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atw - International Journal for Nuclear Power | 05.2019

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<strong>atw</strong> Vol. 64 (2019) | Issue 5 ı May<br />

281<br />

| | Blick ins Auditorium in Travemünde. | | Ansprache des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit, Prof. Dr. K. Töpfer.<br />

diesen Fall Vorsorge getroffen werden. Staatlich geförderte<br />

Forschung und Entwicklung hat in diesem Bereich zahlreiche<br />

Möglichkeiten eröffnet. Mir geht es darum, bei den<br />

heutigen Kernkraftwerken über die getroffene Schadensvorsorge<br />

hinaus zu erreichen, daß die letzte entscheidende<br />

Barriere für die Zurückhaltung radioaktiver Stoffe von der<br />

Umwelt, nämlich der Sicherheitsbehälter, auch bei Belastungen<br />

infolge schwerer Reaktorstörfälle, insbesondere<br />

Kernschmelzen, in seiner Wirksamkeit weitgehend erhalten<br />

werden kann. Unsere Kernkraftwerke verfügen hier über<br />

technische Potentiale, die erschlossen werden können, wie<br />

es z. B. mit der kontrollierten, gefilterten Druckentlastung<br />

bereits geschehen ist. Die Vorsorge ist hier noch weiter zu<br />

optimieren, z. B. was die Kontrolle des Wasserstoff problems<br />

angeht, das durch den Bericht des Senators Rausch für das<br />

französische Parlament besondere Aktualität bekommen<br />

hat. Durch die Inertisierung bei Siedewasserreaktoren wird<br />

diesem Problem dort Rechnung getragen; das Prüfprogramm<br />

der RSK vom 21. Oktober 1986 sieht hierzu auch<br />

die Prüfung von Maßnahmen bei Druckwasserreaktoren<br />

vor. Mit Vor schlägen für Maßnahmen des anlageninternen<br />

Notfallschutzes ist in absehbarer Zeit zu rechnen. Anerkennung<br />

gebührt der Kernenergiewirtschaft, die sich – in<br />

bisher nicht gekannter Offenheit – dieser Heraus<strong>for</strong>derung<br />

gestellt hat und in eigenen Arbeiten und Veröffent lichungen<br />

ihre Vorstellungen dargelegt hat und Maß nahmen durchgeführt<br />

hat.<br />

Harrisburg und Tschernobyl haben gezeigt, daß die<br />

kernenergienutzenden Staaten in eine Risikogemeinschaft<br />

eingebunden sind. Der sicherheitstechnische Mißerfolg<br />

des einen ist zugleich auch Rückschlag für alle anderen.<br />

Dies gilt selbst dann, wenn bei einem Reaktorunfall<br />

gravierende Auswirkungen auf die Umgebung verhindert<br />

werden können. Daher brauchen wir eine internationale<br />

Sicherheitspartnerschaft.<br />

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich an dem<br />

Prozeß verstärkter internationaler Kooperation maßgeblich<br />

beteiligt. Ausgehend von der lAEO-Sonderkonferenz<br />

im September 1986 wurde viel erreicht. Für<br />

unser grundlegendes Ziel, international eine Gewährleistung<br />

der kerntechnischen Sicherheit auf möglichst<br />

einheitlichem hohen Niveau zu erreichen, wurden wichtige<br />

erste Schritte geleistet. Die sicherheitstech nischen Regeln<br />

der internationalen Atomenergieagentur (NUSSAG) sind<br />

in ihren grundlegenden An<strong>for</strong>derungen überarbeitet worden.<br />

Die Bundesregierung erwartet nun, daß sie vom<br />

IAEO-Gouverneursrat verabschiedet und dann auch von<br />

allen IAEO-Mitgliedsstaaten voll berücksichtigt werden.<br />

Die Bundesregierung wird in Fortführung ihrer<br />

Anstrengungen auf diesem Gebiet und gemeinsam mit<br />

OECD und IAEO im November 1988 in München ein internationales<br />

