicht mehr rütteln kann. Aber das hat gar nichts mehr<br />

mit mir, mit der Person <strong>Romy</strong> Schneider zu tun.“<br />

<strong>Romy</strong> versucht zu erklären, <strong>war</strong>um es ihr in Frankreich<br />

zu leben leichter fällt als in Deutschland. <strong>Romy</strong><br />

versucht Ihre Berliner Wohnung so weit <strong>wie</strong> möglich<br />

geheim zu halten, um sich dort in Ruhe auf ihre Rolle<br />

vorbereiten zu können. In Deutschland ist <strong>sie</strong> auch<br />

nach all den Jahren immer noch die „Sissi“, mit der<br />

<strong>Romy</strong> längst abgeschlossen hat.<br />

Sie fühlt sich von den Deutschen, einschließlich der<br />

deutschen Presse nicht verstanden. Sie hat sich als<br />

Frau und auch als Künstlerin weiter entwickelt, Sissi<br />

das <strong>war</strong> nur eine Facette der <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

Doch neben dieser Facette gab es eben noch viele<br />

weitere Facetten, welche die Deutschen bei ihr nicht<br />

sehen wollten, davon <strong>war</strong> <strong>sie</strong> überzeugt.<br />

In Deutschland wollte man <strong>Romy</strong> Schneider nicht in<br />

der Rolle einer Prostituierten, oder gar der Rolle einer<br />

Mörderin sehen. Es <strong>war</strong> diese Ablehnung, die <strong>Romy</strong><br />

nicht verstehen konnte. In Deutschland wurde <strong>Romy</strong><br />

von einem Großteil ihrer Fans als lebende Legende<br />

betrachtet. Der Hype um ihre Rolle der<br />

österreichischen Kaiserin Elisabeth <strong>war</strong> der Ursprung<br />

zu dieser Legendenbildung. Ihre Ablehnung für diese<br />

Bezeichnung formulierte <strong>Romy</strong> deutlich und<br />

akzentuiert: „Allein der Gedanke, als Legende zu<br />

leben wäre mir unerträglich. Um es krasser zu sagen,<br />

man hat versucht, aus mir ein Stück Fleisch zu<br />

machen, was verkauft wird. Die Anderen, die<br />

engagiert werden, sind die großen Künstler. Aber<br />

Frau Schneider bringt das Geld und ist zu einem<br />

Markenartikel <strong>wie</strong> Persil geworden. Dies ist oft das<br />

ganze Interesse, das man an mir hat.“ Erstmals<br />

sprach <strong>Romy</strong> in der deutschen Presse offen an, was<br />

<strong>sie</strong> kränkte und sehr verletzte. Sie, die unverkennbar<br />

eine große Künstlerin <strong>war</strong>, wurde oftmals nicht<br />

wegen ihrer schauspielerischen Fähigkeiten, sondern<br />

wegen dem Marktwert ihres Namens engagiert.<br />

Damit hatte man <strong>sie</strong> verletzt. Das empfand <strong>sie</strong> als<br />

ungerecht. Auch ihrer Freundin Tara verriet <strong>Romy</strong>:<br />

„Ich glaube, dass viele es gar nicht sehen, <strong>sie</strong> sehen<br />

es einfach nicht, das heißt <strong>sie</strong> sehen mich nicht. Sie<br />

sehen den Entwicklungsprozess nicht, den ich<br />

durchschritten habe.<br />

So oft überkommt mich das Gefühl, das den<br />

Produzenten meine schauspielerische Leistung egal<br />

ist. Sie sehen den Marktwert und benutzen den<br />

Namen <strong>Romy</strong> Schneider als Zugpferd. Die kleine<br />

Schneider bringt eben das Geld. Doch ich will kein<br />

Zugpferd sein und ich will auch keine Marke sein. Der<br />

Starrummel um meine Person interes<strong>sie</strong>rt mich<br />

überhaupt nicht, in keiner Weise interes<strong>sie</strong>rt mich der<br />

Rummel um meine Person. Ich bin Künstlerin, eine<br />

Schauspielerin - und als solche möchte ich behandelt<br />

und vor allem gesehen werden.“


Dieselbe Thematik, die <strong>Romy</strong> Wochen vor ihrem<br />

Interview mit der BZ öffentlich angesprochen hatte,<br />

vertraute <strong>sie</strong> Tara an. <strong>Romy</strong> sagte ihr, dass <strong>sie</strong> nun<br />

endlich all jene Dinge ansprechen wird, die <strong>sie</strong> belasten<br />

und die <strong>sie</strong> stören. Aus diesem Grund etwas an dem<br />

Verständnis der Menschen zu ändern, Ihnen ihre<br />

Person, den Menschen <strong>Romy</strong> Schneider ein Stück weit<br />

näher zu bringen. <strong>Romy</strong> wollte sich keineswegs<br />

erklären, gar entschuldigen. Nein! Viel mehr <strong>war</strong> es das<br />

Bedürfnis, dem Land das <strong>sie</strong> groß gemacht hatte,<br />

verständlich darzulegen, diesem<br />

Land positiv gegenüber zu treten. Dies wurde<br />

fälschlicher Weise in der deutschen Presse oft<br />

propagiert. „Das Wort „Star“ habe ich immer gehasst.<br />

Vor allem das Getue und Gemache drum herum. In<br />

erster Linie bin ich eine Schauspielerin, die ihren Beruf<br />

so gut <strong>wie</strong> möglich macht seit vielen Jahren. Genauso<br />

<strong>wie</strong> das viele andere in ihrem Beruf auch tun.“<br />

<strong>Romy</strong> Schneider hat aus ihren Fehlern gelernt, vor<br />

allem hat <strong>sie</strong> sich vorgenommen alte Fehler nicht zu<br />

<strong>wie</strong>derholen. Die Dinge die pas<strong>sie</strong>rt sind, sind nun mal<br />

pas<strong>sie</strong>rt, und daran lässt sich nichts mehr ändern. Das<br />

ist <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Standpunkt. Fehler bereut <strong>Romy</strong><br />

keineswegs, für <strong>sie</strong> gilt: Fehler sind dazu da um<br />

gemacht zu werden, aus Fehlern lernt man am<br />

ehesten.<br />

Auf die Frage nach Fehlern seitens der deutschen<br />

Presse entgegnet <strong>Romy</strong>: „Es gibt eine Art der<br />

deutschen Berichterstattung die ich mir nicht mehr<br />

gefallen lasse. Und dagegen gehe ich vor. Und ich<br />

kann nur hoffen, dass alle Kollegen, und jeder Andere<br />

genau so hart vorgeht. Ich habe einmal gedacht, dass<br />

mich das alles nicht verletzt.“<br />

<strong>Romy</strong> fühlt sich seitens der deutschen Medien auf<br />

brutalste Art und Weise angegriffen. Grund dafür <strong>war</strong><br />

die Hochzeit mit dem damals 28 jährigen Daniel Biasini<br />

in Berlin. „Wenn da mein Mann als Gigolo oder ich <strong>wie</strong><br />

ein Trottel hingestellt werden.“<br />

Allerdings <strong>war</strong>en diese Berichterstattungen keine<br />

Lügengeschichten, sondern ba<strong>sie</strong>rten auf existierenden<br />

Tatsachen. In diesem Moment <strong>war</strong> es <strong>Romy</strong>, die<br />

versuchte, die Wahrheit ein bisschen schöner zu<br />

formulieren und Daniel Biasini in ein besseres Licht zu<br />

rücken. „Es muss einmal deutlich gesagt werden, dass<br />

Daniel hart arbeitet, in einem eigenen Beruf. Er ist<br />

Fernsehreporter für politische Reportagen. Hat aus<br />

Beirut und Angola berichtet und dreht zur Zeit in<br />

Argentinien und Paraguay. Das französische, belgische<br />

und schweizer Fernsehen haben seine Filme bereits<br />

gekauft.“<br />

Mit diesem Statement versucht <strong>Romy</strong> Daniels Ruf als<br />

Pariser Nachtclubvogel zu entkräften. Sie <strong>war</strong>en zu<br />

diesem Zeitpunkt gerade ein Jahr verheiratet. <strong>Romy</strong>,<br />

verliebt und positiv denkend erhofft sich, Daniel und<br />

sein Verhalten zu ändern. Bis zum Erlangen dieses<br />

Ziels versucht <strong>sie</strong> seine Eskapaden in der<br />

Öffentlichkeit so weit <strong>wie</strong> möglich zu beschönigen.<br />

Von großem Interesse für das Ministerium für<br />

Staatssicherheit ist die Tatsache: Warum <strong>Romy</strong><br />

Schneider, die zuletzt vor zehn Jahren in<br />

Deutschland gedreht hatte, gerade für das Projekt<br />

„Gruppenbild mit Dame“ zusagte. <strong>Romy</strong> formuliert<br />

ihre Antwort den<br />

Tatsachen entsprechend ehrlich und dennoch mit<br />

versteckter Kritik an den Produzenten und<br />

Regisseuren. „Die Stoffe, die man mir in den letzten<br />

Jahren in Deutschland angeboten hat, <strong>war</strong>en<br />

unannehmbar, haben mir einfach nicht gefallen. Das<br />

hatte zu tun mit meinen alten deutschen Filmen und<br />

auch mit dem jungen deutschen Film. Ich bin für<br />

dieses Kino hier einfach nicht gemacht. Wenn man<br />

mir so etwas anbieten würde <strong>wie</strong> Wim Wenders<br />

´Falsche Bewegung´, dann fände ich das einfach<br />

schlecht. Gruppenbild mit Dame´- da hat mir das<br />

Buch gefallen, obwohl es für mich erst sehr sch<strong>wie</strong>rig<br />

<strong>war</strong> den Roman zu lesen.“<br />

Ungerecht erschien ihr, dass 70 Prozent aller Rollen<br />

für Männer geschrieben wurden. „Die Auswahl der<br />

Rollen ist auch für mich nicht mehr einfach, denn wir<br />

haben fast ein Männerkino. 70 Prozent aller guten<br />

Rollen sind Männerrollen.“<br />

<strong>Romy</strong> erklärt in diesem Zusammenhang ihr<br />

Vorgehen bei dem Aussuchen von Rollen und<br />

Filmstoffen. „Für mich funktioniert das so: Erst der<br />

Stoff, dann der Regisseur, dann der Schauspieler.<br />

Bei Böll hat mir erst der Stoff gefallen. Dann habe ich<br />

gesehen, dass Regisseur Aleksander Petrovic die<br />

Gedanken, die Figuren, die Leni verstanden hat. Also<br />

habe ich unterschrieben. Ich wollte diese Leni<br />

spielen, diese Leni sein, so gut ich kann.“<br />

In dem zeitintensiven Prozess des Rollenstudiums<br />

kristalli<strong>sie</strong>rt sich immer deutlicher heraus, das in Leni<br />

wesentliche Charakterzüge von <strong>Romy</strong> stecken. Die<br />

Überlebensstrategie ihrer Rollenfigur ist identisch mit<br />

ihrer eigenen.<br />

„Diese Leni geht so <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> lebt, <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> fühlt, <strong>wie</strong> <strong>sie</strong><br />

liebt jedes Risiko ein. Nur so konnte <strong>sie</strong> überleben.<br />

Was nun <strong>Romy</strong> Schneider betrifft: Die hat auch<br />

überlebt trotz allem, was mit ihr gemacht wird seit 15<br />

Jahren.“


Ihrer Freundin Tara teilte <strong>sie</strong> kurze Zeit nach ihrem Interview mit, <strong>wie</strong> befreit <strong>sie</strong> sich fühlte, gerade in der<br />

deutschen Presse diese, für <strong>sie</strong>, grundlegenden Inhalte anzusprechen. Ihren deutschen Fans wollte <strong>sie</strong><br />

dadurch die Möglichkeit geben, sich besser begreiflich machen zu können <strong>war</strong>um <strong>sie</strong> diesem Land für eine<br />

lange Zeit den Rücken gedreht hatte. Sicherlich gab es auch Menschen, gerade in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> damaligem Berliner<br />

Umfeld, die glaubten <strong>Romy</strong> könne in der deutschen Filmwelt nach ihren damaligen Erfolgen nicht mehr Fuß<br />

fassen. <strong>Romy</strong> wäre abgeschrieben. Den Beweis, dass <strong>sie</strong> dies eben nicht <strong>war</strong>, den hat <strong>sie</strong> selbst erbracht.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eine Schauspielerin, eine Künstlerin, die sich ihre Rollen sehr kritisch aussucht. Sie agierte in<br />

diesem Fall nach ihrem Motto: „Willst du gelten, mach dich selten.“<br />

Das Ministerium für Staatssicherheit dokumentierte das von <strong>Romy</strong> in Berlin gegebene Interview akribisch.<br />

Jede Äußerung <strong><strong>Romy</strong>s</strong> wurde genau auf „Staatsfeindliche Hetze“ überprüft. Abschließend zu ihrem Interview<br />

notiert ein Stasi Oberstleutnant:<br />

„Abschließend macht ...aufmerksam, daß <strong>sie</strong> alles an den Friedensclown nach Frankfurt/Main abgeschickt hat,<br />

ferner sandte <strong>sie</strong> an & & einen Brief, Biermann findet das in Ordnung. 18.03 Uhr “Die in dem Zitat mit &<br />

angedeuteten Namen wurden in ihrer Akte geschwärzt.<br />

Es handelt sich bei den geschwärzten Namen um Parteigenossen die heute nicht genannt werden möchten.<br />

Aus einem weiteren Aktendokument geht hervor, das gegen <strong>Romy</strong> Schneider am 20.01.1978 eine<br />

Einreisefahndung beschlossen wurde.<br />

Am 14.06.1982 wurde darunter handschriftlich ergänzt: „mit Material gelöscht.“<br />

Die Akte <strong>Romy</strong> Schneider wurde am 29. Mai 1982 mit dem handschriftlichem Vermerk „verstorben“<br />

geschlossen.


Tot Der<br />

ihr<br />

überschattet<br />

7 Leben<br />

„<strong>Romy</strong> ernährte sich unbewusst von dem Leid, das ihr<br />

widerfuhr, und übertrug es auf ihre Filmrollen. Wenn ihr<br />

die Regisseure diese Rollen gaben, dann deshalb, weil<br />

<strong>sie</strong> etwas Tragisches an sich hatte. Dabei hatte <strong>sie</strong><br />

ganz und gar keine Lust unglücklich zu sein.“<br />

Jean Claude Brialy<br />

Ihr Leben <strong>war</strong> überschattet mit tragischen Ereignissen,<br />

die <strong>sie</strong> maßgeblich prägten. hatte <strong>sie</strong> den Mut und die<br />

Kraft, dieses Leben zu leben nie verloren. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong><br />

verliebt in das Leben, dieses Leben, was ihr so viel<br />

Freude und Glücksmomente bereitet hatte. Sie <strong>war</strong><br />

verliebt in ihre Arbeit, die Schauspielerei. Dankbar für<br />

die Menschen, die nach und nach in ihr Leben traten<br />

und eines Tages zu einem festen Bestandteil ihres<br />

Lebens wurden.<br />

Ihrer Freundin Tara vertraute <strong>sie</strong> an: „Ich bin dem<br />

Leben dankbar, für jeden einzelnen Glücksmoment den<br />

ich erleben durfte und es <strong>war</strong>en sehr viele, die ich bis<br />

jetzt erleben durfte. Für dieses Glück bin ich gerne<br />

bereit, alle Tragödien, die das Schicksal mir vor die<br />

Füße wirft zu meistern und ich weiß heute schon, das<br />

ich daran wachsen werde.“<br />

Sie <strong>war</strong> die pure Lebensfreude, ein Energiebündel, <strong>sie</strong><br />

liebte es zu lachen und zu tanzen. Sie lebte im hier und<br />

jetzt, schaute nach vorn, nie zurück. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> das<br />

genaue Gegenteil einer melancholischen Frau. Mit der<br />

Geburt ihres Sohnes David Christopher, am 3.<br />

Dezember 1966 und der Geburt von Tochter Sarah<br />

Magdalena am 21. Juli 1977 schien ihr Leben perfekt.<br />

Wie glücklich <strong>sie</strong> <strong>war</strong> konnte jeder, der sich in ihrer<br />

unmittelbaren Nähe befand hautnah miterleben.<br />

<strong>Romy</strong> lies ihre Umwelt an ihrem Glück teilhaben, <strong>sie</strong><br />

wollte jeden einzelnen Moment genießen, und am<br />

Liebsten die Zeit für immer anhalten. „So <strong>wie</strong> es jetzt ist,<br />

so sollte es immer sein.“<br />

sagte <strong>sie</strong> kurz nach der Geburt von Tochter Sarah<br />

Magdalena.<br />

Das Rad der Zeit anhalten, den Lauf der Zeit stoppen,<br />

in einem schönen Moment zu verharren, ihn für immer<br />

beizubehalten... All das ist in unseren Träumen möglich.<br />

Doch ein jeder Traum endet irgendwann, so dass wir<br />

erwachen und uns der Realität stellen müssen, und<br />

erkennen: Es ist eben nur ein schöner Traum, eine<br />

schöne Phanta<strong>sie</strong> gewesen. Das Rad der Zeit können<br />

wir nicht anhalten, die Zeit auch nicht zurück drehen.<br />

Die Zeit vergeht und <strong>sie</strong> bleibt niemals stehen. Unsere<br />

Zeit ist unser Kapital, mitunter ist die Zeit das einzig<br />

Gerechte im Leben, denn die Zeit ist gleich verteilt.<br />

Jeder Tag hat für einen jeden Menschen die gleiche<br />

Anzahl von Stunden. Dabei ist es einem jeden von<br />

uns freigestellt <strong>wie</strong> er diese Zeit nutzt. Ob er <strong>sie</strong> mit<br />

Nichtigkeiten vergeudet und verschwendet, <strong>sie</strong> an<br />

einen Arbeitgeber verkauft, <strong>sie</strong> genießt, allein oder<br />

mit anderen, oder ob er <strong>sie</strong> investiert, in sich und in<br />

andere. Ende der 70er Jahre schlich der Tod um<br />

<strong>Romy</strong> herum. Die Zeit die <strong>sie</strong> immer anhalten wollte<br />

<strong>war</strong> verschollen, das Glück in ungreifbare Ferne<br />

gerückt. Am Ostersonntag des Jahres 1979 begann<br />

die private Tragödie im Leben der <strong>Romy</strong> Schneider.<br />

Harry Meyen, ihr erster Ehemann und Vater von<br />

David Christopher beendete die <strong>Bühne</strong> seines<br />

Lebens.<br />

Sinn und Sein des Lebens <strong>war</strong>en ihm entglitten, die<br />

Hoffnung auf ein besseres Leben hatte ihn verlassen.<br />

Harry litt unter seiner Erfolglosigkeit als Regisseur<br />

und Schauspieler. Durch <strong>Romy</strong> erhielt er wenigstens<br />

ab und an eine Gastrolle in einem ihrer Filme. Sie<br />

versuchte ihm nach ihren Möglichkeiten zu helfen,<br />

nutze dafür ihre Kontakte. So erhielt er durch Hilfe<br />

von <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Kontakten ein Engagement als Regisseur<br />

bei den Salzburger Festspielen. Seine Inszenierung<br />

eines Stückes von Thomas Bernhard wurde ein Flop,<br />

so dass es <strong>Romy</strong> fortan nicht mehr gelang ihn<br />

weiterhin zu vermitteln. Die Er<strong>war</strong>tungen des<br />

Publikums konnte er nur in den seltensten Fällen<br />

erfüllen, neue Engagements fielen gänzlich aus.<br />

Eine völlige Leere umgab den einstig erfolgreichen<br />

Regisseur und Schauspieler. Er wurde plötzlich nicht<br />

mehr gebraucht, fühlte sich in allen Punkten des<br />

Lebens unbedeutend und nichtig.<br />

Das belastete ihn sehr, besonders stark litt er unter<br />

der Trennung von seinem Sohn David. Als <strong>Romy</strong><br />

zurück nach Paris gezogen <strong>war</strong> wusste er, das er<br />

seinen Sohn nur noch sehr selten zu Gesicht<br />

bekommen würde. Die Tatsache sein einziges Kind<br />

nicht mehr sehen zu können zerstörte den ohnehin<br />

depressiven Harry vollends. Wieviel kann ein Mensch<br />

ertragen? Sein ganzes Leben lang litt Harry Meyen<br />

an Migräne und Depressionen. Er nahm Tabletten in<br />

Kombination mit Alkohol, schluckte unter anderen<br />

Staurodorm. Seine Depressionsschübe nahmen im<br />

Laufe der Jahre beträchtlich zu. Nach jedem<br />

Misserfolg verschlimmerte sich der Zustand seiner<br />

psychischen Gesundheit. Die Trennung von <strong>Romy</strong><br />

und der Verlust des Kindes ließen Harry vollends in<br />

den Kreislauf seiner Sucht hineinrutschen.


Harry litt unter besorgniserregenden Angstzuständen<br />

und konnte Zeitweise nicht einmal die Einwirkung von<br />

Tageslicht ertragen. Die Vorstellung und der Gedanke<br />

daran, dem Ganzen ein Ende zu setzen nahmen immer<br />

mehr Raum in seinem Leben ein. Am 14. April 1979<br />

nahm sich Harry Meyen im Alter von 54 Jahren in<br />

seiner Wohnung in Hamburg Harvestehude das Leben.<br />

Das Leben fiel ihm zur Last und er hatte keine Kraft<br />

mehr diese Last zu tragen.<br />

<strong>Romy</strong> erinnerte sich an diesen Tagen zurück an die<br />

Zeit, die <strong>sie</strong> mit Harry verbrachte. In Harry hatte <strong>sie</strong><br />

einen Gleichgesinnten, ihren Seelenverwandten<br />

gefunden. Das Band der Seelenverwandtschaft<br />

entwickelte sich zu einer großen Liebe, die wenig später<br />

in Hass, später in Hassliebe und schließlich in<br />

Gleichgültigkeit endete. Sie beide <strong>war</strong>en zwei Süchtige,<br />

zwei Borderliner, die in dem Anderen sich selbst<br />

erkannt und <strong>wie</strong>dergefunden hatten.<br />

<strong>Romy</strong> und Harry <strong>war</strong>en abhängig von Tabletten <strong>wie</strong><br />

Optalidon und Staurodorm, dazu viel Alkohol und zu<br />

guter letzt auch Drogen. Doch in erster Linie <strong>war</strong>en <strong>sie</strong><br />

psychisch abhängig von einander, denn <strong>sie</strong> bewegten<br />

sich im ewigen Zyklus der Selbstvergötterung und der<br />

Selbstzerstörung. In Zyklen von Hochstimmung und<br />

Angst, Leere und Einsamkeit hielten <strong>sie</strong> einander fest<br />

und klammerten aneinander. Sie beide verwechselten<br />

seelische Abhängigkeit und aneinander klammern mit<br />

Liebe. Ihre Beziehung, ein Abhängigkeitsverhältnis<br />

zweier Menschen mit einer deutlich ausgeprägten<br />

narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die abhängig von<br />

Rauschmitteln, doch in erster Linie abhängig von ihrem<br />

Partner <strong>war</strong>en.<br />

Im Volksmund herrscht die weit verbreitete Annahme,<br />

das eine narzisstische Persönlichkeitsstörung das<br />

Endresultat eines Lebens in der Welt des Scheins und<br />

des Ruhmes ist. Doch auch wenn sich viele über einen<br />

Irrtum einig sind, bleibt der Irrtum doch ein Irrtum.<br />

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nicht <strong>wie</strong><br />

von vielen gedacht das Resultat des Ruhmes oder<br />

einer Welt von mehr Schein als Sein. Auch die<br />

Annahme, das sich die Persönlichkeitsstörung<br />

entwickelt, wenn der Erfolg den Künstler verlässt, ist<br />

falsch. Die Kreativitätsforschung von heute behauptet,<br />

die narzisstische Störung ist die hauptsächliche<br />

Ursache für das Errichten eines Fundaments des<br />

eigenen Ruhmes. „Nicht die allgemeine Akklamation<br />

macht verrückt, es ist die Verrücktheit die zur<br />

Akklamation führt.“ Das heißt: Nicht der Beifall ist es,<br />

der den Künstler verrückt macht, es ist die Verrücktheit<br />

die zum Beifall führt. Der Psychiater und Autor des<br />

Buches „Celebrities. Vom sch<strong>wie</strong>rigen Glück berühmt<br />

zu sein“ - formuliert dieses Phänomen <strong>wie</strong> folgt: „Wer<br />

es im Showbusiness bis ganz nach oben schafft,<br />

kann kein ganz gesunder Mensch sein.“<br />

Somit ist be<strong>wie</strong>sen das die narzistische<br />

Persönlichkeitsstörung nicht dem Leben in Erfolg und<br />

Ruhm geschuldet ist.<br />

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist die<br />

Ursache für Erfolg und Ruhm und das Leben im<br />

Filmbusiness.Peter O´Toole, ein Kollege <strong><strong>Romy</strong>s</strong>,<br />

beschreibt den Schauspieler <strong>wie</strong> folgt: „Jenseits der<br />

Leinwand haben Schauspieler überhaupt kein Ego,<br />

<strong>sie</strong> müssen eine Rolle spielen, um die Wirklichkeit zu<br />

spüren, und <strong>sie</strong> brauchen Aufmerksamkeit, um sich<br />

lebendig zu fühlen, <strong>sie</strong> schwanken ständig zwischen<br />

Hochstimmung und Depression.“


8<br />

Mein<br />

Kind ist tot<br />

„Ich habe den Vater begraben, ich habe den Sohn<br />

begraben, ich habe <strong>sie</strong> beide nie verlassen und <strong>sie</strong><br />

mich auch nicht. Ich will lernen mit der unendlichen<br />

Leere zu leben.“<br />

Der Trümmerhaufen um <strong>Romy</strong> herum erreichte am 5.<br />

Juli des Jahres 1981 seinen Zenit. Das Leben hatte<br />

<strong>Romy</strong> alles genommen. Alles was <strong>sie</strong> liebte und wofür<br />

es sich zu kämpfen lohnte. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> haltlos, das<br />

Leben schien ihr bedeutungslos. Die Narben und der<br />

Schmerz über den Verlust ihres Kindes werden<br />

zeitlebens bleiben. Harry und David <strong>war</strong>en ihre Familie.<br />

David <strong>war</strong> der Halt in ihrem Leben und gleichzeitig ihre<br />

größte Liebe. Das Schönste und zugleich das<br />

tragischste Geschenk in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Leben <strong>war</strong> David.<br />

<strong>Romy</strong> konnte nicht fassen was pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong>, <strong>sie</strong> konnte<br />

es nicht glauben, konnte das Unfassbare nicht<br />

begreifen. David wurde aus ihrem Leben gerissen, so<br />

sinnlos aus dem Leben gerissen, noch bevor sein<br />

Leben <strong>wirklich</strong> begonnen hatte.<br />

Die Ereignisse die <strong><strong>Romy</strong>s</strong> letzte Lebensjahre<br />

überschatten, könnten der Stoff einer griechischen<br />

Tragödie sein. David verunglückt tödlich bei dem<br />

Versuch die Speerspitzengitter des Hauses seiner<br />

Großeltern zu überwinden. David konnte sofort in ein<br />

Krankenhaus gebracht werden. Es <strong>war</strong> jenes<br />

Krankenhaus, in dem <strong>Romy</strong> einst das Ende ihres Films<br />

„Die Dinge des Lebens“ drehte. <strong>Romy</strong> hegte Zeit ihres<br />

Lebens eine Aversion gegen Krankenhäuser. Allein<br />

schon der Geruch den ein Krankenhaus umgibt und das<br />

kalte und sterile weiß. Sie hasste das alles. Und nun<br />

betrat <strong>sie</strong> den einstigen Drehort, das Krankenhaus im<br />

realen Leben und erhält die Nachricht das die Ärzte für<br />

David nichts mehr tun können – <strong>sie</strong> ihn verloren haben.<br />

Nächtelang irrte <strong>Romy</strong> gedankenverloren und<br />

fassungslos durch die Rue de Paris und konnte keine<br />

Ruhe finden, Ihr Leben <strong>war</strong> plötzlich <strong>wie</strong> „zu Ende“!<br />

Auch der Selbstmord von Harry hinterließ in <strong>Romy</strong> eine<br />

unsagbare Leere. <strong>Romy</strong>, seit ihrer Kindheit unglaublich<br />

sensibel, leidet psychisch und physisch unter dem<br />

Verlust ihres Kindes und dem Verlust ihres Mannes.<br />

„Wohin ist die Zeit die unsere <strong>war</strong>? Die faulen Jahre, mit<br />

zu viel Kartoffelsalat und zu viele Glücksmomente sind<br />

dahin geflogen. Was würde ich nicht alles tun um <strong>sie</strong><br />

noch einmal zu erleben... mit David... und auch mit<br />

Harry.“<br />

Kurze Zeit nach dem Tot von Harry Meyen brachte ihr<br />

neuer Lebenspartner Laurent Pétin auch <strong>Romy</strong> in ein<br />

Krankenhaus. Sie litt unter unerträglichen Schmerzen,<br />

die sich von Tag zu Tag intensivierten. Als der Punkt<br />

erreicht <strong>war</strong> und <strong>Romy</strong> die Schmerzen nicht mehr<br />

ertragen konnte, musste <strong>sie</strong> unweigerlich ins<br />

Krankenhaus. Dort entnahm man ihr sofort ihre<br />

entzündete Niere. Ihr Nierenleiden, und die daraus<br />

folgende Entzündung <strong>war</strong> das Endresultat eines<br />

jahrelangen Fehlverhaltens mit Tabletten und<br />

Alkoholkonsums.<br />

Mediziner raten an, das Frauen am Tag nicht mehr als<br />

20 Gramm Alkohol zu sich nehmen sollen. Das wäre<br />

etwa ein Glas Wein pro Tag, unter der Berücksichtigung<br />

der Tatsache, das ein Glas Wein 20 Gramm reinen<br />

Alkohol enthält. Dieses empfohlene Limit, höchstens<br />

20g Alkohol am Tag überschritt <strong>Romy</strong> um ein<br />

Vielfaches. Sie trank täglich bis zu drei Flaschen Wein,<br />

bevorzugt Rotwein. Die Mengenwerte reinen Alkohols,<br />

die in einer Flasche Wein enthalten sind betragen 85-<br />

100g.<br />

Erschwerend hinzu kommt ihr jahrelanger<br />

Tablettenkonsum.<br />

So <strong>war</strong> es nur eine Frage der Zeit, das ihre Nieren eines<br />

Tages nicht mehr fähig <strong>war</strong>en, die Giftstoffe, die <strong>Romy</strong><br />

ihrem Körper permanent zufügte, zu verarbeiten. Die<br />

Ärzte hatten <strong>Romy</strong> verboten, nach ihrer Nieren-<br />

Operation Alkohol zu trinken. Doch <strong>Romy</strong> hielt sich nicht<br />

im Geringsten daran und trank weiter, <strong>sie</strong> konsumierte in<br />

großen Mengen Rotwein, meist mehr als eine Flasche<br />

am Tag.Hildegard Knef, die um die Umstände der<br />

Nieren-Operation Bescheid wusste und <strong>Romy</strong> bei einem<br />

Treffen prüfend betrachtete, während <strong>sie</strong> eine zweite<br />

Karaffe Wein bestellte: „Ja, die Ärzte haben es mir<br />

verboten! Seit der Operation! Ich dürfte eigentlich nicht<br />

trinken. Ich tue es auch sonst nicht, aber heute bin ich<br />

eben sehr mit den Nerven runter.“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> nervlich am Ende. Nach dem Tod Harrys und<br />

nach dem Tod Davids lagen ihre Nerven blank – und<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> sehr reizbar.<br />

Ihr <strong>war</strong> es nicht möglich einen einzigen klaren<br />

Gedanken zu fassen. Nach der Operation verordneten<br />

die Ärzte ihr Tabletten, zur Linderung der Schmerzen.<br />

<strong>Romy</strong> nahm die Tabletten auch über den Zeitraum der<br />

Verordnung des Arztes heraus ein und ignorierte die<br />

Anweisungen ihrer Ärzte vollends.<br />

Hildegard Knef schreibt in ihrem Buch „<strong>Romy</strong> –<br />

Betrachtung eines Lebenswegs“: „Zum ersten Mal kam<br />

mir die Idee, das <strong>Romy</strong> eine Art von Selbstzerstörung<br />

betrieb, und z<strong>war</strong> sicher nicht eine unbewusste<br />

Selbstzerstörung, das <strong>sie</strong> bewusst lebensgefährlich<br />

lebte und das ihr das letztlich gleichgültig <strong>war</strong>.“


Leicht konnte man den Eindruck gewinnen, das <strong>Romy</strong> das Leben <strong>wie</strong> ein Spiel betrachtete.<br />

Ein Spiel, in dem <strong>sie</strong> bereit ist zu gewinnen und zu verlieren, unter dem vollen Einsatz ihres Lebens. <strong>Romy</strong> betrieb Raubbau mit ihrem<br />

Körper, dessen <strong>war</strong> <strong>sie</strong> sich bewusst.<br />

Gedanken an Folgeschäden, die bedingt durch den Raubbau eines Tages auf <strong>sie</strong> zu kommen mussten blendete <strong>sie</strong> aus. „Ich lebe nur<br />

einmal, und ich lebe jetzt. Ich weiß was ich tue, und ich weiß auch das ich mit den Konsequenzen leben kann.“<br />

Über das Leben und Dauer des Lebens sagte <strong>Romy</strong>: „Besser kurz und gut - intensiv - als lang und in<br />

Maßen.“<strong>Romy</strong> wollte leben, <strong>sie</strong> lebte impulsiv und intensiv. Sie musste leiden um sich selbst zu<br />

spüren, um zu spüren, das <strong>sie</strong> noch am Leben <strong>war</strong>. „Wenn ich eines Tages aufhöre zu leiden, dann<br />

weiß ich, dass ich schon tot bin.“<br />

Tara erinnert sich an einen Anruf <strong><strong>Romy</strong>s</strong> kurz nach dem Tot ihres Sohnes. Tara <strong>war</strong> es kaum möglich<br />

die Worte zu verstehen. <strong>Romy</strong> schluchzte und weinte in den ersten drei Minuten ihres Telefonats von<br />

einer so starken Intensität, das Tara sofort wusste – etwas Grausames ist pas<strong>sie</strong>rt. „Neiiin --- Tara ---<br />

David --- mein Kind --- mein Kind ist tot. Das Leben hat mir das Wertvollste genommen --- was ich<br />

habe“<br />

Lange Stille – <strong>Romy</strong> weinte und konnte ihre Trauer nur schwer in Worte fassen. Dieser Worte bedurfte<br />

es auch nicht, Tara konnte nur ahnen <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> sich in diesem Moment fühlen musste. „Ich kann das<br />

nicht fassen, ich gehe zu Grunde – ohne mein Kind.“


9<br />

Lebens<br />

Sinn des<br />

...der<br />

Sarah<br />

<strong>Romy</strong> wollte lernen mit dem Unerträglichen zu leben, <strong>sie</strong> wollte um jeden Preis weiter leben, zu keinem Zeitpunkt<br />

<strong>war</strong> es ihr Ziel sich selbst zu zerstören. Sie wollte da sein für ihr zweites Kind – für Sarah. <strong>Romy</strong> wollte Sarah eine<br />

gute Mutter sein. Nie hatte <strong>sie</strong> auch nur mit dem Gedanken gespielt, ihre Tochter, die <strong>sie</strong> mit der gleichen<br />

Intensität liebte <strong>wie</strong> ihren Sohn, zu verlassen und ihrem Schicksal zu überlassen. Ihr Wunsch <strong>war</strong> es lediglich die<br />

Schmerzen, die der Verlust ihres Sohnes ihr zugefügt hatte zu betäuben. So lange zu betäuben, bis <strong>sie</strong> es gelernt<br />

hatte mit dem Verlust zu leben. In diesen Zeiten weinte <strong>Romy</strong> sehr viel, <strong>war</strong> fahrig und im nächsten Moment lachte<br />

<strong>sie</strong> unvermittelt.<br />

Sie redete pausenlos, meist aus dem Zusammenhang heraus.<br />

Die Abstände, von einer emotionalen Höchstlage in die nächste emotionale Tieflage zu gelangen wurden immer<br />

kürzer. Die Zeit die vergangen <strong>war</strong>, um von einer schwer depressiven zu einer himmelhoch jauchzenden,<br />

emotionalen Haltung zu gelangen, wurde immer geringer.<br />

<strong>Romy</strong> musste lachen und weinen, durch reden so glaubte <strong>sie</strong> wäre es möglich den Schmerz lindern zu können.<br />

Durch reden könne <strong>sie</strong> alles heilen. Die Worte, die das Unerträgliche beschreiben, sollten ihr helfen, das<br />

Unerträgliche zu verarbeiten.


