Flow_Fusion
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TEST | Flow Paragliders Flow
Der neue Fusion – ein
Alleskönner in der
Sportklasse
FLOW
PARAGLIDERS
FUSION
S P O R
T K
S1
Phänomenal, in welch kurzer
Zeit Flow Paragliders eine
komplette Gleitschirmpalette
auf die Beine gestellt hat.
Der neue Sportklasseschirm
„Fusion“ – ein Hybrid-Dreileiner –
schließt nunmehr die Lücke zwischen
dem High-End-B-Gerät „Freedom“ und dem
prominenten Hochleister „XC-Racer“ und soll
„Zweileinerfeeling“ offerieren …
L A S S E
Testpilot: Franz Sailer
Fotos: Norbert Aprissnig
74 | 9_20
www.thermik.at
Felipe Rezende, Firmenboss von Flow
Paragliders und Designer aus Leidenschaft,
drückt ordentlich auf’s Tempo:
Mittlerweile umfasst seine Gleitschirmflotte
nicht weniger als neun
Modelle. Der Fusion ist seine jüngste Kreation.
Felipe hat den Sportklasseschirm mit gewohntem
Herzblut, Enthusiasmus, aber vor allem
mit einer klaren Philosophie designed: „Wenn
man von einer Thermik zur anderen fliegt, das
Gelände und den Himmel erforscht, und mit
dem Tag, den Bedingungen sowie dem Gleitschirm
total verbunden ist, – quasi ,eins‘ ist mit
dem Gleiter –, vergisst man beinahe, dass man
unter einem Gleitschirm hängt. Dann befindet
man sich total im ‚flow‘, das heißt im Fluss
mit dem Element Luft. Dieses Gefühl kommt
in erster Linie, wenn sich der Pilot wohlfühlt
unter dem Gleitschirm, dieser stabil fliegt,
vorhersehbar reagiert und einfach zu fliegen ist.
Mit dieser Philosophie im Kopf habe ich den
Fusion konstruiert“, meint Felipe zum Konzept
des Sportklasseschirmes. Bereits kurze Zeit nach
der Markteinführung hörte man in der Szene
viel Positives von den ersten Testflügen. Kein
Wunder, dass das THERMIK-Testteam höchst
gespannt war, wie sich der neue Sportklasseschirm
mit dem angesagten Zweileinerfeeling
aus „Down Under“ im XC-Alltag bewährt
und wie er letztendlich in Vergleichsflügen
mit der dichtgedrängten Palette der C-Klasse
abschneidet, welche zuletzt mit einem Cure 2,
Bonanza 2, Delta 4, Allegro, Savage etc. starken
Zuwachs erhalten hat …
KONSTRUKTION, MATERIALEN, DESIGN
Felipe hat den Fusion als Hybrid-Dreileiner
konzipiert, um die Vorteile von Zweileinern
mit denen von Dreileinern zu vereinen (daher
Namensgebung „Fusion“). Der Schirm besitzt
zwar grundsätzlich drei Tragegurtebenen, wird
aber speziell abgespannt. Der mittige Flügelbereich
über drei Ebenen, der Außenflügel nur
über zwei. Zusätzlich wurde dem Fusion auf
der C-Ebene an der innersten Abspannung eine
vierte Hybrid-Stützebene eingezogen. Resultat:
Zum einen führt dieser Ansatz zu einer Reduktion
der Gesamtleinenlänge um etwa 30 m und
damit zu einer Leistungssteigerung vor allem im
Schnellflug. Zum anderen soll der Fusion mit
dieser Konstruktion echtes „Zweileinerfeeling“
offerieren, indem er ähnlich einem Zweileiner
effektive Pitchkontrolle über die C-/B-Handles
erlaubt. Das funktioniert so: Die B-Leinen des
Außenflügels sind am C-Tragegurt aufgehängt,
wodurch der Außenflügel bei der Pitchkontrolle
mit dem Holzsteg wie ein klassischer Zweileiner
aufgestellt wird und nicht abgeknickt werden
muss. Damit ebenso der mittlere Flügelteil
möglichst wenig verformt wird, wurde die
B-Ebene des Tragegurtes ähnlich einer Speedbrake
