FOCUS_18_2022_Vorschau
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AUSGABE 18
30. April 2022
EUROPEAN MAGAZINE AWA R D WINNER 2022 POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC
FITNESS
BEWEG
DICH!
Die besten Tipps von
Deutschlands bekanntestem
Sportmediziner
Dr. Müller-Wohlfahrt
DAS PUTIN-
DILEMMA
Zwei Bundeskanzler und ihr
Russland-Problem
WIRTSCHAFT
Undercover bei
Lieferando
MEDIZIN
Merck-CEO Belén Garijo
über die Zukunft von mRNA
REISE
Wo Zeus und Athene
Urlaub machen
Alle FOCUS-Titel to go.
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JETZT
E-PAPER LESEN:
WENIGER IST LEER
Anne Wizorek
über Hungersnöte
nah und fern
30. April 2022 | #25
Seite 5
VOR DER COHABITATION?
Sabine Russ-Sattar
über die nächste
französische Wahl
Seite 6
Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch
EDITORIAL
Die hohe Inflation und ein Plädoyer
für Steuersenkungen
Von Robert Schneider, Chefredakteur
Foto: Peter Rigaud/FOCUS-Magazin
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
für die von Olaf Scholz am 27. Februar
im Bundestag ausgerufene „Zeitenwende“
gab es eine gute, ja zwingende Be -
gründung: den Überfall Putins auf die
Ukraine. Und deshalb brauchte der Kanzler
nur drei Tage, bis er den Bürgern und
der ganzen Welt die dramatischen Konsequenzen
erklärte – bis hin zur „Wiederbewaffnung“
der Bundeswehr mittels
eines Sondervermögens von 100 Milliarden
Euro sowie dem Versprechen, künftig
jedes Jahr mehr als zwei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für die Truppe im
Haushalt aufzuwenden.
Für die am vergangenen
Dienstag vollzogene Panzerwende
– also die reichlich
späte Zusage, auch schwere
Waffen an die Ukraine zu liefern
– liegen die Dinge nicht
so einfach. Denn bis vor wenigen
Tagen hatte der Kanzler
seine ablehnende Haltung
zu Panzerlieferungen mit
der Gefahr eines Atomkriegs
begründet und seine Verantwortung
dafür betont, dass
Deutschland nicht Kriegspartei
werden dürfe. Da stellt
sich die Frage, ob der Kanzler
– aus welchen Gründen auch
immer – dieses Risiko jetzt
doch einzugehen bereit ist
oder ob dieses Risiko nur vorgeschoben
war. Deshalb ist es nicht überraschend,
dass Scholz die Panzerwende von seiner
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
verkünden ließ und er selbst dazu
schwieg.
Auch die Beratungen im Bundestag
über das 100-Milliarden-Paket für die
Bundeswehr begannen am Mittwoch
ohne einen Redebeitrag des Kanzlers.
Für beides gibt es einen gewichtigen
Grund, der aber den Nachteil hat, dass
man ihn schlecht öffentlich benennen
kann: die tiefe Spaltung der Kanzler -
partei in Fragen von Krieg, Bewaffnung
und Waffenlieferungen. Kein Geringerer
als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich
DER HAUPTSTADTBRIEF
EXKLUSIV
FÜR
FOCUS
ABONNENTEN
Der
Verriss
Oder: Was vom Koalitionsvertrag
übrig bleibt
Von Andreas Rinke Seite 2
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Analysen zur Politik
hatte bereits wenige Wochen nach der
Zeitenwende-Rede von Scholz im Bundestag
erklärt: „Die SPD ist nach wie vor
der Auffassung, dass zur Kriegsverhinderung
mehr gehört als immer größere
Rüstungsausgaben. Und schon gar nicht
gehört dazu, nachfolgenden Generationen
vorzuschreiben, wie hoch diese Ausgaben
zu sein haben.“ Am Dienstag kritisierte
der Fraktionschef eine „massive
militaristische Schlagseite“ der Debatte.
Dicker kann man die Fragezeichen
hinter die Ankündigungen des eigenen
Kanzlers zur Stärkung der Bundeswehr
nicht malen! Scholz muss sich nun die
Frage stellen, ob er diesen massiven Konflikt
in der eigenen Partei –
nicht zuletzt durch Schweigen
und Zögern – überdecken
will oder ob er ihn nicht doch
auskämpfen muss. Für nicht
wenige Genossen gilt, dass
man Frieden nur mit weniger
Waffen schaffen kann. Sie
empfinden die Zeitenwende-
Politik des eigenen Kanzlers
als genauso falsch wie seinerzeit
die Agenda-Politik Gerhard
Schröders.
