DieWirtschaftMuenster-Muensterland
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Macher & Märkte: Die FFB<br />
kommt nach Münster Seite 4-6<br />
Geld & Geschäft: Goldene Zeiten für<br />
Anleger Seite 15<br />
Leben & Wissen: Designer als<br />
Impulsgeber Seite 18/19<br />
DIE WIRTSCHAFT<br />
Münster | Münsterland<br />
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Ausgabe 1/2020<br />
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Preis: 3,50 Euro<br />
Wenn der Konditor auf KI setzt<br />
Die Digitalisierung in den Unternehmen macht Fortschritte und verändert zunehmend Geschäftsfelder und<br />
Arbeitsabläufe. Im weiten Münsterland gibt es dafür eine Reihe interessanter Beispiele.<br />
Wie sehr die Digitalisierung die traditionelle<br />
Handwerkskunst beflügelt und die<br />
Individualisierung der Kundenwünsche<br />
möglich macht, beweist die Foto-Kuchen-<br />
App des Blumen-Online-Riesen Flora-Prima:<br />
Eben mit dem Handy ein Selfie gemacht,<br />
der lieben Oma einen Geburtstagsgruß<br />
in selbstgewählter Schriftart<br />
geschrieben, die Lieblingstortensorte<br />
ausgewählt, bis 11.30 Uhr online bestellt<br />
– am nächsten Tag ist die individuell gestaltete<br />
und in der Confiserie Rabbel in<br />
Westerkappeln von Hand frisch gebackene<br />
und verzierte Foto-Torte mit dem Selfie<br />
per DHL bei Großmama. Und zwar<br />
ganz egal, wo diese wohnt – in Deutschland,<br />
Polen oder Frankreich.<br />
Wer im Konditorenteam<br />
im Tecklenburger Land<br />
wann genau Tortenboden,<br />
Schoko-Ganache<br />
oder Fruchtfüllung und<br />
den Foto-Zuckerpapier-Deckel fertig haben<br />
muss, errechnet die Künstliche Intelligenz<br />
(KI). Kollegen müssen sich pro Produkt<br />
nicht noch einmal extra absprechen.<br />
Ein Blick auf das Mitarbeiter-Tablet genügt,<br />
auch wenn es um Rezepte und variierende<br />
Zutatenmengen bei unterschiedlichen Produktionsmengen<br />
geht: „Die Digitalisierung<br />
der Unternehmensabläufe schafft Freiräume<br />
für unsere Kernkompetenz – Confiserie-<br />
Kunst in Handarbeit“, ist sich Geschäftsführer<br />
Christian Rabbel sicher. Welches Niveau<br />
diese hat, hat sich bis in die Aromen-Küchen<br />
exquisiter Designer herumgesprochen: So<br />
präsentiert das Pariser Luxus-Label Dior die<br />
neuesten Duftkreationen mit Confiserie-<br />
Produkten aus Westerkappeln – der Hauch<br />
von Aprikose im Parfüm wird geschmacklich<br />
und farblich exakt in den Macarons aus<br />
Interessierte Besucher: Christian Rabbel (vorne, l.) erläutert Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (2.v.l.) den Stand der Unternehmensdigitalisierung<br />
in seiner Confiserie.<br />
Foto: Confiserie Rabbel<br />
der Manufaktur aufgegriffen. Bei solchen<br />
Aufträgen ist nicht nur Können, sondern<br />
auch ein kreativer Geist gefragt. Und die<br />
eigenen Ideen – wie getrocknete Kornblumenblüten<br />
auf Schokotrüffeln – probieren<br />
die Mitarbeiter nicht nur aus, sondern übermitteln<br />
sie als digitale Nachricht ins Confiserie-Kreativbüro.<br />
Rabbel selbst, von Haus aus Konditormeister<br />
und Diplom-Kaufmann, hat die Digitalisierung<br />
im Traditionsunternehmen mit saisonal<br />
bis zu 100 Mitarbeitern seit 2008<br />
maßgeblich vorangetrieben. Die Zeiterfassung<br />
der Beschäftigten erinnert an die Iriserkennung<br />
in James-Bond-Filmen: Wie in<br />
einem Hochsicherheitslabor halten die Mitarbeiter<br />
ihre Hand vor den Sensor eines Venenscanners.<br />
Auch in der Disposition setzt Rabbel auf sichere<br />
Vorhersehbarkeit: Ab 2014 stellte er<br />
die Lagerwirtschaft und den Einkauf komplett<br />
um. Ein Prozess über Jahre, bei dem<br />
das Unternehmen jetzt von echten Ergebnissen<br />
profitiert: „Dass wir beispielsweise in<br />
der Zeit vor Valentinstag sehr viel mehr Macarons<br />
verkaufen als sonst im Jahresdurchschnitt,<br />
wissen wir im Vorfeld durch unser<br />
automatisiertes Planungssystem. Die KI<br />
sagt uns gleichzeitig auch, wie viel Personal,<br />
Rohstoffe und Verpackungen wir für<br />
eben diese Macaron-Produktion zum exakten<br />
Zeitpunkt einplanen müssen. Außerdem<br />
unterbreitet die KI anhand der geplanten<br />
Verbrauchsmengen Vorschläge an unsere<br />
Herstellungsplanung und unseren Einkauf,<br />
wann und in welcher Höhe wir geplante<br />
Bestandsmengen wieder auffüllen<br />
sollten“, schildert der Geschäftsführer.<br />
► Fortsetzung auf Seite 2<br />
OFFEN GESAGT<br />
Auf der Welle<br />
Die Welle rollt. Mit fast naturgesetzlicher<br />
Wucht erfasst<br />
die Digitalisierung sämtliche<br />
Sphären des privaten wie<br />
gewerblichen Lebens. Schrecken<br />
und Chancen liegen nah beieinander.<br />
Denn mehr Transparenz<br />
für Kunden, das erleichterte Entkoppeln<br />
der Wertschöpfung vom<br />
Standort und Innovationsschübe,<br />
die exponentielle Veränderungen<br />
bringen, fordern die<br />
Kräfte der Unternehmen maximal<br />
heraus. Doch die Welle<br />
birgt auch selbst immense Kraft.<br />
Diese gilt es abzuleiten: Mit<br />
dem passenden Schwimmgerät<br />
auf die Gischt aufspringen, navigieren<br />
und die Energie kanalisieren<br />
für die eigenen Prozesse<br />
und Produkte. Die Erkenntnis,<br />
„Du hast keine Chance zu entrinnen,<br />
also nutze sie“, ist nicht<br />
neu. Neu ist aber, dass der technologische<br />
Tsunami fast den gesamten<br />
Globus durchpflügt.<br />
Branchen und Betriebe, die sich<br />
bisher hinter einem hohen Deich<br />
wähnten, sollten mit einer Flut<br />
rechnen, die neue Pegelstände<br />
beschert.<br />
Wer nicht Schiffbruch erleiden<br />
will, sollte sein Boot ertüchtigen.<br />
Doch als digitale Werft<br />
fehlt in Deutschland und auch<br />
im Münsterland oftmals zweierlei:<br />
Erfahrung beim Schmieden<br />
mit neuen Rohstoffen und die<br />
Bereitschaft, eine Konstruktion<br />
auf offener See zu erproben, die<br />
nicht 100-prozentig geschützt ist<br />
gegen Kentern. Dabei lässt sich<br />
nach manchem Mastbruch der<br />
Kahn wieder flott machen. Eine<br />
Haltung, mit der andere Länder<br />
erfolgreich auf der Digitalisierungswelle<br />
surfen. M. Harhues<br />
So schnell wie nie zuvor<br />
Der BIP-Nowcast soll schon zehn Tage nach Quartalsende Konjunkturdaten liefern.<br />
Das Statistische Bundesamt (Destatis)<br />
erprobt einen neuen gesamtwirtschaftlichen<br />
Frühindikator: Der sogenannte<br />
BIP-Nowcast soll die konjunkturelle<br />
Entwicklung in Deutschland bereits<br />
zehn Tage nach Ablauf eines<br />
Quartals verlässlich einschätzen.<br />
4 198869 003501<br />
2 0 0 0 9<br />