über einen Durchläufer mit der C-Ebene
verbunden. Nebeneffekt: Die Zugkräfte für die
Pitchkontrolle am C-/B-Holzsteg werden durch
diese Konstruktion niedriger gehalten als bei
der klassischen Kombi B-/C-Steering. Und:
Der Fusion kommt durch diese ausgeklügelte
Konstruktion bei der Zulassung ohne Faltleinen
aus und muss sich damit nicht mit einer
D-Einstufung begnügen. Felipe zur Hybrid-
Konstruktion: „Ich wollte damit die Topperformance
der Zweileiner Spectra und XC-Racer
in die C-Klasse transformieren. Auch beim
Fusion kann der Pilot jetzt über die gesamte
Speed-Range den Anstellwinkel wie bei einem
Zweileiner perfekt kontrollieren, ohne das Profil
zu verformen, um so möglichst effizient und
gleitstark durch Turbulenzen zu fliegen.“ Mit
68 Zellen und einer ausgelegten Streckung von
6,35 fügt sich der Fusion mit diesen Parametern
vortrefflich in die C-Klasse ein. Die Shark Nose
des Fusion wird mit klassischen orangefarbenen
Kunststoffdrähten geformt. Das Obersegel ziert
ein doppeltes 3D-Shaping und zeigt mittlerweile
klassentypische C-Wires, welche im Abstand
von ca. 50 cm hinter den vorderen Stäbchen
eingezogen sind (lediglich an den fünf äußeren
Zellen fehlen die Stäbchen). Dementsprechend
ist diese Anordnung weniger knickempfindlich
als z. B. beim XC-Racer, sodass auf eine Packrolle
(Wurst) verzichtet werden kann. Ziel war
es vor allem, den Fusion als sehr pitch- und
klappstabilen Flügel zu bauen. Intensive Computersimulation
brachten neue Lösungen und
Technologien zur Anwendung. Viele davon sind
nicht auf Anhieb sichtbar, so Felipe. Besonderes
TECHNISCHE DATEN (HERSTELLERANGABEN)
Hersteller & Vertrieb
Vertrieb
Produktion
Konstrukteur
Testpilot
Flow Paragliders, +61(0)414 966 092
sales@flowparagliders.com.au
http://www.flowparagliders.com.au/
DE: Kontest GmbH, Konrad Görg
Tel.: +49(0)5321/7569006, info@kontest.eu
AT: Herbert Tamegger, Tel.: +43(0)664/1001380
tamisflywear@gmail.com
Sidney, Australien
Felipe Rezende
Felipe Rezende
Größen S M ML L
Zellenanzahl 68 68 68 68
Startgewicht (kg) 72–92 80–103 92–115 107–128
Fläche ausgelegt (m²) 22,95 24,45 26,3 28,4
Fläche projiziert (m²) 19,56 20,89 22,47 24,14
Spannweite ausgelegt (m) 12,07 12,48 12,94 13,50
Spannweite projiziert (m) 9,73 10,06 10,43 10,89
Streckung ausgelegt 6,35 6,35 6,35 6,35
Streckung projiziert 4,86 4,86 4,86 4,86
Kappengewicht (kg) 4,45 4,65 4,80 4,95
Gesamtleinenlänge (m) – – – –
Preis inkl. Mwst. (€) 3.790,– 3.790,– 3.790,– 3.790,–
Gütesiegel LTF/EN LTF/EN C LTF/EN C LTF/EN C LTF/EN C
Lieferumfang
Flow-Paragliders-Rucksack, Beschleuniger,
Reparaturset, Schlüsselanhänger, Aufkleber
Der Sportklasseflügel mit
Zweileinerfeeling überzeugt
mit tollem Gleiten und
hohem Flugkomfort.
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TEST | Flow Paragliders Flow
Modernstes Kappendesign dank
intensiver Computer simulationen
und neuester Technologien
Augenmerk wurde bei der Konzeption auf eine
ausgewogene Flügelspannung über die gesamte
Spannweite gelegt, die es dem Fusion ermöglicht,
besonders effizient durch bewegte Luft
zu carven, heißt es weiter seitens des australischen
Herstellers. Letztendlich habe man auch
hohen Wert auf ein außergewöhnliches Thermikhandling
gelegt, meint der Flow-Designer.