Diese Woche hätte sich aber
für Scholz noch aus einem
anderen Grund eine ausführliche
Kommunikation mit dem
Bürger angeboten. Am Mittwoch
verkündete Wirtschaftsminister
Robert Habeck die neue Inflationsprognose
der Bundesregierung für
2022. Sie liegt mit 6,1 Prozent so hoch wie
zuletzt vor vier Jahrzehnten. Die Wachstumsprognose
musste ein weiteres Mal
eingedampft werden – auf gerade noch
2,2 Prozent. Doch auch dazu hörten Parlamentarier
und Bürger vom Kanzler –
nichts!
Nun könnte man einwenden, dafür
habe das Kabinett ja am selben Tag ein
Entlastungspaket unter anderem mit
einer Einmalzahlung von 300 Euro für
alle Erwerbstätigen und einem deutlichen
Tankpreis-Rabatt für drei Monate
auf den Weg gebracht. Doch damit verteilt
die Ampel Heftpflaster an Bürger
und Wirtschaft, von einem systematischen
Gegensteuern oder gar einer Therapie
kann nicht die Rede sein.
Die neue Vorsitzende der Mittelstandsund
Wirtschaftsunion, Gitta Connemann,
erinnerte kürzlich daran, wie eine an -
gemessene Reaktion auszusehen hätte:
Finanzminister Christian Lindner müsste
in erster Linie die Einkommensteuer an
die dramatisch veränderte Geldentwertung
anpassen, also deutlich senken.
Doch der Staat und auch Lindner verhielten
sich „wie ein Gutsherr, der Almosen
verteilt“. Da ist etwas dran, denn eine
Senkung des Einkommensteuertarifs
käme erheblich teurer als die jetzt be -
schlossene Einmalzahlung.
Doch die Bürger und vor allem die Leistungsträger
haben nach meiner Überzeugung
einen Anspruch darauf, dass
der Staat, der jahrelang Rekordsteuereinnahmen
verbuchte, sie steuerlich systematisch
entlastet für die enorme Inflation.
Es ist doch ein schlechter Witz, dass
der aktuelle Einkommensteuertarif auf
einer Inflationsprognose von 1,17 Prozent
aus dem Jahr 2020 beruht. Gerade
ein Finanzminister, der zugleich Vorsitzender
der Steuersenkungspartei FDP
ist, sollte aus innerer Überzeugung hier
tätig werden. In der Vergangenheit sind
Wolfgang Schäuble und auch ein gewisser
Olaf Scholz so verfahren. Da hatten
wir aber nur eine Mini-Inflation, deren
Ausgleich den Finanzminister so gut
wie nichts gekostet hat. Jetzt geht es um
zweistellige Milliardenbeträge für Bürger
und Wirtschaft. Ich finde: Steuergerechtigkeit
darf keine Frage des Preises sein!
Was den Kanzler betrifft, so können wir
nach knapp fünf Monaten ein erstes
Scholz-Gesetz formulieren: Je größer
und gefährlicher ein Problem ist, desto
eiserner schweigt er.
Herzlich Ihr
FOCUS 18/2022 3
Materiell
Gerhard Schröder
verteidigt seine
Geschäftemacherei
mit Wladimir Putin
Seite 22
Existenziell
Die fragwürdigen
Arbeitsbedingungen
der Food-
Lieferdienste
Seite 48
Individuell
Merck-Chefin
Belén Garijo
und ihre Ideen
für die Zukunft
der Medizin
Seite 70
Sonnenhell
Segeln vor der
Küste von Rhodos:
Griechenland
ist das
Trendreiseziel
der Saison
Seite 94
Sensationell
Elizabeth Moss verleiht in
der Serie „Shining Girls“
einer Schattenwelt Glanz
Seite 78
Pfeilschnell: der rasende „Doc“ Müller-Wohlfahrt Seite 60
4 FOCUS 18/2022
INHALT NR. 18 | 30. APRIL 2022
Titelthema
Wissen
60 Mensch, beweg dich!
Der Sportarzt Hans-Wilhelm
Müller-Wohlfahrt erklärt seine Medizin
66 Von den Profis profitieren
Zerrung, Prellung, Blasen: Müller-
Wohlfahrts Tipps gegen häufige Blessuren
Titel: Imago, Johannes Arlt/laif, ddp, Shutterstock/Composing Focus Magazin
28 Der Ungreifbare
Wie Bundeskanzler Olaf Scholz
Deutschland in der Ukraine-Frage ins
internationale Abseits laviert
34 „Schwäche provoziert Putin nur“
Der polnische Europa-Abgeordnete
Radoslaw Sikorski kritisiert die lasche
Haltung der Bundesregierung hart
Agenda
22 Blutsbrüder
Gerhard Schröders größtes Problem ist nicht
der Kreml-Chef, sondern er ist es selbst.
Analyse einer verhängnisvollen Affäre
Politik
36 Hoch im Norden
Was steckt hinter den Erfolgen von CDU-
Ministerpräsident Daniel Günther in
Schleswig-Holstein? Eine Erkundungstour
39 Datenstrudel
Wie die EU Digitalkonzerne regulieren will
70 Die Zukunft der mRNA
Corinne Flick spricht mit der spanischen
Ärztin und Merck-Chefin Belén Garijo
73 Leben aus dem All
Meteoriten lieferten alle DNA-Bausteine
Kultur
74 Piano King
Sofiane Pamart vermarktet sich so
virtuos wie kein anderer Klassikkünstler
78 Die Zwielichtige
Elizabeth Moss spielt mit Vorliebe komplizierte
Rollen – auch in „Shining Girls“
82 Von Aufstand und Anstand
Unsere Filme, Bücher, Alben der Woche
84 Wie lange hält der Hass?
Der ukrainische Schriftsteller Andrej
Kurkow über die Kinder des Krieges
Leben
94 Und die Götter lächeln wieder
Griechenland rüstet sich für ein grandioses
Comeback als Traum-Urlaubsziel
JETZT
E-PAPER LESEN:
Fotos: LAETITIA VANCON/The New York Times/Redux/laif, Jan Philip Welchering für FOCUS-Magazin,
BerndHartung/Agentur Focus, imago images/ZUMA Press, imago/MIS
40 Das schwierige fünfte Gebot
Der Militärbischof Bernhard Felmberg und
die Frage, wann Menschen töten dürfen
44 Für eine Handvoll Bitcoins
Gier und Gewalt gehören in El Salvador zum
Alltag. Reise in ein Land, das durch
Kryptowährungen ganz den Halt verliert
Wirtschaft
48 Burger und Prekariat
Unser Reporter verdingte sich als
Lieferando-Radkurier. Einsicht in eine
Branche, in der gebuckelt und getreten wird
54 Wiederauferstehung
Wie grün ist die Kreislaufwirtschaft?
58 Gefährlicher Größenwahn
Warum Elon Musks Twitter-Übernahme
das Schlimmste befürchten lässt
59 Geldmarkt
100 „Immer zuerst zuschlagen“
Bestsellerautor Maxim Leo erforscht
toxische Männlichkeit
102 Spielzeugauto
Das Citymobil Toyota Aygo X
104 Spektakel für die Ewigkeit
Fotograf Neil Leifer über seine Bilder
vom Boxkampf Ali vs. Foreman 1974
108 Think Pink
Ottolenghi kombiniert Fisch und Rhabarber
Rubriken
3 Editorial
6 Kolumne von
Jan Fleischhauer
9 Nachrichten
10 Fotos der Woche
16 Grafik der Woche
Waffenlieferungen
18 Menschen
72 Wir müssen reden
80 Bestseller
80 Impressum
83 Mein Salon
110 Die Einflussreichen
112 Leserbriefe
113 Nachrufe
113 Servicenummern
114 Tagebuch
Alle FOCUS-Titel
to go.
focus-shop.de
3 Editorial
6 Kolumne von Jan
Fleischhauer
9 Nachrichten
8 Fotos der Woche
16 Grafik der Woche
18 Menschen
48 Leserbriefe
Rubriken
90 Salon
95 Buch & Welt
96 Kultur-Macher
102 Bestseller
124 Die Einflussreichen
128 Nachrufe/ Namen
129 Impressum
130 Tagebuch
Titelthemen sind rot markiert
Titelthemen sind rot markiert
FOCUS 18/2022 5
POLITIK
BLINDBLIND
Packt er das?