10<br />

Das Leben<br />

be<strong>sie</strong>gt<br />

„Es <strong>war</strong> ein Herzstillstand wegen zu viel Leid, zu viel<br />

Unglück, zu vieler Pillen.“<br />

(Jean-Claude Brialy)<br />

„Sie <strong>war</strong> hoffnungslos einsam. Ich wusste, dass <strong>sie</strong> an<br />

gebrochenem Herzen sterben würde. Ich hätte <strong>sie</strong> nicht<br />

Älter an meiner Seite sehen wollen. Es ist mir lieber,<br />

dass <strong>sie</strong> so gegangen ist, es ist gut so. Sie hat uns als<br />

Schönheit verlassen. Sie <strong>war</strong> die große Liebe meines<br />

Lebens, die erste, die Stärkste, aber leider auch die<br />

Traurigste.“<br />

(Alain Delon)<br />

„Glaubst du, es gibt <strong>sie</strong> <strong>wirklich</strong> die Zeit? Die Zeit die<br />

uns alt werden lässt, die uns verbraucht? Die Zeit gibt<br />

es schon.<br />

(<strong>Romy</strong> Schneider in „Die zwei Gesichter einer Frau“)<br />

Was geschah in dieser Nacht, in der <strong>Romy</strong> Schneider<br />

ums Leben kam?<br />

Freitag Abend gegen 20 Uhr telefonierte <strong>sie</strong> mit dem<br />

Fotografen Gérard Schachmes. Sie fragte ihn: „Gérard,<br />

<strong>wie</strong> geht es Dir?“<br />

Sie unterhielten sich gut eine Stunde und in diesem<br />

Moment, davon <strong>war</strong> Schachmes überzeugt, <strong>war</strong> <strong>sie</strong><br />

glücklich. „Du wirst schon sehen, wir machen einen Mix<br />

aus bunten und weißen Kleidern. Du wirst sehen, wir<br />

machen schöne Fotos.“<br />

Gérard Schachmes antwortete: „Ich mache mir da keine<br />

Sorgen, weil ich schon massenhaft schöne Fotos von<br />

Dir gemacht habe... darauf antwortete <strong>sie</strong> etwas<br />

wundervolles“ „Es wäre wunderbar, wenn du meine<br />

Tochter kennen lernen würdest. Sie ist so schön, wir<br />

könnten so schöne Fotos machen.“<br />

Für Gérard Schachmes klang es nicht danach das<br />

<strong>Romy</strong> in diesem Moment verzweifelt wäre. „Sie sprach<br />

über Projekte und über den Mann den <strong>sie</strong> liebte. Sie<br />

plante ein wundervolles Fotoshooting mit ihrer geliebten<br />

Tochter... begeisterte sich für diese Fotos – <strong>war</strong><br />

überglücklich.“<br />

Am Abend des 28. Mai 1982 <strong>war</strong>en <strong>sie</strong> und ihr<br />

Lebenspartner Laurent Pétain zu Gast bei Pétains<br />

Schwester um dort zu Abend zu essen. Das Souper<br />

endete um 1.00 Uhr nachts, <strong>sie</strong> und Petin fuhren zurück<br />

in ihre gemeinsame Wohnung. Laurent ging zu Bett,<br />

doch <strong>Romy</strong> konnte <strong>wie</strong> so oft nicht einschlafen.<br />

Sie entgegnete ihm: „Geh nur schlafen, ich bleibe noch<br />

ein wenig bei meinem Sohn.“<br />

Das hatte <strong>Romy</strong> öfter durchlebt, so erinnert sich Brialy.<br />

„Sie legte Musik auf, <strong>sie</strong> setzte sich auf ein Sofa und<br />

hörte Musik. Und über die Musik in ihrem Kopf sprach<br />

<strong>sie</strong> zu ihrem Sohn David. Es <strong>war</strong> eine Art von zärtlicher,<br />

liebevoller Beziehung zwischen Mutter und Sohn.“<br />

Dann setzte <strong>sie</strong> sich an einen kleinen Schreibtisch um<br />

einige Zeilen an einen Journalisten zu schreiben. In dem<br />

Brief entschuldigte sich <strong>Romy</strong> dafür, dass <strong>sie</strong> einen<br />

Interviewtermin nicht wahrnehmen konnte. <strong>Romy</strong> hatte<br />

sich eine Flasche Wein aufgemacht, der Aschenbecher<br />

neben ihr füllte sich nach und nach immer mehr.<br />

Plötzlich rutschte <strong>sie</strong> ab, auf dem Papier <strong>war</strong> ein langer<br />

Strich ihres Füllhalters zu sehen, der wenige Sekunden<br />

später zu Boden fiel. In dem Moment hörte ihr Herz auf<br />

zu schlagen...<br />

Zusammengesackt lag <strong>sie</strong> in ihrem Sessel, die Flasche<br />

Wein <strong>war</strong> leer, der Aschenbecher voll. In den frühen<br />

Morgenstunden wachte Pétain auf, er hatte bemerkt das<br />

<strong>Romy</strong> immer noch nicht zu Bett gegangen <strong>war</strong>.<br />

In dem Zimmer mit dem kleinen Schreibtisch brannte<br />

noch Licht, die Tür <strong>war</strong> angelehnt und eine kleine<br />

Lampe auf dem Schreibtisch beleuchtete den Raum.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> <strong>wie</strong> so oft eingeschlafen, so schien es.<br />

Vorsichtig versuchte Pétin <strong>sie</strong> ins Bett zu tragen, doch<br />

bemerkte er schnell das <strong>Romy</strong> nicht mehr atmete.<br />

“<strong>Romy</strong> ist tot. Das kann doch nicht sein, gestern Abend<br />

ging es ihr doch noch gut.“<br />

Er läuft durch den Raum, tränenvoll des Anblickes.<br />

Behutsam hebt er <strong>Romy</strong> von ihrem Sessel und trägt <strong>sie</strong><br />

zur Couch, um <strong>sie</strong> dort hinzulegen. Als nächstes geht er<br />

zum Telefon und wählt immer <strong>wie</strong>der die Nummer der<br />

Polizei, bis er <strong>sie</strong> schließlich erreicht hat. „Hier ist<br />

Laurent Pétin, Rue Barbet-de Jouy 11. Ich brauche<br />

einen Krankenwagen... und einen Arzt... und dringend...<br />

Rue Barbet-de Jouy 11... ja...“<br />

Er setzt sich neben seine tote <strong>Romy</strong> und betrachtet <strong>sie</strong>,<br />

dann fällt ihm auf das <strong>sie</strong> einen vergilbten alten Zettel in<br />

der Hand hält. Es <strong>war</strong> jener Zettel den <strong>sie</strong> von ihrem<br />

Vater, Wolf Albach- Retty erhalten hatte. Den Zettel, mit<br />

den Worten ihres Vaters trug <strong>Romy</strong> ein Leben lang bei<br />

sich. Darauf stand geschrieben: „Steck deine Kindheit in<br />

die Tasche und renne davon, denn das ist alles, was du<br />

hast.“<br />

Laurent Pétin verstand nicht, was dieser Satz zu<br />

bedeuten hat. Später fand er den Zettel beim<br />

heraussuchen eines Feuerzeugs in seiner Hosentasche,<br />

und rief Anna Wendtlin an.


Anna Wendtlin <strong>war</strong> in diesem Moment mit der<br />

Fertigstellung eines Berichtes beschäftigt und erzählte<br />

ihm, dass <strong>sie</strong> in der Zeitung von einem neuen Film mit<br />

<strong>Romy</strong> gelesen hatte. Pétin überbringt die schreckliche<br />

Nachricht von <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Tot, am anderen Ende der<br />

Leitung wurde es sehr still. Dann fragt er <strong>sie</strong> was es mit<br />

dem Satz, den <strong>Romy</strong> bei sich trug auf sich hatte. „Anna,<br />

ich habe einen Zettel bei ihr gefunden. Ich verstehe ihn<br />

nicht. Es ist in deutsch. Ich lese ihn dir vor.“<br />

Anna Wentlin antwortete: „Das ist ein Satz, den <strong>Romy</strong><br />

von ihrem Vater hat. Den hat er ihr aufgeschrieben, als<br />

<strong>sie</strong> ihren ersten Film drehte. Den hat <strong>sie</strong> immer bei sich<br />

gehabt. Bezieht sich auf eine Äußerung von Max<br />

Reinhardt. Der <strong>war</strong> ein berühmter Theatermann in<br />

Deutschland vor dem Krieg. Und so ähnlich hat er das<br />

wohl gesagt, in seiner Rede an die Schauspieler.<br />

Wir haben oft darüber gesprochen. Warte mal, ich<br />

versuche es möglichst genau zu übersetzten... es heißt<br />

etwa, dass es im Leben nie <strong>wie</strong>der so schön ist <strong>wie</strong> in<br />

der Kindheit und dass man die Erinnerung daran<br />

behalten muss und dass dies etwas ist, was einem<br />

Niemand wegnehmen kann, und... eine Kindheit die<br />

<strong>Romy</strong> nie hatte... eine Kindheit nach der <strong>sie</strong> sich<br />

sehnte.“<br />

Laurent verständigte Michel Piccoli, Jean-Claude Brialy<br />

und Alain Delon von dem Tot <strong>Romy</strong> Schneiders.<br />

Sie alle trafen in kurzen Zeitintervallen nach Erhalt<br />

seines Anrufes in der Rue Barbet- de Jouy ein. Brialy<br />

erfuhr bereits zuvor von <strong>Romy</strong> Schneiders Tot, genau<br />

<strong>wie</strong> Tara hatte auch er es in den Radionachrichten<br />

gehört.<br />

Durch Laurent wollte er erfahren was <strong>wirklich</strong> pas<strong>sie</strong>rt<br />

<strong>war</strong>, er rief ihn an. „Er schluchzte <strong>wie</strong> ein kleines Kind<br />

und konnte nicht sprechen. Es <strong>war</strong> furchtbar. Ich sagte<br />

ihm also: Ich rufe dich zurück, wenn du dich beruhigt<br />

hast. Es ist normal, das du in diesem Zustand bist.“<br />

Als er ihn zurückrief, bat Laurent ihn in die Rue Barbet –<br />

de Jouy zu fahren um <strong>Romy</strong> ein letztes Mal zu sehen.<br />

Am Anfang schlug Brialy Laurent Pétins Aufforderung,<br />

<strong>Romy</strong> ein letztes Mal zu sehen aus. Er könne es nicht<br />

ertragen <strong>Romy</strong> tot zu sehen, so sagte er. Er entgegnete<br />

ihm „Ich verabscheue Tote.“<br />

Schon gar nicht wollte er <strong>Romy</strong> tot sehen, er wollte <strong>sie</strong><br />

lebenslustig, strahlend und vor allem lebendig in<br />

Erinnerung behalten. So <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> <strong>war</strong> – eine Frau die<br />

das Leben liebte. Brialy erinnert sich das bereits<br />

Laurent Pétins Schwester und sein Bruder vor Ort in der<br />

Rue Barbet- de Jouy <strong>war</strong>en. Laurent bittet ihn ein<br />

zweites Mal: „Komm bitte, ich würde mich sehr freuen,<br />

wenn du da sein könntest.“<br />

Er dachte einen Moment lang nach, hielt kurz inne, und<br />

sagte schließlich: „JA! „Ich werde es schaffen.“<br />

Er fuhr also los um <strong>Romy</strong> Schneider ein letztes Mal zu<br />

sehen. Als er <strong>sie</strong> sah, auf einem Sofa liegend <strong>war</strong> er<br />

überwältigt von ihrer Schönheit, ihrer Anmut. „Dann bin<br />

ich in ihr Zimmer gegangen. Und da sah ich ein junges<br />

Mädchen von 20 Jahren, schön, wunderschön,<br />

schlafend, lächelnd. Sie trug ein Kleid von Yves Saint<br />

Laurent, ein wenig indisch, aber schön. Man hatte Lust,<br />

<strong>sie</strong> in die Arme zu nehmen, <strong>sie</strong> tanzen zu lassen, ihr zu<br />

sagen, bleib noch ein wenig... <strong>sie</strong> <strong>war</strong> überwältigend“<br />

Ungefähr 15 Minuten später traf Alain Delon ein, den<br />

Laurent Pétin ebenfalls angerufen hatte. Wie aus dem<br />

Nichts <strong>war</strong> er plötzlich erschienen und stand<br />

tränenüberströmt im Raum. Alain geht auf Brialy zu, er<br />

nimmt seine Hand, er weint – <strong>sie</strong> beide trauern um<br />

einen Menschen den <strong>sie</strong> liebten, jeder auf seine Art und<br />

Weise. Dann sagt Alain einen Satz den Brialy ein Leben<br />

lang nicht vergessen hat. „Lass uns, lass uns allein, <strong>sie</strong><br />

und mich. Du hast hier nichts mehr zu tun.“<br />

Sie alle <strong>war</strong>en bemüht darum <strong>Romy</strong> ihren letzten<br />

Wunsch zu erfüllen, der Meute, der verhassten Presse<br />

vorenthalten zu werden. Die tote <strong>Romy</strong> sollte die<br />

Wohnung verlassen ohne den gierigen Blicken der<br />

Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden. Delon trat vor die<br />

unten stehenden Journalisten und gab ein Statement<br />

zum Tot von <strong>Romy</strong> Schneider, er sagte das <strong>Romy</strong> an<br />

gebrochenem Herzen gestorben wäre. Während er dies<br />

verkündete fuhr unbemerkt ein amerikanischer Kombi<br />

aus der Garageneinfahrt in dem sich <strong>Romy</strong> Schneider<br />

befand. Die Rose die Jean-Claude Brialy über die Tote<br />

<strong>Romy</strong> gelegt hatte fiel hinunter, Pètain hob <strong>sie</strong> auf und<br />

hielt sich an dieser Rose fest. Über <strong>Romy</strong> wurde eine<br />

Decke gelegt, die <strong>sie</strong> vollständig umhüllte. Nach dem<br />

der amerikanische Kombi aus der Sichtweite<br />

verschwunden <strong>war</strong> bahnten Alains Leibwächter ihm den<br />

Weg zu einem kleinen Auto, dessen Motor bereits lief.<br />

Er stieg in dieses Auto, trat das Gaspedal und verlies<br />

die Menschenmenge vor <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Haus.<br />

In einem Interview nach Davids Tot beschrieb <strong>Romy</strong><br />

jene Grausamkeit der Presse, vor den ihre Freunde <strong>sie</strong><br />

schützen wollten. „Wenn die Leute nur wüssten, wozu<br />

gewisse Fotografen fähig sind: Ich glaube die<br />

Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, es zu erfahren.


Dass <strong>sie</strong> sich als Krankenpfleger verkleiden, um ein<br />

totes Kind zu fotografieren. Dass es eine gewisse<br />

Presse gibt, die das auf der Titelseite abdruckt. Wo<br />

bleibt die Moral, wo bleibt der Takt?“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> zu dieser Zeit Frankreichs erfolgreichste<br />

Filmschauspielerin und die französische Presse<br />

weigerte sich diese Bilder zu kaufen, <strong>sie</strong> zu<br />

veröffentlichen. In Deutschland druckte die Bildzeitung<br />

jenes Bildnis ihres toten Kindes auf die Titelseite. Bei<br />

diesem pietätlosem Verhalten stellt sich einem jeden<br />

dieselbe Frage, die sich auch <strong>Romy</strong> stellte: Wo bleibt<br />

die Moral, wo bleibt der Takt?<br />

Um den gierigen Blicken der Meute zu entfliehen<br />

flüchtete <strong>Romy</strong> Schneider in den letzten Monaten ihres<br />

Lebens von Hotel zu Hotel. Sie fühlte sich <strong>wie</strong> ein<br />

gejagtes Tier, jeder wollte sehen, ist <strong>sie</strong> traurig, weint<br />

<strong>sie</strong>, <strong>wie</strong> <strong>sie</strong>ht <strong>sie</strong> aus? Und auch hier stellt sich einem<br />

jeden <strong>wie</strong>der die Frage: Wo bleibt der Takt? Wo bleibt<br />

die Moral? Sind Kommerz und Schlagzeilen in unserer<br />

Gesellschaft wichtiger als jene Fragen nach<br />

Menschlichkeit und Moral?<br />

Der Staatsanwalt Laurent Davenas sagte in einem<br />

Interview über den Tot von <strong>Romy</strong> Schneider: „Wir<br />

schlossen Gewalteinwirkung aus. Die Frage <strong>war</strong>, <strong>war</strong><br />

es Selbstmord, oder ein Unfalltod auf Grund der<br />

Einnahme von Alkohol und Schlafmitteln. Ich<br />

befürwortete diese Hypothese, dann entschied ich mich<br />

keine Autop<strong>sie</strong> zu beantragen. Für mich kam es nicht in<br />

Frage Sissi an ein gerichtsmedizinisches Institut zu<br />

überstellen. Ich wollte, das <strong>sie</strong> der Öffentlichkeit im<br />

Gedächtnis blieb <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> <strong>war</strong>.“<br />

Laurent Davenas unterzeichnete den Bericht des<br />

Gerichtsmediziners und gab den Leichnam zur<br />

Beerdigung frei. Der Filmagent Jean-Louis Livi, ein<br />

guter Freund von <strong>Romy</strong> verfasst einige Notizen, begibt<br />

sich vor die versammelte Menge und verliest seine<br />

Nachricht zum Tot von <strong>Romy</strong> Schneider. Die ihm<br />

entgegengebrachten Fragen beantwortete er nicht, er<br />

verlas lediglich seine verfassten Zeilen und dementierte<br />

jene Gerüchte die besagen, <strong>Romy</strong> Schneider hätte<br />

Selbstmord begangen. Die Journalisten schenken dem<br />

von ihm gesagten wenig Glauben und verwenden trotz<br />

seiner Erklärung das Wort „Selbstmord“ in ihren<br />

Berichten. Raymond Danon, der Produzent ihres letzten<br />

Films, „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“<br />

verwendet in seinem Statement zum Tot <strong>Romy</strong><br />

Schneiders ebenfalls das Wort „Selbstmord“: „Wenn<br />

man Medikamente nimmt und mehr trinkt als man<br />

sollte, dann kann man das schon Selbstmord nennen.“<br />

Doch schließt auch er absichtlichen Selbstmord aus!<br />

Dieser Meinung schloss sich auch die Filmproduzentin<br />

Albina du Boisrouvray an: „Sie <strong>war</strong> niemand der sich<br />

bewusst zerstörte und aufhören wollte zu leben. Sie<br />

hatte ihre Tochter, <strong>sie</strong> liebte ihre Tochter.“<br />

Ein Engel dem das Leben auf grausamste Art und<br />

Weise die Flügel genommen, schwebte leise aus einem<br />

laut gelebten Leben.<br />

Das Leben brachte <strong>Romy</strong> außer Atem... <strong>sie</strong> hatte dieses<br />

Leben, das ihr den Atem genommen hatte, verlassen.<br />

Es ist, als habe <strong>sie</strong> geahnt, dass ihre Zeit auf dieser<br />

Welt dem Ende entgegen gehen würde.<br />

Neunzehn Tage vor ihrem Tot schrieb <strong>sie</strong> in Zürich ihr<br />

Testament – in dem es heißt, dass nach ihrem Tot, all<br />

ihr Besitz an Laurent Pétin und ihre Tochter Sarah<br />

aufgeteilt werden soll. In ihrem letzten Film: „Die<br />

Spaziergängerin von Sans-Souci“ wird am Ende des<br />

Films eingeblendet, das „Lina“, die Rollenfigur die <strong>Romy</strong><br />

spielte, sechs Monate später stirbt... Die Dreharbeiten<br />

zu „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ fanden sechs<br />

Monate vor ihrem Tot statt... Die Idee für dieses<br />

Filmprojekt hatte <strong>Romy</strong> Schneider. Sie rief den<br />

Regisseur Jacques Rouffio gegen Mitternacht an und<br />

fragte ob er schon mal „Die Spaziergängerin von Sans-<br />

Souci“ gelesen habe. Er verneinte ihre Frage, <strong>Romy</strong> bat<br />

ihn das Stück zu lesen und stellte die Bitte <strong>sie</strong><br />

umgehend anzurufen wenn er es gelesen hatte.<br />

In einem Interview zu ihrem Film sagte <strong>Romy</strong>: „Wir sind<br />

uns durchaus bewusst, dass einige Leute ihn nicht<br />

mögen werden, aber spielt das eine Rolle? Ich habe<br />

keine Angst.“<br />

<strong>Romy</strong> selbst hätte die Dreharbeiten zu dem Film gerne<br />

um einige Monate verschoben, doch stand <strong>sie</strong> mit dem<br />

Rücken zur Wand, da <strong>sie</strong> schon zwei Mal verschoben<br />

wurden – einmal wegen <strong>Romy</strong>. Als die Dreharbeiten zu<br />

diesem, ihrem 60. Film beendet <strong>war</strong>en kaufte <strong>Romy</strong> ein<br />

Haus in Boissy. „Ramatuelle“, so hieß ihr Haus in<br />

Boissy, dort wollte <strong>sie</strong> zusammen mit Tochter Sarah und<br />

Laurent Pétin „endlich richtig leben.“ Ihrer Mutter,<br />

Magda Schneider schrieb <strong>sie</strong>: „Hier will ich mich um<br />

meine Tochter kümmern, hier will ich Konfitüre<br />

einkochen, unter den Bäumen spazieren gehen, endlich<br />

richtig leben.“ In keinem anderen Film arbeitete <strong>Romy</strong><br />

so intensiv an Planung und Konzept, <strong>wie</strong> in diesem,<br />

ihrem letzten Film. Ihr letzter Film und auch ihr letztes<br />

Geschenk an Vater und Sohn. Die Rolle der „Lina“, das<br />

ist <strong>Romy</strong>. Lina und <strong>Romy</strong> starben fast gleichzeitig...<br />

sechs Monate später... und wo sind <strong>sie</strong> jetzt? Doch das,<br />

was von ihr bleibt ist ein Teil von uns für alle Zeit!


Sie <strong>war</strong> die Flamme<br />

und <strong>sie</strong> <strong>war</strong> das Eis,<br />

<strong>sie</strong> <strong>war</strong> die Weisheit<br />

und <strong>sie</strong> <strong>war</strong> die<br />

Torheit,<br />

<strong>sie</strong> <strong>war</strong> die<br />

Großzügigkeit und<br />

<strong>sie</strong> <strong>war</strong> die<br />

Berechnung,<br />

<strong>sie</strong> <strong>war</strong> der Frieden<br />

und <strong>sie</strong> <strong>war</strong> der<br />

Krieg,<br />

die Freude und die<br />

Angst.<br />

Jacques Rouffio


TEIL 2<br />

Rosemarie<br />

Sissi<br />

<strong>Romy</strong><br />

TEIL 2<br />

R O M Y S C H N E I D E R<br />

W I E S I E W I R K L I C H W A R<br />

ROMYS BÜHNE


11 LEBENSANGST<br />

Harry Meyen und Sohn David machen einen<br />

Spaziergang. <strong>Romy</strong> ist alleine in der gemeinsamen<br />

Wohnung, melancholisch, rauchend, denkt Sie <strong>wie</strong>der<br />

einmal über Sinn und Sein nach: Warum ? Diese Frage<br />

stellte sich <strong>Romy</strong> oft. „Wer bin ich, was ist mein Ziel,<br />

woher komme ich, wohin gehe ich, was will ich? Das<br />

Leben wurde mir geschenkt, wo stehe ich jetzt, was<br />

habe ich daraus gemacht? Wie ist das mit meiner Ehe?<br />

Bin ich glücklich? War das nur Trotz? Oder doch Alain?“<br />

Ich sehne mich in solchen Minuten immer noch nach<br />

ihm... ich vermisse das Leben mit ihm... es <strong>war</strong> so<br />

anders. Was ist das mit Harry...? Ich liebe David, ich bin<br />

verrückt nach David... <strong>war</strong>um Harry? Ich will <strong>wie</strong>der<br />

nach Paris. Ich muss auf die <strong>Bühne</strong>. Ich muss spielen.<br />

Ich brauche einen neuen Film. Alle meine Kontakte<br />

gehen verloren... <strong>wie</strong> geht das weiter?<br />

Freud und Leid liegen so eng beieinander und sind<br />

doch so weit voneinander entfernt. Was macht mich<br />

glücklich? Wie empfinde ich <strong>wie</strong>der Glück? Ich bin keine<br />

gute Ehefrau und schon gar keine Hausfrau. Auch kein<br />

Anhängsel. Ich bin <strong>Romy</strong>, emanzipiert und<br />

eigenständig. Ich muss eine Lösung finden. Meine<br />

Familie, mein Kind, mein privates Glück, was ist das<br />

eigentlich, das wofür es sich zu kämpfen und zu leben<br />

lohnt. Geld macht alles im Leben leichter. Geld löst<br />

viele Probleme. Ohne den finanziellen Rückhalt würden<br />

viele große und kleine Probleme zu schier unlösbaren<br />

Katastrophen führen. Aber Geld ist nicht alles, im<br />

Gegenteil, es zerstört Beziehungen. Mein Vermögen<br />

geht zu Ende. Unsere gemeinsamen Schulden<br />

wachsen... und es <strong>war</strong> immer so einfach für mich, Geld<br />

zu verdienen.<br />

Ihre Gedanken überschlugen sich. Frankreich,<br />

Schönau, Sissi, Alain, Mama, Daddy Blatzheim...<br />

<strong>Romy</strong> hasste Menschen, für die Geld zum Götzen<br />

wurde. Stiefvater Blatzheim liebte an <strong>Romy</strong> nur diese<br />

eine Sache, ihr GELD. Seine Gedanken kreisten immer<br />

nur um diese eine Sache, was könnte man tun damit<br />

<strong>Romy</strong> noch mehr verdient, welche neuen<br />

Geschäftsmöglichkeiten könnten mir noch einfallen um<br />

an noch mehr Geld zu kommen. <strong>Romy</strong> verachtete diese<br />

Denkweise Zeit ihres Lebens. Für <strong>sie</strong> <strong>war</strong>en andere<br />

Dinge wichtiger. Gefühle, Emotionalität, einfach die<br />

menschliche Ebene, alles das <strong>war</strong>en Fremdworte für<br />

Stiefvater Blatzheim.<br />

Blatzheim betrachtete <strong>Romy</strong> als Zitrone, immer mehr<br />

auspressen bis irgendwann nichts mehr da ist, bis aus<br />

einem jungen Menschen irgendwann ein psychisches<br />

Wrack entsteht. Seine privaten Wünsche, seine<br />

geschäftlichen Ziele, sein Wohlstand, gesichert auf<br />

<strong>Romy</strong>´ s Kosten, das <strong>war</strong> es was er an Ihr liebte.<br />

Ich <strong>Romy</strong>... <strong>Romy</strong> Schneider, die große<br />

Schauspielerin, die Gelddruckmaschine?<br />

Ich, die Person <strong>Romy</strong> bin ihm egal, bin nicht von<br />

Interesse: „Eine Frau, klein und labil ohne Tabletten,<br />

ohne Alkohol und Nikotin nicht lebensfähig.“<br />

Allerdings darf es Blatzheim auch nicht zu egal sein,<br />

was <strong>Romy</strong> aus ihrem Leben und ihrer Gesundheit<br />

macht, denn wenn diese irgendwann nicht mehr<br />

existent ist, dann ist es aus mit Blatzheims Geldsegen.<br />

Wer sollte dann seine kostspieligen Geschäftsvorhaben<br />

und Hobbys finanzieren? <strong>Romy</strong> wurde<br />

instrumentali<strong>sie</strong>rt. Ihr Intellekt ließ Sie aber dieses Spiel<br />

durchschauen und Sie tat das einzig richtige! Sie brach<br />

jeglichen Kontakt zu dieser Zecke, die <strong>sie</strong> nur<br />

ausgesaugt hatte ab. Keine Liebesdienste mehr!<br />

Dies <strong>war</strong> die einzig richtige Entscheidung die <strong>sie</strong> hätte<br />

treffen können. Sicherlich fiel ihr diese Entscheidung<br />

schwer, immerhin <strong>war</strong> Herr Blatzheim, den <strong>Romy</strong> immer<br />

Daddy nennen musste, der neue Mann von Mutter<br />

Magda. Wesentlich sch<strong>wie</strong>rigerer wäre diese<br />

Entscheidung ausgefallen wenn es sich dabei um ihren<br />

leiblichen Vater Wolf Albach Retty gehandelt hätte.<br />

Glücklicherweise <strong>war</strong> dieser ein vollkommenen anderer<br />

Mensch, völlig anders gestrickt als Blatzheim.<br />

Auch wenn <strong>Romy</strong> ihren Vater Wolf nur selten zu<br />

Gesicht bekam, diese wenigen gemeinsamen Momente<br />

<strong>war</strong>en menschlich so wertvoll. Da <strong>sie</strong> einfach auf der<br />

gleichen Wellenlänge <strong>war</strong>en. Ihr Vater <strong>war</strong> in der Lage,<br />

sich immer <strong>wie</strong>der auf die neue Lebenssituation, in der<br />

<strong>Romy</strong> sich gerade befand, einzustellen. Das eben<br />

zeichnete Ihn aus, als Vater und als ein guter<br />

Schauspieler.<br />

Eben, weil er <strong>sie</strong> so sehr liebte, weil er seine Tochter<br />

verstand und respektierte, weil auch er als Schauspieler<br />

den großen Drang nach Freiheit hatte. Da <strong>war</strong>en sich<br />

Vater und Tochter sehr ähnlich und <strong>Romy</strong> hatte ihm,<br />

Ihrem Vater immer verziehen und Verständnis für sein<br />

Leben so weit entfernt von Ihr, gehabt. Anders als<br />

Mutter Magda


„So einen Vater zu haben bezeichne ich als das größte<br />

Glück, als das größte Geschenk was diese Welt einem<br />

Menschen bereiten kann. Es gibt doch nichts schöneres<br />

wenn Eltern mit ihren Kindern eins sind, <strong>sie</strong> verstehen,<br />

ihren Herzschlag spüren und die Gefühle und<br />

Emotionen respektieren.“<br />

Für <strong>Romy</strong> wäre es die größte Strafe dieser Welt<br />

gewesen wenn Ihr Vater diese Sprache des Herzens<br />

seiner Tochter nicht verstanden hätte. So viele Kinder<br />

reden und kommunizieren mit ihren Eltern. Jedenfalls<br />

glauben <strong>sie</strong> das <strong>sie</strong> es tun... in Wirklichkeit reden <strong>sie</strong><br />

aneinander vorbei.<br />

Der Eine hört den Anderen z<strong>war</strong> reden, vernimmt auch<br />

klar und deutlich seine Stimme. Das eigentlich Gesagte,<br />

die eigentliche Aussage, das Statement geht vorbei. Da<br />

ist dieser Glaskasten, in dem Vater oder Mutter sitzen,<br />

und dieser Glaskasten in dem man selbst sitzt.<br />

Man redet. Aber es kommt nicht an. Man diskutiert.<br />

Aneinander vorbei. Man spricht. Aber eine andere<br />

Sprache. Man will verstehen. Kann aber nicht<br />

verstehen.<br />

Was entsteht aus diesem nachhaltigen Gefühl, zu<br />

glauben, nicht verstanden zu werden? Eine innere<br />

Leere? Ein Gefühl des Ungeliebtseins, oder gar<br />

Verachtung? Momente die ausreichen um nie<br />

verheilende Wunden zu erzeugen. „Evereybody´s<br />

Darling. … Ich werde von allen geliebt. Das ist mein<br />

Traum.“<br />

Magda und <strong>Romy</strong> Schneider mit Horst Buchholz in<br />

einem Münchener Szenelokal<br />

Ich liebe es, verstanden, akzeptiert und respektiert zu<br />

werden, egal <strong>wie</strong> ich bin und egal welche Macken ich<br />

habe.<br />

Wir sind Herdentiere, keiner von uns will und kann in<br />

der totalen Isolation leben. Viele tun dies z<strong>war</strong> und<br />

führen ein Leben in der Isolation, allerdings tun <strong>sie</strong> das<br />

nicht aus freien Stücken, sondern müssen es<br />

zwangsweise tun weil Ihnen keine andere Möglichkeit<br />

bleibt. Wenn man keine andere Möglichkeit hat, muss<br />

man eben versuchen mit den schlechtesten Karten das<br />

möglichst beste Spiel zu spielen. So fühlte sich <strong>Romy</strong><br />

als <strong>sie</strong> mit 19 Jahren aus der Geborgenheit Ihres<br />

Elternhauses in die große Pariser Welt flüchtete.<br />

Alain Delon hatte Sie erobert. Alain <strong>war</strong> für <strong>Romy</strong> der<br />

Inbegriff von Freiheit und Lebensfreude. Auch wenn der<br />

junge Alain damals eine Sprache sprach die <strong>Romy</strong> nicht<br />

als ihre Muttersprache bezeichnen<br />

konnte, weil <strong>sie</strong> diese nicht verstand.<br />

Dennoch sprachen die beiden auf der Ebene des<br />

Herzens und des Gefühls die gleiche Sprache, die<br />

Sprache der Verliebten, die beiden zu eigen <strong>war</strong>, die<br />

beide verstanden. Endlich frei sein, weg von zu Hause.<br />

Von jetzt an gab es einen Menschen den <strong>Romy</strong><br />

verstand, und vor allem einen Menschen der <strong>Romy</strong><br />

verstand. Von nun an gab es keine Vorschriften mehr:<br />

<strong>Romy</strong> du musst auf deine Gesundheit achten, <strong>Romy</strong> du<br />

darfst nicht rauchen, du darfst dies nicht, du darfst jenes<br />

nicht. Bei Alain <strong>war</strong> das alles erlaubt, und wenn <strong>Romy</strong><br />

das Bedürfnis nach zwei Schachteln Zigaretten am Tag<br />

hatte, dann <strong>war</strong> das in Ordnung, ohne das jemand<br />

hinter ihr stand und ihr ein schlechtes Gewissen<br />

einredete.<br />

Und das fühlte sich gut an. Sie hatte endlich das Gefühl<br />

zu leben, frei zu atmen ohne dieses imaginäre<br />

Zwangskorsett welches <strong>sie</strong> seit Sissi immer noch<br />

einschnürte. Alain führte <strong>sie</strong> in die „Haute sociètè“ der<br />

Pariser Gesellschaft, nahm <strong>sie</strong> mit auf Party´s, führte<br />

<strong>sie</strong> in die „Scène d´art“ von Paris ein.<br />

<strong>Romy</strong> hatte diese Zeit sehr genossen, rückblickend <strong>war</strong><br />

es die schönste Zeit Ihres Lebens. Alain, der junge<br />

Rebell der mit lauter Musik bei offenem Cabrio und vor<br />

Freude jubelnd mit Ihr durch die Rues de Paris fuhr. Der<br />

<strong>sie</strong> Dinge lehrte, die <strong>sie</strong> in Ihrem bisherigen Leben<br />

niemals kennen gelernt hatte, Dinge die Ihr ein neues<br />

Lebensgefühl vermittelten.<br />

Über wütende Anrufe von Mutter Magda und Blatzheim<br />

konnten <strong>Romy</strong> und Alain nur lachen, <strong>sie</strong> amü<strong>sie</strong>rten<br />

sich darüber <strong>wie</strong> man zwei jungen Menschen ihr frisch<br />

gewonnenes Glück nicht gönnen und nicht akzeptieren<br />

wollte. Noch dazu aus Eigennutz. <strong>Romy</strong> ist nicht zurück<br />

gekommen - nein! Jeder Anruf entfremdete <strong>sie</strong> mehr<br />

von zu Hause und ließ <strong>sie</strong> Ihr Leben in Alain´s Arme<br />

legen. Es gab kein zurück!<br />

Mit der Zeit wurde <strong>sie</strong> französischer als jede Französin -<br />

aus Prinzessin Sissi wurde eine starke Persönlichkeit,<br />

eine Frau die als emanzipierte Frau und Stilikone<br />

ihrer Zeit galt.<br />

"Hallo, wir sind zurück!“ <strong>Romy</strong> wurde abrupt aus Ihren<br />

Gedanken gerissen. Harry und David, Ihr Leben, Ihre<br />

Familie versetzten Sie <strong>wie</strong>der in die Normalität. In<br />

weiter Ferne Alain, unerreichbar Paris...


12<br />

Die<br />

Spaziergängerinn<br />

vom Grunewald<br />

Es <strong>war</strong> früh am Morgen, <strong>Romy</strong> und ihre Berliner<br />

Freundin Tara spazierten durch eine laue<br />

Sommernacht im Berliner Grunewald. Die beiden<br />

Frauen, die sich erst seit ein paar Stunden kannten,<br />

wirkten, so schien es, als würden <strong>sie</strong> sich schon ihr<br />

Leben lang kennen. Wer es nicht besser wusste und<br />

die beiden beobachtete musste wohl denken <strong>sie</strong> seien<br />

Schwestern, die einander lange nicht mehr gesehen<br />

und die einiges an Gesprächen nachzuholen hatten.<br />

Tara hatte nun endlich einen Menschen gefunden mit<br />

dem <strong>sie</strong> offen und ehrlich über die Probleme und die<br />

Sorgen reden konnte die <strong>sie</strong> bewegten: „Ich bin nie ein<br />

Mensch gewesen, der mit fremden Leuten sofort so<br />

locker reden kann, <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> für mich die absolute<br />

Ausnahme, und ich weiß das es bei ihr genau so <strong>war</strong>.“<br />

Bei dieser besonderen Begegnung, <strong>wie</strong> beide Frauen<br />

ihr erstes kennen lernen beschrieben, konnte Tara nun<br />

endlich jene Probleme loswerden, die ihr schon lange<br />

auf der Seele brannten. Auch für <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> das ein<br />

glücklicher Umstand den <strong>sie</strong> sehr begrüßte. <strong>Romy</strong><br />

vertraute Ihr an, das Sie sich momentan <strong>wie</strong> in einer<br />

Zwangsjacke fühlte, und das es Ihr größter Wunsch<br />

wäre endlich auszubrechen. Endlich raus und frei sein<br />

<strong>wie</strong> ein Vogel, der einfach abheben kann, sich in die<br />

Lüfte stürzt und niemand weiß wo er hin will, was das<br />

nächste Ziel seiner Reise ist. Diesen unersättlichen<br />

Drang nach Freiheit verspürte <strong>Romy</strong>.<br />

Im nächsten Moment schüttelte <strong>sie</strong> den Kopf und<br />

sch<strong>wie</strong>g für eine Weile, dann flüsterte <strong>sie</strong> leise:<br />

„Eigentlich geht es mir doch so gut, ich bin nun hier, bei<br />

einem Mann den ich sehr liebe, und der mich liebt.<br />

Eigentlich habe ich doch gar keinen Grund<br />

und auch gar kein Recht mich zu beschweren.“<br />

Doch diese Freiheit eines Vogels, die wollte <strong>sie</strong><br />

unbedingt spüren und nachempfinden. „Das erste Mal<br />

in meinem Leben <strong>wirklich</strong>e Freiheit habe ich gespürt als<br />

ich im Flieger nach Paris saß und abgehauen bin.“<br />

Damit meinte <strong>sie</strong> ihren Ausbruch aus den Fittichen ihrer<br />

Mutter Magda, die alles dafür tat um die Karriere ihrer<br />

Tochter in möglichst schnell verlaufende Bahnen in<br />

Richtung Erfolg zu lenken. Magda Schneider, die in den<br />

30er und 40er Jahren hauptsächlich in „Wiener Mädel“<br />

Rollen zu sehen <strong>war</strong> hatte es sich zum Ziel gesetzt aus<br />

ihrer Tochter <strong>Romy</strong> einen großen Star zu machen.<br />

Allerdings ging es ihr dabei sicher nicht nur um das<br />

Wohl ihrer Tochter, sondern ebenso um das Eigene.<br />

Mutter Magda <strong>war</strong> eine mittelmäßig erfolgreiche<br />

Schauspielerin. Nach ihrer Scheidung mit dem gut<br />

aussehenden Schauspieler und Weiberhelden Wolf<br />

Albach Retty heiratete Sie den Gastronomen Hans<br />

Herbert Blatzheim. Zusammen mit Blatzheim kurbelte<br />

Mutter Magda ihre eigene Karriere nach oben, indem<br />

Sie <strong>Romy</strong> zu einem großen Star aufbaute, und als<br />

dieses Projekt gelungen <strong>war</strong>, gab es Verträge nur im<br />

Doppelpack. <strong>Romy</strong> mit Magda! <strong>Romy</strong> ohne Magda –<br />

ein Ding der Unmöglichkeit.<br />

Magda Schneider <strong>war</strong> ständig darum bemüht ihr Kind<br />

zu bewachen, <strong>wie</strong> ein kleines Kind, welches man nicht<br />

aus den Augen lassen sollte. <strong>Romy</strong> hatte z<strong>war</strong> ein sehr<br />

herzliches Verhältnis zu ihrer Mutter, dennoch wurde Ihr<br />

das alles zu viel. Plötzlich fühlte <strong>sie</strong> sich eingenäht in<br />

eine Zwangsjacke, aus der <strong>sie</strong> unbedingt ausbrechen<br />

musste.<br />

Einmal, so erzählte <strong>Romy</strong>, <strong>war</strong>en Sie und Ihre Mutter in<br />

New York, auf dem Terminplan stand ein Filmball auf<br />

dem sich die ganze Familie präsentieren sollte. So<br />

wollten es jedenfalls Magda Schneider und Herr<br />

Blatzheim. Was <strong>Romy</strong> dabei dachte und fühlte <strong>war</strong> für<br />