Damit will das Statistische<br />
Bundesamt nach eigenen<br />
Angaben künftig noch<br />
schneller als bisher qualitativ<br />
hochwertige Zahlen<br />
zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts<br />
(BIP) bereitstellen. Derzeit wird<br />
das Verfahren in einer Machbarkeitsstudie<br />
getestet. Über die methodischen Hintergründe<br />
dieses und weiterer experimenteller<br />
Verfahren in der amtlichen Statistik<br />
informiert das neue Angebot<br />
„EXDAT – Experimentelle Daten“ auf der<br />
Destatis-Website. EXDAT versteht sich als<br />
„Work in Progress“-Plattform für Werkstattberichte<br />
zu neuen digitalen Methoden<br />
in der amtlichen Statistik.<br />
Mit dem Projekt zur Entwicklung eines<br />
BIP-Nowcast folgt das Statistische Bundesamt<br />
einem Nutzerinteresse aus der<br />
Forschung, Wirtschaftsanalyse und Politik<br />
an schnell verfügbaren Daten zur konjunkturellen<br />
Entwicklung. Der Frühindikator<br />
bezieht neben ersten amtlichen Basisdaten<br />
für ein abgelaufenes Quartal<br />
weitere digitale Daten sowie nichtamtliche<br />
Konjunkturindikatoren ein. Hinzu<br />
kommt ein vergleichsweise hoher Anteil<br />
an Schätzungen.<br />
„Damit ist die Revisionsanfälligkeit im<br />
Nowcast höher als bei der sogenannten<br />
BIP-Schnellschätzung (Flash Estimate),<br />
die das Statistische Bundesamt aktuell<br />
45 Tage nach Quartalsende und ab dem<br />
2. Quartal 2020 bereits nach 30 Tagen<br />
veröffentlicht“, heißt es weiter in einer<br />
Mitteilung.<br />
Die Machbarkeitsstudie zum BIP-Nowcast,<br />
mit der das Statistische Bundesamt<br />
nach eigener Darstellung eine Vorreiterrolle<br />
unter den Statistikbehörden in<br />
Europa einnimmt, soll den Frühindikator<br />
verbessern und schrittweise revisionssicher<br />
machen, sodass er den hohen amtlichen<br />
Qualitätskriterien gerecht wird.<br />
Zu den EXDAT-Projekten gehört es auch,<br />
mehr Satellitendaten für die Statistik zu<br />
nutzen. So ließen Schiffsaufkommen und<br />
Containeranzahl in Häfen auf Handelsaktivitäten<br />
schließen.<br />
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2 MACHER & MÄRKTE<br />
Buddeln mit 3-D-Technik<br />
Unternehmen wie Heitkamp & Hülscher und Bresser nutzen die neuen technischen Möglichkeiten,<br />
die gemeinsam mit der Digitalisierung Einzug in den Tagesbetrieb gehalten haben.<br />
Ve Vrtrieben wird die süße Handwerkskunst<br />
aus Westerkappeln<br />
über den Einzelhandel,<br />
Privatkunden können die<br />
Confiserie-Produkte online<br />
über Amazon erwerben.<br />
Neue, digitale Vertriebswege geht auch der<br />
Nah- und Fernoptik-Spezialist Bresser aus<br />
Rhede. Der europäische Marktführer für<br />
Teleskope, Mikroskope, Sport Optics, Wetterstationen<br />
und Photostudio-Equipment<br />
hat einen eigenen Online-Handel aufgebaut:<br />
„Die Nähe zu unseren Kunden und<br />
Händlern wächst durch die schnellere und<br />
direkte Kommunikation“, beobachtet IT-<br />
Chef Andreas Tschirpke. Dasmittelständische<br />
Unternehmen mit 75 Mitarbeitern<br />
rückt nicht nur in der Kaufabwicklung, sondern<br />
auch in der Produktinformation näher<br />
an den Kunden. „In einigen Sparten nutzen<br />
wir noch Magazine und Kataloge, ansonsten<br />
setzen wir überwiegend auf Social Media<br />
und digitale<br />
Produktinformationen,<br />
weshalb<br />
wir diesen Bereich<br />
in den letzten<br />
Jahren ausgebaut<br />
haben“, berichtet<br />
Tschirpke.<br />
„Die Nähe zu unseren Kunden und<br />
Händlern wächst durch die schnellere<br />
und direkte Kommunikation.“<br />
Andreas Tschirpke, IT-Chef der Fa. Bresser<br />
Die Digitalisierung<br />
des Unternehmens<br />
betrifft nicht nur Produktentwicklung<br />
und Warenwirtschaft, sondern auch<br />
die Produkte selbst: So lassen sich Teleskope<br />
und Mikroskope mit dem Smartphone<br />
verbinden und Sterne, Planeten und mikroskopische<br />
Kleinstteilchen aus einem ganz<br />
neuen Blickwinkel betrachten und auswerten.<br />
Ein digitales Auge hat auch Bauingenieur<br />
Marius Hülscher auf seinen Baustellen eingeführt:<br />
Die Bagger des Tief- und Straßenbauers<br />
Heitkamp & Hülscher aus Stadtlohn<br />
Mehr als das Auge sieht: Nicht nur für seine Spektive und Ferngläser, auch für Mikroskope, Teleskope,<br />
Wetterstationen und Studioausstattungen hat Bresser einen Online-Shop aufgebaut. Foto: Bresser<br />
buddeln jetzt mit 3-D-Technik, kein Pflock<br />
muss mehr von Hand in den Boden gerammt<br />
werden, um die auszuhebende Fläche<br />
abzustecken. Ein Zusammenspiel zahlreicher<br />
Sensoren am Baumaschinengiganten<br />
ermöglichen eine Echtzeitnavigation<br />
auch in die Tiefe – das Ergebnis: mithilfe der<br />
GPS-Daten ein exakt präziser Aushub genau<br />
an der Stelle, wo er laut Bauplan sein soll.<br />
Einen Quantensprung in Sachen Genauigkeit<br />
hat auch die Einführung des Rover-<br />
Stabs auf den Tief-, Kanal- und Straßenbaustellen<br />
von Heitkamp & Hülscher erbracht:<br />
Just in time können Abmessungen, Aufsteckarbeiten<br />
und der Baufortschritt mit<br />
dem ans Mobilfunknetz angeschlossenen<br />
und sich auf GPS-Satellitendaten stützenden<br />
Gerät erledigt werden. „Nicht ganz einfach<br />
war es, alle Mitarbeiter von der neuen<br />
Technik zu überzeugen: Wir haben erst die<br />
ohnehin digital-affinen, jüngeren Mitarbeiter<br />
mit dem Rover-Stab arbeiten lassen, und<br />
das Ergebnis und die Arbeitserleichterung<br />
haben dann auch die älteren überzeugt, sich<br />
auf die Digitalisierung der Baustelle einzulassen“,<br />
erläutert Hülscher.<br />
Dass es eine Diskrepanz in der Digitalisierungsbereitschaft<br />
zwischen Geschäftsführung<br />
und einzelnen Gruppen der Belegschaft<br />
gibt, ist auch Nico Grohmann bewusst.<br />
Der Wissenschaftler des Institutes<br />
für Wirtschaftsinformatik hat den Digi-<br />
Check von WWU und Beratergenossenschaft<br />
„Digital ganz normal“ (DGN) begleitet.<br />
Bei der Confiserie Rabbel, bei Brenner,<br />
bei Heitkamp & Hülscher und 50 weiteren<br />
KMU der Region wurde der Digitalisierungsstand<br />
von Studierenden unter die Lupe<br />
genommen. „In vielen Unternehmen<br />
wurden nicht nur die Geschäftsführer, sondern<br />
eben auch die Mitarbeiter befragt. Und<br />
bei letzteren muss oft noch Überzeugungs-<br />
arbeit geleistet werden, damit sie sich der<br />
Digitalisierung öffnen“, resümiert Grohmann.<br />
Die jüngeren Arbeitnehmer gingen<br />
oft mit gutem Beispiel voran.<br />
Nicht nur über den Status quo, sondern vor<br />
allem auch, wohin der Weg in der digitalisierten<br />