Klarerweise besitzt der Fusion Miniribs und
mehrere Querzugsbänder im Interieur. Am
Obersegel an der Eintrittskante kommt das
schwerere, stabile Porcher Skytex 38 s zum
Einsatz, im hinteren Bereich und am Untersegel
das leichtere Porcher Skytex 32 s. Trotz diesem
langlebigen Materialmix erreicht die Größe M
bloß 4,65 kg (gewogen) und geht damit als
Semilight-Konstruktion durch. Dennoch fehlt
es nicht an zahlreichen Verstärkungen wie z. B.
an den Leinenaufhängungspunkten – und die
Verarbeitung lässt allgemein keine Wünsche
offen. So verwendet Flow Paragliders wiederum
beim Leinenmaterial Bewährtes: nämlich
eine komplette Race-Beleinung von Edelrid
(Stammleinen, mittlere Galerie und Topgalerie
allesamt unummantelt). Färbig abgegrenzt und
im unteren Bereich ummantelt sind lediglich
die Stabiloleine sowie die Bremsleine. Der
3-fach-Tragegurt aus 12 mm Polyester kommt
mit großdimensionierten B-/C-Handels aus
(Leicht)Holz, großen, kugelgelagerten Ronstanrollen
mit Neoprenummantelung, Druckknöpfen,
Keramikringen als Bremsumlenkung und
Wirbel. Statt Kunststoffeinsätze zur Leinenfixierung
werden schlichte Gummiringe verwendet.
Der Fusion kommt in vier Größen
(von 72–128 kg) und in drei verschiedenen
Standarddesigns.
START
Es ist Mitte Juni und endlich ist wieder brauchbares
XC-Wetter angesagt. Den Fusion im
Marschgepäck, stapfe ich mit drei Clubkollegen
zum Startplatz des Schöckl nahe der Stadt Graz.
Dort tummeln sich um 9.30 h bereits mehr als
50 kilometerhungrige XC-Cracks, man spürt
förmlich das Streckenfieber. Rasch ziehe ich
meinen Fusion aus dem Packsack und bereite
mich für den Erstflug vor. Der Fusion verlangt
keine besonderen Tricks beim Auslegen oder
Leinensortieren. Die wenigen Stammleinen
können zwar leicht verkringeln bzw. verhaken,
sie sind aber rasch getrennt und schon kann es
losgehen …
Vorwärtsstart
Die inneren A-Gurte alleine sind schwer zu
fassen, da diese durch die Verbindungskordel
mit den Baby-A-Gurt sehr kurz geraten
sind. Nimmt man beide A-Gurte gemeinsam,
kann man besser greifen. Wer lediglich mit
den inneren A-Gurten starten will, muss am
Leinenschloss greifen, da nicht ausreichend
Platz zum Anfassen des Tragegurtes bleibt.
Grundsätzlich funktioniert das Vorwärtsstarten
mit beiden Methoden. Wird vorzugsweise mit
beiden A-Gurten aufgezogen, sollte die Kappe
präventiv betont angespitzt ausgelegt werden.
So fasst die Kappe zuerst mittig nach Luft,
wodurch die Ohren beim Aufziehvorgang nicht
vorpreschen können. In weiterer Folge startet
der Fusion vorwärts ohne Tricks. Die Kappe
schnappt zuverlässig nach Luft, zieht bedächtig,
allerdings zuverlässig und spurtreu nach
oben, ohne am Zenit zu überschießen. Nur bei
Rückenwindeinfluss benötigt die Kalotte naturgemäß
konstanten nachhaltigen Zugimpuls bis
zum Scheitelpunkt, um sicher abzuheben. In
solch kniffligen Bedingungen kommt der positive
Effekt der Semilight-Bauweise zum Tragen,
sodass nicht bloß Hike-&-Fly-Piloten in Hinblick
auf das attraktive Tragegewicht profitieren,
sondern für jedermann der Aufziehvorgang
bei Nullwind durch das niedrigere Kappengewicht
von 4,6 kg erleichtert wird.
Rückwärtsstart
Rückwärts aufziehen gelingt stets zuverlässig
und beinahe „entspannt“. Ohne Ausbruchstendenz
steigt die Kappe spurtreu bis zum Zenit
und tendiert dort nicht zum Überschießen.