Mutter und Stiefvater von wenigem Interesse.<br />

An diesen Abend, erinnerte sich <strong>Romy</strong>: Sie trug ein<br />

hellblaues Kleid, betrachtete sich im Spiegel, <strong>war</strong><br />

Kreidebleich und Tränen flossen über ihr Gesicht.<br />

Warum Sie weinen musste, das konnte Sie nicht genau<br />

sagen, aber es gab so viel was <strong>sie</strong> an diesem Tag so<br />

unsagbar traurig machte. Sie fühlte sich einsam, nicht<br />

für ernst genommen und eben in dieser Zwangsjacke,<br />

aus der <strong>sie</strong> auch Jahre später noch ausbrechen wollte.<br />

Wahrscheinlich hatte Sie diese Zeit nie vergessen<br />

können, daher musste <strong>sie</strong> auch weiterhin das Gefühl<br />

haben ausbrechen zu müssen.<br />

Tränen überströmt, so berichtete <strong>Romy</strong> an diesem<br />

Abend, rief <strong>sie</strong> Hildegard Knef an, die zur selben Zeit<br />

am selben Ort <strong>war</strong>. „Hier ist <strong>Romy</strong>, darf ich kurz zu<br />

ihnen kommen?“ Die Knef <strong>war</strong> sehr im Stress, hatte viel<br />

zu tun, nahm sich dennoch die Zeit um mit <strong>Romy</strong> zu<br />

sprechen. „Und dann <strong>war</strong> da noch Ilse, <strong>sie</strong> hat für Hilde<br />

gearbeitet, ihr Dialekt, dieses sächsische Dialekt, es ist<br />

als wäre es gestern, zu gut kann ich mich daran<br />

erinnern.“ Den beiden Frauen, Hilde und Ilse, schüttete<br />

<strong>Romy</strong> Ihr Herz aus, beschwerte sich darüber das Sie<br />

täglich nur mit Orangensaft gefüttert


werde damit <strong>sie</strong> nicht zu dick wird, und damit Sie<br />

gesund bleibt, nicht krank wird, um auch ja keinen<br />

Termin ausfallen zu lassen: „Ich <strong>war</strong> in Tränen<br />

aufgelöst, Ilse bot mir ein Glas Whiskey an, ich lehnte<br />

ab, aus Angst vor der Mutter, ich könnte ja zu dick<br />

werden, und dann gibt’s vielleicht nicht mal mehr<br />

Orangensaft.“<br />

Nachdem <strong>Romy</strong> diesen Satz ausgesprochen hatte<br />

musste <strong>sie</strong> lachen: „Ach Tara, du musst ja denken<br />

meine Mami ist ein Unmensch, aber das ist <strong>sie</strong> nicht,<br />

<strong>sie</strong> hat soviel für mich getan, und tut es noch immer,<br />

aber damals <strong>war</strong> ich <strong>wirklich</strong> mit den Nerven am Ende –<br />

zerstört – was weiß ich.“<br />

Magda rief sicherlich sämtliche Leute an, die sich im<br />

selben Haus befanden, um <strong>Romy</strong> zu finden. So auch<br />

Hilde, mindestens fünf mal klingelte das Telefon… kein<br />

Mensch nahm ab. Irgendwann stand <strong>sie</strong> dann vor der<br />

Tür, <strong>Romy</strong> und Hilde Knef versteckten sich im<br />

Badezimmer, Ilse öffnete: „Die sind schon weg, hab see<br />

nich mehr jesehn.“<br />

Als Magda weg <strong>war</strong> feixten sich die drei Frauen eins,<br />

und <strong>Romy</strong> schien für einen kurzen Moment glücklich.<br />

Dann wollte Hilde wissen <strong>war</strong>um <strong>Romy</strong> denn<br />

weggelaufen sei. „Mami, Herr Blatzheim, die<br />

Presseabteilung, alle sind ständig bei mir, ich habe<br />

nicht einen Moment wo ich frei durchatmen kann und<br />

allein sein kann.“<br />

Kaum hatte <strong>sie</strong> diesen Satz gesagt, ist <strong>sie</strong><br />

aufgestanden und gegangen. „Wenn ich mich jetzt nicht<br />

zeige pas<strong>sie</strong>rt ein Unglück, Mami rastet aus.“<br />

<strong>Romy</strong> ging und hinterließ eine nachdenkliche Hilde die<br />

sich an Magda Schneiders herrschendem Wesen noch<br />

lange Zeit nach dieser Begegnung erinnern sollte.<br />

„Kannst du jetzt verstehen was ich mit dieser<br />

Zwangsjacke meine, Tara?“<br />

Tara nickte und konnte wohl verstehen. Schließlich<br />

sprach <strong>Romy</strong> Ihr aus der Seele, <strong>sie</strong> lebte doch immer<br />

noch in einer Zwangsjacke. Russland. Eingesperrt,<br />

überwacht und kontrolliert, kannte <strong>sie</strong> dieses Gefühl nur<br />

zu gut. Und auch Tara wollte ausbrechen und frei <strong>wie</strong><br />

der kleine Spatz sein, der einfach aufspringt und davon<br />

schwebt. Doch die Angst, dem Regime ausgesetzt zu<br />

sein, erstickte diesen Traum von Freiheit im Keim.<br />

„Du musst doch in diesem Land sehr einsam sein ?<br />

Einsamkeit kenne ich nur zu gut, die Einsamkeit fing<br />

schon auf dem Internat Goldenstein an, dort musste ich<br />

immer Theater spielen… Theater,<br />

immer Theater… aber es <strong>war</strong> Medizin, es hat mir<br />

wenigstens für einen Moment diese erdrückende<br />

Einsamkeit genommen.“<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Mitschüler konnten damals nicht verstehen,<br />

<strong>war</strong>um es für <strong>Romy</strong> so wichtig <strong>war</strong>, Theater zu spielen,<br />

und <strong>war</strong>um das Theater einen so großen Stellenwert in<br />

ihrem Leben einnahm. Sicherlich dachten viele, <strong>sie</strong>, das<br />

Kind eines Schauspielerehepaares müsse das Theater<br />

im Blut haben. Sicherlich entspricht das auch zu einem<br />

großen Teil den Tatsachen, dennoch <strong>war</strong> es für <strong>Romy</strong><br />

auch ein Geschenk um der Einsamkeit zu entfliehen. In<br />

dem Moment in dem <strong>Romy</strong> ein neues Stück lernte,<br />

konnte <strong>sie</strong> sich mit der Figur die <strong>sie</strong> spielte beschäftigen<br />

und <strong>sie</strong> <strong>war</strong> frei von allen Problemen, die <strong>sie</strong> privat<br />

beschäftigten.<br />

Eines dieser Probleme für die junge <strong>Romy</strong> Albach <strong>war</strong><br />

es zum Beispiel, das all ihre Mitschülerinnen an den<br />

Wochenenden zu den Eltern fahren durften, oder ihre<br />

Eltern <strong>sie</strong> besuchten. <strong>Romy</strong> wurde selten bis nie<br />

besucht. Der Vater ständig unterwegs, tingelte von<br />

Filmstudio zu Filmstudio, die Mutter tingelte von den<br />

verschiedensten Theatern zu den verschiedensten<br />

Filmstudios. Beide Eltern <strong>war</strong>en unentwegt unterwegs,<br />

Zeit für <strong>Romy</strong> – Fehlanzeige!<br />

Sein schlechtes Gewissen wollte Wolf Albach Retty<br />

damit <strong>wie</strong>der gut machen, in dem er <strong>Romy</strong> für ihre<br />

Theatervorstellungen Kostüme des Wiener<br />

Burgtheaters zukommen ließ. Kostüme über die sich<br />

<strong>Romy</strong> im Übermaß freute. Für <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> das eine Art<br />

Anerkennung, die <strong>sie</strong> von ihrem Vater bekam, eine<br />

Anerkennung dafür, das er sich darüber freute, das<br />

seine Tochter Theater spielt.<br />

<strong>Romy</strong> machte der Gedanke glücklich, ihrem Vater einen<br />

Gefallen zu tun. Sie wollte ihren Eltern gefallen, koste<br />

es was es wolle. In ihr Tagebuch klebte <strong>sie</strong> Fotos ihrer<br />

berühmten Filmeltern, die <strong>sie</strong> aus irgend welchen<br />

Filmmagazinen ausgeschnitten hatte. „Aber das ist ja<br />

nun vorbei“ sagte <strong>sie</strong> und nahm den letzten Zug ihrer<br />

Zigarette, die <strong>sie</strong> wenige Sekunden später mit ihrem<br />

Schuh ausdrückte. „Sehen wir in die Zukunft, du sagst<br />

du studierst Schauspiel in Moskau?! Ich habe nie eine<br />

Schauspielschule besucht, alles was ich gelernt habe,<br />

habe ich mir selber beigebracht und abgeschaut. hast<br />

du nicht Lust mir etwas beizubringen von all dem was<br />

ihr an einer Schauspielschule lernt ?“<br />

Im Hotel hatte Tara kurz über ihr Studium, und das was<br />

<strong>sie</strong> bis jetzt gelernt hatte berichtet. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> sehr<br />

interes<strong>sie</strong>rt, begann das Thema erneut. „Ich will alles<br />

lernen was du da gelernt hast, Fechten,


13<br />

Alles nur<br />

geträumt?<br />

Die Geschehnisse der letzten 48 Stunden erschienen<br />

Tara <strong>wie</strong> ein Traum.<br />

Sie konnte überhaupt nicht begreifen was in dieser<br />

kurzen Zeit pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong>. In Berlin tat sich der jungen<br />

Schauspielerin eine komplett anders geartete Welt auf.<br />

Sie befand sich nun in einer farbenfrohen pul<strong>sie</strong>renden<br />

Stadt. Berlin, die Stadt die lebt und niemals schläft.<br />

Die Stadt die Tara umarmt! Die Welt von der <strong>sie</strong> immer<br />

schon geträumt hatte, die Welt die <strong>sie</strong> nur für kurze Zeit<br />

im Theater miterleben durfte ist nun Realität geworden.<br />

Prächtige Kleider, ein prunkvolles Ambiente, ein<br />

Märchenschloss <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> es vorher nur aus Büchern und<br />

Filmen kannte. Das alles ist nun für einen kurzen<br />

Augenblick Wirklichkeit geworden.<br />

Tara, auf dem Weg zurück in die Köpenicker Pension<br />

konnte das alles gar nicht fassen: „War ich <strong>wirklich</strong> in<br />

diesem Märchenschloss, zusammen mit Sissi, der<br />

Märchenprinzessin die ich aus dem Film kenne? Ich<br />

muss träumen, das kann doch nicht sein, das kann<br />

doch nie im Leben Wirklichkeit sein. Bestimmt ist das<br />

Alles nur ein Traum… in ein paar Stunden erwache ich,<br />

der Traum ist vorbei und ich bin <strong>wie</strong>der in Moskau.“<br />

Der Traum ist wahr geworden! Tara verbrachte einen<br />

ganzen Tag und eine ganze Nacht mit <strong>Romy</strong><br />

Schneider!<br />

Die halbe Nacht saß <strong>sie</strong> mit <strong>Romy</strong> im Schlosshotel<br />

Gehrhus, <strong>sie</strong> tranken Wein und unterhielten sich. Die<br />

andere Hälfte der Nacht spazierten die beiden Frauen<br />

durch den Berliner Grunewald. <strong>Romy</strong> erzählte Tara bei<br />

diesem Spaziergang Ihr ganzes Leben. Tara erzählte<br />

<strong>Romy</strong> Ihr ganzes gelebtes Leben. Nach dieser Nacht<br />

hatte Tara das Gefühl, Sie würde diese Frau, die <strong>sie</strong> ja<br />

das erste Mal in ihrem Leben gesehen hatte, ein<br />

ganzes Leben lang kennen.<br />

Am nächsten Tag trafen <strong>sie</strong> sich <strong>wie</strong>der, Tara<br />

unterrichtete die große <strong>Romy</strong> Schneider. Das alles lief<br />

<strong>wie</strong> ein Film an Tara vorbei. In Moskau bewunderte <strong>sie</strong><br />

ihre Schauspieldozenten immer, die scheinbar<br />

allwissend und unantastbar in ihrem Sessel saßen, die<br />

Schüler beobachteten und bewerteten. Nun saß Sie in<br />

Berlin auf einem Sessel und beobachtete <strong>Romy</strong><br />

Schneider. Wie gerne würde Sie doch jetzt ihre Mutter<br />

anrufen und Ihr von dem bisher erlebten erzählen.<br />

Maria würde das Alles wahrscheinlich gar nicht fassen<br />

können, was Ihre<br />

Tochter da in nur zwei Tagen erlebt hatte. Sie würde ihr<br />

z<strong>war</strong> glauben, da Tara ihre Mutter nie anflunkern würde,<br />

aber fassen würde <strong>sie</strong> es nicht können. Wie gerne<br />

würde Tara sich ihrer Mutter mitteilen.<br />

Ihr kam in den Sinn, <strong>wie</strong> wertvoll die wenige Zeit sei die<br />

ihr verbleibt. Was sind schon zwei Wochen? Zwei<br />

Wochen werden <strong>wie</strong> im Fluge vergehen - die Zeit ist<br />

einfach zu kostbar.<br />

Am nächsten Tag stand der Besuch bei der<br />

Hutmacherin auf dem Plan. Tara freute sich sehr auf<br />

diesen Tag. Sehr gespannt <strong>war</strong> <strong>sie</strong> auf die Eindrücke<br />

die dort auf <strong>sie</strong> <strong>war</strong>teten. Sie <strong>war</strong> neugierig auf die<br />

Menschen die <strong>sie</strong> dort kennen lernen sollte. Wenngleich<br />

<strong>sie</strong> den morgigen Tag doch viel lieber mit <strong>Romy</strong><br />

verbringen würde. <strong>Romy</strong> ging ihr nicht mehr aus dem<br />

Kopf. Tara hatte <strong>Romy</strong> in diesen zwei Tagen so sehr in<br />

ihr Herz geschlossen. Jede freie Minute dachte <strong>sie</strong> an<br />

diese wundervolle Frau, die <strong>sie</strong> kennen gelernt hatte:<br />

„Für mich <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> ein Geschenk von Gott.“<br />

In ihrem ganzen bisherigen Leben hatte Tara nie eine<br />

Freundin gefunden, mit der <strong>sie</strong> so offen über alles reden<br />

konnte. Der <strong>sie</strong> blind vertrauen konnte. Die <strong>sie</strong> liebt <strong>wie</strong><br />

eine Schwester. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> für Tara die Schwester die<br />

<strong>sie</strong> sich immer gewünscht hatte. Z<strong>war</strong> hatte Tara einen<br />

Bruder, aber mit ihm konnte <strong>sie</strong> längst nicht so vertraut<br />

reden <strong>wie</strong> mit <strong>Romy</strong>.<br />

Mit keinem ihrer Freunde konnte <strong>sie</strong> dies.<br />

„Ich habe mich nach diesen zwei Tagen gefragt <strong>wie</strong> das<br />

mit <strong>Romy</strong> und mir weitergehen würde… Würde ich <strong>sie</strong><br />

nach diesen zwei Tagen nochmal sehen? Würde <strong>sie</strong><br />

sich <strong>wie</strong>der bei mir melden? Was empfindet <strong>Romy</strong> für<br />

mich? Empfindet <strong>sie</strong> diese zwei Tage als genau so<br />

intensiv <strong>wie</strong> ich? Oder wird <strong>sie</strong> mich vergessen? Wann<br />

werde ich <strong>sie</strong> <strong>wie</strong>der sehen? Und die Frage aller<br />

Fragen: Was wird sein wenn ich zurück nach Moskau<br />

muss? Werde ich <strong>sie</strong> danach jemals <strong>wie</strong>der sehen?“<br />

Gedankenverloren schlenderte Tara durch die Straßen<br />

von Berlin Köpenick. In Gedanken <strong>war</strong> <strong>sie</strong> die ganze<br />

Zeit bei <strong>Romy</strong>. Sie dachte nach, über all das was <strong>Romy</strong><br />

ihr erzählt hatte, über sich selbst, über ihr Leben. Gerne<br />

würde Tara ihre gesamte Zeit die <strong>sie</strong> in Berlin <strong>war</strong> mit<br />

<strong>Romy</strong> verbringen. Doch das <strong>war</strong> unmöglich. Sie dachte<br />

über <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Leben nach: Sicherlich hat <strong>Romy</strong> viele<br />

Termine, und gar keine Zeit, sich jeden Tag mit mir zu<br />

beschäftigen. Und ihr Mann Harry… dem gefällt es<br />

sicher nicht wenn seine Frau jeden Tag mit einer<br />

anderen Person beschäftigt ist.


Harry Meyen wirkte auf Tara sehr vereinnahmend. Er<br />

wollte <strong>Romy</strong> ganz für sich alleine haben. Und wehe<br />

dem, es kam jemand der eine andere Weltanschauung<br />

hatte als er. Und wenn dieser Jemand seine Frau von<br />

dieser anderen Weltanschauung, die er nicht teilte,<br />

überzeugen wollte, so würde er das zu verhindern<br />

wissen. Sie stellte sich die Frage ob <strong>Romy</strong> mit Harry<br />

glücklich <strong>war</strong>. Jedenfalls <strong>war</strong>en <strong>sie</strong> mal sehr glücklich –<br />

immerhin hat Harry seine Ehefrau, die Schauspielerin<br />

Anneliese Römer für <strong>Romy</strong> verlassen. <strong>Romy</strong> zeigte Ihr<br />

Urlaubsfotos mit Harry, auf denen das Paar sehr<br />

glücklich und sehr verliebt wirkte. Dennoch <strong>war</strong> von<br />

diesem Zustand bei Taras Besuch in deren Wohnung<br />

nicht mehr viel zu merken. <strong>Romy</strong> klang so euphorisch<br />

als <strong>sie</strong> ihr von den bevorstehenden Dreharbeiten mit<br />

Alain Delon zu dem Film „Der Swimmingpool“ erzählte.<br />

Und ob Harry das Filmprojekt mit Alain Delon <strong>wirklich</strong><br />

so akzeptierte, <strong>wie</strong> er mit Leichtigkeit vorgab, schoss<br />

Tara durch den Kopf. Wie hatte er wohl insgeheim<br />

<strong>wirklich</strong> darauf reagiert? Auch wenn <strong>Romy</strong> immer<br />

<strong>wie</strong>der betonte, das <strong>sie</strong> und Alain sehr gute Freunde<br />

seien, und mehr da nicht wäre… stellte sich Tara die<br />

bevorstehende Situation als sch<strong>wie</strong>rig vor. Nach <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Schilderungen hörte es sich für Tara so an als wäre<br />

Alain der Mann auf den <strong>Romy</strong> immer ge<strong>war</strong>tet hatte.<br />

Die erste große Liebe. Als wäre er der Mann mit dem<br />

<strong>sie</strong> alt werden wollte.<br />

Eben die große Liebe! Als Tara <strong>Romy</strong> danach fragte,<br />

erwiderte <strong>sie</strong>: „Weißt du Tara, die Zeit heilt nicht alle<br />

Wunden, <strong>sie</strong> lehrt uns nur, mit dem Unbegreiflichen zu<br />

leben. Und ich habe gelernt mit dem Unbegreiflichen zu<br />

leben“ Mit diesem Zitat <strong>war</strong> Alain für <strong>Romy</strong><br />

abgeschlossen und <strong>Romy</strong> lenkte das Thema ganz<br />

schnell in eine andere Richtung. Erst in zwei Tagen<br />

sollte Tara <strong>sie</strong> <strong>wie</strong>der sehen. Zwei Tage können zu<br />

einer Ewigkeit werden. Spät in der Nacht, gerade<br />

zurück in ihrer Pension angekommen wurde <strong>sie</strong> gleich<br />

am Telefon verlangt. Am anderen Ende der Leitung <strong>war</strong><br />

<strong>Romy</strong>. Ein Lächeln zauberte sich sogleich auf Taras<br />

Gesicht als <strong>sie</strong> <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Stimme vernahm. <strong>Romy</strong><br />

empfand genau dasselbe für Tara, und hatte das<br />

Bedürfnis sich mit ihr auszutauschen. <strong>Romy</strong> fragte<br />

nach, ob Tara <strong>sie</strong> nicht mit auf die Hutschau nehmen<br />

könnte. Sie fände es sehr schade, wenn wir diese zwei<br />

kurzen Wochen nicht intensiver miteinander verbringen<br />

würden. Tara willigte ein, gab die Adresse für die<br />

morgige Modenschau durch und freute sich schon jetzt<br />

sehr darauf, ihre <strong>Romy</strong> <strong>wie</strong>der zu sehen. Wenn diese<br />

zwei Wochen doch bloß niemals vergehen würden…<br />

Zwei Wochen… vierzehn kurze Tage<br />

Was bleibt ist die Erinnerung an eine Zeit die unsere<br />

<strong>war</strong>: „Die Erinnerung ist oft das Schönste“<br />

Die zwei Wochen mit <strong>Romy</strong> vergingen <strong>wie</strong> im Fluge.<br />

Was hatte Tara während dieser Zeit alles erlebt.<br />

Diese zwei Wochen kamen ihr so kurz vor, und doch<br />

hatte <strong>sie</strong> mehr erlebt als in zwei Jahren in Moskau. Die<br />

Zeit <strong>war</strong> so intensiv, vielleicht sogar zu intensiv. Als<br />

Tara <strong>wie</strong>der im Zug nach Moskau saß lies <strong>sie</strong> die<br />

gesamte Zeit die <strong>sie</strong> mit <strong>Romy</strong> in Berlin verbracht hatte<br />

noch einmal Revue pas<strong>sie</strong>ren.<br />

<strong>Romy</strong> hatte <strong>sie</strong> zum Bahnhof gebracht. Beide wussten<br />

dass es kein Abschied für immer sein sollte, sondern<br />

nur für eine gewisse Zeit. <strong>Romy</strong> hatte Tränen in den<br />

Augen, zündete sich erneut eine Zigarette an. Das<br />

<strong>Romy</strong> viel rauchte hatte Tara in der Zeit, in der <strong>sie</strong> bei<br />

ihr <strong>war</strong>, bemerkt, aber an dem Tag ihres Abschieds <strong>war</strong><br />

<strong>Romy</strong> ein Kettenraucher. Sie zündete sich eine<br />

Zigarette nach der anderen an. Mit weinerlicher Stimme<br />

sagte <strong>Romy</strong>: „Warum leben wir nicht in einer freien<br />

Welt? In einer Welt, die es den Menschen erlaubt frei zu<br />

leben, vor allem dort zu leben wo <strong>sie</strong> leben möchten?<br />

Ich hätte dir hier eine Wohnung besorgt… unsere<br />

Freundschaft hätte wachsen können. Du könntest<br />

weiter an meiner Stimme arbeiten… Jetzt musst du<br />

zurück, und die Freundin die ich immer gesucht habe ist<br />

<strong>wie</strong>der weg… so als wäre das alles nie pas<strong>sie</strong>rt.“<br />

<strong>Romy</strong> fing plötzlich an zu lachen! Tara verstand kein<br />

Wort.<br />

<strong>Romy</strong> hatte das oft, das <strong>sie</strong> in einem Moment zu Tode<br />

betrübt, und im nächsten himmelhoch jauchzend <strong>war</strong>.<br />

Sie kicherte, hatte plötzlich ein Lächeln im Gesicht. Im<br />

nächsten Moment fing <strong>sie</strong> an ein Lied in französischer<br />

Sprache zu singen… leise.<br />

Dem Hauch des Rauchs ihr Zigarette schaute <strong>sie</strong> nach<br />

bis man ihn nicht mehr erkennen konnte, bis er vollends<br />

verschwunden <strong>war</strong>. „So <strong>wie</strong> der Rauch dieser Zigarette<br />

wirst du auch verschwinden, und ich werde dich nicht<br />

mehr sehen… <strong>wie</strong> gerne wäre auch ich der Rauch einer<br />

Zigarette… und würde mich in den Zug setzten und mit<br />

dir zusammen nach Moskau fahren… für eine ganz<br />

lange Zeit nach Moskau fahren… ich will gar nicht<br />

sagen das ich fliehen will… ich lebe seit zwei Jahren mit<br />

Harry hier in Berlin… in einer vier Zimmer Wohnung…<br />

ich bin sehr glücklich… eigentlich… nur, ich möchte<br />

auch <strong>wie</strong>der etwas anderes sehen.“


Mit <strong>Romy</strong> zusammen nach Moskau fahren, davon<br />

träumte auch Tara. Nur <strong>war</strong> das ein Traum der immer<br />

ein Traum bleiben würde. <strong>Romy</strong> versprach Tara <strong>sie</strong> so<br />

oft <strong>wie</strong> möglich anzurufen, ihr zu schreiben, sich ihr<br />

mitzuteilen. Das die Eine weiß, <strong>wie</strong> es der Anderen<br />

geht, was <strong>sie</strong> grade tut und was ihre Träume und<br />

Wünsche sind. „Tara, du bist meine <strong>wirklich</strong>e Freundin!<br />

Wir beide wissen, das wir uns noch nicht lange kennen,<br />

und wir beide wissen das diese Freundschaft wachsen<br />

muss, aber ich glaube wir beide sind davon überzeugt<br />

das diese Freundschaft wachsen wird.“<br />

Tara <strong>war</strong> sprachlos, ihr fehlten die Worte. Sie konnte zu<br />

dem von <strong>Romy</strong> gesagtem nichts mehr hinzufügen. Sie<br />

umarmte <strong>Romy</strong> ein letztes Mal, stieg in den Zug. <strong>Romy</strong><br />

blieb stehen und gestikulierte und winkte ihr zu bis der<br />

Zug los fuhr. <strong>Romy</strong> stand dort bis von dem Zug in<br />

Richtung Moskau nichts mehr zu sehen <strong>war</strong>. Mit dem<br />

Wissen sich nie <strong>wie</strong>der aus den Augen zu verlieren<br />

gingen beide Freundinnen nun <strong>wie</strong>der ihrer Wege. Die<br />

Erinnerungen an jeden einzelnen Tag mit <strong>Romy</strong> liefen<br />

nun <strong>wie</strong> ein Film in Taras Kopf ab.<br />

Tara sah sich neben <strong>Romy</strong> sitzen. Sie <strong>war</strong>en am 3. Tag<br />

gemeinsam auf der Hutmodenschau jener Dame der<br />

<strong>sie</strong> ihre Einladung nach West Berlin zu verdanken hatte.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> begeistert von diesen Abend und begeistert<br />

von fast jedem Hutmodell welches bei dieser<br />

Präsentation vorgeführt wurde. Ausgelassen und<br />

überschwänglich glücklich lachte <strong>Romy</strong>, machte<br />

Scherze, trank Wein und unterhielt sich mit Tara und<br />

den anwesenden Gästen. Sie machte sich einen Spaß<br />

daraus unerkannt auf diese Veranstaltung zu gehen.<br />

<strong>Romy</strong> blieb an diesem Tag komplett unerkannt. Kein<br />

Mensch hatte auch nur einen Gedanken daran<br />

verschwendet das bei dieser kleinen und geselligen<br />

Runde ein Weltstar <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> Schneider anwesend<br />

sein könnte. Tara empfand es als sehr angenehm sich<br />

mit <strong>Romy</strong> ungestört unterhalten zu können, sich frei<br />

bewegen zu können und nicht ständig unter der<br />

Aufsicht irgend welcher Fotografen zu stehen. Ein ganz<br />

normaler Tag, mit ganz normalen Menschen, mit einer<br />

ganz normalen <strong>Romy</strong>.<br />

<strong>Romy</strong> hatte an jenem Nachmittag einen großen Hut<br />

aufgesetzt, schließlich besuchte man ja eine<br />

Hutmodenschau, und bei einer solchen Modenschau ist<br />

es doch das Normalste der Welt einen Solchen zu<br />

tragen. Zu ihrem modischen Pariser Hut kombinierte <strong>sie</strong><br />

eine passende Sonnenbrille im ähnlichen Stil. Hut und<br />

Sonnenbrille passten wunderbar zu ihrem langen<br />

luftigem Sommerkleid.<br />

Es <strong>war</strong> sehr heiß an diesem Tag im Juli.<br />

Nach der Präsentation der einzelnen Hutmodelle<br />

konnten einige Stücke der Show erworben werden.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eine der Ersten die ihren Platz verließ um die<br />

eben gezeigten Kunstwerke aus der Nähe zu<br />

betrachten. Tara folgte ihr und tat selbiges.<br />

<strong>Romy</strong> betrachtete jedes einzelne dieser Kunstwerke<br />

ganz genau, untersuchte es auf Fehler und Macken.<br />

Aus der Nähe gesehen begeisterten <strong>sie</strong> die auf der<br />

Präsentation gezeigten Kunstwerke nur noch mehr.<br />

Schließlich er<strong>war</strong>b <strong>sie</strong> über die Hälfte der gezeigten<br />

Stücke. Bevor <strong>sie</strong> dies tat setzte <strong>sie</strong> jedes einzelne<br />

Exemplar auf, betrachtete sich im Spiegel.<br />

Anschließend stülpte <strong>sie</strong> jedes dieser Modelle auch<br />

Tara über den Kopf.<br />

<strong>Romy</strong> hatte das perfekte Hutgesicht, stellte Tara an<br />

diesem Nachmittag fest. Sie konnte jedes noch so<br />

ausgefallene Modell aufsetzen und sah perfekt damit<br />

aus. Jedes Einzelne dieser Hutmodelle sah <strong>wie</strong> eigens<br />

für <strong>Romy</strong> angefertigt aus. Tara hatte noch nie im Leben<br />

eine Frau gesehen, die tragen konnte was immer <strong>sie</strong><br />

wollte und damit so perfekt aussah <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> es tat.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> an diesem Tag komplett ungeschminkt, trug<br />

nur ein wenig Lippenstift und sah doch so perfekt aus.<br />

Nicht ein einziges Model konnte die Hüte so gut<br />

präsentieren <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong>.<br />

Tatsächlich hatte man <strong>sie</strong> angesprochen ob <strong>sie</strong> sich<br />

nicht vorstellen könnte bei der nächsten Show selbst<br />

einige Hüte auf dem Laufsteg zu präsentieren. Natürlich<br />

wollte <strong>Romy</strong> unerkannt bleiben, und natürlich wollte <strong>sie</strong><br />

keine Hüte auf dem Laufsteg präsentieren. Sie machte<br />

sich einen Spaß daraus und antworte auf die ihr<br />

gestellte Frage mit: Excuse me, ich not speak<br />

deutsches Sprache. Tara konnte sich das Lachen nicht<br />

verkneifen und versuchte dennoch ernst zu bleiben. Als<br />

man <strong>sie</strong> ansprach antworte <strong>sie</strong> in russischer Sprache.<br />

Da die Sprachbarriere mit den beiden Frauen von der<br />

Hutdesignerin nicht zu überbrücken schien hatte sich<br />

deren Anfrage sehr schnell in Luft aufgelöst. Sie<br />

bedankte sich für ihr Erscheinen und verabschiedete<br />

sich höflich von den beiden Freundinnen. Auf dem<br />

Rückweg konnten sich beide das Lachen nicht<br />

verkneifen. Tara fand <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Schauspiel köstlich. <strong>Romy</strong><br />

fand es hoch amüsant <strong>wie</strong> Tara plötzlich mir nichts, dir<br />

nichts in polnischer Sprache antwortete. In den<br />

nächsten Stunden amü<strong>sie</strong>rten sich beide noch köstlich<br />

über dieses Geschehen.


Nach der Show fuhren <strong>sie</strong> zurück in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Wohnung in<br />

den Berliner Grunewald. Dort angekommen wurden <strong>sie</strong><br />

bereits von Harry er<strong>war</strong>tet. Er hatte es furchtbar eilig<br />

und ärgerte sich sehr darüber das die beiden Frauen<br />

zwei Stunden später als abgesprochen nach Haus<br />

kamen. <strong>Romy</strong> und Harry Meyen hatten abgesprochen<br />

das Harry solange in der Wohnung <strong>war</strong>ten würde bis<br />

<strong>Romy</strong> heimkehrt, um die Kinderschicht für die nächsten<br />

Stunden zu übernehmen. Als <strong>Romy</strong> und Tara nun<br />

endlich da <strong>war</strong>en machte sich Harry auf dem<br />

schnellstem Wege auf ins Theater am Kurfürstendamm,<br />

wo ihm eine wichtige Besprechung bevorstand.<br />

Das Kochen mit <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eine wahre Freude. Es <strong>war</strong><br />

unterhaltsam und amüsant. Dazu gab es ein fruchtiges<br />

Glas Rotwein und der gemütliche Nachmittag wurde bis<br />

zum Abend fortgesetzt.<br />

Voller Freude stürmte <strong>Romy</strong> in Davids Zimmer und<br />

begrüßte ihren Sohn herzlich. David <strong>war</strong> ihre große<br />

Liebe! <strong>Romy</strong> liebte David über alles! Sie liebte ihn nicht<br />

nur, nein viel mehr noch: <strong>sie</strong> vergötterte ihn!<br />

Tara ließ Mutter und Sohn für einige Momente lang<br />

allein und setzte sich in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Küche. Dort goss <strong>sie</strong><br />

sich ein Glas Wasser aus der von <strong>Romy</strong> bereit<br />

gestellten Karaffe ein und bestaunte das herrliche<br />

Ambiente der Küche. Als <strong>Romy</strong> zurück kam hatte Sie<br />

Appetit und fragte Tara ob <strong>sie</strong> nicht Lust hätte etwas mit<br />

ihr zu kochen. Tara hatte ebenfalls Appetit und bejahte<br />

sofort. Spinat mit Spiegelei sollte es geben.<br />

Nach dem Essen begaben sich die beiden Frauen in<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Wohnzimmer um sich dort auf das bequeme<br />

Ledersofa zu setzten und den schönen Tag ausklingen<br />

zu lassen. <strong>Romy</strong> hatte Käsehäppchen vorbereitet, und<br />

stellte diese neben die Weinkaraffe, im Hintergrund<br />

dudelte der Plattenspieler und sorgte für eine wohlige<br />

Atmosphäre. Das Lied, das im Hintergrund leise und<br />

doch klangvoll vor sich hin dudelte machte Tara auf<br />

eine gewisse Art und Weise sehr sentimental, <strong>war</strong>um<br />

das so <strong>war</strong> konnte <strong>sie</strong> in diesem Moment nicht sagen.<br />

Auch <strong>Romy</strong> sagte plötzlich nichts mehr und lauschte<br />

drei Minuten lang den Klängen der Musik.<br />

Als das Musikstück zu Ende <strong>war</strong> stand <strong>sie</strong> auf und<br />

bewegte sich in Richtung Plattenspieler um das Lied<br />

erneut spielen zu lassen. Wieder saßen beide Frauen<br />

stumm auf dem Sofa und lauschten den Klängen der<br />

Musik.<br />

Nach langer Zeit des Schweigens ergriff <strong>Romy</strong> das<br />

Wort.<br />

„Dieses Lied erinnert mich sehr an die Zeit…......... als<br />

sich Alain von mir getrennt hat… wo auf einmal ein<br />

Zettel auf dem Tisch lag… bin mit Natalie in Mexiko…<br />

mit Natalie, es hatte also doch gestimmt, das was man<br />

mir gesagt hatte, und das was ich in den Zeitungen<br />

gelesen hatte. Ich habe es damals, als ich das Foto von<br />

Alain gesehen habe, mit einer Frau auf dem Schoss für<br />

einen Paparazzi Schwachsinn gehalten… dem Ganzen<br />

keinen weiteren Glauben geschenkt… später dann<br />

wusste ich, dass <strong>sie</strong> alle von Anfang an Recht hatten.<br />

Alles im Leben hat seine Zeit, und die Zeit die Alain und<br />

ich zusammen hatten sollte eben nur fünf Jahre lang<br />

andauern. Fünf kurze und doch so intensive Jahre.<br />

Wenn ich ganz ehrlich bin, gibt es keinen Tag an dem<br />

ich nicht an diese Zeit zurück denke… ich habe bis<br />

heute nicht verstanden, was Natalie hatte, was ich nicht<br />

hatte! Heute bin ich <strong>wie</strong>der glücklich… mit Harry…<br />

David… der das größte Glück für mich bedeutet! Aber<br />

damals???<br />

Damals <strong>war</strong> ich an dem Punkt wo gar nichts mehr ging!<br />

Alain <strong>war</strong> mein Leben! Die Trennung hatte mir den<br />

Boden unter den Füßen weggezogen! 1963 stand ich<br />

dann irgendwann an dem Punkt wo ich mir einfach<br />

keinen Ausweg mehr wusste. Weißt du Tara, ich <strong>war</strong> so<br />

verzweifelt, dass ich einfach nicht mehr leben wollte. Ich<br />

hatte keine Kraft mehr das Leben zu ertragen, ein<br />

Leben ohne Alain zu ertragen. lch habe geglaubt ohne<br />

Alain wäre sämtliche Energie, sämtliche Kraft<br />

verschwunden die es einem Menschen möglich macht<br />

dieses Leben zu leben. Ich wollte Schluss machen…<br />

Schluss machen mit mir und dem Leben ohne Alain! Ich<br />

konnte mir nicht vorstellen ohne ihn weiter leben zu<br />

können! Konnte nicht begreifen, das es da einen<br />

Menschen gab den er mehr liebte als mich. Das wir<br />

irgendwann Freunde werden, konnte ich mir erst Recht<br />

nicht vorstellen… Aber du <strong>sie</strong>hst ja, auch wenn man<br />

sich etwas absolut nicht vorstellen kann, ist es möglich,<br />

das es irgendwann doch pas<strong>sie</strong>rt… und es ist nun<br />

pas<strong>sie</strong>rt… Alain und ich sind Freunde, ja… wir drehen<br />

sogar einen Film zusammen!“<br />

<strong>Romy</strong> schaute in Taras Augen! „Was denkst du?“ „Ich<br />

versuche das zu verstehen was du eben gesagt hast!<br />

Und ich versuche zu verstehen, dass du dir das Leben<br />

nehmen wolltest. Du sagtest eben zu mir, das du dich<br />

umbringen wolltest wegen Alain. Weil du damit nicht<br />

leben konntest das eure Beziehung vorbei <strong>war</strong>, und


Alain eine andere Frau gefunden hatte! Ich kann nicht<br />

verstehen, dass du nach so wenigen Jahren in der<br />

Lage bist einen Film mit ihm zu drehen, noch dazu<br />

einen Film der die ganzen Erinnerungen <strong>wie</strong>der<br />

zurückholt. Einen Film in dem Du und er ein Liebespaar<br />

spielen…“<br />

<strong>Romy</strong> hörte Tara zu, bewegte sich rhythmisch nach den<br />

Klängen der Musik, antwortete irgendwann auf ihre<br />

Frage!<br />

Weist du Tara, ich glaube diesen Satz habe ich dir<br />

schon an dem Abend gesagt als wir uns im Gehrhus<br />

kennen gelernt haben. Ich kann ihn nur <strong>wie</strong>derholen,<br />

weil ich auch heute noch, wenige Tage später der<br />

gleichen Ansicht bin. Wenn alle Schauspieler, die schon<br />

mal ein Liebespaar <strong>war</strong>en keine Filme mehr drehen<br />

würden, dann gäbe es bald keine Filme mehr.“<br />

<strong>Romy</strong> hielt kurz inne. „Der Moment ist doch das<br />

Schlimmste in solch einer Situation! Der Moment tut so<br />

weh, das du der Meinung bist das du das nicht ertragen<br />

kannst. Das du das ganze Leben nicht mehr ertragen<br />

kannst. Und in so einem Moment versuchst du Alles!<br />

Du versuchst Alles um das Gefühl zu betäuben, ja …<br />

um das Gefühl tot zu machen!<br />

Der Wahn, das Gefühl zu töten geht sogar soweit, das<br />

du dich selbst töten willst. Mir <strong>war</strong> in diesem Moment<br />

alles egal, ich wollte mich töten… konnte das Leben<br />

nicht mehr ertragen! Aber heute lebe ich! Und Alain und<br />

ich sind Freunde! Ja, wir machen sogar einen<br />

gemeinsamen Film! Und das ist doch am Ende das was<br />

zählt. Das man es irgendwann doch schafft JA zu<br />

sagen! JA zum Leben zu sagen!“<br />

Tara <strong>war</strong> erschüttert von dem was <strong>Romy</strong> ihr an diesem<br />

Abend erzählte. Sie <strong>war</strong> erschüttert das <strong>Romy</strong> nicht nur<br />

mit dem Gedanken gespielte hatte, sich das Leben zu<br />

nehmen, sondern diesen Gedanken auch <strong>wirklich</strong> in die<br />

Tat umsetzen wollte. Harry gab ihr Sicherheit, gab ihr<br />

Geborgenheit. Er hat <strong>sie</strong> aufgefangen als <strong>sie</strong> am Boden<br />

<strong>war</strong>. Harry und David geben <strong>Romy</strong> die Sicherheit und<br />

Geborgenheit die <strong>sie</strong> braucht. Die junge Familie ist<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Rückzugsort.<br />

<strong>Romy</strong> erzählte von früher, erzählte was <strong>sie</strong> früher für<br />

wichtig erachtete und das ein Großteil dieser Dinge für<br />

<strong>sie</strong> heute völlig unbedeutend sind. Beispielsweise<br />

rannte <strong>sie</strong> früher von einem Modegeschäft zum<br />

Nächsten. Kaufte ein Designer Kostüm nach dem<br />

Anderen. „Das <strong>war</strong> damals sehr wichtig für mich“<br />

Heute denkt <strong>Romy</strong> anderes darüber. Heute ist es ihr<br />

egal ob <strong>sie</strong> Chanel, Dior oder einfach eine bequeme<br />

Leinenhose aus einem x-beliebigen Geschäft trägt.<br />

„Heute kann man alles tragen, wenn es zu einem<br />

passt“.<br />

Tara hielt einen Moment inne, reflektierte das von <strong>Romy</strong><br />

gesagte. Auch für <strong>sie</strong> <strong>war</strong> es wichtig immer gut<br />

angezogen zu sein, schön auszusehen. Im Gegensatz<br />

zu <strong>Romy</strong> lebte <strong>sie</strong> in Armut und konnte es sich nicht<br />

leisten mal eben, mir nichts, dir nichts, in die nächste<br />

Mode-Boutiuque zu gehen und sich ein Designer-<br />

Kostüm zu kaufen. Die schönsten Kleider die Tara<br />

besaß hatte Mutter Natalie für <strong>sie</strong> genäht. Ein solches<br />

selbst genähtes Kleid trug Tara bei ihrer ersten<br />

Begegnung mit <strong>Romy</strong> im Schlosshotel. <strong>Romy</strong> gefiel<br />

dieses Kleid besonders gut. Es passte irgend<strong>wie</strong> auch<br />

zu <strong><strong>Romy</strong>s</strong> heutigem Stil, den <strong>sie</strong> so definierte: „Ich mag<br />

keine Kostüme mehr und überhaupt nichts, was<br />

umständlich anzuziehen ist. Man <strong>sie</strong>ht mich nur noch in<br />

Kleidern oder Hosen-Esembels. Das Wichtigste: Die<br />

Sachen müssen sitzen und praktisch sein.“<br />

Ein sehr elegantes und dennoch praktisches Kleid hatte<br />

Tara an jenem ersten Abend an, <strong>Romy</strong> fand es tre´s<br />

chic! So kam es, das beide Freundinnen beschlossen<br />

einen Tausch zu arrangieren. Tara schenkte <strong>Romy</strong> das<br />

von Mutter Maria genähte Kleid. <strong>Romy</strong> schenkte ihr<br />

dafür ein aufwendiges Kostüm mit vielen Knöpfen und<br />

Verzierungen. „Es steht dir bestimmt super, und du bist<br />

viel jünger als ich, du kannst es besser tragen.<br />

Außerdem machen Knöpfe und der ganze Schnick<br />

Schnack drum rum mich nervös.“<br />

Im Laufe der Zeit die Tara bei <strong>Romy</strong> in Berlin<br />

verbrachte tauschten <strong>sie</strong> viele ihrer Kleidungsstücke.<br />

Das <strong>war</strong> auch irgend<strong>wie</strong> ein Gefühl von: Die beste<br />

Freundin immer bei sich zu<br />

haben. Schließlich trug man deren Sachen, und die<br />

Erinnerung an die Freundin im Herzen.<br />

In Taras Augen verkörperte <strong>Romy</strong> die pure<br />

Lebensfreude. Jeder Gang, Jede einzelne Geste, jedes<br />

Lachen … das alles klang so glücklich, beschwingt und<br />

ausgelassen. Tara bewunderte <strong>Romy</strong> um ihre<br />

Leichtigkeit. Wie gerne hätte <strong>sie</strong> jene Lebensfreude und<br />

Leichtigkeit besessen die <strong>Romy</strong> besaß. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> so<br />

herzlich. Überhaupt ganz anders <strong>wie</strong> man sich einen<br />

Star <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> Schneider vorstellt, der in der ganzen<br />

Welt Erfolge feiert. Für <strong>sie</strong> <strong>war</strong>en Geld, Ansehen,<br />

Dinner-Veranstaltungen, Galaveranstaltungen lästige<br />

Anhängsel, die ihr Beruf mit sich brachte. Sie machte<br />

es, weil man es von ihr verlangte, weil es einfach zu<br />

ihrem Job dazu gehört.


