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atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2019

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<strong>atw</strong> Vol. 64 (2019) | Issue 4 ı April<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 212<br />

Standards, die das StandAG bei der<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung setze (z.B.<br />

mobile Endlagerausstellung, Statuskon<br />

ferenzen und insbesondere die In<strong>for</strong>mationsplatt<strong>for</strong>m<br />

nach § 6 StandAG<br />

mit allen wesentlichen Unterlagen des<br />

BfE und der Vorhabenträgerin zum<br />

Stand ortauswahlver fahren). Albin betonte,<br />

dass das BfE mit der Vorlage des<br />

Konzepts der Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

in der Startphase noch über die An<strong>for</strong>de<br />

rungen des Stand AG hinausgehe.<br />

Mit dem Öffentlichkeits beteiligungs<br />

verfahren befasste sich ebenfalls<br />

Prof. Dr. Wolfgang Durner,<br />

Universität Bonn. Sein Vortragstitel<br />

lautete „Das Beteiligungsverfahren<br />

nach dem Standortauswahlgesetz<br />

im Vergleich mit anderen Großvorhaben“.<br />

In der gebotenen Kürze<br />

zeichnete Durner die Entwicklung<br />

der Öffentlichkeitsbeteiligungsvorschriften<br />

in verschiedenen Vorschriften<br />

wie dem VwVfG, der<br />

9. BImSchV, dem BauGB und vor<br />

allem dem NABEG (Netzausbaubeschleunigungsgesetz)<br />

nach und zog<br />

die erhellende Quintessenz aus den<br />

Erfahrungen mit der Anwendung<br />

dieser Vorschriften – keine nennenswerte<br />

Minderung der Widerstände<br />

gegen die untersuchten Großvorhaben<br />

durch zusätzliche Beteiligungsschritte<br />

– , die er an den allgemeinen<br />

Erkenntnissen der Partizipations<strong>for</strong>schung<br />

spiegelte. Das NABEG habe<br />

weder eine Beschleunigungswirkung<br />

noch eine Befriedungswirkung in<br />

der Öffentlichkeit erzielt. Die Politik<br />

habe außerdem über die zuständige<br />

Behörde hinweg eigenmächtig Entscheidungen<br />

getroffen, die den Aufgaben/Zielen<br />

des NABEG diametral<br />

entgegengesetzt gewesen seien. Auch<br />

sei der Umfang der vorgesehenen<br />

Beteiligungselemente zu groß gewesen,<br />

und zu viele Gremien seien<br />

beteiligt gewesen, die untereinander<br />

auch noch konkurriert hätten. Zudem<br />

seien die Erkenntnisse der Partizipations<strong>for</strong>schung<br />

außer Acht gelassen<br />

worden. Dazu gehöre, dass der Staat<br />

nichts versprechen solle, was er nicht<br />

halten könne. Suggeriert werde aber<br />

durch die Mitgestaltung des Verfahrens<br />

auch eine Mitentscheidung<br />

der Bürger. Jedoch könne der Rechtsstaat<br />

solche Erwartungen nicht<br />

erfüllen. Ziel müsse sein, ein Ergebnis<br />

zu finden, mit dem die Betroffenen<br />

„leben“ könnten. Ein Verfahren, das<br />

vermutlich Jahrzehnte dauern werde,<br />

führe schwerlich zu Akzeptanz.<br />

„ NIMBY“ könne dabei leicht zu „not<br />

in my lifetime“ mutieren. Auch müsse<br />

die Akzeptanz ständig neu mit<br />

den Beteiligten „erarbeitet“ werden.<br />

Durner unterstrich, dass eine aktive<br />

und mutige politische Entscheidung<br />

vonnöten sei. „Wo ein Kompromiss<br />

unter Verantwortlichen nicht zu<br />

finden ist, wird er auch in einem<br />

Beteiligungsverfahren nicht erreicht<br />

werden“, schloss Durner.<br />

Der 3. Beitrag zur Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

kam von Dr. Peter Hocke,<br />

Institut für Technikfolgenabschätzung<br />

und Systemanalyse am KIT, der<br />

zusammen mit seiner Kollegin Dr.<br />

Sophie Kuppler den Vortrag „Die<br />

Beteiligung der Öffentlichkeit bei<br />

der Suche nach einem Endlager:<br />

Ein problemorientierter Blick in die<br />

Schweiz“ vorbereitet hatte. Die<br />

Endlagerung radioaktiver Abfälle sei<br />

ein technisch und sozial komplexes<br />

Thema, bei dem die Entscheidungsträger<br />

schwerlich Anerkennung für ihr<br />

Handeln und ihre Entscheidungen<br />

finden könnten. Mit einer Standortentscheidung<br />

werde eine „Last“ übernommen,<br />

die keine „Win-win“-Situation“<br />

erlaube. Hocke schilderte die<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung in der<br />