Selbst bei Gegenwind neigt der Flügel nur zum
dezenten Vorschießen, falls man zu ungestüm
aufgezogen hat. Bei Nullwind ist klarerweise
ein etwas markanterer Zugimpuls empfehlenswert
– generell für die C-Klasse ein vorbildlicher
Rückwärtsstarter.
Starkwindstart
Der Fusion zählt eher zu den „Hockertypen“,
er bleibt selbst bei strammem Wind manierlich
am Boden liegen. Gelegentlich können die
Ohren im Wind schlagen und ein paar Zellen
am Außenohr durchschlaufen – sie sind infolge
rasch wieder befreit. Es genügt ein dezenter
Anfangsimpuls. Wurde zu brachial „angerissen“,
droht der Fusion genauso wie jeder Flügel
in dieser Klasse, am Zenit zu überschießen,
und muss gestoppt werden. Passiert einmal
ein unbeabsichtigter „Katapultstart“, hebelt der
Fusion beim Abstoppen der Kalotte kaum.
Und: Sollte der Flügel einmal seitlich ausbrechen,
gestalten sich Richtungskorrekturen dank
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www.thermik.at
KONSTRUKTION/MATERIALIEN
Kappe: Shark Nose, doppeltes 3D-Cut am Obersegel, zwei
Spannbänder auf B- und C-Ebene zusammenlaufend am
Stabilo auf ein Band, C-Wires im Abstand von 50 cm
(ausgenommen äußere 5 Zellen), Miniribs
Obersegel Eintrittskante: Porcher Skytex 38 s; Obersegel
im hinteren Bereich und am Untersegel: Porcher Skytex
32 s; Rippen: Porcher Skytex 32 hard
Leinen: Stammleinen, unummantelt von Edelrid 8000U
360/190/130/050 kg, Liros DSL 140 kg
Mittlere Galerie: Edelrid 8000U 190/130/090/070/050 kg,
Edelrid 9200 030 kg; Topgalerie: Edelrid 8000U
130/090/070/050 kg – Edelrid 9200 030 kg
Drei A-Stammleinen, Baby-A, zwei B-Stammleinen, zwei
C- plus Stabilo-Stammleine
Tragegurt: 3-fach-Tragegurt aus 12 mm Polyester,
Metallschäkel, großdimensionierte B-/C-Handels
aus (Leicht)Holz, kugelgelagerte Ronstanrollen mit
Neoprenummantelung, Druckknöpfe, Keramikringe als
Bremsumlenkung, Wirbel, Gummiringe zur Leinenfixierung
FLOW
PARAGLIDERS
FUSION
PILOTENANSPRUCH
(ANFORDERUNG AN DEN PILOTEN)
E1 E2 i1 i2 S1 S2 H1 H2 CC
S1: Ab Sportklasse 1 ist Leistung das Primärziel
der Entwicklung. S1-Geräte sind vorwiegend
Streckenfluggeräte für geübte Piloten, die viel fliegen.
Erforderliche Skills/Erfahrung: Aktives Eingreifen bei
Störungen ist ebenso eine Grundvoraussetzung wie
umfangreiches Wissen und Erfahrung in den Bereichen
Aerodynamik, Meteorologie und XC oder Akrobatik.
Erforderliche Airtime: ab min. 70 Std./Jahr
PILOTENKOMMENTAR
Ein überaus komfortables, dennoch leistungsstarkes
C-Gerät, das kaum Wünsche offen lässt!
Was uns gefiel: Gelungener Mix aus Komfort-Leistung-
Stabilität
Was anders ist: Semilight-Bauweise, Zweileinerfeeling
Was uns fehlt: 3–4 km/h mehr Topspeed
EIGNUNG
Einsteiger XC •••••
Gelegenheitspilot
Acro
Wettkampf • Hike & Fly ••
• (wenig geeignet) bis ••••• (hohe Eignung)
TESTPROTOKOLL
Startgewicht Testpilot (kg) 94–101
Flächenbelastung (kg/m 2 ) 3,84–4,13
Gurtzeug
Woody Valley X-rated 6, Skylighter
4, Lightness 2
Messinstrumente Flymaster Live SD, Skytraxx 2+
Beschleunigungsweg (cm) 37
Gewicht Schirm (kg) 4,65
Vtrimm (km/h) 40
Vmax (km/h) 53
9
8
7
6
5
4
3
2
1
STEUERKRAFTDIAGRAMM
Steuerkraft [daN (≈kg)]
Steuerweg (cm)
0 10 20 30 40 50
Kommentar: Im Arbeitsbereich Steuerdruck bei durchschnittlich
20 cm, infolge linear in Richtung Strömungsabriss ansteigend, kurz
vor dem der Abriss punktuell und markant erhöhter Steuerdruck
präziser Bremse relativ einfach. Auch bei Startwind
gilt: Der Fusion stresst nicht!