In Wirklichkeit <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> froh wenn eine solche<br />

Veranstaltung möglichst schnell über die <strong>Bühne</strong> ging<br />

und <strong>sie</strong> diese <strong>wie</strong>der verlassen konnte. „Ich brauche nur<br />

einen Platz mit wenigen Menschen, die ich gern habe.“<br />

Tara <strong>war</strong> eine der wenigen Menschen die <strong>Romy</strong> gern<br />

hatte. Mit ihr durch den Grunewald zu spazieren und<br />

sich zu unterhalten empfand <strong>sie</strong> als tausendmal<br />

schöner, als irgendeinen Smaltalk auf einem Event zu<br />

halten.<br />

Während einer ihrer gemeinsamen Spaziergänge<br />

wurde <strong>Romy</strong> entdeckt. Tara bemerkte sofort, das ein<br />

Ehepaar, das eben an ihnen vorbei gelaufen <strong>war</strong> über<br />

<strong>Romy</strong> redete. Die Frau flüsterte zu ihrem Mann: „Das ist<br />

doch die <strong>Romy</strong> Schneider! Dafür das <strong>sie</strong> ein Star ist<br />

geht se aber anjezogen <strong>wie</strong> normale Leut! Mensch, da<br />

seh ick ja modischer aus - und die glaubt se is ne<br />

Modeikone. Das „flüstern`` <strong>war</strong> nicht zu überhören!<br />

<strong>Romy</strong> bekam jedes ihrer Worte mit. Sie hielt kurz inne,<br />

schaute Tara mit einem breiten Grinsen an, ihre Augen<br />

funkelten. Plötzlich rannte <strong>sie</strong> los. Tara wusste für einen<br />

kurzen Augenblick lang nicht was los <strong>war</strong>. „Wer als<br />

Erster am See ist hat gewonnen, und darf Madame<br />

spielen.“<br />

Madame spielen?? Was hatte das zu bedeuten? Tara<br />

verstand nicht und rannte hinterher. Völlig aus der<br />

Puste hatte <strong>Romy</strong> das Ziel erreicht. Sogleich begann<br />

<strong>sie</strong> die Modedame zu parodieren. „Tara, der<br />

Schauspielunterricht geht weiter!“<br />

<strong>Romy</strong> begann einen kurzen Monolog, versuchte ernst<br />

zu bleiben und sich ein lautes Lachen zu verkneifen:<br />

„Modeeeee! Ich komm aus der Modeeee! Ich habe als<br />

Daaamenschneiderin gearbeitet! Diese Frau Schneider,<br />

das geht gar nicht! Das passt gar nicht! Das ist<br />

überhaupt nicht stilecht! In dem Dress <strong>sie</strong>ht se pumslig<br />

aus! Grade solche Leute sollten doch immer ete pete<br />

aussehen… das kann ich gaaar nicht verstehen!“<br />

Nach der kurzen Schauspieleinlage gingen beide<br />

Frauen weiter, auf dem Weg nach Hause amü<strong>sie</strong>rten<br />

<strong>sie</strong> sich köstlich. <strong>Romy</strong> kannte die Dame. Hatte <strong>sie</strong><br />

schon einige Male auf Veranstaltungen gesehen! Sie<br />

hatte <strong>sie</strong> sofort <strong>wie</strong>der erkannt. – Schmuck behangen<br />

<strong>wie</strong> ein Weihnachtsbaum und mit langen weißen<br />

Haaren, <strong>war</strong> <strong>sie</strong> wohl kaum zu übersehen! „Die<br />

Probleme dieser Leute möchte ich auch mal haben. Ich<br />

meine, wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitzen<br />

würde, und mir darüber Gedanken machen müsste<br />

welchen Dress ich zum einholen und spazieren gehen<br />

anziehe würde ich verrückt werden. Ich kann gut und<br />

gerne darauf verzichten die Blicke der Leute auf der<br />

Straße auf mich zu ziehen. Mein Wunsch <strong>war</strong> es immer,<br />

zu <strong>wirklich</strong> jeder Zeit… durch mein Können und durch<br />

meine Leistungen zu überzeugen! Dazu brauche ich<br />

mich nicht von Kopf bis Fuß mit Schmuck zu behängen,<br />

um jedem zu demonstrieren… ich bin Schauspielerin…<br />

ich stelle was dar!“<br />

Dem konnte Tara nur zustimmen! Außerdem hatte<br />

<strong>Romy</strong> es überhaupt nicht nötig sich derart heraus zu<br />

putzen. Sie <strong>war</strong> eine natürliche Schönheit und bereits<br />

ein wenig Lippenstift und Rouge ließen ihre Schönheit<br />

perfekt zur Geltung kommen. <strong>Romy</strong> hatte dieses<br />

perfekte Gesicht. Die Abstände der Augen, die Tiefe in<br />

ihren Augen, das funkeln ihrer Augen, ihre vollen<br />

Lippen, die Nase. Das alles <strong>war</strong> so perfekt, das alles<br />

machte <strong>Romy</strong> zu einer herausragenden Schönheit. Ein<br />

Mensch der im Herzen, und von innen heraus so schön<br />

<strong>war</strong> <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong>, der musste auch äußerlich<br />

wunderschön sein. Das Eine hängt mit dem Anderen<br />

zusammen.<br />

Wahre Schönheit kommt von Innen. Sie kann nicht<br />

herauf geschminkt werden, und auch der teuerste<br />

Schmuck besitzt nicht die Fähigkeit aus einer Krähe<br />

einen Schwan zu zaubern. Das ist nicht möglich.<br />

Natürlich stimmt es, das Make up und Schmuck<br />

Schönheit betonen, aber wo nichts ist da kann auch<br />

nichts betont werden. Ich selbst zu sein - Wahrhaftigkeit<br />

und Innerlichkeit im Privatleben und auf der <strong>Bühne</strong>!<br />

Das <strong>war</strong> es was <strong>Romy</strong> zu der Persönlichkeit machte die<br />

<strong>sie</strong> heute <strong>war</strong>!<br />

Nach einer langen Zeit des Schweigens setzten <strong>sie</strong> sich<br />

auf eine Bank, um die angenehm frische Luft und die<br />

Ruhe zu genießen. Die Zeit des Schweigens setzte sich<br />

fort, <strong>Romy</strong> suchte nach einer Zigarette und einer<br />

Streichholzpackung. Als <strong>sie</strong> beides gefunden hatte<br />

nahm <strong>sie</strong> einen tiefen Zug an ihrer Zigarette… blickte zu<br />

Tara: „Glück ist eigentlich… eigentlich so leicht<br />

definierbar. Obwohl ich das Wort eigentlich ja hasse!<br />

Eigentlich sagt alles aber auch nichts. Ich sage es jetzt<br />

trotzdem!<br />

Glücklich ist der Mensch, der die Fähigkeit besitzt,<br />

seine ganze Kraft und Energie in Dinge zu investieren<br />

die er verändern kann. Und die Gelassenheit aufbringt,<br />

die Dinge zu ertragen, die er nicht verändern kann.<br />

Natürlich gehört auch ein gewisses Quäntchen<br />

Intelligenz dazu, das Eine vom Anderen zu<br />

unterscheiden. Und zu erkennen was man verändern<br />

kann, und was aussichtslos ist.“


<strong>Romy</strong> besaß die Intelligenz, das Eine von dem Anderen<br />

zu unterscheiden. Aus diesem Grund stand <strong>sie</strong> auch<br />

weit über Menschen, <strong>wie</strong> eben gesehene<br />

Spaziergängerin. Sie wusste ganz genau das solche<br />

Menschen, die ein derartig verkorkstes Weltbild haben<br />

nicht zu ändern sind. Das hat auch nichts mit Feigheit<br />

zu tun. Es geht lediglich darum seine Energie, die so<br />

kostbar ist nicht mit Personen oder Dingen zu<br />

verschwenden die man niemals ändern wird. „Früher<br />

habe ich immer gedacht, ich kann alles verändern! Alles<br />

was ich verändern will kann ich verändern. Heute weiß<br />

ich, das dieser Gedanke eine pure Illusion ist. Aber ich<br />

habe gelernt, ich habe dazu gelernt. Mit dieser<br />

Erkenntnis, die das Leben mir geschenkt hat ist einiges<br />

leichter geworden, vor allem ist vieles leichter zu<br />

verstehen.“<br />

<strong>Romy</strong> ist eine glückliche Frau von fast 30 Jahren. Tara<br />

ist genau zehn Jahre jünger. Sie fühlt, das <strong>sie</strong> von<br />

<strong>Romy</strong> sehr viel lernen kann. Die Erfahrungen die <strong>Romy</strong><br />

mit ihren fast 30 Jahren gesammelt hat. Dafür<br />

bewundert Tara ihre neu gewonnene Freundin sehr.<br />

Auch <strong>Romy</strong> bewundert Tara für ihr Wissen und Können,<br />

das Tara in einem Jahr Schauspielstudium erworben<br />

hat. Jeden Tag erhält <strong>Romy</strong> Unterricht durch Tara! Tara<br />

erinnert sich an all die schönen Momente mit <strong>Romy</strong>.<br />

Daran, <strong>wie</strong> oft <strong>sie</strong> einfach in <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Wohnzimmer<br />

gesessen hatte,<br />

<strong>Romy</strong> fort ging um ihr irgendeine Sache zu zeigen. Tara<br />

erinnerte sich an ihren dritten Tag, den <strong>sie</strong> gemeinsam<br />

mit <strong>Romy</strong> in deren Wohnung verbrachte. <strong>Romy</strong> betrat<br />

durch lautes Poltern das Wohnzimmer! Sie hatte<br />

versehentlich eine Bodenvase umgerissen! Während<br />

<strong>Romy</strong> damit beschäftigt <strong>war</strong>, Handfeger und Schippe zu<br />

organi<strong>sie</strong>ren drückte <strong>sie</strong> Tara einen Stapel Kleider in die<br />

Hand. „Ich räume das kurz weg, Harry kriegt sonst<br />

einen Anfall wenn er das von mir verursachte Chaos zu<br />

Gesicht bekommt. Schau dir in der Zeit die Kleider an,<br />

und probiere <strong>sie</strong> bitte an!“<br />

Tara verstand nicht. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> beschäftigt mit der<br />

Chaosbeseitigung, anscheinend <strong>war</strong> die zu Bruch<br />

gegangene Vase von Harry, und <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eifrig<br />

bemüht alle Spuren des Unfalls zu beseitigen.<br />

Vielleicht kaufte <strong>sie</strong> eine neue Vase, um einer<br />

Auseinandersetzung mit Harry aus dem Weg zu gehen!<br />

Tara fragte nicht nach, folgte während dessen <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Anweisung die Kleider anzuprobieren!<br />

An diesem Abend sollte es zur ersten handfesten<br />

Auseinandersetzung zwischen <strong>Romy</strong> und Tara<br />

kommen!<br />

Grund für diese Auseinandersetzung <strong>war</strong>: <strong>Romy</strong> wollte<br />

Tara all die Kleider die sich auf dem Stapel befanden,<br />

schenken. Dieses Geschenk wollte Tara unmöglich<br />

annehmen. Sie versuchte <strong>Romy</strong> ihre Argumentation<br />

verständlich darzulegen. <strong>Romy</strong> wollte das aber partout<br />

nicht verstehen! <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> der Meinung, <strong>sie</strong> müsse<br />

Tara für den erhaltenen Unterricht entlohnen. Da Tara<br />

es ablehnte Geld von ihrer Freundin zu nehmen,<br />

bestand <strong>Romy</strong> auf dieses Geschenk als Dankeschön<br />

für Taras Zeit und Mühe. Als Tara ihr zu verstehen gab<br />

das <strong>sie</strong> ihr großzügiges Geschenk nicht annehmen<br />

könne wurde <strong>Romy</strong> laut. „Ich will das du es annimmst!<br />

Ich will das, weißt du <strong>wie</strong> ich mir sonst vorkomme??<br />

NEIN! NEIN und nochmals NEIN! Du nimmst das an!<br />

JETZT!“<br />

<strong>Romy</strong> die sonst so herzlich, liebevoll und<br />

verständnisvoll <strong>war</strong>, wurde auf einmal laut und<br />

jähzornig. Sie schrie durch den Raum, nahm die<br />

Sachen, legte <strong>sie</strong> zusammen um <strong>sie</strong> anschließend<br />

<strong>wie</strong>der auseinander zu nehmen und Tara vor die Füße<br />

zu schmeißen! Auch Tara wurde laut an diesem Abend,<br />

<strong>sie</strong> nahm alle Sachen die <strong>Romy</strong> ihr zugeschmissen<br />

hatte und <strong>war</strong>f <strong>sie</strong> ihr zurück!<br />

War das nun eine Schauspieleinlage oder Realität?<br />

Tara konnte sich die Frage in diesem Moment nicht<br />

beantworten. Tara bat <strong>Romy</strong> sich zu beruhigen! Sie<br />

hielt die ganze Angelegenheit mittlerweile <strong>wirklich</strong> für<br />

eine Schauspieleinlage. Mit lauter Stimme rief <strong>sie</strong>:<br />

<strong>Romy</strong> ich glaube dir! Die Etüde hast du sehr gut<br />

gespielt! Ich habe dir <strong>wirklich</strong> geglaubt, du bist ärgerlich<br />

auf mich. Nach jeder abgeschlossenen Etüde sagte<br />

Tara entweder, ich habe dir geglaubt, oder ich habe es<br />

dir nicht geglaubt, wenn die Darstellung <strong>sie</strong> nicht<br />

überzeugt hatte. „Wenn du glaubst, das ich spiele, dann<br />

möchte ich das du jetzt bitte gehst! Auf der <strong>Bühne</strong>, und<br />

vor der Kamera bin ich eine Schauspielerin! JA! Aber<br />

<strong>wie</strong> kannst du glauben, das ich privat spiele?? Zumal es<br />

hier grade um eine für mich wichtige Angelegenheit<br />

geht!“ Tara verstand noch immer nicht <strong>war</strong>um <strong>Romy</strong> so<br />

aufgebracht <strong>war</strong>! Sie fing sogar an Tara zu<br />

beschuldigen, das <strong>sie</strong> am nächsten Tag zu einer<br />

Zeitung gehen werde und denen erzählt: „Die<br />

Schneider flippt aus.“ Tara konnte nicht begreifen was<br />

plötzlich pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong>, das <strong>Romy</strong> derartig in Rage geriet.<br />

Sie versuchte <strong>sie</strong> zu beschwichtigen, indem <strong>sie</strong> an die<br />

vorhin getauschten Kleidungsstücke erinnerte. Aber<br />

<strong>Romy</strong> wollte das nicht hören. <strong>Romy</strong> atmete kurz durch<br />

und sagte dann in einem sehr höflichen Tonfall das <strong>sie</strong><br />

Tara bitte jetzt zu gehen.


Noch immer saß Tara im Zug auf dem Weg nach<br />

Moskau. Die Zugfahrt, die ihr auf dem Hinweg so<br />

unendlich lang erschien, verging nun <strong>wie</strong> im Fluge. Ihre<br />

Gedanken überschlugen sich. Sie <strong>war</strong> kurz<br />

eingeschlafen. Wie aus dem Nichts erwachte <strong>sie</strong><br />

plötzlich aus ihrem Traum. Sie sah <strong>Romy</strong> vor sich <strong>wie</strong><br />

<strong>sie</strong> sich gestritten hatten. Das <strong>war</strong> an jenem Abend wo<br />

<strong>Romy</strong> <strong>sie</strong> nach ihrem Gespräch bat die Wohnung zu<br />

verlassen.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> wütend und jähzornig an jenem Abend und<br />

vermittelte Tara das Gefühl, das ihre neu gewonnene<br />

Freundschaft hiermit beendet <strong>war</strong>. Auf dem Rückweg<br />

zu ihrer Pension kamen Tara die Tränen. Sie konnte<br />

nicht verstehen was <strong>sie</strong> falsch gemacht haben sollte,<br />

was <strong>Romy</strong> derartig in Rage versetzte. Die ganze Nacht<br />

kreisten ihre Gedanken um das letzte Gespräch mit<br />

<strong>Romy</strong>. Sie stellte sich so viele Fragen, über das, was<br />

<strong>sie</strong> falsch gemacht haben könnte. Fragen auf die <strong>sie</strong><br />

keine Antworten finden konnte. Fragen die <strong>sie</strong> jetzt und<br />

sofort am Liebsten von <strong>Romy</strong> beantwortet hätte. Sollte<br />

<strong>sie</strong> <strong>Romy</strong> anrufen? Nein! Mitten in der Nacht könne <strong>sie</strong><br />

<strong>Romy</strong> unmöglich anrufen. Was sollte <strong>Romy</strong> denken?<br />

Sicherlich <strong>war</strong> <strong>sie</strong> noch wütend! Ihr wurde klar das <strong>sie</strong><br />

im Moment nicht handeln könne, sondern den nächsten<br />

Tag ab<strong>war</strong>ten musste.<br />

Am nächsten Morgen begab sich Tara später als<br />

gewohnt in den Frühstückssalon. Die ganze Nacht lag<br />

<strong>sie</strong> wach, erst in den frühen Morgenstunden schlief <strong>sie</strong><br />

vor Erschöpfung ein.<br />

Während <strong>sie</strong> ein kleines Frühstück zu sich nahm sprach<br />

der Portier der Pension <strong>sie</strong> an: Frau , soeben ist ein<br />

Paket durch einen Kurierdienst für <strong>sie</strong> eingetroffen. Bitte<br />

melden <strong>sie</strong> sich an der Rezeption um dieses in<br />

Empfang zu nehmen. Sofort erhob <strong>sie</strong> sich von ihrem<br />

Stuhl um sich in Richtung Rezeption zu begeben. Dort<br />

angekommen nahm <strong>sie</strong> ihr Paket in Empfang und<br />

suchte sofort nach dem Absender. Ihr Atem stockte für<br />

einen kurzen Moment als <strong>sie</strong> dort den Namen R.<br />

Haubenstock entzifferte.<br />

In ihrem Zimmer angelangt öffnete <strong>sie</strong> die erhaltene<br />

Sendung langsam und sah entsetzt auf jene Kleider die<br />

<strong>sie</strong> am Vortage als Geschenk abgelehnt hatte. <strong>Romy</strong><br />

hatte einen kleinen Zettel beigefügt: Ich <strong>war</strong> sehr<br />

wütend auf Dich! Gestern! – Heute tut es mir schon<br />

<strong>wie</strong>der leid, dass wir im Streit auseinander gegangen<br />

sind. Bitte nehme dieses Geschenk an. Wehe du<br />

sendest es mir zurück! Ich rede kein Wort mehr mit Dir!<br />

PS: Wenn du heute ab 16.00 Uhr noch nichts vor hast<br />

würde ich mich freuen, mehr über Schauspieltechnik<br />

zu erfahren. Sie musste die in blauer Tinte<br />

geschriebenen Zeilen mehrfach lesen um zu verstehen,<br />

das <strong>Romy</strong> <strong>sie</strong> <strong>wirklich</strong> <strong>wie</strong>dersehen wollte. Auch um zu<br />

verstehen das ihre neu gewonnene Freundschaft zu ihr<br />

am gestrigen Tag nicht <strong>wie</strong> von ihr angenommen,<br />

beendet <strong>war</strong>:<br />

„Danke lieber Gott, das du meinen Wunsch erhört hast<br />

und ich <strong>Romy</strong> nicht verloren habe.“<br />

Wieder flossen Tränen über ihr Gesicht. Jedoch <strong>war</strong>en<br />

es diesmal keine Tränen der Trauer - es <strong>war</strong>en<br />

Freudentränen! Sie würde <strong>Romy</strong> heute schon<br />

<strong>wie</strong>dersehen. Punkt 16.00 Uhr stand <strong>sie</strong> mit einem<br />

Strauß Blumen und einer kleinen Geschenkdose vor<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Tür. Sekunden später öffnete <strong>Romy</strong> ihr und<br />

begrüßte <strong>sie</strong> mit einer freundschaftlichen Umarmung.<br />

Der Streit <strong>war</strong> vergessen und Tara schwor sich kein<br />

Sterben´ s - Wörtchen darüber zu verlieren. Als<br />

Dankeschön für <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Geschenk hatte <strong>sie</strong> ihr einen<br />

Strauß Blumen mitgebracht und eine kleine<br />

Geschenkschachtel die <strong>Romy</strong> sofort öffnete. „Ein Fisch,<br />

von einem Fisch!“<br />

Sagte <strong>Romy</strong> und legte die Kette mit dem silbernen<br />

Fischanhänger sofort um..


14 Wahrheit...<br />

Ungeschminkte<br />

<strong>Romy</strong> Schneider und Alain Delon <strong>war</strong>en <strong>wie</strong> die beiden<br />

Königskinder aus der griechischen Volksballade: „Es<br />

<strong>war</strong>en zwei Königskinder, die hatten einander so lieb,<br />

<strong>sie</strong> konnten beisammen nicht kommen, das Wasser<br />

<strong>war</strong> viel zu tief.“<br />

Die Trennung von Alain hatte <strong>Romy</strong> den Boden unter<br />

den Füßen weg gerissen. Diese Trennung <strong>war</strong> auch<br />

der Grund ihres ersten Selbstmordversuchs.<br />

1964 hatte <strong>Romy</strong> einen Fototermin in ihrer Pariser<br />

Wohnung mit dem in Berlin lebenden Fotografen Will<br />

McBride, der zu der Zeit für das Kultmagazin TWEN<br />

arbeitete. <strong>Romy</strong> begegnete Will McBride am Tag ihres<br />

Shootings komplett natürlich, wahrhaftig und<br />

authentisch. Ohne Make up, ohne prächtige Kleider,<br />

ohne Kostüme, <strong>Romy</strong> pur, mit wenig Lippenstift, ein<br />

bisschen Wimperntusche, aber eben nur ein bisschen,<br />

was so gut <strong>wie</strong> unscheinbar erschien. <strong>Romy</strong> sah keine<br />

Veranlassung sich heraus zu putzen. <strong>Romy</strong> fühlte sich<br />

an diesem Tag sehr privat und so behandelte <strong>sie</strong> den<br />

Job als Modell für Twen auch, als sei es eine<br />

Privatangelegenheit. Sie hatte beschlossen diesen Tag<br />

glücklich zu sein und ihre innere Trauer zu vergessen.<br />

„Das wäre doch Vorspielung falscher Tatsachen. Es<br />

geht mir grade nicht so gut, und ich sehe keine<br />

Veranlassung dies überspielen zu müssen. Ich bin auf<br />

der <strong>Bühne</strong> und vor der Kamera eine - so hoffe ich gute<br />

Schauspielerin. Aber privat bin ich das komplette<br />

Gegenteil davon. Privat bin ich die schlechteste<br />

Schauspielerin die <strong>sie</strong> sich vorstellen können. Ich sehe<br />

auch keinen Grund, den Menschen mit denen ich privat<br />

zu tun habe ein Schauspiel zu präsentieren. Privat bin<br />

ich eben <strong>Romy</strong>. <strong>Romy</strong> ohne Maske, ohne tausend<br />

Fassetten. Ich bin die <strong>Romy</strong>, die ich <strong>wirklich</strong> bin, und<br />

aus - end of story“.<br />

Will McBride ist es gelungen diesen Moment der<br />

unsagbaren Trauer und Melancholie festzuhalten und<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Gefühle einzufangen. Eine sehr<br />

nachdenkliche, sensible und unbekannte <strong>Romy</strong><br />

Schneider.<br />

McBride, international bekannt als der Sch<strong>war</strong>z-<br />

Weiß-Fotograf fertigte eine sehr intime Serie von<br />

<strong>Romy</strong> und nur einige wenige Motive hat McBride in<br />

Farbe fotografiert. Einige dieser sehr sensiblen und<br />

unbekannten Farbmotive sind in diesem Buch<br />

exklusiv zu sehen.<br />

„Es ist Unsinn, zu behaupten, das die Zeit<br />

irgendwann alle Wunden und Narben heilen könne.<br />

Für die kleinen „Wündchen und Närbchen“ mag<br />

diese Aussage sicherlich zutreffen. Aber gewiss nicht<br />

für die großen Wunden, der Schmerz bleibt ein<br />

Leben lang. Im Laufe der Zeit werden die Narben<br />

z<strong>war</strong> kleiner und der Schmerz wird erträglicher, aber<br />

heilen kann die Zeit diese Wunden sicherlich nicht.<br />

Ich fühlte eine komplette innere Leere in mir. Es<br />

fühlte sich an als hätte mir jemand das Herz heraus<br />

gerissen, um anschließend darauf herum zu<br />

trampeln. Für eine lange Zeit <strong>war</strong> es mir nicht<br />

möglich einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.“<br />

Wie bei jedem Fotoshooting das <strong>Romy</strong> wahrnahm<br />

brachte <strong>sie</strong> sich auch dieses Mal in die künstlerische<br />

Umsetzung des Shootings ein. Sie hatte den Wunsch,<br />

den Schmerz, den die Trennung von Alain ihr zugefügt<br />

hatte, fotografisch umzusetzen und festzuhalten. So<br />

arrangierte <strong>sie</strong> ein Bild, welches zwei Stühle zeigt, die<br />

Rücken an Rücken stehen. Auf einem der beiden<br />

Stühle nahm <strong>sie</strong> Platz, der andere Stuhl blieb leer.<br />

Dieses Bild, mit einer fast ungeschminkten und<br />

natürlichen <strong>Romy</strong> symboli<strong>sie</strong>rte ihren derzeitigen<br />

Gefühlszustand. Die innere Leere die <strong>sie</strong> zu dieser Zeit<br />

erfüllte. <strong>Romy</strong> fühlte sich total leer, einsam, allein<br />

gelassen, und hilflos.


15 <strong>Romy</strong>´s Traum<br />

„Tara, schön, dass ich dich erreiche, und schön, dass<br />

du noch wach bist.“<br />

<strong>Romy</strong> rief mich nach Mitternacht an. Wie so oft hatte <strong>sie</strong><br />

einen Traum, und nachdem <strong>sie</strong> erwacht <strong>war</strong>, wollte <strong>sie</strong><br />

mir unbedingt davon erzählen. Ich hörte ihr zu. „Gerade<br />

habe ich an dich denken müssen, geht es dir gut?“ „Ich<br />

habe <strong>wie</strong>der mal geträumt, willst du es hören?“<br />

Sie lies mir keine Zeit zu antworten, <strong>sie</strong> <strong>war</strong> noch immer<br />

in ihrem Traum gefangen. Ich hatte das Gefühl, <strong>sie</strong><br />

erlebte ihn jetzt, als <strong>sie</strong> ihn mir erzählte, noch einmal…<br />

„Wenn wir frei in unseren Gedanken, in unserem<br />

Denken, Tun und Fühlen sind – dann können wir alles<br />

im Leben erreichen! Wir werden fliegen! Als ich noch<br />

ein Kind <strong>war</strong>, wünschte ich mir oft, ein Vogel zu sein<br />

und fliegen zu können.<br />

Ich wünschte mich so oft auf die Krone eines Baumes –<br />

auf die höchste Krone eines Baumes – von der ich mich<br />

unbekümmert fallen lassen konnte, um frei von Ort zu<br />

Ort zu fliegen. Wo es mir gefiele, da bliebe ich. Sollte<br />

ich an einem Ort nicht mehr glücklich sein, würde ich<br />

mich einfach zurück in die Lüfte schwingen.<br />

In meinem Traum ist es genau so. Ich suche weiter …<br />

sehe bekannte Gesichter. Sie alle sollen mich sehen –<br />

sollen sehen, dass ich doch fliegen kann. Ich liebe das<br />

Gefühl der Unangreifbarkeit. LudwigII sagte einmal: Ein<br />

falsches Wort, eine falsche Bewegung … und du hast<br />

sofort die Scherben in der Hand.<br />

Wäre er nicht schon vor Ewigkeiten von uns gegangen,<br />

würde ich sagen, er charakteri<strong>sie</strong>rt mich. Wie sehr ich<br />

mir doch wünschen würde, einmal frei und ganz allein<br />

durch <strong>war</strong>me und weiche Luft zu fliegen. Ich schließe<br />

meine Augen. Ich sitze am Schreibtisch meines Vaters<br />

in seinem Herrenzimmer. Ich bin <strong>wie</strong>der drei Jahre alt.<br />

Mein Körper wird immer schwerer, ich lasse mich fallen.<br />

Losgelöst und völlig frei steige ich auf. Ich sehe<br />

Mariengrund, das Haus meiner Eltern, das Haus, in<br />

dem ich aufgewachsen bin. Sehe meine Mutter, meinen<br />

Vater, die Großeltern, den Garten, das Dorf …<br />

Schönau.<br />

Die Freunde, die ich hatte. Und <strong>sie</strong>? Sie sehen mich.<br />

Sie, die mich immer ausgelacht, die mich für verrückt<br />

erklärt haben. Ich grüße <strong>sie</strong>, ich lache. Nun fliege ich<br />

von Gasse zu Gasse, von Straße zu Straße … über<br />

einen See. Wenn ich müde werde, lege ich mich auf<br />

eine kühle weiße Wolke … schlafe … und wenn ich<br />

aufwache, steige ich <strong>wie</strong>der auf, fliege weiter. Einmal<br />

sehe ich die Mama, <strong>sie</strong> schimpft mit mir, aber ich fliege<br />

weiter.<br />

Ich vermisse meinen Vater. Warum hat er mich<br />

verlassen, <strong>war</strong>um hat er uns verlassen? Warum ist er<br />

gegangen und nicht mehr heimgekommen? Ich fliege zu<br />

ihm und sage ihm hallo. Ich will mit ihm reden, aber er<br />

<strong>sie</strong>ht mich nicht. Ich will ihn umarmen, doch er ist<br />

unerreichbar. Ich bin so klein, dass ich auf einer Rose<br />

landen kann, in einer Tulpe schlafen. Ich liebe den Duft<br />

der Blumen, ich bin glücklich. – Ja, ich glaube, ich bin<br />

glücklich. Ich sehe meine Oma, auf der großen <strong>Bühne</strong><br />

des Lebens. Sie ist die Erste, die mich fliegen <strong>sie</strong>ht, <strong>sie</strong><br />

<strong>sie</strong>ht mich <strong>wirklich</strong> fliegen. Wieder bin ich glücklich. Sie<br />

winkt mir zu, ich winke zurück, lande kurz bei ihr … bin<br />

bei ihr, spüre ihre Hände, rieche ihr blumiges Parfüm.<br />

Jedes Mal, wenn ich fliege, bin ich frei von Ängsten.<br />

Ängsten, die sonst immer da sind. Ich habe dann das<br />

Gefühl, frei zu atmen. Ich liebe das Gefühl, frei zu<br />

atmen. Manchmal kriege ich einfach keine Luft mehr<br />

und mein ganzer Körper verkrampft sich, so dass keine<br />

Luft mehr in meine Lungen gelangt. Der Boden unter<br />

meinen Füßen nimmt mir die Luft zum Atmen, dann<br />

entgleitet er mir. Wenn ich fliege, sind diese<br />

beklemmenden Gefühle ausgeschaltet, es fühlt sich so<br />

an, als gäbe es <strong>sie</strong> überhaupt nicht mehr. Jetzt schwebe<br />

ich über dem Internat, ich sehe Goldenstein, die Mutter<br />

Oberin. Gott sei Dank <strong>sie</strong>ht <strong>sie</strong> mich nicht. Sie würde<br />

sagen: Rosemarie Albach, was ist das schon <strong>wie</strong>der für<br />

ein Schmarrn?<br />

Ich kichere und fliege weiter. Ich hätte den ganzen Tag<br />

so weiter träumen können … doch plötzlich erwache ich.<br />

Ich öffne die Augen und alles ist <strong>wie</strong>der da: der<br />

Schreibtisch meines Vaters, sein Herrenzimmer. Dann<br />

wache ich tatsächlich auf und sehe mein Bett, mit dem<br />

Lederaufsatz, der weißen Leinenbettwäsche, die mich<br />

auch an meine Kindheit erinnert. Auf einmal ist alles<br />

<strong>wie</strong>der da, alles, wovor ich fliehen wollte, ist <strong>wie</strong>der da.<br />

Da sind <strong>sie</strong> <strong>wie</strong>der, die Probleme, die das Leben, der<br />

Alltag und die Menschen um mich herum mir bereiten.<br />

Ich wünsche mich zurück in die Lüfte, in die <strong>war</strong>me,<br />

weiche Luft, die mich im Traum getragen hat. Die mich<br />

weggetragen hat aus der Realität, weg von den<br />

Problemen, von all dem Ballast, der mein Leben so<br />

schwer macht.<br />

„Wo fliegen all die Jahre hin... es geht alles so<br />

schnell...!“


15 <strong>Romy</strong>´s Traum<br />

„ „Tara, schön, dass ich dich erreiche, und schön, dass<br />

du noch wach bist.“<br />

<strong>Romy</strong> rief mich nach Mitternacht an. Wie so oft hatte <strong>sie</strong><br />

einen Traum, und nachdem <strong>sie</strong> erwacht <strong>war</strong>, wollte <strong>sie</strong><br />

mir unbedingt davon erzählen. Ich hörte ihr zu. „Gerade<br />

habe ich an dich denken müssen, geht es dir gut?“ „Ich<br />

habe <strong>wie</strong>der mal geträumt, willst du es hören?“<br />

Sie lies mir keine Zeit zu antworten, <strong>sie</strong> <strong>war</strong> noch immer<br />

in ihrem Traum gefangen. Ich hatte das Gefühl, <strong>sie</strong><br />

erlebte ihn jetzt, als <strong>sie</strong> ihn mir erzählte, noch einmal…<br />

„Wenn wir frei in unseren Gedanken, in unserem<br />

Denken, Tun und Fühlen sind – dann können wir alles<br />

im Leben erreichen! Wir werden fliegen! Als ich noch<br />

ein Kind <strong>war</strong>, wünschte ich mir oft, ein Vogel zu sein<br />

und fliegen zu können.<br />

Ich wünschte mich so oft auf die Krone eines Baumes –<br />

auf die höchste Krone eines Baumes – von der ich mich<br />

unbekümmert fallen lassen konnte, um frei von Ort zu<br />

Ort zu fliegen. Wo es mir gefiele, da bliebe ich. Sollte<br />

ich an einem Ort nicht mehr glücklich sein, würde ich<br />

mich einfach zurück in die Lüfte schwingen.<br />

In meinem Traum ist es genau so. Ich suche weiter …<br />

sehe bekannte Gesichter. Sie alle sollen mich sehen –<br />

sollen sehen, dass ich doch fliegen kann. Ich liebe das<br />

Gefühl der Unangreifbarkeit. LudwigII sagte einmal: Ein<br />

falsches Wort, eine falsche Bewegung … und du hast<br />

sofort die Scherben in der Hand.<br />

Wäre er nicht schon vor Ewigkeiten von uns gegangen,<br />

würde ich sagen, er charakteri<strong>sie</strong>rt mich. Wie sehr ich<br />

mir doch wünschen würde, einmal frei und ganz allein<br />

durch <strong>war</strong>me und weiche Luft zu fliegen. Ich schließe<br />

meine Augen. Ich sitze am Schreibtisch meines Vaters<br />

in seinem Herrenzimmer. Ich bin <strong>wie</strong>der drei Jahre alt.<br />

Mein Körper wird immer schwerer, ich lasse mich fallen.<br />

Losgelöst und völlig frei steige ich auf. Ich sehe<br />

Mariengrund, das Haus meiner Eltern, das Haus, in<br />

dem ich aufgewachsen bin. Sehe meine Mutter, meinen<br />

Vater, die Großeltern, den Garten, das Dorf …<br />

Schönau.<br />

Die Freunde, die ich hatte. Und <strong>sie</strong>? Sie sehen mich.<br />

Sie, die mich immer ausgelacht, die mich für verrückt<br />

erklärt haben. Ich grüße <strong>sie</strong>, ich lache. Nun fliege ich<br />

von Gasse zu Gasse, von Straße zu Straße … über<br />

einen See. Wenn ich müde werde, lege ich mich auf<br />

eine kühle weiße Wolke … schlafe … und wenn ich<br />

aufwache, steige ich <strong>wie</strong>der auf, fliege weiter. Einmal<br />

sehe ich die Mama, <strong>sie</strong> schimpft mit mir, aber ich fliege<br />

weiter.<br />

Ich vermisse meinen Vater. Warum hat er mich<br />

verlassen, <strong>war</strong>um hat er uns verlassen? Warum ist er<br />

gegangen und nicht mehr heimgekommen? Ich fliege zu<br />

ihm und sage ihm hallo. Ich will mit ihm reden, aber er<br />

<strong>sie</strong>ht mich nicht. Ich will ihn umarmen, doch er ist<br />

unerreichbar. Ich bin so klein, dass ich auf einer Rose<br />

landen kann, in einer Tulpe schlafen. Ich liebe den Duft<br />

der Blumen, ich bin glücklich. – Ja, ich glaube, ich bin<br />

glücklich. Ich sehe meine Oma, auf der großen <strong>Bühne</strong><br />

des Lebens. Sie ist die Erste, die mich fliegen <strong>sie</strong>ht, <strong>sie</strong><br />