Arbeitswelt noch gehen kann, darüber<br />
sind sich die teilnehmenden KMU beim<br />
„DigiCheck“ klar geworden. Predictive<br />
Maintenance, vorausschauende Maschinenwartung,<br />
ist hier ein großes Thema.<br />
Doch welche Externen sie sich ins Boot holen<br />
sollen, um solche Lösungen zu implementieren,<br />
wenn die Unternehmen nicht<br />
selbst über eigene Digitalexperten verfügen,<br />
ist vielen nicht klar.<br />
„Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen<br />
den Wirtschaftsförderungen und den Unternehmen“,<br />
stellt Evelyn Decker, Innovationsmanagerin<br />
der Beratergruppe DGN, klar.<br />
„Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe, um bei<br />
Unternehmen und Institutionen Berührungsängste<br />
zur Digitalisierung abzubauen<br />
und eigene Lösungen zu entwickeln.“ Und<br />
dabei Fördergelder aus Bund-, Länder- und<br />
EU-Töpfen zu nutzen, bei deren Beantragung<br />
Decker Profi ist.<br />
Zuvor hat die Ingenieurin für Verfahrenstechnik<br />
und Betriebswirtin das Netzwerk<br />
Robotik der WFG für den Kreis Borken geleitet,<br />
innovative Unternehmen bei der Digitalisierung<br />
begleitet und ihnen die Zusammenarbeit<br />
mit den Hochschulen erleichtert.<br />
Doch in Zukunft wollen Decker und ihre<br />
Kollegen noch näher an die Unternehmen<br />
heran, geschäftsspezifische Transformationsprozesse<br />
persönlich in den Unternehmen<br />
mit ihrem Wissen unterstützen. Besonders<br />
in KMU seien die Mitarbeiter meist ins<br />
Tagesgeschäft eingebunden und hätten keine<br />
Zeit, eine Digitalisierungsstrategie umzusetzen.<br />
„Das übernehmen wir, damit digital<br />
möglichst schnell ganz normal wird.“<br />
Maike Harhues<br />
IMPRESSUM<br />
DIE WIRTSCHAFT Münster / Münsterland<br />
Verlag und Herausgeber:<br />
Aschendorff GmbH & Co. KG, An der Hansalinie 1,<br />
48163 Münster, Telefon: 0251 690-0, Telefax: 0251 690-804801<br />
Redaktion: Claudia Bakker (verantw.)<br />
Verlagsleitung: Marc-Arne Schümann,<br />
E-Mail: verlagsleitung@aschendorff-medien.de<br />
Objektkoordination: Frank Micheel, Lars Normann,<br />
Telefon: 0251 690-908419, Telefax: 0251 690-806190<br />
Gestaltung/Layout: Lisa Stetzkamp<br />
Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, An der Hansalinie 1,<br />
48163 Münster, Telefon: 0251 690-0, Telefax 0251 690-215<br />
Auflage: 17.000 Exemplare<br />
www.die-wirtschaft-muensterland.de<br />
Just in time: Die 3-D-Baggersteuerung ermöglicht dem Geräteführer, via Satellit und Neigungssensoren seinen Baggerlöffel entlang<br />
eines digitalen Geländemodells zu navigieren.<br />
Foto: Heitkamp & Hülscher<br />
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MACHER & MÄRKTE 3<br />
„Man muss sich nur umsehen“<br />
Prof. Dr. Gottfried Vossen vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Münster rät auch den kleinen<br />
und mittleren Unternehmen im Münsterland, sich intensiv mit der Digitalisierung zu beschäftigen.<br />
Es gibt viele Hürden, aber auch<br />
kein Entrinnen: Die Digitalisierung<br />
fordert alle Branchen und<br />
jedes Unternehmen heraus, betont<br />
Prof. Dr. Gottfried Vossen<br />
vom Institut für Wirtschaftsinformatik der<br />
Uni Münster im Gespräch mit unserer Autorin<br />
Maike Harhues. Mit dem Aufwand für<br />
die Betriebe gehen jedoch auch riesige<br />
Chancen einher, so der Lehrstuhlinhaber<br />
für Informatik.<br />
Warum halten viele Mittelständler<br />
„Big Data“ zwar für ungeheuer wichtig<br />
für den Unternehmenserfolg, tun sich<br />
aber extrem schwer, in die Digitalisierung<br />
einzusteigen?<br />
Prof. Dr. Gottfried Vossen: Weil sie weder<br />
Zeit noch Mitarbeiter noch Geld darin<br />
investieren wollen oder können. Viele<br />
Mittelständler könnten von der Digitalisierung<br />
profitieren, arbeiten jedoch aktuell<br />
derart „am Anschlag“, dass siesich damit<br />
nicht beschäftigen wollen.<br />
Verursacht Digitalisierung auch Kosten,<br />
die sich gar nicht jedes Unternehmen<br />
leisten kann, oder müssen nur die<br />
Investitionsschwerpunkte verschoben<br />
werden?<br />
Vossen: Letzteres. Digitalisierung soll ja<br />
unter anderem Einsparpotenziale heben dadurch,<br />
dass beispielsweise Prozesse optimiert<br />
oder sogar völlig neu gedacht werden<br />
oder dass Abläufe automatisiert werden, so<br />
dass Mitarbeiter mit anderen Aufgaben betraut<br />
werden können.<br />
Scheitert die Digitalisierung weder am<br />
Willen und Geld, sondern fehlt einfach<br />
Know-how eigener Mitarbeiter oder die<br />
Kapazität externer Experten?<br />
Vossen: Es fehlt, glaube ich, an allen dreien.<br />
Der Wille muss vorhanden sein, insbesondere<br />
bei der Unternehmensleitung; ein bisschen<br />
Geld muss man in die Hand nehmen,<br />
und das Know-how kann man aufbauen, indem<br />
man sich zum Beispiel ansieht, was andere<br />
(Betriebe und Unternehmen, aber<br />
auch andere Länder) machen. Aber ich<br />
glaube auch, dass Letzteres verpönt ist in<br />
Deutschland.<br />
Womit können Sie als Wissenschaftler<br />
und Berater den KMU des Münsterlandes<br />
die Digitalisierung am ehesten<br />
schmackhaft machen?<br />
Vossen: Indem man den KMU „Best Practice-Beispiele“<br />
zeigt. Es werden so viele<br />
neue Ideen laufend generiert und oft auch<br />
umgesetzt, da muss man sich „nur“ einmal<br />
Beratergenossenschaft „Digital ganz normal“ aus dem Münsterland: Richard Lammers (v.l.), Dirk Bertling, Andreas Banger,<br />
Winfried Hering, Evelyn Decker, Dennis Timm, Norbert Schemmick<br />
Foto: DGN<br />
umsehen. Mein Institut veranstaltet seit<br />
2008 einen jährlichen Wettbewerb für<br />
Gründer und Gründungsinteressierte, das<br />
ERCIS Launch Pad (www.ercis-launchpad.de),<br />
bei dem wir regelmäßig tolle Konzepte<br />
zu sehen bekommen, von denen viele<br />
auch erfolgreich in Gründungen umgesetzt<br />
wurden.<br />
Gibt es Branchen, in denen die Digitalisierung<br />
besonders leicht umzusetzen<br />
ist beziehungsweise war, und andere,<br />
für die die Digitalisierung eine Revolution<br />
der Arbeitsabläufe von Grund auf<br />
bedeutet?<br />
Vossen: Natürlich. Besonders leicht ist es in<br />
Branchen, deren Produkte von Haus aus digital<br />
sind, besonders schwer dagegen in<br />
Branchen, in denen Handwerk vorherrscht.<br />
Aber ein typisches Beispiel dafür, wie Abläufe<br />
mit der Zeit immer mal wieder verändert<br />
werden müssen, bietet Netflix: Gestartet als<br />
Verleihversand von Videokassetten, später<br />
DVDs, wurde um 2000 das Abo-Modell eingeführt,<br />
später wurde auf Streaming umgestellt,<br />
und heute produziert das Unternehmen<br />