FLUGVERHALTEN
Kurz nach 10 Uhr zieht mich der Fusion in die
dritte Dimension und ich steuere den Hausbart
gleich rechts neben dem Startplatz an. Die Vormittagsthermik
präsentiert sich schwach und
ich muss mich im Pulk mit mehreren Piloten
hochkämpfen. Die Steuerleinen wurden für
meinen Geschmack optimal eingestellt, offensichtlich
wurde bereits der längere Vorlauf der
Werkseinstellung verkürzt. Im Arbeitsbereich
bei 15–20 cm kann der Steuerdruck als durchschnittlich
bezeichnet werden. Wird weiter
nachgezogen, steigt der Bremsdruck linear in
Richtung Strömungsabriss an. Kurz vor dem
Abriss bei 50 cm macht sich infolge punktuell
ein markant erhöhter Steuerdruck bemerkbar.
Der Fusion lässt sich präzise und verzögerungsfrei
steuern. Die Informationen über
die Luftbewegungen an die Steuerleinen sind
gedämpft, doch als gänzlich „stumm“ kann die
Bremse nicht bezeichnet werden. Feedback,
was sich in der Luft tut, wird stärker über die
Tragegurte vermittelt. Die Kappe selbst wird als
„stets gespannt“, aber keinesfalls „bretterhart“
wahrgenommen. Sie vermittelt ausreichendes,
jedoch nicht übertriebenes Kappenfeedback.
Lediglich in schwachen Bedingungen muss der
Pilot ein wenig in die Kappe „hineinhorchen“,
um exakt zentrieren zu können. Auf 2.000 m
verlässt unser kleiner Pulk den Schöckl-Hausbart
und wir gleiten Richtung Norden zur
Teichalm auf Strecke. Der Fusion macht im
Trimm vollbeladen rund 40 km/h (gemessen
auf 1.800 MSL), gleitet dabei superspurtreu
und vor allem hocheffizient gegen den Wind.
Thermische Heber nimmt die Kappe sauber
mit, so verliere ich über dem Plateau kaum
an Höhe. Dafür machen die Vorhügel vor der
Teichalm Thermikpause und ich muss lange
und brutal tief im Tyrnau-Graben nach Aufwinden
suchen – Großbaustelle ausgefasst!
Thermikflug
Generell zieht der Fusion schön, beinahe elegant,
in die Thermik hinein und stresst dabei
nur selten. Klar: Bei hoher Beladung zieht die
Kappe etwas zügiger in den Bart hinein und
muss ab und an gestoppt werden, ganz selten
pitcht die Kappe anstrengend. Mit geringerer
Flächenbelastung gestaltet sich der Einflug in
die Thermik „schaumgebremster“ bis leicht
Made in
Down Under
verzögert. Ich fliege an diesem Streckentag die
Größe M mit 101 kg Startgewicht ganz oben
beladen. Jetzt, in der lauen Vormittagsthermik,
ist das ein kleiner Nachteil: Um effizient Höhe
zu machen, bin ich bemüht, mit konsequenter
Gewichtsverlagerung besonders flach zu kreisen.
In späteren Vergleichsflügen zeigt sich,
dass der Fusion in schwachen Bedingungen
ein Startgewicht im Bereich 95 kg bevorzugt,
um auch zarte Thermik effektiv einzusammeln.
Andererseits zeigt sich in weiteren Testflügen,
dass der Fusion vor allem im Bereich
97 bis 101 kg ein tolles Handling und perfekte
Gleitperformance im Trimm- und Schnellflug
offeriert. Wer mit dem Startgewicht je nach
Thermik- und Windbedingungen variieren
kann (z. B. durch Wasserballast oder durch die
Verwendung unterschiedlich schwerer Gurtzeuge),
kann das Leistungsspektrum des Gleiters
optimal auf die Tagesbedingungen abstimmen.