<strong>sie</strong>ht mich <strong>wirklich</strong> fliegen. Wieder bin ich glücklich. Sie<br />

winkt mir zu, ich winke zurück, lande kurz bei ihr … bin<br />

bei ihr, spüre ihre Hände, rieche ihr blumiges Parfüm.<br />

Jedes Mal, wenn ich fliege, bin ich frei von Ängsten.<br />

Ängsten, die sonst immer da sind. Ich habe dann das<br />

Gefühl, frei zu atmen. Ich liebe das Gefühl, frei zu<br />

atmen. Manchmal kriege ich einfach keine Luft mehr<br />

und mein ganzer Körper verkrampft sich, so dass keine<br />

Luft mehr in meine Lungen gelangt. Der Boden unter<br />

meinen Füßen nimmt mir die Luft zum Atmen, dann<br />

entgleitet er mir. Wenn ich fliege, sind diese<br />

beklemmenden Gefühle ausgeschaltet, es fühlt sich so<br />

an, als gäbe es <strong>sie</strong> überhaupt nicht mehr. Jetzt schwebe<br />

ich über dem Internat, ich sehe Goldenstein, die Mutter<br />

Oberin. Gott sei Dank <strong>sie</strong>ht <strong>sie</strong> mich nicht. Sie würde<br />

sagen: Rosemarie Albach, was ist das schon <strong>wie</strong>der für<br />

ein Schmarrn?<br />

Ich kichere und fliege weiter. Ich hätte den ganzen Tag<br />

so weiter träumen können … doch plötzlich erwache ich.<br />

Ich öffne die Augen und alles ist <strong>wie</strong>der da: der<br />

Schreibtisch meines Vaters, sein Herrenzimmer. Dann<br />

wache ich tatsächlich auf und sehe mein Bett, mit dem<br />

Lederaufsatz, der weißen Leinenbettwäsche, die mich<br />

auch an meine Kindheit erinnert. Auf einmal ist alles<br />

<strong>wie</strong>der da, alles, wovor ich fliehen wollte, ist <strong>wie</strong>der da.<br />

Da sind <strong>sie</strong> <strong>wie</strong>der, die Probleme, die das Leben, der<br />

Alltag und die Menschen um mich herum mir bereiten.<br />

Ich wünsche mich zurück in die Lüfte, in die <strong>war</strong>me,<br />

weiche Luft, die mich im Traum getragen hat. Die mich<br />

weggetragen hat aus der Realität, weg von den<br />

Problemen, von all dem Ballast, der mein Leben so<br />

schwer macht.<br />

„Wo fliegen all die Jahre hin... es geht alles so<br />

schnell...!“


der Kunst<br />

Von<br />

eine<br />

16 sein<br />

zu<br />

Schauspielerin<br />

Der Erfolg ist das größte Geschenk, die größte<br />

Huldigung welche die <strong>Bühne</strong> einem Schauspieler<br />

bescheren kann. Wochen und Monate lange harte<br />

Arbeit an sich selbst und an der Rolle werden in den<br />

wenigen Minuten des Beifalls gehuldigt. Diese<br />

Huldigung der eigenen und der kollektiven Leistung ist<br />

der Moment für den es sich lohnt diesen monatelangen<br />

Kampf zu beschreiten.<br />

Die Arbeit an sich selbst in Zusammenhang mit der<br />

Arbeit an der Rolle sind oftmals ein Kraftakt der zur<br />

kompletten Selbstaufgabe der eigenen Bedürfnisse und<br />

des eigenen Willens führt. Das größte Glück ist es,<br />

einen Regisseur an der Seite zu haben, der um jene<br />

Mittel weiß, den Schauspieler zu lenken. Ohne einen<br />

solchen Meister ist der Schauspieler verloren. „Lost in<br />

space“ ... schwammig in seinen Bewegungen und<br />

Handlungen, geleitet von Emotionen die der<br />

Schauspieler in diesem Moment nicht einzuordnen<br />

weiß. Verloren <strong>wie</strong> ein Blatt im Wind! Vor einer riesigen<br />

Aufgabe stehend, gefangen, vor einer Mauer die<br />

unüberwindbar ist, vor einem hohen Gipfel der kaum zu<br />

erreichen ist.<br />

Der Applaus beflügelt den Schauspieler... der Gipfel<br />

des größten Glücksgefühls. Ein Moment des Erfolgs<br />

der alles auf<strong>wie</strong>gt. Der Applaus ist die Bestätigung<br />

dafür, alles richtig gemacht zu haben. Die Bestätigung<br />

und das Lob dafür, den Mut aufgebracht zu haben ins<br />

eiskalte Wasser gesprungen zu sein. Allen Kritiken und<br />

Bedenken zum Trotz weiter gemacht zu haben, alle<br />

Zweifel ausgeschaltet zu haben, um zielstrebig dem<br />

großen Ziel entgegen zu gehen. Nur ein kurzer<br />

Gedanke an diesen Erfolg während des<br />

Probenprozesses bringt neue Kraft und Mut weiter zu<br />

arbeiten. Bis zur völligen Selbstaufgabe, bis an die<br />

Grenzen der psychischen und physischen<br />

Belastbarkeit. Sich aufzuopfern für die Rolle bis zur<br />

völligen körperlichen und nervlichen Erschöpfung.<br />

Anerkennung! Applaus!<br />

Doch das Spiel mit dem Erfolg ist <strong>wie</strong> ein Spiel mit dem<br />

Teufel. Durch Erfolg kann man alles erlangen,<br />

allerdings kann er einem auch alles nehmen. Junge<br />

Schauspieler leiden oftmals an Höhenflügen. Der Erfolg<br />

lässt <strong>sie</strong> ganz nach oben fliegen. Doch wer hoch fliegt<br />

muss auch wissen das er eines Tages <strong>wie</strong>der auf den<br />

Boden zurück muss. Das der Erfolg kein dauerhafter<br />

Zustand ist sollte jeder Schauspieler sich vor Augen<br />

führen und mit diesem Wissen leben. Der Moment, in<br />

dem man sich dafür entscheidet eines Tages ganz hoch<br />

fliegen zu wollen, muss auch gleichzeitig der Moment<br />

sein in dem man sich eingesteht auch ganz tief fallen zu<br />

können. Die Bereitschaft hoch zu fliegen haben viele<br />

Menschen.<br />

Die Akzeptanz des tiefen Falls haben nur die<br />

Wenigsten. Fliegen können wir alle, doch landen<br />

können nur wenige...<br />

Während des gesamten Probenprozesses begleiten den<br />

Schauspieler Ängste und Zweifel. Die Angst vor dem<br />

Versagen. Allem voran die Angst vor dem eigenen<br />

Selbst. Die Zweifel an sich Selbst, ob das vorhandene<br />

Talent ausreicht. Oder ob es vielleicht gar nicht<br />

vorhanden ist. Selbst in der Nacht quälen die Zweifel<br />

und viele fragen sich ob es das Richtige ist, was man da<br />

gerade tut. Dazu übertragen sich die Zweifel der Familie<br />

und der Freunde.<br />

Die meinen es gar nicht böse, <strong>sie</strong> wollen doch nur<br />

beschützen und vor einem großen Fehler, einer großen<br />

Dummheit bewahren.<br />

Diese ganze Gefühlsachterbahn hat <strong>Romy</strong> während der<br />

Zeit bei Luchino Visconti durchlebt. Die Angst <strong>war</strong> da,<br />

Tag und Nacht. Besonders intensivierten sich diese<br />

Gedanken wenn Briefe oder Anrufe von ihrer Mutter<br />

Magda <strong>sie</strong> erreichten. „Du ruinierst dich, ich kann das<br />

nicht zulassen. Bevor du einmal auf eine große <strong>Bühne</strong><br />

gehst, solltest du erst Schauspielunterricht haben und<br />

dich irgendwo in der Provinz bewähren.“<br />

<strong>Romy</strong> ließ sich nicht beirren, hatte alle Zweifel in den<br />

Wind geschlagen. Sie hat JA gesagt zu Visconti. In<br />

diesem Moment hat <strong>sie</strong> auch JA zu Erfolg oder dem<br />

ganz tiefen Fall gesagt. Alles ist möglich, alles kann<br />

pas<strong>sie</strong>ren.<br />

Luchino Visconti brachte <strong>Romy</strong> das Schwimmen bei.<br />

Schwimmen gegen den Strom. Gegen den Strom ist <strong>sie</strong><br />

geschwommen als <strong>sie</strong> sich trotz der mahnenden Worte<br />

all derer, die schon vorher meinten das es ein Flop wird,<br />

für das Projekt Visconti entschied. Mit Beginn der<br />

Probenprozesse ist <strong>Romy</strong> in einen Strudel hinein<br />

gerutscht, der ihr jegliche Luft zum atmen nahm und der<br />

ihr den Boden entriss. „Nie im Leben werde ich den Tag<br />

vergessen, an dem ich zum ersten Mal das große<br />

Abenteuer erlebte, das Gefühl, eine Schauspielerin zu<br />

sein.“<br />

Luchino Visconti <strong>war</strong> es gelungen <strong>Romy</strong> zu formen, <strong>sie</strong><br />

zu brechen und zu biegen. Schauspieler sind <strong>wie</strong><br />

Wachs in den Händen des Regisseurs. Wie eine<br />

Knetmasse die man formen und biegen kann. Sie sind<br />

Kettenhunde an der Leine des Regisseurs. Sensible<br />

Membranen.


Der erste Akt in der Beziehung <strong>Romy</strong> - Luchino <strong>war</strong> die<br />

völlige Ablehnung. Visconti lehnte <strong>Romy</strong> ab, er<br />

verachtete <strong>sie</strong>. Im zweiten Akt schenkte er ihr<br />

Aufmerksamkeit und Vertrauen, das Gefühl einen<br />

Freund gefunden zu haben. Dieses Gefühl schenkte er<br />

ihr im zweiten Akt, um es ihr im dritten <strong>wie</strong>der zu<br />

nehmen. Der Dritte Akt <strong>war</strong> der große Bruch.<br />

Visconti hatte <strong>Romy</strong> gebrochen. So sehr das <strong>sie</strong> an<br />

dieser Arbeit zu zerbrechen drohte. Im letzten Moment<br />

gab er ihr ein Mittel in die Hand, eine Technik, mit der<br />

es ihr gelang aus eigener Kraft <strong>wie</strong>der aufzustehen und<br />

sich frei zu entfalten.<br />

Im letzten Akt ließ er <strong>sie</strong> <strong>wie</strong> Phönix aus der Asche im<br />

hellsten Licht, unter vollstem Glanz erwachen und<br />

gleichzeitig erstrahlen. Dieser Weg <strong>war</strong> hart und steinig,<br />

geprägt von tiefen Löchern über die es galt herüber zu<br />

steigen.<br />

Tara und <strong>Romy</strong> Schneider saßen immer noch in<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> prunkvollem Salon ihrer Pariser Wohnung.<br />

Noch immer befanden <strong>sie</strong> sich auf Zeitreise in das<br />

Paris des Jahres 1961.<br />

Paris, Anfang des Jahres 1961.<br />

Der leere Theatersaal des Theatre de Paris – 1350<br />

leere Sitzplätze. Nur ein besetzter Platz in Reihe 5. Auf<br />

diesem Platz thront der große Meister: Luchino Visconti.<br />

Die Leseproben <strong>war</strong>en beendet. Die Proben auf der<br />

<strong>Bühne</strong> hatten soeben begonnen. Ein leerer<br />

Theatersaal, mit zwei Schauspielern auf der <strong>Bühne</strong>:<br />

<strong>Romy</strong> Schneider und Alain Delon. <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Gesichtsausdruck <strong>war</strong> gekennzeichnet durch die Angst<br />

zu versagen.<br />

Der Angst, der Rolle nicht gerecht zu werden... der<br />

Angst sich eingestehen zu müssen, das all jene<br />

Personen die ihr von Anfang an von diesem<br />

waghalsigen Unterfangen abgeraten haben, Recht<br />

behalten würden. Was wäre das für eine Genugtuung<br />

gewesen? Hättest du doch gleich auf uns gehört... dir<br />

fehlt eben die Erfahrung und das Talent. „Ich werde<br />

erbarmungslos arbeiten, ich werde alles geben was in<br />

mir ist, und ich werde ihnen zeigen das ich es doch<br />

kann, und <strong>sie</strong> alle werden es sehen“<br />

Die Gedanken an die ersten Leseproben überschatten<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Gedanken auch noch während der ersten<br />

Proben auf der <strong>Bühne</strong>. Sie <strong>sie</strong>ht sich immer noch an<br />

dem Tisch mit all den anderen Schauspielern. Als <strong>sie</strong><br />

schließlich an der Reihe <strong>war</strong> brachte <strong>sie</strong> kein einziges<br />

Wort in französischer Sprache heraus. Geschweige<br />

denn einen einzigen Satz der in dem vorliegenden<br />

Skript stand. Wie ein Schulmädchen welches sein<br />

Gedicht nicht gelernt hatte und sich nun vor der ganzen<br />

Klasse bis auf die Knochen blamierte. Ihre Ängste<br />

potenzierten sich, Visconti <strong>war</strong> plötzlich kein Freund<br />

mehr und nur ein kalter und distanzierter Beobachter. Er<br />

sagte kein Wort. Gehüllt in einen Mantel des<br />

Schweigens saß er auf einem Stuhl in der fünften Reihe<br />

des Theatersaals.<br />

Sein Schweigen konnte alles ausdrücken: Verachtung,<br />

Enttäuschung, Hass und Wut... alles. Lobende Worte für<br />

die Schauspieler gab es nicht. Statt dessen vermittelte<br />

er Ihnen das Gefühl, <strong>sie</strong> von Zeit zu Zeit zu hassen, <strong>sie</strong><br />

zu verachten.<br />

<strong>Romy</strong> fühlte sich <strong>wie</strong> ein Versager... dieses Gefühl<br />

wurde von Tag zu Tag größer. Vor allem in der Nacht<br />

übernahm dieses Gefühl die Oberhand in <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

Gedankenwelt. Jede Nacht sah <strong>sie</strong> Visconti vor sich,<br />

sah das grimmige kalte Gesicht vor sich, so als würde er<br />

am Liebsten sagen: Du bist es nicht wert auf der <strong>Bühne</strong><br />

zu stehen, geh mir aus den Augen. Du bist nichts! Ein<br />

Niemand! Du bist den Boden der <strong>Bühne</strong> auf der du<br />

stehst nicht Wert.<br />

Ein Traum der sich in den nächsten Tagen tatsächlich in<br />

der Realität genau so zutragen sollte. <strong>Romy</strong> sollte in<br />

diesem Stück ein Lied singen. An den bisherigen<br />

Probentagen brach Visconti vor dem Lied ab. „Danke“<br />

sagte er. Doch an diesem 62. Tag verlangte er, das <strong>sie</strong><br />

dieses Lied singe. „Weiter..“ Erstaunt fragte <strong>Romy</strong>:<br />

„Wieso jetzt... das hast du vorher nicht gesagt.“ Plötzlich<br />

erklang ein Stockschlag auf dem Boden - „ich habe<br />

gesagt: weiter“<br />

Viscontis Stimme erfüllte nun den ganzen Raum. <strong>Romy</strong><br />

<strong>war</strong> vorbereitet auf dieses Lied, Tag und Nacht hatte <strong>sie</strong><br />

geübt, sich an diesem Lied versucht. Sie wollte es<br />

singen. Doch in dem Moment fehlte ihr der Mut. Sie bat<br />

Visconti darum es an einem anderen Tag zu singen,<br />

und einfach weiter zu machen. Mit dieser Bitte hatte <strong>sie</strong><br />

Pandoras Box geöffnet. Visconti schien außer sich vor<br />

Wut: „Wenn du das Lied nicht sofort singst, sofort, dann<br />

brauchst du es nie zu singen. Nie mehr in deinem<br />

Leben. Du kannst nach Hause gehen! Au revoir,<br />

Mademoiselle... geh nach Hause und komm nie <strong>wie</strong>der!“<br />

Seine Worte verdeutlichte er mit seinem Stock, den er<br />

unmissverständlich in Richtung Tür hielt. „Und ich<br />

wusste damals, wenn ich jetzt gehe, dann brauche ich<br />

nie <strong>wie</strong>der zu kommen. Dann ist alles aus.


Er hätte sicher am gleichen Tag dieses andere<br />

Mädchen angerufen. Und <strong>sie</strong> hätten alle Recht gehabt.<br />

<strong>Romy</strong> bringt es nicht... das <strong>war</strong> doch klar“<br />

<strong>Romy</strong> hatte all ihren Mut zusammen genommen und<br />

begann zitternd und leise mit der Anfangspassage des<br />

Liedes. In diesem Moment hatte <strong>sie</strong> keine Kraft Visconti<br />

in die Augen zu sehen. Sie sang in einer zarten und<br />

flatternden Stimme, Visconti befahl: „weiter, weiter!“<br />

Nach der Pause wurden alle Schauspieler nach Hause<br />

geschickt. Einzelprobe mit <strong>Romy</strong> und ihrem Partner<br />

Daniel Sorano. <strong>Romy</strong> sang das Lied noch mindestens<br />

20 mal. Plötzlich, bei der zigfachen Wiederholung<br />

pas<strong>sie</strong>rte etwas was <strong>Romy</strong> nicht fassen konnte. Was<br />

nicht erklärbar, nicht mit Worten zu beschreiben <strong>war</strong>.<br />

Ein Gefühl das nicht von dieser Welt <strong>war</strong>.<br />

<strong>Romy</strong> Schneider <strong>war</strong> nicht mehr <strong>Romy</strong> Schneider. Von<br />

nun an <strong>war</strong> <strong>sie</strong> Annabella, die Figur des Stückes.<br />

<strong>Romy</strong> Schneider hatte die <strong>Bühne</strong> verlassen um<br />

Annabella die <strong>Bühne</strong> betreten zu lassen. Auf einmal<br />

stand ein ganz anderer Mensch auf dieser <strong>Bühne</strong>. In<br />

<strong>Romy</strong> hatte sich etwas gelöst. „Der Druck in meinem<br />

Kopf verschwand, ich pumpte die Lungen voll Luft, ich<br />

veränderte mich innerlich und äußerlich. Von einer<br />

Sekunde auf die Andere <strong>war</strong> ich nicht mehr <strong>Romy</strong><br />

Schneider. Ich <strong>war</strong> Annabella. Nur Annabella,<br />

überhaupt nicht mehr <strong>Romy</strong> Schneider.“<br />

Die Blockade <strong>war</strong> gelöst, das Eis geschmolzen.<br />

Das erste Mal verspürt <strong>Romy</strong> Schneider <strong>wirklich</strong>e<br />

Freiheit! Sie ist FREI! Für einen Schauspieler gibt es<br />

nichts Schöneres als frei auf der <strong>Bühne</strong> zu sein! Alle<br />

Ängste und Zweifel über Bord zu werfen. Wenn man<br />

schon den Mut aufbringt, mit geschlossenen Augen in<br />

eiskaltes Wasser zu springen, dann will man die Kühle<br />

des Wassers auch genießen und sollte schwimmen! Sie<br />

sang aus vollstem Herzen. Körper und Stimme bildeten<br />

nun eine Einheit. Plötzlich <strong>war</strong>en die richtigen<br />

Bewegungen da. Ihre Gedanken <strong>war</strong>en frei, <strong>Romy</strong><br />

fühlte sich so als wäre <strong>sie</strong> plötzlich alleine auf der Welt.<br />

Es gab keine Zweifel mehr, es gab keinen Regisseur<br />

und keine Partner mehr. Es gab nur noch Annabella die<br />

der Welt eine Botschaft zu verkünden hatte. Von der <strong>sie</strong><br />

er<strong>war</strong>tete das ein Jeder <strong>sie</strong> versteht. Das <strong>war</strong> ihre<br />

Intension, ihr Gedanke. Dann folgte das Ende. <strong>Romy</strong><br />

lies sich auf der <strong>Bühne</strong> fallen und fing erbarmungslos<br />

an zu weinen. Visconti beendete die Proben an dieser<br />

Stelle. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, seine<br />

Lippen verließen Worte des Lobes. Er, der große<br />

Meister der für einen Schauspieler nie so etwas <strong>wie</strong><br />

lobende Worte übrig hatte sagte: “Nicht schlecht,<br />

Romina...“<br />

In diesem Moment <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> nicht in der Lage das<br />

eben Geschehene zu reali<strong>sie</strong>ren. Sie konnte unmöglich<br />

glauben was pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong>. Vor ihrem inneren Auge sah<br />

<strong>sie</strong> sich noch wenige Tage zuvor auf der <strong>Bühne</strong>. Völlig<br />

planlos, umgebenen von der Tatsache nicht zu wissen<br />

was <strong>sie</strong> mit ihren eigenen Armen und Beinen tun sollte.<br />

Mit einer Stimme die noch nicht mal über die<br />

<strong>Bühne</strong>nrampe empor stieg.<br />

Sie sah sich am ersten Probentag mit Hosen! Visconti<br />

hatte darauf bestanden das <strong>sie</strong> sich einen Reifrock<br />

überziehe, damit <strong>sie</strong> ein Gefühl für die Figur bekäme die<br />

<strong>sie</strong> verkörpert. Kostüme dienen dem Schauspieler als<br />

Hilfsmittel sich besser in der Rolle zu bewegen,<br />

vielmehr, die richtigen Bewegungen für die zu<br />

verkörpernde Figur zu finden.<br />

Reifrock Erfahrungen hatte <strong>Romy</strong> in dutzenden 50er<br />

Jahre Kostümfilmen bereits gesammelt. Das <strong>war</strong> kein<br />

Neuland, auf diesem Gebiet <strong>war</strong> <strong>sie</strong> schließlich schon<br />

erprobt. Im Schlaf müsste <strong>sie</strong> damit über die <strong>Bühne</strong><br />

gehen können, und genau wissen <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> sich zu<br />

bewegen habe. Doch davon keine Spur. Die <strong>Bühne</strong><br />

erschien ihr kilometerweit.<br />

Die richtigen Bewegungen, die <strong>sie</strong> durch das Kostüm<br />

eigentlich hätte finden müssen blieben ebenfalls aus.<br />

Arme und Beine blockierten sich selbst. Die Arme<br />

hingen nutzlos neben dem Körper, lästig und linkisch.<br />

Die Beine wollten am Liebsten übereinander stolpern.<br />

<strong>Romy</strong> trug hohe Schuhe und sollte einige Tanzschritte<br />

zum Besten geben. „Das konnte ich doch? Diese<br />

Technik beherrsche ich! Keine Spur. Ich kam mir vor <strong>wie</strong><br />

ein Elefantenbaby. Und die Anderen müssen sich an<br />

den Kopf gefasst haben!“<br />

Ähnlich <strong>wie</strong> Jerzy Grotowski liebte Visconti die<br />

Authentizität auf der <strong>Bühne</strong>. Alles musste echt sein. -<br />

Real! Allein für die Kostüme zu diesem Stück gab<br />

Visconti ein Vermögen aus. Er hatte alles aus eigener<br />

Tasche finanziert.<br />

<strong>Romy</strong> trug einen Morgenrock aus schwerem rotem<br />

Samt. In diesem Morgenrock musste <strong>Romy</strong> eine<br />

beinahe artistische, fast schon akrobatische Szene<br />

spielen: Annabella, die aus einem blutschänderischen<br />

Verhältnis mit ihrem Bruder Giovanni - Alain spielt den<br />

Bruder - ein Kind er<strong>war</strong>tet, wird von ihrem Ehemann<br />

gepeinigt. Sie soll den Namen des Vaters ihres Kindes<br />

preisgeben!


Zum Höhepunkt dieser Szene musste ihr Partner, Jean<br />

Francois <strong>sie</strong> an den Haaren packen um <strong>sie</strong> von einer<br />

<strong>Bühne</strong>necke zur Anderen zu schleudern. <strong>Romy</strong> landete<br />

immer <strong>wie</strong>der in der Mitte. Ihr Körper <strong>war</strong><br />

gekennzeichnet durch grüne und blaue Hämatome,<br />

bedingt der tausend Versuche die <strong>sie</strong> startete.<br />

Die körperliche Gewalt, die <strong>sie</strong> sich auf der <strong>Bühne</strong><br />

selbst zugefügt hatte <strong>war</strong> nichts gegen die seelische<br />

Gewalt die ihr Visconti während der Proben zugefügt<br />

hatte.<br />

Es gehörte zu seiner Taktik die Schauspieler zu quälen,<br />

<strong>sie</strong> fertig zu machen, <strong>sie</strong> aufs Bitterste leiden zu lassen,<br />

um das Letzte aus ihnen heraus zu holen. Er gab sich<br />

auf der <strong>Bühne</strong> nur mit Emotionen der Superlative<br />

zufrieden. Der Schauspieler muss leiden bis es nicht<br />

mehr geht. Tränen vergießen bis er keine Tränen mehr<br />

hat die er vergießen kann.<br />

Er lachte die Schauspieler aus, er hatte <strong>Romy</strong><br />

ausgelacht. In einem Moment wo <strong>sie</strong> ganz wahrhaftig<br />

und pur auf der <strong>Bühne</strong> stand und es endlich geschafft<br />

hatte, ihren Emotionen auf der <strong>Bühne</strong> freien Lauf zu<br />

lassen. In diesem Moment begann Visconti <strong>sie</strong><br />

auszulachen. Es ist einerseits die größte Erniedrigung<br />

die man einem Schauspieler in so einem Moment<br />

zufügen kann. Andererseits kann diesen Schauspieler<br />

nach solch einer Situation nichts mehr schocken. Er ist<br />

gewappnet, für die Zukunft und vor jedem neuen<br />

Regisseur der von dieser Zeit an vor ihm steht.<br />

Für all diese Momente <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> Visconti ein Leben<br />

lang dankbar. Sie <strong>war</strong> ihm dankbar für jedes Auslachen,<br />

für jede Quälerei, für jedes Fertigmachen, für jeden<br />

einzelnen Moment des Hasses... für jeden einzelnen<br />

blauen Fleck, den <strong>sie</strong> sich auf der <strong>Bühne</strong> zugefügt<br />

hatte. Unendliche Dankbarkeit für Alles. Bei ihm hatte<br />

<strong>sie</strong> in wenigen Monaten all das gelernt was ein<br />

Schauspielschüler in vier Jahren Ausbildung lernt. Ihre<br />

Dankbarkeit stand in Verbindung zu einer niemals<br />

endenden Liebe für Visconti. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> unsterblich<br />

verliebt in den großen Meister. Visconti, so erklärte <strong>sie</strong>,<br />

gehöre zu den best aussehenden Männern die <strong>sie</strong><br />

jemals sah, und dem Charismatischsten dem <strong>sie</strong> jemals<br />

begegnen würde.<br />

Ihre Liebe, so sagte <strong>sie</strong> wäre rein platonisch. Dennoch<br />

von einer Intensität die so stark <strong>war</strong> das er ihr Herz zum<br />

rasen, ihre Gefühle zum überkochen brachte. Ihre<br />

Gefühle fuhren Achterbahn, wenn Visconti nur den<br />

selben Raum betrat. Sie suchte seine Nähe. Eine<br />

Umarmung Viscontis ist die größte Anerkennung, das<br />

schönste Gefühl was es für <strong>Romy</strong> gab. Visconti <strong>war</strong> für<br />

<strong>sie</strong> eine Art: Götter ähnliches Wesen. Nicht von dieser<br />

Welt.<br />

Tara <strong>war</strong> fasziniert von <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Schilderungen der Arbeit<br />

mit Luchino Visconti. Während des Gesprächs stolperte<br />

<strong>sie</strong> über zahlreiche Parallelen zwischen ihm und K.S.<br />

Stanislawski. Sie <strong>war</strong> sich sicher, hätten diese beiden<br />

Meister ihres Fachs sich eines Tages kennen gelernt,<br />

<strong>sie</strong> würden sich entweder abgöttisch lieben oder aus<br />

tiefstem Herzen hassen.<br />

„Die Schleuderszene auf der <strong>Bühne</strong> hätte ich zu gerne<br />

gesehen. Mit ein paar einzigen Ballett und<br />

Tanzgrundlagen ist das sehr leicht zu meistern.!“ <strong>war</strong>f<br />

Tara ein.“<br />

Tanzen verleiht unserem Körper nicht nur eine bessere<br />

Haltung, es lässt auch die Bewegungen weiträumiger<br />

und größer, fließender werden. Die <strong>Bühne</strong> lebt von<br />

geschlossenen und präzisen Bewegungen. In dem<br />

Moment wo sich der Schauspieler in hastigen und<br />

abgehackten Bewegungen verliert ist alles vorbei. In<br />

diesem Moment ist die Figur tot. Die Bein- und<br />

Armhaltung auf der <strong>Bühne</strong> ist ein grundlegender Punkt<br />

für die Körpersprache auf der <strong>Bühne</strong>. Präzise und<br />

fließende Bewegungen zu formen erfordert die<br />

Absolvierung eines lang andauernden Körpertrainings.<br />

Der erste Schritt zu einer ansatzweisen richtigen<br />

<strong>Bühne</strong>npräsenz ist die Ausmerzung von alt<br />

anerzogenen Haltungsschäden.<br />

Um dieses Prozedere nach der Schule des großen K.S.<br />

Stanislawski zu beschreiben: Das Tanzen ist eine<br />

effektive Methode, um Armen, Beinen und Rückgrat<br />

eine optimale Haltung zu verleihen. Beinahe<br />

automatisch werden alle Haltungspunkte durch die<br />

simpelsten Tanzübungen an ihren optimalen Platz<br />

gerückt. Tanzen ist die beste Medizin um langjährig<br />

angeeignete Haltungsschäden, die teilweise seit unserer<br />

frühsten Kindheit Bestandteil unseres Lebens sind,<br />

restlos zu eliminieren. Es gibt eine Vielzahl von<br />

angeborenen, oder über die Jahre hinweg angeeigneten<br />

Haltungsschäden. Viele dieser Schäden sind auf eine<br />

dauerhaft verkrampfte Körperhaltung, oder auf eine<br />

falsche Lebensweise zurück zu führen. Beispielsweise<br />

gibt es Menschen, deren Arme, bedingt durch eine<br />

flache Brust und abfallende Schultern vor dem Körper<br />

herum baumeln und dadurch beim gehen gegen Leib<br />

und Schenkel schlagen.


Wiederum gibt es Beispiele wo Schultern und Rumpf<br />

nach hinten verdreht sind. So wölbt sich der Leib zu<br />

weit heraus, so dass die Arme hinten am Rücken<br />

hängen. Beide eben genannten Haltungen sind<br />

Fehlhaltungen. Die Armstellung ist bei beiden<br />

genannten Beispielen falsch, denn <strong>sie</strong> müssen sich<br />

seitlich neben dem Körper befinden. Sind die Arme<br />

verdreht, so dass die Ellenbogen dem Körper nach<br />

innen zugewandt sind, gilt es <strong>sie</strong> in die<br />

entgegengesetzte Richtung zu biegen. Dies darf<br />

allerdings nur im geringen Maße geschehen, da bereits<br />

die kleinste Übertreibung die gesamte Körperhaltung<br />

verdirbt.<br />

Eine Fehlstellung der Beine beeinträchtigt ebenfalls die<br />

Gesamthaltung des Körpers. Diese Fehlstellung lässt<br />

den Körper des Schauspielers auf der <strong>Bühne</strong> plump,<br />

unbeholfen und schwerfällig erscheinen.<br />

Dadurch ist die ganze Körperhaltung des Schauspielers<br />

auf der <strong>Bühne</strong> beeinträchtigt, das Bild der zu<br />

verkörpernden Figur nicht klar definierbar.<br />

Bei den meisten Frauen sind die Beine meist von der<br />

Hüfte bis zum Knie nach innen verdreht. Selbiges gilt<br />

für die Füße, wo die Fersen meist nach außen und die<br />

Zehenspitzen nach innen gedreht sind. Durch<br />

Ballettübungen an der Stange lassen sich diese<br />

Fehlstellungen meist leicht korrigieren. Von den Hüften<br />

werden die Beine nach außen gedreht und dadurch in<br />

die richtige Position gebracht. Eine bessere<br />

Proportionierung der Beine ist ein angenehmer<br />

Nebeneffekt dieser Übung. Die korrekte Beinstellung<br />

entwickelt ihren Ursprung in den Hüften, dies <strong>wie</strong>derum<br />

wirkt sich auf die Stellung der Füße aus.<br />

Zu einer korrekten Fußstellung gehört, das die Fersen<br />

nebeneinander und die Zehen auseinander stehen. Es<br />

gibt neben den Übungen an der Ballettstange noch<br />

gesonderte Exerzitien die auf bestimmt Position und<br />

Pas aufgebaut sind. Diese Übungen setzen die richtige<br />

Bein und Fußstellung voraus.<br />

Doch nicht jeder Schauspieler kommt in den Genuss<br />

einer Ballett oder Tanzausbildung. Doch auch dieser<br />

Schauspieler, der sich wohl kaum in dem Besitz einer<br />

Ballettstange im eigenen Wohnzimmer befindet, möchte<br />

an diesen Haltungspunkten arbeiten. Dafür gibt es eine<br />

Übung die er privat in seinen eigenen vier Wänden<br />

ohne jeglichen Platz praktizieren kann.<br />

Dabei wird der linke Fuß so platziert, das die Zehen<br />

möglichst weit nach außen gedreht sind.<br />

Im zweiten Teil dieser Übung wird der rechte Fuß mit<br />

möglichst weit nach außen gerichteten Fußzehen dicht<br />

vor den linken Fuß platziert. Die Zehen des rechten<br />

Fußes müssen dabei die Zehen des linken Fußes<br />

berühren. Die Zehen des linken Fußes müssen dabei<br />

möglichst die Ferse des rechten Fußes berühren. Bei<br />

den ersten Wiederholungen dieser Übung ist es ratsam<br />

sich an einem Tisch oder Stuhl festzuhalten. Der ganze<br />

Körper, insbesondere beide Knie werden sich dabei<br />

stark verbiegen. Ziel muss es sein mit Beinen und<br />

Rumpf möglichst gerade gerichtet aufrecht zu stehen.<br />

Dadurch werden die Beine automatisch in den Hüften<br />

nach außen gedreht.<br />

Es wird einem kaum gelingen, sich gerade aufzurichten,<br />

wenn die Füße nicht etwas voneinander entfernt stehen.<br />

Nach mehreren intensiven Wiederholungen biegen sich<br />

die Beine mehr und mehr nach außen.<br />

Je intensiver und öfter die Wiederholungen, desto<br />

intensiver werden die Beine in Fußgelenken und Hüften<br />

nach außen gedreht. Das Training von Händen und<br />

Füßen ist bei der Ausbildung eines ausdrucksvollen<br />

Körpers von gleichrangiger Bedeutung.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Körpererziehung,<br />

den plastischen Bewegungsausdruck und dem<br />

allgemeinen Körperaufbau, ist die Wirbelsäule. Diese<br />

muss im Becken fest verankert und festgeschraubt sein.<br />

Die imaginäre Schraube muss fest sitzen. Erst dann hat<br />

der obere Teil des Rumpfes eine feste Stütze erreicht.<br />

Somit ist ein Schwerpunkt gegeben der eine gerade und<br />

aufrechte Haltung garantiert.<br />

Lockert sich die imaginär erdachte Schraube, verliert<br />

zuerst die Wirbelsäule und mit ihr der ganze Körper an<br />

Stütze. Die Fähigkeit sich schön und ausdrucksstark zu<br />

bewegen ist somit nicht mehr gegeben. Diese imaginär<br />

erdachte Schraube ist der entscheidende Punkt für die<br />

ausdrucksvolle Haltung auf der <strong>Bühne</strong>.<br />

Grundvoraussetzung Nummer Eins ist es die<br />

Wirbelsäule zu trainieren, <strong>sie</strong> zu stabili<strong>sie</strong>ren um ihr<br />

anschließend eine gute Haltung zu verleihen.<br />

Diese korrekten Haltungspunkte hatte <strong>Romy</strong>, so dachte<br />

<strong>sie</strong>, während der Dreharbeiten zu Sissi erlernt. Doch bei<br />

Visconti <strong>war</strong> plötzlich all das von früher erlangte Wissen<br />

dahin, es <strong>war</strong> schlicht und ergreifend nicht mehr<br />

abrufbar. Magda Schneider hatte ihr, nach Beendigung<br />

des letzten Sissi Filmes einen Reifrock geschenkt.


Dieser Reifrock sollte <strong>Romy</strong> helfen privat zu üben, falls weitere Kostümfilme folgen. Diesen Reifrock<br />

schenkte <strong>Romy</strong> in späteren Jahren Tara . Mit der Hoffnung das diese ihn sicherlich für eine Rolle<br />

verwenden kann. <strong>Romy</strong> hatte sich fest vorgenommen keine weiteren Kostümfilme mehr zu drehen.<br />

Also <strong>war</strong> auch der Reifrock in ihrem Kleiderschrank überflüssig.<br />

Zurück zu Visconti und der Inszenierung von „Schade, das <strong>sie</strong> eine Dirne ist“.<br />

Nach der letzten erfolgreichen Probe begab <strong>Romy</strong> sich in ein kleines Bistro in der Nähe des Theatre<br />

de Paris. Dort <strong>war</strong>tete <strong>sie</strong> auf Alain der noch mit einer Kostümprobe beschäftigt <strong>war</strong>. Während der<br />

Zeit die <strong>sie</strong> mit dem leidigen <strong>war</strong>ten verbrachte schaute <strong>Romy</strong> tief ins Glas.<br />

. Später wusste <strong>sie</strong> nicht mehr so genau was <strong>sie</strong> an jenem Tag alles getrunken hatte. Whisky? Wein<br />

oder Champagner? <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> sichtlich glücklich und sichtlich beschwipst. Und <strong>sie</strong> wusste: Das ist<br />

der richtige Beruf.<br />

Das ist mein Beruf. „Die <strong>wirklich</strong>e Erfüllung ist das Theater. Jetzt <strong>war</strong> mir klar: Dort habe ich einen<br />

Platz, der mir gehört. Wenn jetzt noch nicht, dann werde ich ihn mir erarbeiten.“<br />

Von diesem Moment an gehörten alle Gedanken an die sogenannte zweite Besetzung der<br />

Vergangenheit an. <strong>Romy</strong> wusste nun ganz sicher das <strong>sie</strong> Annabella <strong>war</strong>. Das der Platz auf der <strong>Bühne</strong><br />

an der Seite von Alain und unter der Regie von Visconti nur ihr gehörte. Ihr ganz allein. Viel später<br />

gestand Visconti ihr, das es diese zweite Besetzung niemals gegeben hatte. Das er von vorne herein<br />

wusste das es für diese Rolle nur Romina, <strong>wie</strong> er <strong>Romy</strong> immer nannte, geben konnte.