Im Wahlkampf präsentierte
sich Olaf Scholz, 63, als
führungsstarker Macher.
Im fünften Monat seiner
Kanzlerschaft vermissen
jedoch viele bei ihm
genau das: Führung
28 FOCUS 18/2022
TITEL
Der Ungreifbare
Einst war das Schweigen seine Stärke, jetzt ist es seine
größte Schwäche. Olaf Scholz scheitert daran, den
Deutschen seine Politik zu erklären. Wieso kündigt er
eine Zeitenwende an und laviert dann rum? Annäherung
an einen Mann, der seine Rolle nicht gefunden hat
TEXT VON MARC ETZOLD, JAN-PHILIPP HEIN, REINHARD KECK,
SEBASTIAN MOLL UND MARCEL WOLLSCHEID
Foto: Andreas Chudowski/laif
29
WISSEN
Extrem feinfühlig
Mit seinen Händen ertastete
der Orthopäde mehr
als 40 000 Verletzungen
von Profisportlern
Die Weisheit der Hände
Deutschlands bekanntester Sportarzt gibt sein Wissen weiter:
Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Meister der manuellen Diagnose, erklärt
Laien seine Medizin. Sein wichtigster Ratschlag ist zugleich sein einfachster
TEXT VON BERNHARD BORGEEST FOTOS VON FLORIAN GENEROTZKY
60
FOCUS 18/2022
BLINDBLIND
FITNESS
Ewig jugendlich
Müller-Wohlfahrt, 79,
hält sich selbst vor
allem mit Joggen fit. Der
Blick aus seiner Praxis
geht auf den Marienhof in
Münchens Innenstadt
FOCUS 18/2022
61
WISSEN
Wegen Russlands Überfall auf die Ukraine
rücken viele andere Krisen in den Hintergrund.
Etwa die Corona-Pandemie,
die nur durch die Entwicklung eines
mRNA-Impfstoffs gegen das Coronavirus
effektiv bekämpft werden konnte.
Dieser Umstand ist Anlass für Convoco-Gründerin Corinne
Flick, die spanische Medizinerin Belén Garijo in ihren Podcast
einzuladen. Seit Mai 2021 ist sie Vorstandsvorsitzende
des Pharmakonzerns Merck in Darmstadt und
damit die erste Frau, die allein einen Dax-Konzern
führt. Mit der Übernahme der US-Biopharma-Firma
Exelead wird Merck sein Geschäft mit der mRNA-
Technologie ausbauen. Exelead ist unter anderem
auf Lipid-Nanopartikel spezialisiert, eine Schlüsselkomponente
für mRNA-Therapeutika. Das Gespräch
darüber und die Grenzen maßgeschneiderter
Präzisionsmedizin
geben wir in Auszügen wieder:
Die globale Zusammenarbeit bei
der Entwicklung eines Covid-19-
Impfstoffs war einer der Lichtblicke
der Pandemie. Zerstört
der Krieg in der Ukraine nun die
Hoffnung auf eine Fortführung
dieser globalen Kooperation?
Die beispiellose Zusammenarbeit,
die wir als Reaktion auf
Covid-19 gesehen haben, war
beeindruckend. Unternehmen,
Regierungen, Behörden, die Wissenschaft
und natürlich die Zivilgesellschaft
haben wirkungsvoll
gezeigt, dass wir erfolgreicher
sind, wenn wir zusammenarbeiten.
Natürlich ist der Krieg in der
Ukraine eine andere Situation als
die Pandemie. Aber unser Fokus
hat sich nicht geändert: Wir müssen
sicherstellen, dass Patienten,
die auf unsere Medikamente angewiesen sind, weiterhin
Zugang zu diesen haben. Angesichts der starken Reaktion,
die wir überall gesehen haben, bin ich sehr zuversichtlich,
dass die globale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen
Stakeholdern funktioniert. Das wird sich auszahlen.
Wie wichtig ist diese Region für die Entwicklung der Medizin?
Wir sind ein globaler Player. Wenn wir Innovationen entwickeln,
tun wir das nicht in einem einzigen Land. Wir sind für
die Entwicklung unserer Medikamente in mehreren Ländern
aktiv, weil wir Vielfalt brauchen.
Zum Beispiel sind wir auf diverse
Bevölkerungsgruppen für unsere
klinischen Studien angewiesen.