eigene Serien und Filme, die sogar<br />
einen Oscar gewinnen können. Ein anderes<br />
Beispiel sind Banken: Unseren heimischen<br />
Banken und Sparkassen fällt nichts Besseres<br />
ein, als Filialen zu schließen, Negativzinsen<br />
zu erheben und Gebühren zu erhöhen, anstatt<br />
das Geschäftsmodell zu überdenken<br />
und sich Beispiele wie Transferwise oder<br />
N26 einmal genauer anzusehen.<br />
An welchen Beispielen sticht Ihnen der<br />
Nutzen von KI in Unternehmensabläufen<br />
besonders ins Auge?<br />
Vossen: An den Beispielen Flaschenpost<br />
und Uber. Beide haben bestimmte Bereiche<br />
revolutioniert, in einem Fall das Schleppen<br />
von Getränkekisten, im anderen den persönlichen<br />
Transport. Beiden gemeinsam ist<br />
eine ausgefeilte Routenplanung, die im Fall<br />
Uber sogar während einer Fahrt noch optimiert<br />
oder geändert werden kann. Ein anderes<br />
Beispiel sind die heute unverzichtbaren<br />
Empfehlungssysteme („Recommender“<br />
bei Amazon, Zalando, Ebay, Netflix, Spotify<br />
und anderen), die das „Profil“ eines Kunden<br />
lernen und im Laufe der Zeit immer bessere,<br />
treffendere Empfehlungen geben können.<br />
Welche Länder sind in Sachen Unternehmensdigitalisierung<br />
viel weiter als<br />
Deutschland, und was können wir uns<br />
bei ihnen abgucken?<br />
Vossen: Allen voran China und die USA,<br />
aber auch die baltischen Staaten. Wir können<br />
uns abgucken, dass man neue Ideen<br />
leichter ausprobiert, dass man bereit ist,<br />
auch einmal Geld in den Sand zu setzen,<br />
und dass nicht alles gleich von einer Rechtsprechung,<br />
die das unterliegende Konzept<br />
Prof. Dr. Gottfried Vossen<br />
oder die Idee höchstens zum Teil verstanden<br />
hat, gebremst wird. Und im Übrigen<br />
geht es nicht nur um die Digitalisierung von<br />
Unternehmen, sondern auch von öffentlicher<br />
Verwaltung.<br />
Sehen Sie für ein Unternehmen, das<br />
sich der Digitalisierung verweigert,<br />
überhaupt irgendeine Form von Zukunftsfähigkeit?<br />
Vossen: Nein, solche Unternehmen werden<br />
noch ein paar Jahre überleben und dann<br />
merken, dass es<br />
nicht mehr weitergeht.<br />
Das ist<br />
genauso wie etwa<br />
vor zehn Jahren,<br />
als das Thema<br />
Cloud Computing<br />
aufkam:<br />
Gerade KMU haben<br />
sich damals<br />
in großer Zurückhaltung<br />
geübt,<br />
anstatt die Vorteile zu erkennen und zu<br />
überlegen, wie man für das eigene Unternehmen<br />
diese Technik am besten einsetzen<br />
kann. Heute wird man zum Teil von den<br />
großen IT-Anbietern in die Cloud „gezwungen“<br />
und ist nicht vorbereitet. Mit der Digitalisierung<br />
wird es ähnlich verlaufen.<br />
Foto: privat<br />
„Beide haben bestimmte Bereiche<br />
revolutioniert, in einem Fall das<br />
Schleppen von Getränkekisten,<br />
im anderen der persönliche Transport.“<br />
Prof. Dr. Gottfried Vossen, Wirtschaaftsinformatiker<br />
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4 MACHER &<br />
Partner: Nach der Beurkundung des Grundstücksgeschäfts freuen sich WFM-Geschäftsführer Dr. Thomas Robbers (l.) und der Geschäftsführer der NRW.Urban Service GmbH, Ludger Kloidt, auf die Umsetzung des Konzepts Forschungsfertigung Bat<br />
Die Einrichtung entsteht im münsterischen Hansa-Business-Park.<br />
Foto: O<br />
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FORSCHUNGSFERTIGUNG BATTERIEZELLE (FFB)<br />
Die Forschungsfertigung Batteriezelle soll laut Fraunhofer-Institut als Entwicklungszentrum<br />
die Produktion großformatiger Lithium-Ionen-Batteriezellen durch Digitalisierungsansätze<br />
modularisieren und flexibilisieren und dadurch zu einer Ablösung<br />
der starren Fertigungslinien beitragen. Damit soll die FFB den Innovations- und<br />
Kommerzialisierungsprozess von Produktionstechnologien für Zellformate vorantreiben,<br />
Risiken bei der Überführung neuer Zellkonzepte und Produktionstechnologien in<br />
die Großserienfertigung reduzieren und Wettbewerbsvorteile für industrielle Zellhersteller<br />
schaffen. Fraunhofer arbeitet eng mit dem Universitätsinstitut Münster Electrochemical<br />
Energy Technology (MEET) unter Leitung des Batterieforschers Prof.<br />
Winter sowie mit dem Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components<br />
unter Leitung von Prof. Achim Kampker an der RWTH Aachen zusammen.<br />
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bereits begonnen<br />
Die FFB soll 2022 in Münster in Betrieb gehen.<br />
2022 soll die „Forschungsfertigung Batteriezelle“<br />
(FFB) im Hansa-Business-<br />
Park in Betrieb gehen. Eine Voraussetzung<br />
wurde jetzt durch den Verkauf des<br />
40 000 Quadratmeter großen Grundstücks<br />
von der Wirtschaftsförderung<br />
Münster GmbH an das Land Nordrhein-<br />
Westfalen geschaffen. Laut Dr. Thomas<br />
Robbers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung<br />
Münster GmbH, läuft<br />
auch mit der europaweiten Ausschreibung<br />
für die Generalplanung und die Projektsteuerung<br />
alles nach Plan. Mit der<br />
Vergabe der Planerleistungen sei bis Ende<br />
Mai zu rechnen.<br />
Münsters Oberbürgermeister<br />
Markus Lewe hatte<br />
kürzlich die für den Aufbau<br />
der FFB verantwortlichen<br />
Akteure offiziell<br />
begrüßt. Die Vertreter der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
und des Batterieforschungszentrums<br />
MEET der Universität, der Wirtschaftsförderung<br />
Münster GmbH (WFM)<br />
und des NRW-Wirtschaftsministeriums<br />
wurden im Friedenssaal des Rathauses<br />
empfangen. Die Ansiedlung dieser für<br />
Deutschland einzigartigen Einrichtung<br />
wird vom Bund mit 500 Millionen Euro und<br />
vom Land mit 200 Millionen Euro gefördert.<br />
„Mit der gewachsenen Infrastruktur und Exzellenz<br />
in der Forschung entwickelt sich der<br />
Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort<br />
Münster zum Hotspot der Batterieforschung<br />
in Deutschland. Ihre Arbeit fällt in<br />
unserer Stadt auf fruchtbaren Boden“, versicherte<br />
Lewe gegenüber dem FFB-Geschäftsstellenleiter<br />
Dr. Helmut Schmidt sowie Dr.<br />
Saskia Wessel und Dr. Christoph Baum aus<br />
der FFB-Führungsriege. Neben den Gästen<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft begrüßte Lewe<br />
auch Prof. Dr. Martin Winter, den Leiter des<br />
Universitätsinstituts Münster Electrochemical<br />
Energy Technology (MEET).<br />
Ende Oktober 2019 waren das Projektteam<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft und die Forschungspartner<br />
in NRW mit der Umsetzung<br />