17 Wirklichkeit<br />

werden<br />

Visionen<br />

Wer bin ich, und wer will ich sein? Wer bist du, und wer<br />

willst du sein?<br />

Diese Fragen begleiten uns ein Leben lang.<br />

Das Leben schenkt Kraft und Möglichkeiten, das eigene<br />

Sein zu verändern, sich selbst zu ändern und die<br />

Umstände in denen man lebt zu ändern. Jeder Mensch<br />

gelangt im Laufe seines Lebens an die sogenannten<br />

Wendepunkte, die von einem Schlag zum Nächsten<br />

alles was bisher geschah verändern können.<br />

Die Entscheidung etwas zu ändern treffen wir, die<br />

betreffenden Personen, ganz allein. Das sind die<br />

Chancen des Lebens wo die Situation, oder auch wir,<br />

die Betreffenden selbst, entscheiden können, in eine<br />

andere Richtung zu gehen, einen neuen Weg<br />

einzuschlagen. Noch einmal ganz von Vorne<br />

anzufangen – ein neuer Mensch werden – in ein<br />

komplett anderes Leben einzutauchen.<br />

Mit alteingesessenen Verhaltensmustern zu brechen,<br />

Attitüden abzulegen, eine neue Sicht auf das Leben,<br />

sich selbst und andere Menschen, zu erlangen.<br />

Auszubrechen aus dem eigenen Ich – alte<br />

Verhaltensweisen einfach über Bord zu werfen. Dinge<br />

zu tun, die man nie tat. Vielleicht weil man <strong>sie</strong> nie tun<br />

wollte? Vielleicht weil man <strong>sie</strong> auch nie tun konnte? Die<br />

Angst verlieren um sich selbst neu zu kreieren. Das<br />

eigene Ich noch einmal neu zu finden, aus<br />

vergangenen Fehlern zu lernen um gleichzeitig an<br />

Ihnen zu wachsen. Für einen Tag, für Wochen oder für<br />

Monate sich selbst zu vergessen, die Umstände in<br />

denen man lebt zu vergessen. Einzutauchen in eine<br />

andere Welt, mit anderen Menschen – unter anderen<br />

Umständen – mit einem neuen Ich!<br />

Was für ein schöner Traum. Der große Traum vom<br />

Film, der große Traum von der <strong>Bühne</strong>, den Brettern die<br />

die Welt bedeuten.<br />

Am vorherigen Tag sprachen die beiden Freundinnen<br />

noch von „dem Preis“ den <strong>sie</strong> bereit <strong>war</strong>en für ein<br />

Leben mit der Kunst zu bezahlen. Den Preis, den beide<br />

bereit <strong>war</strong>en zu zahlen, <strong>war</strong> ohne Frage ein verdammt<br />

hoher! Doch <strong>sie</strong> beide sind zu dem Schluss, der<br />

Quintessenz gekommen: Alles richtig gemacht zu<br />

haben. Sie beide haben sehr viel gegeben, und noch<br />

mehr bekommen.<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> daraus gezogene Schlussfolgerung an jenem<br />

Abend: „Uns gehört das, wovon die breite Masse der<br />

Menschheit nur zu träumen vermag. Wir sind frei! Auf<br />

der <strong>Bühne</strong> und vor der Kamera sind wir frei!<br />

Wir können all die Facetten zeigen, können all die Dinge<br />

des Lebens zeigen, die wir im alltäglichen Leben, im<br />

Alltag niemals zeigen könnten... ohne das da einer<br />

käme und uns sofort wegsperren würde!“<br />

Ihr Gesicht <strong>war</strong> in diesem Moment frei von Ängsten, und<br />

jenen negativen Gedanken die <strong>sie</strong> so oft verfolgten. „Wir<br />

können alles sein, und alles durchleben. Wir können<br />

noch mal zu Kindern werden... etwas total verrücktes<br />

machen... zum Beispiel... ich weiß nicht... barfuß auf<br />

dem Dach herum tanzen und laut singen... ohne das ein<br />

penibler Bürger kommt und der Meinung ist wir gehören<br />

weggesperrt... oder eine Bank ausrauben, dafür einen<br />

total verrückten Plan entwickeln, <strong>wie</strong> zum Beispiel der in<br />

meinem Film; „Das Mädchen und der Kommissar“... das<br />

können wir spielen... erleben... ohne dafür eingesperrt<br />

zu werden.<br />

Wir bekommen die Chance, dieses Gefühl des Erlebens<br />

jener Situation, jene Emotionalität zu erfahren – zu<br />

erleben. Ich muss immer <strong>wie</strong>der das Wort „erleben“ in<br />

den Mund nehmen, da es das ist was wir permanent<br />

tun... wir erleben Dinge die ein normaler Mensch nie<br />

erleben wird. Das alles wäre uns doch nie vergönnt,<br />

hätten wir ihn nicht, diesen unseren Beruf. Einen so<br />

wunderbaren Beruf... der zugleich Fluch und Segen ist.<br />

Ich meine die Angst die ich habe ist immer da, die Angst<br />

vor dem Versagen. Ängste gilt es zu bekämpfen.<br />

Dieses Geschenk macht uns Schauspielern der Beruf<br />

jeden Tag aufs Neue. Ich betrachte jede einzige Probe,<br />

jedes neue Rollenstudium und jeden neuen Film als ein<br />

neues Geschenk. Und ich danke Gott jedes Mal aufs<br />

Neue das er mir dieses Geschenk – meinen Beruf –<br />

bereitet hat. Es ist viel mehr als nur ein Beruf – viel mehr<br />

als nur ein Geschenk – es ist die Berufung die meinem<br />

Leben den Sinn des Seins schenkt... mich zu der Frau<br />

macht, die ich als kleines Mädchen sein wollte.“<br />

<strong>Romy</strong> sprang plötzlich auf und entriss Tara abrupt aus<br />

ihrer Gedankenwelt. „Ein eigenes Theaterstück müsste<br />

man schreiben, über all das Glück welches uns dieser<br />

Beruf beschert. Das müsste man auf die Beine stellen.<br />

In meinem Kopf fliegen Ansätze eines möglichen<br />

Anfangs herum... ein Monolog.“<br />

Sie hielt kurz inne um im nächsten Moment ihren<br />

Gedanken freien Lauf zu lassen, ihrer Kreativität den<br />

nötigen Raum zu schenken. „Ich will es dir vorspielen<br />

Tara! Nimm dein Buch und halte meine Ansätze fest...<br />

die Guten natürlich... den Schrott laß weg.“<br />

<strong>Romy</strong> sammelte sich selbst und ihre Gedanken, öffnete<br />

das Fenster, um das Leben draußen zu betrachten und<br />

.


erneut eine Zigarette zu rauchen. Sie musste ihre<br />

innere Ruhe finden. Sich komplett auf sich<br />

konzentrieren. Dann sollte es los gehen. Vielleicht<br />

kommen ja während des Rauchens noch ein paar<br />

Gedanken? Man weiß es ja nicht. Vielleicht ist es auch<br />

gut die Gedanken einfach nur fliegen zu lassen und sich<br />

von jenen leidlichen Gedanken zu befreien... sich zu<br />

einem leeren Blatt zu machen. Von diesem Moment an<br />

gab es für <strong>Romy</strong> nur noch die Rolle, den Monolog den<br />

<strong>sie</strong> Tara nun präsentieren wollte:<br />

Ich bin Rosemarie Albach – <strong>Romy</strong> Schneider. Ich hasse<br />

das Wort „Star“, „Glamour“, erst Recht graut es mir vor<br />

der sogenannten „Prominenz“- Ich bin <strong>Romy</strong> – eine<br />

Frau – Mutter und vor Allem: eine Schauspielerin!<br />

Aber ich bin viel mehr als das... In meiner Brust leben<br />

viele Seelen, ich lebe mit tausenden unterschiedlichen<br />

Facetten. Mein Traum ist es jede Einzelne von diesen,<br />

meinen Facetten, zu leben. - Im Film oder auf der<br />

<strong>Bühne</strong>... am Besten wäre das Mittelmaß zwischen<br />

beiden.<br />

Ich bin eine Frau... manchmal auch ein kleines<br />

Mädchen. Ich bin das liebe zuckersüße Madel vom<br />

Lande... und ich bin die elegante Lady aus der<br />

Großstadt. Die verführerische Geliebte und die perfekte<br />

Hausfrau... das Heimchen am Herd.<br />

In einem Moment himmelhoch jauchzend und wenige<br />

Sekunden später zu Tode betrübt. Das Leben genießen<br />

um zugleich die Last des Lebens zu ertragen. Meinem<br />

Partner grenzenlose Liebe zu schenken um ihn im<br />

nächsten Moment abgrundtief zu hassen... ihn anflehen<br />

mich nicht zu verlassen. Ich bin lieb und nett, manchmal<br />

unfair, mal gerecht. Ich kann ein fieses Biest sein... oder<br />

<strong>wie</strong> wäre es, mit einer kaltblütigen Möderin??? Oder<br />

doch lieber das unschuldige Opfer???<br />

Ich kann heute eine Politikerin sein und Gesetze<br />

machen... dafür Sorge tragen, das Reiche noch reicher<br />

werden und Arme noch ärmer... und im nächsten<br />

Moment das Volk sein... auf die Straße gehen... weil ich<br />

mit den bestehenden Gesetzen und dem System in<br />

welchem ich lebe nicht zufrieden bin. Ich will Bettlerin<br />

sein und Königin... Ich will geliebt und ich will gehasst<br />

werden... ich will die verrücktesten Situationen erleben,<br />

mich in die Gedankenwelten der unterschiedlichsten<br />

Charaktäre einfinden um mit ihren Gedanken zu leben.<br />

Es ist viel mehr als nur eine Rolle zu spielen. Ich spiele<br />

nicht - ich bin!<br />

In dem Moment wo ich die <strong>Bühne</strong> betrete bin ich nicht<br />

mehr <strong>Romy</strong> Schneider, die Schauspielerin. Ich mache<br />

mich zu einem leeren Blatt. Bevor der Vorhang aufgeht<br />

denke ich nicht etwa an meinen ersten Satz, an meine<br />

erste Bewegung, oder etwa daran das hunderte von<br />

Menschen vor mir sitzen, die mich anstarren.<br />

Diese Gedanken existieren nicht. Die Angst streiche ich<br />

aus meinem Bewusstsein. Am Anfang rufe ich mir die<br />

erlernten Techniken ins Bewusstsein. Später, wenn ich<br />

das nötige Maß an Souveränität erlangt habe, pas<strong>sie</strong>rt<br />

das ganz automatisch. Die Empfindlichkeit ist der<br />

Schwerpunkt im Schauspiel. Ich muss auf innere und<br />

äußere Impulse reagieren. Ich muss mich dem hier und<br />

jetzt öffnen. Ob vor der Kamera, oder auf der <strong>Bühne</strong>,<br />

das ist ganz Gleich, verbindet uns eine Kraft zu<br />

unserem Partner. Ich öffne mich meinem Partner und<br />

ich öffne mich dem hier und jetzt.<br />

Ich brauche die Atmosphäre auf der <strong>Bühne</strong> <strong>wie</strong> die Luft<br />

zum atmen.<br />

Denn die Atmosphäre ist die Seele der Szene... <strong>sie</strong> gibt<br />

uns eine klare Melodie auf der <strong>Bühne</strong>... ohne diese<br />

Melodie habe ich keinen Grund, überhaupt die <strong>Bühne</strong><br />

zu betreten. Die Atmosphäre inspiriert und bringt<br />

Bilder... in meinem Kopf sind Bilder für einen möglichen<br />

Szenenvorschlag von mir als Schauspielerin... auf der<br />

<strong>Bühne</strong> muss ich Gefühle provozieren und <strong>sie</strong><br />

gleichzeitig beherrschen... das ist auf der einen Seite<br />

ein kompletter Widerspruch in sich... Gefühle<br />

beherrschen... kann man Gefühle beherrschen?<br />

Ein Schauspieler redet nur wenn es unbedingt nötig<br />

ist... denn überflüssige Worte belasten die Handlung.<br />

Als Schauspielerin ist es meine Aufgabe den Raum mit<br />

Atmosphäre zu füllen... ich spreche und bewege mich in<br />

Harmonie... ich färbe Bewegungen mit<br />

Sinnesempfindungen. Denn durch färben bekommt die<br />

Handlung einen anderen Charakter. Am Ende ist das<br />

Leben auf der <strong>Bühne</strong> ein energetischer Fluss. Gefühl<br />

auf der <strong>Bühne</strong> ist das Ergebnis von<br />

Sinnesempfindungen... dabei ist unser Körper das<br />

Gefäß für Ströme von Empfindungen... im alltäglichen<br />

Leben beobachte ich die Menschen... stundenlang kann<br />

ich <strong>sie</strong> beobachten... das ist wichtig für mich als<br />

Schauspielerin.<br />

Ich stelle mir die Figur die ich spiele in den<br />

unterschiedlichsten Atmosphären vor.<br />

Ich bin die Figur deren Kostüm ich trage... im Inneren<br />

bin ich der Mensch dessen Rolle ich spiele.


Durch die Kraft meiner Projektion kreiere ich die Figur<br />

und mache <strong>sie</strong> lebendig. Ich denke <strong>wie</strong> die Figur die ich<br />

spiele denkt, ich fühle, was <strong>sie</strong> fühlt... ich handele so<br />

<strong>wie</strong> meine Figur handelt... und das nicht nur auf der<br />

<strong>Bühne</strong>! Ich handele aus der Sicht der Figur. Alles<br />

Private schiebe ich von mir weg... völlig abgeschirmt<br />

von der Realität. .<br />

Während des Probenprozesses, die ganze Zeit, 24<br />

Stunden am Tag gehen mich die Probleme von <strong>Romy</strong><br />

Schneider nichts mehr an. Ich bin nur noch für die Rolle<br />

und die zu verkörpernde Figur da. Das kann ganz<br />

praktisch sein... nehmen wir mal an ich bekäme ständig<br />

Briefe von meiner Bank... mit denen ich mich<br />

auseinander setzen müsste. Dann würde mich das sehr<br />

belasten. Rote Zahlen und Schulden würden mich sehr<br />

belasten. Ich kann sagen: Das sind die Probleme der<br />

Schneiderin. Ich bin jetzt aber nicht mehr <strong>Romy</strong><br />

Schneider............... (lange Stille und dann lautes<br />

lachen)<br />

Wir entwickeln eine Fähigkeit, das Fabulieren. Im<br />

Handeln in der Situation, eine Figur erschaffend. Das<br />

heißt auch in Aktion zu denken. Der Autor gibt uns<br />

einen generellen Umriss von seinen Figuren. Wir<br />

Schauspieler hauchen dem, vom Autor erzählten, leben<br />

ein. Unsere Aufgabe ist es der Figur Fleisch und Seele<br />

zu geben. Sie lebendig zu machen.<br />

Im Film werden Träume <strong>war</strong>... das Theater ist der Ort<br />

der unbegrenzten Möglichkeiten... in unserer Fanta<strong>sie</strong><br />

ist alles möglich, wäre da nicht das Leben, was uns<br />

sofort <strong>wie</strong>der auf den Boden der Tatsachen, der Realität<br />

zurück holt.<br />

Im Theater und im Film ist alles ganz anders. Wir<br />

können frei leben, ohne Angst und ohne Zwang. Wir<br />

können für eine Zeit die Realität ausblenden und<br />

unseren Träumen freien Lauf lassen. Visionen, werden<br />

Wirklichkeit... wir hauchen ihnen Leben ein... und geben<br />

anderen Menschen die Möglichkeit, für wenige Stunden<br />

in eine andere Welt einzutauchen. Wir tauchen ein in<br />

eine Welt, ohne Gesetze... alles ist möglich... das was<br />

wir uns immer erträumten kann im Film pas<strong>sie</strong>ren.<br />

In welchem anderen Beruf kann ich denn meine<br />

Kreativität so frei entfalten, mich als Person so frei<br />

entfalten? Die Antwort darauf habe ich noch nicht<br />

gefunden.<br />

Die Königskinder, die im realen Leben nie zueinander<br />

finden durften, können plötzlich zusammen sein, sich<br />

nie mehr verlieren und ihr Leben bis zum Ende<br />

miteinander teilen. Ist das nicht schön?<br />

Es gibt vier Arten des Theaters. Das Drama, Die<br />

Tragödie, Die Clownerie und die Komödie. Alles hat<br />

seinen Reiz! Im Laufe unseres Lebens durchleben wir<br />

alle vier Arten des Theaters. Das Leben hält alles für<br />

uns bereit. Wir haben Phasen, da sind wir ein Clown,<br />

kommen uns vor <strong>wie</strong> in einer Komödie, und plötzlich<br />

pas<strong>sie</strong>rt das ganz große Drama und wir glauben unser<br />

Leben wäre eine einzige Tragödie. Tschechov zeigt das<br />

alles. Er zeigt <strong>wie</strong> Menschen an ihren Träumen<br />

scheitern. Nur wenigen gelingt es ihre Träume zu<br />

reali<strong>sie</strong>ren.<br />

Stanislawski sagt, man kann nicht im allgemeinen<br />

spielen. Recht hat er! Die <strong>Bühne</strong>nwahrheit und die<br />

Wahrheit im Leben unterscheiden sich durch eine<br />

Vielzahl an wesentlichen Punkten. Auf der <strong>Bühne</strong><br />

handeln wir in einer ausgedachten und konstruierten<br />

Situation, wir benehmen uns abhängig von den<br />

Umständen in denen wir uns befinden. Arm oder reich...<br />

das was kurz davor pas<strong>sie</strong>rt ist, bestimmt meine<br />

Handlung auf der <strong>Bühne</strong>. Logik des Verhaltens... Logik<br />

und Konsequenz auf der <strong>Bühne</strong>.<br />

Die <strong>Bühne</strong>nwahrheit ist eine Reihe von logischen, im<br />

Zusammenhang stehenden Reaktionen. Schließlich ist<br />

doch das Theater aufgebaut auf der menschlichen<br />

Schwäche! Ich handele aus dem Impuls heraus. Der<br />

Impuls ist meine innere Entscheidung. Die Empfindung<br />

ist das Wichtigste für meine Kreativität. Doch <strong>wie</strong><br />

gelange ich an den Punkt des Empfindens? Um an<br />

diesen Punkt zu gelangen müssen wir Schauspieler<br />

zuerst beobachten und bewerten. Empfindung entsteht<br />

aus der Beobachtung und der anschließenden<br />

Bewertung heraus. Denn Sinnesempfindung bedeutet<br />

denken, beobachten, bewerten, um schließlich zu<br />

reagieren.<br />

Das „Theater Studio“ nach Stanislawski ist der Ort des<br />

künstlerischen Experiments, wo der Mensch im<br />

Zentrum steht. Das ist das Wichtigste im Theater. Wir,<br />

Ich, der Mensch steht im Mittelpunkt.<br />

Meine Aufgabe als Schauspielerin ist es, den Weg zur<br />

Emotion meiner Figur zu finden. Das heißt, durch den<br />

bewussten Weg zur Emotion zum Unterbewussten. Als<br />

Schauspielerin muss ich wissen woher ich komme,<br />

wohin ich gehe, was ich erreichen will, und <strong>war</strong>um ich<br />

das erreichen will. Um meine eigentliche Aufgabe auf<br />

der <strong>Bühne</strong> zu bestimmen, müssen zuerst die Umstände<br />

definiert werden. Denn die Umstände bestimmen mein<br />

Benehmen... das ist im realen Leben genau so.


Bevor ich auf die <strong>Bühne</strong> gehe, muss ich mir jedes Mal<br />

dieselben fünft Fragen beantworten, die sogenannten<br />

W-Fragen:<br />

1. Wer bin ich? Meine Kindheit... mein Umfeld...<br />

2. Wo bin ich?<br />

3. Wann? Die Zeit in der ich mich gerade befinde...<br />

4. Was will ich? Ergibt sich aus dem woher und wohin,<br />

ich beantworte mir die Frage was <strong>war</strong> davor...<br />

5. Warum tue ich das? Warum will ich das.?<br />

Je mehr Schwächen die Figur hat, die ich spiele, desto<br />

aussagekräftiger meine Rolle... denn das Menschliche<br />

ist das Wichtigste. Der Stoff für ernsthaftes Schauspiel<br />

ist leiden.<br />

Die tiefsten, menschlichen Abgründe können wir auf der<br />

<strong>Bühne</strong> ausleben. Beispielsweise, eine völlig kranke<br />

Liebe leben, hemmungslosen Sex haben... einen<br />

tückischen Mord begehen... hundertmal können wir<br />

sterben... erschossen werden... uns vergiften. Und<br />

plötzlich erwachen wir <strong>wie</strong>der... und sterben aufs<br />

Neue... alles ist möglich und alles ist erlaubt.<br />

Genie und Wahnsinn liegen so nah beieinander...<br />

diesen ganzen Wahnsinnkönnen wir leben... denn das<br />

ist der wahre Inbegriff der Kunst.<br />

Sind wir ehrlich? Welcher Zuschauer, welcher<br />

Kinobesucher will denn im Film oder im Theater das<br />

normale, alltägliche Leben sehen? Gehen wir nicht ins<br />

Theater um für einige Stunden abzuschalten? War es<br />

nicht die Vision eines Märchenkönigs, oder einer<br />

Märchenkaiserin, die den deutschen Kinos Millionen<br />

eingespielt haben? Weil Millionen in die Kinos gestürmt<br />

sind um dem grauen Alltag eines Nachkriegs-<br />

Deutschlands zu entfliehen?<br />

Ernst Marischka sagte einmal zu mir: Du wirst alle<br />

jungen Mädchen in Europa zum Träumen bringen. Ist<br />

es nicht der Anspruch den die Zuschauer an uns, die<br />

Schauspieler und die Regisseure haben?<br />

Sie träumen zu lassen? Ihnen Vergangenes näher zu<br />

bringen?<br />

Sie über bestehendes Unrecht aufzuklären?<br />

Ist es nicht auch unsere Aufgabe die Zuschauer über<br />

Missstände unserer Gesellschaft wachzurütteln?<br />

Versteckte Kritik an der Gesellschaftsform in der wir<br />

leben zu üben?<br />

Wissen wir nicht alle, das die Kunst schon seit jeher als<br />

Instrument für so vieles genutzt wird?<br />

Auf der <strong>Bühne</strong> dürfen wir alles sagen.<br />

Denke was du noch nie gedacht hast.<br />

Fühle was du noch nie gefühlt hast.<br />

Erlebe was du noch nie erlebt hast.<br />

Verändere was du noch nie verändert hast.<br />

Das Medium dafür ist der Film, ist die <strong>Bühne</strong>. Das leere<br />

Blatt sind wir, die Schauspieler. Das leere Blatt kann<br />

jede Farbe, jedes Gefühl, jede Nationalität und jede<br />

Gedankenwelt zeigen, und Millionen werden es sehen.<br />

Ein lautes Abspannen durchflutet den Raum, <strong>Romy</strong><br />

sinkt zu Boden, schließt die Augen und bleibt<br />

regungslos liegen. „Gib mir mal ne Zigarette, und sag<br />

nichts... ich bin gleich <strong>wie</strong>der da“. Tara reichte ihr<br />

wortlos die gewünschte Zigarette. In ihrem Buch hielt<br />

<strong>sie</strong> die Sätze fest die <strong>Romy</strong> zuletzt gesagt hat.<br />

Abwechselnd betrachtete <strong>sie</strong> ihre Aufzeichnungen,<br />

blätterte von einer Seite zur Nächsten. Zwischendurch<br />

schaute <strong>sie</strong> unmerklich zu <strong>Romy</strong>, die noch immer mit<br />

geschlossenen Augen auf dem Boden lag und rauchte.<br />

Sie streute wahllos die Zigarettenasche auf den Boden.<br />

Alles <strong>war</strong> egal, <strong>sie</strong> <strong>war</strong> noch ganz in ihrem Spiel, und<br />

den Gedanken verfangen. Tara konnte sich denken<br />

was in diesen Minuten in <strong>Romy</strong> vorging.<br />

Sie <strong>war</strong> beschäftigt mit der sogenannten „Phanta<strong>sie</strong><br />

Arbeit“. Bevor ich die <strong>Bühne</strong> betrete arbeitet meine<br />

Vorstellungskraft, denn die Vorstellungskraft ist Teil der<br />

Phanta<strong>sie</strong>. <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Vorstellungskraft arbeitete auf<br />

Hochtouren in dem Moment wo <strong>sie</strong> mit geschlossenen<br />

Augen am Boden lag. Ein wesentlicher Bestandteil der<br />

„Phanta<strong>sie</strong> Arbeit“ ist es die Situation, bevor man auf<br />

die <strong>Bühne</strong> geht, vor dem inneren Auge durch zuspielen.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eine Perfektionistin durch und durch. Sie tat<br />

dies vor dem Spiel, und nach dem Spiel.<br />

Ein simples Beispiel für die sogenannte „Phanta<strong>sie</strong><br />

Arbeit“: Setze Dich auf einen Stuhl und steh <strong>wie</strong>der auf.<br />

Schließe deine Augen und fahre in Gedanken das<br />

Setzen nach. Genau so leicht, <strong>wie</strong> ich meine<br />

Vorstellungskraft mit einem so simplen Beispiel <strong>wie</strong><br />

dem Setzen trainieren kann, ist dieses Training auch<br />

bei komplexeren Abläufen möglich. Auf diese Art und<br />

Weise ist es möglich, alle vorgeschlagenen Handlungen<br />

vor dem inneren Auge durchzugehen. Sogar komplexe<br />

Szenenabschnitte kann der Schauspieler mit dieser<br />

Technik vor dem inneren Auge proben<br />

Diese Übung verleiht ein Gefühl von Sicherheit und<br />

Souveränität auf der <strong>Bühne</strong> oder vor der Kamera.


Eine kleine Hilfestellung für die Vorstellungskraft ist das<br />

„kreative Wenn“. Was wäre wenn ich mich in dieser<br />

oder jenen Situation befinden würde. Oder auch: Was<br />

wäre wenn das und das pas<strong>sie</strong>ren würde? Was würde<br />

ich tun? Der Entstehungsprozess, die Suche nach dem<br />

„kreativen Wenn“ entsteht durch das Prinzip von Logik<br />

und Folgerichtigkeit. Denn alles was auf der <strong>Bühne</strong><br />

pas<strong>sie</strong>rt muss logisch, praktisch und zweckmäßig sein.<br />

Der Schauspieler darf seine Handlungen, sein Spiel auf<br />

der <strong>Bühne</strong> nicht ins leere Laufen lassen.<br />

Auf der <strong>Bühne</strong> gilt das sogenannte „Zug um Zug<br />

Prinzip“. Als Schauspieler müssen wir auf unseren<br />

Partner reagieren. Wir müssen lernen die jeweilige<br />

Situation abzunehmen, unsere innere Entscheidung<br />

treffen und weiterspielen. Auf der <strong>Bühne</strong> gilt es die<br />

Handlung voran zu bringen. Nichts darf ins Leere<br />

laufen. Es gibt eine wunderbare Übung, mit nur <strong>sie</strong>ben<br />

Worten jede Situation darstellen zu können.<br />

Diese Übung gehört zu den Grundlage-Übungen für<br />

unsere „Phanta<strong>sie</strong> Arbeit“. Ja. Ach. Warum. So<strong>wie</strong>.<br />

Nein. Ja.<br />

Mit diesen Wörtern ist es möglich verschiedene<br />

Situationen, <strong>wie</strong> beispielsweise ein Telefongespräch,<br />

Trennung, Entlassung oder ein freudiges Ereignis,<br />

darzustellen.<br />

Noch immer lag <strong>Romy</strong> auf dem Boden. Sie flüsterte mit<br />

einer so zerbrechlich klingenden Stimme:<br />

„Angst, Angst ist das was mich belastet. Ich werde<br />

diese furchtbare Angst nicht los! Was kann ich nur tun<br />

um diese Angst endlich zu verlieren???“<br />

Sie wandte sich Tara zu und blickte <strong>sie</strong> fragend an.<br />

„Gibt es nicht eine Technik, eine Hilfestellung... irgend<br />

etwas... um diese schreckliche Angst zu be<strong>sie</strong>gen.<br />

Diese Angst kann ich gar nicht beschreiben, ich habe<br />

das Gefühl <strong>sie</strong> zerreißt mich innerlich.“<br />

Ihre Blicke trafen sich, eine unmerkliche Stille machte<br />

sich breit. „Angst auf der <strong>Bühne</strong> können wir<br />

Schauspieler bekämpfen. Das ist nur eine Frage der<br />

Technik. Die Technik ist die Beschäftigung mit dem<br />

inneren und äußeren Objekt. Die tiefe Beschäftigung<br />

mit dem Objekt gibt uns Sicherheit auf der <strong>Bühne</strong>.“<br />

Doch was ist das innere und äußere Objekt? Um bei<br />

der Schauspieltechnik nach K.S. Stanislawski zu<br />

bleiben: Die Auseinandersetzung mit dem „Objekt“<br />

gehört zu der Grundlage einer jeden Schauspieltechnik,<br />

<strong>sie</strong> ist Grundsatz. <strong>Bühne</strong>nkonzentration bedeutet die<br />

Aufmerksamkeit dem konkreten Projekt und Objekt zu<br />

widmen. Auf der <strong>Bühne</strong> gilt es privates zu lösen und<br />

Hemmungen zu verlieren.<br />

Schauspieler müssen ihre Aufmerksamkeit auf das<br />

sogenannte „Objekt“ konzentrieren. Das heißt, ihre<br />

Aufmerksamkeit dem Objekt schenken. Ausstrahlung<br />

bedeutet Konzentration. Die Aufmerksamkeit ist die<br />

innere Energie, der Kraftstoff mit dem wir die <strong>Bühne</strong><br />

betreten.<br />

Ein gutes inneres Selbstgefühl macht Ausstrahlung,<br />

innere Lebendigkeit verleiht uns ein besonders Licht. In<br />

diesem Licht gilt es auf der <strong>Bühne</strong> zu erstrahlen. Ein<br />

klares Objekt bedeutet der Fluß auf der <strong>Bühne</strong>. Die<br />

Handlung wird voran gebracht, es pas<strong>sie</strong>rt etwas. Hat<br />

der Schauspieler dieses Objekt verloren, oder seine<br />

Aufmerksamkeit nicht in dem erforderlichen Maße dem<br />

Objekt gewidmet, entsteht ein Loch – Leerlauf. Das<br />

Objekt ist ein Teil von uns. Je tiefer die Beschäftigung<br />

mit dem Objekt, desto größer ist die Sicherheit des<br />

Schauspielers auf der <strong>Bühne</strong>. Das Angstgefühl, von<br />

dem <strong>Romy</strong> immer <strong>wie</strong>der spricht kann der Schauspieler<br />

mit Hilfe dieser Objektarbeit bekämpfen, bzw.<br />

reduzieren. In dem Moment wo der Schauspieler die<br />

<strong>Bühne</strong> betritt, existiert für ihn lediglich das hier und jetzt,<br />

Ich und mein Objekt.<br />

Ein mögliches Objekt kann der Spielpartner, die<br />

Spielpartnerin sein, oder auch Requisiten <strong>wie</strong> Tisch,<br />

Bank, Stuhl, Schmuck oder Kleidungsstücke.<br />

Auf der <strong>Bühne</strong> leben wir von der Illusion, uns macht<br />

alles Freude was uns in die Hände fällt. Der<br />

Schauspieler hat die Begeisterung eines Kindes in sich.<br />

Mit dieser Begeisterung in sich, setzt er sich intensiv mit<br />

seinem Spielpartner, wenn gegeben, oder einem<br />

möglichen Gegenstand, <strong>wie</strong> beispielsweise einer<br />

Puderdose, auseinander. Die intensive<br />

Auseinandersetzung mit dem Objekt lässt den<br />

Schauspieler die öffentliche Situation vergessen und<br />

somit gelingt es ihm seine Ängste zu verlieren. Der<br />

Druck vor der Öffentlichkeit zu versagen, einen Fehler<br />

zu machen verliert sich somit. Da ich nun die<br />

Aufmerksamkeit nicht mehr meinen Ängsten, und<br />

einem möglichen versagen widme, sondern ich meine<br />

gesamte Aufmerksamkeit nun der Beschäftigung mit<br />

einem Objekt widme. Je tiefer die Beschäftigung mit<br />

dem Objekt, desto wahrhaftiger ist das Spiel des<br />

Schauspielers auf der <strong>Bühne</strong>. Denn die Beschäftigung<br />

mit dem Objekt ist stärker als der Gedanke an die<br />

Angst. Denn Angst schafft Verklemmung.<br />

Diesen Satz müssen sich Schauspieler immer und<br />

immer <strong>wie</strong>der ganz tief in ihr Bewusstsein rufen. Dies<br />

gilt für die äußeren Objekte.


Das innere Objekt muss der Schauspieler selbst<br />

erschaffen, um sich mit diesem zu beschäftigen. Mit<br />

dem inneren Objekt gilt es, sich genauso intensiv<br />

auseinander zu setzten <strong>wie</strong> mit dem Äußeren. Unsere<br />

inneren Objekte sind unsere Gedanken, und die<br />

inneren Bilder, die nötig sind um eine Figur zu<br />

erschaffen. Das Objekt wirkt auf mich als Schauspieler<br />

und schließlich auf die innere Sinnesempfindung.<br />

Um <strong>Romy</strong> den in der Theorie so komplexen Inhalt mit<br />

der Auseinandersetzung eines möglichen Objekts<br />

praktisch zu demonstrieren, begibt sich Tara zu ihr. „Ich<br />

werde mich nun, drei Minuten lang mit deinen Haaren<br />

auseinandersetzen. Denn <strong>sie</strong> sind mein jetziges<br />

<strong>Bühne</strong>nobjekt.“<br />

Tara beginnt mit der Auseinandersetzung ihres selbst<br />

gewählten Objektes – <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Haare. Sie untersucht <strong>sie</strong><br />

ganz genau, betrachtet <strong>sie</strong> vom Ansatz bis zu den<br />

Spitzen. Jedes noch so keine und dünne Haare beäugt<br />

<strong>sie</strong> zuerst einzeln, dann in der Gesamtheit. Kein<br />

einziges Wort kommt über die Lippen. Minutenlang<br />

widmet <strong>sie</strong> sich diesem, ihrem Objekt. „So <strong>wie</strong> ich mich<br />

grade eben mit deinen Haaren beschäftigt habe, kann<br />

ich mich mit jedem anderen selbst gewähltem oder<br />

vorgeschlagenem Objekt widmen. Das ist ganz einfach.<br />

Du wirst sehen, wenn du es selbst versuchst, das du<br />

Zeit und Raum dabei vergisst. Das Gefühl was du hast,<br />

deine Angst, ist plötzlich nicht mehr wichtig.<br />

Weil du deine ganze Aufmerksamkeit deinem Objekt<br />

schenkst. Das Objekt ist eine Stütze, und zugleich ein<br />

Schutz, der dir deine Ängste nimmt.“<br />

<strong>Romy</strong> hatte von jener Technik noch nie etwas gehört.<br />

Doch <strong>sie</strong> <strong>war</strong> Schauspielerin genug, um das kleine Kind<br />

in sich sofort zu aktivieren und jenes von Tara<br />

demonstrierte Beispiel selbst zu erproben. Ihr<br />

favori<strong>sie</strong>rtes Objekt <strong>war</strong> eine halbvolle<br />

Zigarettenschachtel, der <strong>sie</strong> nun all ihre<br />

Aufmerksamkeit schenkte. Sehr schnell fand <strong>sie</strong><br />

gefallen an dieser simplen Übung. Auch <strong>sie</strong> konnte sich<br />

minutenlang mit ihrer Zigarettenschachtel beschäftigen.<br />

Zuerst betrachtete <strong>sie</strong> diese ganz genau, nahm alle<br />

Zigaretten einzeln heraus, um auch diese zu betrachten<br />

und zu fühlen. Wie fühlt sich die Verpackung an? Was<br />

fühle ich mit geschlossenen Augen? Wie riecht diese<br />

Schachtel? Was kann ich damit alles machen?<br />

<strong>Romy</strong> begann die Schachtel nach oben zu werfen, um<br />

<strong>sie</strong> anschließend <strong>wie</strong> einen Ball <strong>wie</strong>der aufzufangen.<br />

Sie wollte gar kein Ende finden, und sich noch weitere<br />

Minuten mit ihrem Objekt beschäftigen. Als <strong>sie</strong> ihre<br />

Beschäftigung mit dem Objekt beendet hatte <strong>war</strong> auch<br />

<strong>sie</strong> der Meinung, dass diese Form des Trainings ein<br />

möglicher Weg sein könnte um ihre Angst zu be<strong>sie</strong>gen.<br />

„Ich blende einfach alle anderen Gedanken aus. Es gibt<br />

nur noch mich und das jeweilige Objekt. Die Gedanken<br />

an das Publikum... die Kritiker verlieren sich... das ist<br />

eigentlich eine so simple und doch so effektvolle<br />

Methode“<br />

Das neu erlangte Wissen über die „Objekt Arbeit“<br />

beflügelte <strong>Romy</strong> nun noch mehr an dem<br />

Entstehungsprozess eines eigenen Theaterstückes zu<br />

arbeiten. Nach einiger Zeit des intensiven<br />

auseinandersetzen mit der Materie wurde ihr klar, das<br />

ein eigenes Theaterstück nicht mal eben aus der Hand<br />

zu schütteln sei, und keine Arbeit für Wochen oder<br />

Monate ist, das wäre viel komplexer. Die<br />

Entstehungszeit wäre eine wesentlich längere.<br />

Schließlich wäre es ihr, und auch Tara nicht möglich<br />

gewesen, sich ausschließlich nur mit diesem Projekt zu<br />

befassen. Die Arbeit im Moskauer Theater musste<br />

weiter gehen, genauso die neuen Filmarbeiten von<br />

<strong>Romy</strong>. Schließlich gab es Verträge, welche man<br />

einhalten musste.<br />

Doch dieses Projekt betrachteten beide Freundinnen<br />

als interessant und durchaus ausbaufähig. Ihr Ziel <strong>war</strong><br />

es die innere Motivation, die einen Schauspieler<br />

beflügelt auf die <strong>Bühne</strong> zu gehen, darzustellen.<br />

Schauspiel als Instrument zu erklären, Schauspiel als<br />

den Ort des Entstehens, der großen Visionen von<br />

Regisseuren zu erklären. Schauspiel erst einmal zu<br />

definieren. Im Laufe der Zeit, je intensiver die<br />

Beschäftigung mit der Thematik, desto mehr Fragen<br />

kamen auf, desto mehr Erklärungsbedarf bestand.<br />

Der Gedanke, jenes wertvolle Wissen, was <strong>sie</strong> von den<br />

großen Regiesseuren erlernt haben, der neuen<br />

Generation weiter zu geben. Natürlich gibt es<br />

entsprechende Lektüre, die es einem jungen<br />

Schauspieler ermöglichen darüber zu lesen. Doch ist<br />

das alles mehr als schwer zu verstehen, wenn man ein<br />

Anfänger ist und darüber noch nie etwas gehört hat. Es<br />

wäre doch viel interessanter dieses ganze Wissen, von<br />

Schauspielern, durch die großen Meister erlangt,<br />

schöpferisch darzustellen, auf der <strong>Bühne</strong> zu kreieren.<br />

Warum immer nur Stoffe darstellen die alle möglichen<br />

Handlungen erklären. Warum gibt es nicht ein Stück<br />

welches uns etwas über Schauspiel und seine Technik<br />

verrät.