Schweiz, wie sie seit Mitte des letzten<br />

Jahrzehnts erfolgreich in der Schweiz<br />

durchgeführt werde. Dazu gehöre u.a.<br />

: Abstimmung des „Sachplans“ auf<br />

Bundesebene unter umfänglicher<br />

Beteiligung der Öffentlichkeit; Einrichtung<br />

von Regionalkonferenzen,<br />

Ausschuss der Kantone, Forum Tiefenlager<br />

zum Austausch von Argumenten<br />

und unterschiedlichen Problemwahrnehmungen<br />

und Positionen; Eingrenzung<br />

von Standortgebieten, die ohne<br />

großen öffentlichen Protest erfolgt<br />

sei, nachdem einige wenige zentrale<br />

Forderungen der nuklearkritischen<br />

Öffentlichkeit erfüllt worden seien;<br />

mehr deliberative, d.h. vermehrt<br />

auf konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

und diskursiv angelegte<br />

politische Kultur zielende Endlager-<br />

Governance statt Endlager-Management.<br />

Verschiedene Spannungsfelder<br />

seien gleichwohl bestehen geblieben<br />

(unterschiedliche Erwartungen an die<br />

eingesetzten Beteiligungs<strong>for</strong>mate,<br />

keine inhaltliche Beratung von Erwartungen<br />

an Entscheidungskriterien<br />

z.B.). Aus sozialwissenschaftlicher<br />

Sicht nannte Hocke als Fazit das<br />

„selbst-lernende Verfahren“, wie es<br />

auch das StandAG vorsehe: End lager-<br />

Governance werde auf neue wissenschaftliche<br />

Entwicklungen, Änderungen<br />

gesellschaftlicher Erwartungen<br />

und auch neues Behördenhandeln<br />

reagieren müssen. Diese ge<strong>for</strong>derte<br />

Flexibilität betreffe auch die Rechtsentwicklung.<br />

Im letzten Beitrag des Atomrechtssymposiums<br />

wandte sich Prof.<br />

Dr. Sabine Schlacke den „Rechtsfragen<br />

bei der Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

einschließlich<br />

Rechtsschutz“ zu. Schlacke monierte,<br />

dass im Rahmen der in den §§ 17 Abs.<br />

3 S. 3, 19 Abs. 2 S. 6 StandAG geregelten<br />

und über das Umweltrechtsbehelfsgesetz<br />

hinausgehenden Klagebefugnis<br />

der Regionalkonferenz kein<br />

eigenes Klagerecht zugewiesen werde.<br />

Damit werde ihrer Wächterfunktion<br />

nicht ausreichend Rechnung getragen.<br />

Schlacke wies ferner auf den unterschiedlichen<br />

Umfang der Rügebefugnis<br />

bzgl. des UVP-pflichtigen Bescheids<br />

nach § 19 Abs. 2 S. 6 StandAG<br />

(alle <strong>for</strong>mellen und materiellen<br />

Mängel des Bescheids können gerügt<br />

werden) und dem die Standorte für<br />

die untertägige Untersuchung feststellenden<br />

Bescheid nach § 17 Abs. 3<br />

S. 3 StandAG hin, bei dem lediglich die<br />

Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften<br />

nach § 2 Abs. 1 S. 2<br />

UmwRG gerügt werden könne. In<br />

Bezug auf den gerichtlichen Kontrollumfang<br />

erwartete Schlacke, dass das<br />

Bundesverwaltungsgericht dem BfE<br />

angesichts der Beurteilung technischwissenschaftlicher<br />

und mit Unsicherheiten<br />

behafteter Fragestellungen eine<br />

Einschätzungsprärogative zugestehen<br />

werde und sich die gerichtliche Kontrolle<br />

insoweit nur auf ein Überschreiten<br />

der Grenzen des dem BfE<br />

eingeräumten Planungsermessens beschränken<br />

werde. Insgesamt stellte<br />

Schlacke dem StandAG mit seinem<br />

erstmalig im deutschen Recht verankerten<br />

phasenspezifischen Rechtsschutz<br />

mit erweiterter Klagebefugnis<br />

ein „gutes „Zeugnis“ aus. Das Gesetz<br />

kombiniere „geschickt“ Interessenrechtsschutz<br />

mit überindividuellem<br />

Rechtsschutz.<br />

Ob die von Schlacke erwartete Akzeptanzsteigerung<br />

durch diese Rechtsschutzregelungen<br />

und die Funktion<br />

des Standortauswahlver fahrens, die<br />

Richtigkeit der Standortentscheidung<br />

zu indizieren, tatsächlich bewirken<br />

wird, bleibt zu hoffen, erscheint insbesondere<br />

vor dem Hintergrund des<br />

Vortrags von Durner allerdings noch<br />

längst nicht aus gemacht.<br />

Das nächste Deutsche Atomrechtssymposium<br />

soll, wie Flasbarth ankündigte,<br />

bereits in 2020 stattfinden.<br />

Author<br />

Ulrike Feldmann<br />

Berlin, Deutschland<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

The 15 th Deutsche Atomrechtssymposium: An Determination of the Curent Situation ı Ulrike Feldmann

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