des Konzepts gestartet. Mit dem Jahreswechsel<br />
begann laut Schmidt der Personalaufbau<br />
der FFB in Münster. „Wir sind der<br />
Stadt Münster und ihrer Wirtschaftsförderung<br />
sehr dankbar, dass wir nahe dem Forschungspartner<br />
MEET moderne Büroflächen<br />
kostenfrei nutzen können“, betonte<br />
Schmidt. „Was die Stadt darüber hinaus an<br />
Finanzmitteln und Planungsunterstützung<br />
gewährt, schätzen wir als ganz außergewöhnliches<br />
kommunales Engagement.“<br />
Schmidt selbst hat seine Zelte in der Stadt<br />
bereits im Oktober aufgeschlagen.<br />
Die FFB wird als Teilinstitut des Fraunhofer-<br />
Instituts für Produktionstechnologie IPT<br />
aufgebaut. Fraunhofer kooperiert dabei<br />
sehr eng mit MEET unter Leitung des Batterieforschers<br />
Prof. Winter sowie mit dem<br />
Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility<br />
Components unter Leitung von Prof.<br />
Achim Kampker an der RWTH Aachen. Gemeinsam<br />
mit diesen beiden Batteriekompetenzzentren<br />
haben die Fraunhofer-Wissenschaftler<br />
bereits im Oktober mit der Konzeption<br />
einer ersten Produktionslinie für Lithium-Ionen-Rundzellen<br />
im Format 21700<br />
begonnen. Weitere Teilprojekte zur Erweiterung<br />
der Forschungsfertigung Batteriezelle<br />
um Fertigungslinien für Pouch- und Hardcasezellen<br />
sowie um einzelne innovative<br />
Fertigungsmodule sollen sich anschließen.<br />
2019 erscheint aus Sicht der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
als Jahr der Wende im europäischen<br />
Batteriemarkt für elektromobile Anwendungen.<br />
Zahlreiche Unternehmen richteten<br />
sich strategisch neu aus, kündigten<br />
Großinvestitionen in die Batterieproduktion<br />
an oder setzten ihre Pläne bereits an<br />
verschiedenen deutschen Standorten um.<br />
Dies bedeute für Deutschland und Europa<br />
nicht nur verstärkt in die Forschung zur<br />
Zellproduktion in Großserie einzusteigen,<br />
sondern insbesondere auch die Zulieferindustrie<br />
vom innovativen Zellmaterial<br />
über die Produktionstechnik für neuartige,<br />
leistungsfähigere Zellkonzepte bis hin zur<br />
Messtechnik für die Qualitätssicherung zu<br />
unterstützen und weltmarktfähig zu machen.<br />
Diese neuen Anforderungen soll die<br />
Fraunhofer Forschungsfertigung Batteriezelle<br />
bedienen: „Sie wird industrielle Partner<br />
und Kunden bei der Umsetzung neuer<br />
Batteriezellkonzepte und der Entwicklung<br />
zugehöriger Fertigungsverfahren unterstützen.“<br />
Prof. Achim Kampker: „Wir freuen uns sehr,<br />
gemeinsam mit den Kollegen von Fraunhofer<br />
und dem MEET dieses großartige Vorhaben<br />
beginnen zu können. Das Projekt wird<br />
nicht nur die Forschung an einer der Schlüsseltechnologien<br />
für die zukünftige Mobilität<br />
vorantreiben, sondern bietet auch die Möglichkeit,<br />
die deutsche Industrie in diesem<br />
Themenfeld substanziell voranzubringen,<br />
und ist damit ein wichtiger Befähiger, Batterietechnologieinnovationen<br />
in den Markt<br />
zu bringen.“ Prof. Martin Winter erklärte:<br />
„Wir Partner haben die Zeit genutzt und<br />
unsere Pläne zu konkreten Arbeitspaketen<br />
gemacht. Jetzt kann es losgehen.“
MÄRKTE 5<br />
„Diese Einrichtung wird eine<br />
Sogwirkung haben“<br />
Dr. Thomas Robbers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Münster GmbH, freut sich über die Ansiedlung<br />
der neuen Batterieforschungsfabrik. Erweiterung des Hansa-Business-Parks um 20 Hektar geplant.<br />
teriezelle.<br />
iver Werner<br />
Die neue Batterieforschungsfabrik,<br />
die mit Fördermillionen<br />
des Bundes und des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen in<br />
Münster entstehen soll, hat<br />
für Münster und die Region ein enormes<br />
Entwicklungs- und Wertschöpfungspotenzial.<br />
In Münster werden Forscher und<br />
Unternehmen erwartet. Unser Redakteur<br />
Wolfgang Kleideiter sprach mit Dr. Thomas<br />
Robbers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung<br />
Münster GmbH über das Projekt<br />
und weitere Schwerpunktthemen der WFM.<br />
Herr Dr. Robbers, kürzlich wurde der<br />
Kaufvertrag für das Grundstück, auf<br />
dem die Forschungsfertigung Batteriezelle<br />
(FFB) entstehen wird, besiegelt.<br />
Wie lange war die Wirtschaftsförderung<br />
Münster im Vorfeld mit den Vorbereitungen<br />
beschäftigt?<br />
Dr. Thomas Robbers: Bis zur Abgabe des<br />
Antrags im Mai 2019 haben wir uns etwa<br />
zwei Monate intensiv mit dem Projekt befasst.<br />
Wie haben Sie seinerzeit die Erfolgsaussichten<br />
eingeschätzt?<br />
Robbers: Wir waren uns im Klaren, dass das<br />
von Batterieforscher Prof. Dr. Winter geführte<br />
MEET Batterieforschungszentrum<br />
der Universität Münster und das Helmholtz-<br />
Institut Münster europaweit zur absoluten<br />
Spitzenklasse gehören. Unsere Aufgabe bestand<br />
darin, das Standortkonzept zu entwickeln.<br />
Wir wussten, dass Ulm mit seiner<br />
ebenfalls hohen Reputation der wesentliche<br />
Mitbewerber sein würde. Als wir den Zuschlag<br />
bekamen, war die Freude sehr groß.<br />
Haben Sie sich in Ulm umgeschaut?<br />
Robbers: Nein, das wäre auch nicht sinnvoll<br />
gewesen, weil bis zum Schluss kein genauer<br />
Standort für die FFB öffentlich wurde.<br />
Die inhaltliche und fachliche Expertise<br />
Ulms war Prof. Winter bekannt. Die Ausschreibung<br />
des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) war ausschließlich<br />
an die acht Batterieforschungseinrichtungen<br />
in Deutschland adressiert. Es<br />
gab Kooperationen, so dass am Ende sechs<br />
Bewerbungen abgegeben wurden.<br />
Wie wichtig war es, zum richtigen Zeitpunkt<br />
über die Flächen im Hansa-Business-Park<br />
in Münster-Amelsbüren in der<br />
Nähe der A 1 und des Dortmund-Ems-<br />
Kanals zu verfügen?<br />
Robbers: Die Entwicklung dieses Gewerbeund<br />
Industriegebietes war für dieses Projekt<br />
enorm wichtig. Die FFB wird in den kommenden<br />
Jahren auf einer Fläche von 40 000<br />
Quadratmetern entstehen. Zudem halten<br />
wir eine Optionsfläche von 10 000 Quadratmetern<br />
bereit. Das Land NRW stellt 200 Millionen<br />
Euro für das Grundstück und die Gebäudeerrichtung<br />
zur Verfügung. Die Stadt<br />
wird fünf Millionen Euro in das Projekt fließen<br />
lassen. Und das BMBF unterstützt den<br />
Aufbau zusätzlich in den nächsten Jahren<br />
mit 500 Millionen Euro.<br />
Wie viel Fläche kann die Wirtschaftsförderung<br />
in der Nähe der FFB noch anbieten?<br />
Robbers: Wir haben im Hansa-Business-<br />
Park rund 58 Hektar Nettobauland, aufgeteilt<br />