Symposium über die regulatorische Praxis und<br />

über die sicherheitstechnischen Regeln veranstalten.<br />

Zentrale Aufgabe für unsere gegenwärtige und<br />

zukünftige Energiepolitik ist es, einen breitgetragenen<br />

Konsens wiederzugewinnen. Energiepolitik muß schon<br />

aus Gründen der Entwicklungs- und Einführungszeiten<br />

und auch der Kosten auf größere Zeiträume angelegt sein.<br />

Auf grundlegende Entscheidungen muß dauerhaft Verlaß<br />

sein. Daher brauchen wir für die weitere Um strukturierung<br />

unserer Energieversorgung zu einem ver sorgungssicheren,<br />

umweltverträglichen und risikoarmen System wieder<br />

einen breitgetragenen energiepolitischen Grundkonsens.<br />

Die gemeinsame Verantwortung für die Kernenergieentscheidungen<br />

in den 60er und 70er Jahren verpflichtet<br />

alle Beteiligten auch heute noch. Das Denken in Pro und<br />

Contra muß einer differenzierten Betrachtungsweise Platz<br />

machen. Kernenergie wird auf absehbare Zeit weltweit<br />

weiter genutzt werden. Eine Verständigung über konkret<br />

zu stellende An<strong>for</strong>derungen an Sicherheit und Risikovorsorge<br />

und über das Vorgehen bei ihren praktischen<br />

Verwirklichungen ist unerläßlicher Bestandteil verantwortungsvoller<br />

Politik.<br />

Ich bin überzeugt, daß wir immer wieder versuchen<br />

müssen, auch mit denjenigen, die der Kerntechnik distanziert<br />

oder ablehnend gegenüberstehen, ein gemeinsames<br />

Gespräch zu führen. Mit dem, was ich Ihnen heute darlegen<br />

konnte, haben wir in wichtigen Bereichen der Kernenergie<br />

nutzung ein Vorsorgeniveau erreicht, das deutlich<br />

über dem liegt, was in den 70er Jahren von damals<br />

politischen Verantwortlichen als ausreichend betrachtet<br />

wurde. Auch dies ist Anlaß und Grundlage genug, um sich<br />

um eine Erneuerung des Grundkonsenses zu bemühen.<br />

Auch wer die Kernenergie nur für eine vorübergehende<br />

Zeit nutzen will, ist in der Pflicht, sich zur Sicherheitsgewährleistung<br />

und zur Entsorgung zu erklären.<br />

Ein weiteres Ergebnis der Bemühungen der Bundesregierung<br />

um mehr internationale Sicherheitszusammenarbeit<br />

in der Kerntechnik sind die „grundlegenden Sicherheitsprinzipien<br />

für Kernkraftwerke“, die jetzt von einem<br />

Expertenteam der <strong>International</strong>en Atomenergie Organisation<br />

vorgelegt worden sind. Mit diesen Grundsätzen wird<br />

aus Sicht führender Experten der kerntechnischen Sicherheit<br />

über das Regelwerk hinausgehend dargelegt, wie<br />

Schadensvorsorge erfolgreich praktiziert werden kann.<br />

Diese Sicherheitsprinzipien sollten zum Ausgangspunkt<br />

einer rückhaltlosen Diskussion um die Zukunft<br />

der Sicherheit der Kernkraftwerke in unserem Lande<br />

werden, in die wir auch unbeschadet früherer Erfahrungen<br />

diejenigen einbeziehen sollten, die der Kernenergie aus<br />

konkreten sicherheitstechnischen oder Risikogründen<br />

ablehnend gegenüberstehen. Ich bin überzeugt, daß wir<br />

mit dieser Diskussion und der praktischen Umsetzung<br />

ihrer Ergebnisse nicht nur in unserem Lande, sondern<br />

generell einen wichtigen Beitrag zur Sicherung unserer<br />

zukünftigen Entwicklung leisten können.<br />

SPECIAL TOPIC | A JOURNEY THROUGH 50 YEARS AMNT<br />

Special Topic | A Journey Through 50 Years AMNT<br />

Ja zur Kernenergienutzung in internationaler Sicherheitspartnerschaft ı Klaus Töpfer

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