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atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2019

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<strong>atw</strong> Vol. 64 (2019) | Issue 4 ı April<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 210<br />

UVP-Richtlinie erfüllt sei (wird von<br />

Beckmann verneint) oder ob jedenfalls<br />

der Maßnahmebegriff der Espoo-<br />

Konvention angenommen werden<br />

könne. Fazit bei ausländischen KKW:<br />

Man müsse im Einzelfall prüfen, wie<br />

die Genehmigung des betreffenden<br />

KKW geregelt sei.<br />

Gregor Franßen, Heinemann &<br />

Partner Rechtsanwälte – PartnerschaftsG<br />

mbB, beschäftigte sich<br />

anschließend mit „Rechtsschutz und<br />

Beweislast in multipolaren Rechtsverhältnissen“.<br />

Den Hintergrund<br />

dieses Beitrags bilden Verwaltungsgerichtsverfahren,<br />

in denen über den<br />

Zugang zu entscheidungserheblichen<br />

In<strong>for</strong>mationen sowie über die prozessualen<br />

Folgen für das Hauptsacheverfahren<br />

im Falle des zu Recht<br />

verweigerten Zugangs gestritten wird.<br />

Franßen erläuterte die Defizite der<br />

aktuellen Rechtslage (§§ 99, 100<br />

VwGO) anhand atomrechtlicher<br />

Streitverfahren, bei denen es um die<br />

Verweigerung von in der Regel<br />

geheimhaltungsbedürftigen In<strong>for</strong>mationen<br />

gehe, die den gesetzlich als<br />

Zulassungsvoraussetzung ge<strong>for</strong>derten<br />

Schutz gegen Störmaßnahmen und<br />

sonstige Einwirkungen Dritter<br />

(SEWD) sicherstellen sollen. Zur<br />

Klärung der behördlichen Verweigerung<br />

des In<strong>for</strong>mationszugangs sehe<br />

§ 99 Abs. 2 VwGO ein „In- camera“-<br />

Zwischenverfahren vor. Werde die<br />

Verweigerung des Zugangs bestätigt,<br />

werde der Kläger, der den Zugang<br />

begehre, in seinem Grundrecht auf<br />

effektiven Rechtsschutz beschränkt.<br />

Im umgekehrten Falle werde die<br />

geheimhaltungsbedürftige In<strong>for</strong>mation<br />

dem Gericht bekannt und gelange<br />

über § 100 VwGO zur Kenntnis des<br />

Klägers. Damit werde das öffentliche<br />

Geheimhaltungsinteresse, das Geheimhaltungsinteresse<br />

des Genehmigungsinhabers<br />

wie auch der verfassungsrechtlich<br />

gebotene Schutz von<br />

Grundrechten Dritter im potentiellen<br />

Einwirkungsbereich der betroffenen<br />

kerntechnischen Anlage konterkariert.<br />

Ein Bekanntwerden sicherheitsrelevanter<br />

SEWD-In<strong>for</strong>mationen<br />

gefährde die Sicherstellung des er<strong>for</strong>derlichen<br />

Schutzes. Unter Hinweis auf<br />

den Beitrag von Dr. Dieter Sellner zum<br />

„In-camera“-Verfahren in Bezug auf<br />

geheimhaltungsbedürftige In<strong>for</strong>mationen<br />

mit hohem Risikopotential<br />

(EuRUP 2018, S. 100 ff) schlug<br />

Franßen als Lösung ein „In- camera“-<br />

Hauptsacheverfahren vor. Komme das<br />

Hauptsachegericht dabei zu dem<br />

Ergebnis, die In<strong>for</strong>mationen seien zu<br />

Recht verweigert worden, erhalte es<br />

zwar die In<strong>for</strong>mationen für seine<br />

Entscheidungsfindung im Hauptsacheverfahren,<br />

dem Kläger sei der<br />

Zugang zu diesen In<strong>for</strong>mationen<br />

jedoch zu verweigern. Im umgekehrten<br />

Fall sei dem Kläger der In<strong>for</strong>mationszugang<br />

zu gewährleisten.<br />

Als letzter Redner des 2. Themenblocks<br />

wandte sich Prof. Dr. Martin<br />

Kment, Universität Augsburg, den<br />

„Heraus<strong>for</strong>derungen an die Rechtsetzung<br />

durch untergesetzliches<br />

Regelwerk (v.a. Legitimation und<br />

Zugänglichkeit)“ zu. Kment skizzierte<br />

das vorhandene untergesetzliche<br />

Regelwerk im Atomrecht und die<br />

Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts<br />

zur Qualifizierung<br />

normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften<br />

im Technik- und Umweltrecht<br />

sowie zur eingegrenzten<br />

Überprüfbarkeit der behördlichen<br />

Risikoermittlung und Risikobewertung<br />

durch die Gerichte.<br />

In der Diskussion bezweifelte<br />

Annette Pütz, BMU, ob es heute<br />

tatsächlich noch so sei, dass nur<br />

Standards im Technik- und Umweltrecht<br />

festgelegt würden. Eher sei es<br />

heutzutage so, dass Gesundheitsstandards<br />

festgelegt würden, und<br />

zwar von der Industrie. Der Zugang zu<br />