Der Fusion ist tendenziell eher ein Flachdreher.
Mit einer Beladung unter 95 kg braucht der
Flügel einen Tick länger bzw. benötigt infolge
mehr Steuerinput, um rasch auf engerer Kreisbahn
mit stärkerer Querneigung gebracht zu
werden. Als nach der Murtalquerung bei Bruck
gegen die Mittagszeit die Thermik hochschießt
und Wind dazukommt, bin ich um jedes
Kilogramm Gewicht froh. Agil und willig lässt
sich der Flügel mit meiner Beladung steil in
den grantigen Bart stellen, Querneigung und
Kurvenradius können zügig verändert werden.
Super … jetzt macht sich das erhöhte
Rollmoment dank höherer Flächenbelastung
positiv bemerkbar. Generell empfindet man das
Kurbeln mit dem ausgewogenen Flügel selbst
in schwierigen Bedingungen nicht stressig. Der
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TEST | Flow Paragliders Flow
1
2 3
4
1. Hybrid-Zwei-/Dreileiner mit innovativem
Tragegurt
2. „Butterweich“ im Vollgas dank effektivem
Speedsystem
3. Shark Nose mit dem doppeltem 3D-Cut
4. Die inneren A-Gurte haben durch die
Verbindungskordel wenig „Fleisch“ zum
Anfassen.
5. Solides Semilight-Konzept mit zahlreichen
Verstärkungen
6. Perfekte Pitchkontrolle dank solider
Holzgriffe
5
Fusion ist ein komfortabler Flügel, der sich
ebenfalls in stärkerer Thermik entspannt pilotieren
lässt. Verantwortlich dafür zeichnet sein
rundes Handling, seine gut gewählte Balance
um alle Flugachsen, aber nicht minder seine
komfortable Dämpfung um die Nickachse.
Die Kalotte wirkt nie nervös oder zappelig, der
Flügel strahlt stattdessen viel Ruhe aus. Selbst
wenn der Fusion mit niedriger Beladung (z. B.
95 kg) geflogen wird, kommt dieses komfortable
Fluggefühl nicht abhanden, allerdings
verliert die Kappe etwas an Dynamik und
Punch. Ich bevorzugte in mehr als 25 Stunden
Airtime ca. 98 kg Startgewicht, hier treffen sich
Steigfreude, hohe Gleitleistung sowie effizientes
Handling, sodass man in turbulenter, kniffliger
Thermik stets beste Karten hat. Apropos Turbulenzen:
Wenn es in einer Leethermik oder
windzerrissener Thermik richtig zur Sache geht,
punktet der Fusion neben seinem komfortablen
Fluggefühl zusätzlich mit überdurchschnittlich
hoher Stabilität, – das macht ihm in dieser Klasse
keiner so schnell nach! Vor allem Aufsteiger
aus der B-Klasse werden das zu schätzen wissen.
Hinzu kommt, dass uns der Fusion genauso bei
Klapper durch seine überschaubaren Reaktionen
überzeugt hat (siehe Extremflugverhalten).
In Summe resultiert aus diese Vorzügen die Einstufung
des Fusion in die „Sportklasse 1“ (S1).
Klar: In turbulenter Luft erfordert der Fusion
als C-Gerät einen erfahrenen, aktiv fliegenden
Piloten, der weiß, wann und wie er richtig zu
reagieren hat. Dann will der höhergestreckte
Flügel auch mal an die kurze Leine genommen
werden und benötigt einen zackigen, tiefen
Bremsinput …
Beschleunigter Flug
Ich steh’ auf Holzgriffe zur Pitchkontrolle!
Man kann die Knüppel ebenso mit Fäustlingen
vernünftig fassen und ordentlich daran ziehen,
falls notwendig. Der Fusion offeriert kombiniertes
B-C-Steering. Die Zugkraft auf der
C-Ebene ist relativ hoch angesiedelt, die Pitchkontrolle
funktioniert allerdings hervorragend
damit. Grundsätzlich verlangt die laufruhige
und äußerst stabile Kappe wenige Eingriffe im
Speedflug. Im Vollgas pitchen – C-/B-Korrektur
– pitchen … Fehlanzeige! Superstoisch
6
und mit hoher Effizient hält der Gleiter selbst
auf Gegenwindpassagen in unruhiger Luft die
Spur – auch das ist eine weitere Stärke des Fusion.