auf zwei Gebiete. Davon sind heute etwa<br />
60 Prozent verkauft. Über 20 Hektar stehen<br />
noch zur Verfügung. Die Hälfte dieser<br />
Flächen ist bereits Gegenstand von Gesprächen<br />
und Verhandlungen.<br />
Ist es vorstellbar, dass die Forschungsfertigung<br />
Batteriezelle wie ein Magnet<br />
Unternehmen anziehen wird, die sich im<br />
weitesten Sinne mit der Mobilität beschäftigen?<br />
Robbers: Wir freuen uns alle sehr, dass wir<br />
diese Mega-Forschungseinrichtung bekommen<br />
werden. Eine zusätzliche Chance liegt<br />
in dem Umstand, dass diese Einrichtung<br />
eine Sogwirkung haben wird auf Firmen,<br />
die in der Anwendung von Batterietechnologie<br />
arbeiten. Das können Unternehmen<br />
der Automobilbranche, aber auch Firmen<br />
sein, die sich allgemein mit der Anwendung<br />
von Batterien befassen. Wir haben in der Bewerbung<br />
deshalb über den Hansa-Business-<br />
Park hinaus Flächenpotenziale in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft genannt. Wir planen<br />
konkret eine Erweiterung des Business-<br />
Parks um 20 Hektar, die wir planerisch und<br />
liegenschaftlich entwickeln wollen. Das ist<br />
auch notwendig, denn das Bedürfnis der<br />
Wirtschaft, in Kooperation mit dem FFB zu<br />
treten, wird groß sein. Die Bewerbung des<br />
Landes für den Standort in Münster und in<br />
Ibbenbüren hat eine Zusammenarbeit mit<br />
75 Unternehmen beinhaltet. Der größte Teil<br />
dieser Unternehmen wird ein Interesse daran<br />
haben, hier tatsächlich mit einem<br />
Standort vertreten zu sein.<br />
Werden Sie die gesamte Batterie-<br />
Branche jetzt stärker beobachten?<br />
Robbers: Ja – und gleichzeitig werden die<br />
anwendungsorientierten Unternehmen<br />
stärker nach Münster schauen. Fairerweise<br />
Dr. Thomas Robbers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Münster GmbH (WFM), ist unter anderem auch Sprecher der<br />
Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftsförderung Münsterland (awm) und zugleich Sprecher der Wirtschaftsförderungskonferenz im<br />
Münsterland.<br />
Foto: Oliver Werner<br />
muss man aber sagen, dass Münster in der<br />
Neuansiedlungspolitik nur eine schwach<br />
ausgeprägte Expertise hat, weil die Stadt<br />
zum Beispiel keine Cluster besitzt. Das gilt<br />
von Ausnahmen wie Hamburg, Köln oder<br />
München abgesehen für weite Teile<br />
Deutschlands. In der Batterietechnologie<br />
werden wir allerdings jetzt zu den ersten<br />
Standorten deutschlandweit gehören. Deshalb<br />
wird es unsere Aufgabe sein, uns mit<br />
der Ansiedlungspolitik in dieser Branche zu<br />
beschäftigten. So, wie wir dies in den letzten<br />
Jahren in der Nanotechnologie und der<br />
Biotechnologie erfolgreich gemacht haben.<br />
Wir konzentrieren uns auf Inhalte und Qualität.<br />
Wird Münster vor diesem Hintergrund<br />
auf der nächsten Expo Real noch<br />
Gastgeber für das Münsterland sein<br />
oder denken Sie an ein anderes Standkonzept?<br />
Robbers: Wir sind sehr gut beraten, die Kooperation<br />
fortzusetzen, weil wir uns als Teil<br />
einer Region verstehen. Münster und das<br />
Münsterland können nur gemeinsam erfolgreich<br />
sein. Es gibt eine Vielzahl von<br />
Wechselbeziehungen. Die Expo Real ist zudem<br />
in erster Linie eine Gewerbe- und<br />
Wohnimmobilienmesse. Batterie ist ein großes<br />
Thema, aber das Butter-und-Brot-Geschäft<br />
ist genauso wichtig.<br />
Wie viel Fläche steht in Münster für<br />
Gewerbe- und Industrieansiedlungen<br />
frei zur Verfügung?<br />
Robbers: Wir haben eine Flächenreserve<br />
von etwa 50 Hektar. Das ist nicht viel, weil<br />
sie sich im Wesentlichen auf drei Gebiete<br />
verteilt: im Norden der Hessenweg, im Süden<br />
der Hansa-Business-Park und im Osten<br />
das Gebiet östlich der Münsterstraße in<br />
Wolbeck. Unser Anspruch besteht darin,<br />
den Suchenden mehr Angebote zu unterbreiten.<br />
Wir müssen neue Gebiete erschließen<br />
oder bestehende erweitern. Für dieses<br />
wichtige Ziel hat der Rat bereits Weichen<br />
gestellt - zum Beispiel am Heumannsweg<br />
oder durch die geplante Erweiterung des Industriegebiets<br />
Hessenweg um etwa zehn<br />
Hektar. Auch der Stadthafen II und die Planung<br />
des urbanen Stadtquartiers Steinfurter<br />
Straße werden eine sehr wichtige Rolle<br />
spielen. Und wir prüfen weitere Flächen.<br />
Wir müssen insbesondere im Westen der<br />
Stadt wieder handlungsfähig werden.<br />
► Fortsetzung auf Seite 6<br />
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6 MACHER & MÄRKTE<br />
Phantastische Lage<br />
Robbers: Stadthafen II behält seinen industriellen Kern.<br />
Gibt es schon Wartelisten für Neuansiedlungen<br />
oder Umzüge innerhalb des<br />
Stadtgebiets?<br />
Robbers: In Einzelfällen gibt es die. Das betrifft<br />
meist Unternehmen, die wissen, wann<br />
ihre Mietverträge auslaufen.<br />
Schauen wir noch einmal in den Stadthafen.<br />
Wie steht es um das Projekt Hill-<br />
Speicher?<br />
Robbers: Der lange von der Firma Hill genutzte<br />
und architektonisch hafenprägende<br />
Speicher soll ein soziokulturelles Zentrum<br />
für Kunst, Kultur und Bildung werden.<br />
Gleichzeitig wird dort der Ruderverein<br />
Münster seinen neuen Sitz bekommen.<br />
Beim Architektenwettbewerb hat sich das<br />
Essener Büro Böll durchgesetzt. Der Bauantrag<br />
ist abgegeben. Wir erwarten die Baugenehmigung<br />
voraussichtlich noch in diesem<br />
Quartal und können dann bald mit dem Bau<br />
beginnen. Der B-Side-Anteil wird durch die<br />
Stadt bereitgestellt. Die Wirtschaftsförderung<br />
soll das Investment übernehmen.<br />
Welche Pläne gibt es für den Stadthafen<br />
II zwischen Jovel und Hafengelände?<br />
Robbers: Es hat eine andere Struktur als<br />
der Stadthafen I, weil es dort nur wenig alte<br />
Bausubstanz gibt. Dafür hat das Areal eine<br />
phantastische Lage, auf dem wir das, was<br />
wir am Stadthafen I gelernt haben, umsetzen<br />
können. Ich kann mir auch vorstellen,<br />
dass wir in der Perspektive den kanalnahen<br />
Bereich an der Robert-Bosch-Straße in zehn<br />
Jahren nicht mehr wiedererkennen werden.<br />
Wir müssen dort aber den industriellen<br />
Kern schützen.<br />
Stichwort Nanotechnologie. In diesem<br />
Jahr ist Münster im Oktober wieder Austragungsort<br />
der NRW-Nano-Konferenz.<br />
Robbers: Die Konferenz findet alternierend<br />
in Münster und Dortmund statt und kommt<br />
alle vier Jahre nach Münster. Münster wird<br />
international für seine Forschungsinfrastruktur<br />
sowie anwendungsorientierte Forschung<br />