Russland und die Ukraine sind
Länder, in denen viele unserer klinischen
Entwicklungsprogramme
laufen. Unsere Aufgabe ist jetzt,
die Kontinuität dieser klinischen
Studien sicherzustellen. Die dortigen
Patientinnen und Patienten
haben sich schließlich zum Wohle
der Innovation bereit erklärt, an
INTERVIEW VON CORINNE M. FLICK
Wo liegt
die Zukunft
für mRNA?
Die Gründerin der Convoco-Stiftung
spricht regelmäßig mit Vertretern aus
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
und Kultur. Diese Woche mit der
spanischen Ärztin und Merck-Chefin
Belén Garijo
Was ist CONVOCO?
Die Convoco-Stiftung bietet unterschiedliche
Plattformen, die einen freien und interdisziplinären
Gedankenaustausch zu gesellschaftlich
relevanten Fragen ermöglichen und die Debatte
beflügeln: Es gibt Lectures in Berlin und
London, eine Konferenz (das
Convoco-Forum) in Salzburg. Im Convoco-Podcast
spricht Corinne Flick, Gründerin und Vorstand der Stiftung,
alle zwei Wochen mit wichtigen Vertretern der Gesellschaft.
Das aktuelle Gespräch lässt sich hier hören:
diesen Studien teilzunehmen. Wir können es uns nicht erlauben,
diese Bemühungen aufgrund der neuen Situation zu verlieren.
Daher tun wir alles, was in unserer Macht steht, um diese klinischen
Entwicklungsprogramme auf verantwortungsvolle Weise
fortzusetzen, beispielsweise indem wir Nachbarländer zur Unterstützung
der Evaluierungen nutzen. Angesichts der Lage in der
Ukraine und in Russland ist das eine große Herausforderung.
mRNA-Impfstoffe haben in der Corona-Pandemie bedeutende
Fortschritte gemacht. Wo liegt die Zukunft für mRNA?
Mehrere Unternehmen arbeiten bereits seit mehr als
zwanzig Jahren an mRNA-Technologie. Jetzt konnten
wir endlich beweisen, dass mit dieser Technologie Impfstoffe
hergestellt werden können. Die breite Öffentlichkeit
unterschätzt stark, was hinter der Entwicklung
eines Impfstoffes gegen Covid-19 steckt. Das ist das
Ergebnis langjähriger Forschung, hoher Ressourcen und
vieler Wissenschaftler, die an diesen
Erfolg geglaubt haben. mRNA
bietet nun eine potenzielle Blaupause
für andere Impfstoffe sowie
für die Entwicklung von Medikamenten.
Das betrifft ein breites
Spektrum von Krankheiten,
einschließlich Krebs und Autoimmunerkrankungen,
bei denen der
ungedeckte medizinische Bedarf
sehr hoch ist. Viele Studien laufen
bereits, um neue Impfstoffe und
innovative therapeutische Ansätze
zur Behandlung chronischer
Krankheiten zu entwickeln. Wir
sind sehr zuversichtlich, dass wir
in diesem Bereich Fortschritte
sehen werden.
Präzisionsmedizin, also die maßgeschneiderte
medizinische Versorgung
für den Einzelnen, soll die
Gesundheitsversorgung der Zukunft
werden. Was ist Ihre Meinung dazu?
Die Präzisionsmedizin hat immenses
Potenzial. Stellen Sie sich
vor, dass wir die Behandlung einer Patientin auf deren genetisches
Profil abstimmen können. Wir arbeiten seit vielen Jahren
an der Präzisionsmedizin und waren eines der ersten Unternehmen,
das eine personalisierte Medizin für die Behandlung
von Darmkrebs kommerzialisierte. Technologien wie künstliche
Intelligenz werden die Art und Weise, wie wir Patienten diagnostizieren
und behandeln, neu gestalten. Das Problem ist, dass
die traditionellen Gesundheitssysteme nach einem Einheitskonzept
arbeiten. Um personalisierte Medizin verfügbar zu machen,
muss sie in die gesamte Wertschöpfungskette
integriert werden.
Stakeholder in der Gesundheitsbranche
und Regierungen
müssen neue Strategien zur Kostenerstattung
identifizieren, die
den Zugang zu diesen innovativen
Medikamenten maximieren. Wir
leben in einer Ära der Genomik,
in der neue therapeutische Technologien
den Wirkungsgrad medizinischer
Behandlungen dramatisch
verbessern können. Gleich-
70 FOCUS 18/2022