den technischen Normen sei im<br />

Übrigen teilweise schwierig. Die<br />

Etablierung von Normen durch den<br />

DIN sei fraglos sinnvoll. Jedoch<br />

bestünden im BMU extreme Schwierigkeiten,<br />

mit diesem Regelwerk zu<br />

arbeiten.<br />

Dr. Dörte Fouquet, Becker Büttner<br />

Held PartGmbB, wies in Bezug auf<br />

den Vortrag von Beckmann auf die<br />

Fülle von Klageverfahren in Belgien<br />

gegen die Laufzeitverlängerungen für<br />

die belgischen KKW hin. Fouquet<br />

bemängelte, dass diese Verfahren<br />

ohne UVP in Belgien und ohne grenzüberschreitende<br />

UVP stattgefunden<br />

hätten. Beckmann merkte dazu an,<br />

dass die belgischen KKW über unbefristete<br />

bestandskräftige Genehmigungen<br />

verfügten. Dies sei Fakt und<br />

müsse man akzeptieren.<br />

Prof. Dr. Tobias Leidinger, Luther<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, fragte,<br />

was mit der Einschätzungsprärogative<br />

der Exekutive sei und wer im<br />

demokratischen Rechtsstaat die Verantwortung<br />

für das Risiko trage. Nach<br />

der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

(„Kalkar“-Entscheidung)<br />

trage eindeutig die Exekutive<br />

die Verantwortung, die auch abschließend<br />

die bei SEWD-Ereignissen<br />

unterstellten Tatmittel definieren<br />

müsse, die von der Judikative zu<br />

beachten seien. Leidinger mahnte<br />

an, dass die Gerichte einen klaren<br />

Maßstab benötigten, ansonsten<br />

komme man „in der Praxis nie zu einer<br />

bestandskräftigen Genehmigung“.<br />

Franßen stellte dazu fest, nach<br />

Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts,<br />

für die er allerdings kein<br />

Verständnis habe, unterlägen die geheimhaltungsbedürftigen<br />

Tatmittel<br />

der vollen gerichtlichen Überprüfung,<br />

und fragte, wie Geheimhaltung einerseits<br />

und Überprüfung andrerseits in<br />

der Praxis funktionieren sollen.<br />

Kment bemängelte die Störung der<br />

Normsetzung durch politische Prozesse,<br />

da sich Exekutive, Legislative<br />

und Judikative zurückzögen. Er <strong>for</strong>derte<br />

die Verwaltung auf, wieder ihrer<br />

Aufgabe gerecht zu werden. Private<br />

füllten nur die Lücken aus, die die Verwaltung<br />

ihnen lasse.<br />

Der 3. Themenblock widmete sich<br />

dem „Strahlenschutzrecht“ und<br />

wurde mit dem Übersichtsvortrag von<br />

Dr. Goli-Schabnam Akbarian, BMU,<br />

eröffnet. Da die Rednerin im diesjährigen<br />

Januar-Heft der <strong>atw</strong> bereits<br />

selbst zum neuen Strahlenschutzrecht<br />

zu Wort gekommen ist, wird an dieser<br />

Stelle deshalb auf weitere Ausführungen<br />

zum Vortrag verzichtet.<br />

Prof. Dr. Thomas Mann, Universität<br />

Göttingen, befasste sich mit<br />

„ Einwirkungen des Strahlenschutzrechts<br />

auf andere Bereiche des<br />

Ordnungsrechts“. Mann begann<br />

seinen Vortrag mit einem kleinen<br />

Paukenschlag, indem er den Umfang<br />

des neuen Strahlenschutzrechts mit<br />

dem Umfang des Werkes „Felix Krull“<br />

seines Namensvetters verglich,<br />

jedoch das neue Strahlenschutzrecht<br />

nicht für nobelpreiswürdig hielt. Er<br />

konstatierte, regulatorische Konflikte<br />

zwischen StrlSchG und anderen<br />

Bereichen des Ordnungsrechts seien<br />

unausweichlich, da im StrlSchG auch<br />

Parallelregelungen zum allgemeinen<br />

Umweltrecht getroffen würden, z.B.<br />

in § 95 StrlSchG, der eine Ermächtigung<br />

für ergänzende Regelungen zum<br />

Kreislaufwirtschaftsgesetz vorsehe.<br />

Das StrlSchG schaffe außerdem einen<br />

anderen Abfallbegriff und diene<br />

damit nicht der rechtstechnischen<br />

Vereinfachung. Der Altlastenbegriff<br />

sei im StrlSchG ebenfalls anders als<br />

im Bodenschutzgesetz und im Bundes-<br />

Immissionsschutzgesetz geregelt. Da<br />

der Altlastenbegriff jedoch eine<br />

Prognoseentscheidung enthalte, sei es<br />

insoweit richtig, von einem Referenzwert<br />

auszugehen und nicht von einem<br />

Grenzwert. Die bundesrechtlichen<br />

Umweltfachgesetze könnten allerdings<br />

modifiziert und die strahlenschutzrelevanten<br />

Regelungen im<br />

StrlSchG konzentriert werden, so dass<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

The 15 th Deutsche Atomrechtssymposium: An Determination of the Curent Situation ı Ulrike Feldmann

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