und Entwicklung geschätzt. Die Nanotechnologie<br />
ist für das Land NRW sowie<br />
für die Stadt von großer strategischer Bedeutung.<br />
Aus diesem Grund ziehen in der<br />
Allianz für Wissenschaft Akteure aus dem<br />
städtischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Umfeld an einem Strang. Die<br />
Wirtschaftsförderung ist Mitveranstalter,<br />
die CeNTech GmbH unterstützt fachlich.<br />
Übrigens bildet die Batterieforschung bei<br />
der Konferenz einen neuen Schwerpunkt.<br />
Können Sie schon erste Tendenzen der<br />
Büromarktstudie 2020 verraten?<br />
Robbers: Ich gehe davon aus, dass die Leerstandsquote<br />
noch einmal gesunken sein<br />
dürfte. Sie lag zuletzt bei 1,5 Prozent – das<br />
ist erschreckend wenig. Wir haben kaum<br />
Möglichkeiten, Verlagerungen von A nach B<br />
vorzunehmen. Auch der Flächenumsatz<br />
dürfte in 2019 niedriger ausgefallen sein als<br />
im Jahr davor. Es ist schwer, hier die Nachfrage<br />
zu erfüllen. Bewusst bewerbe ich die<br />
dezentraleren Lagen für Investitionsvorhaben.<br />
Der Anreiz zur Immobilienaufwertung<br />
und -entwicklung besteht in den teils deutlich<br />
gestiegenen Mietpreisniveaus in einigen<br />
Büromarktzonen. Das könnte mittelfristig<br />
den Druck aus dem Markt nehmen.<br />
Zukunft planen<br />
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Auch der Orgelbauer muss für eine Selbstständigkeit seit Jahresbeginn wieder einen Meisterbrief nachweisen.<br />
Foto: Jürgen Peperhowe<br />
Rückkehr zum<br />
Meisterbrief<br />
Die Änderung der Handwerksordnung im Jahr 2004<br />
hatte den Berufsstand in Alarmstimmung versetzt.<br />
2004 wurde die Meisterpflicht in 53 von<br />
94 Handwerken abgeschafft. Für das<br />
Handwerk ein Alarmsignal. Das Thema<br />
war auch politisch nie ganz „vom Tisch“.<br />
Mit dem Jahreswechsel gab es für zwölf<br />
Gewerke nun doch eine Rückkehr zum<br />
Meister.<br />
Im Jahr 2004 änderte die damalige<br />
rot-grüne Bundesregierung die<br />
Handwerksordnung (ein Bundesgesetz)<br />
mit der Zielrichtung, Neugründungen<br />
und Betriebsübernahmen zu<br />
erleichtern, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen<br />
zu steigern und insgesamt die<br />
Zukunftsfähigkeit des Handwerks zu stärken.<br />
Durch diese Novellierung fielen 53 Gewerke<br />
aus der sogenannten Meisterpflicht<br />
heraus, das heißt, die Selbstständigkeit<br />
wurde ohne Meisterbrief und damit ohne<br />
besonderen Qualifizierungsnachweis möglich.<br />
41 Berufe blieben meisterpflichtig.<br />
Die Organisationen des Handwerks hatten<br />
auf allen Ebenen ihre Kräfte mobilisiert, um<br />
diese Entscheidung zu verhindern. Es gab<br />
regionale, landes- und bundesweite Aktionen,<br />
um der Politik und der Bevölkerung –<br />
und damit den Verbrauchern – die Bedeutung<br />
des Handwerks zum Beispiel für die<br />
hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen<br />
und die enormen Ausbildungsleistungen<br />
deutlich zu machen. „Der Meisterbrief<br />
ist ein besonderes Qualitätssiegel<br />
des Handwerks“ war eine Kernbotschaft.<br />
Und dieses Qualitätssiegel sah das Handwerk<br />
durch die Abschaffung der Meisterpflicht,<br />
die für weitere Gewerke befürchtet<br />
wurde, gefährdet.<br />
Damals konnten die politischen Entscheidungsträger<br />
nicht umgestimmt werden. Das<br />
Thema war in den folgenden Jahren aber<br />
nie ganz „vom Tisch“ und fand immer wieder<br />
Eingang in politische Diskussionen. Erneuten<br />
Schwung bekam es im vergangenen<br />
Jahr. Im Oktober beschäftigte sich der Bundestag<br />
mit einem von den Koalitionsparteien<br />
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf<br />
eines Vierten Gesetzes zur Änderung<br />
der Handwerksordnung mit dem Ziel, die<br />
Zulassungspflicht für zwölf zulassungsfreie<br />
Handwerke wieder einzuführen. Die Rückkehr<br />
zur Meisterpflicht ist für diese Berufe<br />
– siehe Infokasten auf dieser Seite – seit Jahresbeginn<br />
Gesetz.<br />
Übrigens: Abschaffung der Meisterpflicht<br />
bedeutet für die zulassungsfreien Gewerke<br />
nicht, dass keine Meisterprüfung mehr abgelegt<br />
werden kann. Auch in den nichtmeisterpflichtigen<br />
Handwerken können<br />
Handwerker den Meistertitel erwerben. Dafür<br />
gibt es in den „Meisterschulen“ entsprechende<br />
Angebote. Zu diesem Thema musste<br />
im Jahr 2004 und später viel Aufklärungsarbeit<br />
geleistet werden. Damals war die<br />
Meinung weit verbreitet, dass sich Handwerker<br />
in den zulassungsfreien Gewerken<br />
nicht mehr zum Meister qualifizieren können.<br />
Eventuelle Irritationen müssen auch bei der<br />
jüngsten Novelle der Handwerksordnung<br />
ausgeräumt werden. Wer sich in den zulassungsfreien<br />
Handwerken, die jetzt wieder<br />
meisterpflichtig geworden sind, selbstständig<br />
gemacht hat, der darf sein Handwerk<br />
auch weiterhin selbstständig ausüben. Will<br />
heißen: Er muss nicht die Meisterprüfung<br />
„nachholen“ und bleibt in der Handwerksrolle<br />
eingetragen. Hubertus Kost<br />
MEISTERBRIEF WIEDER ERFORDERLICH<br />
In folgenden zwölf Handwerksberufen ist der sogenannte<br />
Große Befähigungsnachweis (Meisterbrief) wieder Voraussetzung<br />
für eine Selbstständigkeit:<br />
► Fliesen-, Platten- und Mosaikleger<br />
► Betonstein- und Terrazzohersteller<br />
► Estrichleger<br />
► Behälter- und Apparatebauer<br />
► Parkettleger<br />
► Rollladen- und Sonnenschutztechniker<br />
► Drechsler und Holzspielzeugmacher<br />
► Böttcher<br />
► Glasveredler<br />
► Schilder- und Lichtreklamehersteller<br />
► Raumausstatter<br />
► Orgel- und Harmoniumbauer
MACHER & MÄRKTE 7<br />
„Für die Kurskorrektur der<br />
Regierung war es höchste Zeit“<br />
Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer Münster, begrüßt die Rückkehr zur Meisterpflicht. Die<br />
Abschaffung hatte negative Auswirkungen auf die Auszubildenden- und Mitarbeiterzahl.<br />
Der Präsident der Handwerkskammer<br />
Münster, Hans<br />
Hund, sieht in der Rückkehr<br />
zur Meisterpflicht „ein starkes<br />
Signal für Qualität und<br />
Qualifizierung“ und freut sich darüber, dass<br />
der „Irrtum von 2004“ korrigiert wurde.<br />
Unser Autor Hubertus Kost stellte ihm dazu<br />
einige Fragen.<br />
Wie haben sich Handwerke, in denen<br />
die Meisterqualifikation seit 2004 nicht<br />
mehr Voraussetzung für die Selbstständigkeit<br />
war, entwickelt?<br />
Hans Hund: Der Verzicht auf diese Qualifikation<br />
hat die Gewerke strukturell geschwächt.<br />
Im Kammerbezirk der Handwerkskammer<br />