Und: Die Gleitperformance ist beachtlich
und die Penetration gegen den Wind hervorragend.
Selbst vollbeschleunigt „knickt“ die Gleitzahl
nicht ein, im Gegenteil: Der Fusion kann
im Topspeed mit den Topgeräten der C-Klasse
absolut konkurrieren. Folglich verliere ich beim
Rückflug gegen den Talwind überraschend
wenig Höhe. Und: Im Vollgas präsentierte sich
der Fusion in über 20 Teststunden sehr stabil!
Einzig der Topspeed von 53 km/h könnte um
ein paar km/h höher liegen, schließlich brettern
ambitionierte C-Piloten schon mal öfters Rolle
auf Rolle dahin. Im Gegenzug lässt sich das
Gaspedal bis zum Anschlag nahezu „butterweich“
als auch mit kurzem Beschleunigerweg
betätigen. So kommt beim Vollgasfliegen mit
dem Fusion tatsächlich ein gewisses „Zweileinerfeeling“
auf.
Extremflugverhalten
Es gibt Gleitschirme, die in Turbulenzen lange
nicht einklappen, infolge aber umso intensiver
und anspruchsvoller wegbrechen. Andere Geräte
entlasten wiederholt mit den Außenflügeln,
das passiert zumeist harmlos, ist aber nervig.
Der Fusion macht beides nicht. Er bleibt
überdurchschnittlich lange stabil. Verantwortlich
dafür sind seine hohe Frontstabilität und
ein signifikanter Innendruck des Außenflügels.
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www.thermik.at
FLOW
PARAGLIDERS
FUSION
Ein ausgewogener, leistungsstarker
XC-Flügel ohne
Schwachpunkte …
KURZBEWERTUNG
STARTEIGENSCHAFTEN
FLUGVERHALTEN
ABSTIEGSHILFEN
Eignung
Wertung
Vorwärtsstart
Rückwärtsstart
Starkwindhandling
Agilität/Wendigkeit
Steuerverhalten
Klappverhalten
Beschleunigter Flug
Dämpfung
Stabilität
Ohrenanlegen
B-Stall
Steilspirale
A-Gurte schlecht zu greifen, fasst gut Luft, steigfreudig, spurstabil,
prompt korrigierbar, kurze Abhebestrecke
Kommt zuverlässig hoch, spurstabil, geringe Überschießtendenz
„Hockertyp“, Ohren schlagen am Boden kaum, spurstabil, nur
dezentes Vorschießen, hebelt selten
Beherrscht alle Schräglagen, ausreichende Wendigkeit, spricht gut
auf Gewichtsverlagerung an
Direkt und präzise, definierter Stallpunkt, durchschnittliche
Steuerdrücke
Überaus stabil, klappt lange nicht, geringe Verhängerneigung,
gelegentliches Aufschnalzen
Überdurchschnittlich stabil, geringer Pedaldruck, Endspeed
unterdurchschnittlich, tolles Gleiten
Kappe verwindet sich, angenehme Dämpfung um die Nickachse
Hohe Stabilität über die gesamte Spannweite
Hohe Zugkräfte, bleiben großteils stabil, öffnen sukzessive, geringe
Rolltendenz
Wird vom Hersteller nicht empfohlen
Rasche Einleitung, perfekt dosierbar, dreht beim Exit moderat nach
Erfahrene Piloten, XC-Piloten
mangelhaft, durchschnittlich
gut, sehr gut, ausgezeichnet
Und falls er mal einklappt, vollzieht sich die
Öffnung der Deformation in den überwiegenden
Fällen überschaubar. Sollte sich der Frontbereich
einmal entlasten, passiert das quasi
„verzögert“, das heißt, der Klapper kündigt
sich zumeist an und der Pilot kann – so er flott
auf der Bremse reagiert – rechtzeitig eingreifen.