Wäre das nicht ein völlig neuer Ansatz, der komplexen<br />

Auseinandersetzung mit der Schauspielkunst? Die<br />

Quintessenz verschiedener Schauspieltechniken<br />

zusammen zu fassen in einem Theaterstück. Sie<br />

wollten nichts überstürzen, nichts übers Knie brechen,<br />

denn das wäre von Anfang an der falsche Weg für ihr<br />

Projekt gewesen, und sicherlich eine Totgeburt.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong>f ein:<br />

„Es gibt so vieles was ich über mich sagen möchte.<br />

Was ich über meinen Beruf sagen möchte. Ich wünsche<br />

mir, diesen Beruf den Menschen näher zu bringen.<br />

Schauspiel betrachte ich als eine Art Schule des<br />

Lebens. Schauspiel gibt uns die Möglichkeit Dinge aus<br />

einer komplett anderen Perspektive zu betrachten.<br />

Diese Denkweisen die wir im Laufe der Zeit durch<br />

Schauspiel erlernt haben können uns auch im<br />

alltäglichen Leben sehr von Nutzen sein. Denn<br />

eigentlich ist alles ganz einfach. Auf der <strong>Bühne</strong> ist<br />

eigentlich immer alles ganz einfach, im Film noch mehr.<br />

Wenn wir ehrlich sind, und uns der näheren<br />

Auseinandersetzung mit dieser Thematik unterziehen,<br />

stellen wir fest, das die gleichen Erkenntnisse auch für<br />

unser alltägliches Leben gelten.“<br />

Schauspiel ist die Lehre der Argumentation.<br />

Auf der <strong>Bühne</strong> gilt es permanent seine Figur zu<br />

verteidigen, das bedeutet unter anderem<br />

Argumentation. Nun ja, eine gute<br />

Argumentationstechnik kann uns auch im alltäglichen<br />

Leben sehr von nutzen sein. Auf der <strong>Bühne</strong><br />

unterscheiden wir zwischen drei verschiedenen<br />

Logiken: Der Induktionslogik, (vom Besonderen auf das<br />

allgemeine schließen), der Deduktionslogik (logisches,<br />

folgerichtiges schließen), und der Implikationslogik<br />

(verwickeln, einwickeln).<br />

Argumentationstheorie und Logik (Folgerichtigkeit) sind<br />

wesentliche Bestandteile der Schauspielkunst, mit<br />

denen sich ein jeder Schauspieler zuerst einmal<br />

intensiv auseinander setzten muss.<br />

K.S.Stanislawski unterscheidet zwischen zwei<br />

Etappen: der schöpferische Prozess des Lebens und<br />

dem schöpferischen Prozess des Körpers. Beides gilt<br />

es zu intensivieren, zu begreifen. Hat der Schauspieler<br />

diese beiden Etappen verinnerlicht, erschließt sich ihm<br />

eine neue Frage. Wie definiere ich das Denken auf der<br />

<strong>Bühne</strong>? Denken auf der <strong>Bühne</strong> ist die Konsequenz des<br />

Empfindens. Dadurch gelangen wir zu den besagten<br />

Bildern vor unserem inneren Auge.<br />

Das innere Auge <strong>sie</strong>ht Bilder, das ist unsere<br />

Vorstellungskraft, die nötig ist um ein kreatives<br />

Geschehen auf der <strong>Bühne</strong> überhaupt entstehen zu<br />

lassen.<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Gedanken vertieften sich immer mehr in die<br />

Materie der Schauspieltechnik und deren Grundlagen.<br />

Sie wollte verstehen und begreifen. Sie <strong>war</strong> fest davon<br />

überzeugt, das je intensiver <strong>sie</strong> die Grundlagen und<br />

deren Techniken verinnerlicht und begriffen hat, desto<br />

schneller können sich ihre Ängste reduzieren. Sie wollte<br />

zu dem Punkt kommen wo <strong>sie</strong> die Außenwelt und die<br />

Realität komplett vergessen könne, auf der <strong>Bühne</strong> und<br />

vor der Kamera. Sie glaubte fest daran, ihre Angst<br />

damit endlich be<strong>sie</strong>gen zu können. Richtig hatte <strong>sie</strong><br />

bereits 1968 erkannt: „Die Angst die ich habe, dieses<br />

Lampenfieber, das kann ich gar nicht beschreiben. Und<br />

um dieses Lampenfieber, die Angst die ich habe zu<br />

nutzen, da muss man schon sehr weit sein, sehr viel<br />

Souveränität mitbringen. Und die habe ich noch nicht,<br />

die kann ich gar nicht haben, dazu fehlt mir einfach die<br />

Erfahrung.“<br />

Die Erfahrung ist ein wichtiger Bestandteil um sich die<br />

Ängste, das Lampenfieber nutzbar zu machen. Doch<br />

Erfahrung ist nichts ohne eine Technik, das hatte <strong>Romy</strong><br />

nun verstanden, und daran wollte <strong>sie</strong> arbeiten. Schnell<br />

<strong>war</strong> die Frage aufgekommen, was denn eigentlich<br />

Schauspiel sei? Was ist Schauspiel?<br />

Ein Schauspieler stelle sich z<strong>war</strong> permanent zur Schau,<br />

indem er verschiedene Rollen verkörpert, ihnen Leben<br />

einhaucht. Ihnen Fleisch und Seele gibt. Er spielt die<br />

Rolle. Doch Schauspiel ist viel mehr als nur eine Rolle<br />

zu „spielen“.<br />

Spielen ist nichts anderes als handeln, handeln aus der<br />

Sicht der Figur und handeln aus der Sicht der Situation.<br />

Der Aufbau einer jeden Rolle beschäftigt sich mit der<br />

Suche nach dem inneren Leben der Figur. Die Aufgabe<br />

des Schauspielers ist es seine Rolle zu verkörpern, <strong>sie</strong><br />

nicht zu spielen, zu markieren. Ich bin diese Rolle – ich<br />

verkörpere meine Rollenfigur. Schauspiel ist ein<br />

sinnliches, praktisches, zielbewusstes, funktionelles,<br />

konsequentes, logisches handeln. Kurz: Schauspiel ist<br />

praktisches handeln.<br />

Alles was ein Schauspieler auf der <strong>Bühne</strong> tut, geschieht<br />

aus dem inneren Impuls heraus. Der innere Impuls ist<br />

die innere Entscheidung. Jede Aufgabe muss ein<br />

praktisches Ziel beinhalten.


Jede neue Handlung muss uns neue Informationen zu<br />

der zu verkörpernden Figur geben. Entscheidend dabei<br />

ist, das sich die Handlung nicht <strong>wie</strong>derholen darf. Die<br />

Handlung auf der <strong>Bühne</strong> ergibt sich schließlich aus<br />

Ketten von Reaktionen. Auf der <strong>Bühne</strong> müssen wir<br />

lernen, das Wichtigste zu konzentrieren, so dass wir<br />

das Entstehen von sogenannten “Löchern“ vermeiden.<br />

Die Quintessenz zusammengefasst in der Theorie der<br />

Schauspielkunst: Schauspiel besteht aus Synthese und<br />

Analyse.<br />

Synthese: Der Schauspieler konzentriert sich auf die<br />

Quintessenz der Figur. Dabei ist es Grundsatz, das<br />

Wichtige zu merken, zu speichern und das Unwichtige<br />

zu vergessen. Nichtigkeiten belasten die Rolle und<br />

bringen die Szene nicht voran, <strong>sie</strong> bringen uns in ein<br />

Loch, so dass sich die Szene nicht weiterentwickeln<br />

kann. Ist der Moment eines solchen Loches, eines<br />

Leerlaufs erreicht, dreht sich die Szene im Kreis, es<br />

pas<strong>sie</strong>rt nichts. Die Spannung ist raus und der<br />

Zuschauer langweilt sich.<br />

„Als Schauspielerin gehe ich immer zum nächsten Ziel.<br />

Ich untergliedere meine Szene in Abschnitte und<br />

Aufgaben. Ich orientiere mich an den<br />

Hauptmerkmalen... ich gehe immer zum nächsten Ziel<br />

meiner Figur.“<br />

Analyse: Wir gehen ins Detail der Rolle, wir zergliedern<br />

<strong>sie</strong> in Einzelheiten. Das heißt nichts anderes, als die<br />

Situation genau unter die Lupe zu nehmen. Ist die Rolle<br />

nun in alle Einzelheiten zergliedert geht der<br />

Schauspieler zum nächsten Abschnitt. Ganz am Anfang<br />

der Szene denkt der Schauspieler an das erste Ziel<br />

seiner Figur, dieses Ziel gilt es unter allen Umständen<br />

zu verfolgen. Ist dieses Ziel erreicht geht er zum<br />

nächsten Ziel. Dabei ist eine gut definierte Aufgabe von<br />

größter Wichtigkeit, denn eine gut definierte Aufgabe<br />

enthält ein praktisches Ziel.<br />

„Ich habe mir angewöhnt jede Situation in drei<br />

verschiedenen Teil-Situationen zu spielen, das bringt<br />

mir das bessere Verständnis für die jeweilige<br />

darzustellende Situation! Um ein krasses Beispiel zu<br />

benennen: Ich sitze auf einem Stuhl an einem Tisch<br />

und trinke Whisky. Ich stelle mir also die Frage <strong>war</strong>um<br />

trinke ich Whisky? In der Regieanweisung steht, ich<br />

sitze auf einem Stuhl, an einem Tisch, und trinke<br />

Whiskey. Für mich als Schauspielerin gilt es nun zu<br />

definieren <strong>war</strong>um ich ihn trinke, um mir die eigentliche<br />

Situation des Geschehens auf der <strong>Bühne</strong> zu<br />

verdeutlichen. Ich kann diesen Whisky als Belohnung<br />

für einen langen Arbeitstag trinken, und damit den Tag<br />

ausklingen lassen,<br />

dazu genüsslich eine Zigarette rauchen. Das Trinken ist<br />

in dieser Situation eine Belohnung, verbunden mit<br />

Genuss. Das ist die erste Möglichkeit. Die zweite<br />

Möglichkeit ist diesen Whisky zu „saufen“ ich trinke<br />

Whisky um zu vergessen. Mein Leben ist die Hölle und<br />

ich will mich der Realität des Lebens entziehen und<br />

betrinke mich so lange bis ich das alles vergessen<br />

habe, in meiner eigenen Welt lebe, und schließlich<br />

einschlafe.<br />

Der Whisky ist hier das Mittel um mich volllaufen zu<br />

lassen, um zu vergessen, meine Nerven zu betäuben.<br />

Die dritte Variante: Ich bin Sommelier, und meine<br />

Aufgabe ist es, das Zeug zu Verkosten um meine<br />

Bewertung für das Getränk abzugeben. Ich trinke also,<br />

weil es mein Job ist das Getränk zu bewerten. Ich<br />

mache also drei Mal dasselbe! Ich trinke Whisky. Doch<br />

drei Mal ist die Motivation, das was dahinter steckt eine<br />

komplett andere. Meine Aufgabe als Schauspieler ist es<br />

dem Zuschauer deutlich zu erkennen zu geben, aus<br />

welcher Motivation heraus ich diesen Whisky trinke.<br />

Das gilt für jede Handlung auf der <strong>Bühne</strong>, die Motivation<br />

muss zu erkennen sein.“<br />

Während <strong>Romy</strong> nun in ihre Hausbar griff um eine<br />

Flasche Whisky herauszuholen und die Situation<br />

praktisch zu demonstrieren, <strong>war</strong> Tara bereits beim<br />

nächsten wesentlichem Punkt der Technik angelangt.<br />

„Die Handlung klar und sauber darzustellen ist die eine<br />

Sache. Doch nach der Handlung muss etwas<br />

pas<strong>sie</strong>ren, du kannst schlecht die ganze Zeit dasitzen<br />

und Whisky trinken. Ein Drehpunkt muss folgen, etwas<br />

was die Handlung voran treibt, beispielsweise ein<br />

Störfaktor.“<br />

Auf der <strong>Bühne</strong> haben wir eine klare Aufgabe,<br />

permanent denken wir mit unserer Aufgabe.<br />

Die Aufgabe definiert sich entsteht eine neue<br />

Beziehung und eine neue Atmosphäre. Die Situation<br />

auf der <strong>Bühne</strong> muss sich während einer Szene<br />

mindestens einmal wesentlich ändern. Dazu brauchen<br />

wir entweder einen Drehpunkt, oder einen emotionalen<br />

Bruch. Das sind zwei Vorgänge. Ein Vorgang ist die<br />

Kette von motivierten, logischen Handlungen mit einer<br />

gemeinsamen Aufgabe.<br />

Ein Drehpunkt bringt die hundertprozentige Änderung<br />

der Situation auf der <strong>Bühne</strong>. Unsere Handlung auf der<br />

<strong>Bühne</strong> braucht mindestens einen, bzw. mehrere<br />

Kontrapunkte, emotionale Bruchstellen.<br />

Das können Emotionen sein <strong>wie</strong>: Aggression, Trauer,<br />

Glück, Verzweiflung.


Ein Drehpunkt ist ein Grenzmoment. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong>f ein:<br />

„Du redest von einem Störfaktor, ich sitze hier und<br />

betrinke mich sinnlos, ich finde das toll. Das ist die<br />

momentane Situation die ich darstellen möchte. Komm<br />

her und sei mein Störfaktor. Das mit dem Drehpunkt<br />

verstehe ich noch nicht so ganz, ich will es mir aber<br />

begreiflich machen.“.<br />

<strong>Romy</strong> sitzt am Tisch ihres Wohnzimmers auf einem<br />

bequemen Polsterstuhl, im Schneidersitz. Sie lacht:<br />

„Auf dich, auf mich, auf die ganze Welt. Auf das Leben.<br />

Auf all die Idioten und den ganzen Mist“<br />

Freudig trinkt <strong>sie</strong> vor sich hin, <strong>sie</strong> ist glücklich darüber<br />

das <strong>sie</strong> nun dort sitzt, und ihren Whisky trinkt.<br />

Stundenlang könnte <strong>sie</strong> diese Situation darstellen.<br />

Plötzlich kommt Tara, der Störfaktor der Szene. Die<br />

Handlung <strong><strong>Romy</strong>s</strong> <strong>war</strong> bis jetzt klar dargestellt und<br />

eindeutig zu erkennen. Sie trinkt um das Leben um sich<br />

herum zu vergessen, in diesem Moment ist <strong>sie</strong><br />

glücklich. Plötzlich tritt der Störfaktor auf und die<br />

Situation kippt. Die Handlung verändert sich. Ohne ein<br />

Wort zu sagen betritt Tara die imaginäre <strong>Bühne</strong>, nimmt<br />

sich Glas und Flasche und verschwindet. <strong>Romy</strong> bleibt<br />

plötzlich ohne ihr Requisit zurück am Tisch.<br />

Die Handlung hatte sich wesentlich verändert. Plötzlich<br />

hatte <strong>Romy</strong> einen emotionalen Bruch auf der <strong>Bühne</strong>.<br />

Nun <strong>war</strong> <strong>sie</strong> nicht mehr glücklich, und das Leben <strong>war</strong> ihr<br />

nicht mehr egal. Die Last des Lebens überkam <strong>sie</strong>, und<br />

<strong>sie</strong> verfiel in Aggression. Sie schlug auf den Tisch und<br />

schrie, alles was <strong>sie</strong> belastete lies <strong>sie</strong> nun heraus. Dann<br />

wurde es ruhig, so als würde man eine Stecknadel<br />

hören, die zu Boden fällt. Sie schaute ins imaginäre<br />

Publikum.<br />

Während der Zeit der Stille hatte <strong>sie</strong> eine innere<br />

Entscheidung getroffen, ein erneuter emotionaler Bruch<br />

trat auf. Sie verfiel in Trauer und stellte sich den<br />

Problemen, um einen Lösungsweg für eine jeweilige<br />

Problemlösung zu finden. „Okay, das <strong>war</strong> doch schon<br />

mal nicht schlecht, Tara. Also halten wir fest: Für die<br />

Handlung auf der <strong>Bühne</strong> sind Kontrapunkte nötig. Der<br />

Moment der inneren Entscheidung ist mein Drehpunkt.<br />

Ein Drehpunkt kann beispielsweise auch durch einen<br />

Vorgang entstehen, auch das bringt die Handlung<br />

voran.“<br />

„Sie müssen sich unbedingt öfter treffen, um aus diesen<br />

Denkansätzen ein Konzept zu erstellen, einen Plan zu<br />

entwerfen, der eines Tages <strong>wirklich</strong> einmal auf die<br />

<strong>Bühne</strong> gehen kann. Am Besten natürlich dargestellt von<br />

ihnen beiden. Sie versprachen sich gegenseitig ihren<br />

Plan erst einmal geheim zu halten.<br />

Sie wollten etwas in der Hand haben, etwas<br />

Vorzeigbares ausgearbeitet haben, bevor <strong>sie</strong> große<br />

Töne über ein mögliches Projekt verlieren.<br />

Wir sind heute sehr weit gekommen, wenn wir uns in<br />

den nächsten zwei Tagen noch genau so intensiv damit<br />

auseinander setzen... sehe ich einen guten Weg für die<br />

Reali<strong>sie</strong>rung unserer Vision. Ich glaube, das dass was<br />

wir über Schauspielerei sagen wollen und sagen<br />

werden, noch kein Schauspieler und kein Regisseur so<br />

ehrlich dem Publikum präsentiert hat!“<br />

Davon <strong>war</strong> auch Tara überzeugt. Sie <strong>war</strong> froh endlich<br />

einen Weg gefunden zu haben, all das erlernte weiter in<br />

die Welt zu tragen, es mit den Menschen zu teilen, die<br />

genau so sehr für den Beruf lebten <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> es tat.<br />

„Dieses erlernte Technik in Kombination mit den<br />

Theorien nach Stanislawski sind etwas so wunderbares<br />

für Schauspieler, diese Technik liefert völlig neue<br />

Erkenntnisse über die Arbeit eines Schauspielers. Die<br />

Welt muss das sehen. Wir können das nicht in<br />

verschlossenen Räumen praktizieren, um Niemanden<br />

davon partizipieren zu lassen. Das wäre sinnlos“.<br />

Sie beide hatten das gleiche Ziel vor Augen und einen<br />

gemeinsamen Weg vor sich. Das Phänomen<br />

Schauspielkunst in Zusammenhang mit der<br />

menschlichen Ebene betrachten. Denn am Ende ist<br />

Schauspiel die Lehre der Argumentation und der<br />

Mensch steht im Zentrum dieser Lehre.<br />

Etliche Stunden hatten sich die beiden Freundinnen<br />

nun intensiv mit der Schauspielkunst auseinander<br />

gesetzt. Viele Notizen und gemeinsame entwickelte<br />

Denkansätze hatte Tara in ihrem Buch festgehalten.<br />

Fest stand:


18 Seelenleben<br />

„<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> nicht nur eine Schauspielerin.<br />

Sie <strong>war</strong> viel mehr, <strong>sie</strong> <strong>war</strong> Vermittlerin zwischen den<br />

imaginären Welten in der Kunst und in der Phanta<strong>sie</strong>.<br />

Vermittlerin zwischen der Welt der großen Regisseure<br />

und der Welt des Publikums. Dem Publikum, das<br />

gefangen ist in der Welt des Alltags.<br />

Uns allen hat <strong>Romy</strong> Schneider so unendlich viel<br />

gegeben, immer hat <strong>sie</strong> sich selbst und ihre Seele dem<br />

Zuschauer Preis gegeben. Ihre Gefühlswelt und ihr<br />

innerstes Seelenleben hat <strong>sie</strong> mit uns auf der Leinwand<br />

geteilt. In jedem einzelnen Film, in jeder einzelnen Rolle<br />

hat <strong>sie</strong> uns einen Teil von dem Menschen <strong>Romy</strong><br />

gezeigt. Natürlich spielte <strong>Romy</strong> auch Rollen, die nicht<br />

unbedingt etwas mit ihrer Person zu tun hatten, Rollen<br />

die völlig andere Charaktere hatten, als <strong>Romy</strong> es eigen<br />

<strong>war</strong>. Auf der Leinwand und auf der <strong>Bühne</strong> steht <strong>Romy</strong><br />

in einer erdachten, konstruierten Situation, in dieser<br />

Situation handelt <strong>Romy</strong> nach den Vorgaben und<br />

Anweisungen des jeweiligen Regisseurs.<br />

Mit jeder einzelnen Rolle die <strong>Romy</strong> jemals verkörperte,<br />

hat <strong>sie</strong> uns auch etwas von dem Mädchen Rosemarie<br />

Albach gezeigt. Die ganze Bandbreite der<br />

menschlichen Charaktere hat <strong>Romy</strong> ihrem Publikum<br />

präsentiert. Auf der Leinwand <strong>war</strong> <strong>Romy</strong> die<br />

Märchenprinzessin. Später spielte <strong>sie</strong> die gleiche Rolle<br />

jener Märchenprinzessin aus vergangenen Tagen als<br />

reife Frau – zweimal hauchte <strong>sie</strong> der Kaiserin Elisabeth<br />

von Österreich Leben auf der Leinwand ein. Sie spielte<br />

das liebe Mädchen von nebenan, den verführerischen<br />

Vamp, eine Prostituierte, eine Mörderin, Opfer- und<br />

Täterrollen. Sie ließ uns am Leben ihrer Rollenfiguren<br />

teilhaben und hat uns mitgenommen auf eine Reise<br />

durch das Leben ihrer darzustellenden Charaktere.<br />

Sie hat uns an die Hand genommen und in das<br />

Seelenleben der unterschiedlichsten Menschen hinein<br />

geführt. Sie gab uns die Möglichkeit zu erfahren, was<br />

dahinter steckt. Was für eine Geschichte die Menschen<br />

die <strong>sie</strong> spielte durchleben mussten, um zu dem<br />

Menschen zu werden, den wir in der Rolle zu Gesicht<br />

bekommen. <strong>Romy</strong> hat in ihren Rollen gezeigt, das es<br />

die Umstände sind, die einen Menschen zu dem<br />

machen was er im Laufe der Jahre darstellt. Sie hat uns<br />

geholfen, uns ein Stück weit in diese Menschen hinein<br />

zu versetzen und hinein zu fühlen. Viele Charaktere der<br />

Menschen, die ihr Publikum <strong>wie</strong>derspiegelt, hat <strong>Romy</strong><br />

gespielt. Sie <strong>war</strong> für diese Menschen eine Lebenshilfe,<br />

<strong>sie</strong> konnte sich mit den Rollen identifizieren. <strong>Romy</strong><br />

selbst ist an der Rolle, die das Leben für <strong>sie</strong> bereit hielt,<br />

zerbrochen und daran zu Grunde gegangen.<br />

Ihre privaten Niederlagen, ihr Martyrium spielte sich vor<br />

unseren Augen ab. Erfolg und Ruhm gingen Hand in<br />

Hand mit dem Fluch und all den Niederlagen, die ihr<br />

Privatleben überschatteten. Ihr Herz und ihre ganze<br />

Liebe gehörten dem Beruf der Schauspielerei. Diese<br />

Liebe zum Beruf ist ein wahrer Segen, doch auch ein<br />

ebenso großer Fluch. In <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Privatleben steigerten<br />

sich Gefühle <strong>wie</strong> Glück und Freude, Angst und Trauer,<br />

Wut und Jähzorn ins Unermessliche.<br />

Euphorie und Schwermut. Als Schauspieler gilt es den<br />

Weg zu starken szenischen Emotionen zu finden. Ist<br />

dieser Weg erst einmal gefunden, ist es fast unmöglich<br />

diesen Weg jemals <strong>wie</strong>der zu verlassen. Im alltäglichen<br />

Leben sind es Kleinigkeiten, fast schon Nichtigkeiten,<br />

welche die meisten Menschen als gegeben hinnehmen,<br />

ihnen keine weitere Beachtung schenken und weiter<br />

leben, so als wäre nie etwas gewesen. Ein<br />

Schauspieler durchlebt diese Momente anders – das<br />

heißt, ein Schauspieler durchlebt diese Momente mit<br />

einer größeren Intensität. Diese Intensität ist oftmals so<br />

stark, das der Schauspieler daran zerbricht, wenn es<br />

sich bei den durchlebten Gefühlen um Trauer oder<br />

Verlust handelt. Im positiven Sinne, bei der Empfindung<br />

von Glück und Freude ist es oftmals so, das andere<br />

leicht glauben könnten: Was ist denn mit dem los?<br />

Hat der irgendwelche Substanzen konsumiert? Wie<br />

kann man sich denn über eine derartige Bagatelle so<br />

belustigen und nicht mehr beruhigen?<br />

Das Phänomen Schauspieler – mit all seinen Licht- und<br />

Schattenseiten. Mit all seinen Farben und all den<br />

Narben die das Leben ihm zugefügt hat.<br />

Gefühlsintensitäten die uns privat zerstören können. Auf<br />

der <strong>Bühne</strong> leben wir von diesen starken Gefühlen. Doch<br />

privat können <strong>sie</strong> uns zu Boden werfen, uns nicht mehr<br />

aufstehen lassen, uns kaputt machen. Privat ist das,<br />

was im Beruf ein Geschenk ist, ein Fluch.


I<br />

19<br />

Popstar<br />

zugleich<br />

und Diva<br />

Ich lache wenn mir nach lachen zu Mute ist... und ich<br />

Heule wenn mir nach Heulen ist... ich tue nichts mehr<br />

dafür um irgend jemandem eine Fassade zu verkaufen<br />

die es nicht gibt.“<br />

Jean-Claude Brialy erinnert sich an die Anfangszeit<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> in Frankreich. „Christine“ so hieß ihr erster Film<br />

in französischer Sprache aus dem Jahr 1958, den<br />

gleichen Stoff spielte auch schon ihre Mutter lange vor<br />

ihrer Zeit. Ihr französisch <strong>war</strong> zu dieser Zeit geprägt von<br />

einem deutlichen deutschen Akzent, ihr Akzent trug zur<br />

allgemeinen Erheiterung ihrer Kollegen und der<br />

gesamten Filmcrew bei. Ihr Akzent <strong>war</strong> amüsant und<br />

niedlich zugleich – so dass sich ihre Kollegen den Spaß<br />

erlaubten, ihr dies immer <strong>wie</strong>der unter die Nase zu<br />

reiben. <strong>Romy</strong> pikierte das sehr, <strong>sie</strong> fand es weder lustig,<br />

noch niedlich, noch amüsant. Ihre Kollegen trieben es<br />

soweit auf die Spitze, das <strong>Romy</strong> eines Tages die Wut<br />

packte und alles Greifbare um sich herum zu Boden<br />

<strong>war</strong>f. Jean-Claude Brialy suchte nach einfühlsamen<br />

Worten die <strong>Romy</strong> zur Besinnung und zum Einsehen<br />

bringen sollten: „Aber was soll das denn jetzt? Du bist<br />

doch nicht Scarlett in ‚Vom Winde verweht‘! Du wirst<br />

jetzt schön deine Sachen aufräumen. Die Garderobiere<br />

ist nicht deine Magd“.<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> ausgeprägte Sensibilität nahm Brialys Worte<br />

einsichtsvoll zur Kenntnis und <strong>sie</strong> räumte alle Sachen<br />

<strong>wie</strong>der an ihren Platz, die <strong>sie</strong> im Anfall von Hysterie und<br />

Wut zu Boden geworfen hatte. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> damals ein<br />

junges Mädchen von zwanzig Jahren, das z<strong>war</strong> bereits<br />

über Filmerfahrungen verfügte, doch noch im<br />

Entwicklungsprozess auf dem Weg zu einer „fertigen,<br />

reifen“ Frau stand. Sie <strong>war</strong> eine begabte<br />

Schauspielerin, die aber als Frau einfach noch nicht die<br />

Reife hatte. Ein Rohdiamant auf der Suche nach dem<br />

perfekten Schliff.<br />

Der Fotograf Robert Lebeck lernte <strong>Romy</strong> Schneider als<br />

erwachsene, reife Frau, als Diva kennen. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> zu<br />

der Zeit ein Diamant mit einem sehr feinen Schliff.<br />

Popstar und Diva zugleich, <strong>sie</strong> konnte verletzend und<br />

einfühlsam sein, hysterisch und gleichzeitig auf der<br />

Suche nach der perfekten Harmonie. <strong>Romy</strong>, das <strong>war</strong><br />

ein Widerspruch in sich, das <strong>war</strong>en zwei Seelen die in<br />

einer Brust schlugen.<br />

In ihrer Brust schlug das Herz eines Wirkungstiers, das<br />

um jeden Preis nach Aufmerksamkeit heischte. Eine<br />

Frau, die am Liebsten abgeschottet von allem und mit<br />

sich selbst allein sein wollte. Robert Lebeck erinnert<br />

sich an sein erstes Zusammentreffen mit <strong>Romy</strong>, er<br />

sagte: „Schon ihr Blick <strong>war</strong> ein unheimlicher Flirt."<br />

Als wolle <strong>sie</strong> sagen: Sie gefallen mir. Sie gefallen mir<br />

sehr.<br />

Das Fenster zu <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Seele, das <strong>war</strong>en ihre Augen.<br />

Mit Blicken konnte <strong>Romy</strong> Menschen ansprechen. Mit<br />

Blicken konnte <strong>sie</strong> ihnen das sagen was <strong>sie</strong> in dem<br />

Moment dachte und fühlte. Doch diese Blicke <strong>war</strong>en oft<br />

nicht für jedermann verständlich, nicht zu erfassen und<br />

nicht zu deuten. Ihre Gefühle in Worte zu packen und<br />

gegenüber ihrem Gesprächspartner auszusprechen <strong>war</strong><br />

für <strong>Romy</strong> fast nicht möglich. <strong>Romy</strong> redete viel, trank viel<br />

und versuchte sich zu jeder Minute Lebeck mitzuteilen.<br />

Sie wollte sich und ihre Gefühle über die Bilder<br />

Lebecks, als Botschaft an den Betrachter der Bilder<br />

mitteilen und sich so offenbaren. Robert Lebecks<br />

Fotoserie von <strong>Romy</strong> Schneider ist wahrhaftig,<br />

authentisch und ehrlich.<br />

<strong>Romy</strong> spielt keine Rolle, <strong>Romy</strong> verneint übermäßige<br />

Schminke, <strong>Romy</strong> gibt sich pur und unverfälscht. In der<br />

Nacht schrieb <strong>sie</strong> Lebeck einen Zettel mit den Worten<br />

die <strong>sie</strong> unbedingt hatte sagen wollen, doch nicht sagen<br />

konnte. Auf einem kleinen roten Zettel stand<br />

geschrieben: „Du machst mir Angst. Ich mache mir<br />

Angst. Vergiss mich ganz schnell. Aber bitte sage mir<br />

noch gute Nacht.“<br />

In seiner Fotoserie <strong>sie</strong>ht man <strong>Romy</strong> beim schminken,<br />

herumalbern und lachen. Robert Lebeck fotografiert<br />

<strong>Romy</strong> mit seiner Leica, er betritt den Raum, die Tür ist<br />

angelehnt:<br />

Sie lag auf dem Bett, dann zog <strong>sie</strong> ihre Stiefel aus.<br />

<strong>Romy</strong>, noch immer auf der Suche nach sich selbst und<br />

nach der Liebe vergisst in diesen Momenten alles und<br />

greift nach seiner Zuneigung, seiner Aufmerksamkeit.<br />

Lebeck <strong>war</strong> in diesen Momenten nicht nur ein Fotograf,<br />

der den Auftrag hatte Fotos von <strong>Romy</strong> Schneider zu<br />

fertigen. Lebeck <strong>war</strong> viel mehr, ein Seelenverwandter<br />

und vor allem ein verständnisvoller Zuhörer, der <strong>Romy</strong><br />

<strong>wirklich</strong> gesehen hatte und ein Ohr für jene Dinge hatte,<br />

die <strong>Romy</strong> bewegten. Sie redeten bis morgens um vier<br />

und schliefen schließlich nebeneinander ein.<br />

Ihre Authentizität ist auch vor der Kamera spürbar.<br />

<strong>Romy</strong> spielt Rollen die <strong>sie</strong> selbst etwas angehen,<br />

Rollen mit denen <strong>sie</strong> sich identifizieren kann. Luchino<br />

Visconti beschreibt <strong>Romy</strong> als „sehr deutsch in dieser<br />

Mischung aus Schamlosigkeit und Keuschheit“. <strong>Romy</strong><br />

durchlebt vor der Kamera die gesamte Bandbreite aller<br />

möglichen zu verkörpernden Charaktere, <strong>sie</strong> ist Opfer,<br />

Täter, Ehefrau und Prostituierte.


hr Leben entgleitet ihr.<br />

Um den nötigen Halt, den <strong>Romy</strong> im Leben nicht mehr<br />

finden kann zu spüren, steigert <strong>sie</strong> sich vollends hinein<br />

in ihre größte Sucht – den Film.<br />

Der Film, das Leben vor der Kamera stellt für <strong>sie</strong> den<br />

Boden dar, der ihr privat entglitten ist. Im Film, so weiß<br />

<strong>sie</strong>, erhält <strong>sie</strong> den Bodenkontakt und Lebensinhalt, der<br />

<strong>sie</strong> weiter leben lässt.<br />

<strong>Romy</strong> setzt Zeichen, in ihr steckt ein Wirkungstier das<br />

ausbrechen will – sich zeigen muss.<br />

Als <strong>Romy</strong> für ihren Film „Le Train“ vor der Kamera<br />

stand <strong>war</strong> es ihre Intension, ein Signal zu setzten<br />

„gegen die Nazitypen die in Deutschland immer noch<br />

etwas zu sagen haben.“ <strong><strong>Romy</strong>s</strong> politisches<br />

Engagement und ihr unersättlicher Wissensdrang sind<br />

die Triebkräfte um das Medium Film für sich richtig<br />

einzusetzen. <strong>Romy</strong> ist nicht „feige“ - so stellt <strong>sie</strong> klar.<br />

Doch im Film ist nunmal vieles leichter über die Lippen<br />

zu bringen <strong>wie</strong> beispielsweise in einem Interview. „Im<br />

Film handele ich in einer meist erdachten und<br />

konstruierten Situation, doch ist in jeder erdachten und<br />

konstruierten Situation Wahrheit enthalten, Wahrheit die<br />

gesagt werden muss, Wahrheit die ich sagen will.“<br />

Tara vertraut <strong>Romy</strong> an: „Es ist die Aufgabe von uns<br />

Schauspielern, unser Publikum über bestehendes<br />

Unrecht aufzuklären.“<br />

So sagte <strong>sie</strong> ihrer Freundin Tara auch, das <strong>sie</strong> es nicht<br />

fassen könne, das Nazis von Einst in Deutschland auch<br />

nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, noch immer<br />

in Rang und Namen ständen. Aus dem banalen Grund,<br />

das dieses zerstörte Deutschland jeden ausgebildeten<br />

Arbeiter, Beamten und Wissenschaftler händeringend<br />

verpflichten musste. „<strong>Romy</strong> hatte sehr viel gelesen,<br />

wollte ständig auf dem Laufenden sein - informiert sein.<br />

Früher, als wir uns kennen lernten sprach <strong>sie</strong> eine<br />

Sache vielleicht ein oder zweimal an. Doch in den<br />

letzten Lebensjahren sprach <strong>sie</strong> in einer ständigen<br />

Endlosschleife. Sie <strong>wie</strong>derholte permanent bereits<br />

Gesagtes und wollte ganz sicher sein das man es auch<br />

<strong>wirklich</strong> verstanden hatte.“<br />

<strong>Romy</strong> berichtete Tara in diesen Zeiten sehr detailliert<br />

über vergangenes Geschehen. Ihre Erzählungen<br />

glichen einem Film, der vor ihrem inneren Auge ablief,<br />

den <strong>sie</strong> teilen wollte. „Heute weiß ich das <strong>Romy</strong> das tun<br />

musste, weil <strong>sie</strong> die Dinge, die sich entwickelt haben<br />

nicht mehr ertragen konnte. Besonders den Tot von<br />

ihrem Sohn David konnte <strong>sie</strong> nicht ertragen.<br />

Hinzu kamen ihre Schuldgefühle Harry Meyen<br />

gegenüber nach seinem Tot.“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> ein Borderliner, und als solche agiert <strong>sie</strong> mit<br />

dem Talent das Borderliner zu eigen haben: <strong>sie</strong> können<br />

perfekt manipulieren, meist ohne das ihr Gegenüber es<br />

bemerkt.<br />

<strong>Romy</strong> erinnerte sich an Kleinigkeiten die vor<br />

Jahrzehnten pas<strong>sie</strong>rt sind, und hatte mit diesen<br />

Nichtigkeiten einen Weg gefunden, um von ihren<br />

derzeit bestehenden Problemen abzulenken. So<br />

berichtete <strong>sie</strong> Tara in gesteigerter Häufigkeit über ihr<br />

Leben mit Delon,<br />

ihr Leben mit Harry Meyer und Daniel Biasini und<br />

darüber, das alle, außer Alain Delon, es nur auf ihr Geld<br />

abgesehen hatten. Anfangs glaubte Tara das <strong>Romy</strong><br />

sich in ihren Erzählungen so oft <strong>wie</strong>derholte, weil <strong>sie</strong><br />

Angst hatte, Tara würde es nicht oder falsch verstehen.<br />

Erst Jahre nach <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Tot wurde ihr klar das ihre<br />

permanenten Wiederholungen einfach ihre Angst <strong>war</strong>,<br />

falsch verstanden zu werden: „Sie glaube, je öfter <strong>sie</strong><br />

eine Sache sagt, desto schneller wäre man ihrer<br />

Meinung, und desto schneller würde man <strong>sie</strong> <strong>wirklich</strong><br />

verstehen. Das <strong>war</strong> es was <strong>sie</strong> brauchte, das Gefühl<br />

des <strong>wirklich</strong> verstanden werdens.“<br />

Nach Davids Tot <strong>war</strong> <strong><strong>Romy</strong>s</strong> psychische Verfassung in<br />

einem derart desolaten Zustand das <strong>sie</strong> ihren Nerven<br />

keine weiteren Probleme mehr zumuten konnte.<br />

Sie versuchte alles so weit es möglich <strong>war</strong> zu<br />

verdrängen, betäubte ihre Nerven mit Alkohol. „Ich habe<br />

mit <strong>Romy</strong> gesprochen wegen ihrem ständig<br />

ansteigenden Alkoholkonsum. Ich habe auch zu ihr<br />

gesagt <strong>sie</strong> müsse in ein Sanatorium gehen, was <strong>sie</strong><br />

dann Gott sei Dank auch tat.<br />

Doch irgendwann habe ich bemerkt ich komme nicht<br />

durch, <strong>Romy</strong> lässt das was ich sage nicht an sich ran.<br />

Ich habe mich distanziert.“<br />

Nachts lief Sie einsam und allein durch die Strassen<br />

von Paris. Wenn <strong>sie</strong> eine Telefonzelle erspäht hatte<br />

betrat <strong>sie</strong> diese und rief Tara tief in der Nacht an um ihr<br />

ihre Gedanke und Gefühle mitzuteilen. <strong>Romy</strong> leidet<br />

unter starken Albträumen, <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> Tara verrät. Sie <strong>sie</strong>ht<br />

Vater und Sohn vor sich die <strong>sie</strong> beide begraben hat, die<br />

beide viel zu früh dieses Leben verlassen haben.<br />

Bedingt durch den Konsum von Tabletten und Alkohol<br />

schleichen sich vereinzelt Halluzinationen ein gegen die<br />

<strong>Romy</strong> machtlos ist.