Münster gab es in diesen Berufen<br />
in 2002 – vor der Diskussion um die<br />
Abschaffung der Meisterpflicht – noch 40<br />
Lehrlinge pro 100 Betriebe. Aktuell sind es<br />
nur neun Lehrlinge pro 100 Betriebe. Die<br />
Betriebszahl stieg gleichzeitig von 955 auf<br />
3466 (Stand 31.12.19) um 263 Prozent.<br />
Hinsichtlich der Beschäftigung erleben die<br />
zulassungsfreien Handwerke insgesamt<br />
eine Stagnation. Während in den zulassungspflichtigen<br />
Handwerken zwischen<br />
2008 und 2017 die durchschnittliche Zahl<br />
der Beschäftigten pro Betrieb von 11 auf 13<br />
stieg, verharrt bei den freien Handwerken<br />
die Beschäftigung pro Betrieb bei neun Mitarbeitern.<br />
Wir erwarten, dass die durchschnittliche<br />
Lebensdauer der Betriebe in<br />
den jetzt neu geregelten zwölf Gewerken<br />
mit zunehmender Qualifikation steigen<br />
wird. Denn die Meisterschule schärft nicht<br />
nur das fachliche Können, sie vermittelt<br />
auch die notwendigen Kompetenzen, um<br />
einen Betrieb erfolgreich und nachhaltig zu<br />
führen. Die höhere Bestandskraft wird sich<br />
wiederum positiv auf die Garantieleistungen<br />
für Kunden auswirken, denn etwaige<br />
Ansprüche können nur von noch am Markt<br />
aktiven Betrieben durchgesetzt werden. In<br />
diesem Punkt unterscheiden sich die Betriebe<br />
erheblich: So waren beispielsweise von<br />
den 2004 im Kammerbezirk gegründeten<br />
Betrieben im zulassungspflichtigen Vollhandwerk<br />
Ende 2018 noch 48 Prozent aktiv,<br />
in den zulassungsfreien Handwerken dagegen<br />
nur 26 Prozent.<br />
Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer Münster<br />
terpflicht für den Meisterbrief insgesamt?<br />
Hans Hund: Ohne den Meisterbrief gehen<br />
Wissen und Können vieler Berufe verloren.<br />
Gut ausgebildete Fachkräfte und Meister<br />
besitzen wertvolles Wissen. Aber auch Lehrlinge<br />
bringen aus der überbetrieblichen<br />
Lehrlingsunterweisung neues Know-how in<br />
die Betriebe mit; sie treiben Innovationen<br />
an. Diesen Wissenstransfer brauchen wir.<br />
Die betreffenden Gewerke werden mit mehr<br />
Meistern gewiss auch für den Berufsnachwuchs<br />
wieder attraktiver. Die Gesellen werden<br />
einen Vorteil gegenüber anderen Beschäftigten<br />
ohne Qualifikationsnachweis<br />
haben. Umgekehrt wird die Einführung des<br />
Großen Befähigungsnachweises als Voraussetzung<br />
einer Existenzgründung auch in<br />
den Meisterbetrieben dieser Berufe die Bereitschaft<br />
zur Ausbildung entfalten. Diese<br />
Branchen bekommen wieder eine größere<br />
Zukunft. Zwar gab es nach der Abschaffung<br />
der Meisterpflicht einen Gründungsboom,<br />
aber zumeist kleinere Betriebe mit zum Teil<br />
nur kurzer Lebensdauer. Das führte zu einer<br />
massiven Absenkung des Qualifikationsniveaus<br />
und einem Verlust von Ausbildung.<br />
Die Betriebe werden wieder nachhaltiger<br />
wachsen und die Qualität der Ausbildung<br />
wird sich signifikant verbessern. Das kommt<br />
allen zugute.<br />
Wer sich in einem Handwerksberuf<br />
Foto: hwk<br />
selbstständig macht, der nicht meisterpflichtig<br />
ist, der kann sich aber durchaus<br />
zum Meister qualifizieren. Wurde<br />
(und wird) diese Möglichkeit genutzt<br />
und gibt es entsprechende Angebote?<br />
Hans Hund: Das Angebot besteht selbstverständlich<br />
nach wie vor, und das Handwerkskammer<br />
-Bildungszentrum in Münster bie-<br />
Welche Bedeutung hat die Rückkehr<br />
von 12 Handwerksberufen in die Meistet<br />
entsprechende Meisterkurse an. Mit<br />
Blick auf unser Kursangebot stellen wir fest,<br />
dass das Interesse am Meisterbrief weiterhin<br />
auch bei den zulassungsfreien Gewerken<br />
vorhanden ist. Bei den Fliesen-, Plattenund<br />
Mosaiklegern – der größten Gruppe<br />
unter den zwölf betroffenen Gewerken –<br />
wurden beispielsweise im Jahr 2002 bei uns<br />
im Kammerbezirk noch 22 Meister ausgebildet,<br />
im Jahr 2015 waren es trotz der Zulassungsfreiheit<br />
noch zehn Meister. Im vergangenen<br />
Jahr hat aber lediglich ein Teilnehmer<br />
seine Prüfung abgelegt. Diese Entwicklung<br />
zeigt exemplarisch, dass es für die<br />
Kurskorrektur der Regierung höchste Zeit<br />
war.<br />
Nach der Novelle bleiben 41 Berufe<br />
nicht meisterpflichtig. Ist die aktuelle<br />
Änderung der Handwerksordnung für<br />
Ihre Organisation auch ein Signal, sich<br />
dafür einzusetzen, dass weitere (und am<br />
Ende wieder alle) Gewerke meisterpflichtig<br />
werden?<br />
Hans Hund: Dass es „nur“ zwölf Gewerke<br />
sind, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen.<br />
Wir sind froh darüber, denn auch<br />
das Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene<br />
ist kompliziert und zeitaufwendig. Umso<br />
wichtiger ist es, die nächste Chance zu nutzen<br />
mit der Evaluation in fünf Jahren.<br />
1<br />
HANDWERKSNACHWUCHS<br />
Die Handwerksbetriebe im Münsterland und in der Emscher-<br />
Lippe Region haben in 2019 insgesamt 5432 Auszubildende<br />
eingestellt damit annähernd gleich viele Nachwuchskräfte wie<br />
im Vorjahr.<br />
„Das Handwerk bietet überaus gute berufliche Aussichten und<br />
wir freuen uns, dass viele Jugendliche diese Chance nutzen. In<br />
Zeiten sinkender Schulabgänger-Zahlen setzen sich die Betriebe<br />
und die Handwerkskammer Münster weiterhin mit vollem<br />
Engagement für die Gewinnung des Berufsnachwuchses ein“,<br />
so Kammerpräsident Hans Hund. Die Betriebe würden gern<br />
noch mehr ausbilden. Die Bereitschaft sei groß: In der Lehrstellenbörse<br />
der Kammer sind laufend und für den zukünftigen<br />
Ausbildungsbeginn 482 Ausbildungsplätze vakant. Hund würdigte<br />
das Engagement zahlreicher Betriebe zur Ausbildung von<br />
Geflüchteten: Sechs Prozent aller neuen Auszubildenden kommen<br />
aus anerkannten Asylherkunftsländern. 2016 lag diese<br />
Quote bei einem Prozent.<br />
Von den neuen Lehrstellen entfallen auf die Kreise Borken<br />
1118 (- 73 gegenüber 2018), Coesfeld 584 (+ 35), Steinfurt 1041<br />
(- 63), Warendorf 541 (+ 9) und auf die Stadt Münster 589<br />
(- 37). Im Kammerbezirk waren es im Vergleich zum Vorjahr<br />
26 Lehrlinge weniger (- 0,5 Prozent). Die meisten weiblichen<br />
Auszubildenden gibt es in den Berufen Friseurin, Fachverkäuferin<br />
im Bäckerhandwerk und Kauffrau für Büromanagement.<br />
Die meisten männlichen Auszubildenden erlernen die Gewerke<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker sowie Anlagenmechaniker<br />
für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.
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