Gezogene Seitenklapper aus dem Trimm bis
50 % gestalten sich klassentypisch, der Flügel
dreht mäßig ab und nickt moderat vor. Die
Öffnung erfolgt zumeist weich und sukzessive.
Beschleunigt dreht der Flügel stärker ab und
nickt kräftiger vor, wobei die Kappe gut gestützt
werden kann. Die Öffnung aus beschleunigten
Seitenklappern kann manchmal weich, dann
wieder impulsiv erfolgen. Einige Zellen des
Außenflügels können dabei verhaken, große
Verhänger kamen nicht vor. Provozierte Frontklapper
sind generell schwierig zu ziehen, da
sehr hohe Last auf der A-Ebene hängt, man
muss beinahe Klimmzüge machen … die
Kappe will sofort wieder öffnen, sie muss brachial
unten gehalten werden, um großflächig
einzuklappen. Dabei ist es fast nicht möglich,
den Flügel ohne Verwendung einer Faltleine
vorzubeschleunigen. Die Öffnung ist spontan
und in der Regel symmetrisch bei mäßigem
Vorschießen. Alles in allem ein überzeugendes
Extremflugverhalten bei Klappern.
Spaßfaktor (Dynamik & Wendigkeit)
Oben beladen, entfaltet der Fusion durchaus
attraktive Dynamik und Punch. Hohe Wingover
gelingen auf Anhieb, ferner zackige Turns
oder Steilkurven. Unterbeladen verlangt der
Fusion markantere Gewichtsverlagerung, folglich
gelingen auch knackige Manöver gekonnt.
Unterm Strich ein XC-Carver, der Spaß beim
Streckenfliegen und in knackiger Thermik vermittelt,
aber durchaus genauso Spielereien am
Hausberg erlaubt.
ABSTIEGSHILFEN
Steilspirale
Die Einleitung gelingt mit Gewichtsverlagerung
rasch, einmal in der Spirale angelangt, rotiert
die Kappe mit satter Geschwindigkeit und
durchschnittlichen g-Kräften. Die Sinkrate lässt
sich hervorragend dosieren, die Ausleitung so
optimal vorbereiten. Beim Exit dreht der Flügel
mäßig nach und steigt dosiert weg. Die Ausleitung
einer massiven Spirale geht klassentypisch
vonstatten, sie verlangt Erfahrung, überfordert
jedoch nicht.
B-Stall
Der B-Stall wird vom Hersteller nicht empfohlen.
Ohren anlegen
Um die Ohren großflächiger anzulegen, müssen
die Baby-A-Leinen möglichst weit oben gefasst
werden. Ein kräftiger Zug ist nötig, um die
Ohren reinzuholen. Einmal angelegt, bleiben
diese großteils stabil und ruhig. In Kombination
mit dem Speedsystem können sie durch
ungewolltes Rollen ab und an öffnen. Das
Öffnen erfolgt im Trimmspeed meistens selbstständig,
mit Beschleuniger muss nachgeholfen
werden, um Restzellen aufzupumpen. Effizienz:
mittel.
FAZIT
Für einen jungen Hersteller ein neues C-Gerät
unter den aktuellen Platzhirschen dieser Klasse
zu platzieren, ist kein einfaches Unterfangen.
Soll man den Gleiter leistungsmäßig ganz oben
ansiedeln, mit dem Risiko, dass er den klassischen
C-Piloten womöglich bei kniffliger Wetterlage
überfordert? Oder lieber einen sicheren,
komfortablen Schirm auf den Markt bringen,
der dann allenfalls in der Gesamtperformance
nicht überzeugt? Flow Paragliders hat den „Spagat“
perfekt hingekriegt: Der Fusion überzeugt
mit hohem Flugkomfort, super Dämpfung und
toller Stabilität auch in harzigen Bedingungen.
Für Aufsteiger aus der B-Klasse stellt der Flügel
eine absolute Option dar, wenn sie ein weniger
anspruchsvolles Gerät bevorzugen, jedoch
das volle Leistungsspektrum eines C-Schirmes
abrufen wollen. Und in Bezug auf Leistung
braucht sich der Fusion nicht zu verstecken! Vor
allem seine Gleitperformance im Trimm und
genauso im Schnellflug kann sich sehen lassen.
Well done, in Down Under …
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