Tags darauf ist <strong>sie</strong> plötzlich <strong>wie</strong>der völlig klar und<br />

gesteht sich selbst ein, zu viele Tabletten und Alkohol<br />

zu sich genommen zu haben. Sie müsse endlich <strong>wie</strong>der<br />

mehr arbeiten, um das alles besser zu verarbeiten.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> bekannt dafür, dass <strong>sie</strong> sich sehr intensiv mit<br />

ihrer jeweiligen beruflichen und privaten Situation<br />

auseinander setzte und vor allem mit den Statements,<br />

die über <strong>sie</strong> geschrieben wurden. Einige dieser<br />

Aufreger schienen Tara völlig nichtig und nicht relevant,<br />

andere <strong>wie</strong>derum <strong>war</strong>en berechtigt.<br />

Die Feministin und Autorin Alice Sch<strong>war</strong>zer ließ zum<br />

Thema Feminismus kein gutes Haar an <strong>Romy</strong>. <strong>Romy</strong><br />

hätte „Männerfilme“ gemacht, so schrieb <strong>sie</strong>. Über die<br />

Aussagen Sch<strong>war</strong>zers ist auch <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Freundin<br />

Christiane Hölger erbost, über Alice Sch<strong>war</strong>zer sagt <strong>sie</strong><br />

in einem Interview: „Sie <strong>war</strong>f <strong>Romy</strong> vor, dass <strong>sie</strong> sich<br />

nicht als Lesbierin geoutet habe.“<br />

hre Affären zu Frauen stritt <strong>Romy</strong> keineswegs ab. Sie<br />

stand zu ihrer Neigung und vor allem zu ihren Gefühlen.<br />

Doch <strong>war</strong> <strong>Romy</strong>, nur weil <strong>sie</strong> lesbische Neigungen in<br />

sich trug keineswegs lesbisch, und auf keinem Fall<br />

stand <strong>sie</strong> in der Pflicht sich dieser Neigungen wegen zu<br />

outen. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> impulsiv und <strong>sie</strong> lebte intensiv - und<br />

ihre Beziehungen zu Frauen, obgleich <strong>sie</strong> manches Mal<br />

nur kurzweilig andauerten, gehörten für <strong>sie</strong> eben dazu.<br />

Heute würden wir sagen <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> Bi-sexuell, doch<br />

damals <strong>war</strong> das alles anders, die Menschen hatten<br />

einen anderen Bezug zu Homosexualität. <strong>Romy</strong> lebte<br />

ihrer Zeit weit voraus. „Unsere Kinder werden über uns<br />

lachen. Sie werden darüber lachen, <strong>wie</strong> verklemmt die<br />

Menschen in unserer Zeit <strong>war</strong>en. Ich hoffe und<br />

wünsche das die neue Generation anders ist... offen für<br />

alles... und vor allem offen für die Liebe.“<br />

Beschreibt beispielsweise heute ein Weltstar <strong>wie</strong><br />

Rihanna, oder Katy Perry in einem Song <strong>wie</strong>: „I kissed a<br />

girl“ diese Thematik, gibt es Millionen denen diese Stars<br />

damit aus der Seele sprechen. Damals hätte es das<br />

Ende der Karriere des jeweiligen Stars bedeuten<br />

können. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> eine moderne Frau der es gelungen<br />

<strong>war</strong> sich aus den Denkmustern die ihr die Familie<br />

diktiert hatte zu lösen. Ihre Eltern stammen beide aus<br />

gutbürgerlichem Hause, an so etwas wäre wahrlich<br />

nicht zu denken gewesen. Doch <strong>Romy</strong> hat dafür<br />

gekämpft jene veralteten Verhaltensmuster gänzlich<br />

über Bord zu werfen – diesen Kampf hat <strong>sie</strong> gewonnen.<br />

Für <strong>sie</strong> <strong>war</strong> es ausschlaggebend, die Dinge zu tun die<br />

ihr Gefühl von ihr verlangte und nicht jene Dinge zu tun<br />

die ihr Kopf ihr sagte. „Ich bin für jeden Fehler den ich<br />

selbst tun kann dankbar.<br />

Doch bitte lasst mich brav meine eigenen Fehler<br />

machen... im Beruf bin ich für jeden Tipp und für jeden<br />

Ratschlag dankbar. Doch privat möchte ich davon<br />

gänzlich verschont bleiben.“<br />

Das <strong>war</strong> <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Devise und danach lebte <strong>sie</strong>.<br />

Vorschriften und Bevormundungen engten <strong>Romy</strong> ein<br />

und sperrten ihren Freigeist, das Wirkungstier in ihr ein.<br />

„Ich lasse mich nicht einsperren. Von Niemandem.<br />

Weder von der Mutter, noch von dem Stiefvater, noch<br />

von meinem Mann oder der Freundin – ich lebe nur<br />

einmal... und das so <strong>wie</strong> ich es für richtig halte.“<br />

Schrieb <strong>sie</strong> ihrer Freundin Tara als Antwort auf einen<br />

mehrseitigen Brief, in welchem Tara detailliert auf<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Tabletten- und Alkohol- Problematik eingeht.<br />

„Ich habe <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Idee von Freiheit verstanden. Ich<br />

dachte und fühlte genau <strong>wie</strong> <strong>sie</strong>. Doch komme ich aus<br />

einem Land wo die Verhältnisse gravierend anders<br />

<strong>war</strong>en als in dem Land in dem <strong>Romy</strong> lebte. Auch ich<br />

habe viele Gesetze gebrochen, och konnte ich darüber<br />

nicht so offen reden <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> es konnte... das <strong>war</strong> der<br />

Unterscheid... <strong>Romy</strong> konnte das schwer verstehen.“<br />

Kurze Affären hatte <strong>Romy</strong> nach beinahe jedem Dreh,<br />

auch während ihrer vierjährigen Verlobungszeit mit<br />

Alain Delon. Sie sagt: „Nach jedem Dreh gibt es einfach<br />

noch so viel überschüssiges Gefühl. Wer behauptet<br />

eigentlich, das Nymphomanie eine Krankheit ist - <strong>sie</strong> ist<br />

in den Pausenkrisen so gesund.“<br />

Magda Schneider spricht in einem Interview über<br />

<strong><strong>Romy</strong>s</strong> Offenheit und darüber <strong>wie</strong> tolerant ihre Tochter<br />

all diese Dinge betrachtete: „Sie hielt das für normal.<br />

Sie hielt das auch für normal, dass Alain weiter Männer<br />

liebte.“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> sehr stark geprägt von Eifersucht und<br />

Besitzanspruch. Wenn <strong>sie</strong> Jemanden liebte, musste <strong>sie</strong><br />

sicher sein, das diese Person ihr mit Haut und Haaren<br />

auch <strong>wirklich</strong> gehörte. Andererseits lies <strong>sie</strong> ihrem<br />

Partner die Freiräume die <strong>sie</strong> sich selbst eingestehen<br />

wollte, solange diese für <strong>sie</strong> bedeutungslos und<br />

ungefährlich erschienen.<br />

Tara beschreibt <strong>Romy</strong> in den letzten Jahren als<br />

zerbrochenen Engel, dem man auf brutalste Art und<br />

Weise seine Flügel herausgerissen habe. Den Tot von<br />

David konnte <strong>sie</strong> nicht verstehen, <strong>sie</strong> konnte nicht<br />

verstehen <strong>wie</strong> man ihr das Wertvollste und Liebste auf<br />

der Welt entziehen konnte. <strong>Romy</strong> <strong>war</strong> getroffen und <strong>sie</strong><br />

lag am Boden, auch als viele Monate nach Davids Tot<br />

vergangen <strong>war</strong>en <strong>war</strong> es ihr nicht möglich darüber zu<br />

reden.


Sie sprach sehr viel über David, Harry, über die<br />

glücklichen Jahre. Auch darüber, das alles was danach<br />

kam nicht <strong>wie</strong> von ihr erhofft eine Verbesserung,<br />

sondern das genaue Gegenteil darstellte. „Es <strong>war</strong> so<br />

grausam, David, der Unfall, ich weiß noch genau... ich<br />

will versuchen es dir zu sagen... aber bitte verstehe<br />

auch wenn ich es nicht kann, dann geh bitte... lass mich<br />

dann allein.“<br />

<strong>Romy</strong> rauchte während dieser Zeit Kette, <strong>sie</strong> brauchte<br />

die permanente Sicherheit sich an etwas festhalten zu<br />

können. „Ich erinnere mich <strong>wie</strong> ich damals David<br />

kennen gelernt habe. Anfangs als lebhaftes Kind und<br />

später als einen hübschen kleinen jungen Mann, der<br />

redete <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong>, pausenlos.“<br />

David hörte nie auf zu reden, genau <strong>wie</strong> <strong>Romy</strong> hatte<br />

auch er ein sehr stark ausgeprägtes<br />

Mitteilungsbedürfnis. Auch an jenem Tag, an dem er<br />

das Licht dieser Welt für immer verlassen musste hörte<br />

er nicht auf zu reden. Die Schmerzen, der Unfall, das<br />

alles <strong>war</strong> zu viel für einen Jungen im zarten Alter von<br />

vierzehn Jahren. Er wollte nicht weinen, er wollte nicht<br />

schreien, nur reden um sicher zu sein, das alles<br />

vielleicht doch nicht so schlimm <strong>war</strong> <strong>wie</strong> es vorgab zu<br />

sein.<br />

Während der rasenden Fahrt ins Krankenhaus nach St.<br />

Germain-en laye erlosch seine zarte bubenhafte<br />

Stimme. Er schloss die Augen, die Sanitäter initiierten<br />

ihm eine Narkosespritze aus der er nie <strong>wie</strong>der<br />

erwachte. Als der Rettungswagen das Krankenhaus<br />

erreichte, <strong>war</strong> David bereits nicht mehr am Leben.<br />

„Die Ärzte, die Retter, die Engel in Weiß... <strong>sie</strong> konnten<br />

nichts mehr tun... <strong>sie</strong> haben meinen Sohn verloren... ich<br />

habe mein Kind für immer verloren.“<br />

Die Ärzte überbrachten <strong>Romy</strong> die unfassbare Nachricht<br />

und wandten sich sogleich von ihr ab. Die Familie<br />

wandte sich von ihr ab, weil auch <strong>sie</strong> nicht wussten <strong>wie</strong><br />

<strong>sie</strong> das unfassbare begreifen sollten. Weil <strong>sie</strong> nicht<br />

wussten <strong>wie</strong> in aller Welt mit einer Frau umzugehen die<br />

ohnehin so sehr sensibel und so zerbrechlich <strong>war</strong>. Was<br />

würde <strong>sie</strong> er<strong>war</strong>ten? Wie sollten <strong>sie</strong> <strong>Romy</strong> helfen? Sie<br />

würden ihr Worte sagen, Worte die von Herzen<br />

kommen, Worte die ihr den Beistand geben den <strong>sie</strong><br />

braucht. Doch <strong>wie</strong> würden diese Worte bei <strong>Romy</strong><br />

ankommen?<br />

„Doch er <strong>war</strong> da, er hat mich nie verlassen. In der<br />

schlimmsten Zeit meines Lebens <strong>war</strong> Alain da, und er<br />

<strong>war</strong> der einzige Mensch, der bedingungslos für mich da<br />

<strong>war</strong>.<br />

Die Leidenschaft die Liebe zu ihm ist verloren<br />

gegangen, doch das Band zwischen uns ist<br />

gewachsen.“<br />

Delon kümmert sich um <strong>Romy</strong> und erledigt sämtliche<br />

Formalitäten für <strong>sie</strong>. David Christopher erweist er die<br />

letzte Ehre und schützt <strong>Romy</strong> mit Bodyguards vor den<br />

gierigen Blicken der Presse, die nicht davor zurück<br />

schreckte, eine Mutter auf dem schwersten Weg ihres<br />

Lebens mit der Kamera zu jagen, <strong>sie</strong> zu verfolgen.<br />

„Ich kann darüber nicht nachdenken... ich fühle mich so<br />

leer... ich glaube ich habe keine Tränen mehr die ich<br />

noch vergießen kann... ich habe <strong>sie</strong> alle vergossen... es<br />

gibt einfach noch zu viel was ich nicht verstehen kann...<br />

ich kann es einfach nicht verstehen.“<br />

Da <strong>war</strong> immer <strong>wie</strong>der David, über dessen Tot <strong>sie</strong> nicht<br />

sprechen konnte und doch sprechen wollte. Nur<br />

brockenweise konnte <strong>Romy</strong> sich überwinden, über die<br />

Geschehnisse von damals zu reden. Was danach folgte<br />

<strong>war</strong> meist eine lange Stille die in einem schrecklichen<br />

Schluchzen endete, so dass <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Stimme in weinen<br />

und schreien zerbrach.<br />

An jenem letzten Abend der beiden Freundinnen<br />

berichtete <strong>Romy</strong> ihr auch zum ersten Mal <strong>wie</strong> es<br />

<strong>wirklich</strong> um ihre Gesundheit bestellt <strong>war</strong>. „Meine rechte<br />

Niere <strong>war</strong> komplett befallen, ein Tumor. Man hatte mir<br />

gesagt das diese Operation kompliziert und gefährlich<br />

sein wird... man hat mir aber auch gesagt das ich gar<br />

keine andere Wahl habe.“<br />

.<strong>Romy</strong> litt lange Zeit nach der Operation unter sehr<br />

starken Schmerzen die ihre ohnehin schon starken<br />

Depressionen verschlimmerten. Grausam <strong>war</strong>en auch<br />

die Bedingungen unter denen man <strong>Romy</strong> erlaubte das<br />

Krankenhaus zu verlassen: Lebenslange Diät und<br />

lebenslänglicher Verzicht auf den geliebten Rotwein.<br />

Eine lange über den Hüftknochen verlaufende Narbe<br />

wird bleiben – ein Leben lang. „Mein Gesicht kommt mir<br />

so aufgedunsen vor... seit der OP, meine Augen<br />

werden immer kleiner... die Ärzte führen das auf meinen<br />

Alkoholkonsum zurück.<br />

Doch das glaube ich nicht. Ich glaube das hängt alles<br />

auf eine ganz merkwürdige Art und Weise zusammen...<br />

die Nierenoperation und mein körperlicher Zerfall... ich<br />

wache nachts auf und ich habe Angst... Angst davor zu<br />

zerfallen... körperlich... nervlich... in allem zu zerfallen.“


„David, <strong>war</strong> ihre große Liebe, ihr Leben, ihre Zukunft.<br />

Jeder der <strong>Romy</strong> kannte wusste das. Wir redeten über<br />

sehr viele Dinge an diesem, unseren letzten Abend...<br />

<strong>Romy</strong> wechselte von einem Thema zum Nächsten... es<br />

<strong>war</strong> als säße David im Raum... ich fühlte mich ihm so<br />

nah... das ich es nicht beschreiben kann.“<br />

<strong>Romy</strong> sprach aus was ihr in diesen Momenten gerade<br />

durch den Kopf ging. Das primäre Thema ihres<br />

Gespräches – David, doch um dem Gefühl des nach<br />

und nach verrückt werdens zu entfliehen, musste <strong>sie</strong><br />

immer <strong>wie</strong>der springen – zu einem anderen Thema mit<br />

dem <strong>sie</strong> ebenfalls noch nicht abgeschlossen hatte. „Ich<br />

<strong>war</strong> blind vor Liebe... Biasini – und ich habe David damit<br />

verletzt. Ich habe meinem Kind weh getan... David<br />

mochte ihn ja! Doch er hätte sich nichts sehnlicher<br />

gewünscht als bei seinem Vater zu bleiben... unsere<br />

kleine Familie... und ich habe das kaputt gemacht. Ich<br />

hab alles kaputt gemacht.“<br />

<strong>Romy</strong> klammerte sich an Daniel und wollte mit ihm eine<br />

gemeinsame Film-Produktionsfirma gründen. Der Name<br />

<strong>Romy</strong> Schneider <strong>war</strong> das Zugpferd dieser<br />

Produktionsfirma. Anfragen kamen – doch wurden <strong>sie</strong><br />

nie reali<strong>sie</strong>rt. Hildegard Knef betitelt in ihrem Buch<br />

‚<strong>Romy</strong> – Betrachtungen eines Lebenswegs‘ Daniel<br />

Biasini als einen „offenbar kokainsüchtigen<br />

Nachtclubvogel“. <strong>Romy</strong> tat alles dafür, so sagte <strong>sie</strong> es<br />

ihren Freundinnen Hildegard Knef und auch Tara , um<br />

Biasinis Ruf als „Nachtclubvogel“ und „Gigolo“ zu<br />

entkräften. In ihrem Buch über <strong>Romy</strong> Schneider sagt<br />

Hildegard Knef: „Sie setzt das Gerücht in die Welt von<br />

der neuerlichen Tätigkeit ihres Gatten.“<br />

Während <strong>Romy</strong> damit beschäftigt <strong>war</strong> alles Notwendige<br />

zu tun, um den Ruf ihres Mannes <strong>wie</strong>der herzustellen<br />

amü<strong>sie</strong>rte sich dieser mit willigen Mannequins auf<br />

Partys in Pariser Nachtclubs.<br />

Hildegard Knef <strong>sie</strong>ht sich nach all den Geschehnissen<br />

mit Biasini in ihrer Meinung bekräftigt, das Harry Meyen<br />

„die Erfüllung ihres Lebens geworden wäre.“<br />

Keineswegs soll der Gedanke aufkommen das<br />

Hildegard Knef zu dieser Aussage greift weil <strong>sie</strong> und<br />

Meyen enge Freunde <strong>war</strong>en. Sie kannte Harry sehr gut<br />

und <strong>sie</strong> kannte <strong>Romy</strong> sehr gut und im Laufe der Jahre<br />

erschien es ihr immer deutlicher, <strong>wie</strong> optimal diese<br />

beiden Menschen zueinander passten. Tara<br />

gegenüber sagte Hildegard Knef einmal: „Mit Harry zog<br />

<strong>Romy</strong> meist an einem Strang, beruflich <strong>wie</strong> auch privat.<br />

Natürlich gab es Zerwürfnisse... doch zeige mir die Ehe<br />

die frei von Zerwürfnissen und frei von<br />

Meinungsverschiedenheiten ist.“<br />

Er hatte dieselbe Ernsthaftigkeit was alle Fragen ihres<br />

Berufes anbelangte. Im Gegensatz zu Biasini, dessen<br />

Freizeitbeschäftigung sich auf das Aufsuchen von Bars<br />

beschränkte. <strong>Romy</strong> konnte mit diesem, seinem<br />

Lebensinhalt wenig anfangen – um es genauer zu<br />

beschreiben, er <strong>war</strong> ihr verhasst.<br />

Tara erinnert sich: <strong>Romy</strong> konnte sehr wütend werden<br />

wenn Freunde von ihr länger in einer solchen Lokalität<br />

verweilen wollten als <strong>sie</strong> selbst. Sie wollte dann immer<br />

sehr schnell weggehen, <strong>sie</strong> konnte die Menschen und<br />

den Lärm um sich herum nicht ertragen. Im Gegensatz<br />

zu Daniel bevorzugte <strong>Romy</strong> ruhige Restaurants wo <strong>sie</strong><br />

sich mit jenen Menschen die ihr wichtig <strong>war</strong>en traf - um<br />

zu reden und in Ruhe ein Glas Wein zu trinken, eben<br />

ernsthafte Gespräche zu führen.<br />

„Wenn <strong>Romy</strong> gehen wollte hatte man zwei<br />

Möglichkeiten: Entweder, man lies auf der Stelle alles<br />

stehen und liegen und ging mit ihr – oder man blieb<br />

und <strong>Romy</strong> drehte sich auf dem Absatz um und ging.“<br />

Das <strong>war</strong> nicht immer so, erinnert sich Tara heute.<br />

Keinerlei Probleme hatte <strong>Romy</strong> bis in den frühen<br />

Morgenstunden in einem Restaurant mit gedämpfter<br />

Musik, einem guten Wein und möglichst wenigen<br />

Menschen zu verweilen.<br />

<strong>Romy</strong> liebte es bei leiser Musik ein elegantes Ambiente<br />

zu betrachten und sich voll und ganz ihrem Gegenüber<br />

zu widmen. „Ich brauche nicht viele Menschen um mich<br />

herum.“<br />

Tara gegenüber suchte <strong>Romy</strong> den Hauptgrund für das<br />

Scheitern ihrer Ehe an diesem kleinen, aber doch so<br />

feinen Unterschied. „Daniel liebt die Clubs dieser<br />

Stadt... und Menschen... viele Menschen... ich liebe <strong>sie</strong><br />

nicht... ich hasse das alles...“ „Weißt du Tara, ich habe<br />

drei Narben<br />

. Eine habe ich mir selbst zugefügt... mit meinem<br />

Leben, damit meine ich meinen Lebensstil - meine<br />

Niere - die Narbe an meiner Hüfte.<br />

Die Zweite hat Delon mir zugeführt, die Kleine an<br />

meinem Handgelenk. Wegen ihm wollte ich mir die<br />

Pulsadern aufschneiden... die Dritte – mein Herz... mein<br />

Herz besteht nur noch aus Narben... DAVID!!!“


„<strong>Romy</strong> öffnete an diesem Abend die dritte Flasche<br />

Rotwein die <strong>sie</strong> gemeinsam mit Tara leeren wollte. Sie<br />

wurde sentimental, suchte nach Schuld, bei sich selbst,<br />

an Davids Tot. „Wäre ich damals bei Harry geblieben,<br />

dann hätte er sich nie das Leben genommen... und<br />

mein Kind, mein Kind würde leben...??? Doch Sarah,<br />

Sarah hätte es nicht gegeben... und ich liebe Sarah...<br />

doch ich kann das alles nicht verstehen. ALLES! ALLES<br />

was pas<strong>sie</strong>rt ist!“<br />

Die Zeit mit Harry <strong>war</strong> eine ruhige und gediegene Zeit,<br />

alles was <strong>Romy</strong> zunächst langweilig erschien, <strong>war</strong><br />

genau das was <strong>sie</strong> in späteren Jahren zu vermissen<br />

begann. Sie sagte, <strong>sie</strong> habe erst viel später gelernt, das<br />

was <strong>sie</strong> hatte, zu schätzen. Die Familie, so betonte <strong>sie</strong><br />

ginge ihr über alles, nur irgendwann hatte <strong>sie</strong> den Punkt<br />

erreicht wo das „Wirkungstier“ in ihr ausbrechen<br />

musste. „Mit Harry saß ich mit einer Flasche Rotwein<br />

auf dem Sofa, die Musik tönte leise aus dem<br />

Plattenspieler und wir haben geredet – über alles<br />

geredet. Daniel hat dies alles nichts gegeben. Nein. Ihm<br />

hat das nie etwas bedeutet, am Anfang vielleicht... aber<br />

auf Dauer konnte er seine Bedürfnisse eben nicht<br />

unterdrücken. Mit ihm konnte ich das nicht, er fühlte<br />

sich von den Klängen laut tönender Musik aus den<br />

sogenannten „In- Bars“ angezogen.“<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> auf der Suche eine Erklärung für alles was<br />

pas<strong>sie</strong>rt <strong>war</strong> zu finden. Dabei ging es für <strong>sie</strong> immer<br />

<strong>wie</strong>der um die Frage der Schuldzuweisung. Tara<br />

versuchte ihr zu verdeutlichen, ihr zu erklären das es für<br />

<strong>sie</strong> keine Schuld gibt. Das Leben schreibt die<br />

grausamsten Geschichten, <strong>sie</strong> zu erklären ist<br />

unmöglich. Warum pas<strong>sie</strong>ren Dinge so <strong>wie</strong> <strong>sie</strong><br />

pas<strong>sie</strong>ren? Warum gehen geliebte Menschen viel zu<br />

früh? Warum verlassen wir jemanden den wir eigentlich<br />

lieben – <strong>war</strong>um werden wir verlassen von dem was wir<br />

am meisten lieben? Das alles sind Fragen auf die wir<br />

keine Antwort finden können...<br />

Wie viele Straßen auf dieser Welt sind Straßen voll<br />

Tränen und Leid?<br />

Wie viele Meere auf dieser Welt sind Meere der<br />

Traurigkeit?<br />

Wie viele Mütter sind lang schon allein und <strong>war</strong>ten und<br />

<strong>war</strong>ten noch heut‘?<br />

Die Antwort, mein Freund weiß ganz allein der Wind.“<br />

(Bob Dylan)<br />

Da <strong>Romy</strong> die Antworten auf ihre Fragen nicht finden<br />

konnte hatte <strong>sie</strong> das Bedürfnis das Thema ganz schnell<br />

in eine andere Richtung zu lenken. Langsam blies <strong>sie</strong><br />

den Rauch ihrer Zigarette aus und schweifte ab in ein<br />

anders Thema – ihren Beruf.<br />

Gibt es Vorhersehung?<br />

Oder Menschen die den Lebensweg eines jeden<br />

Menschen vorhersehen können?<br />

Wenn es <strong>sie</strong> geben sollte kam der Fernsehredakteur<br />

Hans-Jürgen Syberberg diesem Können sehr nah. Er<br />

erhielt Ende der 60er Jahre den Auftrag eine Portrait<br />

über <strong>Romy</strong> Schneider zu drehen.<br />

Den Auftrag zu diesem Portrait erteilte ihm <strong>Romy</strong><br />

Schneider selbst.<br />

Syberberg schien machtlos gegen <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

„Schauspielergeschwafel“ . Sie berichtete ihm detailliert<br />

über das Fühlen und Denken eines Schauspielers. „Ich<br />

hab nicht mehr die Kraft, ich will auch nicht mehr... ich<br />

meine Paris, ich werde immer <strong>wie</strong>der mal hingehen,<br />

aber dann ist es aus, ich bin kein Großstadtmensch...<br />

ich möchte Theater spielen, ja, ich habe eine<br />

Scheißangst davor, aber ich möchte so gerne... aber<br />

das hab ich ja alles gewollt. Wenn das möglich<br />

gewesen wäre, hätte ich doch schon mit <strong>sie</strong>ben Jahren<br />

‚Peterchens Mondfahrt‘ gespielt, ich hab auch in der<br />

Schule nur gespielt... ich hätte ja immer nur ja sagen<br />

müssen... und da schwimmen wir halt in derselben<br />

lau<strong>war</strong>men Brühe, und das ist ja <strong>wirklich</strong> deutsch...“<br />

Unbewusst schweift Syberberg den Focus von <strong>Romy</strong><br />

ab und filmt die Umgebung neben <strong>Romy</strong>. Sie befinden<br />

sich in Kitzbühel, <strong>Romy</strong> ist Seilbahn gefahren und redet<br />

über ihr Leben, die Schauspielerei und über ihre<br />

Ängste. Die Worte prasseln nur so aus ihrem Mund,<br />

Syberberg schweift ab und filmt Landschaften und den<br />

Boden unter <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Füßen.<br />

Klumpige Schneereste die sich zu Matsch entwickelt<br />

haben gerieten ihm vor die Linse. Es <strong>war</strong>en keine<br />

„Zufallsaufnahmen“. Syberberg hatte <strong>Romy</strong> <strong>wirklich</strong><br />

gesehen, er hatte ein tiefes Verständnis für <strong>Romy</strong> und<br />

einen tiefen Bezug zu dem was <strong>sie</strong> sagte.<br />

Der reine weiße Schnee, das <strong>war</strong> ein Sinnbild für die<br />

reine junge <strong>Romy</strong> Schneider. Der Matsch, den er<br />

wenige Sekunden später aufgezeichnet hatte, das<br />

Sinnbild für die innerliche Leere und Zerrissenheit der<br />

<strong>Romy</strong> Schneider.


Harry Meyen durchblickte die Intension Syberbergs<br />

sofort und lies den Film mit seinen ursprünglichen<br />

Inhalten verbieten. Er konnte nicht zulassen das der für<br />

Glamour und Ruhm stehende Star <strong>Romy</strong> Schneider in<br />

seinem tiefsten Seelenleben durchleuchtet wird. Die<br />

innere Zerrissenheit, die tiefe Traurigkeit der <strong>Romy</strong><br />

Schneider sollten keinem Journalisten dieser Welt den<br />

Raum für eine mögliche Angriffsfläche bieten.<br />

<strong>Romy</strong> <strong>war</strong> besessen von der Sucht nach Liebe, und der<br />

Sucht nach Applaus und nach immer und immer mehr<br />

von allem. Der Punkt wo <strong>sie</strong> sagen konnte: „Das ist gut,<br />

das habe ich erreicht, das habe ich geschafft“<br />

Sie musste ständig einen Schritt weitergehen, eine<br />

Stufe höher gehen und vor allem musste <strong>sie</strong> eins: höher<br />

fliegen. Zeit ihres Lebens hatte <strong>sie</strong> die Kraft immer<br />

schneller immer weiter zu gehen, doch am Ende ihres<br />

Lebens hatte auch diese Kraft <strong>sie</strong> verlassen. „Ich habe<br />

<strong>Romy</strong> kennen gelernt als eine Frau mit unendlicher<br />

Energie, einer Ausstrahlung die einen jeden in seinen<br />

Bann zog. Sie <strong>war</strong> ein Engel der sehr hoch fliegen<br />

konnte. Das <strong>war</strong> meine Freundin <strong>Romy</strong>... bei unserem<br />

letzten Treffen und den darauf folgenden Telefonaten,<br />

es <strong>war</strong>en sehr wenige, wurde mir immer klarer, das<br />

mein Engel seine Flügel verloren hatte.“<br />

Da <strong>Romy</strong> die Antworten auf ihre Fragen nicht finden<br />

konnte hatte <strong>sie</strong> das Bedürfnis das Thema ganz schnell<br />

in eine andere Richtung zu lenken. Langsam blies <strong>sie</strong><br />

den Rauch ihrer Zigarette aus und schweifte ab in ein<br />

anders Thema – ihren Beruf.<br />

Gibt es Vorhersehung?<br />

Oder Menschen die den Lebensweg eines jeden<br />

Menschen vorhersehen können?<br />

Wenn es <strong>sie</strong> geben sollte kam der Fernsehredakteur<br />

Hans-Jürgen Syberberg diesem Können sehr nah. Er<br />

erhielt Ende der 60er Jahre den Auftrag eine Portrait<br />

über <strong>Romy</strong> Schneider zu drehen.<br />

Den Auftrag zu diesem Portrait erteilte ihm <strong>Romy</strong><br />

Schneider selbst.<br />

Syberberg schien machtlos gegen <strong><strong>Romy</strong>s</strong><br />

„Schauspielergeschwafel“ . Sie berichtete ihm detailliert<br />

über das Fühlen und Denken eines Schauspielers. „Ich<br />

hab nicht mehr die Kraft, ich will auch nicht mehr... ich<br />

meine Paris, ich werde immer <strong>wie</strong>der mal hingehen,<br />

aber dann ist es aus, ich bin kein Großstadtmensch...<br />

ich möchte Theater spielen, ja, ich habe eine<br />

Scheißangst davor, aber ich möchte so gerne... aber<br />

das hab ich ja alles gewollt. Wenn das möglich<br />

gewesen wäre, hätte ich doch schon mit <strong>sie</strong>ben Jahren<br />

‚Peterchens Mondfahrt‘ gespielt, ich hab auch in der<br />

Schule nur gespielt... ich hätte ja immer nur ja sagen<br />

müssen... und da schwimmen wir halt in derselben<br />

lau<strong>war</strong>men Brühe, und das ist ja <strong>wirklich</strong> deutsch...“<br />

Unbewusst schweift Syberberg den Focus von <strong>Romy</strong><br />

ab und filmt die Umgebung neben <strong>Romy</strong>. Sie befinden<br />

sich in Kitzbühel, <strong>Romy</strong> ist Seilbahn gefahren und redet<br />

über ihr Leben, die Schauspielerei und über ihre<br />

Ängste. Die Worte prasseln nur so aus ihrem Mund,<br />

Syberberg schweift ab und filmt Landschaften und den<br />

Boden unter <strong><strong>Romy</strong>s</strong> Füßen.<br />

Klumpige Schneereste die sich zu Matsch entwickelt<br />

haben gerieten ihm vor die Linse. Es <strong>war</strong>en keine<br />

„Zufallsaufnahmen“. Syberberg hatte <strong>Romy</strong> <strong>wirklich</strong><br />

gesehen, er hatte ein tiefes Verständnis für <strong>Romy</strong> und<br />

einen tiefen Bezug zu dem was <strong>sie</strong> sagte.<br />

Der reine weiße Schnee, das <strong>war</strong> ein Sinnbild für die<br />

reine junge <strong>Romy</strong> Schneider. Der Matsch, den er<br />

wenige Sekunden später aufgezeichnet hatte, das<br />

Sinnbild für die innerliche Leere und Zerrissenheit der<br />

<strong>Romy</strong> Schneider.


20<br />

ROMY SCHNEIDER


1. juni 1952<br />

"Ich bin wütend.<br />

Ich bin unglücklich!<br />

Ich glaube,ich könnte - ich weiß nicht was. Ich weiß nicht einmal, was für einen Tag wir heute haben,<br />

Mittwoch, natürlich. Sonst hätten wir nicht frei. Mittwoch, das ist der einzige Tag, an dem wir nachmittags tun<br />

und lassen können, was uns Spaß macht. Ich wünschte manchmal, ich wäre schon raus aus diesem Pensionat.<br />

Der Tag fing schon so dumm an.<br />

Ich habe glatt verschlafen und nicht einmal gehört, daß die Frau Präfektin geläutet hat.<br />

6.30 Uhr, Aufstehen!<br />

Da drehen sich ja selbst die Hühner noch einmal auf der Stange um. Hühner sind <strong>wirklich</strong> dumm. Ich möchte<br />

später nicht einmal <strong>wie</strong> <strong>sie</strong> in dem Ruf stehen, Frühaufsteher zu sein. Ich werde immer bis zehn Uhr schlafen<br />

und mir dann das Frühstück ans Bett bringen lassen. (...) "<br />

Tagebuch Auszug Rosemarie Albach / Goldenstein


20. Mai 1954<br />

"Mir ist so als hätte ich einen Schwips. Ich weiß auch nicht, ob ich nun glücklich sein soll oder traurig. Ich weiß<br />

auch nicht, ob ich das alles schreiben soll. Aber ich muß einfach, damit es mir von der Seele wegkommt.<br />

Eigentlich ist es ein häßlicher Beruf - Filmschauspielerin. Schauspielern! Man muß mit ganzem Herzen<br />

dabeisein. Und irgendwann einmal darf man es doch <strong>wie</strong>der nicht. Man sitzt oder man steht oder man schreit<br />

oder man weint. Man muß sich richtig gehenlassen"


20<br />

Die persönlichen<br />

Aufzeichnungen...


20<br />

Die persönlichen<br />

Aufzeichnungen...


20<br />

Das Drehbuch<br />

"Sissi"


Autorin Ariane Rykov<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv<br />

Bisher erschienen:<br />

2010 <strong>Romy</strong> Lebt<br />

2016 <strong>Bühne</strong> des Lebens (<strong>Romy</strong> Schneider, Marilyn<br />

Monroe und Jerzy Grotowski)<br />

2018 80 Jahre <strong>Romy</strong> Ich werde weiterleben und das<br />

richtig gut (Teil1)<br />

2018 Rosemarie, Sissi, <strong>Romy</strong>


Bildnachweis<br />

Cover Titelbild: (©) <strong>Romy</strong> Schneider Archiv<br />

Cover Innenteil (Teil2) :(©) Rainer Waldkirch<br />

Backcover: <strong>Romy</strong> Schneider Skizze / <strong>Romy</strong> Schneider Archiv / Uwe Marcus Rykov<br />

Sämtliche Bilder werden nacheinander folgend den jeweilig ermittelten Rechteinhaber zuge<strong>wie</strong>sen und aufgelistet.<br />

Nicht alle Inhaber von Fotos oder sonstigen Rechten konnten ermittelt werden, <strong>sie</strong> werden gebeten,<br />

eventuelle Ansprüche geltend zu machen.<br />

(©) <strong>Romy</strong> Schneider Archiv Bild: 1,3,5-9,16,17,20,24,26,31,32<br />

(©) Benno Wundshammer Bild: 2,18,19<br />

(©) Zeitungsberichte RSA Archiv Bild : 4<br />

(©) Stasi Akte R. Schneider Bild: 10-13<br />

(©) Helmut Neuper Bild: 14,30<br />

(©) Kurt Will Bild: 15<br />

(©) Foto Apis, RSA Archiv Bild: 21<br />

(©) Filmplakate Bild: 22,25,27,28,29<br />

(©) Gedichte, Briefe R. Schneider Bild: 33-40<br />

(©) Drehbuch Sissi Bild: 41-45<br />

(©) Szenenfotos Sissi Bild: 46,47<br />

Quellnachweis<br />

Alle autobiografisch verwendeten Zitate aus Interviews mit/über <strong>Romy</strong> Schneider, Harry Meyen, Alain Delon, Hildegard Knef und<br />

weiteren im Inhalt genannten Personen werden nicht gesondert aufgelistet. Die jeweiligen Passagen sind lediglich als Zitat markiert.<br />

Ich <strong>Romy</strong>, Tagebuch meines Lebens<br />

Henschel Verlag 1990, Herausgegeben von Renate Seidl ISBN: 3-362-00485-7<br />

Der Fall <strong>Romy</strong> Schneider Herausgegeben von Michael Jürgs, 1. Auflage August 2008 Copyright: Ulstein Buchverlage GmbH Berlin<br />

2008 ISBN: 978-3-548-37217-4<br />

<strong>Romy</strong> – Betrachtung eines Lebenswegs Herausgegeben von Hildegard Knef,<br />

Copyright: Albrecht Knaus Verlag, Hamburg Auflage von 1984 ISBN: 3-453-01891-5<br />

Akte des Mfs, Stasi Akte <strong>Romy</strong> Schneider, Bittler Behörde Berlin<br />

Abgeheftete und zen<strong>sie</strong>rte Interviews mit <strong>Romy</strong> Schneider<br />

Aktenzeichen Nr. BstU 000240 BZ.-WB.30.09.1976<br />

DER SPIEGEL 21/2007 <strong>Romy</strong> Schneider Die Königin der Schmerzen<br />

von: Matussek, Matthias und Beier, Lars-Olav<br />

Dokumentarfilm: <strong>Romy</strong> Schneider Eine Nahaufnahme<br />

Dokumentarfilm: <strong>Romy</strong> Schneider Die letzten Tage einer Legende<br />

DER SPIEGEL Interview mit Jean-Claude Brialy vom 29.05.2007<br />

Interview: Lars-Olav Beier, Stefan Simons<br />

DER SPIEGEL vom 25.05.2007 Robert Lebeck, „Das Tragische ist Interessant“<br />

Interview: Peter Luley<br />

Interview mit Alain Delon/ BUNTE/ 28.10.2009 „<strong>Romy</strong> Schneiders Tot <strong>war</strong> eine Erlösung“


BEITRITTSERKLÄRUNG<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.v<br />

Hubertusallee 24<br />

14193 Berlin<br />

Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im Verein <strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.v<br />

Mitgliedsdaten:<br />

Vorname:........................................................................................................................................<br />

Nachname:.....................................................................................................................................<br />

Straße und Hausnummer:..............................................................................................................<br />

Postleitzahl und Wohnort:..............................................................................................................<br />

Geburtsdatum:.................../.................../...................<br />

Telefon Festnetz:............................................................................................................................<br />

Telefon Mobil:.................................................................................................................................<br />

E-Mail:............................................................................................................................................<br />

Die einmalige Aufnahmegebühr beträgt 49 € (neunundvierzig Euro).<br />

Jährliche Beiträge:<br />

Der Mitgliedsbeitrag ist jedes Jahr zu folgendem Zeitpunkt fällig: bis zum 10.des Monats<br />

Mit der Speicherung meiner Daten im Rahmen der Satzung bin ich einverstanden, ebenso mit der Veröffentlichung auf der<br />

Homepage des Vereins www.romyschneiderarchiv.com und der Weitergabe an andere Vereinsmitglieder.<br />

Bankverbindung des Vereins <strong>Romy</strong> Schneider Archiv e.v<br />

Bitte überweisen Sie den Mitgliedsbeitrag auf folgendes Konto:<br />

Kreditinstitut: Fidor Bank<br />

Kontoinhaber: <strong>Romy</strong> schneider Archiv / Uwe Marcus Rykov<br />

Verwendungszweck: Mitgliedsbeitrag<br />

IBAN: IBAN: DE88 7002 2200 0071 6981 49<br />

BIC: BIC: FDDODEMMXXX<br />

Ort, Datum<br />

......................................................................................<br />

Unterschrift<br />

.......................................................................................<br />

(bei Minderjährigen Unterschrift eines gesetzlichen Vertreters)


Impressum<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

80 Jahre <strong>Romy</strong> Schneider / Sondermagazin <strong>Romy</strong> Schneider Archiv, ZeitBlatt Magazin<br />

Idee und Konzept:<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

Layout, Design: Uwe Marcus Rykov<br />

Text: Ariane Rykov-vonNiepello<br />

<strong>Romy</strong> Schneider Archiv<br />

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Copyright 2018. Alle Rechte beim Verlag<br />

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80 Jahre <strong>Romy</strong><br />

<strong>Romy</strong> Schneider<br />

Unvergessen, wunderschön und an Tragödien verzweifelt fasziniert die<br />

erfolgreiche Schauspielerin auch viele Jahre nach ihrem Tod noch. In ihrem<br />

bewegten Leben folgte Triumph, eine späte Tragik voller Schicksalsschläge<br />

und tief empfundener Einsamkeit.<br />

Wir haben die Stationen in ihrem Leben in einem Sonderheft mit vielen<br />

persönlichen Bilden und unveröffentlichen Materialien zu ihrem<br />

80.Geburtstag festgehalten.

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